Vom Balancieren auf der Sollbruchstelle - Loccum
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<strong>Vom</strong> <strong>Balancieren</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Sollbruchstelle</strong><br />
Prof. Dr. Maria Peters I Christina Inthoff<br />
Qualitativ – Quantitativ – Empirische Bildungsforschung<br />
Kunst – Kultur – Kunstpädagogik<br />
Kompetenz – Standardisierung – Kreativität<br />
Wird über verschiedene Kanäle ein Wandel <strong>der</strong> Lernkultur angebahnt, for<strong>der</strong>t<br />
dies Brüche mit Konventionen heraus, die es zunächst selbst zu prüfen gilt.<br />
Konventionen können als <strong>Sollbruchstelle</strong>n gelesen werden. <strong>Sollbruchstelle</strong>n<br />
sichern bis zu einem bestimmten Grad o<strong>der</strong> Zeitpunkt die Funktion eines<br />
Systems um im richtigen Moment zu versagen. Auf diese Weise werden ein<br />
möglicher Schaden im Gesamtsystem verhin<strong>der</strong>t/vermin<strong>der</strong>t und/o<strong>der</strong> eine<br />
beson<strong>der</strong>e/neue Funktion erreicht. <strong>Sollbruchstelle</strong>n sind in <strong>der</strong> Regel markiert,<br />
eine Kerbe o<strong>der</strong> eine feiner Riss weisen <strong>auf</strong> den bevorstehenden Bruch hin.<br />
Es bedarf im Kontext von Bildungsforschung einer beson<strong>der</strong>en Wahrnehmung<br />
für mögliche Brüche, für den Zeitpunkt des Bruches sowie für den Umgang mit<br />
diesen.<br />
Das hier vorzustellende Forschungsprojekts „Sensitivität für die Lücke“ markiert<br />
unsere Überlegungen zur Entwicklung kunstpädagogischer Perspektiven<br />
einer kompetenzorientierten Lernkultur in Bezug <strong>auf</strong> das Künstlerische Portfolio.<br />
Im Detail lassen sich folgende Bruchlinien identifizieren:<br />
•<br />
•<br />
•<br />
im Forschungsgegenstand selbst, dem Künstlerischen Portfolio<br />
im Forschungssetting zwischen den unterschiedlichen methodischen<br />
Perspektiven als<br />
Dilemma <strong>der</strong> Auswertung<br />
in Bezug <strong>auf</strong> die eigene Haltung und das Verhältnis von Bildungswissenschaft<br />
und Kunstpädagogik<br />
Das Künstlerische Portfolio 1 integriert als Gegenstand dieser Studie spezifische<br />
Fachdiskurse aus den Wissensgebieten <strong>der</strong> Bildungs- und Erziehungswissenschaft,<br />
<strong>der</strong> Kunstpädagogik, <strong>der</strong> Kreativitätsforschung sowie <strong>der</strong> Kunst. Es stellt<br />
sowohl ein Rückmeldeinstrument als auch ein umfassendes Lehr- und Lernkonzept<br />
für den kompetenzorientierten Unterricht dar. 2<br />
Die Diskussion um Portfolioarbeit wird ambivalent geführt. Dabei stellt speziell<br />
die Verknüpfung mit Ansprüchen <strong>der</strong> Kompetenz-orientierung kritisch zu<br />
beleuchtende Entwicklung dar. 3<br />
Das Künstlerische Portfolio betont seine Nähe zur Tradition Kunstschaffen <strong>der</strong><br />
und bezieht ästhetisch künstlerische Strategien <strong>der</strong> Aufzeichnungspraxis mit<br />
ein.<br />
1 Aden/Maike, Peters/Maria (2012): Chancen und Risiken einer kompetenzorientierten Kunstpädagogik. In:<br />
Zeitschrift Kunst Medien Bildung. http://zkmb.de/index.php?id=78 (Stand Juli 2012).<br />
2 Häcker, Thomas (2006): Ein Medium des Wandels in <strong>der</strong> Lernkultur. In: Brunner, Ilse/ Häcker, Thomas/Winter,<br />
Felix (Hrsg.) (2006): Das Handbuch Portfolioarbeit. Konzepte, Anregungen, Erfahrungen aus Schule und<br />
Lehrerbildung. 1. Auflage. Stelze-Velber: Erhard Friedrich Verlag, S. 27-32.<br />
3 Häcker, Thomas (2007): Portfolio - ein Medium im Spannungsfeld zwischen Optimierung und Humanisierung<br />
des Lernens. In: Gläser- Zikuda, Michaela/ Hascher, Tina (2007): Lernprozesse dokumentieren,<br />
reflektieren und beurteilen. Lerntagbuch und Portfolio in Bildungsforschung und Bildungspraxis. Bad<br />
Heilbrunn: Julius Klinkhardt, S. 63-65.
Diese beför<strong>der</strong>t neue Möglichkeiten <strong>der</strong> Reflexion, welche über den kreativen<br />
Prozess wichtige und nachvollziehbare Verankerung findet.<br />
Das Künstlerische Portfolio setzt sich mit Fragen zu beson<strong>der</strong>en Erkenntnisdimensionen<br />
reflexiver Aufzeichnungspraktiken auseinan<strong>der</strong>, indem vom kreativen<br />
Produkt (dem Künstlerischen Portfolio) <strong>auf</strong> Spuren des kreativen Prozesses<br />
geschaut wird. Die Studie zum Künstlerischen Portfolio fokussiert im Speziellen<br />
die Entwicklung von Problemsensitivität bei Schülerinnen und Schülern. (Problem)Sensitivität<br />
ist ein Begriff aus <strong>der</strong> Kreativitätsforschung und bildet einen<br />
von sieben Zentralparametern <strong>der</strong> Kreativität. 4 Für die kunstpädagogische Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />
bedeutet Sensitiv-sein, etwas – und sei es auch noch so klein<br />
und unbedeutend – zu bemerken. Es ist die Fähigkeit zu finden ohne gesucht<br />
zu haben und zu suchen ohne finden zu wollen.<br />
Problemsensitives Verhalten stellt immer auch den Bruch mit Vorstellungen des<br />
logischen und nachvollziehbaren Erkenntnisgewinns – auch ein Bruch mit Konventionen<br />
– dar und steht in enger Verbindung zu Methoden und Haltungen<br />
<strong>der</strong> ästhetischen Bildung. 5<br />
Indem Problemsensitivität als zu erlernende Qualifikation angesehen wird,<br />
welche zugleich als Grundlage für selbstbestimmte schöpferische Prozesse gilt,<br />
wird die Nähe zur Kompetenzdefinition erkennbar und das Forschungsziel, die<br />
Entwicklung von Problemsensitivität benennen und för<strong>der</strong>n zu können, legitimiert<br />
sich als Teil des Kompetenzdiskurses. 6<br />
Das Forschungssetting ist als Pre-Post-Kontrollgruppendesign mit einer Intervention<br />
angelegt und bildet das Dissertationsvorhaben von Christina Inthoff.<br />
Gemeinsam mit Prof. Dr. Maria Peters arbeite ich als Wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />
im Forschungsprogramm Komdif, das in Kooperation mit dem Institut<br />
für Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik <strong>der</strong> Universität Bremen steht.<br />
Durch das vernetzte Arbeiten mit <strong>der</strong> Schulbehörde Hamburg im Schulversuch<br />
alles»könner findet eine enge Anbindung an die Praxis statt. Zugleich wird die<br />
Arbeit in Zusammenarbeit mit dem IPN Kiel als empirische Bildungsforschung<br />
begleitet.<br />
Die Forschungsfrage – Welchen Effekt haben reflexive Aufzeichnungspraktiken im<br />
Künstlerischen Portfolio <strong>auf</strong> die Entwicklung von Problemsensitivität bei Schülerinnen<br />
und Schülern? – deutet <strong>auf</strong> die bevorstehende Herausfor<strong>der</strong>ung hin, sich<br />
qualitativ den Erfahrungsdimensionen im Künstlerischen Portfolio zu nähern<br />
und die Erkenntnisse mit quantifizierten Testergebnissen zu verknüpfen.<br />
Im Kontext <strong>der</strong> Kunstpädagogik stellt diese systematische Forschungspraxis zu<br />
einer überfachlichen Kompetenz einen Balanceakt dar, die spezifischen Ziele<br />
und Potenziale des Fachdiskurses, als auch die speziellen Anfor<strong>der</strong>ungen und<br />
Entwicklungen innerhalb <strong>der</strong> Bildungsforschung, gleichermaßen in den Blick<br />
zu nehmen.<br />
4 Guilford, JP. 1970: Kreativität. In: Mühle, M./ Schell, S. (Hrsg.)(1971): Kreativität und Schule. München: Piper.<br />
30. / Urban, Klaus (2004): Kreativität. Herausfor<strong>der</strong>ung für Schule, Wissenschaft und Gesellschaft. Münster:<br />
LIT Verlag.<br />
5 Z.B.: Kämpf-Jansen, Helga (2000): Ästhetische Forschung Aspekte eines innovativen Konzepts ästhetischer<br />
Bildung. In: Blohm, Manfred (2000) (Hrsg.): Leerstellen. Perspektiven für ästhetisches Lernen in Schule und<br />
Hochschule. Köln: Salon Verlag, S. 83-114.<br />
6 Roggatz, Christine (2009):Auf das Können kommt es an. Unterricht an Kompetenzen orientiert. In: Hamburg<br />
macht Schule Heft 2|2009,<br />
S. 12- 15.
Biografische Angaben<br />
Christina Inthoff geboren am 19. Februar 1985 in Bremen. 2005-2008 Bachelorstudium<br />
mit den Fächern Germanistik, Kunstwissenschaft/Kunstpädagogik<br />
und Erziehungswissenschaft -Universität Bremen. 2009 Auslands<strong>auf</strong>enthalt<br />
-Universität für angewandte Kunst Wien. Seit 2010 aktives Mitglied im Theater<br />
<strong>der</strong> Versammlung zwischen Bildung Wissenschaft und Kunst. 2011 Abschluss<br />
im Master of Education für das Lehramt an Gymnasien sowie des Zertifikatsstudiums<br />
im Zentrum für Performance Studies -Universität Bremen. Seit 2011 WiMi<br />
aus Drittmittelstelle an <strong>der</strong> Universität Bremen im Institut für Kunstwissenschaft/Kunstpädagogik<br />
für das Projekt „Komdif“ -IPN Kiel und „alles«könner“-<br />
Schulbehörde Hamburg.<br />
Prof. Dr. Maria Peters 1.u. 2. Staatsexamen in Kunstpädagogik/Ästhetische<br />
Bildung. 1994-1998 Promotion und Habilitation im Bereich Wahrnehmung,<br />
Sprache, künstlerische Strategien Universität Hamburg. Seit 1998 Professorin<br />
für Kunstpädagogik und Ästhetische Bildung an <strong>der</strong> Universität Bremen. Seit<br />
2002 Kooperationsprojekte zwischen Museum, Schule und Universität. Forschungsthemen:<br />
performative Kunstvermittlung, Sprache (Schreiben/Reden) in<br />
Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Kunst, Medien und Ästhetische Bildung, Kompetenzorientierungen<br />
in <strong>der</strong> Kunstpädagogik (2009 bis 2013 Projekt: „Komdif“/IPN Kiel<br />
und „alles«könner“/Schulbehörde Hamburg); Radiokunst und ihre Vermittlung<br />
(VW Projekt 2011-2014).<br />
Prof. Dr. Maria Peters<br />
Kunstpädagogik<br />
Ästhetische Bildung<br />
Institut für Kunstwissenschaft<br />
und Kunstpädagogik<br />
Universität Bremen<br />
Enrique-Schmidt-Straße<br />
28359 Bremen<br />
Postfach 33 04 40<br />
Telefon:<br />
(0421) 218 - 67730<br />
(0421) 218 - 67700<br />
mailto:<br />
mapeters@uni-bremen.de<br />
Christina Inthoff<br />
Kunstpädagogik<br />
Ästhetische Bildung<br />
Institut für Kunstwissenschaft<br />
und Kunstpädagogik<br />
Universität Bremen<br />
Enrique-Schmidt-Straße<br />
28359 Bremen<br />
Postfach 33 04 40<br />
Telefon:<br />
(0421) 218 – 67512<br />
0173 2442161<br />
mailto:<br />
cinthoff@uni-bremen.de