pik - Ludwig Boltzmann Institut für Medizin- und ...
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p a t i e n t e n o r i e n t i e r t e i n t e g r i e r t e k r a n k e n b e t r e u u n g i n w i e n 1 4 . – 1 7 .<br />
Die neue Patientenbeteiligung<br />
in Deutschland<br />
Gastbeiträge<br />
Die Beteiligung von Patientinnen <strong>und</strong> Patienten<br />
an der Gestaltung des Ges<strong>und</strong>heitswesens ist in<br />
Deutschland etwas ganz Neues. Sie wird zwar seit<br />
vielen Jahren gefordert, die Politik hat sich jedoch<br />
bisher sehr zögerlich verhalten. Jetzt hat sie plötzlich<br />
einen Sprung gewagt: Seit Anfang 2004 sitzen<br />
Patientenvertreter in etlichen wichtigen Ausschüssen<br />
– mit Rede- <strong>und</strong> Antragsrecht, aber ohne<br />
Stimmrecht. Ich werde kurz die bisherige Entwicklung<br />
der Patientenbeteiligung in Deutschland beschreiben<br />
<strong>und</strong> das Ergebnis kritisch bewerten.<br />
Theorie <strong>und</strong> Entwicklung<br />
An der individuellen Behandlung, also auf der<br />
Mikro-Ebene des Arzt-Patient-Kontaktes, sind<br />
Patienten schon relativ weitgehend beteiligt, jedenfalls<br />
theoretisch: Ohne wirksame Einwilligung des<br />
Patienten ist jeder Eingriff, also jede Therapie in<br />
Deutschland eine strafbare Körperverletzung. Die<br />
umfassende, verständliche Aufklärung <strong>und</strong> Einbeziehung<br />
des Patienten in die Behandlungsplanung<br />
ist also – theoretisch – eine notwendige Voraussetzung<br />
jeder Therapie. Dass Ärzte sich in der Praxis<br />
noch häufig schwer damit tun, Patienten als<br />
Partner anzuerkennen, dürfte niemanden verw<strong>und</strong>ern.<br />
Zu neu ist in Deutschland das Paradigma<br />
des shared decision making, der partnerschaftlichen<br />
Entscheidungsfindung. Erst seit wenigen<br />
Jahren wird damit systematisch experimentiert<br />
(Scheibler/Pfaff 2003). Die theoretische Gr<strong>und</strong>lage<br />
kommt aus Großbritannien, wo sie schon wesentlich<br />
weiter entwickelt <strong>und</strong> besser verankert ist<br />
(Literatur bei Scheibler/Pfaff 2003).<br />
In Organisationen <strong>und</strong> Körperschaften, also auf der<br />
Meso-Ebene, findet sich Patientenbeteiligung in<br />
<strong>pik</strong><br />
newsletter 08<br />
juli 2004<br />
SEITE 23<br />
Deutschland auch konzeptionell sehr viel seltener.<br />
Nur bei den Krankenkassen bilden die Versicherten<br />
einen Teil (bei den Ersatzkassen sogar die Gesamtheit)<br />
der demokratischen Basis – nicht jedoch die<br />
Patienten. Und bei den Leistungserbringern, etwa<br />
Krankenhäusern, ist Patientenbeteiligung noch<br />
gänzlich unbekannt.<br />
Die kollektive Einbeziehung von Patientenvertretern<br />
in politische Entscheidungen der ges<strong>und</strong>heitlichen<br />
Versorgung, also auf der Makro-Ebene,<br />
wird seit vielen Jahren auf nationaler, europäischer<br />
<strong>und</strong> internationaler Ebene von Politikern, Patientenorganisationen,<br />
Juristen <strong>und</strong> Wissenschaftlern<br />
gefordert (z.B. 1992 vom Sachverständigenrat in<br />
Deutschland; 1994 von der WHO; 1996 von der<br />
Ges<strong>und</strong>heitsministerkonferenz des Europarates;<br />
1996 <strong>und</strong> 1999 von der Ges<strong>und</strong>heitsministerkonferenz<br />
in Deutschland… Literatur siehe bei<br />
Francke/Hart 2001).<br />
Aber erst 1999, nach Ablösung der konservativen<br />
CDU/FDP-Regierung durch eine SPD/Grüne-<br />
Koalition, gab die deutsche B<strong>und</strong>esregierung ein<br />
Gutachten in Auftrag, das die theoretischen Gr<strong>und</strong>lagen<br />
aufarbeiten <strong>und</strong> Vorschläge <strong>für</strong> sinnvolle <strong>und</strong><br />
durchsetzbare Formen der Bürgerbeteiligung im<br />
Ges<strong>und</strong>heitswesen machen sollte (Francke/Hart<br />
2001). Im Rahmen dieses Werkes finden sich auch<br />
viele Hinweise auf Beispiele im nicht nur europäischen<br />
Ausland, die zeigen, dass Bürgerbeteiligung<br />
im Ges<strong>und</strong>heitswesen schon funktioniert <strong>und</strong> dass<br />
wir in Deutschland das Rad nicht völlig neu erfinden<br />
müssen.<br />
Das Gutachten unterscheidet drei Stufen der<br />
Beteiligung von Bürgern an politischen Entscheidungsprozessen:<br />
die Verfahrensbeteiligung, bei der