21.07.2013 Aufrufe

analytik und die dialektik der substanz

analytik und die dialektik der substanz

analytik und die dialektik der substanz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

-— 205 —<br />

Geschichtliche gänzlich im Dasein <strong>und</strong> nicht auch im Gattungswesen<br />

f<strong>und</strong>iert. Heideggers hermeneutische Geschichtsauffassung ist letztlich<br />

viel eher an Nietzsche orientiert als an Dilthey, <strong>der</strong> zumindest eine, wenn<br />

auch schwierig zugängliche „Objektivität“ in den Symbolen <strong>der</strong><br />

erlebnismäßigen Einheit für vergangene Epochen voraussetzt, <strong>die</strong> für uns<br />

entschlüsselbar wäre (p. 70). — Es gibt <strong>die</strong>se Freiheit <strong>der</strong><br />

Auslegungsmöglichkeit des Vergangenen auf das Zukünftige hin (so schon<br />

bei Kant, <strong>der</strong> <strong>der</strong> Geschichtsschreibung empfiehlt, sich an <strong>die</strong> Geschichte<br />

<strong>der</strong> Revolutionen <strong>der</strong> Denkungsart zu halten), nur führt das nicht zu einer<br />

Gr<strong>und</strong>legung <strong>der</strong> Geschichtswissenschaft, auch nicht sofort zu einer<br />

Philosophie <strong>der</strong> Geschichtswissenschaft, son<strong>der</strong>n immer nur zu einer In-<br />

Dienst-Stellung <strong>der</strong> Geschichte des heroisch zum Eigentlichen des Seins<br />

vorstoßenden Daseins. 213 Heideggers indirektes Geständnis inmitten seines<br />

hermeneutischen Ansatzes, daß das Dasein vor <strong>der</strong> Endlichkeit seines je<br />

eigenen Seins in <strong>die</strong> Weltgeschichte flüchtet, ist als Indiz zu werten, daß<br />

Heidegger das ontisch-hermeneutische Konzept des Daseins, das ohne<br />

Seiendes, das selbst allerdings nicht nur mittels des Selbstverständnisses<br />

bestimmt werden kann, nichts ist, schon seit Anfang an als<br />

Absprungsbasis aus <strong>der</strong> Subjektivität des Daseins in Stellung bringt. So hat<br />

213 Heidegger reproduziert also <strong>die</strong> im Rahmen <strong>der</strong> anthroposophischen Bewegung<br />

Rudolf Steiners von Stein (einem Wiener Mathematik- <strong>und</strong> Geographieprofessor)<br />

wie<strong>der</strong> aufgenommene scholastische Geschichtsvorstellung. Anhand <strong>der</strong> Deutung<br />

<strong>der</strong> Gralssage in <strong>der</strong> Fassung von Wolfram von Eschenbach durch Stein, <strong>der</strong> <strong>die</strong><br />

Geschehnisse im von ihm vorgestellten Kampf eines deutschen Christentums mit<br />

dem römischen Christentum im neunten Jahrh<strong>und</strong>ert mit Vorgängen während <strong>der</strong><br />

Völkerwan<strong>der</strong>ung (<strong>der</strong> veranschlagte Ursprung <strong>der</strong> Gralssage), aber auch im 13. Jhdt.<br />

zur Zeit von Wolfram von Eschenbach nach ein <strong>und</strong> den selben Handlungsmuster<br />

interpretiert, spannt Steiner <strong>die</strong> Erscheinung des Doppelgängers historisch ab, indem<br />

er das spätmittelalterliche Geschichtskonzept von Joachim von Fiori <strong>und</strong><br />

Nostradamus in <strong>der</strong> bekannten Form wie<strong>der</strong>belebt: Da <strong>die</strong> Geschichte aus <strong>der</strong><br />

Wie<strong>der</strong>holung einiger wesentlichen Gr<strong>und</strong>konstellationen besteht, sei in je<strong>der</strong><br />

Epoche genau <strong>die</strong> analoge Situation zu finden, in welcher man sich gerade selbst<br />

befindet; <strong>der</strong>art ist <strong>der</strong> Doppelgänger dann jene historische Person, welche in <strong>der</strong><br />

»Geschichte« ihrer Epoche <strong>die</strong> gleiche Position einnimmt, <strong>die</strong> man selbst in <strong>der</strong><br />

Geschichte <strong>der</strong> heutigen Epoche einnimmt. Dabei ist hier unter »Geschichte« ein<br />

dramatisches Gefüge von aufeinan<strong>der</strong> bezogen handelner Personen zu verstehen, <strong>die</strong><br />

auch anhand des Zieles miteinan<strong>der</strong> verglichen werden können. Ziele <strong>die</strong>ser Art<br />

wären <strong>der</strong> Kampf um das wahre Christentum, <strong>der</strong> Kampf des Christentums gegen<br />

den Islam <strong>und</strong> auch <strong>der</strong> Kampf des Christentums gegen das Judentum. Später<br />

kommen rassistisch-nationale Ideen (<strong>der</strong> Kampf gegen den Osten: Türkei, Russland);<br />

o<strong>der</strong> politische Ideen (Kampf gegen den westlichen Kapitalismus, gegen den Bolschewismus)<br />

rein zum Ausdruck. Dabei wird das Prinzip <strong>der</strong> Eigenverantwortung so<br />

weit getrieben, daß außerhalb <strong>der</strong> Kampf- <strong>und</strong> Zeugungsgemeinschaft we<strong>der</strong> das<br />

Verantwortung-Übernehmen-für-an<strong>der</strong>e noch das In-<strong>der</strong>-Verantwortung-einesan<strong>der</strong>en-Stehen<br />

für das Individuum mehr als wesentlich erkannt werden kann. Die<br />

Selbstverpflichtung gegenüber seinen Reinkarnationen in <strong>der</strong> Kampfgemeinschaft<br />

hat dann schon das Netz <strong>der</strong> wirklichen sozialen Bezüge ersetzt.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!