analytik und die dialektik der substanz

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-— 132 — sind, doch ausreichen können, der Erfahrung vorausgesetzte Prinzipien des Vergleichens und des Verknüpfens anzunehmen. Nach Newton dürfe kein Zweifel an der Möglichkeit von Naturerkenntnis mehr gelten, deren subjektive Bedingungen in der Mathematik und in der Physik Kant offenzulegen sich anstellt. Das synthetische Urteil a priori, das, so meine Umformulierung der Problemstellung, die Zeitreihe des Wechsels mit der Zeitordnung des reinen Begriffs von Ursache und Dependenz a priori mittels der logischen Bestimmung des Wechsels zur Sukzessivität zu verknüpfen hat, erhält seine Notwendigkeit nicht allein aus der Analyse der modallogischen Verhältnisse vom Begriff der Veränderung und vom Begriff der Ursache, also nicht nur aus der Verschiebbarkeit des Begriffs der Veränderung, einmal als Begriff eines sensitivums und einmal als Prädikabilie der Ursache aufgefaßt werden zu können, sondern diese Analyse ergibt selbst nichts als eine der selbst zwar notwendigen Bedingungen der Möglichkeit, den Wechsel der Erscheinungen mit dem Satz von der Ursache und der Dependenz überhaupt verbinden zu können. Die Notwendigkeit entspringt vielmehr einem architektonischen Argument, da die Annahme des Gegenteils nicht nur den Prinzipien a priori der Erkenntnis, sondern gleich der Möglichkeit jeder zusammenhängenden Erfahrung widersprechen würde: »Der Beweis zeigt nämlich nicht, daß der gegebene Begriff (z. B. von dem, was geschieht) geradezu auf einen anderen Begriff (den einer Ursache) führe; denn dergleichen Übergang wäre ein Sprung, der sich gar nicht verantworten ließe; sondern er zeigt, daß die Erfahrung selbst, mithin das Objekt der Erfahrung, ohne eine solche Verknüpfung unmöglich wäre.« 95 Damit hat Kant einen vollständig transzendentalsubjektivistischen Standpunkt eingenommen und die transzendentale Analyse kraft idealer Identitätsetzung von Erfahrung und Erkenntnis im Verstandesurteil abgeschlossen. In der Vorrede zur zweiten Auflage der K.r.V. gibt Kant ein cartesianisch anmutendes Argument, mit dem er sein Vertrauen in seine Transzendentalphilosophie begründet: »Nicht Eigendünkel, sondern bloß die Evidenz, welche das Experiment der Gleichheit des Resultats im Ausgange von den mindesten Elementen bis zum Ganzen der reinen Vernunft und im Rückgange vom Ganzen (denn auch dieses ist für sich durch die Endabsicht derselben im Praktischen gegeben) zu jedem Teile 95 K.r.V.,B 811/A 783

-— 133 — bewirkt, indem der Versuch, auch nur den kleinsten Teil abzuändern, sofort Widersprüche, nicht bloß des Systems, sondern der allgemeinen Menschenvernunft herbeiführt, berechtigt mich zu diesem Vertrauen.« 96 Die Notwendigkeit des synthetischen Urteils a priori in den dynamischen Kategorien insgesamt wird architektonisch also von sehr verschiedenen Stellen gefordert: Zu oberst ein praktischer Grund, weil es uns zuträglich ist, dann ein Vernunftgrund, weil ansonsten keine systematische Erkenntnis möglich wäre, schließlich ein naturphilosophischer und ontologischer Grund, ohne dem nicht nur Naturwissenschaft, sondern zuletzt auch die Bestimmung der objektiven Realität unseres Daseins nicht möglich wäre. 97 Keinesfalls ist aber mit diesem transzendentalen Prinzip der Erkenntnis anschauender Intelligenzen garantiert, daß empirisch auch immer Ursachen gefunden werden: »Der Begriff der Ursache enthält eine Regel, nach der ein Zustand ein anderer notwendiger Weise folgt; aber die Erfahrung kann uns nur zeigen, daß oft, und, wenn es hochkommt, gemeiniglich auf einen Zustand der Dinge ein anderer folge, und kann also weder strenge Allgemeinheit, noch Notwendigkeit verschaffen etc.. Daher scheinen Verstandesbegriffe viel mehr Bedeutung und Inhalt zu haben, als daß der bloße Erfahrungsgebrauch ihre ganze Bestimmung erschöpfte [...].« 98 Kant meint offenbar aber nicht nur, daß dann, wenn Erkenntnisse möglich sind, diese nur nach der Kausalitätskategorie möglich sind, sondern 96 B XXXVIII 97 Vgl. hiezu die Widerlegung des Idealismus, besonders aber die Paralogismen: »Nehmen wir nun unsere obigen Sätze, wie sie auch für alle denkenden Wesen gültig, in der rationalen Psychologie als System genommen werden müssen, in synthetischem Zusammenhange, und gehen, von der Kategorie der Relation, mit dem Satze: alle denkenden Wesen sind, als solche, Substanzen, rückwärts die Reihe derselben, bis sich der Zirkel schließt, durch, so stoßen wir zuletzt auf die Existenz derselben [...]. Hieraus folgt aber,daß der Idealism in eben demselben rationalistische System unvermeidlich sei, wenigstens der problematische, und, wenn das Dasein äußerer Dinge zu Bestimmung seines eigenen in der Zeit gar nicht erforderlich ist, jenes auch nur ganz umsonst angenommen werde, ohne jemals einen Beweis davon angeben zu können. Befolgen wir dagegen das analytische Verfahren, da das Ich denke, als ein Satz, der schon ein Dasein in sich schließt, als gegeben, mithin die Modalität, zum Grunde liegt, und zergliedern ihn, um seinen Inhalt, ob und wie nämlich dieses Ich im Raum oder der Zeit bloß dadurch sein Dasein bestimmt, zu erkennen, so würden die Sätze der rationalen Seelenlehre nicht vom Begriffe eines denkenden Wesens überhaupt, sondern von einer Wirklichkeit überhaupt anfangen, und aus der Art, wie diese gedacht wird, nachdem alles, was dabei empirisch ist, abgesondert worden, das was einem denkenden Wesen überhaupt zukommt gefolgert werden [...].« (K.r.V., B 416 ff.) 98 Prolegomena, A 106

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sind, doch ausreichen können, <strong>der</strong> Erfahrung vorausgesetzte Prinzipien<br />

des Vergleichens <strong>und</strong> des Verknüpfens anzunehmen. Nach Newton dürfe<br />

kein Zweifel an <strong>der</strong> Möglichkeit von Naturerkenntnis mehr gelten, <strong>der</strong>en<br />

subjektive Bedingungen in <strong>der</strong> Mathematik <strong>und</strong> in <strong>der</strong> Physik Kant<br />

offenzulegen sich anstellt.<br />

Das synthetische Urteil a priori, das, so meine Umformulierung <strong>der</strong><br />

Problemstellung, <strong>die</strong> Zeitreihe des Wechsels mit <strong>der</strong> Zeitordnung des<br />

reinen Begriffs von Ursache <strong>und</strong> Dependenz a priori mittels <strong>der</strong> logischen<br />

Bestimmung des Wechsels zur Sukzessivität zu verknüpfen hat, erhält<br />

seine Notwendigkeit nicht allein aus <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> modallogischen<br />

Verhältnisse vom Begriff <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> vom Begriff <strong>der</strong> Ursache,<br />

also nicht nur aus <strong>der</strong> Verschiebbarkeit des Begriffs <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung,<br />

einmal als Begriff eines sensitivums <strong>und</strong> einmal als Prädikabilie <strong>der</strong><br />

Ursache aufgefaßt werden zu können, son<strong>der</strong>n <strong>die</strong>se Analyse ergibt selbst<br />

nichts als eine <strong>der</strong> selbst zwar notwendigen Bedingungen <strong>der</strong> Möglichkeit,<br />

den Wechsel <strong>der</strong> Erscheinungen mit dem Satz von <strong>der</strong> Ursache <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Dependenz überhaupt verbinden zu können. Die Notwendigkeit<br />

entspringt vielmehr einem architektonischen Argument, da <strong>die</strong> Annahme<br />

des Gegenteils nicht nur den Prinzipien a priori <strong>der</strong> Erkenntnis, son<strong>der</strong>n<br />

gleich <strong>der</strong> Möglichkeit je<strong>der</strong> zusammenhängenden Erfahrung<br />

wi<strong>der</strong>sprechen würde: »Der Beweis zeigt nämlich nicht, daß <strong>der</strong> gegebene<br />

Begriff (z. B. von dem, was geschieht) geradezu auf einen an<strong>der</strong>en Begriff<br />

(den einer Ursache) führe; denn <strong>der</strong>gleichen Übergang wäre ein Sprung,<br />

<strong>der</strong> sich gar nicht verantworten ließe; son<strong>der</strong>n er zeigt, daß <strong>die</strong> Erfahrung<br />

selbst, mithin das Objekt <strong>der</strong> Erfahrung, ohne eine solche Verknüpfung<br />

unmöglich wäre.« 95 Damit hat Kant einen vollständig<br />

transzendentalsubjektivistischen Standpunkt eingenommen <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

transzendentale Analyse kraft idealer Identitätsetzung von Erfahrung <strong>und</strong><br />

Erkenntnis im Verstandesurteil abgeschlossen.<br />

In <strong>der</strong> Vorrede zur zweiten Auflage <strong>der</strong> K.r.V. gibt Kant ein cartesianisch<br />

anmutendes Argument, mit dem er sein Vertrauen in seine<br />

Transzendentalphilosophie begründet: »Nicht Eigendünkel, son<strong>der</strong>n bloß<br />

<strong>die</strong> Evidenz, welche das Experiment <strong>der</strong> Gleichheit des Resultats im<br />

Ausgange von den mindesten Elementen bis zum Ganzen <strong>der</strong> reinen<br />

Vernunft <strong>und</strong> im Rückgange vom Ganzen (denn auch <strong>die</strong>ses ist für sich<br />

durch <strong>die</strong> Endabsicht <strong>der</strong>selben im Praktischen gegeben) zu jedem Teile<br />

95 K.r.V.,B 811/A 783

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