Prof. Dr. Helmwart Hierdeis: lieber Mensch und gütiger Lehrer ...
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Quelle: <strong>Helmwart</strong> <strong>Hierdeis</strong> Internet Festsite, http://www.helmwart.hierdeis.at.tf,<br />
veröffentlicht im April 2002.<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Helmwart</strong> <strong>Hierdeis</strong>:<br />
<strong>lieber</strong> <strong>Mensch</strong> <strong>und</strong> <strong>gütiger</strong> <strong>Lehrer</strong><br />
Hans Hartmut Karg<br />
<strong>Hierdeis</strong> – dieser so weich auszusprechende Name eines Augsburger Geblüts<br />
mit dem so eigenwilligen Vornamen: Wer würde diesen Namen vergessen,<br />
wenn er einmal die dahinter stehende Persönlichkeit erlebt, gesehen, erfahren<br />
hat? Und doch: Heftig würde er sich gegen jede Lobhudelei verwahren, will er<br />
doch keinen Personenkult <strong>und</strong> – resultierend aus den Erfahrungen mit dem<br />
<strong>Dr</strong>itten Reich – schon gar keine aus seiner Person erwachsende Macht. Es ist<br />
ihm niemals um sich selbst gegangen. Worum aber ging <strong>und</strong> geht es einem<br />
<strong>Prof</strong>essor der Erziehungswissenschaft, wenn er so absichtsvoll seine eigenen<br />
Belange hintanstellt?<br />
Zuerst immer um den einzelnen <strong>Mensch</strong>en, der ihm begegnet ist <strong>und</strong> den er in<br />
sich aufgenommen hat. Vorurteilslos <strong>und</strong> doch jederzeit auf dem<br />
„hermeneutischen Sprung“ suchte der überschlanke, groß gewachsene, stille <strong>und</strong><br />
bescheidene Universitätslehrer mit dem gewinnenden Lächeln zu ergründen,<br />
was die gesprochenen <strong>und</strong> geschriebenen Worte meinten, was sie meinen<br />
könnten, wie sie umzudenken wären, wie man sie deuten kann, neu verstehen,<br />
positiv bewerten. So öffnete er Denkfenster weit, verwahrte sich gegen<br />
Engpässe, führte in Erkenntnisgärten <strong>und</strong> Reflexionshöhen, ohne abzuheben <strong>und</strong><br />
ohne sich in die Abstraktion zu verabschieden. Eingedenk der Tatsache, wonach<br />
bereits Studenten in gefährliche Beziehungskisten <strong>und</strong> Vorurteile abgleiten<br />
können, wenn man sie wild spekulieren lässt <strong>und</strong> sich nicht gegen<br />
Selbstversklavungsprozesse sofort, energisch <strong>und</strong> mit der nötigen Disziplin<br />
wehrt, sieht sich <strong>Prof</strong>. <strong>Hierdeis</strong> immer wieder an Ungleichgewichte von Arbeit,<br />
Sprache <strong>und</strong> Herrschaft erinnert, ohne dabei ideologisch fixiert zu sein.<br />
Er selbst arbeitet viel, gern <strong>und</strong> f<strong>und</strong>iert. Er bedient sich einer gut<br />
verständlichen, gleichwohl glänzenden Sprache. Damit will er aber nicht<br />
Theorien überstülpen oder <strong>Mensch</strong>en beherrschen, sondern den angehenden<br />
<strong>Lehrer</strong>innen <strong>und</strong> <strong>Lehrer</strong>n jene notwendigen Instrumente der Reflexion an die<br />
Hand geben, mit deren Hilfe sie sich dem jungen <strong>Mensch</strong>en öffnen <strong>und</strong> selbst<br />
vorurteilsfrei bewerten, ergründen <strong>und</strong> handeln können.<br />
Der Erziehungswissenschaftler <strong>Hierdeis</strong> hat Maßstäbe gesetzt – nicht nur im<br />
Umgang mit Studentinnen <strong>und</strong> Studenten. Indem er immer wieder<br />
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Erzieherwissen auf die Bedingungen ihrer Möglichkeiten reflexiv<br />
zurückkoppelte, gemahnte er an die Bedingungen, unter denen Erziehung<br />
tatsächlich stattfindet, nicht fiktiv oder virtuell. Da geht es dann plötzlich um<br />
unvollständige Familien, Einkommenshöhe, Schichtzugehörigkeit, Wohnraum<br />
<strong>und</strong> Wohnlage, Lebensumfeld. Das sind für ihn keine soziologischen Größen,<br />
keine bloßen „Messdaten“, sondern Tatsachen <strong>und</strong> Gegebenheiten mit<br />
Fallbeispielen, die häufig von Institutionsprogrammen <strong>und</strong>/oder<br />
Organisationsstrukturen völlig verdeckt werden, so dass die vorgegebene, heile<br />
Welt den Blick auf Leid <strong>und</strong> Not verdeckt. Er wehrt sich gegen das Schweben<br />
über den Wassern, gegen eine nicht im Leben stehende, plumpe Antizipation all<br />
dessen, wo Erziehung wirklich <strong>und</strong> wie stattfindet. Dahinter wird – bei aller<br />
Festschreibung, gegen die er sich immer wehren wird, wenn sie als apodiktische<br />
Dogmatik daher kommt – ein am Vorbild des Liebesbegriffs Thomas von<br />
Aquinos ausgerichteter <strong>und</strong> gereifter, behutsam <strong>und</strong> nachdenklich tastender<br />
Weiser erlebbar, der selbst gut lesbare <strong>und</strong> doch gleichwohl helfende Werke<br />
verfasst hat. <strong>Hierdeis</strong> steht sicher in der Nachfolge auch des großen Nazareners,<br />
denn niemals habe ich ihn kränken oder brüskieren erlebt. Er fühlte <strong>und</strong> fühlt<br />
sich auch dort zuständig, wo andere Unrecht verursacht haben.<br />
Sein Engagement für Schwächere hat natürlich auch Folgen. Viele haben seine<br />
Dienste in Anspruch genommen, wo er eigentlich Zeit für sich selbst gebraucht<br />
hätte. Seinem Wirken hat das keinen Abbruch getan, seine Publikationen haben<br />
dadurch keineswegs an Qualität eingebüßt. Er hat immer ein offenes Ohr gehabt<br />
<strong>und</strong> ist allzeit weltoffen geblieben. Als <strong>Lehrer</strong> von Bamberg über Nürnberg,<br />
Innsbruck <strong>und</strong> Brixen gelangt müssen wir ihn uns schon auch ein wenig als<br />
Asket <strong>und</strong> Wanderer vorstellen, ohne dass er Eremit geworden wäre. So steht er<br />
denn als Person in der Reihe jener großen Männer, die – wie Albertus Magnus<br />
aus Lauingen, der <strong>Lehrer</strong> des großen Thomas – seine Schüler zu jener<br />
Universalität des Denkens <strong>und</strong> Handelns geführt hat, die nur aus dem summum<br />
bonum der Liebe erwächst. Möge uns <strong>Helmwart</strong> <strong>Hierdeis</strong> noch lange erhalten<br />
bleiben!<br />
Wie alle mag ich ihn, schätze ihn, freue mich mit ihm, dass er uns nahe bleibt.<br />
2<br />
Hans Hartmut Karg