analytik und die dialektik der substanz

-— 194 —
Begriffes vom Dasein in den Texten Kants. Es ist also nicht möglich, sich
einfach für eine bestimmte Version der Begriffsverwendung zu
entscheiden; das Dasein gewinnt in beiden komplementären
Interpretationen die Qualität, für die jeweils eigentlich ursprüngliche
Existenzweise stehen zu können. Der transzendentalpsychologische
Standpunkt liefert aber nicht den ontologisch ursprünglicheren, sondern
den methodologisch ursprünglicheren Begriff vom Dasein. In diesen
Rahmen versteht sich der Begriff vom Dasein
transzendentalsubjektivistisch als ursprünglicher und beginnt den Grund
der Existenz von der Evidenz des »ich denke« ausgehend zu okkupieren.
Das kann gelingen, weil die Widerlegungen der Paralogismen gezeigt
haben, daß es keinen substantialen Begriff der individuellen Seele gibt,
weshalb von da aus die subjektive Realität des Daseins nicht verlassen
werden kann. Die Ursprünglichkeit der ursprünglich-synthetischen
Einheit der transzendentalen Apperzeption ist aber nicht mit einer
naturontologischen oder intelligiblen Ursprünglichkeit überbietbar.
Der Übergang von der reinen (theoretischen) Vernunft zur praktischen
Vernunft hinterläßt ein Desiderat, das in der
transzendentalpsychologischen Fassung des Daseins in der Kritik der
reinen Vernunft (es könnte ebenso von einer eingeschränkten
transzendentalsubjektivistischen Fassung der Seelenlehre auf
Erkenntnisvermögen die Rede sein) schon unabhängig von der Kritik der
Urteilskraft die Frage aufwirft, ob dem Begriff vom Dasein nicht eine
existenzialistische Fassung von Existenz, und a fortiori, ob dieser Fassung
des Begriffs vom Dasein eine fundamentalontologische Relevanz im Sinne
Heideggers gegeben werden kann, die von der Kantschen Kritik der
transzendentalen Dialektik, die eben nur hinsichtlich des Überganges der
reinen Vernunft zur reinen praktischen Vernunft einen Ausgang aus dem
transzendentalen Subjektivismus in den Gattungssubjektivismus findet,
nicht erreicht werden konnte. Inwieweit es sich um einen Vorteil in der
Entwicklung der ganzen transzendentalen Argumentation handelt, indem
es sich um eine bislang von der rationalen Metaphysik trotz der
Vereinbarungsversuche von Aristoteles (Thomas) und Augustinus
(Bonaventura) bei Kant vernachlässigte Seite des Stoizismus handeln
könnte, oder ob es sich um einen Nachteil handelt, weil sowohl die
Problemstellungen der Kritik der Urteilskraft (Ästhetik und Teleologie)
wie die der Kritik der praktischen Vernunft (Sittengesetz) verfehlt werden,
das kann nicht einfach entschieden werden. Diese Fragestellung zu