Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger
Krankheit Frau - Esther Fischer-Homberger
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Es sollen nun hier zwei medizinhistorische Entwicklungslinien<br />
verfolgt werden, die jene frühe «Imaginatio» mit der modernen<br />
Einbildung und Einbildungskraft verbinden. Die eine führt - etwas<br />
kurz und etwas grob gesagt - über den Oberbauch, die andere über<br />
die Gebärmutter.<br />
Doch zunächst ein allgemeiner Umriss der Imaginatiolehre des<br />
16. und frühen 17. Jahrhunderts.<br />
1 86 ist in Mantua ein Buch bzw. sind «Sechs Bücher über Wun-<br />
dermedizin» herausgekommen. Der Autor dieses Werks war Mar-<br />
cellus Donatus (1 38-1603). Im ersten Kapitel des zweiten Buches<br />
behandelt Donatus ziemlich eingehend die wunderbaren Wirkun-<br />
gen der Einbildungskraft 248 . Die Imaginatio wirkt durch Vermitt-<br />
lung anderer - verdauender, ausscheidender, generativer usw. -<br />
Kräfte auf den Körper ein. So gähnen wir, wenn wir andere gäh-<br />
nen sehen, und erbrechen, wenn wir Abscheuliches sehen. Eine<br />
<strong>Frau</strong> gebar ein Mädchen, welches über und über mit Haaren be-<br />
deckt war, weil die Mutter während der Schwangerschaft oft das<br />
Bild des St. Johannes ( Johannes der Täufer in Fellkleidung) be-<br />
trachtet hatte. Einer Wirkung der Einbildungskraft ist es auch zu<br />
verdanken, dass es in schneeigen Gegenden viele weisse Hasen,<br />
weisse Füchse, Bären, Raben, Mäuse, Pfauen gibt. Eine <strong>Frau</strong>, die<br />
ums Fest der heiligen drei Könige schwanger war, gebar drei<br />
Söhne, deren einer schwarz war wie der Mohrenkönig. Eine<br />
Schwangere, die von ihrem Gatten bedroht wurde, er spalte ihr den<br />
Schädel, gebar später ein Kind mit gespaltenem Schädel, welches<br />
gleich nach der Geburt verblutete. Eine <strong>Frau</strong>, die einen Wasserkopf<br />
sah, gebar ein wasserköpfiges Kind. In typischer Weise ist die Ima-<br />
ginatio bei der hypochondrischen Melancholie gestört - da folgen<br />
die Geschichten von denen, die glauben, Frösche im Bauch zu<br />
haben, die nicht zu gehen wagen, weil sie glauben, gläserne Füsse<br />
zu haben, die glauben, Wölfe oder Dämonen zu sein oder mit Dä-<br />
monen Umgang zu haben. Donatus diskutiert die Frage, wie weit<br />
die Imaginatio auf äussere Gegenstände einwirken könne? Er ist da<br />
sehr zurückhaltend. Dass man per imaginationem Regen, Hagel,<br />
<strong>Krankheit</strong>en von Feinden behebig herstellen könne, lehnt er ab. Es<br />
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