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Koproduktion durch Empowerment - lbimgs

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<strong>Koproduktion</strong> <strong>durch</strong><br />

<strong>Empowerment</strong><br />

Mehr Qualität <strong>durch</strong> verbesserte<br />

Kommunikation mit Patient/innen<br />

in der Chirurgie


Impressum<br />

Herausgegeben vom Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, Sektion IV<br />

Radetzkystraße 2, 1030 Wien<br />

Für den Inhalt verantwortlich<br />

Sektionschef DI Harald Gaugg<br />

Studie im Auftrag des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen<br />

Fertiggestellt im Juli 2003<br />

Autor/innen<br />

Österreichische Gesellschaft für Theorie und Praxis der Gesundheitsförderung (ÖGTPGF):<br />

Mag. Dr. Ursula Trummer<br />

Mag. Peter Nowak<br />

Mag. Thomas Stidl<br />

Univ.Prof. Dr. Jürgen M. Pelikan<br />

In Kooperation mit den Partner/innen aus den Projektkrankenhäusern, insbesondere:<br />

Dipl. PT Waltraud Beitzke, LKH - Univ.-Klinikum Graz<br />

Mag. Christine Foussek, LKH - Univ.-Klinikum Graz<br />

OA Dr. Herwig Hauck, SMZ Baumgartner Höhe - Otto Wagner Spital<br />

Dr. Rosina Hetterle, LKH - Univ.-Klinikum Graz<br />

Univ.Prof. Dr. Heinrich Mächler, LKH - Univ.-Klinikum Graz<br />

Prim. Dr. Michael Reschen, A.ö. KH der Halleiner KA-BetriebsgesmbH<br />

Univ.Prof. Dr. Peter Stix, LKH - Univ.-Klinikum Graz<br />

Redaktionelle Bearbeitung:<br />

Mag. Beate Kendlbacher<br />

Layout:<br />

Alexander Popp<br />

Druck<br />

Hausdruckerei des BMGF, Radetzkystraße 2, 1030 Wien<br />

Bestellmöglichkeiten<br />

Telefon: +43-1/711 00-4700 DW<br />

Fax: +43-1/715 58 30<br />

E-Mail: broschuerenservice.bmgf@bmgf.gv.at<br />

Internet: http://www.bmgf.gv.at<br />

ISBN - 3-900019-04-5<br />

Diese Broschüre stellt international bewährte und in Österreich erprobte und evaluierte Maßnahmen<br />

praxisorientiert vor. Sie richtet sich an Personen in österreichischen Krankenanstalten, die Patient/innen<br />

versorgen und/oder Qualität entwickeln. Sie ist kostenlos beim Bundesministerium für Gesundheit<br />

und Frauen, Radetzkystraße 2, 1030 Wien, erhältlich.


Bevor Sie beginnen, diese Broschüre zu lesen...<br />

Zeit ist kostbar. Bevor Sie Ihre Zeit investieren, um diese Broschüre zu lesen,<br />

überlegen Sie:<br />

Haben Sie ein Problem in Ihrem Krankenhaus/auf Ihrer Station?<br />

JA NEIN<br />

Wenn nein... Gratulation.<br />

Rufen Sie uns bitte an. Wir möchten wissen, wie Sie das machen.<br />

Viele Krankenhäuser können von Ihnen lernen.<br />

Wenn ja...<br />

Kann dieses Problem etwas mit Kommunikation zu tun haben?<br />

Gibt es unzufriedene/komplizierte Patient/innen?<br />

Unzufriedene Mitarbeiter/innen?<br />

Hohe Verweildauern?<br />

Postoperative Komplikationen?<br />

Hohe Medikamentenkosten?<br />

Wenn ja...<br />

Wollen Sie dieses Problem bearbeiten?<br />

Oder gibt es gute Gründe, das Problem zur Zeit zu ignorieren?<br />

Wenn es gute Gründe gibt, das Problem zur Zeit zu ignorieren, legen Sie diese<br />

Broschüre in eine Lade zum Wiederfinden. Sie werden sie noch brauchen.<br />

Wenn Sie das Problem bearbeiten wollen...<br />

Drei Krankenanstalten haben erfolgreich Probleme gelöst. Sie stellen hier<br />

schriftlich ihre Ansätze zur Verfügung. Wenn Ihnen etwas unklar ist -<br />

Sie finden zu jeder beschriebenen Lösung eine Kontaktperson.<br />

Überlegen Sie zuletzt...<br />

Will ich eine Lösung vorantreiben?<br />

Finde ich Mitarbeiter/innen, die mit mir daran arbeiten?<br />

Ist das finanzierbar?<br />

Sollten Sie öfter als zweimal mit "JA" antworten, lesen Sie diese Broschüre.<br />

Viel Spaß! Und viel Erfolg!<br />

4


Inhalt<br />

INHALT<br />

Vorwort 6<br />

Das Projekt <strong>Koproduktion</strong> <strong>durch</strong> <strong>Empowerment</strong><br />

Qualitätsverbesserung der Patient/innenbetreuung und des<br />

postoperativen Gesundungsprozesses in der Chirurgie<br />

7<br />

Ziele 7<br />

Maßnahmen 7<br />

Evaluationsdesign 7<br />

Ergebnisse 7<br />

<strong>Empowerment</strong> von Patient/innen<br />

Verbesserung von Kommunikation zur Qualitätsverbesserung<br />

in der Krankenbehandlung<br />

9<br />

<strong>Empowerment</strong> in der Gesundheitsförderung und im Krankenhaus 9<br />

Ergebnisse von <strong>Empowerment</strong> - Informiertheit und Handlungsmöglichkeit 9<br />

<strong>Koproduktion</strong> von Gesundheit 9<br />

Verbesserung von Kommunikation als Herzstück des <strong>Empowerment</strong>s 9<br />

Warum in Kommunikation investieren? 10<br />

<strong>Empowerment</strong> von Patient/innen braucht empowerte Mitarbeiter/innen 11<br />

Bedingungen für <strong>Empowerment</strong> -<br />

Persönliche und situative Möglichkeits- und Motivationsfaktoren<br />

11<br />

Maßnahmen 12<br />

Grundmaßnahme: 13<br />

Entwicklung von Kommunikationskompetenz bei Mitarbeiter/innen<br />

Patient/innenbezogene Maßnahme 1: 18<br />

Aufnahme- und Aufklärungsgespräch vor dem Hintergrund<br />

eines bio-psycho-sozialen Krankheitsmodells <strong>durch</strong> eine Stationsärztin<br />

Patient/innenbezogene Maßnahme 2: 23<br />

Präoperatives Patient/innenaufklärungsgespräch <strong>durch</strong> Operateur/in<br />

Patient/innenbezogene Maßnahme 3: 27<br />

Entflechtung der Hauptvisite (Nachmittagsvisite)<br />

Patient/innenbezogene Maßnahme 4: 31<br />

Verbesserung der präoperativen Atemphysiotherapie<br />

Patient/innenbezogene Maßnahme 5: 35<br />

Standardisierung und Individualisierung der Schmerztherapie<br />

Patient/innenbezogene Maßnahme 6: 41<br />

Chirurgisches Entlassungsgespräch zwischen Operateur/in und Patient/in<br />

Allgemeine Empfehlungen zur Maßnahmeneinführung 46<br />

"How to start" 47<br />

Schritte zur Auswahl von Pilotstationen 47<br />

Projektdarstellung im Bild -<br />

"<strong>Koproduktion</strong> <strong>durch</strong> <strong>Empowerment</strong>"<br />

49<br />

Literatur 50<br />

5


Vorwort<br />

VORWORT<br />

Die Forschung zur Versorgungsqualität in der Chirurgie beschäftigt sich seit langem<br />

mit dem Einfluss psychosozialer Faktoren und kommunikativer Aspekte auf<br />

klinische Behandlungsergebnisse, Behandlungskosten sowie die Zufriedenheit<br />

von Patient/innen und Personal. Internationale und nationale Studien und Metaanalysen<br />

weisen die Relevanz dieser Faktoren nach. Aktuell treten in den Debatten<br />

zur Qualität in der Gesundheitsversorgung sowie im Rahmen der Gesundheitsförderung<br />

im Krankenhaus Aspekte der Qualität von Kommunikation erneut<br />

in den Vordergrund.<br />

In Österreich existierten bisher nur wenige evaluierte Beispiele für die Umsetzung<br />

dieser Qualitätsaspekte in der stationären Betreuung von chirurgischen<br />

Patient/innen. Das Gesundheitsministerium hat daher die Initiative gesetzt, die<br />

Implementierbarkeit international bewährter Ansätze in österreichischen Krankenanstalten<br />

zu überprüfen.<br />

Drei Krankenanstalten kooperierten 2001 im Rahmen des Österreichischen Netzwerks<br />

Gesundheitsfördernder Krankenhäuser (ÖNGK, www.univie.ac.at/oengk)<br />

im Projekt "<strong>Koproduktion</strong> <strong>durch</strong> <strong>Empowerment</strong>: Qualitätsverbesserung der Patient/innenbetreuung<br />

und des postoperativen Gesundungsprozesses in der Chirurgie":<br />

das A.ö. Krankenhaus der Halleiner KA-BetriebsgesmbH (Abteilung für Allgemeinchirurgie,<br />

Abteilung für Anästhesiologie), das LKH - Univ. Klinikum Graz<br />

(Abteilung für Herzchirurgie, Abteilung für klinische Psychosomatik) und das SMZ<br />

Baumgartner Höhe - Otto Wagner Spital mit Pflegezentrum (Chirurgische Abteilung<br />

für Pulmologie /Thoraxchirurgie).<br />

In der Kooperationsgruppe aus den Partnerkrankenhäusern arbeiteten zusammen:<br />

A.ö. Krankenhaus der Halleiner KA-BetriebsgesmbH:<br />

StatLt. DGKS Anette GEISSLER<br />

DGKP Wolfgang KOPECKY<br />

Univ.Doz. Prim. Dr. Karl MILLER<br />

Prim. Dr. Michael RESCHEN<br />

LKH - Univ. Klinikum Graz:<br />

Dipl. PT Waltraud BEITZKE<br />

Ass.Dr. Peter BERGMANN<br />

StatSr. Theresia DONNER<br />

Mag. Christine FOUSSEK<br />

Dr. Rosina HETTERLE<br />

Univ.Prof. Dr. Heinrich MÄCHLER<br />

Univ.Prof. Dr. Peter STIX<br />

SMZ Baumgartner Höhe - Otto Wagner Spital mit Pflegezentrum, Wien:<br />

OA Dr. Herwig HAUCK<br />

StatLt. DGKS Manuela KURFÜRST<br />

Dr. Hildegard LACKNER<br />

Sie wurden vom Koordinationszentrum des ÖNGK in enger Kooperation mit dem<br />

Ludwig Boltzmann Institut für Medizin- und Gesundheitssoziologie wissenschaftlich<br />

und beraterisch begleitet.<br />

Mit der Arbeit in der häuserübergreifenden Projektgruppe und den hausinternen<br />

Projektteams haben sie einen wichtigen Beitrag zur kontinuierlichen Qualitätsverbesserung<br />

stationärer Leistungen in österreichischen Krankenanstalten geleistet.<br />

Es liegen nunmehr in ihrem Erfolg geprüfte Maßnahmen zur patient/innenorientierten<br />

Versorgung und zum <strong>Empowerment</strong> von Patient/innen vor, die als Orientierungshilfe<br />

und Model of Good Practice in dieser Broschüre dem österreichischen<br />

Gesundheitswesen zur Verfügung gestellt werden.<br />

Allen Mitarbeiter/innen im Projekt sei an dieser Stelle gedankt für ihren Einsatz,<br />

ihre Freude und ihre Mühe.<br />

6


Das Projekt <strong>Koproduktion</strong> <strong>durch</strong> <strong>Empowerment</strong><br />

Qualitätsverbesserung der Patient/innenbetreuung und des<br />

postoperativen Gesundungsprozesses in der Chirurgie<br />

Ziele<br />

Ziel des Projekts war die Verbesserung der Gesundungsprozesse bei chirurgischen<br />

Patient/innen. Das sollte <strong>durch</strong> <strong>Empowerment</strong> von Patient/innen zur<br />

verstärkten Mitarbeit im Behandlungsverlauf erreicht werden. <strong>Empowerment</strong><br />

meint hier die Verbesserung von Möglichkeiten für Patient/innen, aktiver und<br />

eigenverantwortlicher im stationären Behandlungsprozess mitzuarbeiten 1 und so<br />

zu Koproduzent/innen ihrer Gesundheit zu werden. Eine wichtige Grundlage dafür<br />

ist die Verbesserung der Information für und der Kommunikation mit Patient/innen,<br />

um deren notwendiges Wissen aufzubauen, persönliche Kompetenzen zu<br />

erweitern und Mitbestimmung zu ermöglichen.<br />

Maßnahmen<br />

Die Maßnahmen bearbeiteten patient/innengerechte und -orientierte Information<br />

und Kommunikation innerhalb des stationären Betreuungsprozesses, die Schulung<br />

von Patient/innen und Mitarbeiter/innen und die Einbeziehung der<br />

Patient/innen in Behandlungsentscheidungen (siehe Abbildung 2 Seite 12).<br />

Evaluationsdesign<br />

Die Wirkung der Maßnahmen wurde in einer Pre-Post-Studie 2 mit einer<br />

Patient/innenbefragung (Zufriedenheit mit Versorgung, Qualität von Information,<br />

Selbsteinschätzung des Gesundheitszustandes) und Klinischen Ergebnissen<br />

(postoperative Komplikationen, Aufenthaltsdauer, Pflegestufen, Medikamentengaben)<br />

evaluiert.<br />

Ergebnisse<br />

DAS PROJEKT KOPRODUKTION DURCH EMPOWERMENT<br />

Die Ergebnisse zeigen positive Effekte der Verbesserung von Kommunikation und<br />

Information auf klinische Ergebnisse sowie eine gesteigerte Zufriedenheit von<br />

Patient/innen.<br />

Die besten Ergebnisse erzielte dabei die Herzchirurgie des LKH - Univ. Klinikum<br />

Graz. Diese Station unterstützte ihre Mitarbeiter/innen <strong>durch</strong> kommunikative<br />

Schulung, setzte Maßnahmen innerhalb des Gesamtprozesses des stationären<br />

Aufenthalts und sicherte damit die Kontinuität qualitätsvoller Kommunikation mit<br />

den Patient/innen von der Aufnahme bis zur Entlassung.<br />

Als wichtigste Ergebnisse sind zu nennen:<br />

Die Verbesserung klinischer Indikatoren: postoperative Rhythmusstörungen<br />

gehen von 19% auf 4% zurück, die postoperative Verweildauer sinkt um<br />

mehr als einen Tag (im Mittel um 1,12 Tage), es reduziert sich der Anteil von<br />

Patient/innen, die angeben, Schmerzen zu empfinden, um 10,6%. Die postoperativen<br />

Medikamentengaben (Schlafmittel und Psychopharmaka) bleiben<br />

dabei konstant. Dieses Ergebnis liefert einen Hinweis darauf, dass die Reduktion<br />

von Schmerzempfinden den gesetzten kommunikativen Maßnahmen zugeschrieben<br />

werden kann. Die Zuwächse bei Patient/innen, die bereits am zwei-<br />

1 "In der Gesundheitsförderung bezeichnet man mit Befähigung zu selbstbestimmtem Handeln (<strong>Empowerment</strong>)<br />

einen Prozess, <strong>durch</strong> den Menschen eine größere Kontrolle über die Entscheidungen und Handlungen gewinnen,<br />

die ihre Gesundheit beeinflussen." (World Health Organization 1998)<br />

2 (Baseline n= 257 Patient/innen: 113 Allgemeinchirurgie, 100 Herz-Thoraxchirurgie, 44 Thoraxchirurgie;<br />

Evaluation n= 208 Patient/innen: 63 Allgemeinchirurgie, 99 Herz-Thoraxchirurgie, 46 Thoraxchirurgie)<br />

7


DAS PROJEKT KOPRODUKTION DURCH EMPOWERMENT<br />

ten und dritten postoperativen Tag auf der Station in eine bessere Pflegestufe<br />

kommen, betragen 11,2% bzw. 43,2%.<br />

Die Verbesserung der Patient/innenzufriedenheit: Steigerungen der<br />

Zufriedenheit von Patient/innen zeigen sich insbesondere bei der Betreuung<br />

vor der Operation um ca. 11%, bei der Betreuung <strong>durch</strong> die Ärzt/innen mit<br />

über 10% und <strong>durch</strong> die Pflege mit bis zu 15%. Die Beurteilung der inter- und<br />

intraprofessionellen Zusammenarbeit des medizinischen und pflegerischen<br />

Personals verbesserte sich um bis zu 10%.<br />

Die Verbesserung gesundheitsrelevanten Verhaltens: Patient/innen, die<br />

wiederholt (öfter als zweimal) Schulungen von einer Atemphysiotherapeutin<br />

erhalten, üben häufiger auch selbstständig ohne professionelle Unterstützung.<br />

Diese Broschüre konzentriert sich auf die Darstellung der eingeführten und auf<br />

ihre Effektivität geprüften Maßnahmenbeispiele. Eine ausführliche Darstellung<br />

des Projekts und der Evaluationsergebnisse findet sich im Projektbericht<br />

(Trummer, Nowak et al. 2001, als Download verfügbar über:<br />

http://www.univie.ac.at/<strong>lbimgs</strong>/berichte/emp.pdf).<br />

Alle dargestellten Maßnahmen zeigten positive Evaluationsergebnisse und können<br />

daher für einen systematischen Transfer empfohlen werden.<br />

Die Evaluation zeigte weiters drei wesentliche Erfolgsfaktoren auf:<br />

1. Ein multistrategisches Vorgehen: Die hervorragenden Evaluationsergebnisse<br />

des LKH - Univ. Klinikum Graz zeigen, dass die Verbesserung von Kommunikation<br />

im gesamten stationären Betreuungsprozess (von der Aufnahme<br />

bis zur Entlassung), d.h. die Kombination von mehreren Maßnahmen mit<br />

ähnlicher Schwerpunktsetzung deutlich erfolgreicher ist als das Setzen von<br />

Einzelmaßnahmen. Einzelmaßnahmen machen Patient/innen zwar partiell<br />

zufriedener, zeigen aber kaum Effekte auf Gesundungsprozesse und zusammenfassende<br />

Patient/innenurteile.<br />

2. Die kommunikative Schulung von Mitarbeiter/innen: Das Beispiel Graz<br />

zeigt die Wichtigkeit der Unterstützung von Mitarbeiter/innen bei der Entwicklung<br />

qualitätsvoller patient/innenorientierter Betreuung. Ohne Schulung und<br />

Unterstützung können diese nicht ihr Verhalten verändern und Versorgungsprozesse<br />

neu gestalten.<br />

3. Die Unterstützung der Mitarbeiter/innen in Veränderungsprozessen<br />

<strong>durch</strong> die Leitungsebene: Die Projektgruppe des LKH - Univ. Klinikum Graz<br />

machte die Wichtigkeit einer Unterstützung <strong>durch</strong> die Leitungsebene deutlich.<br />

Diese Broschüre bietet Krankenhäusern eine Anleitung, wie diese Maßnahmen<br />

eingeführt werden können und welche Ressourcen dafür notwendig sind.<br />

Die einzelnen Maßnahmen sind so dargestellt, dass sie als Grundlage zur Einführungsplanung<br />

auf einer bettenführenden Station eines Krankenhauses dienen<br />

können. Für weitergehende Informationen und Erfahrungsaustausch zwischen<br />

Praktiker/innen ist pro Maßnahme eine Kontaktperson der jeweiligen Station<br />

angegeben.<br />

8


EMPOWERMENT VON PATIENT/INNEN<br />

<strong>Empowerment</strong> von Patient/innen<br />

Verbesserung von Kommunikation zur Qualitätsverbesserung in<br />

der Krankenbehandlung<br />

<strong>Empowerment</strong> in der Gesundheitsförderung<br />

und im Krankenhaus<br />

Die Weltgesundheitsorganisation WHO nennt im Health Promotion Glossary<br />

(1998) <strong>Empowerment</strong> als wichtige Strategie der Gesundheitsförderung und<br />

definiert "Im Verständnis von Gesundheitsförderung ist <strong>Empowerment</strong> ein<br />

Prozess, <strong>durch</strong> den Menschen eine größere Kontrolle über Entscheidungen und<br />

Handlungen erlangen, die ihre Gesundheit beeinflussen."<br />

In den Wiener Empfehlungen für gesundheitsfördernde Krankenhäuser (1997,<br />

http://www.univie.ac.at/hph) wird <strong>Empowerment</strong> als wichtige Komponente der<br />

stationären Behandlung genannt.<br />

Ergebnisse von <strong>Empowerment</strong> -<br />

Informiertheit und Handlungsmöglichkeit<br />

Ein wichtiges Ergebnis von <strong>Empowerment</strong> ist der Aufbau von persönlichen Ressourcen<br />

und Fähigkeiten. Neuere gesundheitspolitische und wissenschaftliche<br />

Diskussionen verwenden dafür den Begriff "Health Literacy" in Analogie zu "Literacy"<br />

(Alphabetismus). Health Literacy "bezieht sich auf jene kognitiven und sozialen<br />

Kompetenzen, die die Motivation und Fähigkeiten eines Individuums bestimmen,<br />

sich Zugang zu Informationen zu verschaffen, diese zu verstehen und<br />

in einer Weise zu nutzen, die Gesundheit fördert und erhält." 3<br />

<strong>Koproduktion</strong> von Gesundheit<br />

<strong>Empowerment</strong> von Patient/innen ermöglicht die eigenverantwortliche Mitarbeit<br />

aktiver Partner im Behandlungsprozess und macht Patient/innen so verstärkt zu<br />

Koproduzent/innen ihrer Gesundheit - Gesundheit ist das Ergebnis einer gemeinsamen<br />

Anstrengung von Patient/innen und Professionellen.<br />

Um Patient/innen mehr Möglichkeiten zum selbstständigen und eigenverantwortlichen<br />

Handeln beim Auftreten von Krankheit zu ermöglichen, müssen Wissen<br />

und persönliche Fähigkeiten aufgebaut werden. Das geschieht zum einen <strong>durch</strong><br />

patient/innengerechte Information, zum anderen <strong>durch</strong> Schulungen, die den<br />

Patient/innen Wissen vermitteln und mit ihnen Anwendungen trainieren.<br />

Verbesserung von Kommunikation als Herzstück<br />

des <strong>Empowerment</strong>s<br />

Ein wesentliches Element von <strong>Empowerment</strong> ist Kommunikation - Partner im<br />

Behandlungsprozess müssen miteinander kommunizieren, um Mitarbeit und Mitentscheidung<br />

möglich zu machen und so gemeinsam Behandlungserfolge zu<br />

erzielen. Patient/innen müssen gemäß ihrer Bedürfnisse informiert und geschult<br />

werden und müssen ihrerseits ihre Bedürfnisse artikulieren können.<br />

Zum Aufbau von gesundheitsrelevantem Wissen bei Patient/innen müssen Informationen<br />

an diese weitergegeben werden. Aber nicht jede Mitteilung ist eine gute<br />

und brauchbare Information. Sie muss sich an den Bedürfnissen und der Aufnahmefähigkeit<br />

seiner Adressat/innen orientieren, um aufgenommen und handlungs-<br />

2 Health Literacy: the achievement of the cognitive and social skills that determine the motivation and ability of<br />

individuals to gain access to, understand and use information in a way that promote and maintain good health"<br />

(World Health Organization 1998)<br />

9


EMPOWERMENT VON PATIENT/INNEN<br />

wirksam zu werden. Professionelle müssen dies in ihrem Kommunikationsverhalten<br />

und in der Gestaltung von Informationsunterlagen beachten.<br />

Für Mitarbeiter/innen im Krankenhaus bedeutet das, Informationen verständlich<br />

weiterzugeben, Patient/innen zur Äußerung ihrer Bedürfnisse, Ängste und Anliegen<br />

aufzufordern und Optionen zur Mitarbeit anzubieten. Ärzt/innen und Pflegepersonen<br />

müssen verstärkt patient/innenorientiert kommunizieren.<br />

Warum in Kommunikation investieren?<br />

Qualitätsvolle Kommunikation zwischen Patient/innen und Professionellen gewinnt<br />

aus mehreren Gründen eine besondere Bedeutung:<br />

Kommunikation verbessert Behandlungserfolge<br />

Medizinische Leistung ist nur effektiv, wenn gut kommuniziert wird, denn medizinische<br />

Leistung ist immer auch eine kommunikative Leistung. Erfolgreiche Kommunikation<br />

zwischen Patient/innen und Professionellen hat für sich einen therapeutischen<br />

Effekt: Reviews, die Ergebnisse aus randomisierten klinischen Studien<br />

zusammenfassen (Di Blasi, Harkness et al. 2001), weisen darauf hin, dass eine<br />

gute Beziehung zwischen Versorgern und Patient/innen die klinischen Behandlungsergebnisse<br />

verbessert. Internationale und nationale Studien (Johnston, Vögele<br />

1992; Wimmer, Pelikan 1984) zeigen, dass die Qualität der Kommunikation<br />

mit Patient/innen nicht nur Patient/innenzufriedenheit erhöht sondern besonders<br />

auch in der Chirurgie für den Behandlungserfolg wichtig ist (Di Blasi, Harkness et<br />

al. 1999). Das zeigt auch das Projekt "<strong>Koproduktion</strong> <strong>durch</strong> <strong>Empowerment</strong>": die<br />

Herzchirurgie erreichte eine Senkung der postoperativen Herzrhythmusstörungen<br />

von 19% auf 4%, die Patient/innen erreichten schneller eine bessere postoperative<br />

Pflegestufe (und damit einen verminderten Betreuungsaufwand seitens der<br />

Pflege).<br />

Kommunikation senkt Behandlungskosten<br />

Wesentliche Kostenfaktoren wie Verweildauer und Medikamentenverbrauch<br />

können <strong>durch</strong> verbesserte Kommunikation gesenkt werden. Im Projekt "<strong>Koproduktion</strong><br />

<strong>durch</strong> <strong>Empowerment</strong>" sank die Verweildauer von herzchirurgischen<br />

Patient/innen um über einen Tag.<br />

Patient/innen in Krankenhäusern sehen Defizite besonders bei<br />

der Kommunikation<br />

Internationale und österreichische Patient/innenbefragungen (Berger, Novak-<br />

Zezula et al. 2000; Delbanco 1996; Kendlbacher, Trummer et al. 2003) zeigen,<br />

dass Patient/innen Defizite in der Versorgung im Krankenhaus v.a. auf dem Gebiet<br />

der Information und Kommunikation sehen. Informationen über den Tagesablauf<br />

bei der stationären Behandlung, den Ablauf einer Untersuchung oder/und<br />

Operation, die Auswirkungen nach einer Operation und den Zeitpunkt der Wiederaufnahme<br />

normaler Aktivitäten werden von rund 20% bis 50% der Patient/innen<br />

als ungenügend eingeschätzt, ebenso die Schulung von Patient/innen und<br />

Angehörigen und das Eingehen auf Probleme und Ängste (Baumer, Bischof et al.<br />

2001; Berger, Dunkl et al. 2001; Berger, Novak-Zezula et al. 2000; Berger, Eberl<br />

et al. 2001).<br />

10


EMPOWERMENT VON PATIENT/INNEN<br />

Patient/innen in Krankenhäusern fordern verstärkt Verbesserungen<br />

der Kommunikation<br />

Die Beziehung von Patient/innen und Professionellen wird in modernen Gesellschaften<br />

redefiniert: der Arzt ist nicht mehr "der Gott in Weiß" und der/die<br />

Patient/in nicht mehr das unmündige Werkstück, das keine Verantwortung für<br />

den eigenen Zustand trägt. Das verändert Anforderungen an Professionelle und<br />

Patient/innen: gefragt ist eine partnerschaftliche Beziehung mit erhöhter Eigenverantwortung<br />

von Patient/innen. Diese kann von ihnen aber nur wahrgenommen<br />

werden, wenn Professionelle Teile ihres Wissens und ihrer Gestaltungsmacht<br />

abgeben.<br />

Konsequenzen für Krankenhäuser:<br />

Veränderungen bei und für Mitarbeiter/innen und Patient/innen<br />

<strong>Empowerment</strong> von Patient/innen braucht<br />

empowerte Mitarbeiter/innen<br />

Kommunikationskompetenz als notwendige Voraussetzung für <strong>Empowerment</strong> von<br />

Patient/innen kann nicht einfach vorausgesetzt oder verordnet werden. Insbesondere<br />

in den Ausbildungsverläufen von Mediziner/innen ist Kommunikation kein<br />

Pflichtfach. Zudem sind die Arbeitsbedingungen im Krankenhausalltag geprägt<br />

von Zeitnot und hohem Druck im Erbringen technischer Leistungen.<br />

Am Anfang jedes <strong>Empowerment</strong>s von Patient/innen steht daher das <strong>Empowerment</strong><br />

von Mitarbeiter/innen im Krankenhaus - es muss Mitarbeiter/innen ermöglicht<br />

werden, besser mit ihren Patient/innen zu kommunizieren. Das erfordert<br />

zum einen die Schulung von Mitarbeiter/innen, zum anderen die Schaffung geeigneter<br />

Rahmenbedingungen auf struktureller Ebene und in der Prozessorganisation<br />

von Arbeitsabläufen.<br />

Bedingungen für <strong>Empowerment</strong> -<br />

Persönliche und situative Möglichkeits- und<br />

Motivationsfaktoren<br />

Erfolgreiches <strong>Empowerment</strong> verändert das Handeln und Verhalten von Patient/innen<br />

und Professionellen. Ansätze des <strong>Empowerment</strong>s müssen dabei immer<br />

mehrere Faktoren beachten, die Handeln und Verhalten beeinflussen. Diese sind<br />

1. Verhaltensfaktoren auf Personenebene: das sind die Fähigkeiten und das<br />

Wissen einer Person sowie die Motivation, dieses Wissen und diese Fähigkeiten<br />

zur Gesundung anzuwenden.<br />

2. Situative Faktoren: diese sind die vorhandene Infrastruktur, die bestimmtes<br />

Verhalten möglich macht und allgemeinere Werte bzw. Normen, die bestimmen,<br />

welches Verhalten belohnt und welches bestraft wird - was man tun<br />

"sollte".<br />

Zur Problemdiagnose und für eine erfolgreiche Planung von Maßnahmenbereichen<br />

kann ein Vier-Felder-Schema (Pelikan, Halbmayer 1999) verwendet werden,<br />

das diese Faktoren abbildet (vgl. Abbildung 1).<br />

Abbildung 1: Zusammenwirkende Bedingungen von Handeln/Verhalten<br />

Möglichkeitsfaktoren Motivationsfaktoren<br />

Person Persönliche Ressourcen und<br />

Fähigkeiten (Können)<br />

Persönliche Präferenzen und Werte (Wollen)<br />

Situation Situationsbezogene Infrastruktur Situationsbezogene Werte und Normen<br />

und Ressourcen (Sollen)<br />

11


Maßnahmen<br />

Im Projekt wurden von den teilnehmenden Partnerkrankenhäusern innerhalb des<br />

stationären Betreuungsprozesses insgesamt 6 verschiedene Maßnahmen gesetzt,<br />

die direkte Leistungen für Patient/innen beinhalten.<br />

Eine nicht direkt auf Patient/innen bezogene Maßnahme wurde am LKH - Univ.<br />

Klinikum Graz <strong>durch</strong>geführt. Hier wurde <strong>durch</strong> die Abteilung für Klinische Psychosomatik<br />

Kommunikationstraining und Coaching für Mitarbeiter/innen der Herzchirurgischen<br />

Station implementiert.<br />

Diese Grundmaßnahme für Mitarbeiter/innen erwies sich als wesentlicher Faktor<br />

für den Erfolg aller patient/innenbezogenen Maßnahmen.<br />

Abbildung 2: Maßnahmenübersicht<br />

LKH - Univ. Klinikum Graz A.ö. Krankenhaus der Otto Wagner Spital Wien<br />

Abteilung für Herzchirurgie, Halleiner KA-BetriebsgesmbH Chirurgische Abteilung<br />

Abteilung für Klinische Abteilung für für Pulmologie (Thoraxchirurgie)<br />

Psychosomatik Allgemeinchirurgie,<br />

Abteilung für Anästhesiologie<br />

Ärztliches Aufnahmegespräch Standardisierung / Präoperatives Patient/innen-<br />

Individualisierung der vorbereitungsgespräch <strong>durch</strong><br />

postoperativen Schmerztherapie Operateur/in<br />

Ärztliches Entlassungsgespräch<br />

Präoperative<br />

Atemphysiotherapie<br />

Entflechtung der Hauptvisite<br />

Kommunikationstraining für<br />

Mitarbeiter/innen<br />

MASSNAHMEN<br />

Abbildung 3 zeigt die patient/innenbezogenen Maßnahmen im Prozess der<br />

stationären Betreuung von chirurgischen Patient/innen.<br />

Abbildung 3: Erprobte Maßnahmen im Prozess der stationären Patient/innenbetreuung<br />

Nachfolgend werden die einzelnen Maßnahmen detaillierter dargestellt.<br />

12


Grundmaßnahme:<br />

Entwicklung von Kommunikationskompetenz<br />

bei Mitarbeiter/innen<br />

Ansprechperson: Univ.-Prof. Dr. Peter STIX<br />

LKH - Univ. Klinikum Graz<br />

Gemeinsame Einrichtung für Klinische Psychosomatik<br />

Tel: 0316/385/3039 od. 3040<br />

Email: peter.stix@kfunigraz.ac.at<br />

Erfolgreiche Kommunikation im Arzt/Ärztin-Patient/in-Gespräch<br />

Erfolgreiche Kommunikation im Arzt/Ärztin-Patient/in-Gespräch erfüllt vier Funktionen,<br />

die beachtet werden müssen: eine kommunikative, eine diagnostische,<br />

eine informative sowie eine beratende/therapeutische. Alle vier sollten gleichermaßen<br />

zum Tragen kommen.<br />

Die kommunikative Funktion<br />

bedeutet die Gestaltung einer tragfähigen Beziehung zwischen ärztlicher Betreuungsperson<br />

und Patient/in und ist Voraussetzung für das Gelingen aller anderen<br />

drei Funktionen (nachfolgend).<br />

Aufgaben des Arztes/der Ärztin: Herstellung eines partnerschaftlichen Arbeitsbündnisses,<br />

Herstellen eines Klimas, das es den Patient/innen erlaubt, sich mit<br />

dem Kranksein auseinander zu setzen, Atmosphäre schaffen, die der Verständigung<br />

und der Herstellung eines Einverständnisses zwischen Arzt/Ärztin und<br />

Patient/in dient.<br />

Die diagnostische Funktion<br />

Aufgaben des Arztes/der Ärztin: Erstellen der Diagnose (oft im Aufnahmegespräch<br />

wenig relevant, da Diagnose bei der Aufnahme bereits fest steht), auf<br />

Patient/innen bezogene Überprüfung, ob diese ihre Diagnose kennen, welches<br />

subjektive Bild und welche Bedeutung diese Diagnose für die Patient/innen hat<br />

(subjektives Krankheitsmodell).<br />

Aufgaben der Patient/innen: Artikulation ihrer subjektiven Vorstellungen von<br />

ihrer Krankheit und deren Bedeutung für ihr Leben.<br />

Die informative Funktion<br />

MASSNAHMEN | GRUNDMASSNAHME<br />

Aufgaben des Arztes/der Ärztin: Aufklärung der Patient/innen, Befunde, Diagnose,<br />

weitere diagnostische Schritte, Prognose, therapeutische Alternativen, Risiken<br />

und Wirkungsweisen des medizinischen Vorgehens.<br />

Aufgaben der Patient/innen: Behalt aller Informationen, die sie im Aufnahmegespräch<br />

als Fragen stellen, Nachfragen wenn etwas unverständlich oder für sie<br />

unvollständig ist.<br />

Die beratende und therapeutische Funktion<br />

Aufgaben des Arztes/der Ärztin: das Besprechen der zum Aufnahmezeitpunkt<br />

wichtigen therapeutischen Maßnahmen, wobei im Falle der Chirurgie die Therapie<br />

überwiegend die Operation ist, Beantwortung aller operationsbezogenen Sorgen,<br />

Ängste, Hoffnungen, die vom Patienten/von der Patientin artikuliert werden,<br />

Beratung bezüglich der Möglichkeiten der Patient/innen, aktiv an ihrer Gesundung<br />

mitzuarbeiten.<br />

Aufgaben der Patient/innen: Artikulation ihrer operationsbezogenen Sorgen,<br />

Ängste, Hoffnungen.<br />

13


MASSNAHMEN | GRUNDMASSNAHME<br />

Insgesamt sollen Patient/innen in den Gesprächen mit ihren Ärzt/innen<br />

alle für sie relevanten, oft mit Scheu und Scham belegten Fragen stellen<br />

können<br />

ihre Krankheit im Zusammenhang ihres Lebenskontextes erzählen und<br />

eventuell neu erkennen (Krankheitseinsicht)<br />

die Möglichkeiten ihrer aktiven Mitarbeit bei der Behandlung und im<br />

Heilungsprozess erkennen können<br />

sich ermuntert und unterstützt fühlen, diese auch wahrzunehmen.<br />

Voraussetzungen für erfolgreiche Kommunikation<br />

Geschultes und motiviertes Personal:<br />

Kommunikationskompetenz ist erlernbar<br />

Erfolgreiche Kommunikation kann nicht appelativ entwickelt werden: "Kommuniziere<br />

besser!" ist eine Aufforderung, der man nicht nachkommen kann, wenn<br />

man dabei nicht <strong>durch</strong> Ausbildung befähigt wird.<br />

Ohne entsprechende Ausbildung wird vom ärztlichen Personal verlangt, etwas zu<br />

tun, was es nie gelernt hat und wo Unsicherheiten groß sind. Unter solchen Bedingungen<br />

ist auch die Motivation, mit Patient/innen zu kommunizieren, niedrig.<br />

Kommunikationstrainings bauen notwendige Kompetenzen auf, die im Ausbildungsweg<br />

von Ärzt/innen nicht bzw. zu wenig berücksichtigt werden.<br />

Förderliche Rahmenbedingungen:<br />

Strukturentwicklung und Prozessorganisation sichert<br />

Arbeitsbedingungen<br />

Notwendige Rahmenbedingungen für erfolgreiche Kommunikation mit Patient/innen<br />

sind:<br />

1. Geeignete Räumlichkeiten: Gespräche sollten nicht am Bett und nicht unter<br />

Anwesenheit unerwünschter dritter Personen geführt werden müssen. Ist kein<br />

eigener Raum für Patient/innengespräche vorhanden, kann man Nutzungszeiten<br />

in Räumen des ärztlichen oder pflegerischen Personals vereinbaren. Wichtig<br />

im Gespräch ist ein partnerschaftliches Gesprächsklima (der eine schaut<br />

nicht auf den anderen hinunter).<br />

2. Fixe Zeiten im stationären Arbeitsablauf: Patient/innengespräche werden<br />

oft als "nebenbei" - neben der eigentlichen Arbeit - zu führen definiert. Das ist<br />

deshalb grundfalsch, weil Patient/innengespräche ein wichtiger Bestandteil der<br />

ärztlichen und pflegerischen Arbeit sind. Fix definierte Zeiten geben Struktur<br />

im Arbeitsablauf und ermöglichen Organisation von Raum und Personen. Fix<br />

definierte Zeiten erlauben es auch, im individuellen Fall eine andere Zeit festzulegen<br />

und auf individuelle Bedürfnisse organisiert einzugehen.<br />

3. Festgelegte Verantwortung und Inhalte: Diese Festlegungen ermöglichen<br />

Flexibilität im individuellen Verlauf der Patient/innengespräche: wenn geklärt<br />

ist, wer die Verantwortung für die Gesprächsführung hat, ist auch klar, mit<br />

wem man im Fall von Verhinderung eine Vertretung organisieren kann.<br />

Im Projekt "<strong>Koproduktion</strong> <strong>durch</strong> <strong>Empowerment</strong>" wurde am LKH - Univ. Klinikum<br />

Graz als Grundmaßnahme für die Durchführung der direkt patient/innenbezogenen<br />

Maßnahmen die Schulung von Mitarbeiter/innen eingesetzt.<br />

Die ausgezeichneten Evaluationsergebnisse zeigen die Wichtigkeit dieser Grundmaßnahme<br />

auf.<br />

14


Kurzbeschreibung der Maßnahme<br />

Der Aufbau von Kommunikationskompetenz bei Mitarbeiter/innen auf der Station<br />

erfolgt in drei Stufen:<br />

1. Zweistündige allgemeine theoretische Einführung zur ärztlichen Kommunikation<br />

für das ärztliche Personal<br />

2. Halb- bis einstündiges spezifisches Training bezüglich bestimmter Gesprächssituationen<br />

für betroffenes ärztliches Personal (Aufnahmegespräch, Visitegespräch,<br />

Entlassungsgespräch)<br />

3. Begleitung und Coaching in der aktuellen Gesprächsführung<br />

Welche Probleme können mit der Maßnahme bearbeitet werden?<br />

Mitarbeiter/innen haben keine ausreichende kommunikative Kompetenz<br />

Maßnahmenziele<br />

Auf Ergebnisebene<br />

Ärztliches und pflegerisches Personal hat kommunikative Kompetenzen, um<br />

patient/innenorientierte Gesprächsführung leisten zu können.<br />

Auf Prozess-/Strukturebene<br />

Jede/r Mitarbeiter/in der Station erhält zumindest eine Grundeinführung<br />

(Stufe 1 der Schulung). Die gesprächsführenden Mitarbeiter/innen erhalten<br />

mehrmals ein spezifisches Gesprächstraining, werden bei ihrer Arbeitsroutine<br />

<strong>durch</strong> Coachingeinheiten trainiert und haben Möglichkeit zur Reflexion und<br />

Festigung des Erlernten.<br />

Soll-Stand: erwünschte Routine - Good Practice<br />

Routineablauf im Detail<br />

MASSNAHMEN | GRUNDMASSNAHME<br />

Die Schulung zur ärztlichen Kommunikation im Rahmen des Projektes sah folgendermaßen<br />

aus:Zweistündige theoretische Einführung zur ärztlichen Kommunikation<br />

für alle Ärzte / Ärztinnen<br />

Schulung zur Maßnahme: Aufnahme- und Aufklärungsgespräch (vgl. Seite<br />

18 ff.)<br />

Lernen am Modell: Der Kommunikationslehrer führt mit jedem der drei Aufnahme<br />

machenden Ärzten ein Aufnahmegespräch, bei dem er den patient/innenzentrierten<br />

Teil selbst leitet. Vor dem Gespräch wird auf die wesentlichen<br />

Kommunikationstechniken hingewiesen, nach dem Gespräch erfolgt eine Reflexion<br />

zur Art der Gesprächsführung.<br />

Feedback bei klinischer Tätigkeit: Jeder der Aufnahme machenden Ärzte<br />

macht zwei bis drei Aufnahmen unter Beisein des Kommunikationslehrers mit<br />

nachfolgender Besprechung. Bei Bedarf erfolgt ein Einüben alternativer Kommunikationstechniken<br />

im Rollenspiel.<br />

Schulung zur Maßnahme: Entlassungsgespräch (vgl. Seite 41 ff.) sowie zur<br />

Maßnahme: Entflechtung der Visite (vgl. Seite 27 ff.)<br />

Feedback bei klinischer Tätigkeit: Nach einem kurzen Einleitungsgespräch<br />

führt jeder der Visiten machenden Ärzte zumindest 3 Visiten unter Anwesenheit<br />

des Kommunikationslehrers <strong>durch</strong>. Nach der Visite werden die beobachteten<br />

Verhaltensweisen besprochen, eventuelle Alternativen im Rollenspiel<br />

geübt. Jeder der Operateure, der Entlassungsgespräche zu führen hat, führt<br />

zumindest drei dieser Gespräche in Anwesenheit des Kommunikationslehrers<br />

<strong>durch</strong>. Die Vermittlung der Kommunikationstechniken erfolgt wie bei den<br />

Schulungen zu Visiten in Vor- und Nachbesprechungen.<br />

15


Routineablauf im Detail<br />

MASSNAHMEN | GRUNDMASSNAHME<br />

Zu vermittelnde Informationstechniken<br />

Da es die Rahmenbedingungen des Projektes nicht erlaubten komplexere Kommunikationstechniken<br />

zu vermitteln, erfolgte eine Beschränkung auf wesentliche<br />

Lehrziele. Grunderfordernis in der Kommunikationssituation ist das Schaffen einer<br />

gemeinsamen Wirklichkeit, das Schaffen einer gemeinsamen (Partial-)Realität<br />

zwischen Arzt/Ärztin und Patient/in. Um das Konzept des Patienten bzw. der<br />

Patientin kennenzulernen, bedient man sich kommunikationstechnischer Verfahren,<br />

die unter dem Begriff der "nicht-direktiven patient/innenzentrierten Kommunikation"<br />

zusammenzufassen sind - im Gegensatz zu einer direktiven arztzentrierten<br />

Kommunikation. Wesentliche Punkte sind:<br />

Warten anstatt der üblichen schnellen Übernahme der Gesprächsführung<br />

<strong>durch</strong> den Arzt bzw. die Ärztin.<br />

Aktives Zuhören: Dies soll die Patient/innen ermuntern, ihre Krankengeschichten<br />

in ihrer eigenen Art darzustellen, um ihnen die Möglichkeit zu geben<br />

ihre wichtigen Themen selbst zu definieren.<br />

Spiegeln von Themen und Gefühlen, d.h. implizite Themen sowie implizite<br />

Gefühle werden explizit gemacht.<br />

Zusammenfassen: Das wiederholte Zusammenfassen von Patient/innenäußerungen<br />

<strong>durch</strong> den Arzt oder die Ärztin dient dazu, eventuelle Fehlwahrnehmungen<br />

seitens des ärztlichen Personals zu vermeiden bzw. den<br />

Patient/innen rückzumelden, dass man ihre Sicht, ihr Konzept verstanden hat.<br />

Strukturieren: eine klare Strukturierung des Übermittelns von Informationen<br />

erhöht die Chancen, dass Patient/innen die übermittelten Informationen verstehen<br />

können.<br />

Notwendige Implementationsbedingungen<br />

Möglichkeitsfaktoren Motivationsfaktoren<br />

Person Ausreichende Bereitschaft/Motivation des<br />

kommunikative Kompetenz ärztlichen Personals,<br />

des ärztlichen Personals zur Kommunikationstechniken zu<br />

Teilnahme an Schulungen erlernen<br />

Situation Schulungsraum Expliziter Auftrag und laufende<br />

Kommunikations- Unterstützung <strong>durch</strong> die<br />

expert/innen vorgesetzten Ärzt/innen<br />

Arbeitszeit<br />

Implementationsschritte zur Einführung der Maßnahme<br />

Schritt Aufwand (Zeit, Personen)<br />

1 Entscheidung über Einführung der Maßnahme <strong>durch</strong> 1/2 Std. Abtl.Vorstand und<br />

Abteilungsvorstand; Beauftragung einer<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

2 Status Quo-Analyse über bisher hemmende/fehlende<br />

Bedingungen für die Einführung (Vier-Felder-Schema)<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

3 Suche und Auswahl von geeigneten<br />

Kommunikationsexpert/innen<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

4 Letztabstimmung mit Abteilungsleitung 1/2 Std. Abtl.Vorstand und<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

5 Informationsveranstaltung für alle Mitarbeiter/innen<br />

mit klarem Auftrag <strong>durch</strong> vorgesetzte Ärzt/innen<br />

1 Teamsitzung<br />

6 Schulung über Gesprächsführung für alle Ärzt/innen<br />

der Abteilung <strong>durch</strong> Kommunikationsexpert/innen<br />

2 Stunden je Gruppe<br />

7 Settingspezifische Schulungen situationsspezifisch<br />

16


Voraussetzungen zur Erhaltung der Maßnahme im Routinebetrieb<br />

Voraussetzung Aufwand<br />

Zeit/Verfügbarkeit des ärztliches Personals gesichert Muss in tägliche Arbeit<br />

integriert sein<br />

Nachschulung/Coaching des Personals in Nachschulung 1 Tag im<br />

Kommunikation (und Möglichkeit zur Reflexion) Halbjahr - ausführliche<br />

<strong>durch</strong> Kommunikationsexpert/innen Supervision<br />

flexible Begleitung aktueller<br />

Gesprächssituationen<br />

Einschulung neuer Mitarbeiter/innen Grundschulung<br />

Kosten<br />

Honorare für Kommunikationsexpert/innen - ca. 800 bis 1000 Euro pro Tag<br />

Arbeitszeit der Ärzt/innen für Schulung<br />

Nutzen<br />

MASSNAHMEN | GRUNDMASSNAHME<br />

Gut ausgebildete Mitarbeiter/innen<br />

Motivierte Mitarbeiter/innen, die besser mit schwierigen Aufgaben umgehen<br />

können<br />

Evaluationsdaten in klinischen Ergebnissen: Es zeigen sich insgesamt Verbesserungen<br />

der postoperativen Gesundungsprozesse (Trummer, Nowak et al.<br />

2001).<br />

Evaluationsdaten Patient/innenzufriedenheit: Es zeigen sich insgesamt Verbesserungen<br />

bei der Patient/innenzufriedenheit (Trummer, Nowak et al. 2001).<br />

Was würden Sie Akteur/innen raten, die diese Maßnahme in Angriff<br />

nehmen möchten?<br />

Der/die Kommunikationsexperte/in sollte aus dem Medizinbetrieb kommen bzw.<br />

den Krankenhausbetrieb mit seinen spezifischen Belastungen kennen.<br />

Eine Kombination von theoretischer Schulung und einem Coaching bei aktuellen<br />

Gesprächen ist wichtig - eine theoretische Schulung allein ist nicht ausreichend.<br />

Eine Kombination aus Stationsarzt/-ärztin als fixe/r Ansprechpartner/in für Patient/innen<br />

auf der Station und geschultem ärztlichen Personal, das flexibel eingesetzt<br />

werden kann, sichert Kontinuität.<br />

17


MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 1<br />

Patient/innenbezogene Maßnahme 1:<br />

Aufnahme- und Aufklärungsgespräch vor dem<br />

Hintergrund eines bio-psycho-sozialen<br />

Krankheitsmodells <strong>durch</strong> eine Stationsärztin<br />

Ansprechperson: Dr. Rosina HETTERLE<br />

LKH - Univ. Klinikum Graz<br />

Klinische Abteilung für Herzchirurgie<br />

Tel: 0316/385 - 2703<br />

Email: rosina.hetterle@klinikum-graz.at<br />

Kurzbeschreibung der Maßnahme<br />

Ziel der Maßnahme ist eine prospektive Vorbereitung der Patient/innen auf den<br />

Verlauf ihres Aufenthalts und die Erstellung einer "psychosomatischen Gesamtdiagnose<br />

und Gesamttherapie".<br />

In der beschriebenen Maßnahme wird dieses Gespräch <strong>durch</strong> eine Stationsärztin<br />

geleistet. Steht diese Personalstelle nicht zur Verfügung, sollte die Gewährleistung<br />

des ärztlichen Aufnahmegesprächs <strong>durch</strong> der Station zugeteilte Ärzt/innen<br />

erfolgen.<br />

Am Aufnahmetag haben alle Patient/innen ein ausführliches ärztliches Aufnahmegespräch.<br />

Dieses besteht aus zwei Teilen.<br />

Ein patient/innenzentrierter Teil: Die Patient/innen bekommen hierbei die<br />

Möglichkeit, alle für sie relevanten, oft mit Scheu und Scham belegten Fragen<br />

stellen zu können. Sie können die Krankheit im Zusammenhang ihres Lebenskontextes<br />

erzählen und ev. neu erkennen. Sie erfahren ein stützendes, partnerschaftliches<br />

Gespräch, in dem sie frei Fragen stellen können, in dem sie ermuntert<br />

werden, dies auch während des Aufenthaltes zu tun. Bei vorhandener Motivation<br />

werden auch Möglichkeiten einer aktiven Mitgestaltung des Heilungsprozesses<br />

besprochen.<br />

Ein arztzentrierter Teil: Hier gibt der/die gesprächsführende Arzt/Ärztin Informationen<br />

zur ärztlichen Behandlung weiter.<br />

Die Einholung der Einverständniserklärung zur Behandlung bzw. Operation ist<br />

nicht Teil dieses Gesprächs, sondern erfolgt im ärztlichen Gespräch mit dem<br />

behandelnden Arzt oder der Ärztin.<br />

Beim ärztlichen Gespräch sollen alle vier Funktionen einer erfolgreichen Arzt/<br />

Ärztin-Patient/in-Kommunikation (vgl. Grundmaßnahme) zum Tragen kommen.<br />

Die Implementierung dieses Aufnahme- und Aufklärungsgesprächs vor dem<br />

Hintergrund eines bio-psycho-sozialen Krankheitsmodells setzt besondere Fähigkeiten<br />

der Arzt/Ärztin-Patient/innenkommunikation voraus. Um diese zu lernen<br />

bzw. zu entwickeln müssen die Ärzt/innen entsprechend angeleitet/geschult<br />

werden (vgl. Grundmaßnahme).<br />

Welche Probleme können mit der Maßnahme bearbeitet werden?<br />

Patient/innen haben (abseits der Anamnese) kein inhaltliches ärztliches Aufnahmegespräch<br />

Patient/innen werden nicht in ihrer Ganzheit (bio-psycho-sozial) wahrgenommen<br />

und therapiert<br />

Patient/innen haben wenig Möglichkeiten, für sie relevante Fragen zu stellen<br />

Patient/innen haben wenig Wissen darüber, was sie aktiv tun können, um eine<br />

erfolgreiche Behandlung zu erreichen (Patient/in als Koproduzent/in)<br />

18


Maßnahmenziele<br />

MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 1<br />

Auf Ergebnisebene<br />

Patient/innen fühlen sich gestützt und angenommen, alle für sie wichtigen<br />

Fragen sind besprochen.<br />

Patient/innen werden zu einer partnerschaftlichen Patient/innenrolle ermuntert.<br />

Patient/innen wissen über Krankheit, Behandlung und stationären Aufenthalt<br />

Bescheid.<br />

Patient/innen agieren in der Phase des stationären Aufenthalts als KoproduzentInnen<br />

ihrer Gesundheit.<br />

Patient/innen haben weniger Nachfragen an die Mitarbeiter/innen.<br />

Patient/innen sind, weil gut informiert, weniger ängstlich und insgesamt<br />

ruhiger.<br />

Auf Prozess-/Strukturebene<br />

Jede/r Patient/in führt diese Form des ärztlichen Aufnahme- und Aufklärungsgesprächs.<br />

Zeit/Verfügbarkeit von ärztlichem Personal ist gesichert.<br />

Soll-Stand: erwünschte Routine - Good Practice<br />

Routineablauf im Detail<br />

Am ersten Tag des stationären Aufenthalts erfolgt im Untersuchungszimmer das<br />

ärztliche Aufnahme- und Aufklärungsgespräch. Teilweise erfolgt das Gespräch<br />

gleich in Kombination mit dem pflegerischen, also als interdisziplinäres Aufnahmegespräch.<br />

Wenn dieses Gespräch - vor allem aus zeitlich-organisatorischen<br />

Gründen - gemeinsam nicht möglich ist, erfolgt die Pflegeanamnese (inklusive<br />

Informationen zum Stationsalltag und kurze Stationsführung) getrennt. Nach<br />

Möglichkeit sollte eine Trennung des technisch administrativen Teils der Aufnahme<br />

vom inhaltlichen bio-psycho-sozialen Teil erfolgen (andere gesprächsführende<br />

Person z.B. Sekretariat oder zumindest im Gespräch klar getrennt).<br />

Hauptinhalte des Gesprächs sind:<br />

eine psychosoziale Anamnese<br />

eine Orientierung über den Behandlungsablauf<br />

Das Gespräch wird eingeleitet <strong>durch</strong> die Vorstellung der gesprächsführenden<br />

Ärztin. Dann erfolgt eine Besprechung, warum die Patient/innen auf die Station<br />

kommen, was sie wissen, was sie bedrückt, was sie erwartet, wie der Ablauf ihres<br />

Aufenthaltes sein wird. Die Ärztin beantwortet Fragen.<br />

Zentral ist, dass die Patient/innen zu Wort kommen und ihre Fragen stellen<br />

können. Es sollen nicht von ärztlicher Seite bestimmte Themen abgefragt werden,<br />

sondern Patient/innen werden ermuntern ihre für sie wichtigen Fragen zu<br />

stellen. Inhaltliche Fragen, die die gesprächsführende Ärztin nicht beantworten<br />

kann, werden je nach Fragestellung auf andere Kommunikationsmöglichkeiten<br />

verwiesen, z.B. auf Visiten zur Besprechung von Fragen mit den Chirurg/innen.<br />

Eine Weitergabe dieser Fragen von der gesprächsführenden Ärztin erfolgt im<br />

Rahmen der Visite.<br />

Informationen zum Tagesablauf und eine kurze Stationsführung erfolgen meist<br />

erst am Abend <strong>durch</strong> die Pflege (in einer Kleingruppe der "Neulinge des Tages").<br />

Auf der Fieberkurve erfolgt eine kurze schriftliche Dokumentation jener psychosozialen<br />

Aspekte, die für das biologische Krankheitsgeschehen des Patienten bzw.<br />

der Patientin relevant sind.<br />

19


MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 1<br />

Routineablauf im Detail<br />

Eine mündliche Weitergabe/Besprechung von Erkenntnissen aus dem Aufnahmegespräch<br />

erfolgt im Rahmen der täglich stattfindenden "Hauptvisite". Dazu<br />

gehören Informationen wie:<br />

besonders ausgeprägte Angst vor dem Eingriff<br />

das Nicht-Verstehen-Können der eigenen Krankheit<br />

das Nicht-Abschätzen-Können des operativen Risikos<br />

die Notwendigkeit zu besonderer Aufklärung<br />

die Notwendigkeit zur Klärung, warum Ablaufprozeduren suboptimal waren<br />

spezifische inhaltliche Fragen des Patienten / der Patientin<br />

Notwendige Implementationsbedingungen<br />

Möglichkeitsfaktoren Motivationsfaktoren<br />

Person Ausreichende Gesprächsbereitschaft der<br />

inhaltliche Kompetenz der<br />

gesprächsführenden Ärztin<br />

Ausreichende<br />

kommunikative Kompetenz<br />

der gesprächsführenden<br />

Ärztin<br />

gesprächsführenden Ärztin<br />

Situation Gesprächsraum Expliziter Auftrag und laufende<br />

Definierter Zeitpunkt/-raum Unterstützung <strong>durch</strong> die<br />

im Stationsablauf vorgesetzten Ärzt/innen<br />

Arbeitszeit<br />

Definierter Ablauf zur<br />

Weitergabe der gesammelten<br />

Informationen an die<br />

behandelnden Ärzt/innen<br />

Implementationsschritte zur Einführung der Maßnahme<br />

Schritt Aufwand (Zeit, Personen)<br />

1 Entscheidung über Einführung der Maßnahme <strong>durch</strong> 1/2 Std. Abtl.Vorstand und<br />

Abteilungsvorstand; Beauftragung einer<br />

Vorbereitungsgruppe (stationsführ. OA, Stationsschwester,<br />

gesprächsführende/r Arzt/Ärztin, z.B. Stationsarzt/-ärztin<br />

oder Arzt bzw. Ärztin in Ausbildung)<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

2 Status Quo-Analyse über bisher hemmende/fehlende<br />

Bedingungen für die Einführung (Vier-Felder-Schema)<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

3 Abteilungs-/fachspezifische Adaptierung des Standardablaufes<br />

und ev. Erstellung einer groben Checkliste<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

4 Definition von geeignetem Dienstplan, Stationsablauf<br />

und Gesprächsort<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

5 Suche und Auswahl von geeigneten<br />

Kommunikationsexpert/innen<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

6 Letztabstimmung mit Abteilungsleitung 1/2 Std. Abtl.Vorstand und<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

7 Informationsveranstaltung für alle Mitarbeiter/innen mit<br />

klarem Auftrag <strong>durch</strong> vorgesetzte Ärzt/innen<br />

1 Teamsitzung<br />

8 Allgemeine Schulung über Gesprächsführung für das 2 Stunden je Gruppe<br />

gesamte ärztliche Personal der Abteilung <strong>durch</strong> (alle Ärzt/innen der Station)<br />

Kommunikationsexpert/innen / 2 mal<br />

20


Schritt Aufwand (Zeit, Personen)<br />

9 Start der routinemäßigen Durchführung mittels 30 min Gespräch und<br />

"learning by doing": Umsetzungsbegleitung <strong>durch</strong> 15 bis 30 min Vor- und<br />

Kommunikationsexpert/innen beim Aufnahmegespräch<br />

inkl. Vorgespräch, Nachbesprechung<br />

(vorerst für 3 Aufnahmeärzte/innen)<br />

Nachbesprechung<br />

10 Teilweise Einzelbegleitung <strong>durch</strong> Expert/innen<br />

Voraussetzungen zur Erhaltung der Maßnahme im Routinebetrieb<br />

Voraussetzung Aufwand<br />

Zeit/Verfügbarkeit des ärztlichen Personals gesichert Muss in tägliche Arbeit<br />

integriert sein<br />

Für 28-Betten-Station<br />

ein/e Stationsarzt/-ärztin<br />

und unterstützende/r<br />

Assistenzarzt/-ärztin<br />

Nachschulung/Coaching des Personals in Kommunikation Nachschulung pro Jahr -<br />

(und Möglichkeit zur Reflexion) <strong>durch</strong> möglichst 1 Tag im<br />

Kommunikationsexpert/innen Halbjahr; tlw. begleitendes<br />

Coaching und<br />

Unterstützung<br />

Einschulung neuer Mitarbeiter/innen Grundschulung<br />

Kosten<br />

Honorare für Kommunikationsexpert/innen - ca. 800 bis 1000 Euro pro Tag<br />

Arbeitszeit der Ärzt/innen für Schulung<br />

Nutzen<br />

MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 1<br />

Keine Mehr-Arbeitszeit im Routinebetrieb<br />

Entlastung des Stationspersonals <strong>durch</strong> kooperativere Patient/innen<br />

Vermittlung von gesundheitsbezogenem Wissen ("health literacy"):<br />

91,3% der Patient/innen gaben an, nach dem Gespräch besser zu wissen, was<br />

mit ihnen passieren wird.<br />

60,9% meinen, sich <strong>durch</strong> das Gespräch besser auf die Operation vorbereiten<br />

zu können.<br />

73,4% glauben <strong>durch</strong> das Gespräch bessere Möglichkeiten zum Umgang mit<br />

den unmittelbaren OP-Folgen zu haben.<br />

Evaluationsdaten in klinischen Ergebnissen: Es zeigen sich insgesamt<br />

Verbesserungen der postoperativen Gesundungsprozesse (Trummer, Nowak et<br />

al. 2001).<br />

Evaluationsdaten Patient/innenzufriedenheit: Es zeigen sich insgesamt<br />

Verbesserungen bei der Patient/innenzufriedenheit (Trummer, Nowak et al.<br />

2001).<br />

Was würden Sie Akteur/innen raten, die diese Maßnahme in Angriff<br />

nehmen möchten?<br />

Schulung <strong>durch</strong> eine/n Experten/in auf dem Gebiet der Patient/innenkommunikation<br />

ist wichtig. Diese/r Experte/in sollte Kenntnis über den klinischen Betrieb<br />

und Stationsalltag mitbringen, um auch die spezifischen Belastungen zu kennen,<br />

denen das ärztliche und pflegerische Personal ausgesetzt ist.<br />

Die kontinuierliche Führung von Aufnahmegesprächen kann vor allem <strong>durch</strong><br />

eine/n speziell geschulte/n Stationsarzt/ärztin geleistet werden, der oder die den<br />

21


MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 1<br />

Großteil der Aufnahmegespräche absolvieren kann. Unterstützt werden sollte<br />

er/sie <strong>durch</strong> eine/n Assistenz- oder Turnusarzt/ärztin.<br />

Beim ärztlichen Aufnahmegespräch ist es für Patient/innen noch nicht im selben<br />

Ausmaß von Relevanz, mit ihrem behandelnden Arzt bzw. ihrer behandelnden<br />

Ärztin zu sprechen als in anderen Gesprächssituationen (Visite, ärztliche Aufklärung<br />

über Operation, Entlassungsgespräch). Deshalb ist der Einsatz eines/<br />

einer Stationsarztes/-ärztin hier besonders zu empfehlen.<br />

22


Patient/innenbezogene Maßnahme 2:<br />

Präoperatives Patient/innenaufklärungsgespräch<br />

<strong>durch</strong> Operateur/in<br />

Ansprechperson: OA Dr. Herwig HAUCK<br />

SMZ Baumgartner Höhe -<br />

Otto Wagner Spital mit Pflegezentrum<br />

Chirurgie<br />

Tel: 91060-44 008<br />

Email: herwig.hauck@wienkav.at<br />

Kurzbeschreibung der Maßnahme<br />

Alle Patient/innen sollen präoperativ ein ausführliches ärztliches Aufklärungsgespräch<br />

mit ihrem Operateur bzw. ihrer Operateurin führen können. Wesentlich<br />

ist, dass nicht irgend ein Angehöriger des ärztlichen Personals sondern der/die<br />

Operateur/in selbst ein - in gewisser Weise standardisiertes, <strong>durch</strong> eine Checkliste<br />

unterstütztes - Gespräch führt.<br />

Die Patient/innen erhalten alle für sie relevanten Informationen zur Erkrankung<br />

und Operation und zur präoperativen Vorbereitung und werden vor allem auch<br />

über die postoperativen Schmerzen und deren Behandlung, den zu erwartenden<br />

Genesungsverlauf und Möglichkeiten der postoperativen Mitarbeit zur Unterstützung<br />

der Gesundung in für sie verständlicher Weise informiert. Zudem soll auch<br />

genügend Raum sein, individuelle Fragen oder Ängste der Patient/innen zu besprechen<br />

sowie eine Vertrauensbasis mit den Patient/innen zu entwickeln. Neben<br />

der Checkliste empfiehlt sich ein unterstützendes Kommunikationstraining für<br />

patient/innenorientierte Gesprächsführung für die Chirurg/innen der Abteilung<br />

(vgl. Grundmaßnahme).<br />

Welche Probleme können mit der Maßnahme bearbeitet werden?<br />

Patient/innen wissen wenig über ihre Erkrankung<br />

Patient/innen kennen ihre/n Operateur/in nicht<br />

Patient/innen wissen wenig über die präoperative Vorbereitung und die Möglichkeiten<br />

der Mitarbeit dabei<br />

Patient/innen wissen wenig über den postoperativen Verlauf und die Möglichkeiten<br />

der Mitarbeit beim Gesundungsprozess<br />

Patient/innen wissen wenig über die Leistungsfähigkeit/ Einschränkung nach<br />

der Operation<br />

Maßnahmenziele<br />

MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 2<br />

Auf Ergebnisebene<br />

Patient/innen entwickeln Vertrauen zum/zu der Operateur/in.<br />

Patient/innen haben die für sie wichtigen Fragen besprochen.<br />

Patient/innen wurden zu einer partnerschaftlichen Patient/innenrolle ermuntert.<br />

Patient/innen fühlen sich gestützt und angenommen.<br />

Patient/innen haben gesundheitsrelevantes Wissen bezüglich der OP-Vorbereitung<br />

sowie OP-Nachversorgung, insbesondere über Möglichkeiten ihrer aktiven<br />

Mitarbeit.<br />

Patient/innen haben postoperativ weniger Komplikationen, der Krankenhausaufenthalt<br />

kann verkürzt werden, Kosten können reduziert werden.<br />

Mitarbeiter/innen sind besser motiviert <strong>durch</strong> besseren Heilungserfolg der<br />

Patient/innen bzw. <strong>durch</strong> bessere Prozessergebnisse.<br />

23


MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 2<br />

Auf Prozess-/Strukturebene<br />

Jede/r Patient/in führt diese Form des ärztlichen Aufklärungsgesprächs.<br />

Zeit/Verfügbarkeit der Chirurg/innen ist gesichert.<br />

Soll-Stand: erwünschte Routine - Good Practice<br />

Routineablauf im Detail<br />

Anhand des OP-Programms kann Operateur/in den Termin für das Aufklärungsgespräch<br />

zeitgerecht festsetzen.<br />

Im Rahmen des stationären Aufenthalts erfolgt präoperativ das Aufklärungsgespräch<br />

<strong>durch</strong> den/die Operateur/in im Patient/innenzimmer spätestens einen Tag<br />

vor der Operation.<br />

Grundsetting: Ein ruhiges Gespräch zwischen Operateur/in und Patient/in in einem<br />

ruhigen Zimmer (ohne Beisein anderer Patient/innen)<br />

Gesprächsinhalte: Primäres Ziel dieser Maßnahme ist nicht die rechtliche<br />

Absicherung, sondern ein klares Verständnis der Patient/innen über die bevorstehende<br />

Operation und ihre Möglichkeiten der Mitarbeit. Das Gespräch sollte über<br />

das gesetzliche Aufklärungsgespräch hinausgehen und wird laut der erarbeiteten<br />

Checkliste geführt. Mögliche Probleme oder therapeutische Hindernisse sollen<br />

von den Chirurg/innen angesprochen werden ebenso wie die Möglichkeiten der<br />

Mitarbeit der Patient/innen, diese zu minimieren.<br />

Patient/innen werden ermuntert Fragen zu stellen und sich aktiv einzubringen.<br />

Die Dokumentation des Gesprächs erfolgt mit der Unterschrift des Patienten/der<br />

Patientin am gesetzlichen Aufklärungsblatt oder <strong>durch</strong> den diensthabenden Oberarzt<br />

mit Diktat bei der Nachmittagsvisite am Tag vor der Operation.<br />

Notwendige Implementationsbedingungen<br />

Möglichkeitsfaktoren Motivationsfaktoren<br />

Person Ausreichende inhaltliche Gesprächsbereitschaft der<br />

Kompetenz der gesprächs- gesprächsführenden<br />

führenden Chirurg/innen<br />

(vgl. Checkliste)<br />

Ausreichende<br />

kommunikative Kompetenz<br />

der gesprächsführenden<br />

Chirurg/innen<br />

Chirurg/innen<br />

Situation Gesprächsraum Expliziter Auftrag und laufende<br />

Definierter Zeitpunkt/-raum Unterstützung <strong>durch</strong> die<br />

im Stationsablauf vorgesetzten Ärzt/innen<br />

Arbeitszeit<br />

Checkliste<br />

Implementationsschritte zur Einführung der Maßnahme<br />

Schritt Aufwand (Zeit, Personen)<br />

1 Entscheidung über Einführung der Maßnahme <strong>durch</strong> 1/2 Std. Abtl.Leitung und<br />

ärztliche Abteilungsleitung; Beauftragung einer<br />

Vorbereitungsgruppe (stationsführender Oberarzt,<br />

zweiter Chirurg); klarer Auftrag/Willen<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

2 Status Quo-Analyse über bisher hemmende/fehlende<br />

Bedingungen für die Einführung (Vier-Felder-Schema)<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

24


Schritt Aufwand (Zeit, Personen)<br />

3 Abteilungs-/fachspezifische Adaptierung des<br />

Standardablaufes (rechtzeitige OP-Planung, Zeit für das<br />

Gespräch) und der Checkliste für die Gesprächsführung<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

4 Definition von geeigneten Gesprächsorten<br />

auf der Abteilung<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

5 Suche und Auswahl von geeigneten<br />

Kommunikationsexpert/innen<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

6 Letztabstimmung mit Abteilungsleitung 1/2 Std. Abtl.Vorstand und<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

7 Informationsveranstaltung für alle Mitarbeiter/innen 1 Teamsitzung 1 Stunde<br />

in der Abteilungsbesprechung mit klarem Auftrag Abtl.Leitung und<br />

<strong>durch</strong> vorgesetzte Ärzt/innen Vorbereitungsgruppe und<br />

alle Chirurg/innen der<br />

Abteilung<br />

8 Schulung über Gesprächsführung für alle Ärzt/innen der<br />

Abteilung <strong>durch</strong> Kommunikationsexpert/innen<br />

2 Stunden / zweimal<br />

9 Routinemäßige Durchführung 30 min/Patient/in - alle<br />

Chirurg/innen der Abteilung<br />

10 Teilweise Einzelbegleitung bzw. Coaching<br />

<strong>durch</strong> Expert/innen<br />

Voraussetzungen zur Erhaltung der Maßnahme im Routinebetrieb<br />

Voraussetzung Aufwand<br />

Entscheidung der Abteilungsleitung Willensäußerung<br />

Überzeugung der Sinnhaftigkeit und Motivation<br />

der Chirurg/innen<br />

Führungsqualität<br />

Integration in den Abteilungsstandard täglich 30 Minuten<br />

Personal und Zeitressource (Abgeltung von Überstunden) kostendeckend<br />

Kosten<br />

Honorare für Kommunikationsexpert/innen - ca. 800 bis 1000 Euro pro Tag<br />

Arbeitszeit der Ärzt/innen für Schulung<br />

Nutzen<br />

MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 2<br />

Keine Mehr-Arbeitszeit im Routinebetrieb<br />

Entlastung des Stationspersonals <strong>durch</strong> kooperativere Patient/innen<br />

Vermittlung von gesundheitsbezogenem Wissen ("health literacy"):<br />

76,5 % der Patient/innen glauben <strong>durch</strong> das Gespräch besser zu wissen, was<br />

mit ihnen passieren wird.<br />

42,4% glauben sich da<strong>durch</strong> besser auf die Operation vorbereiten zu können.<br />

61,3% geben an, da<strong>durch</strong> besser mit den Operationsfolgen umgehen zu<br />

können<br />

57,6% geben an besser zu wissen, was sie tun können, um nach der Entlassung<br />

schneller gesund zu werden.<br />

Evaluationsdaten in klinischen Ergebnissen: Es zeigen sich insgesamt<br />

Verbesserungen der postoperativen Gesundungsprozesse (Trummer, Nowak et<br />

al. 2001).<br />

Evaluationsdaten Patient/innenzufriedenheit: Es zeigen sich insgesamt<br />

Verbesserungen bei der Patient/innenzufriedenheit (Trummer, Nowak et al.<br />

2001).<br />

25


MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 2<br />

Was würden Sie Akteur/innen raten, die diese Maßnahme in Angriff<br />

nehmen möchten?<br />

Die Abteilungsleitung muss hinter der Maßnahme stehen, mit einer rechtzeitigen<br />

OP-Planung die Grundlagen legen, die Maßnahme (z.B. das präoperative Gespräch<br />

Operateur/in- Patient/in) auch einfordern und die Personal- und Zeitressourcen<br />

(z.B. Überstunden) zur Verfügung stellen.<br />

Damit das Gespräch termingerecht und nicht unter Zeitdruck <strong>durch</strong>geführt werden<br />

kann, ist eine rechtzeitige Erstellung des OP-Programmes Voraussetzung.<br />

Die Mitarbeiter/innen müssen von der Sinnhaftigkeit der Maßnahme überzeugt<br />

sein und diese auch selbst wollen, d.h. eine gute inhaltliche Besprechung der<br />

Ziele und Rahmenbedingungen und ein entsprechendes Kommunikationstraining<br />

sowie die klare Prioritätensetzung der ärztlichen Abteilungsleitung auf ein<br />

patient/innenorientiertes Aufklärungsgespräch sind wichtige Voraussetzungen.<br />

Ein Kommunikationstraining mit professioneller Unterstützung erleichtert die<br />

Durchführung und erhöht den Erfolg.<br />

Schriftliche Dokumente zur Maßnahme<br />

Checkliste Standardisiertes Präoperatives Aufklärungsgespräch - Otto Wagner Spital Wien<br />

Hausinschrift vom Rathaus Hallein:<br />

Was hier geschieht,<br />

Jeden geht's an,<br />

gemeinsam helfe mit daran!<br />

Checkliste:<br />

für ein standardisiertes präoperatives Aufklärungsgespräch <strong>durch</strong> den Chirurgen des<br />

OWS (im Patienten-Zimmer, möglichst ohne Mitpatient/innen, am Tag vor der<br />

Operation)<br />

INFORMATION über:<br />

1. Diagnose<br />

2. Operationsindikation<br />

3. Operateur<br />

4. Operationszeitpunkt<br />

5. Operationstechnik: ev. Resektionsausmaß, ev. Rippenresektion,<br />

ev. Intensivaufenthalt, ev. ZVK, ev. Bluttransfusion<br />

6. Schmerztherapie, ev. Schmerzkatheter, Schmerzen äußern, Bedeutung für Verlauf<br />

und Komplikationen<br />

7. Komplikationen: Nachblutung, Pneumonie, Wundinfektion, Empyem,<br />

Rekurrensparese li<br />

8. Atemtherapie, Notwendigkeit der Mitarbeit und Mobilisation<br />

9. Postoperativer Verlauf mit Bülaudrainage und routinemäßiger Aufenthaltsdauer<br />

10. Histologiebefund in ca. 1 Woche, dann Entscheidung über weitere Therapie<br />

11. Lebensqualität nach der Operation<br />

12. Erfolgsaussichten<br />

Geben Sie dem Patienten ausführlich die Möglichkeit, eigene Fragen zu stellen!<br />

26


MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 3<br />

Patient/innenbezogene Maßnahme 3:<br />

Entflechtung der Hauptvisite (Nachmittagsvisite)<br />

Ansprechperson: Univ.-Prof. Dr. Heinrich MÄCHLER<br />

LKH - Univ. Klinikum Graz<br />

Klinische Abteilung für Herzchirurgie<br />

Tel: 0316/385-81189<br />

Email: heinrich.maechler@kfunigraz.ac.at<br />

Kurzbeschreibung der Maßnahme<br />

Seit den 70er-Jahren wurden Visitenmodelle (Köhle, Raspe 1982) erprobt, in<br />

denen teaminterne Kommunikation von Kommunikation mit den Patient/innen<br />

zeitlich und räumlich möglichst getrennt sind. Die negativen Effekte von Kommunikation<br />

innerhalb des Betreuungsteams über den/die Patient/in in Anwesenheit<br />

des/der Patient/in sind vielfach beschrieben: Missverständnisse, Passivierung als<br />

Kommunikationspartner, Desorientierung, verminderte Aufmerksamkeit des<br />

Personals auf Patient/innenfragen etc.<br />

Die Hauptvisite am Nachmittag (in der Chirurgie, kann in anderen Stationen auch<br />

vormittags sein) wird geteilt <strong>durch</strong>geführt. Zunächst wird um 14.00 Uhr im<br />

Untersuchungszimmer jede/r Patient/in einschließlich bildgebender Verfahren<br />

besprochen. Es werden Medikationsänderungen/notwendige Diagnosemittel<br />

sowie weitere Therapiepläne individuell erläutert und dokumentiert.<br />

Anwesend sind die beihilfeleistenden Ärzt/innen, die Stationsärztin und das<br />

Pflegepersonal, sowie der die Visite leitende stationsführende Oberarzt. Danach<br />

werden die Patient/innen visitiert, wobei bei diesen Gesprächen der Schwerpunkt<br />

auf der Besprechung von Vorstellungen, Fragen, Beschwerden und Wünschen der<br />

Patient/innen liegt. Unklarheiten im Team sollen vor den Patient/innen jedenfalls<br />

nicht diskutiert werden.<br />

Die Patient/innen werden so stärker in den Mittelpunkt der eigentlichen Visite<br />

gerückt. Es soll am Bett nicht über die Patient/innen, sondern mit ihnen gesprochen<br />

werden. Der Patient bzw. die Patientin soll zu Fragen animiert werden, Zeit<br />

haben, individuelle Wünsche oder Anregungen zu äußern und sich am eigenen<br />

Gesundungsprozess <strong>durch</strong> an ihn/sie weitergegebene Informationen aktiv beteiligen.<br />

Die Implementierung dieser Form der Visite setzt jedoch gewisse Fähigkeiten der<br />

Arzt/Ärztin-Patient/innenkommunikation (insbesondere beim visiteführenden<br />

ärztlichen Personal) voraus, denn es ist wichtig zu wissen, wie man auf den/die<br />

individuelle/n Patient/in eingeht und sich nicht von Tag zu Tag mit den selben<br />

Fragen wiederholt. Um diese Kommunikationsfähigkeiten zu erlernen bzw. zu<br />

entwickeln muss entsprechend angeleitet/geschult werden (vgl. Grundmaßnahme).<br />

Welche Probleme können mit der Maßnahme bearbeitet werden?<br />

Es wird bei der Visite nicht mit den Patient/innen, sondern über sie gesprochen<br />

Patient/innen können ihre Vorstellungen, Fragen, Beschwerden und Wünsche<br />

nicht einbringen (mögliche Fehlerquellen <strong>durch</strong> Missverständnisse können entstehen)<br />

Patient/innen werden verunsichert, da sie nicht wissen, ob über sie gesprochen<br />

wird oder worüber die Ärzt/innen und Pflegepersonen miteinander reden<br />

Unklarheiten im Team - vor den Patient/innen besprochen - verunsichern die<br />

Patient/innen<br />

27


Maßnahmenziele<br />

MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 3<br />

Auf Ergebnisebene<br />

Patient/innen können alle aktuell für sie relevanten Fragen ansprechen.<br />

Patient/innen sind über den jeweils aktuellen Stand ihrer Diagnose und<br />

Therapie gut informiert.<br />

Konfliktfreier interdisziplinärer Umgang vor den Patient/innen.<br />

Auf Prozess-/Strukturebene<br />

Visite wird laufend entflechtet <strong>durch</strong>geführt.<br />

Zeit/Verfügbarkeit von ärztlichem und pflegerischem Personal ist gesichert.<br />

Keine zeitlichen Verschiebungen bezüglich des Beginns der Visite (entscheidend<br />

für Durchführung).<br />

Soll-Stand: erwünschte Routine - Good Practice<br />

Routineablauf im Detail<br />

Interprofessionelle Visite ohne Patient/innen - "Kurvenvisite"<br />

Im Untersuchungszimmer werden im gesamten interdisziplinären Team (ärztliches<br />

und pflegerisches Personal) pünktlich um 14:00 Uhr in einem eigenen<br />

Raum alle Patient/innen besprochen (Diagnoseplanung, Therapie, Medikation<br />

etc.) und dokumentiert.<br />

Teilaufgaben - medizinisch und pflegerisch - werden delegiert (z.B. das<br />

Einholen eines ausständigen Befundes).<br />

Es erfolgt eine Abstimmung des ärztlichen Teams sowie ein Gespräch der<br />

Ärzt/innen mit dem zuständigen Pflegepersonal über sämtliche Patient/innenbelange.<br />

Das Pflegepersonal verhindert <strong>durch</strong> Anwesenheit viele Fehler, da es auf Dinge<br />

hinweisen kann, die das ärztliche Personal nicht berücksichtigt (z.B. Medikamentenunverträglichkeiten<br />

von Patient/innen oder bestimmte psychosoziale<br />

Stressoren).<br />

Dokumentiert wird in gewohnter Weise in der Patient/innendokumentation.<br />

Der Visitenrundgang zu den einzelnen Patient/innen schließt an die Kurvenvisite<br />

an.<br />

Visite am Bett der Patient/innen<br />

Es erfolgt die Besprechung der weiteren Behandlungsschritte sowie relevanter<br />

Fragen mit den Patient/innen.<br />

Ermunterung der Patient/innen, ihrerseits Fragen zu stellen.<br />

Dokumentation von Angaben zur allgemeinen Befindlichkeit und zum körperlichen<br />

Status wie: "Schwellung am Unterschenkel rechts" oder "Patient/in ist<br />

sehr zufrieden" (aktuell auf der Fieberkurve dokumentiert).<br />

Mitführung eines Wundmanagementprotokolls.<br />

Zu beachtende Punkte:<br />

Es sollte eine Reduktion der begleitenden Personen auf ein Minimum erfolgen,<br />

d.i.: mindestens zwei Ärzt/innen (Visiten führender Oberarzt und Stationsärztin<br />

bzw. Assistenz-/Turnusarzt, der Telefonate erledigen oder Informationen<br />

einholen kann) und eine Pflegeperson. Empfehlenswert ist eine Begrenzung<br />

auf max. 5 Personen.<br />

Wichtig ist Ruhe, um den Patient/innen ein gutes Gesprächsklima zu schaffen,<br />

Störungen <strong>durch</strong> Telefon o.ä. sind zu vermeiden.<br />

Im ärztlichen Gespräch sind Fragetechniken zu beachten, die Patient/innen<br />

das Antworten erleichtern (keine stereotypen Fragen, keine Suggestivfragen<br />

wie: "Sie haben keine Schmerzen, nicht wahr?", ausreichend Zeit lassen).<br />

Körpersprache sollte beachtet werden (z.B. kein "Verstecken hinter dem<br />

Visitewagen").<br />

28


MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 3<br />

Routineablauf im Detail<br />

Bei spezifischen "schwierigen" Fragen bzw. auf Patient/innenwunsch sollte visitierende/r<br />

Arzt/Ärztin auf Abteilungsleiter/in verweisen und diese/n darüber<br />

informieren, damit ein solches Gespräch stattfinden kann.<br />

Notwendige Implementationsbedingungen<br />

Möglichkeitsfaktoren Motivationsfaktoren<br />

Person Ausreichende Gesprächsbereitschaft des/der<br />

kommunikative Kompetenz gesprächsführenden<br />

der gesprächsführenden Arztes/Ärztin<br />

Ärzt/innen Zeitdisziplin aller Teammitglieder<br />

Situation Raum für "Kurvenvisite" Expliziter Auftrag und laufende<br />

Definierter Zeitpunkt für Unterstützung <strong>durch</strong> die<br />

Visite im Stationsablauf Abteilungsleitung<br />

Implementationsschritte zur Einführung der Maßnahme<br />

Schritt Aufwand (Zeit, Personen)<br />

1 Entscheidung über Einführung der Maßnahme <strong>durch</strong> 1/2 Std. Abtl.Leitung und<br />

ärztliche und pflegerische Abteilungsleitung;<br />

Beauftragung einer Vorbereitungsgruppe<br />

(stationsführender Oberarzt, Stationsschwester)<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

2 Status Quo-Analyse über bisher hemmende/fehlende<br />

Bedingungen für die Einführung (Vier-Felder-Schema)<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

3 Abteilungs-/fachspezifische Adaptierung des<br />

Standardablaufes und der personellen Zusammensetzung<br />

für die "Patient/innenvisite"<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

4 Suche und Auswahl von geeigneten<br />

Kommunikationsexpert/innen<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

5 Letztabstimmung mit Abteilungsleitung 1/2 Std. Abtl.Leitung und<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

6 Informationsveranstaltung für alle Mitarbeiter/innen<br />

mit klarem Auftrag <strong>durch</strong> Abteilungsleitung<br />

1 Teamsitzung<br />

7 Schulung über Gesprächsführung für alle Ärzt/innen 2 Stunden je Gruppe<br />

der Abteilung <strong>durch</strong> Kommunikationsexpert/innen (gesamtes ärztliches<br />

Personal der Station) /<br />

zweimal<br />

8 Start der routinemäßigen Durchführung 15 min Mehraufwand<br />

je Visite<br />

9 Umsetzungsbegleitung bei der Visite <strong>durch</strong> Als Coaching im<br />

Kommunikationsexpert/in, Routinebetrieb<br />

Vor- und Nachbesprechungen, Reflexion Sollte für alle Ärzt/innen<br />

mehrmals erfolgen, um<br />

Erfahrungen zu festigen<br />

10 Teilweise Einzelgespräche bzw. Teambesprechungen<br />

<strong>durch</strong> Expert/innen je nach Rückmeldungen und Bedarf<br />

29


Voraussetzungen zur Erhaltung der Maßnahme im Routinebetrieb<br />

Voraussetzung Aufwand<br />

Zeit/Verfügbarkeit des Personals gesichert Keiner<br />

Raum für Kurvenvisite täglich<br />

14:00h bis 14:30h bereitgestellt<br />

Besprechungsraum<br />

Nachschulung/Coaching des Personals in Kommunikation Mindestens eine<br />

(und Möglichkeit zur Reflexion) <strong>durch</strong> kompetente Schulungseinheit für<br />

Expert/innen, wobei Schulung in Form von Coaching im jede/n Mitarbeiter/in<br />

Routinebetrieb mit direkt anschließendem (in Gruppe)<br />

Feedback optimal 1 mal im Halbjahr<br />

ausführliches Feedback<br />

Einschulung neuer Mitarbeiter/innen Grundschulung<br />

Kosten<br />

Honorare für Kommunikationsexpert/innen - ca. 800 bis 1000 Euro pro Tag<br />

Arbeitszeit der Ärzt/innen für Schulung<br />

Nutzen<br />

MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 3<br />

Kein Nachvisitieren mehr<br />

Zeiteinsparungen <strong>durch</strong> Reduktion des Personals bei Patient/innenvisite<br />

Keine Mehr-Arbeitszeit im Routinebetrieb<br />

Verbesserte Kooperation zwischen Mitarbeiter/innen<br />

Evaluationsdaten Patient/innenzufriedenheit: Es zeigen sich insgesamt<br />

Verbesserungen bei der Patient/innenzufriedenheit (Trummer, Nowak et al.<br />

2001).<br />

Was würden Sie Akteur/innen raten, die diese Maßnahme in Angriff<br />

nehmen möchten?<br />

Dringend notwendig ist die fachliche Begleitung auf dem Gebiet des klinischen<br />

Patient/innengespräches. Das Beispiel der möglichen Frage "Sie haben ohnehin<br />

keine Schmerzen?" oder "Haben Sie Schmerzen?" zeigt die Problematik: Auf die<br />

erste Frage antwortet der Patient/die Patientin wahrscheinlich mit "Nein", auf die<br />

zweite Frage aber mit "Ja".<br />

Der Einsatz der ärztlichen Abteilungsleitung in der Hauptvisite kann auf spezifische<br />

Patient/innen bzw. auf eine kurze Vormittagsvisite beschränkt werden.<br />

Damit wird die Abteilungsleitung von der Routine entlastet (Zeit), sie tritt bei der<br />

Nachmittagsvisite allein und ohne begleitende Pflegeperson auf und überzeugt<br />

sich <strong>durch</strong> kurze Anwesenheit vom optimierten Management bzw. steht für<br />

"schwierige Fragen" im Bereich der Patient/innenkommunikation oder im medizinischen<br />

Fachbereich zur Verfügung. Da<strong>durch</strong> entsteht nicht die Situation, dass<br />

aus der Sicht der Patient/innen ein eventuell unzufriedener Abteilungsleiter "<br />

Unzulänglichkeiten des Betriebes" aufdeckt, denn suboptimale Prozessabläufe<br />

werden nicht mehr vor den Patient/innen diskutiert.<br />

Führungskompetenz auf Leitungsebene (Delegation der Visitenführung und<br />

ideelle und Ressourcen-Unterstützung der Mitarbeiter/innen, um diese Verantwortung<br />

tragen zu können) ist entscheidend für nachhaltigen Erfolg.<br />

Nützlich bei dem Anstoßen von Veränderung ist ein "Expert/innenblick von<br />

außen", der auf Verbesserungspotenziale und Vorteile hinweisen kann, ohne dass<br />

ihm/ihr spezifische Interessen unterstellt werden können.<br />

30


Patient/innenbezogene Maßnahme 4:<br />

Verbesserung der präoperativen Atemphysiotherapie<br />

Ansprechperson: Physiotherapeutin Waltraud BEITZKE<br />

LKH - Univ. Klinikum Graz<br />

Tel: 0316/385 - Funk 7914<br />

Email: waltraud.beitzke@klinikum-graz.at<br />

Kurzbeschreibung der Maßnahme<br />

Atemübungen für thorax-operierte Patient/innen sind als Standard einer qualitätsvollen<br />

Versorgung anzusehen. Dennoch ist häufig eine gesicherte Teilnahme<br />

der Patient/innen nicht gewährleistet bzw. die systematische Unterstützung der<br />

Patient/innen in der selbstständigen Durchführung der Atemübungen nicht ausreichend.<br />

Die Maßnahme umfasst folgende Leistungen:<br />

1. Gesicherte ein- bis zweimalige Teilnahme an den präoperativen Atemübungen<br />

2. Information und Aufklärung über die Vorteile einer konsequenten Atemtherapie<br />

3. Erkennen und Übernehmen der Eigenverantwortung für die eigene Atemtechnik<br />

4. Erlernen und selbstständiges Weiterführen der Atem- und der Kreislaufübungen<br />

(Bauch-, untere und mittlere Brustkorbatmung, Erlernen der Hustendisziplin)<br />

nach der Operation.<br />

Schon zu Beginn des stationären Aufenthalts - also präoperativ - absolviert die<br />

Physiotherapeutin zumindest ein bis zwei Betreuungseinheiten (zu je einer<br />

Stunde) mit allen Patient/innen der Station (ausgenommen Notfallpatient/innen<br />

und instabile Angina Pectoris-Patient/innen). Die Physiotherapeutin informiert<br />

und schult dabei diese Patient/innen in Hinblick auf die nach Herzoperationen relevanten<br />

Atem- und Hustentechniken. Zudem erhalten alle Patient/innen ein entsprechendes<br />

Informationsblatt über die Atemphysiotherapie. Informationen zu<br />

der Maßnahme werden auch in die allgemeine Patient/innenbroschüre integriert.<br />

Die Patient/innen sollen <strong>durch</strong> diese Formen der Information und Aufklärung die<br />

Wichtigkeit und Vorteile, aber auch die Art der Durchführung einer konsequenten<br />

Atemtechnik erkennen. Schließlich sollen die Patient/innen Eigenverantwortung<br />

für ein selbstständiges Weiterführen der Atem- und Kreislaufübungen nach der<br />

Operation übernehmen.<br />

Welche Probleme können mit der Maßnahme bearbeitet werden?<br />

Mangelnde Information bzw. Wissen der Patient/innen über die Bedeutung von<br />

Atemtechniken im Rahmen von Herzoperationen<br />

Unzureichendes selbstständiges Üben der Atemtechnik seitens der Patient/innen<br />

Postoperative Probleme beim Abhusten/Aufsetzen/Mobilisieren<br />

Maßnahmenziele<br />

MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 4<br />

Auf Ergebnisebene<br />

Patient/innen sind gut über die Bedeutung und den Nutzen der Atemtechnik.<br />

bzw. der Atemübungen informiert.<br />

Patient/innen wissen, wie man Atemübungen macht.<br />

Patient/innen führen Atemübungen wiederholt selbstständig <strong>durch</strong> (prä- und<br />

postoperativ).<br />

Postoperative Probleme/Komplikationen werden verringert.<br />

31


MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 4<br />

Auf Prozess-/Strukturebene<br />

Jede/r Patient/in erhält diese Form der präoperativen physiotherapeutischen<br />

Betreuung.<br />

Zeit/Verfügbarkeit von physiotherapeutischem Personal ist gesichert.<br />

Patient/innen können zur vorgegebenen Zeit an den Trainingseinheiten teilnehmen<br />

(keine anderen Untersuchungen/Therapien).<br />

Eigener Trainingsraum ist vorhanden.<br />

Schulungen laufen in ruhiger und ungestörter Atmosphäre ab.<br />

Vernetzung mit dem ärztlichen und pflegerischen Personal auf der Station ist<br />

gewährleistet, Informationsaustausch bezüglich Besonderheiten in der<br />

Anamnese erfolgt an die/von der Stationsärztin.<br />

Soll-Stand: erwünschte Routine - Good Practice<br />

Routineablauf im Detail<br />

Physiotherapeutin hält präoperativ (ein bis) zwei Einheiten zur Atemtechnik mit<br />

jedem/r Patienten/in ab.<br />

Ablauf der Einheiten: Zusammenholen der Patient/innen in Gruppe - Patient/innen<br />

sitzen in einem Sesselkreis<br />

Zunächst erfolgt eine kurze Anamnese der einzelnen Patient/innen, dann werden<br />

<strong>durch</strong> die Physiotherapeutin folgende Informationen vermittelt:<br />

Aufklärung über Umgang mit der Sternotomie<br />

Erlernen der Atemtechnik<br />

Husten- und Haltungsschulung<br />

Ausführung der Atemtherapie<br />

Kreislaufgymnastik<br />

Therapeutin instruiert die Patient/innen, übt mit ihnen und korrigiert deren<br />

Übungen.<br />

Im Rahmen der Einheiten erfolgen auch die Übergabe eines Folders und Hinweise<br />

und Anleitung zu selbstständigem Weiterführen der Übungen. Patient/innen<br />

werden zur selbstständigen Ausführung der Übungen angehalten.<br />

Eine Weitergabe von Besonderheiten in der physiotherapeutischen Anamnese<br />

erfolgt an den Stationsarzt/die Stationsärztin.<br />

Postoperativ werden die Patient/innen von der Physiotherapeutin besucht und zu<br />

weiteren Atemübungen angehalten.<br />

Die stationsverantwortliche Physiotherapeutin ist zuständig für die tägliche Ausführung<br />

der Atemgruppe (MO bis FR von 10:30h bis 11:30h). Bei Urlaub oder Erkrankung<br />

wird von der leitenden Physiotherapeutin eine Vertretung sichergestellt.<br />

Notwendige Implementationsbedingungen<br />

Möglichkeitsfaktoren Motivationsfaktoren<br />

Person qualifizierte Interesse der<br />

Physiotherapeut/innen Physiotherapeut/innen zur<br />

auf der Station Durchführung der Atemtherapie<br />

Situation Ungestörter Übungsraum Expliziter Auftrag und laufende<br />

Definierter Zeitpunkt/-raum Unterstützung <strong>durch</strong> die<br />

der Atemübung im vorgesetzten Ärzt/innen und<br />

Stationsablauf bzw. Physiotherapeut/innen<br />

Überlassung der Unterstützung des ärztlichen<br />

Patient/innen zum und des Pflegeteams<br />

vereinbarten Termin<br />

Ausreichend Arbeitszeit der<br />

Physiotherapeut/innen<br />

32


Implementationsschritte zur Einführung der Maßnahme<br />

Schritt Aufwand (Zeit, Personen)<br />

1 Entscheidung über Einführung der Maßnahme <strong>durch</strong> 1/2 Std. Abtl.Leitung,<br />

Abteilungsvorstand, leitende Pflege und Leitung der Leitung der Physiotherapie<br />

Physiotherapie; Beauftragung einer Vorbereitungsgruppe<br />

(Physiotherapeut/in, stationsführender Oberarzt,<br />

Stationsschwester)<br />

und Vorbereitungsgruppe<br />

2 Status Quo-Analyse über bisher hemmende/fehlende<br />

Bedingungen für die Einführung (Vier-Felder-Schema)<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

3 Abteilungs-/fachspezifische Adaptierung des<br />

Standard-Stationsablaufs und Klärung des Übungsortes<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

4 Überarbeitung der Inhalte des Informationsblattes Vorbereitungsgruppe<br />

5 Erstellung des Folders Vorbereitungsgruppe<br />

6 Letztabstimmung mit Abteilungsleitung und Leitung der 1/2 Std. Abtl.Leitung,<br />

Physiotherapie Leitung der Physiotherapie<br />

und Vorbereitungsgruppe<br />

7 Informationsveranstaltung für alle Mitarbeiter/innen mit 1 Teamsitzung;<br />

klarem Auftrag <strong>durch</strong> vorgesetzte Ärzt/innen, Pflege; Abtl.Vorstand und<br />

Klare Darstellung der Nutzen Vorbereitungsgruppe<br />

8 Information an Anästhesieteam Vorbereitungsgruppe<br />

9 Start der routinemäßigen Durchführung - ein bis zwei 1 Stunde je Einheit<br />

Einheiten präoperativ je Patient/in<br />

Voraussetzungen zur Erhaltung der Maßnahme im Routinebetrieb<br />

Voraussetzung Aufwand<br />

Zeit/Verfügbarkeit des Personals gesichert Arbeitszeit<br />

Physiotherapeut/in<br />

Entsprechende Schulung von etwaigen neuen mehrmals 1 Stunde<br />

Mitarbeiter/innen<br />

Ruhiger, abgeschlossener Raum<br />

(begleitend)<br />

Kosten<br />

Arbeitszeit der Physiotherapeutin<br />

Kosten für Folder (graphische Aufbereitung und Layout sowie Druckkosten)<br />

Nutzen<br />

MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 4<br />

Verbesserte Pneumonieprophylaxe<br />

Weniger Ängste in Bezug auf Atmungsprobleme postoperativ<br />

Vermittlung von gesundheitsbezogenem Wissen ("health literacy"):<br />

93% der Patient/innen haben Informationsblatt erhalten, 88,4% haben<br />

Informationsblatt gelesen.<br />

84% der Patient/innen haben zumindest zweimal Atemübungen mit der<br />

Physiotherapeutin gemacht.<br />

Verbesserung von Gesundheitsverhalten: Selbstständiges Üben steigt mit<br />

Trainingshäufigkeit an.<br />

Evaluationsdaten in klinischen Ergebnissen: Es zeigen sich insgesamt Verbesserungen<br />

der postoperativen Gesundungsprozesse (Trummer, Nowak et al.<br />

2001).<br />

Evaluationsdaten Patient/innenzufriedenheit: Es zeigen sich insgesamt Verbesserungen<br />

bei der Patient/innenzufriedenheit (Trummer, Nowak et al. 2001).<br />

33


MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 4<br />

Was würden Sie Akteur/innen raten, die diese Maßnahme in Angriff<br />

nehmen möchten?<br />

Kontaktaufnahme mit ärztlichem und Pflegeteam der Station<br />

Ausarbeitung und Vorstellung des Konzeptes der "Präoperativen Atemphysiotherapie"<br />

Herausarbeiten der Ziele dieser Maßnahme (Pneumonieprophylaxe, Sekretmobilisation,<br />

...)<br />

Ausführungsmöglichkeit in einem ruhigen, geschlossenen Raum<br />

Terminfixierung, umTeilnahme der Patient/innen zu gewährleisten<br />

Schriftliche Unterlagen für Patient/innen<br />

Vereinbarung mit dem Stationsteam für diese Maßnahmen<br />

Ansprechpartner/in auf der Station für die Physiotherapie (z.B. Stationsärztin<br />

oder Stationsschwester)<br />

Schriftliche Dokumente zur Maßnahme<br />

Informationsfolder Atmen mit Herz - LKH - Univ. Klinikum Graz<br />

34


MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 5<br />

Patient/innenbezogene Maßnahme 5:<br />

Standardisierung und Individualisierung<br />

der Schmerztherapie<br />

Ansprechperson: Prim. Dr. Michael RESCHEN<br />

A.ö. Krankenhaus der Halleiner KA-BetriebsgesmbH<br />

Anästhesie<br />

Tel: 06245/799-0<br />

Email: michael.reschen@kh-hallein.at<br />

Kurzbeschreibung der Maßnahme<br />

Die Neugestaltung der postoperativen Schmerztherapie besteht aus zwei Teilen:<br />

1) Strukturierung des Therapiekonzepts sowie der Aufgabenaufteilung innerhalb<br />

der beteiligten ärztlichen und pflegerischen Mitarbeiter/innen (Standardisierung)<br />

2) Einbindung des/der individuellen Patienten/in in eine aktivere partizipative<br />

Rolle: Im Rahmen des Anästhesieaufklärungsgesprächs werden die Patient/innen<br />

zunächst instruiert und aufgefordert, aktiv die Art und Dosierung der postoperativen<br />

Schmerzmedikation mitzubestimmen. Mit Hilfe des VAS-Lineals<br />

bestimmen die Patient/innen nach der Operation laufend ihren Schmerzzustand.<br />

Die Medikamentengabe erfolgt darauf eingehend standardisiert und<br />

nicht nach einem starren Schema. In einem Beiblatt zur Patient/innenkurve<br />

werden die VAS-Werte, die Sedierung und auch das jeweilige Wellbeing<br />

laufend mitdokumentiert (Individualisierung).<br />

Im Anästhesieaufklärungsgespräch wird mit den Patient/innen einige Minuten<br />

über die postoperative Analgesie gesprochen. Im Verlauf des stationären Aufenthalts<br />

werden dann die Patient/innen mittel VAS-Lineal regelmäßig (mehrmals<br />

täglich) über ihr aktuelles Schmerzempfinden vom Pflegepersonal befragt. Das<br />

Pflegepersonal vergibt dann nach einem vorgegebenen Standard die notwendigen<br />

Schmerzmedikamente.<br />

Der Standard-Therapieplan gilt für Patient/innen ab dem 14. Lebensjahr mit<br />

einem Körpergewicht über 45 kg, bei denen es keine Kontraindikationen gegen<br />

die eingesetzten Medikamente gibt. Die Verordnung der Medikation erfolgt <strong>durch</strong><br />

den/die behandelnden Anästhesisten/in auf dem Narkoseprotokoll bzw. dem<br />

Infusionsplan. Die Dokumentation der Schmerzintensität, des Sedierungsgrades<br />

sowie der Schmerzmedikation erfolgt auf einem Zusatzblatt, das von der Krankenpflege<br />

geführt wird. Hier werden auch Probleme wie Übelkeit und Erbrechen<br />

oder andere gastrointestinale Beschwerden erfasst. Primäre Ansprechperson für<br />

die Krankenpflege bei Auftreten von Problemen ist der oder die behandelnde bzw.<br />

diensthabende Anästhesist/in.<br />

Welche Probleme können mit der Maßnahme bearbeitet werden?<br />

Patient/innen haben postoperativ unnötig viele Schmerzen<br />

Patient/innen können ihre Schmerztherapie kaum beeinflussen<br />

Patient/innen wissen über Möglichkeiten, Wirkung und Ablauf einer<br />

Schmerztherapie nicht Bescheid<br />

Therapieplan ist uneinheitlich <strong>durch</strong> Verwendung vieler verschiedener<br />

Substanzen<br />

35


Maßnahmenziele<br />

MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 5<br />

Auf Ergebnisebene<br />

Patient/innen bestimmen ihre Therapie selbst mit (Gestaltung der postoperativen<br />

Schmerztherapie und Mitbestimmung von Art und Dosierung der<br />

Schmerzmedikation).<br />

Patient/innen wissen über Möglichkeiten, Wirkung und Ablauf einer<br />

Schmerztherapie Bescheid.<br />

Patient/innen haben postoperativ möglichst wenig Schmerzen.<br />

Auf Prozess-/Strukturebene<br />

Alle Patient/innen bekommen diese Form der postoperativen Schmerztherapie.<br />

Im Routineablauf wird ein für alle Mitarbeiter/innen verständliches Schema<br />

verwendet, unnötige Rückfragen und Möglichkeiten für Missverständnisse<br />

werden minimiert.<br />

Vereinfachung des Therapieplanes <strong>durch</strong> Verwendung weniger Standardsubstanzen.<br />

Patient/in und Pflegepersonal können <strong>durch</strong> Standardisierung autonomer<br />

agieren.<br />

Orale Gabe von Analgetika erfolgt frühzeitig.<br />

Es erfolgt eine nachvollziehbare und auswertbare Dokumentation der<br />

Schmerzintensität mittels VAS (Visuelle Analogskala) 1-10.<br />

Soll-Stand: erwünschte Routine - Good Practice<br />

Routineablauf im Detail<br />

Anästhesiologisches Patient/innengespräch<br />

Im Rahmen des präoperativen Anästhesieaufklärungsgesprächs bespricht der/die<br />

Anästhesist/in die postoperative Analgesie sowie die Form, wie der/die Patient/in<br />

selbst die Medikation mitbestimmen kann. Dem Patienten bzw. der Patientin wird<br />

im Rahmen des Gesprächs unterstützend ein schriftliches Informationsblatt<br />

übergeben.<br />

Routineablauf auf Station<br />

Postoperativ schätzen die Patient/innen laufend mittels eines VAS-Lineals ihren<br />

Schmerzzustand ein.<br />

Ausgehend von den Patient/inneneinschätzungen erfolgt nach einem vorgegebenen<br />

Standard-Schema die Gabe von Schmerzmitteln <strong>durch</strong> die zuständige<br />

Pflegeperson auf der Station.<br />

Sowohl die Patient/innenparameter (Schmerzzustand und Wellbeing) als auch die<br />

Sedierung werden laufend schriftlich auf einem "Schmerzprotokoll" (Dokumentationsschema<br />

als Beiblatt zur Patient/innenkurve) dokumentiert. 4<br />

Die Dokumentation dient einerseits zur Kontrolle der Effektivität des eingesetzten<br />

Analgesieschemas für die verordnenden Ärzt/innen, andererseits kann das Pflegepersonal<br />

bei Personalwechsel auf einen Blick den Verlauf des Wohlbefindens<br />

der Patient/innen abschätzen.<br />

4 Das Dokumentationsschema wurde auch für eine wissenschaftliche Untersuchung des Einflusses von Musik auf<br />

Befindlichkeitsparameter von Patient/innen im perioperativen Verlauf genutzt, die auf der 11. Jahrestagung der<br />

Österreichischen Schmerzgesellschaft veröffentlicht wurde. Informationen dazu: Prim. Reschen michael.reschen@kh-hallein.at.<br />

36


MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 5<br />

Notwendige Implementationsbedingungen<br />

Möglichkeitsfaktoren Motivationsfaktoren<br />

Person Ausreichende Gesprächsbereitschaft<br />

kommunikative Kompetenz der gesprächsführenden<br />

der gesprächsführenden Anästhesist/innen<br />

Anästhesist/innen Ausreichendes Vertrauen<br />

Ausreichende inhaltliche der Pflegepersonen in ihr<br />

Kompetenz des Pflegeteams Können und die<br />

(vgl. Therapiekonzept,<br />

Standard-Schema-<br />

Schmerzmittelgabe)<br />

Schmerzstandards<br />

Situation Gesprächsraum für Expliziter Auftrag und laufende<br />

Anästhesist/innen Unterstützung <strong>durch</strong> die<br />

Definierter Zeitpunkt/-raum vorgesetzten Ärzt/innen und<br />

für Gespräch des/der Pflegekräfte (Chirurgie,<br />

Anästhesisten/in im Anästhesie, Pflegeleitung)<br />

Stationsablauf Unterstützung der<br />

Definierter Ablauf für Chirurg/innen auf den Stationen<br />

Schmerzgaben<br />

(vgl. Therapiekonzept,<br />

Standard-Schema-<br />

Schmerzmittelgabe)<br />

"Schmerzprotokoll",<br />

VAS-Schieber,<br />

Informationsblatt für<br />

Patient/innen<br />

Implementationsschritte zur Einführung der Maßnahme<br />

Schritt Aufwand (Zeit, Personen)<br />

1 Entscheidung über Einführung der Maßnahme <strong>durch</strong> 1/2 Std. Abtl.Leitung und<br />

ärztliche und pflegerische Abteilungsleitung;<br />

Beauftragung einer Vorbereitungsgruppe<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

(Anästhesist/in, Stationsleitung einer Chirurgischen Station,<br />

stationsführender chirurg. Oberarzt)<br />

2 Status Quo-Analyse über bisher hemmende/fehlende<br />

Bedingungen für die Einführung (Vier-Felder-Schema)<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

3 Abteilungs-/fachspezifische Adaptierung des<br />

Standardablaufes (Zeit für das Anästhesie-Gespräch,<br />

Routine-Schmerzkontrollen <strong>durch</strong> die Pflege)<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

4 Abteilungs-/fachspezifische Adaptierung der schriftlichen Ca. 5 Stunden<br />

Grundlagen (Schmerzprotokoll, Patient/innen-Information,<br />

Therapie-Konzept, Schmerzmittelgabe-Standard)<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

5 Definition von geeigneten Gesprächsorten für<br />

Anästhesie-Gespräch<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

6 Letztabstimmung mit Abteilungsleitung 1/2 Std. Abtl.Leitung und<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

7 Information aller Anästhesieärzt/innen und -Pflegekräfte 2 Teamsitzungen -<br />

sowie der Mitarbeiter/innen der chirurgischen Station<br />

(ärztlich und pflegerisch)<br />

Dauer mindestens 1 Stunde<br />

8 Schulungsveranstaltung für das Pflegepersonal eine Teamsitzung -<br />

einstündig<br />

9 Informelle Gespräche zw. Anästhesie, Chirurgie, Kontinuierlich -<br />

Pflegekräften wenige Minuten<br />

37


Voraussetzungen zur Erhaltung der Maßnahme im Routinebetrieb<br />

Voraussetzung Aufwand<br />

Informationssitzung zur Besprechung der Ergebnisse 1 Teamsitzung -<br />

der Maßnahme und Erarbeitung von 1-2 Stunden, halbjährliche<br />

Verbesserungsmöglichkeiten Abstimmungen<br />

Kosten<br />

Arbeitszeit für Erarbeitung des Konzepts - keine zusätzlichen Kosten im Routinebetrieb<br />

Im Routinebetrieb Kopierkosten der Formulare<br />

Nutzen<br />

MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 5<br />

Entlastung des Personals <strong>durch</strong> Wegfall von Nachfragen<br />

Vereinfachung Therapieplan <strong>durch</strong> Verwendung weniger Standardsubstanzen<br />

Vermittlung von gesundheitsbezogenem Wissen ("health literacy"):<br />

Ca. 79% der Patient/innen geben an, <strong>durch</strong> das Gespräch besser zu wissen,<br />

wie ihre Schmerzbehandlung funktioniert.<br />

83,7% wissen, was sie tun können, wenn sie Schmerzen verspüren.<br />

63,0% geben an, bei der Schmerzmittelvergabe Mitbestimmung zu haben.<br />

Evaluationsdaten in klinischen Ergebnissen: Es zeigen sich insgesamt Verbesserungen<br />

der postoperativen Gesundungsprozesse (Trummer, Nowak et al.<br />

2001).<br />

Was würden Sie Akteur/innen raten, die diese Maßnahme in Angriff<br />

nehmen möchten?<br />

Entscheidend für eine erfolgreiche Umsetzung unserer Maßnahme war die<br />

Erarbeitung des verwendeten Konzepts <strong>durch</strong> eine Arbeitsgruppe, der wesentliche<br />

Entscheidungsträger/innen sowohl im ärztlichen als auch im pflegerischen<br />

Bereich angehörten, die dem Projekt gegenüber prinzipiell positiv eingestellt<br />

waren.<br />

Die Einführung des Konzepts in den Routinebetrieb erfordert eine sorgfältige<br />

Einschulung aller Beteiligten und die Bereitschaft, immer wieder auf Rückfragen<br />

einzugehen, da nur so die Akzeptanz für ein neuartiges Konzept gesichert<br />

werden kann.<br />

38


MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 5<br />

Schriftliche Dokumente zur Maßnahme<br />

Informationsblatt zur postoperativen Schmerzbehandlung -<br />

A.ö. Krankenhaus der Halleiner KA-BetriebsgesmbH<br />

Dokumentationsbogen für postoperative Schmerztherapie -<br />

A.ö. Krankenhaus der Halleiner KA-BetriebsgesmbH<br />

39


MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 5<br />

Schmerzprotokoll - A.ö. Krankenhaus der Halleiner KA-BetriebsgesmbH<br />

40


Patient/innenenbezogene Maßnahme 6:<br />

Chirurgisches Entlassungsgespräch<br />

zwischen Operateur/in und Patient/in<br />

Ansprechperson: Univ.-Prof. Dr. Heinrich MÄCHLER<br />

LKH - Univ. Klinikum Graz<br />

Klinische Abteilung für Herzchirurgie<br />

Tel: 0316/385-81189<br />

Email: heinrich.maechler@kfunigraz.ac.at<br />

Kurzbeschreibung der Maßnahme<br />

Für Patient/innen ist ein Gespräch mit dem/der Operateur/in vor ihrer Entlassung<br />

ein wichtiger Qualitätsfaktor. Für das Krankenhaus ist ein solches Gespräch wichtig,<br />

um die rechtliche Informationspflicht über Gesundheits- und Risikoverhalten<br />

nach einer Operation bzw. in der Rehabilitationsphase zu erfüllen und ev. Klagefälle<br />

zu vermeiden.<br />

Am Tag vor der Entlassung (zumeist ins Rehabilitationszentrum) sollen die<br />

Operateur/innen ein Vier-Augen-Gespräch mit ihren jeweiligen Patient/innen<br />

führen. Ziel des Gesprächs ist es, unterstützt <strong>durch</strong> eine Checkliste/ein Dokumentationsblatt<br />

den Patient/innen ausreichende Informationen zu geben über<br />

den Verlauf der Operation und deren mögliche Folgen für den Alltag (Einschränkungen,<br />

Warnsignale, ...), das weitere geplante Vorgehen (Rehabilitation, Medikamenteneinnahmen,<br />

...) sowie Möglichkeiten, <strong>durch</strong> eigenes postoperatives<br />

Verhalten zur Gesundung beizutragen. Im Rahmen des Gesprächs soll aber auch<br />

die Möglichkeit für die Patient/innen bestehen, alle für sie relevanten Fragen<br />

stellen zu können.<br />

Die Implementierung dieses Entlassungsgesprächs zwischen Patient/in und<br />

Operateur/in setzt gewisse Fähigkeiten der ärztlichen Kommunikation bei den<br />

Chirurg/innen voraus. Um diese zu lernen bzw. zu entwickeln müssen die<br />

Chirurg/innen entsprechend angeleitet/geschult werden (vgl. Grundmaßnahme).<br />

Welche Probleme können mit der Maßnahme bearbeitet werden?<br />

Patient/innen erfahren nichts über Operationsverlauf, Operationserfolg oder<br />

mögliche spätere Komplikationen<br />

Patient/innen kennen die Person nicht, die sie operiert hat<br />

Patient/innen haben kein ärztliches Entlassungsgespräch<br />

Patient/innen sind nicht ausreichend über das weitere geplante Vorgehen und<br />

den zukünftigen Alltag informiert und da<strong>durch</strong> verunsichert<br />

Patient/innen können sich nicht ausreichend aktiv am poststationären<br />

Gesundungsprozess (in der Rehabilitations-Phase) beteiligen<br />

Rechtliche Unklarheiten und Risiken für Operateur/in bzw. das Krankenhaus<br />

<strong>durch</strong> postoperative "Nicht-Informationen"<br />

Maßnahmenziele<br />

MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 6<br />

Auf Ergebnisebene<br />

Patient/innen kennen die Person, die sie operiert hat.<br />

Patient/innen haben alle für sie wichtigen Fragen besprochen.<br />

Patient/innen wissen über das nun folgende weitere Vorgehen (Rehabilitation)<br />

und den künftigen Alltag Bescheid.<br />

Patient/innen kennen Warnsignale, wissen wie sie sich verhalten können, um<br />

ihre Gesundung zu unterstützen bzw. Risiken zu minimieren.<br />

41


MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 6<br />

Patient/innen arbeiten aktiver in ihrer Rehabilitations-Phase an ihrer<br />

Gesundung.<br />

Rechtliche Informationspflicht ist dokumentiert erfüllt.<br />

Auf Prozess-/Strukturebene<br />

Alle Patient/innen führen diese Form des ärztlichen Entlassungsgesprächs.<br />

Zeit/Verfügbarkeit von ärztlichem Personal ist gesichert.<br />

Ruhiges Setting (Raum) für Gesprächsführung ist gesichert.<br />

Soll-Stand: erwünschte Routine - Good Practice<br />

Routineablauf im Detail<br />

Der Entlassungstermin des/der Patient/in wird von der Pflege auf der Patient/innenkurve<br />

eingetragen. Anhand dieser Eintragung terminisiert der Operateur/die<br />

Operateurin das Entlassungsgespräch. Ist diese/r selbst an der Gesprächsführung<br />

verhindert, übernimmt der erste Assistenzarzt der Operation das Entlassungsgespräch.<br />

Am Tag vor der Entlassung erfolgt im Ärztezimmer das Entlassungsgespräch<br />

<strong>durch</strong> den/die Operateur/in mit folgenden Inhalten (vgl. Dokumentationsblatt):<br />

1) Aufklärung über den Verlauf des stationären Aufenthalts<br />

Intraoperativer Verlauf<br />

Erklärung des postoperativen Verlaufes<br />

2) Zu beachten nach der Entlassung<br />

Mögliche Auswirkungen auf das spätere Leben<br />

Mögliche Auswirkungen bei Nicht-Einhalten von Ratschlägen<br />

Möglichkeiten zur aktiven Beteiligung des/der Patient/in in der poststationären<br />

Gesundung<br />

3) Medikation<br />

Weitere Notwendigkeiten zu medikamentösen Therapien, Rehabilitation,<br />

Physiotherapien, Kontrollen, ...<br />

4) Besonderheiten<br />

Das Gespräch wird eingeleitet mit der Vorstellung des Arztes bzw. der Ärztin:<br />

"Ich bin.... Wir haben Sie operiert bzw. ich war in Ihrem OP-Team". Wichtig beim<br />

Gespräch ist die Ermunterung der Patient/innen, Fragen zu stellen, sich aktiv<br />

einzubringen.<br />

Auf Nachfrage wird der Name des Operateurs bzw. der Operateurin explizit genannt.<br />

Ansonsten wird im Gespräch die Arbeit des OP-Teams genannt<br />

("Wir haben Sie operiert".).<br />

Operateur/in und Patient/in unterschreiben beide das Dokumentationsblatt zum<br />

Gespräch.<br />

Eine Kopie des Dokumentationsblatts wird an die Patient/innen ausgehändigt.<br />

42


MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 6<br />

Notwendige Implementationsbedingungen<br />

Möglichkeitsfaktoren Motivationsfaktoren<br />

Person Ausreichende inhaltliche Gesprächsbereitschaft der<br />

Kompetenz der gesprächs- gesprächsführenden<br />

führenden Chirurg/innen<br />

(vgl. Dokumentationsblatt)<br />

Ausreichende<br />

kommunikative Kompetenz<br />

der gesprächsführenden<br />

Chirurg/innen<br />

Chirurg/innen<br />

Situation Gesprächsraum Expliziter Auftrag und laufende<br />

Definierter Zeitpunkt/-raum Unterstützung <strong>durch</strong> die<br />

im Stationsablauf vorgesetzten Ärzt/innen<br />

Arbeitszeit<br />

Dokumentationsblatt<br />

Procedere zur<br />

Informationsweitergabe<br />

Entlassungstermin<br />

Implementationsschritte zur Einführung der Maßnahme<br />

Schritt Aufwand (Zeit, Personen)<br />

1 Entscheidung über Einführung der Maßnahme <strong>durch</strong> 1/2 Std. Abtl.Vorstand und<br />

Abteilungsvorstand; Beauftragung einer<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

(stationsführender Oberarzt, Stationsschwester)<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

2 Status Quo-Analyse über bisher hemmende/fehlende<br />

Bedingungen für die Einführung (Vier-Felder-Schema)<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

3 Abteilungs-/fachspezifische Adaptierung des<br />

Standardablaufes<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

4 Abteilungs-/fachspezifische Erstellung eines<br />

Dokumentationsblattes für das Gespräch<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

5 Definition von geeignetem Gesprächsort Vorbereitungsgruppe<br />

6 Suche und Auswahl von geeigneten<br />

Kommunikationsexpert/innen<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

7 Letztabstimmung mit Abteilungsleitung 1/2 Std. Abtl.Vorstand und<br />

Vorbereitungsgruppe<br />

8 Informationsveranstaltung für alle Mitarbeiter/innen<br />

mit klarem Auftrag <strong>durch</strong> vorgesetzte Ärzt/innen<br />

1 Teamsitzung<br />

9 Schulung über Gesprächsführung für alle Ärzt/innen 2 Stunden je Gruppe/<br />

der Abteilung <strong>durch</strong> Kommunikationsexpert/innen zweimal<br />

10 Bereitstellung von geeignetem Gesprächsort Vorbereitungsgruppe<br />

in Abstimmung mit<br />

Abteilungsleitung<br />

11 Start der routinemäßigen Durchführung 10 bis 15 min Gespräch<br />

12 Teilweise Einzelbegleitung bzw. Coaching 10 bis 15 min Gespräch<br />

<strong>durch</strong> Expert/innen und 15 bis 30 min<br />

Vor- und Nachbesprechung<br />

43


Voraussetzungen zur Erhaltung der Maßnahme im Routinebetrieb<br />

Voraussetzung Aufwand<br />

Zeit/Verfügbarkeit des ärztliches Personals gesichert Muss in tägliche Arbeit<br />

Integriert sein,<br />

kein Mehraufwand<br />

Procedere zur Informationsweitergabe bez. Entlassungs- Keiner in Routine<br />

und Gesprächstermin abgestimmt und gesichert<br />

Nachschulung/Coaching des Personals in Kommunikation Nachschulung pro Jahr -<br />

(und Möglichkeit zur Reflexion) <strong>durch</strong> möglichst 1 Tag im<br />

kompetente ExpertInnen Halbjahr; tlw. begleitendes<br />

Coaching und<br />

Unterstützung<br />

Einschulung von neuen Mitarbeiter/innen Grundschulung<br />

Kosten<br />

Honorare für Kommunikationsexpert/innen - ca. 800 bis 1000 Euro pro Tag<br />

Arbeitszeit der Ärzt/innen für Schulung<br />

Zeitlicher Mehraufwand für Gesprächsführung ca. 15 Minuten (in Routinearbeitszeit<br />

zu integrieren)<br />

Nutzen<br />

MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 6<br />

Keine Mehr-Arbeitszeit im Routinebetrieb<br />

Entlastung der Ärzt/innen <strong>durch</strong> Absicherung der rechtlichen Verantwortung<br />

Vermittlung von gesundheitsbezogenem Wissen ("health literacy"):<br />

67,9% der Patient/innen geben an, <strong>durch</strong> das Entlassungsgespräch besser zu<br />

wissen, wie ihre Rehabilitation ablaufen wird.<br />

77,8% meinen sich besser auf ihre Rehabilitation vorbereiten zu können.<br />

81,1% fühlen sich besser informiert über Möglichkeiten von Aktivitäten zur<br />

schnelleren Gesundung.<br />

Nutzung der Dokumentationsblätter bei Rückfragen/Schadensfragen<br />

(ökonomischer Nutzen, wenn diese Informationen vorhanden).<br />

Was würden Sie Akteur/innen raten, die diese Maßnahme in Angriff<br />

nehmen möchten?<br />

Ziel der Maßnahme ist die Gesprächsführung <strong>durch</strong> den/die Operateur/in. Es<br />

sollte aber unbedingt eine Vertretungsregel eingeführt werden, da sonst bei Unabkömmlichkeit<br />

das Gespräch nicht gesichert stattfindet. Diese Vertretungsregel<br />

sollte eine kompetente Person vorsehen (war bei Operation dabei, kein Beidienst).<br />

Ein in der Maßnahme problematischer Punkt ist die Informationsweitergabe des<br />

Entlassungstermins zur Termineinteilung <strong>durch</strong> den/die Operateur/in. Da diese/r<br />

nicht jeden Tag auf der Station (bei Visiten bzw. zur Einsicht der Patient/innendokumentation)<br />

ist, hat er/sie nicht notwendigerweise Kenntnis der aktuellen Entlassungstermine.<br />

Ideal wäre die Installierung einer koordinierenden Stelle, die das Informationsmanagement<br />

bezüglich der Entlassungstermine übernimmt.<br />

Hilfreich für Patient/innen ist eine Grundinformation über das "Who is Who" auf<br />

der Station. Ein Plakat mit Photographien aller Stationsmitarbeiter/innen gibt eine<br />

solche Orientierung.<br />

44


MASSNAHMEN | PATIENT/INNENBEZOGENE MASSNAHME 6<br />

Schriftliche Dokumente zur Maßnahme<br />

Dokumentationsblatt Entlassungsgespräch - LKH - Univ. Klinikum Graz<br />

45


ALLGEMEINE EMPFEHLUNGEN ZUR MASSNAHMENEINFÜHRUNG<br />

Allgemeine Empfehlungen zur<br />

Maßnahmeneinführung<br />

Angesichts der Evaluationsergebnisse in Verbindung mit bekannten Elementen<br />

des Qualitätsmanagements und der Organisationsentwicklung lassen sich bezüglich<br />

der Implementierung von Maßnahmen zum <strong>Empowerment</strong> von Patient/innen<br />

<strong>durch</strong> die Verbesserung der Kommunikation und Information folgende Empfehlungen<br />

formulieren.<br />

1. Alle gesetzten Einzelmaßnahmen zeigen jeweils für sich Erfolge im Aufbau<br />

von gesundheitsrelevantem Wissen und gesundheitsrelevantem Verhalten der<br />

Patient/innen und können daher für einen systematischen Transfer weiterempfohlen<br />

werden.<br />

2. Die Implementierung eines Maßnahmenbündels, das die Beachtung der<br />

Kommunikation im gesamten Behandlungsprozess unterstützt, ist Einzelmaßnahmen<br />

vorzuziehen. Die Ergebnisse des LKH - Univ. Klinikum Graz, wo eine<br />

signifikante Verkürzung der Verweildauern und Verringerungen der Komplikationsraten<br />

erreicht wurden, zeigen diesen synergetischen Effekt eines Maßnahmenbündels.<br />

Dies wird aus Organisationsentwicklungsperspektive bestätigt,<br />

wo festgestellt wird, dass die abgestimmte Veränderung mehrerer Organisationsabläufe<br />

eher geeignet ist, die gesamte Organisationskultur zu verändern<br />

als isolierte Einzelmaßnahmen (Wimmer 1992; Grossmann, Scala 1994;<br />

Novak-Zezula, Nowak et al. 2001).<br />

3. Die Unterstützung der Mitarbeiter/innen in der Entwicklung von kommunikativen<br />

Kompetenzen und Techniken <strong>durch</strong> professionelle Schulung<br />

und Begleitung ist ein wichtiger Qualitäts- und Erfolgsfaktor von Maßnahmen<br />

zum <strong>Empowerment</strong> von Patient/innen. Dies wird wiederum <strong>durch</strong> die erwähnten<br />

Ergebnisse in der Grazer Herzchirurgie bestätigt und auch <strong>durch</strong> die<br />

Weiterentwicklungspläne des Otto Wagner Spitals, die solche Kommunikationstrainings<br />

für das Personal vorsehen.<br />

4. Die Projektergebnisse und die Wissensbasis der Organisationsentwicklung und<br />

des Qualitätsmanagements legen nahe, dass die Qualitätsverbesserung von<br />

Kommunikation mit den Patient/innen immer auch Veränderungen der Kooperation<br />

der Mitarbeiter/innen impliziert, die einer geeigneten Unterstützung<br />

<strong>durch</strong> Organisationsentwicklungsmaßnahmen bedürfen.<br />

Folgende Punkte sollten bei einer Einführung von Maßnahmen beachtet und<br />

gewährleistet sein:<br />

Eine engagierte Unterstützung der Abteilungsleitung und Kollegialen Führung<br />

Systematische Einbeziehung aller Beteiligten und Betroffenen in die Entwicklung<br />

und Umsetzung der Maßnahme z.B. <strong>durch</strong> interprofessionelle Teambesprechungen,<br />

Teamentwicklungsmaßnahmen und Projektmarketing<br />

Herstellung von Verbindlichkeit über die Durchführung der Maßnahmen <strong>durch</strong><br />

klare Vereinbarungen und Spielregeln zwischen allen Beteiligten<br />

Rechtzeitige und realistische Planung der notwendigen Ressourcen<br />

Überregionales Benchmarking unterstützt qualitätsvolle Entwicklungsarbeit<br />

Professionelle Begleitung im Projektmanagement, in der Beratung des Projektprozesses<br />

und in der wissenschaftlichen Evaluation.<br />

46


"How to start"<br />

“HOW TO START”<br />

Wenn Sie eine oder mehrere der hier geschilderten Maßnahmen in Ihrem Haus<br />

einführen möchten, klären Sie zuerst in der Kollegialen Führung folgende Fragen:<br />

1 Besteht grundsätzliches Interesse der Kollegialen Führung an der Einführung<br />

einer oder mehrerer Maßnahmen zur Optimierung der Kommunikation mit Patient/innen?<br />

2 Auf welcher Station bzw. auf welchen Stationen sollen bzw. können diese eingeführt<br />

werden?<br />

Beginnen Sie mit einer pilothaften Bearbeitung auf einer oder zwei Stationen.<br />

Was dort funktioniert, kann auf andere Stationen übertragen werden. Was dort<br />

nicht funktioniert, davon können andere Stationen lernen.<br />

Vergessen Sie dabei nicht: Veränderung von Routine erzeugt zunächst Kosten<br />

und Irritation. Das soll Sie nicht beunruhigen, denn:<br />

Die in dieser Broschüre angeführten Maßnahmen sind im Routinebetrieb<br />

kostenneutral bzw. haben ein hohes Potenzial, Kosten einzusparen.<br />

Phasen von Veränderung sind immer irritierend. Deshalb ist es wichtig, ein<br />

Projektteam mit einem klaren Auftrag, Ressourcen und Zeitplan zu installieren.<br />

Dieser Rahmen gibt die notwendige Sicherheit, um Veränderung erfolgreich<br />

zu betreiben.<br />

Schritte zur Auswahl von Pilotstationen<br />

Für die Absicherung eines guten Projekterfolges ist es entscheidend, alle beteiligten<br />

Personen und Organisationseinheiten gut zu informieren und an der Teilnahmeentscheidung<br />

angemessen zu beteiligen.<br />

Die Grundidee der folgenden Auswahlschritte ist, die geeigneten Stationen Ihres<br />

Hauses für das Projekt auszuwählen und eine gute Arbeitsbasis zu schaffen.<br />

1 Grundsätzliche Abklärung der Implementierung von Maßnahmen mit<br />

der Qualitätssicherungskommission und<br />

der Personalvertretung<br />

2 Einladung aller potenziellen Pilotstationen (hier finden Sie drei Varianten des<br />

Vorgehens, die kombiniert oder für sich allein anwendbar sind):<br />

Präsentation des Vorhabens <strong>durch</strong> die Kollegiale Führung in der Primarärztesitzung<br />

und in der Pflegeleitungssitzung.<br />

Die weitere Information übernehmen dann die Abteilungsleitungen auf ihren<br />

Stationen.<br />

Präsentation des Vorhabens <strong>durch</strong> die Kollegiale Führung für alle potenziellen<br />

Projektstationen in einer eigenen hausinternen Veranstaltung<br />

Schriftliche Ausschreibung im Haus <strong>durch</strong> die Kollegiale Führung<br />

3 Entscheidungsprozess auf den Stationen<br />

Information an alle Mitarbeiter/innen (schriftlich und Diskussion in einer Teambesprechung)<br />

ev. Unterschriftenliste zur Feststellung des mehrheitlichen Interesses und<br />

Bereitschaft zur Mitarbeit des Stationsteams<br />

4 Hausinterne (schriftliche) Bewerbung der Stationen (<strong>durch</strong> Stationsleitungen und<br />

Abteilungsleitungen) an die Kollegiale Führung<br />

5 Kollegiale Führung wählt die geeignetste(n) Station(en) anhand der Kriterienliste<br />

(siehe unten) aus und beauftragt Durchführung.<br />

47


“HOW TO START”<br />

Kriterienliste für die Auswahl einer/mehrerer Pilotstation/en<br />

Als Entscheidungshilfe für die hausinterne Auswahl der geeignetsten Pilotstationen<br />

dienen:<br />

1 Inhaltliche Voraussetzungen auf der Station:<br />

Betroffenheit der Station <strong>durch</strong> die Problemstellung (kritische Patient/innenrückmeldungen,<br />

hohes Problembewusstsein im Team)<br />

Interesse an Projektarbeit bzw. Qualitätsmanagement, ev. Vorerfahrung dazu<br />

2 Kulturelle und strukturelle Merkmale der Station:<br />

keine größeren Konflikte und Probleme innerhalb des Stationsteams (diese<br />

sollten vor der Veränderung der bestehenden Alltagsroutine besprochen und<br />

geklärt werden)<br />

offene Kommunikationsstrukturen, innovativ, risikofreudig, kritikfähig (es geht<br />

um Veränderungen!)<br />

3 Transfer:<br />

Akzeptanz und Ansehen im Haus (das Vorbild soll wirken können)<br />

4 Kompetenzen der potenziellen Projektleiter/innen auf der Station:<br />

Gute Kommunikations- und Durchsetzungsfähigkeit im Umgang mit den<br />

Entscheidungsträger/innen und Mitarbeiter/innen im Haus (integrative Persönlichkeiten)<br />

Durchhaltevermögen (denn ein Projekt kann streckenweise "zäh" sein)<br />

48


PROJEKTDARSTELLUNG IM BILD - “KOPRODUKTION DURCH EMPOWERMENT”<br />

Projektdarstellung im Bild -<br />

"<strong>Koproduktion</strong> <strong>durch</strong> <strong>Empowerment</strong>"<br />

Krankenhausübergreifende Projektstruktur<br />

Meilensteine des Projektes<br />

28. Feb 01 Startveranstaltung<br />

1. + 2. Mär 01 1. Arbeitstreffen<br />

Mär - Apr 01 Prozessanalyse und Maßnahmenplanung<br />

Mär - Apr 01 Baseline-Erhebung<br />

Apr / Mai 01 2. Arbeitstreffen<br />

Mai 01 Steuerungsgruppen-Sitzung<br />

Mai - Sept 01 Maßnahmenumsetzung u. Evaluationsmessung<br />

Jun 01 Supervisions-Workshop<br />

Okt - Nov 01 Datenauswertung<br />

12.-14. Nov 01 Präsentation des Projekts auf der ÖNGK-Konferenz<br />

Nov 01 3. Arbeitstreffen und abschließende Präsentation<br />

Dez 01 Endbericht<br />

Evaluationsdesign<br />

49


Literatur<br />

LITERATUR<br />

Baumer,E.-M., Bischof,B., Findl,I., Polanetzky,G., Preissl,C., Schmied,H., (Redaktion)<br />

(2001): Patient/innenorientierte Stationsorganisation. Wien: BMSG. (Qualität<br />

+ Gesundheit)<br />

Berger,A., Dunkl,A. et al. (2001): Aufnahme- und Entlassungsmanagement. Wien:<br />

BMSG. (Qualität + Gesundheit)<br />

Berger,A., Novak-Zezula,S., Nowak,P., Schmied,H., Trummer,U. (2000): Qualität<br />

im Krankenhaus. Ein Kooperationsprojekt der Strukturkommission. Endbericht.<br />

Wien: LBIMGS.<br />

Berger,M., Eberl,P. et al. (2001): OP-Organisation. Wien: BMSG. (Qualität + Gesundheit)<br />

Delbanco,T.L. (1996): Quality of care through the patient´s eyes. In: British Medical<br />

Journal, 313, S. 832-833.<br />

Di Blasi,Z., Harkness,E., Ernst,E., Georgiou,A., Kleijnen,J. (1999): Health and patient-practitioner<br />

interactions: a systematic review. York: The University of<br />

York.<br />

Di Blasi,Z., Harkness,E., Ernst,E., Georgiou,A., Kleijnen,J. (2001): Influence of<br />

context effects on health outcomes: a systematic review. In: The Lancet, Vol<br />

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Grossmann,R., Scala,K. (1994): Gesundheit <strong>durch</strong> Projekte fördern. Ein Konzept<br />

zur Gesundheitsförderung <strong>durch</strong> Organisationsentwicklung und Projektmanagement.<br />

Weinheim, München: Juventa-Verlag. (Gesundheitsforschung)<br />

Johnston,M., Vögele,C. (1992): Welchen Nutzen hat psychologische Operationsvorbereitung?<br />

Eine Metaanalyse der Literatur zur psychologischen Operationsvorbereitung<br />

Erwachsener. In: Schmidt,L.R. (Hg.): Psychologische Aspekte<br />

medizinischer Maßnahmen. Berlin: Springer. S. 215-246.<br />

Kendlbacher,B., Trummer,U., Novak-Zezula,S., Nowak,P., Pelikan,J.M. (2003): Patien/inn/enorientierung<br />

in österreichischen Krankenanstalten. 3. zwischenbericht.<br />

Wien: LBIMGS.<br />

Köhle,K., Raspe,H.H. (1982): Das Gespräch während der ärztlichen Visite. Empirische<br />

Untersuchungen. Wien: Urban & Schwarzenberg.<br />

Novak-Zezula,S., Nowak,P., Peinhaupt,C., Pelikan,J.M. (2001): Qualitätsverbesserung<br />

<strong>durch</strong> Benchmarking zwischen Krankenhäusern. Ein Beispiel für interorganisational<br />

unterstützte Organisationsentwicklung. In: Organisationsentwicklung,<br />

20, 3, S. 26-41.<br />

Pelikan,J.M., Halbmayer,E. (1999): Gesundheitswissenschaftliche Grundlagen zur<br />

Strategie des Gesundheitsfördernden Krankenhauses. In: Pelikan,J.M., Wolff,S.<br />

(Hg.): Das gesundheitsfördernde Krankenhaus. Konzepte und Beispiele zur<br />

Entwicklung einer lernenden Organisation. Weinheim, München: Juventa. S.<br />

13-36.<br />

Trummer,U., Nowak,P., Stidl,T., Pelikan,J.M. (2001): <strong>Koproduktion</strong> <strong>durch</strong> <strong>Empowerment</strong>:<br />

Qualitätsverbesserung der Patient/innenbetreuung und des postoperativen<br />

Gesundungsprozesses in der Chirurgie. Endbericht. Wien: LBIMGS.<br />

Wimmer,H., Pelikan,J.M. (1984): Effekte psychosozialer Interventionen bei der<br />

prä- und postoperativen Betreuung von Patienten im Krankenhaus. Wien:<br />

LBIMGS.<br />

Wimmer,R. (Hg.)(1992): Organisationsberatung. Neue Wege und Konzepte.<br />

Wiesbaden: Gabler. (Gabler Management Perspektiven)<br />

World Health Organization (1998): Health Promotion Glossary. Geneva: World<br />

Health Organization. (WHO/HPR/HEP/98.1)<br />

50


Auch in der Chirurgie kann der<br />

Behandlungserfolg <strong>durch</strong> Qualitätsentwicklung<br />

der Kommunikation<br />

verbessert werden:<br />

weniger postoperative Komplikationen<br />

kürzere Verweildauern<br />

zufriedenere Patient/innen und<br />

Mitarbeiter/innen<br />

sind möglich.<br />

Diese Broschüre stellt international<br />

bewährte und in Österreich erprobte und<br />

evaluierte Maßnahmen praxisorientiert<br />

vor. Sie richtet sich an Personen in<br />

österreichischen Krankenanstalten, die<br />

Patient/innen versorgen und / oder Qualität<br />

entwickeln.<br />

Broschürentelefon<br />

01 711 00-4700

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