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Ausgabe 3/13 - made in LEVERKUSEN

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20<br />

MAIBRÄUCHE<br />

von Helga Würfel-Ellmann<br />

„<br />

Der Mai ist gekommen.<br />

Die Bäume schlagen aus.<br />

Da bleibe, wer Lust hat,<br />

mit Sorgen zu Haus!<br />

“<br />

Was Emanuel Geibel im bekanntesten<br />

deutschen Mai-Lied vor fast 180 Jahren<br />

schrieb, können wir noch heute dick unterstreichen,<br />

nach diesem langen W<strong>in</strong>ter erst<br />

recht. Der fünfte Monat im Jahr hat seit Jahrhunderten<br />

nichts, aber auch gar nichts von<br />

se<strong>in</strong>er Strahlkraft verloren. Im Gegenteil:<br />

Der „Wonnemonat“ ist im Laufe der Kulturgeschichte<br />

zum gew<strong>in</strong>nträchtigen Herzstück<br />

e<strong>in</strong>er gigantischen Hochzeits-Industrie geworden<br />

und uralte Feste und Bräuche zu Ehren<br />

des Mai haben sich zu großen Events<br />

entwickelt.<br />

Das fängt schon e<strong>in</strong>en Tag vor dem<br />

1. Mai an: Regional unterschiedlich – vor allem<br />

aber im Harz – treffen sich Mädchen<br />

und Frauen zu e<strong>in</strong>er ausgelassenen Walpurgisnacht,<br />

während andernorts ganze Völkerscharen<br />

dem Aufruf zum „Tanz <strong>in</strong> den Mai“<br />

folgen, an dessen Ende die Maikönig<strong>in</strong> gewählt<br />

wird. Über Jahrhunderte erhalten hat<br />

sich auch der Brauch, e<strong>in</strong>en Maibaum auf-<br />

zustellen, der je nach Region und Ort sehr<br />

unterschiedlich aussehen kann. Für die<br />

mehrmonatig bis ganzjährig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er feierlichen<br />

Zeremonie auf e<strong>in</strong>em zentralen Platz<br />

aufgerichteten und mit bunten Bändern, bisweilen<br />

sogar e<strong>in</strong>em Kranz geschmückten<br />

Stämme wählen die Bayern beispielsweise<br />

e<strong>in</strong>en Nadelbaum, die Rhe<strong>in</strong>länder bevorzugen<br />

h<strong>in</strong>gegen hochstämmige Birken. Daneben<br />

zeugen <strong>in</strong> unserer Gegend kle<strong>in</strong>ere, mit<br />

buntem Krepp-Papier verzierten Exemplare<br />

an Hauswänden davon, dass auch moderne,<br />

coole junge Männer durchaus romantisch<br />

veranlagt s<strong>in</strong>d: Im Bergischen Land und im<br />

Rhe<strong>in</strong>land ist es üblich, dass<br />

sie ihrer Angebeteten auf diese<br />

Weise ihre Liebe zeigen.<br />

Wird sie erhört, w<strong>in</strong>ken bei<br />

Abholung des Baums am 1.<br />

Juni unterschiedliche Belohnungen,<br />

die von Kuchen (von<br />

der Mutter der Liebsten), e<strong>in</strong>em<br />

Kuss und e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>la-<br />

Brauchtum und Rituale im Mai<br />

dung zum Essen (von ihr selbst) bis zum Kasten<br />

Bier (von deren Vater) reichen.<br />

Bis Monatsende können wir uns also noch<br />

an dem bunten Fassadenschmuck erfreuen.<br />

Doch das ist längst nicht alles, was der Mai<br />

zu bieten hat. Nicht umsonst wurde er bereits<br />

<strong>in</strong> der Antike als Frühl<strong>in</strong>gsmonat bezeichnet<br />

- nach e<strong>in</strong>igen Quellen leitet er sich<br />

von „Iupiter Maius“ ab, dem Wachstum<br />

br<strong>in</strong>genden Jupiter, nach anderen von der<br />

römischen Frühl<strong>in</strong>gsgött<strong>in</strong> Maia. Im Germanischen<br />

steht Mai für jung; der altdeutsche<br />

Wunnimanoth bedeutete Weidemonat (<strong>in</strong><br />

dem das Vieh wieder auf die<br />

Weide kommt) und wurde<br />

später zu Wonnemonat umgedeutet.<br />

Selbst das im Mai gültige<br />

Sternzeichen spricht e<strong>in</strong>e<br />

e<strong>in</strong>deutige Sprache: Immerh<strong>in</strong><br />

steht der Stier für Fruchtbarkeit,<br />

Kraft und Stärke.<br />

DAS REGIONALE FREIZEITMAGAZIN 3/20<strong>13</strong><br />

Ke<strong>in</strong>em anderen Monat s<strong>in</strong>d so viele<br />

Pflanzen und Tiere gewidmet. Zu den traditionellen<br />

Maiblumen gehören unter anderem<br />

die Akelei, der Flieder, die Pf<strong>in</strong>gstrose<br />

und das Tränende Herz, unter den Strauchpflanzen<br />

sticht der Maistrauch hervor. Die<br />

uralte Kulturpflanze Maiglöckchen ist,<br />

obwohl giftig, schon immer e<strong>in</strong> Glücksund<br />

Liebessymbol gewesen. E<strong>in</strong>er christlichen<br />

Legende zufolge gehen die Maiglöckchen<br />

aber auch auf die Tränen zurück, die<br />

Maria am Kreuz vergoss – die Gottesmutter<br />

wiederum steht <strong>in</strong> diesem Monat bei zahlreichen<br />

Marienandachten selbst im Mittelpunkt.<br />

Allen übrigen Müttern ist stets der<br />

zweite Maisonntag gewidmet.<br />

Stark frühl<strong>in</strong>gsbetont präsentiert sich<br />

auch die Fauna. Wobei sich der von Wilhelm<br />

Busch und von Gerdt von Bassewitz<br />

(„Peterchens Mondfahrt“) literarisch verewigte<br />

Maikäfer immer seltener sehen lässt,<br />

was Re<strong>in</strong>hard May 1974 zu se<strong>in</strong>em Chanson<br />

„Es gibt ke<strong>in</strong>e Maikäfer mehr“ <strong>in</strong>spirierte.<br />

H<strong>in</strong>tergrund ist die mit drei bis fünf Jahren<br />

lange Entwicklungszeit vom Ei bis zum Käfer,<br />

die der modernen Landwirtschaft reichlich<br />

Gelegenheit zum Vernichten gibt.<br />

Sehnsüchtig von kul<strong>in</strong>arischen Fe<strong>in</strong>geistern<br />

erwartet werden dagegen die im Mai<br />

unvergleichlich zarten Maischollen und der<br />

Maibock: Weil der Rehbock im Frühjahr se<strong>in</strong>e<br />

Kraft nicht mehr <strong>in</strong>s neue Gehörn <strong>in</strong>vestieren<br />

muss und sich ganz auf bestimmte<br />

Gräser und Kräuter konzentrieren kann,<br />

kommen diese Nährstoffe direkt dem dadurch<br />

sehr schmackhaften Wildbret zugute.<br />

Wobei der Maibock auch flüssig mundet<br />

– geme<strong>in</strong>t ist dann aber das untergärige<br />

Starkbier, das e<strong>in</strong>en Alkoholgehalt von mehr<br />

als sechs Volumenprozent und e<strong>in</strong>e entsprechende<br />

Stammwürze aufweist. We<strong>in</strong>liebhaber<br />

weichen lieber auf die Maibowle aus, die<br />

traditionell aus Weißwe<strong>in</strong>, Sekt und e<strong>in</strong>em<br />

Bund Waldmeister hergestellt wird. Dieser<br />

Maiwe<strong>in</strong> geht übrigens auf e<strong>in</strong> mediz<strong>in</strong>isches<br />

Getränk zur Stärkung von Herz und<br />

Leber zurück. Erstmals erwähnt wurde es im<br />

Jahr 854 von dem Benedikt<strong>in</strong>ermönch Wandalbertus<br />

aus dem Kloster Prüm.<br />

Weshalb sich Heiratswillige bevorzugt den<br />

Mai aussuchen, hat nicht nur etwas mit<br />

Neuanfang zu tun. Alles neu macht der<br />

Mai, sagt der Volksmund. Es gibt aber<br />

auch ganz profane Gründe. Etwa die erwarteten<br />

höheren Temperaturen, die die Braut<br />

im weißen Kleid nicht mehr frösteln lassen.<br />

Und natürlich spielen auch die Feiertage<br />

e<strong>in</strong>e große Rolle, dank derer sich die Flitterwochen<br />

verlängern lassen. Ke<strong>in</strong> anderer<br />

Monat beschert so viele freie Tage wie<br />

der fünfte. Angefangen vom 1. Mai, an dem<br />

die deutsche wie die <strong>in</strong>ternationale Arbeiterbewegung<br />

den e<strong>in</strong>stigen Kampftag „Tag<br />

der Arbeit“ feiern, über Christi Himmelfahrt<br />

und Pf<strong>in</strong>gsten, das meistens <strong>in</strong> den Mai fällt.<br />

Zusammen mit Fronleichnam dürfen sich<br />

Arbeitnehmer <strong>in</strong> diesem Jahr sogar auf stolze<br />

vier Mai-Feiertage freuen.<br />

Da kann man auch schon mal e<strong>in</strong>en<br />

Kältee<strong>in</strong>bruch verschmerzen, wie ihn<br />

traditionell die so genannten Eisheiligen<br />

br<strong>in</strong>gen. Vom 12. bis 14. Mai herrschen<br />

Pankratius, Servatius und Bonifatius (<strong>in</strong> Süddeutschland<br />

außerdem am 11. Mai Mamertus<br />

und am 15. Mai die „kalte Sophie“) und<br />

werden von den Landwirten als letztmöglicher<br />

Term<strong>in</strong> für e<strong>in</strong>e Rückkehr von Frost<br />

und Schnee gefürchtet. E<strong>in</strong> bisschen Regen<br />

und Kälte darf es nach e<strong>in</strong>er Bauernregel<br />

aber dann doch se<strong>in</strong>, die da lautet: „Mai<br />

kühl und nass, füllt des Bauern Scheun und<br />

Fass“.<br />

DAS REGIONALE FREIZEITMAGAZIN 3/20<strong>13</strong> 21

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