analytik und die dialektik der substanz

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-— 88 — Satz behauptet Leibniz: Alles Mögliche ist nicht zugleich möglich. 5 Dieser Satz scheint mir weder ein Gegenstand der transzendentalen Freiheit noch der göttlichen Willkür im Sinne der Theozidee zu sein und auch nicht ein rein moralisches Prinzip der praktischen Vernunft zur Bestimmung des freien Willens. Dieser Satz ist zuerst eine Wahrheit über die Möglichkeit innerhalb einer series rerum überhaupt. Er ist aber eine Bedingung der Verwirklichung wie andere Wahrheiten, die Notwendigkeiten (als Gegenteil negierter Möglichkeiten) für alle möglichen Welten sind. In diesem Zusammenhang gewinnt der Begriff vom metaphysischen Vernunftgrund oder metaphysischer Notwendigkeit eine erweiterte Bedeutung: Damit meint Leibniz in der Theozidee zuerst mathematische und logische Wahrheiten und nicht das absolut notwendige Sein als erste Ursache wie in den 24 Sätzen. Leibniz vergleicht nun in der Theozidee die Gewissheit der logischen und mathematischen Wahrheiten mit der Gewissheit seiner philosophischen Begriffe, wie der Satz vom zureichenden Grund und dem Satz vom ununterscheidbaren Unterschied oder nunmehr auch der Satz »Alles Mögliche ist nicht gleichzeitig möglich«. Auf den Status dieser Vernunftideen gegenüber dem absolut notwendigen Grund der Existenz (der philosophisch allerdings eine Folge des ersten großen Vernunftprinzipes ist: des Satzes vom zureichenden Grund) ist eigens hinzuweisen: diese würden eben wiederum ohne erste Existenz bedeutungslos bleiben. Aber nicht alle Notwendigkeiten sind in der Verwirklichung als Bedingung auf gleiche Weise und an der gleichen Stelle des Werdens beteiligt. Aus der Definition der Existenz in den Generales Inquisitiones kann unter der Voraussetzung einer series rerum eine einfachere Definition des Zugleichseins abgeleitet werden. Die von Leibniz gegebene Definition lautet: »„Existierendes“ [könnte] definiert werden [....] als „das, was mit mehr Dingen kompatibel ist als irgendein anderes Ding, daß mit ihm inkompatibel ist“.« 6 Die Kompatibilität schließt das Zugleichsein mit ein. Diese Definition setzt nun den Satz vom Widerspruch mittelbar voraus: Zunächst wird die Kompatibilität des existierenden Dinges mit der Kompatibilität eines zwar 5 7. Satz: Aber daraus folgt nicht, daß alles Mögliche wirklich wird: das könnte vernünftigerweise nur folgen, wenn alles Mögliche zugleich möglich wäre (=miteinander zur gleichen Zeit wirklich sein könne), Verum hinc non sequitur omnia possibilia existere: sequeretur sane si omnia possibilia essent compossibilia. 6 In den Generales inquisitiones, Zeile 170-74, in Meiner Phil. Bibl. Bd. 338. p. 14/15

-— 89 — möglichen, aber nicht existierenden Dinges verglichen, das mit dem ersten inkompatibel ist. Erst die vergleichende Analyse der Kompatibilität als solche führt auf den Satz vom Widerspruch. Es stellt sich nun die Frage, ob der Satz vom Zugleichsein vom Satz des Widerspruches abhängt oder der Satz vom Widerspruches vom Satz des Zugleichseins. Um sagen zu können, »Alles Mögliche drängt zur Verwirklichung« (existiturire), 7 muß der Satz vom Zugleichsein innerhalb einer series rerum unter der Form der bloßen Möglichkeit vor ihrer Verwirklichung außer Kraft gesetzt werden. Allerdings heißt das nicht, daß für die Erörterung metaphysischer Prinzipien der Satz vom Widerspruch seine Geltung verloren hätte: Vielmehr dient dieses logische Prinzip dazu, im Rahmen der Untersuchung des Conatus, der ohne dem Satz vom zureichenden Grund in der Indifferenz des Satzes des ununterscheidbaren Unterschiedes zu verschwinden drohte, aus seiner Stellung in der Untersuchung der Charakteristik der Möglichkeit die Seinsweise des selbst schöpferischen Verstandes abzulesen. Ohne den Versuch einer brauchbaren Charakteristik ist der Existenzcharakter des Möglichen nicht selbstständig von der Wirklichkeit unterscheidbar und droht mit dem Möglichkeitscharakter der gewordenen Wirklichkeit insofern zusammenzufallen, indem die Frage nach dem Grund, warum eher das existiert als etwas anderes, sowohl innerhalb einer series rerum wie außerhalb in Betrachtung von Alternativen gestellt werden muß, und der Satz vom Zugleichsein selbst sowenig wie das principium contradictionis einen Grund angeben kann, weshalb eher diese Welt und nicht eine andere existiert. Wendet man nun den Satz des Zugleichseins auf den Satz »Alles Mögliche drängt zur Verwirklichung« (existiturire) an, so ist dieses »zugleich« trotzdem an Existenz notwendig gebunden, jedoch nicht distributiv geordnet und ohne Verhältnisse, in der Vielheit einen zeitlichen und räumlichen Unterschied zu bestimmen. Um also die Deutlichkeit zu steigern, geht es nicht um die Steigerung der Kraft der ersten Ursache, sondern darum, daß nicht alles Mögliche zugleich möglich (d.h. eben in Folge, als Wirkliches nicht nur zugleich) sein kann. Diese Existenzbedingung gibt erst den Ansatzpunkt, den Satz vom Widerspruch in der Erfahrung anzuwenden. Der Satz vom Widerspruch allerdings 7 6. Satz: Daher kann man sagen „Alles Mögliche drängt zur Verwirklichung“, sowie es offenbar in einem notwendigen Sein in der Wirklichkeit begründet ist, ohne das es keinen Weg gäbe, auf dem das Mögliche zur Verwirklichung gelangen könne. Itaque dici potest Omne possibile Existiturire, prout scilicet fundatur in Ente necessario actu existente, sine quo nulla est via qua possibibile perveniret ad actum.

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möglichen, aber nicht existierenden Dinges verglichen, das mit dem ersten<br />

inkompatibel ist. Erst <strong>die</strong> vergleichende Analyse <strong>der</strong> Kompatibilität als<br />

solche führt auf den Satz vom Wi<strong>der</strong>spruch. Es stellt sich nun <strong>die</strong> Frage, ob<br />

<strong>der</strong> Satz vom Zugleichsein vom Satz des Wi<strong>der</strong>spruches abhängt o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Satz vom Wi<strong>der</strong>spruches vom Satz des Zugleichseins. Um sagen zu<br />

können, »Alles Mögliche drängt zur Verwirklichung« (existiturire), 7 muß<br />

<strong>der</strong> Satz vom Zugleichsein innerhalb einer series rerum unter <strong>der</strong> Form <strong>der</strong><br />

bloßen Möglichkeit vor ihrer Verwirklichung außer Kraft gesetzt werden.<br />

Allerdings heißt das nicht, daß für <strong>die</strong> Erörterung metaphysischer<br />

Prinzipien <strong>der</strong> Satz vom Wi<strong>der</strong>spruch seine Geltung verloren hätte:<br />

Vielmehr <strong>die</strong>nt <strong>die</strong>ses logische Prinzip dazu, im Rahmen <strong>der</strong><br />

Untersuchung des Conatus, <strong>der</strong> ohne dem Satz vom zureichenden Gr<strong>und</strong><br />

in <strong>der</strong> Indifferenz des Satzes des ununterscheidbaren Unterschiedes zu<br />

verschwinden drohte, aus seiner Stellung in <strong>der</strong> Untersuchung <strong>der</strong><br />

Charakteristik <strong>der</strong> Möglichkeit <strong>die</strong> Seinsweise des selbst schöpferischen<br />

Verstandes abzulesen. Ohne den Versuch einer brauchbaren Charakteristik<br />

ist <strong>der</strong> Existenzcharakter des Möglichen nicht selbstständig von <strong>der</strong><br />

Wirklichkeit unterscheidbar <strong>und</strong> droht mit dem Möglichkeitscharakter <strong>der</strong><br />

gewordenen Wirklichkeit insofern zusammenzufallen, indem <strong>die</strong> Frage<br />

nach dem Gr<strong>und</strong>, warum eher das existiert als etwas an<strong>der</strong>es, sowohl<br />

innerhalb einer series rerum wie außerhalb in Betrachtung von Alternativen<br />

gestellt werden muß, <strong>und</strong> <strong>der</strong> Satz vom Zugleichsein selbst sowenig wie<br />

das principium contradictionis einen Gr<strong>und</strong> angeben kann, weshalb eher<br />

<strong>die</strong>se Welt <strong>und</strong> nicht eine an<strong>der</strong>e existiert.<br />

Wendet man nun den Satz des Zugleichseins auf den Satz »Alles Mögliche<br />

drängt zur Verwirklichung« (existiturire) an, so ist <strong>die</strong>ses »zugleich«<br />

trotzdem an Existenz notwendig geb<strong>und</strong>en, jedoch nicht distributiv<br />

geordnet <strong>und</strong> ohne Verhältnisse, in <strong>der</strong> Vielheit einen zeitlichen <strong>und</strong><br />

räumlichen Unterschied zu bestimmen. Um also <strong>die</strong> Deutlichkeit zu<br />

steigern, geht es nicht um <strong>die</strong> Steigerung <strong>der</strong> Kraft <strong>der</strong> ersten Ursache,<br />

son<strong>der</strong>n darum, daß nicht alles Mögliche zugleich möglich (d.h. eben in<br />

Folge, als Wirkliches nicht nur zugleich) sein kann. Diese<br />

Existenzbedingung gibt erst den Ansatzpunkt, den Satz vom Wi<strong>der</strong>spruch<br />

in <strong>der</strong> Erfahrung anzuwenden. Der Satz vom Wi<strong>der</strong>spruch allerdings<br />

7 6. Satz: Daher kann man sagen „Alles Mögliche drängt zur Verwirklichung“, sowie<br />

es offenbar in einem notwendigen Sein in <strong>der</strong> Wirklichkeit begründet ist, ohne das es<br />

keinen Weg gäbe, auf dem das Mögliche zur Verwirklichung gelangen könne.<br />

Itaque dici potest Omne possibile Existiturire, prout scilicet f<strong>und</strong>atur in Ente<br />

necessario actu existente, sine quo nulla est via qua possibibile perveniret ad actum.

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