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Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger

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durch einen Wolf erschreckt werden, gebären wolfsähnliche Kin-<br />

der, affen-, frosch- und katzenähnlich werden sie nach entspre-<br />

chenden Begegnungen mit Affen, Fröschen und Katzen 281 . Die<br />

«Wolfsrachen» und die «Hasenscharten» wurzeln zweifellos histo-<br />

risch in der Imaginationslehre 282 .<br />

Im Gebiet der Ähnlichkeitslehre und der Missbildungstheorie hat<br />

die Imaginatio im 18. Jahrhundert nicht nur überlebt, sondern sogar<br />

einen neuen Aufschwung genommen. Dieser Aufschwung war<br />

konzeptuell getragen von Georg Ernst Stahls (1660-1734) «Animis-<br />

mus» und dem damit verwandten, teilweise daraus abgeleiteten<br />

«Vitalismus» des 18. Jahrhunderts. Diese Lehren führten Leben, Ge-<br />

sundheit und <strong>Krankheit</strong> auf ein seelenartiges Prinzip, die Anima,<br />

oder auf die Nerven- und Lebenskraft - die man vorwiegend im<br />

Nervensystem lokalisierte - zurück. Sowohl der Animismus als<br />

auch der Vitalismus erlaubten dem 18. Jahrhundert, eine recht aus-<br />

gedehnte Psychosomatik aufzubauen - «Es ist der Geist, der sich<br />

den Körper baut», schrieb Schiller unter Stahls Einfluss 283 .<br />

Von diesen denkerischen Möglichkeiten nun machte die Lehre<br />

von den mütterlichen Einbildungen - in einem gewissen Gegensatz<br />

zur Lehre von den hypochondrischen Einbildungen - recht ausgie-<br />

big Gebrauch. Bei den Gerichtsmedizinern des früheren 18. Jahr-<br />

hunderts wird die Imaginatio sogar zum zentralen Problem im<br />

Rahmen der Frage nach Ähnlichkeit und Unähnlichkeit von Kin-<br />

dern und Eltern, welche in Legitimitätssachen nach wie vor eine<br />

grosse Rolle spielte. Allerdings sollten Ärzte und Juristen achten,<br />

schreibt Stahls Freund Alberti zwar, dass sie nicht durch betrügeri-<br />

sche <strong>Frau</strong>en und korrupte Verteidiger betrogen werden, dass nicht<br />

Ungerechtigkeit und Bosheit als Effekt der Imaginatio hingehe -<br />

wenn etwa eine <strong>Frau</strong> per imaginationem empfangen haben<br />

wolle 284 . Vielleicht hat er hier jenen Fall von 1637 im Auge, da das<br />

Parlament von Grenoble entschied, es könne eine <strong>Frau</strong>, die<br />

Noch 1726 konnte Mary Toft mit ihren Hasengeburten die englische Gelehrtenwelt er- ►<br />

schüttern. Mit B. bezeichnet ist Sir Richard Manningham (1690-17 9), «der berühmteste<br />

Londoner Geburtshelfer der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts». Er stösst das Sprechband<br />

aus: «Es wölbt sich, es schwillt, es öffnet sich, es kommt!» Blatt des englischen Sitten-<br />

schilderers und Satirikers William Hogarth (1697-1764).<br />

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