analytik und die dialektik der substanz

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21.07.2013 Aufrufe

-— 202 — »Lebenslauf« und »Geschichte«, bzw. der weiteren In-Frage-Stellung des Begriffs von Geschichte überhaupt eigentlich trotz Heideggers phänomenologische Einwände gegen Diltheys Psychologismus nur wenig anderes sagt als Diltheys Konzept eines psychologischen Fundaments des Geschichtsverständnisses des eigenen Erlebens. Zweifellos geschieht die Entdeckung des Geschichtsverständnisses im Zuge hermeneutischer Problemstellungen der fortschreitenden Reflexion des eigenen Daseins als Person und deren Geschichtlichkeit im eigenen Lebenslauf, keineswegs aber besteht die wissenschaftliche Grundlage der Geschichtswissenschaft allein aus hermeneutischen Kategorien des Nachvollzuges des inneren Selbstverständnisses einer Epoche, sei es nun eine Epoche aus der Lebensgeschichte, eine Epoche aus der Gattungsgeschichte, die in der Lebensgeschichte miterlebt worden ist, oder um das nachvollziehende Verständnis des kritisch behandelten Materials aus den Projekten der Geschichtswissenschaften einer Epoche, auch wenn ein solches Verständnis auch immer qualitative wie genetische Voraussetzung zu einem wissenschaftlichen Verständnis der Geschichte sein wird. Geschichte als relativ eigenständiger Horizont des Wahrheitsproblems wird zwar als Daseinsgemäßes im Zusammenhang mit dem Anspruch, die Hermeneutik als Basis- und Leitwissenschaft für die Ontologie zu etablieren, entdeckt und erkannt, bezieht sich aber doch als Wissenschaft mehrfach auf Prinzipien, die nicht allein im immer individuellen Dasein fundiert sind. Die demgegenüber einseitige Ausschließlichkeit der Untersuchung der Grenzziehung zwischen Psychologie und Geschichte, die Heidegger schließlich gar nicht mehr zu überschreiten sucht, wird schon in der hermeneutischen Grundlegung des Daseins in Sein und Zeit ersichtlich: »Ausarbeitung der Seinsfrage besagt demnach: Durchsichtigmachung eines Seienden — des fragenden — in seinem Sein. Das Fragen dieser Frage ist als Seins modus eines Seienden selbst von dem her wesenshaft bestimmt, wonach in ihm gefragt ist — vom Sein. Dieses Seiende, das wir selbst je sind und das unter anderem die Seinsmöglichkeit des Fragens hat, fassen wir terminologisch als Dasein .« 209 Das Erstaunliche daran wird erst im Zuge der Weiterbewegung des Gedankenganges klar: Das Daseinde ist ein Seiendes, vermag als Seiendes aber doch ein hermeneutisch sowohl als gattungsgemäßes Innenverhältnis wie individuell als Selbst-Verständnis geklärtes Dasein zum Sein in ein mittelbares Verhältnis zu bringen. — Diese Intentionsrichtung steht 209 Sein und Zeit, p. 7

-— 203 — (insofern ähnlich wie die transzendentalanalytische Methode) im Gegensatz zur Auffassung der Unmittelbarkeit des primären Gegenstandes (äußerer) Erfahrung in der Widerlegung des Idealismus bei Kant (ebenso zur primären Intentionalität Brentanos) und gehört wohl zu den besonders interessanten Wendungen Heideggers, wenngleich die damit aufgeworfenen Schwierigkeiten nicht wirklich einer Lösung zugeführt werden. Heidegger dürfte das bloße Vorhandensein des immer nur innerweltlich Seienden in Sein und Zeit noch ohne kategoriale Bestimmung gedacht haben; erst das (technisch-) praktisch zugängliche Zuhandene soll in einer kategorialen Bestimmung zum Was eines Soseienden bestimmt werden. 210 In »Zeit und Sein« (zweiter Teil der »Grundzüge der Phänomenologie«, GA, Bd. 24) wird dann aber doch das Vorhandene als Sachhaltiges der realen Möglichkeit einer Bestimmung der Washeit unterzogen. Barash hält den Zirkel der Seinsfrage, die das Sein des Fragenden voraussetzt, nicht für einen logischen Zirkel »im Beweis«, sondern dieser Zirkel sei unentrinnbar, weil er die »existenziale Vor-Struktur des Daseins selbst« ausdrückt. 211 Darin liege eben das hermeneutische Fundament und die Verbundenheit mit dem Diltheyschen Ansatz des Geschichtsverständnisses. — »Freilich bietet Dilthey keine hermeneutische Ontologie, sondern eine hermeneutische Anthropologie.« (p. 65) Yorck weist schon den Zusammenhang der Geschichtsauffassung Diltheys mit dem Kraftbegriff zurück. (p. 66) Das Verfahren des Vergleiches, das als Methode der Geisteswissenschaften in Anspruch genommen wird, ist ästhetisch und bezieht sich auf die Gestalt. Der Begriff des Dilthey‘schen 210 Carl Friedrich Gethmann, Heideggers Wahrheitskonzept in seinen Marburger Vorlesungen. Zur Vorgeschichte von Sein und Zeit (§ 44), in: Martin Heidegger: Innen- und Außenansichten, cit. op.. Das Konzept der »Ausweisung« der Richtigkeit der Intentionalität sei aber nach Heidegger kein Akt des Schauens, sondern ein Akt des Sich-Verstehens-auf-etwas — das wäre in dieser pragmatischen Form bloß die Reduktion der Akteinheit auf ein für die Wahrheitsfrage sekundäres Moment derselben, sollte bloß diese Definition der »Ausweisung« zur Unterscheidung von der sinnlichen Anschauung und der Sinnerfüllung der Intention dienen. Jedoch: »Für Heidegger ist daher der Übergang vom fundierenden Modus der Anschauung zum fundierten Modus der Aussagewahrheit umzuinterpretieren als „Umschlag vom umsichtigen Besorgen zum theoretischen Entdecken“. (Sein und Zeit, p. 360) Dieser Umschlag ist das entscheidende Moment der „ontologischen Genesis“ der Aussage, die Heidegger Husserls „Genealogie der Logik“ entgegenstellt. Diese ontologische Genesis verläuft — wie bei Heidegger allgemein — als methodische Bewegung von einem eminenten zu einem defizienten Modus.« (p. 113), Vgl. hier Kap. 14 211 Sein und Zeit, p. 153

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(insofern ähnlich wie <strong>die</strong> transzendentalanalytische Methode) im<br />

Gegensatz zur Auffassung <strong>der</strong> Unmittelbarkeit des primären<br />

Gegenstandes (äußerer) Erfahrung in <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>legung des Idealismus bei<br />

Kant (ebenso zur primären Intentionalität Brentanos) <strong>und</strong> gehört wohl zu<br />

den beson<strong>der</strong>s interessanten Wendungen Heideggers, wenngleich <strong>die</strong><br />

damit aufgeworfenen Schwierigkeiten nicht wirklich einer Lösung<br />

zugeführt werden.<br />

Heidegger dürfte das bloße Vorhandensein des immer nur innerweltlich<br />

Seienden in Sein <strong>und</strong> Zeit noch ohne kategoriale Bestimmung gedacht<br />

haben; erst das (technisch-) praktisch zugängliche Zuhandene soll in einer<br />

kategorialen Bestimmung zum Was eines Soseienden bestimmt werden. 210<br />

In »Zeit <strong>und</strong> Sein« (zweiter Teil <strong>der</strong> »Gr<strong>und</strong>züge <strong>der</strong> Phänomenologie«,<br />

GA, Bd. 24) wird dann aber doch das Vorhandene als Sachhaltiges <strong>der</strong><br />

realen Möglichkeit einer Bestimmung <strong>der</strong> Washeit unterzogen. Barash hält<br />

den Zirkel <strong>der</strong> Seinsfrage, <strong>die</strong> das Sein des Fragenden voraussetzt, nicht<br />

für einen logischen Zirkel »im Beweis«, son<strong>der</strong>n <strong>die</strong>ser Zirkel sei<br />

unentrinnbar, weil er <strong>die</strong> »existenziale Vor-Struktur des Daseins selbst«<br />

ausdrückt. 211 Darin liege eben das hermeneutische F<strong>und</strong>ament <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

Verb<strong>und</strong>enheit mit dem Diltheyschen Ansatz des<br />

Geschichtsverständnisses. — »Freilich bietet Dilthey keine hermeneutische<br />

Ontologie, son<strong>der</strong>n eine hermeneutische Anthropologie.« (p. 65)<br />

Yorck weist schon den Zusammenhang <strong>der</strong> Geschichtsauffassung Diltheys<br />

mit dem Kraftbegriff zurück. (p. 66) Das Verfahren des Vergleiches, das als<br />

Methode <strong>der</strong> Geisteswissenschaften in Anspruch genommen wird, ist<br />

ästhetisch <strong>und</strong> bezieht sich auf <strong>die</strong> Gestalt. Der Begriff des Dilthey‘schen<br />

210 Carl Friedrich Gethmann, Heideggers Wahrheitskonzept in seinen Marburger<br />

Vorlesungen. Zur Vorgeschichte von Sein <strong>und</strong> Zeit (§ 44), in: Martin Heidegger:<br />

Innen- <strong>und</strong> Außenansichten, cit. op.. Das Konzept <strong>der</strong> »Ausweisung« <strong>der</strong><br />

Richtigkeit <strong>der</strong> Intentionalität sei aber nach Heidegger kein Akt des Schauens,<br />

son<strong>der</strong>n ein Akt des Sich-Verstehens-auf-etwas — das wäre in <strong>die</strong>ser pragmatischen<br />

Form bloß <strong>die</strong> Reduktion <strong>der</strong> Akteinheit auf ein für <strong>die</strong> Wahrheitsfrage sek<strong>und</strong>äres<br />

Moment <strong>der</strong>selben, sollte bloß <strong>die</strong>se Definition <strong>der</strong> »Ausweisung« zur<br />

Unterscheidung von <strong>der</strong> sinnlichen Anschauung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Sinnerfüllung <strong>der</strong> Intention<br />

<strong>die</strong>nen. Jedoch: »Für Heidegger ist daher <strong>der</strong> Übergang vom f<strong>und</strong>ierenden Modus<br />

<strong>der</strong> Anschauung zum f<strong>und</strong>ierten Modus <strong>der</strong> Aussagewahrheit umzuinterpretieren<br />

als „Umschlag vom umsichtigen Besorgen zum theoretischen Entdecken“. (Sein <strong>und</strong><br />

Zeit, p. 360) Dieser Umschlag ist das entscheidende Moment <strong>der</strong> „ontologischen<br />

Genesis“ <strong>der</strong> Aussage, <strong>die</strong> Heidegger Husserls „Genealogie <strong>der</strong> Logik“<br />

entgegenstellt. Diese ontologische Genesis verläuft — wie bei Heidegger allgemein —<br />

als methodische Bewegung von einem eminenten zu einem defizienten Modus.«<br />

(p. 113), Vgl. hier Kap. 14<br />

211 Sein <strong>und</strong> Zeit, p. 153

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