Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger
Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger
Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
das oberste physiologische Prinzip im menschlichen Organismus.<br />
Ihm unterstehen die Archaei der einzelnen Organe. Der oberste<br />
Archaeus hat seinen Sitz in Magen und Milz bzw. in der Magen-<br />
grube. Der Archaeus ist zugleich ein psychisches Prinzip. Krank-<br />
heit ist nun bei Helmont im wesentlichen ein Zustand, in welchem<br />
der Archaeus, veranlasst durch eine Idea morbosa, die sich ihm ein-<br />
geprägt hat, die Funktion des Organismus nicht mehr in normaler<br />
Weise regelt. Damit ist <strong>Krankheit</strong> bei Helmont im wesentlichen ein-<br />
gebildete <strong>Krankheit</strong> im eigentlichen Sinn des Wortes - aber «Ein-<br />
bildung» bedeutet hier nicht Unwirklichkeit. Sie ist allerdings zu-<br />
nächst immateriell - setzt sich dann aber in materielle Wirklichkeit<br />
um.<br />
Das Bild einer <strong>Krankheit</strong> kann also ganz realiter zur Ursache<br />
eben dieser <strong>Krankheit</strong> werden. «So siehet man nun auch manche<br />
Pest», schreibt Helmont, «welche alleine herkommet aus thörichter<br />
Einbildung und Schrecken, ohne dass jemand in angesteckten Or-<br />
ten sey: Und diese ist gantz schnell und gifftig» 2 2 - es handelt sich<br />
dabei um Bilder, die sich dem Magen eingeprägt oder, wie Helmont<br />
sich ausdrückt, «eingesiegelt» haben, um «Eindrücke» im engsten<br />
Sinn des Wortes. Aber auch Blutungen, die Gelbsucht, Epilepsie,<br />
Engbrüstigkeit, Herzzittern, Amenorrhoe, Paralysis können ideo-<br />
gen sein 2 3 . «Auf solche Weise kan der Geifer eines wütenden Hun-<br />
des, der Biss einer Tarantelspinne oder Schlange, wie auch der Saft<br />
von Eisenhütlein (napelli) ... oder Nachtschatten (solani) uns wie-<br />
der unserm Willen das Bild der Raserey mittheilen» 2 4 .<br />
Übrigens setzte van Helmont seine Bilder-Lehre auch zur Ratio-<br />
nalisierung der Auffassung ein, dass die Leiche eines Ermordeten in<br />
Gegenwart des Mörders zu bluten beginne. Er führte dieses Phäno-<br />
men auf das ins Geblüte «eingedruckte Bild der Rache» zurück 2 .<br />
Dies nur, um festzuhalten, dass die Lehre von den Einbildungen<br />
wohl eine graue Theorie gewesen sein mag, dass sie aber, wie alle<br />
grauen Theorien, durchaus blutige Konsequenzen haben konnte.<br />
Denn auf Mord stand seinerzeit Todesstrafe. «Ob gleich das einge-<br />
bildete Dinge», sagt van Helmont, «am Anfange nichts anders ist als<br />
ein blosses phantastisches Getichte, so bleib(t) es doch nit so; sinte-<br />
mal die Phantasie eine Siegel-mässige Krafft ist, welche deswegen<br />
109