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analytik und die dialektik der substanz

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-— 104 —<br />

Bedeutung <strong>der</strong> Aussage än<strong>der</strong>t sich mit <strong>der</strong> Wegnahme des »zugleich«<br />

nicht. 32 Insofern hat <strong>die</strong> bloß logische Reflexion ihre Zeitbedingung im<br />

Rücken, aber nicht zum Thema. So ist es logisch auch gleichgültig, ob ich<br />

das principium contradictionis mit o<strong>der</strong> ohne Zeitbedingung formuliere: Daß<br />

ein Mensch zu einer Zeit ungelehrt, zu einer an<strong>der</strong>en gelehrt sein kann, ist<br />

auch für das analytische Urteil »Kein ungelehrter Mensch ist gelehrt« nicht<br />

falsch, es gibt bloß grammatikalisch keine Gelegenheit <strong>und</strong> keine<br />

Notwendigkeit, in <strong>die</strong>sem Satz <strong>die</strong> Zeitbedingung auszudrücken. Diese<br />

Möglichkeit besteht hingegen im ersten Satz: »Ein Mensch, <strong>der</strong> ungelehrt<br />

ist, ist nicht gelehrt«, aber eben nur als Möglichkeit, nicht als<br />

Notwendigkeit, wie Kant glauben zu machen scheint. Die Hinzufügung<br />

<strong>der</strong> Bedingung des Zugleichseins ergibt sich erst, wenn <strong>die</strong> Aussage<br />

objektsprachlich zu verstehen ist, also erst dann, wenn <strong>die</strong> Objekte <strong>der</strong><br />

Aussage eine Zeitbedingung überhaupt erst mit sich bringen.<br />

Die einzige Information, <strong>die</strong> beide Sätze hergeben ist <strong>die</strong>, daß das ,nicht<br />

gelehrt‘ das gleiche bedeutet wie ,ungelehrt‘, also <strong>die</strong> Identität von »X ist<br />

nicht Y« <strong>und</strong> »X ist Nicht-Y« behauptet wird. Das ist aber offensichtlich<br />

eine Identsetzung, <strong>und</strong> nicht eine echte Aussage: ersteres behauptet <strong>die</strong><br />

Nichtgeltung eines Prädikats Y von X, zweiteres behauptet, daß alle<br />

Merkmale, <strong>die</strong> nicht X zukommen, einem fiktiven Gegenstand Y<br />

zukommen, <strong>und</strong> das sind sicherlich zwei völlig verschiedene<br />

Behauptungen. Beide Sätze setzen <strong>die</strong>se Festsetzung als<br />

sprachnormierende Feststellung voraus <strong>und</strong> sprechen sie nur mit <strong>und</strong><br />

ohne Zeitbedingung verneinend aus, doch aber bedeuten sie nicht das<br />

selbe. Der Satz: »Ein Mensch, <strong>der</strong> ungelehrt ist, ist nicht gelehrt« besagt<br />

soviel wie, es kann von X nicht sowohl Nicht-Y wie auch Y behauptet<br />

werden, hingegen drückt <strong>der</strong> Satz: »Kein ungelehrter Mensch ist gelehrt«<br />

genau genommen aus, daß »X als Nicht-Y ist nicht Y«. Ersterer betrifft das<br />

principium contradictionis, zweiterer ist identitätslogisch ausgedrückt.<br />

An<strong>der</strong>s wie das ,kein‘ verhin<strong>der</strong>t nun im ersten Beispielsatz das<br />

eingefor<strong>der</strong>te ,zugleich‘ <strong>die</strong> Tautologie, <strong>die</strong> mit <strong>der</strong> konventionalistischen<br />

Festsetzung <strong>der</strong> Identät bei<strong>der</strong> Ausagen (X ist Nicht-Y, X ist nicht Y) droht:<br />

Während das ,kein‘ <strong>die</strong> semantische Normierung <strong>der</strong> Prädikate<br />

klassenlogisch ausdrückt <strong>und</strong> so keinerlei eigene Zeitbedingung besitzen<br />

32 Vgl. <strong>die</strong> »überfüllte Vorstellung« Bolzanos, in: Wissenschaftslehre. Versuch einer<br />

ausführlichen <strong>und</strong> größtenteils neuen Darstellung <strong>der</strong> Logik mit steter Rücksicht auf<br />

<strong>der</strong>en bisherigen Bearbeiter, Sulzbach 1837, § 69.

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