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13_LB178.pdf - Lübeckische Blätter

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Erinnerungskultur<br />

hannes Osthusen 2 . Auch Teile von dessen<br />

Büchersammlung wären sich heute noch<br />

in den Verzeichnissen der Lübecker Stadtbibliothek<br />

nachzuweisen.<br />

Es wäre zu wünschen, dass sich Forschende,<br />

deren Weg Simon Batz bei ihrer<br />

Arbeit gekreuzt hat, einmal zu einer wissenschaftlichen<br />

Tagung, z. B. in Lübeck,<br />

treffen könnten, um aus ihren Teilergebnissen<br />

der Begegnungen mit Batz den<br />

Grundstock für eine weitere Erforschung<br />

zu legen. Damit würde der Weg zu einer<br />

gültigen Würdigung dieses Gelehrten<br />

weiter beschritten, auf der ein kleines<br />

Schulzentrum in einer kleinen Stadt vorangegangen<br />

ist.<br />

2 Friedrich Bruns, Die Lübecker Syndiker und<br />

Ratssekretäre bis zur Verfassungsänderung von<br />

1851, in: Zeitschrift des Vereins für <strong>Lübeckische</strong><br />

Geschichte und Altettumskunde 29, 1937, S. 91-<br />

166, hier S. 95 f. Der aus Erfurt gebürtige Osthusen<br />

trat 1465 die Nachfolge von Batz an. Er starb<br />

„vermutlich“ am 1. September 1506 (Bruns, ebd.,<br />

S. 96). Legte aber bereits im Jahr 1495 das Syndikat<br />

nieder, um Lübecker Domherr zu werden, was<br />

einen nochmaligen sozialen Aufstieg bedeutete,<br />

der Simon Batz nicht beschieden war, da er an der<br />

Pest verstarb.<br />

Einzelstücke aus der Simon-<br />

Batz-Bibliothek<br />

Eigenhändiger Besitzvermerk von Simon<br />

Batz „Iste liber pertinet magistri simoni<br />

de homberch quem comparavit pro quinque<br />

florenis (Dieses Buch gehört Magister<br />

Simon von Homburg der es für fünf<br />

Gulden gekauft hat)“ in einer theologischen<br />

Sammelhandschrift mit 56 Texten.<br />

Sie wurde als Nummer XV in die Ratsbibliothek<br />

eingegliedert und trägt jetzt die<br />

Signatur Ms. theol lat. 2° 64. Personal<br />

der Universitätsbibliothek Leipzig konnte<br />

sie der Verschleppung in die Sowjetunion<br />

entziehen; 1965 wurde sie als Fernleihbestellung<br />

1956 an die Stadtbibliothek zurückgegeben.<br />

(Foto: Boguslaw Radis)<br />

Die Erforschung von Batz‘ Bibliothek –<br />

der Keimzelle der Lübecker Ratsbibliothek<br />

und somit der Stadtbibliothek Lübeck – ist<br />

keineswegs abgeschlossen, auch wenn es<br />

möglich war, etwa ein Drittel der Titel aus<br />

dem Testament in der Stadtbibliothek nach-<br />

zuweisen. Aber in seinem ersten Testament<br />

aus dem Jahr 1459 erwähnt er Bücher, die<br />

sich damals in seinem Heimatort selbst befunden<br />

haben müssen. Nach ihnen und ihrem<br />

Verbleib wurde bisher noch gar nicht<br />

geforscht. Und auch die in diesem ersten Testament<br />

in einem Randvermerk erwähnten<br />

76 gebundenen Bücher, die sich bei dem als<br />

Testamentsvollstrecker bestellten Lübecker<br />

Ratsherrn Conrad Möller befanden, sind<br />

bisher nicht im Einzelnen identifiziert. Es<br />

kann durchaus sein, dass diese beiden früheren<br />

Vermerke über den Besitz von Büchern<br />

das stetige Wachstum der Bibliothek von<br />

Simon Batz widerspiegeln und in dem Kodizill<br />

oder Zusatzblatt des Testaments von<br />

1464 mit erfasst sind. Aber in der Stadtbibliothek<br />

gibt es 36 Titel mit Batz’ Besitzvermerk,<br />

die nicht im Testament vorkommen.<br />

Um über all dieses sichereren Aufschluss zu<br />

erlangen, müsste auch in Oberhomburg und<br />

Metz mit einer entsprechenden Spurensuche<br />

begonnen werden.<br />

Im Vergleich mit Bibliotheken anderer<br />

gelehrter Juristen des späten Mittelalters<br />

steht Simon Batz nicht ganz einzigartig dar.<br />

Dennoch erscheint die Anzahl der von ihm<br />

gesammelten Einzelschriften sehr hoch.<br />

Natürlich haben die Rechtshandschriften<br />

den größten Anteil. Wenn das Verzeichnis<br />

zu Anfang das Decretum Gratiani, den Liber<br />

Sextus und die Clementinen aufführt –<br />

um nur einige absolute Standardwerke zu<br />

nennen –, so gab Batz – wie damals durchaus<br />

üblich – offenbar der Kanonistik, dem<br />

Kirchenrecht den Vorrang 3 .<br />

Der Frühhumanist Batz offenbart sich<br />

in seinem Besitz an antiken Klassikern.<br />

Hier sind exemplarisch folgende Werke zu<br />

nennen: Boethius „De consolatione philosophiae“,<br />

Marcus Tullius Cicero, „De<br />

officiis“, „De amicitia ad Titum Atticum“,<br />

„Cato maior sive de senectute“, „Paradoxa“,<br />

Vergil, „Änäis“, Ovid, „Briefe an Kaiser<br />

Augustus“, Euklid, „Elementa“, Priscian<br />

von Caesarea, „Institutionum grammaticarum<br />

libri XVI“, Äsop, „Fabeln“.<br />

Anicius Manlius Severinnus Boethius,<br />

(480/495 – 524/526), war am Hof des<br />

Ostgotenkönigs Theoderichs des Großen<br />

in höchste Staatsämter aufgestiegen (magister<br />

officiorum). Er hatte eine sehr hohe<br />

Bildung genossen (Athen, Alexandria)<br />

und bemühte sich philosophisch und theologisch<br />

um die Bewahrung der griechi-<br />

3 Helmut G. Walther, Die Bibliothek des gelehrten<br />

juristischen Praktikers. Beobachtungen zu<br />

Handschriften und Frühdrucken der Nürnberger<br />

Ratsbibliothek, in: Juristische Buchproduktion im<br />

Mittelalter, hrsg. von Vincenzo Colli (Studien zur<br />

Europäischen Rechtsgeschichte 155) Frankfurt<br />

am Main 2002, S. 805-818.<br />

schen Philosophie und deren Übersetzung<br />

ins Lateinische. Wegen des Verdachtes der<br />

Verschwörung gegen Theoderich im Bund<br />

mit dem oströmischen Kaiser wurde er<br />

verhaftet und hingerichtet. In seiner Haftzeit<br />

entstand die Schrift „De consolatione<br />

philosophiae“ (Über den Trost der Philosophie),<br />

das eine sehr weite Verbreitung<br />

im Mittelalter erreichte.<br />

Marcus Tullius Cicero, (106 – 43<br />

v. Chr.), bedeutendster Redner der römischen<br />

Antike. Er führte die lateinische<br />

Sprache zu höchster Vollendung. Er war<br />

Staatsmann, Anwalt und Philosoph. Sein<br />

Werk „De officiis“ (Von den Pflichten),<br />

entstanden 44 v. Chr., beschäftigt sich mit<br />

den Pflichten des täglichen Lebens. Das<br />

in Briefform verfasste Werk richtet sich<br />

an Ciceros Sohn Marcus. Die Schrift „De<br />

amicitia“ ist in Dialogform aufgebaut und<br />

wahrscheinlich an Ciceros Freund Titus<br />

Pomponius Atticus gerichtet. Die Schrift<br />

hat die in Rom sprichwörtlich gewordene<br />

Freundschaft zwischen dem Feldherrn<br />

Scipio Africanus dem Jüngeren, dem Zerstörer<br />

Karthagos (146 v. Chr.), und dem<br />

Konsul Gaius Laelius zum Gegenstand<br />

und spielt im Jahr 129 v. Chr., nachdem<br />

Scipio gestorben war. Auch Ciceros Schrift<br />

„Cato maior, De senectute“ ist in Dialogform<br />

gehalten. Das Werk ist wiederum<br />

an Atticus gerichtet. Darin tritt Cato der<br />

Ältere als 83-jähriger Mann auf, der sich<br />

jedoch über sein Alter nicht beklagt, wie<br />

es ansonsten üblich ist, weil es von großen<br />

Taten abhalte, von körperlichem Verfall<br />

gekennzeichnet sei, keine Genüsse mehr<br />

zulasse und den Tod einleite. Cato schildert<br />

dahingegen die Vorzüge des Alters<br />

als von Besonnenheit und Entschlusskraft<br />

gekennzeichnet. Der Titel der „Paradoxa“<br />

lautet vollständig „Paradoxa Stoicorum“<br />

und beschäftigt sich mit paradox erscheinenden<br />

ethischen Lehrsätzen aus der<br />

philosophischen Schule der Stoiker. Das<br />

Werk entstand im Jahr 46 v. Chr.<br />

Publius Vergilius Maro (70 – 19 v.<br />

Chr.) war Sohn eines Töpfers. Er ging im<br />

Jahr 53 v. Chr. zum Studium der Rhetorik,<br />

Medizin und Astronomie nach Rom, wurde<br />

dann aber Dichter und schloss sich der<br />

philosophischen Richtung der Epikuräer<br />

an. Sein Hauptwerk ist die „Aenaeis“, das<br />

die Flucht von Änäas aus dem brennenden<br />

Troja, seine Irrfahrten und schließlich seine<br />

Landung in Latium in Italien schildert.<br />

Neben der Sage von dem Zwillingspaar<br />

Romulus und Remus bringt die Änäis eine<br />

zweite Gründungsmythe der Stadt Rom.<br />

Das im Jahr 29 v. Chr. in Hexametern verfasste<br />

Epos war bei Vergils Tod im Jahr 19<br />

noch unvollendet. Daher sollte es auf des-<br />

220 <strong>Lübeckische</strong> <strong>Blätter</strong> 20<strong>13</strong>/<strong>13</strong>

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