analytik und die dialektik der substanz
analytik und die dialektik der substanz analytik und die dialektik der substanz
-— 190 — Materie bleibt gewissermaßen auf atomaren Niveau. 189 Dennoch bedenkt Kant die Materie als Gegenstand offensichtlich auch vor dem alternativen Hintergund phänomenaler Kontinuität der Materie: »Materielle Substanz ist dasjenige im Raume, was für sich, d. i. abgesondert von allem anderen, was außer ihm im Raume existiert, beweglich ist. Die Bewegung eines Teils der Materie, dadurch sie aufhört, ein Teil zu sein, ist die Trennung. Die Trennung der Teile der Materie ist die physische Teilung.« 190 Die Teilung entstammt dem Ideenkreis des Kontinuums mit dem das Problem der infinitesimalen Teilung eines idealen Kontinuums unweigerlich verbunden ist. Die unbefriedigende Offenheit des „atomaren“ Konzeptes in der Darstellung der Elastizität hingegen stößt auf die leibnizianische (und nicht zuletzt scholastisch-aristotelische) Schwierigkeit, das ideale vom realen Kontinuum zu unterscheiden, was mit der Repulsion als neu entdeckter (aber nur seit Demokrit zum dritten Mal wiederentdeckte) Grund der Trennbarkeit im realen Kontinuum in einen offenen Widerspruch zum idealen Kontinuum führt. Dieser Widerspruch führt nun selbst einerseits zwar dazu, rein spekulativ ein reales Kontinuum anzunehmen, für das Teilbarkeit Trennbarkeit bedeuten; doch wird damit allein jeder Widerspruch nicht gänzlich zum Verschwinden gebracht. So bleibt unverständlich, weshalb Kant hier in der fünften Erklärung so tut, als ginge er immer schon von einem real in einer Gestalt begrenzten Körpers aus, wenn er von Materie spricht: aber eben diese Grenze der Absonderung, im Raum als Gestalt verzeichenbar zu sein, wird nicht abgeleitet, sondern in der fünften Erklärung als Prämisse eingeführt. Die geometrische Zerlegbarkeit einer Gestalt führt über die bloße (proportionale) Teilung eines Kontinuums hinaus und zu selbsständig definierten (und auch der Möglichkeit nach trennbaren) Teilen, so auch hier: Die Trennbarkeit durch Bewegung (hier durch eine Wegbewegung) als einfache Folge von der Trennbarkeit des hier schon ausgesprochenen »Physischen« hat nicht notwendigerweise zur Folge, daß nunmehr Materie eine festumreißbare Gestalt haben soll — keine einfache logische Konsequenz, sondern ein synthetisches Urteil bestimmt, daß die Trennbarkeit durch Beweglichkeit eines Teiles der Materie mit der Einführung der rein geometrisch darstellbaren Teilen einer Gestalt der anschaulich umrissenen Materie in abstrakter Ü bere in stimmu ng steht. 189 Bezüglich des Unterschiedes von Atom und phänomenaler Materie vgl. z. B.: Karl Vogel, Kant und die Paradoxien der Vielheit, Meisenheim/Glan 1975, hiezu p. 167 ff. 190 M.A.d.N., Erklärung 5 der Dynamik, A 43
-— 191 — Im fünften Lehrsatz führt Kant die Attraktion ein; 191 ohne Attraktion und Repulsion sei keine Materie möglich. 192 Kant prolongiert das schon bekannte Stück zwischen Repulsion und anderem Beweglichen unter dem neuen Titel »Attraktion und Repulsion«. Im »Allgemeinen Zusatz« 193 wird deren Verhältnis unter den Titel der Limitation gebracht, welches eben die geometrisch als Gestalt bzw. Figur verzeichenbare Grenze zwingend zur Folge haben soll. Die Analogie zur zweiten Kategorientafel (Qualität und Intensität) tritt zwar schlagend ins Bewußtsein, allein eine Erklärung , wie nun die Beharrlichkeit als Schema der Apprehension zu einem derart zugerichteten Substrat kommen solle, wird nicht geleistet. Weder vermag die derart bestimmte Grenze eine Erklärung für die Gestalt besonderer Materien zu sein, weil hier die Materie nach ihrer Abstraktion zum beweglichen Punkt in der Phoronomie in voller Plastizität nur als Produkt von Widerständigkeit (Repulsion) und äußerlicher Krafteinwirkung gedacht wird, 194 noch hat das Beharrliche als primitives Schema der Apprehension der Erscheinungen selbst die Eigenschaft der Synthesis der empirischen synthesis speciosa an sich, welche in der Anschauung allererst Figuren verzeichnet. So dürfte die Repulsion als beharrlich wirkende »bewegliche Kraft« eben nur als die »physische« Ursache für die ontologische Interpretation der Beharrlichkeit der Substanz in Betracht kommen. Zur dynamischen Erklärung der Phoronomie, und als Grundlage von Aussagen über wirkliche Verhältnisse zwischen den Objekten selbst (Mechanik), hat die obige Überlegung zwischen Repulsion und Attraktion aber nicht zugereicht, auch würde man die Schwäche in der Darstellung der Attraktion supplieren. Was geleistet worden ist, kann knapp mit Anfangsgründe einer dynamischen Erklärung umrissen werden. Um die dynamische Erklärung der Phoronomie zu vervollständigen, ist also die Mechanik, als die Wissenschaft der dynamischen Verhältnisse zwischen den Substraten der Beharrlichkeit und Beweglichkeit, notwendig. Deren erste Erklärung lautet: »Materie ist das Bewegliche, sofern es, als ein solches, bewegende Kraft hat.« 195 Immerfort ist es das Bewegliche, das das Zentrum der Definition ausmacht. 196 Nunmehr meint 191 cit. op., A 52 f. 192 cit. op., Lehrsatz 6 der Dynamik, A 57 193 cit. op., A 81 194 Allerdings reichen die Bestimmungsstücke Kants aus, eine erste Hypothese zu planetaren Nebeln und der Entstehung von Sonnen und Planeten zu bilden. 195 M.A.d.N., A 106 196 So auch noch in der Erklärung der Phänomenologie
- Seite 61 und 62: -— 139 — Zugleichseins anhand d
- Seite 63 und 64: -— 141 — geometrischer Begriffe
- Seite 65 und 66: -— 143 — vorliegen, und da rein
- Seite 67 und 68: -— 145 — des Raumes erwiesen wi
- Seite 69 und 70: -— 147 — Kontinuität, die von
- Seite 71 und 72: -— 149 — »So ist demnach das e
- Seite 73 und 74: -— 151 — Substanz Einhalt gebot
- Seite 75 und 76: -— 153 — Vorstellungen zu denke
- Seite 77 und 78: -— 155 — möglichen Bedeutungen
- Seite 79 und 80: -— 157 — ihr lehrt, die Beharrl
- Seite 81 und 82: -— 159 — Apperzeption zu denken
- Seite 83 und 84: -— 161 — Das entscheidende Argu
- Seite 85 und 86: -— 163 — Vorstellungen vorgeste
- Seite 87 und 88: -— 165 — Reihenfolge noch angez
- Seite 89 und 90: -— 167 — Idealismus ist. Diese
- Seite 91 und 92: -— 169 — oder Zugleichsein nur
- Seite 93 und 94: -— 171 — b) Die Zeit als Form d
- Seite 95 und 96: -— 173 — grundsätzlich mit der
- Seite 97 und 98: -— 175 — Bestimmung für die ge
- Seite 99 und 100: -— 177 — Frage in Verbindung ge
- Seite 101 und 102: -— 179 — ist, hat immer eine Ur
- Seite 103 und 104: -— 181 — so entstandenen Reihe
- Seite 105 und 106: -— 183 — 13) Die nicht-subjekti
- Seite 107 und 108: -— 185 — auch für andere theor
- Seite 109 und 110: -— 187 — der Erfahrung wie Bewe
- Seite 111: -— 189 — Substrates sein. Im er
- Seite 115 und 116: -— 193 — c) Das Dasein vor der
- Seite 117 und 118: -— 195 — untersuchen, hätte an
- Seite 119 und 120: -— 197 — auch bei Wittgenstein
- Seite 121 und 122: -— 199 — Zusammenhang für unst
- Seite 123 und 124: -— 201 — „Gesetze“ zum Gege
- Seite 125 und 126: -— 203 — (insofern ähnlich wie
- Seite 127 und 128: -— 205 — Geschichtliche gänzli
- Seite 129 und 130: -— 207 — 16) Dasein und reale O
- Seite 131 und 132: -— 209 — wird. Darin unterschei
- Seite 133 und 134: -— 211 — der Analyse hergibt. D
- Seite 135 und 136: -— 213 — »Der Begriff der Posi
- Seite 137 und 138: -— 215 — Kategorien u. a., soda
- Seite 139 und 140: -— 217 — konstitutiver und dyna
- Seite 141 und 142: -— 219 — e) Das Konzept der Vor
- Seite 143 und 144: -— 221 — Kant formuliert vermut
- Seite 145 und 146: -— 223 — Diskussion eingetreten
- Seite 147 und 148: -— 225 — bewußtseinsfähigen D
- Seite 149 und 150: -— 227 — selbst bin). Das zu Gr
- Seite 151 und 152: -— 229 — empirische Ich, nach w
- Seite 153 und 154: -— 231 — gesteht Heidegger aber
- Seite 155 und 156: -— 233 — Anschauung hinsichtlic
- Seite 157 und 158: -— 235 — Seinsweisen zu bringen
- Seite 159 und 160: -— 237 — »wie ich mir erschein
- Seite 161 und 162: -— 239 — Der fragliche Text in
-— 190 —<br />
Materie bleibt gewissermaßen auf atomaren Niveau. 189 Dennoch bedenkt<br />
Kant <strong>die</strong> Materie als Gegenstand offensichtlich auch vor dem alternativen<br />
Hinterg<strong>und</strong> phänomenaler Kontinuität <strong>der</strong> Materie: »Materielle Substanz<br />
ist dasjenige im Raume, was für sich, d. i. abgeson<strong>der</strong>t von allem an<strong>der</strong>en,<br />
was außer ihm im Raume existiert, beweglich ist. Die Bewegung eines Teils<br />
<strong>der</strong> Materie, dadurch sie aufhört, ein Teil zu sein, ist <strong>die</strong> Trennung. Die<br />
Trennung <strong>der</strong> Teile <strong>der</strong> Materie ist <strong>die</strong> physische Teilung.« 190 Die Teilung<br />
entstammt dem Ideenkreis des Kontinuums mit dem das Problem <strong>der</strong><br />
infinitesimalen Teilung eines idealen Kontinuums unweigerlich verb<strong>und</strong>en<br />
ist. Die unbefriedigende Offenheit des „atomaren“ Konzeptes in <strong>der</strong><br />
Darstellung <strong>der</strong> Elastizität hingegen stößt auf <strong>die</strong> leibnizianische (<strong>und</strong><br />
nicht zuletzt scholastisch-aristotelische) Schwierigkeit, das ideale vom<br />
realen Kontinuum zu unterscheiden, was mit <strong>der</strong> Repulsion als neu<br />
entdeckter (aber nur seit Demokrit zum dritten Mal wie<strong>der</strong>entdeckte)<br />
Gr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Trennbarkeit im realen Kontinuum in einen offenen<br />
Wi<strong>der</strong>spruch zum idealen Kontinuum führt. Dieser Wi<strong>der</strong>spruch führt<br />
nun selbst einerseits zwar dazu, rein spekulativ ein reales Kontinuum<br />
anzunehmen, für das Teilbarkeit Trennbarkeit bedeuten; doch wird damit<br />
allein je<strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>spruch nicht gänzlich zum Verschwinden gebracht. So<br />
bleibt unverständlich, weshalb Kant hier in <strong>der</strong> fünften Erklärung so tut,<br />
als ginge er immer schon von einem real in einer Gestalt begrenzten<br />
Körpers aus, wenn er von Materie spricht: aber eben <strong>die</strong>se Grenze <strong>der</strong><br />
Abson<strong>der</strong>ung, im Raum als Gestalt verzeichenbar zu sein, wird nicht<br />
abgeleitet, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> fünften Erklärung als Prämisse eingeführt. Die<br />
geometrische Zerlegbarkeit einer Gestalt führt über <strong>die</strong> bloße<br />
(proportionale) Teilung eines Kontinuums hinaus <strong>und</strong> zu selbsständig<br />
definierten (<strong>und</strong> auch <strong>der</strong> Möglichkeit nach trennbaren) Teilen, so auch<br />
hier: Die Trennbarkeit durch Bewegung (hier durch eine Wegbewegung)<br />
als einfache Folge von <strong>der</strong> Trennbarkeit des hier schon ausgesprochenen<br />
»Physischen« hat nicht notwendigerweise zur Folge, daß nunmehr Materie<br />
eine festumreißbare Gestalt haben soll — keine einfache logische<br />
Konsequenz, son<strong>der</strong>n ein synthetisches Urteil bestimmt, daß <strong>die</strong><br />
Trennbarkeit durch Beweglichkeit eines Teiles <strong>der</strong> Materie mit <strong>der</strong><br />
Einführung <strong>der</strong> rein geometrisch darstellbaren Teilen einer Gestalt <strong>der</strong><br />
anschaulich umrissenen Materie in abstrakter Ü bere in stimmu ng steht.<br />
189 Bezüglich des Unterschiedes von Atom <strong>und</strong> phänomenaler Materie vgl. z. B.: Karl<br />
Vogel, Kant <strong>und</strong> <strong>die</strong> Paradoxien <strong>der</strong> Vielheit, Meisenheim/Glan 1975, hiezu p. 167 ff.<br />
190 M.A.d.N., Erklärung 5 <strong>der</strong> Dynamik, A 43