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4. Formenkunde: Formen als Bausteine für Formen - Mathematik

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Baireuther Propädeutische Geometrie SoSe 2006<br />

<strong>4.</strong> <strong><strong>Formen</strong>kunde</strong>: <strong>Formen</strong> <strong>als</strong> <strong>Bausteine</strong> <strong>für</strong> <strong>Formen</strong><br />

Hintergrund: Menschliche Erkenntnis führt immer über die Erschließung der realen<br />

Welt zur Erschließung der „Ideen“, des „geistigen Kerns“ der realen Welt.<br />

Konkret: Das Bauen mit geometrischen <strong>Bausteine</strong>n geht von der reinen Objekt-<br />

Orientierung zunehmend zu systematischem, kombinatorischem Erschließen der<br />

Form-Möglichkeiten über. Bei genügend konkreter Erfahrung ist dieser Übergang fast<br />

zwangsläufig.<br />

<strong><strong>Formen</strong>kunde</strong> kann integrierender Bestandteil eines Geometrieunterrichts sein,<br />

der sich an der Erschließung der Umwelt mit geometrischen Mitteln orientiert, wenn<br />

• die <strong>Formen</strong> und ihre Eigenschaften eine wichtige Rolle bei der Wiedergabe der<br />

Umwelt, bei der Planung konkreter Objekte oder bei der ästhetischen Gestaltung<br />

spielen,<br />

• die Betrachtung abstrakter <strong>Formen</strong> sich an die Prinzipien eines umwelterschließenden<br />

Geometrieunterrichts anlehnt, <strong>als</strong>o speziell den Baustein-Gedanken<br />

systematisch aufgreift.<br />

Das Prinzip der Erschließung einer geometrischen <strong>Formen</strong>welt ist dann analog zu<br />

dem der Schaffung von an der Realität orientierten geometrischer Erfahrungswelten:<br />

Form-Gestaltung<br />

schafft<br />

ermöglicht<br />

Formerfahrung<br />

Eine so verstandene <strong><strong>Formen</strong>kunde</strong> "behandelt" nicht einzelne vorweg ausgelesene<br />

<strong>Formen</strong> isoliert, sondern sie ist die - nicht mehr an die praktisch nutzbare Realisierung<br />

gebundene - Fortsetzung und geistige Durchdringung der konkreten Formerfahrungen<br />

(die aber auch schon im Ansatz selten rein in der realen Dingwelt<br />

angesiedelt sind).<br />

<strong>4.</strong>1. Induktives Bauen<br />

schafft eine vielfältige <strong>Formen</strong>welt durch Kombination von Form-<strong>Bausteine</strong>n - und<br />

durch systematische Fortsetzung der schon erschlossenen <strong>Formen</strong>welt. Die Systematik<br />

der Fortsetzung versucht, eine überschaubare Ordnung in die Vielfalt der<br />

Formmöglichkeiten zu bringen.<br />

a) Polyominoes (Mehrlinge)<br />

sind „kompakte“ Gebilde aus einer festen Anzahl von <strong>Bausteine</strong>n:


Baireuther Propädeutische Geometrie SoSe 2006<br />

Die kombinatorische Aufgabe, alle Mehrlinge (Zwillinge, Drillinge, ...) zu finden,<br />

führt zwangsläufig zu induktivem Vorgehen: Alle möglichen Zwillinge entstehen<br />

durch Anfügen eines zweiten <strong>Bausteine</strong>s; durch Anfügen eines weiteren <strong>Bausteine</strong>s<br />

alle möglichen Drillinge u.s.w.<br />

Auf jeder Ebene ist Formvergleich notwendig: Welche Mehrlinge haben die gleiche<br />

Form und nur verschiedene Lage?<br />

Auch wenn die Sammlung (zwangsläufig) unvollständig sein muß, erschließt sich bei<br />

zunehmender Anzahl ein stark wachsender „Zoo“ von <strong>Formen</strong>, unter denen einige<br />

auffallen, weil sie leicht zu benennen sind (wenn sie Assoziationen ermöglichen, wie<br />

die „L-T-Z-Plättchen") bzw. besonders einfach sind.<br />

b) Systematische Erweiterung von einfachen <strong>Formen</strong><br />

Es gibt <strong>Formen</strong>, die beim Bauen mit <strong>Bausteine</strong>n besonders auffallen, weil sie sich<br />

auf besonders "natürliche" Weise ergeben oder oft in zumindest verwandter Form<br />

auftauchen. Das Wesentliche dieser <strong>Formen</strong> kann besonders hervorgehoben<br />

werden, wenn verwandte Figurationen systematisch durch regelmäßiges Weiterbauen<br />

erzeugt werden. <strong>Formen</strong>, die auf diese Weise beschreiben werden, bekommen<br />

fast zwangsläufig einen Namen:<br />

"Dreieck" oder<br />

"Pyramide"<br />

"Sechseck"<br />

"Breites Dach"<br />

Die Namen treffen nicht immer exakt den Inhalt der zugehörigen geometrischen<br />

Begriffe, sondern sie beziehen sich auf die durch das Bauen hervorgehobene<br />

konkret-geometrische Assoziation.<br />

Bei Weiterbauen bleiben nicht zwangsläufig alle geometrischen Eigenschaften<br />

erhalten. Speziell können Proportionen verzerrt werden (s. Breit-Dach) - gerade<br />

dadurch aber kann der Blick <strong>für</strong> solche Eigenschaften geschärft werden.


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<strong>4.</strong>2. Begriffsumfang der Formtypen<br />

a) Grundformen aus <strong>Bausteine</strong>n<br />

Besonders einfache <strong>Formen</strong> können selbst wieder <strong>als</strong> (zusammengesetzte)<br />

<strong>Bausteine</strong> benutzt werden. Diese <strong>Formen</strong> kommen beim Bauen häufig vor und<br />

erhalten so fast zwangsläufig einen Namen.<br />

b) „Ähnliche“ Grundformen<br />

Grundformen können aus <strong>Bausteine</strong>n auf sehr verschiedene Weisen zusammengesetzt<br />

werden. Dabei bahnt sich - wie auch beim systematischen Weiterbauen von<br />

<strong>Formen</strong> - ein Vorverständnis <strong>für</strong> Ähnlichkeit („in allen Proportionen gleich“) an, das<br />

aber nicht formalisiert werden kann. Daneben stehen offenere Begriffsdeutungen<br />

wie „die wesentlichen Form-Merkmale sind gleich“. In ihnen ist jeweils eine Begriffsdefinition<br />

enthalten (was sind die wesentlichen Form-Merkmale?). Auch dabei kann<br />

eine vorschnelle Festlegung <strong>für</strong> eine wirkliche Begriffsbildung eher schädlich sein.<br />

Wichtig ist die Übereinstimmung zwischen konkreter Erfahrung und ihrer verbalen<br />

Beschreibung (d.h. immer anhand von konkret erfahrenen Beispielen und Gegenbeispielen!)<br />

a) Aus verschiedenen Baustein-Sorten dieselbe Form bauen<br />

b) Aus einer Bausteinsorte dieselbe Form in verschiedenen Variationen bauen<br />

Treppe<br />

Rechteck<br />

(Teppich)


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c) Aus einer Bausteinsorte dieselbe Form in verschiedener Größe bauen<br />

<strong>4.</strong>3. Form und Zahl<br />

Die mit <strong>Bausteine</strong>n erzeugten <strong>Formen</strong> hängen nicht nur von der Form der <strong>Bausteine</strong>,<br />

sondern in gleicher Weise auch von der Anzahl der verwendeten <strong>Bausteine</strong> ab. Auf<br />

diese Weise wird eine enge Beziehung zwischen geometrischen <strong>Formen</strong> und Zahlen<br />

hergestellt: Figuren wird über die Anzahl der <strong>Bausteine</strong> ein Maß zugeordnet (das in<br />

etwa dem Flächeninhalt entspricht) und umgekehrt werden Anzahlen von <strong>Bausteine</strong>n<br />

übersichtlich angeordnet und strukturiert ("in Form gebracht"). Das meint der<br />

Form-Zahl-Aspekt:<br />

a) Die Zahleigenschaften geometrischer <strong>Formen</strong><br />

• Jede geometrische Form wird durch Zahlen charakterisiert:<br />

• Jeder Baustein-Typ hebt spezielle Zahlen hervor<br />

• Jede Zahl-Form schafft Verwandtschaft zwischen Zahlen und damit Zahl-Begriffe<br />

b) Die Formeigenschaften von Zahlen<br />

• Zu jeder Zahl gehören charakteristische geometrische <strong>Formen</strong><br />

• Jede Zahl ist (auf viele Weisen) Summe ihrer Teile<br />

• Zahleigenschaften erzeugen geometrische Begriffe<br />

Zu a)<br />

• Wenn eine geometrische Form gebaut werden soll, braucht man ganz bestimmte<br />

Anzahlen von <strong>Bausteine</strong>n: Hölzchen zum Legen der Seiten, (kreisförmige) Plättchen<br />

zum Markieren der Eckpunkte oder Plättchen zum Auslegen der Form.<br />

• Je nach Baustein-Typ sind andere geometrischen <strong>Formen</strong> und damit andere<br />

Anzahlen (von benötigten <strong>Bausteine</strong>n) naheliegend.<br />

Bsp: Mit Quadraten baut man vorwiegend Rechtecke (Mauern) oder Treppen. Mit<br />

Dreiecken ergeben sich vorwiegend größere ähnliche Dreiecke, Rauten (bzw.<br />

Parallelogramme) und sechseckige <strong>Formen</strong>.<br />

• Jede <strong>für</strong> eine Zahl typische Form kann in verschiedener Größe gebaut werden.<br />

Damit ist sie auch <strong>für</strong> eine ganze (unendliche) Folge von Zahlen charakteristisch.


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Die so erzeugten Zahlen haben damit eine gemeinsame Eigenschaft, sie sind<br />

"verwandt". Manchmal haben sie sogar einen gebräuchlichen gemeinsamen<br />

Namen - wenn nicht, kann man einen geeigneten Namen erfinden.<br />

Beispiel:<br />

Quadratzahlen<br />

Zu b)<br />

• Zu jeder Zahl gehören charakteristische geometrische <strong>Formen</strong><br />

Die <strong>für</strong> eine bestimmte Anzahl charakteristischen <strong>Formen</strong> hängen z.T. stark von<br />

der Form der verwendeten Plättchen ab.<br />

Bsp.: 3 gleichartige Plättchen kann man auf unendlich<br />

viele Weisen anordnen. Nur wenige davon aber sind<br />

"natürlich". Mindestens das (gleichseitige) Dreieck ist<br />

ausschließlich <strong>für</strong> die Zahl 3 charakteristisch.<br />

• Wenn eine Anzahl von Plättchen übersichtlich (in einer geometrische n Form)<br />

angeordnet ist, kann die Gliederung der geometrischen Form in ihre Teilformen<br />

immer auf eine zugehörige Zerlegung der Anzahl der <strong>Bausteine</strong> übertragen<br />

werden.<br />

10 = 1 + 2 + 3 + 4 10 = 3 + 3+ 3 + 1 10 = 3 + 5 + 1 + 1<br />

• Bei der Erzeugung von "typischen" Zahlbildern tauchen bestimmte <strong>Formen</strong> immer<br />

wieder auf. Die Klärung, welche <strong>Formen</strong> <strong>als</strong> "ähnlich" angesehen werden sollen,<br />

führt zu geometrischen Begriffsbildungen.<br />

Beispiel: Der Begriff "Trapez" liegt <strong>für</strong> die verschiedenen nach oben zulaufenden<br />

Mauern aus Kreisen sicher nicht nahe - aber auch eine Einigung auf "Breites<br />

Dach" o.ä. erzeugt Vorerfahrungen zum Begriff "Trapez".

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