13_LB178.pdf - Lübeckische Blätter
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von 1464 im Stadtarchiv, das 1991 aus<br />
kriegsbedingter Auslagerung und späterer<br />
Verschleppung in Archive der ehemaligen<br />
Sowjetunion zurückgekehrt war. Darin<br />
verfügte er, dass seine Bücher, die sein<br />
Schwager aufbewahrte, für eine Memorie<br />
verwendet werden sollten, die für ihn und<br />
seine Eltern in der Kirche St. Stephan (in<br />
ecclesia sancti Stephani) in Homburch<br />
Metensis dyocesis zu halten war. In der<br />
Diözese Metz gibt es jedoch eine diesem<br />
Heiligen (frz. St. Etienne) geweihte Kirche<br />
nur in dem genannten Ober-Homburg.<br />
Dort wurde Simon Batz um 1420 geboren<br />
und dürfte wohl an der Schule der<br />
dortigen Stiftskirche seine ersten Kenntnisse<br />
erworben haben. Jedenfalls erhielt<br />
er ein Stipendium des Bischofs von Metz,<br />
ging aber damit 1438 in das recht weit<br />
entfernte Erfurt, um Philosophie und Jurisprudenz<br />
zu studieren. Er wurde 1444<br />
Magister der Philosophie, 1454 Lizentiat<br />
und 1457 Doktor utriusque iuris – also des<br />
römischen und des Kirchenrechts. 1457<br />
zum Rektor gewählt, stand er aber schon<br />
von 1458 an als Syndikus im Dienst der<br />
Hansestadt Lübeck. Er hat durchaus geschwankt,<br />
ob er nicht verpflichtet sei, in<br />
seine Heimat und den Dienst seines Gönners<br />
zurückzukehren. Davon zeugt ein<br />
Brief, der sich in einer ihm gehörenden<br />
Sammlung von stilistisch vorbildlichen<br />
Briefen findet, aber ihn selbst betrifft. Bereits<br />
1464 raffte ihn die Pest jedoch hinweg.<br />
In den ihm verbliebenen Jahren war<br />
er rastlos für die Stadt als Diplomat unterwegs<br />
und verhandelte in Wien und Rom<br />
mit Kaiser und Papst. Die unzutreffende<br />
Vermutung, dass er tatsächlich in seinem<br />
Todesjahr in seiner Heimat gewesen sei,<br />
geht auf einen Datierungsirrtum hinsichtlich<br />
eines Verwandtschaftszeugnisses der<br />
Stadt Homburg zurück, das aber erst nach<br />
seinem Tod ausgestellt wurde.<br />
Welchem sozialen Stand die Familie<br />
von Simon Batz angehört hat, wissen wir<br />
zwar nicht genau. Sicher ist, dass er aus<br />
ärmlichen Verhältnissen stammte. Dabei<br />
dürften er genau wie seine Schwestern, die<br />
er testamentarisch bedachte, von Geburt<br />
persönlich frei gewesen sein, weil dies andernfalls<br />
in der entsprechenden Urkunde<br />
wahrscheinlich nicht unerwähnt geblieben<br />
wäre. Zudem hatte der Bischof von<br />
Metz bei der Verleihung der Stadtrechte<br />
an Ober- (auch: Bischofs-) Homburg 1248<br />
die Bürger für frei erklärt. Fragen wir, ob<br />
für Simon Batz bei seiner Geburt ein sozialer<br />
Aufstieg an die zweite Stelle innerhalb<br />
der sozialen Hierarchie der Stadt Lübeck<br />
nach den Bürgermeistern als wahrscheinlich<br />
angenommen werden konnte, so ist<br />
dies wohl zu verneinen. Für einen Sohn<br />
aus den Reihen eines städtischen Patriziats<br />
oder des niederen Adels hingegen<br />
ist ein ähnlicher Werdegang, die Leitung<br />
einer Fakultät an einer Hochschule oder<br />
gar das Rektorat der gesamten Universität<br />
sowie der diplomatische Dienst für einen<br />
Fürsten oder eine Stadt wie Lübeck, wel-<br />
Das (blau-weiss-) Rote Band durchschneiden v.l.n.r Jean Schuler (Mitgied des Departementsrats),<br />
Bürgermeister Jacques Furlan, Michel Heuzé von der zuständigen<br />
Unterpräfektur (Forbach), Pierre Lang (Präsident des Gemeindeverbunds Freyming-<br />
Merlebach, zu dem Hombourg-Haut gehört) und Departementsrat Laurent Kleinhentz.<br />
(Foto: Vincent Vion)<br />
Erinnerungskultur<br />
che die Führungsrolle unter den Städten<br />
der deutschen Hanse innehatte, nicht ungewöhnlich.<br />
Simon Batz ist nicht nur als ein bedeutender<br />
Sohn des kleinen Städtchens bei<br />
Metz anzusehen, der eine große Karriere<br />
gemacht hat – er ist auch gleichzeitig<br />
ein Exponent von Bildung und Wissen in<br />
seiner Zeit gewesen. In den Forschungen<br />
zur Geschichte seiner Universität wird<br />
er regelmäßig genannt und allgemein als<br />
bedeutender Frühhumanist bezeichnet.<br />
Forschungen, die ihn selbst in den Mittelpunkt<br />
des Interesses stellen, stehen jedoch<br />
noch aus. Dabei haben wir ein beredtes<br />
Zeugnis für seine geistige Ausrichtung<br />
und seine Interessen.<br />
Seinem Testament, das er am 23. Juni<br />
1464 verfasste, liegt eine Bücherliste bei.<br />
Es handelt sich dabei um ein Blatt, auf<br />
welchem die einzelnen Buchtitel in sechs<br />
Spalten zu jeweils 60 bis 67 Zeilen aufgeschrieben<br />
stehen. Fast jede Zeile enthält<br />
einen Buchtitel. Nur manche Titel<br />
erstrecken sich über zwei Zeilen. Demnach<br />
befanden sich 397 Einzeltexte im<br />
Besitz des Lübecker Syndikus, die nach<br />
dessen letztem Willen für 300 rheinische<br />
Gulden in den Besitz des Lübecker Rates<br />
übergehen sollten, wenn seine noch<br />
lebenden Geschwister daran kein Interesse<br />
bekunden würden. Dass sie das nicht<br />
tun würden, war dem Erblasser eindeutig<br />
vorher klar. Denn die Bibliothek von Batz<br />
bestand nicht aus Erbauungsliteratur, die<br />
seine drei Schwestern, verheiratet oder<br />
nicht, oder deren Ehemänner unter Umständen<br />
gerade noch am Rande hätte interessiert<br />
haben können, sollten sie des<br />
Lesens kundig gewesen sein. Nein, sie<br />
war genau zugeschnitten auf einen graduierten<br />
Hochschulabsolventen und praktizierenden<br />
Juristen im Dienst eines Landesherrn<br />
oder einer Stadt. Sie sollte dem<br />
Dienstherrn, der Hansestadt Lübeck, dem<br />
Haupt aller damaligen Hansestädte, zum<br />
künftigen Geschäftsgebrauch dienen. Und<br />
so gingen sie folgerichtig in den Besitz<br />
des Lübecker Rates über und bildeten da<br />
den Grundstock für die entstehende Ratsbibliothek.<br />
Noch heute sind die Bände zu<br />
erkennen: sie tragen u. a. ihre Signaturen<br />
in römischen Zahlen auf dem Buchschnitt,<br />
weil sie zunächst liegend aufbewahrt<br />
wurden. – Die Schwestern von Batz, der<br />
selbst keine legitimen Nachkommen hatte,<br />
erhielten zum Ausgleich die 300 rheinischen<br />
Gulden – eine erkleckliche Summe<br />
Geldes. Spätere Syndiker und Juristen im<br />
Dienst der Hansestadt Lübeck, durchaus<br />
auch noch des ausgehenden 15. Jahrhunderts,<br />
haben es Batz gleich getan, z. B. Jo-<br />
<strong>Lübeckische</strong> <strong>Blätter</strong> 20<strong>13</strong>/<strong>13</strong> 219