analytik und die dialektik der substanz

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-— 242 — werden muß, zumal man ja imstand ist, an abwesende Objekte der Außenwelt zu denken. Ebenso vermag man in einsamer innerer Rede an mathematische oder grammatikalische Gegenstände zu denken, die keineswegs aus der Immanenz (d. h. aus der Struktur des Bewußtseins) allein zu erklären sind. — Das Phänomen des Bewußtseins, insbesondere des Selbstbewußtseins, ist bestenfalls als Problem erfaßt worden, aber von einer Aufklärung so weit entfernt wie ehedem. Was zum Bewußtsein zu sagen ist, hat Husserl in der Phänomenologie des inneren Zeitbewußtseins grundgelegt, später hat Husserl versucht, die Immanenz der transzendentalen Phänomenologie unabhängig von einem subjektiven (soll wohl wechselweise heißen, individuellen oder empirisch-konkreten) Bewußtsein zu fundieren. So will mir allerdings nicht einleuchten, weshalb die sprachanalytische Reduktion auf die Differenz von Redevorkommnis und Sprach-Schema im Britannica-Artikel etwas an der Idealität der Grammatik aus den LU IV ändern sollte. Ich vermag die Äußerungen des mittleren Husserl also auch nicht als Aufhebung oder Lockerung der Unterscheidung von Idealität und Realität eindeutig festzumachen. — Trotzdem ist der Kritik Heideggers am Antipsychologismus Husserls gerade wegen der inkriminierten Konfundierung von idealer und realer Seinsspäre recht zu geben; allerdings bleibt die Frage, ob diese Kritik zwingend zu den Konsequenzen führen muß, auf die Heidegger verfallen ist. Der Kritik an der Idealität des Gehaltes gegenüber dem Vollzug ist aber noch aus einem anderen Grund grundsätzlich zuzustimmen: Die Erörterung der Phänomenologie erscheint idealiter Ich-los zu sein; das wurde in der Literatur auch als Faktum behandelt, während ich auch Husserls spätere Rückkehr zur Erörterung des logischen Ich in den Cartesianischen Meditationen eher als Ergänzung denn als in Widerspruch zur Ideenlehre stehend auffasse: Denn die Quelle der Konzentration kann nun nicht im Gegenstandsbereich der Phänomenologie selbst liegen; keineswegs darf geglaubt werden, daß mit der systematischen Unterscheidung in Noetik und Noematik und deren Zusammenführung in der Noesis das selbst intellektuelle Ich völlig in die phänomenologische Haltung überführen werden könnte. Offenbar muß zwischen der Spontaneität der Aufmerksamkeit der reinen interesselosen Betrachtung, welche sich von der Struktur des Materials reflexartig leiten läßt, und der Spontaneität, die von einem bestimmbaren Interesse oder Absicht geleitet wird, im weitesten Sinne unterschieden werden, wobei letztere auch den Fall

-— 243 — einschließen sollte, daß die Spontaneität eine bestimmte Vorstellung dem gebotenen Material zielgerichtet aufprägen will (produktive Einbildungskraft). Insofern muß die volle Betrachtung der eidetischen Variation bei Husserl die Retention und Protention miteinschließen, womit eben auch die Erinnerung ins Spiel kommt. Die Idealität der transzendentalen Phänomenologie und deren Reduktion kann sich somit nur auf die Prinzipien der Verfahren und deren geordnete Verhältnisse beziehen, aber weder auf den Vollzug selbst noch auf den Inhalt. Die Frage nach der Idealität des Inhalts ist eine davon gesondert zu untersuchende Problemstellung. Ich behaupte die Eigenständigkeit und Selbstständigkeit mathematischer Gegenstände, doch selbst im Reich mathematischer Gegenstände gibt es nur weniges, was näher überlegt als „ideal“ bezeichnet werden kann. Abgesehen davon, daß ein Großteil der Mathematik aus Annäherungsverfahren besteht, kann zwar die Tradition platonischer Körper ein Beispiel von Idealität in der Mathematik abgeben (sieht man weiters von der arithmetischen Irrationalität der Diagonalen ab), mitnichten aber ist das Problem des Infinitesimalen von Leibniz und Newton auf eine Weise gelöst worden, die im philosophischen und strengem Sinne „ideal“ genannt werden könnte. Das war auch Brentano bewußt und hat dies gegen Husserls erste Logischen Untersuchungen eingewandt. (Franz Brentano: Wahrheit und Evidenz, Hrsg. Oskar Kraus, Hamburg 1930. Vgl. den Brief aus Florenz vom 9. Januar 1905 an Husserl. Der Herausgeber hat diesen Brief mit einer Überschrift versehen: »Über die Allgemeingültigkeit der Wahrheit und den Grundfehler einer sogenannten Phänomenologie«, S. 153 ff.). Demnach wäre die Eigenständigkeit und Selbstständigkeit der Mathematik selbst nicht ideal zu nennen, wie Husserl im Anschluß an Bolzano glaubt, aber doch nicht diese Eigenständigkeit und relative Selbstständigkeit des Gehalts des Urteilsvollzuges in einem widerlegt worden, wie Brentano, und offenbar im Anschluß an Brentano auch Heidegger glaubt. Damit bliebe auch nach dieser Kritik die von Husserl intendierte ontologische Differenz zwischen Immanenz der transzendentalen Phänomenologie nach der Reduktion und Transzendenz der natürlichen Einstellung unserer Welterfahrung vor der transzendentalen Reduktion unbestimmt-allgemein gerechtfertigt; und zwar auch ohne anhand der Unterscheidung von Gehalt und Vollzug auf die Differenz von Idealität und Realität zurückkommen zu müssen und diese Unterscheidung damit auch zu überanspruchen.

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werden muß, zumal man ja imstand ist, an abwesende Objekte <strong>der</strong><br />

Außenwelt zu denken. Ebenso vermag man in einsamer innerer Rede an<br />

mathematische o<strong>der</strong> grammatikalische Gegenstände zu denken, <strong>die</strong><br />

keineswegs aus <strong>der</strong> Immanenz (d. h. aus <strong>der</strong> Struktur des Bewußtseins)<br />

allein zu erklären sind. — Das Phänomen des Bewußtseins, insbeson<strong>der</strong>e<br />

des Selbstbewußtseins, ist bestenfalls als Problem erfaßt worden, aber von<br />

einer Aufklärung so weit entfernt wie ehedem. Was zum Bewußtsein zu<br />

sagen ist, hat Husserl in <strong>der</strong> Phänomenologie des inneren Zeitbewußtseins<br />

gr<strong>und</strong>gelegt, später hat Husserl versucht, <strong>die</strong> Immanenz <strong>der</strong><br />

transzendentalen Phänomenologie unabhängig von einem subjektiven<br />

(soll wohl wechselweise heißen, individuellen o<strong>der</strong> empirisch-konkreten)<br />

Bewußtsein zu f<strong>und</strong>ieren.<br />

So will mir allerdings nicht einleuchten, weshalb <strong>die</strong> sprachanalytische<br />

Reduktion auf <strong>die</strong> Differenz von Redevorkommnis <strong>und</strong> Sprach-Schema im<br />

Britannica-Artikel etwas an <strong>der</strong> Idealität <strong>der</strong> Grammatik aus den LU IV<br />

än<strong>der</strong>n sollte. Ich vermag <strong>die</strong> Äußerungen des mittleren Husserl also auch<br />

nicht als Aufhebung o<strong>der</strong> Lockerung <strong>der</strong> Unterscheidung von Idealität<br />

<strong>und</strong> Realität eindeutig festzumachen. — Trotzdem ist <strong>der</strong> Kritik<br />

Heideggers am Antipsychologismus Husserls gerade wegen <strong>der</strong><br />

inkriminierten Konf<strong>und</strong>ierung von idealer <strong>und</strong> realer Seinsspäre recht zu<br />

geben; allerdings bleibt <strong>die</strong> Frage, ob <strong>die</strong>se Kritik zwingend zu den<br />

Konsequenzen führen muß, auf <strong>die</strong> Heidegger verfallen ist. Der Kritik an<br />

<strong>der</strong> Idealität des Gehaltes gegenüber dem Vollzug ist aber noch aus einem<br />

an<strong>der</strong>en Gr<strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich zuzustimmen: Die Erörterung <strong>der</strong><br />

Phänomenologie erscheint idealiter Ich-los zu sein; das wurde in <strong>der</strong><br />

Literatur auch als Faktum behandelt, während ich auch Husserls spätere<br />

Rückkehr zur Erörterung des logischen Ich in den Cartesianischen<br />

Meditationen eher als Ergänzung denn als in Wi<strong>der</strong>spruch zur Ideenlehre<br />

stehend auffasse: Denn <strong>die</strong> Quelle <strong>der</strong> Konzentration kann nun nicht im<br />

Gegenstandsbereich <strong>der</strong> Phänomenologie selbst liegen; keineswegs darf<br />

geglaubt werden, daß mit <strong>der</strong> systematischen Unterscheidung in Noetik<br />

<strong>und</strong> Noematik <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Zusammenführung in <strong>der</strong> Noesis das selbst<br />

intellektuelle Ich völlig in <strong>die</strong> phänomenologische Haltung überführen<br />

werden könnte. Offenbar muß zwischen <strong>der</strong> Spontaneität <strong>der</strong><br />

Aufmerksamkeit <strong>der</strong> reinen interesselosen Betrachtung, welche sich von<br />

<strong>der</strong> Struktur des Materials reflexartig leiten läßt, <strong>und</strong> <strong>der</strong> Spontaneität, <strong>die</strong><br />

von einem bestimmbaren Interesse o<strong>der</strong> Absicht geleitet wird, im<br />

weitesten Sinne unterschieden werden, wobei letztere auch den Fall

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