analytik und die dialektik der substanz

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-— 256 — »Wahrheit ist die Selbigkeit des Gemeinten und Angeschauten.« 259 Heidegger leugnet also nicht durchwegs die Bedeutung der Anschauung in der Wahrheitsfrage, hält aber anders als Tugendhat die Husserlsche Erklärung der sinnerfüllenden Intention allein mittels Anschauung (ein Irrtum Tugendhats, aber offenbar in gewissen Maße auch Heideggers) für nicht ausreichend, allerdings nur, weil diese bloß als Übergang von idealer Geltung zu realer Geltung (also einfach mittels sinnlicher Anschauung) zu denken sei (das entspäche zumindest noch strategisch der selbst nichtkategorialen Unterscheidung von noumenon und phaenomenon durch Kant): Für Heidegger bleibt offen, wie das Ableitungsverhältnis von Anschauung zu Aussage (und Gemeinten) zu verstehen ist und was dabei mit »Anschauung« und »Aussage« in einem formalisierbaren Sinn genauer gemeint ist. (Gethmann, S. 111) Zu dieser Einschätzung wurde schon oben auch hinsichtlich des Verhältnisses von »Auslegung« und »Aussage« das Nötigste angemerkt, jedoch bleibt noch zu sagen: Husserl wie Heidegger übersehen, daß Kant selbst schon diese Differenz von sinnlicher Anschauung und Erscheinung zwischen Wahrnehmung und Erfahrung für das Soseiende (das Substrat der Washeit) sowohl als bloß innerweltlich Vorhandenes allein anhand der (sinnlichen) Anschauung und deren weiter ausgreifenden Thesen- und Hypothesenbildung in der Erfahrung (erste Kritik), wie auch als Zuhandenes der selbst innerweltlichen Besorgungsstruktur des »man« (zweite Kritik) zwischen ästhetisch-pathologischer und ästhetischpraktischer Reflexion auf die Vorstellung (dritte Kritik) behandelt und damit die Struktur der Argumentation vorgezeichnet hat. Heidegger verabsäumt also nicht nur in den zentralen Teilen des Buches »Kant und Problem der Metaphysik« sondern auch in den Vorlesungen 1925/26 die der Moderne, die sich nach (im außerdeutschen Bereich schon gleichzeitig mit) dem Realimus entwickeln.«(S. 209) Anhand des Begriffpaares von »Leerstellen des Gemeinbildes« und »Concretionen durch Einzelanschauungen« (ZIMMERMANN 1865, § 280) zieht Jäger eine Verbindung zum tschechischen Strukturalismus (Artefakt und Konkretisation bei Mukarovsky) und zum polnischen Ästhetiker Ingarden, der nachzugehen wertvoll wäre (S. 214). Daß die Wirkungsgeschichte Zimmermanns sich über Twardowsky auf die polnische Logik und den Schülerkreis Brentanos hinaus auch auf Husserl zu erstrecken scheint, siehe in: G.W. Cernoch, Zimmermanns Grundlegung der Herbartschen Ästhetik. Eine Brücke zwischen Bolzano und Brentano, in: Verdrängter Humanismus und verzögerte Aufklärung, in: Verdrängter Humanismus - verzögerte Aufklärung, Bd. 3, Bildung und Einbildung. Vom verfehlten Bürgerlichen zum Liberalismus. Philosophie in Österreich (1820-1880), Hrsg. Michael Benedikt, Reinhold Knoll, Verlag Edituria Triade, Klausen-Leopoldsdorf, Ludwigsburg, Klausenburg 1995 259 cit. op., p. 109

-— 257 — Fragestellung nach dem Gehalt eines Urteils gemäß der Unterscheidung nach reflektierender und bestimmender Urteilskraft ausdrücklich einzurichten. Das aber heißt a fortiori, Husserl wie Heidegger übersehen auch, daß die Differenz zwischen theoretischer und praktischer Vernunft nicht allein zwischen Verstand (Physik) und Begehrungsvermögen (Ethik) aufzulösen ist. 260 Eine solche Differenz hat sich nicht nur auf verschiedene »Gegenstandsbereiche« der Intentionalität sondern auch auf verschiedene Methoden zu beziehen, soll aber dabei womöglich gerade dadurch noch die Synthesis der Akteinheit als eine der kategorialen Synthesis vorgängige Synthesis im Anschluß an die transzendentale Reflexion (wovon die transzendentale Analytik ein Teilstück wäre) vorstellen. Damit wäre aber vielmehr die Vorstellung einer ursprünglichen Einheit der theoretischen und der praktischen Vernunft, allerdings auch nicht unbedingt selbst als Vernunft, gegeben und nicht eine nachvollziehbare Akteinheit des ursprünglich vorausgesetzten Selbstbewußtseins, woraus alles weitere analytisch folgt: Dazu wäre offenbar doch eine synthetische Metaphysik nötig, die über eine »transzendentale Psychologie«, die zwischen rationaler Psychologie und rationaler Physiologie das innere Seelenleben konstituieren (rekonstruieren) soll, noch hinausgeht und weltkonstituierend sein will. e) Insuffizienz der pragmatischen Reflexion des Urteils (Dienlichkeit als Ausweis der Erschlossenheit. Heideggers Pragmatismus in der Frage der Wahrheitskriterien, Gethmann, S. 111 f.) Heideggers pragmatischer Ansatz in der Logik ist in § 44 von Sein und Zeit, genauer in der Vorlesung vom Wintersemester 1925/26, §§ 12-14, von Aristoteles ausgehend zu verfolgen. »Heidegger stellt sich am Beginn des § 11 der Vorlesung ausdrücklich die Aufgabe, die Aussagewahrheit, wie 260 Dieter Henrich, hat im bekannten Aufsatz: Der Begriff der sittlichen Einsicht und Kants Lehre vom Faktum der Vernunft, (in: Kant. Zur Deutung seiner Theorie von Erkennen und Handeln, Hrsg. Gerold Prauss, Neue Wissenschaftliche Bibliothek: Philosophie, Kiepenheuer und Witsch, Köln 1973, p. 223 ff.) vor dem Hintergrund der Auffassung von Hutchinson, das Gute und das Schöne sei nicht allein Angelegenheit rationalen Schlußfolgerns, sondern wäre durchaus traditionell gemäß der vis repraesentatio zu denken, welche das Interesse von der Methode der Versicherung in der Erkenntnis trennt und doch einer gemeinsamen Wurzel zuzusprechen wäre, Kant als einen Denker skizziert, der zunächst entgegen Hutchinson bis in Grundlegung der Metaphysik der Sitten einen rein rationalen Grund für das Gute annimmt, und dann erst allmählich in verschiedenen Versuchen, die freilich systematisch aufeinander bezogen werden, den Begriff der Vernunft von den Vorstellungen in der rationalen Metaphysik zu emanzipieren beginnt.

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»Wahrheit ist <strong>die</strong> Selbigkeit des Gemeinten <strong>und</strong> Angeschauten.« 259<br />

Heidegger leugnet also nicht durchwegs <strong>die</strong> Bedeutung <strong>der</strong> Anschauung<br />

in <strong>der</strong> Wahrheitsfrage, hält aber an<strong>der</strong>s als Tugendhat <strong>die</strong> Husserlsche<br />

Erklärung <strong>der</strong> sinnerfüllenden Intention allein mittels Anschauung (ein<br />

Irrtum Tugendhats, aber offenbar in gewissen Maße auch Heideggers) für<br />

nicht ausreichend, allerdings nur, weil <strong>die</strong>se bloß als Übergang von idealer<br />

Geltung zu realer Geltung (also einfach mittels sinnlicher Anschauung) zu<br />

denken sei (das entspäche zumindest noch strategisch <strong>der</strong> selbst nichtkategorialen<br />

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Kant): Für Heidegger bleibt offen, wie das Ableitungsverhältnis von<br />

Anschauung zu Aussage (<strong>und</strong> Gemeinten) zu verstehen ist <strong>und</strong> was dabei<br />

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gemeint ist. (Gethmann, S. 111)<br />

Zu <strong>die</strong>ser Einschätzung wurde schon oben auch hinsichtlich des<br />

Verhältnisses von »Auslegung« <strong>und</strong> »Aussage« das Nötigste angemerkt,<br />

jedoch bleibt noch zu sagen: Husserl wie Heidegger übersehen, daß Kant<br />

selbst schon <strong>die</strong>se Differenz von sinnlicher Anschauung <strong>und</strong> Erscheinung<br />

zwischen Wahrnehmung <strong>und</strong> Erfahrung für das Soseiende (das Substrat<br />

<strong>der</strong> Washeit) sowohl als bloß innerweltlich Vorhandenes allein anhand <strong>der</strong><br />

(sinnlichen) Anschauung <strong>und</strong> <strong>der</strong>en weiter ausgreifenden Thesen- <strong>und</strong><br />

Hypothesenbildung in <strong>der</strong> Erfahrung (erste Kritik), wie auch als<br />

Zuhandenes <strong>der</strong> selbst innerweltlichen Besorgungsstruktur des »man«<br />

(zweite Kritik) zwischen ästhetisch-pathologischer <strong>und</strong> ästhetischpraktischer<br />

Reflexion auf <strong>die</strong> Vorstellung (dritte Kritik) behandelt <strong>und</strong><br />

damit <strong>die</strong> Struktur <strong>der</strong> Argumentation vorgezeichnet hat. Heidegger<br />

verabsäumt also nicht nur in den zentralen Teilen des Buches »Kant <strong>und</strong><br />

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Realimus entwickeln.«(S. 209) Anhand des Begriffpaares von »Leerstellen des<br />

Gemeinbildes« <strong>und</strong> »Concretionen durch Einzelanschauungen« (ZIMMERMANN 1865,<br />

§ 280) zieht Jäger eine Verbindung zum tschechischen Strukturalismus (Artefakt <strong>und</strong><br />

Konkretisation bei Mukarovsky) <strong>und</strong> zum polnischen Ästhetiker Ingarden, <strong>der</strong><br />

nachzugehen wertvoll wäre (S. 214).<br />

Daß <strong>die</strong> Wirkungsgeschichte Zimmermanns sich über Twardowsky auf <strong>die</strong> polnische<br />

Logik <strong>und</strong> den Schülerkreis Brentanos hinaus auch auf Husserl zu erstrecken scheint,<br />

siehe in: G.W. Cernoch, Zimmermanns Gr<strong>und</strong>legung <strong>der</strong> Herbartschen Ästhetik. Eine<br />

Brücke zwischen Bolzano <strong>und</strong> Brentano, in: Verdrängter Humanismus <strong>und</strong><br />

verzögerte Aufklärung, in: Verdrängter Humanismus - verzögerte Aufklärung, Bd. 3,<br />

Bildung <strong>und</strong> Einbildung. Vom verfehlten Bürgerlichen zum Liberalismus.<br />

Philosophie in Österreich (1820-1880), Hrsg. Michael Benedikt, Reinhold Knoll,<br />

Verlag Edituria Triade, Klausen-Leopoldsdorf, Ludwigsburg, Klausenburg 1995<br />

259 cit. op., p. 109

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