analytik und die dialektik der substanz

-— 111 —
behauptet, ohne dafür einen hinreichend deutlichen Grund angeben zu
können, ist: »Außer der Zufälligkeitgehört noch etwas mehr zur
Veränderlichkeit. Die Sukzession der Zustände ist Veränderung.« 48
Es geht um den Grund, weshalb Zufälligkeit allein nicht ausreicht, um die
Definition der Veränderlichkeit zu erfüllen. Zwar soll nach wie vor gelten,
daß nur jene Prädikate kontradiktorisch entgegengesetzt sind, welche zu
einem bestimmten Zeitpunkt am selben Substrat zugleich nicht sein
konnten, doch ist damit für das allgemeinere Verhältnis des Prädikats, das
vergeht, und jenem, das anhebt, auch gar nichts Näheres bestimmt
worden: weder ob diese Abfolge der Prädikate einen kontradiktorischen
Gegensatz, einen noch nicht näher spezifizierbaren empirischen Gegensatz
oder gar keinen Gegensatz beinhaltet. Vielmehr scheint von hier aus alles
möglich. — Wohl soll der reine Verstandesbegriff als Kategorie gegenüber
der bloßen logischen Funktion bereits eine konstitutive Einschränkung des
nach dem principium contradictionis schon eingeschränkten Denkmöglichen
sein, doch kann er dies anscheinend bislang nur dann leisten, wenn die
Gültigkeit der Verstandesbegriffe als Kategorie allein auf den
Metaphysischen Anfangsgründen von Substanz und Kausalität beruht.
Was aber bleibt dann vom reinen Verstandesbegriff als das Schema der
Darstellung nach einem Prinzip a priori? Mit Rücksicht auf die
Schwierigkeit, was Entgegensetzung und Opposition für sich bedeuten
können, soll noch eine Möglichkeit vorgeschlagen werden, um die Weisen,
eine Entgegensetzung zu beschreiben, zu präzisieren:
»Zufällig ist, dessen Gegenteil an seiner Stelle möglich ist. Veränderlich:
das in Verknüpfung mit seinem Gegenteil möglich ist. Bei aller
Veränderung sind: 1. oppositae determinationes, quatenus eidem
Verstandesbegriffe gezählt werden konnte, und daß dieser Begriff als empirisch nur
in einer Naturwissenschaft als angewandter Metaphysik, welche sich mit einem
durch Erfahrung gegebenen Begriffe, obwohl nach Prinzipien a priori; beschäftigt,
Platz finden könne.« (A 4)
In der Anmerkung zur vierten Erklärung ist nun zu lesen: »Zur Konstruktion der
Begriffe wird erfodert: daß die Bedingung ihrer Darstellung nicht von der Erfahrung
entlehnt sei, also auch nicht gewisse Kräfte voraussetze, deren Existenz nur von der
Erfahrung abgeleitet werden kann, oder überhaupt, daß die Bedingung der
Konstruktion nicht selbst ein Begriff sein müsse, der gar nicht a priori in der
Anschauung gegeben werden kann, wie z.B. der von Ursache und Wirkung,
Handlung und Widerstand etc.«(A 14). Die Prinzipien a priori zur Darstellung
demonstriert Kant im Begriff einer zusammengesetzten Bewegung. Hier stehen den
reinen Prinzipien a priori nach dem Vorbild der Geometrie die Bedingungen der
Natur (die metaphysischen Anfangsgründe: Ursache und Wirkung, Handlung und
Widerstand; zuvor die Beweglichkeit selbst) entgegen.
48 Refl. 4816