03. Elemente des Raumes - lamp.tugraz.at
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03. Elemente des Raumes - lamp.tugraz.at
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<strong>03.</strong> <strong>Elemente</strong> <strong>des</strong> <strong>Raumes</strong><br />
Für die Analyse <strong>des</strong> Stadtraums ist eine Unterteilung in Grundelemente notwendig.<br />
Die Grundelemente <strong>des</strong> Stadtraums sind:<br />
- der Stadtgrundriss (die Organis<strong>at</strong>ion in zwei Dimensionen)<br />
- die Straßen- und Pl<strong>at</strong>zräume (die Organis<strong>at</strong>ion in drei Dimensionen)<br />
- die Raumabgrenzenden Objekte (der Architekturrahmen)<br />
I. Der Stadtgrundriss Wesentlich für die Betrachtung der Organis<strong>at</strong>ion <strong>des</strong> Stadtraums sind seine<br />
Grenzen. In vielen Sprachen wird der Begriff der Stadt mit dem der Mauer<br />
(Zaun, Festung usw.), d.h. mit seinen äußeren Grenzen identifiziert. So gibt es<br />
die n<strong>at</strong>ürlichen, politischen Grenzen, Zollgrenzen, die befestigten Ränder der<br />
Stadt. Für die Ziele der Vorlesung kommen die physischen Grenzen in betracht<br />
– die kulturellen (anthropogenen) oder n<strong>at</strong>ürlichen (Uferzonen, topographische<br />
Formen usw.) Ursprungs sind.<br />
Im Mittelalter entstehen vor den Stadtmauern Vororte, Klosteranlagen, später<br />
in der Barockzeit Schloss- und Parkanlagen. Auch in der Industriezeit nimmt<br />
die Stadtrandzone oder die Peripherie die Entwicklungsstöße auf: die geplanten<br />
Erweiterungen für Wohnquartiere und Industrien. In vielen Fällen ist<br />
es zu Bestimmung von Bauverbotszonen gekommen, um das unkontrollierte<br />
Wachstum zu stoppen bzw. Grünzonen und Kleingärten zu schaffen. Durch<br />
das Stadtwachstum und die Erweiterung der Industriezonen im Industriezeitalter<br />
schwinden die klaren Grenzen zwischen Stadt und Land.<br />
Der Verlust an äußeren Grenzlinien geschieht auch durch das Zusammenwachsen<br />
mit Vorstädten und Vororten. Auch die administr<strong>at</strong>iven Eingemeindungen<br />
– reiche Vororte werden aus steuerrechtlichen Gründen eingemeindet<br />
– sind ein Faktor für das Schwinden der Grenzen.<br />
Die heutige städtebauliche Diskussion ist vom Begriff der „Zwischenstadt“<br />
geprägt. Der Begriff betrifft jene Zonen zwischen den Ortschaften in denen<br />
Zersiedelung passiert. Insbesondere im 20. jahrhundert ist das Übergreifen<br />
der Stadt in die Landschaft durch Zersiedlung eine objektive Entwicklungstendenz,<br />
die heutzutage nicht umkehrbar ist. Die ersten suburbanen Zonen<br />
entstehen in den USA. Diese Entwicklung findet nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
auch in Europa st<strong>at</strong>t.<br />
Außer den äußeren sind im Stadtraum auch innere Grenzen oder Grenzlinien,<br />
die den Grundriss der Stadt beeinflussen, vorhanden. Diese inneren Grenzen<br />
sind historisch überlieferte <strong>Elemente</strong>, wie bestehende oder bereits abgetragene<br />
innere Stadtmauern, Residenzen der Macht, geschlossene Klosteranlagen<br />
oder andere religiöse Stätten, Grundstücke für das Militär usw. Die kulturelle<br />
und ethnische Segreg<strong>at</strong>ion (Gettos, Chin<strong>at</strong>owns, „Little Italy“), sowie die wirtschaftliche<br />
und soziale Segreg<strong>at</strong>ion sind ebenfalls Voraussetzungen für die<br />
Entstehung von mehr oder weniger ausgeprägten inneren Grenzlinien. Im In-<br />
RAUMORGANISATION UND PLANEN SS 2006 <strong>03.</strong>1
dustriezeitalter sind es groß angelegte Industrie- und Eisenbahnareale, Flughäfen<br />
und nur zu bestimmten Zeiten zugängliche Geschäftsviertel, die Grenzlinien<br />
im Stadtgrundriss schaffen.<br />
Zwischen den Grenzlinien formieren sich in der Struktur der Stadt Bereiche.<br />
Diese sind Grundrisselemente der Stadtstruktur, die rel<strong>at</strong>iv einheitliche Systeme<br />
bilden. Diese Interpret<strong>at</strong>ion deutet auf zwei Charakteristiken für das Herausbilden<br />
von Bereichen.<br />
Die inhaltlichen Charakteristiken sind:<br />
- die homogene Funktion im gesamten Bereich und<br />
- die einheitliche Gestaltungsidee für den Bereich.<br />
Die formalen Merkmale sind:<br />
- die klare Abgrenzung <strong>des</strong> Bereichs durch Linien (Grenzen und Wege) und<br />
- die homogene Bebauung <strong>des</strong> gesamten Bereichs.<br />
Bitte beachten, dass homogene Bebauung und einheitliche Gestaltung nicht<br />
unbedingt identische Begriffe sind. Eine einheitliche architektonische Gestaltung<br />
kann das Result<strong>at</strong> einer künstlerischen Gestaltungsidee sein einschl. mit<br />
hierarchisch angeordneten Stadträumen (Straßen und Plätzen) und Bauten.<br />
In diesem Fall handelt es sich um inhaltliche Charakteristiken. Sie kann aber<br />
auch das Result<strong>at</strong> eines rel<strong>at</strong>iv „planlosen“ Wachstums oder einer r<strong>at</strong>ionalen<br />
technischen Planung sein, ohne einen künstlerischen Anspruch. Dann könnte<br />
man eher von einem formalen Charakteristikum sprechen. Sinngemäß lassen<br />
sich hier keine eindeutigen Abgrenzungen zwischen den begriffen Einheit und<br />
Homogenität setzen.<br />
Bei klaren Abgrenzungen der einzelnen Bereiche zueinander (Grenzlinien)<br />
und gleichzeitig immanent homogenen Inhalten und Formen der einzelnen<br />
Bereiche entstehen klare Stadtstrukturen. Diese Klarheit oder „Lesbarkeit“ der<br />
Stadtstruktur wird verstärkt, wenn die Bereiche untereinander inhaltlich und<br />
formal kontrastieren. Umgekehrt: die unklaren Abgrenzungen, die Heterogenität<br />
der Funktionen, Stadträume und Bauformen und letztendlich das Fehlen<br />
übergeordneter Gestaltungsideen machen die Stadtstruktur schwer lesbar.<br />
In Verbindung mit den Begriffen Stadtstruktur und Stadtbereiche ist insbesondere<br />
die strukturierende Rolle der Grünanlagen und Freiräume zu unterstreichen.<br />
Große grüne Bereiche kontrastieren zu den bebauten Bereichen und<br />
gliedern die Stadt in mehreren <strong>Elemente</strong>n auf. Sie bringen auch Sequenzen in<br />
der Wahrnehmung der Stadt. Ein wichtiger Beitrag <strong>des</strong> modernen Städtebaus<br />
im 20. Jahrhundert ist die Bestrebung nach zusammenhängenden Grünsystemen<br />
in der Stadt. Hier kommen hygienische, ökologische und ästhetische<br />
Aspekte der Stadtplanung zum tragen. Inbegriffen ist hier auch die Erhaltung<br />
bestehender intensiv begrünter Wohnquartiere zu zusammenhängenden Systemen.<br />
<strong>03.</strong>2<br />
RAUMORGANISATION UND PLANEN SS 2006
Die abstrakten Schemen dieser Planungsideen sind auf folgende <strong>Elemente</strong> zurück<br />
zu führen:<br />
- Grünkeile, die vom Stadtumland in die Stadtstruktur eindringen und eine<br />
Gliederung der Stadt in Segmente nach sich ziehen<br />
- Grüngürtel, die die Stadt oder die kompakte Stadtmitte umgeben<br />
- kombinierte Formen.<br />
Die Zielvorstellung zusammenhängender Grünräume findet in den letzten<br />
Jahrzehnten auch in regionalen Planungskonzepten Anwendung.<br />
Sind die äußeren und inneren Grenzlinien prägend für die Organis<strong>at</strong>ion <strong>des</strong><br />
Stadtraums, so sind die Wegeführungen jene Strukturelemente, die den Stadtgrundriss<br />
bis in den kleinen Maßstab definieren. Die Wegeführungen sind die<br />
grundlegenden <strong>Elemente</strong> <strong>des</strong> Raums. Alle anderen <strong>Elemente</strong> bauen auf sie<br />
auf. Bei der Entstehung der Wegeführungen gibt es in der Hauptsache drei<br />
Vorgänge:<br />
- Beim Bewegen prüft man die Landschaft auf dazwischen liegende Ziele<br />
(Anhaltspunkte), meistens auf die entferntesten Punkte, die man einsehen<br />
kann. Man versucht mehr oder weniger den geraden Weg zwischen<br />
diesen Punkten zu gehen. Das h<strong>at</strong> den n<strong>at</strong>ürlichen Effekt, dass man beim<br />
Gehen Ecken abschneidet und Diagonalen geht, weil das die Möglichkeiten<br />
sind den Ausgangspunkt und das zu erreichende Ziel mit einer<br />
möglichst geraden Linie zu verbinden.<br />
- Das dazwischen liegende ändert sich dauernd. Je weiter man geht, <strong>des</strong>to<br />
eher sieht man um die Ecken. Wenn man immer gerade auf einen weit<br />
entfernten Punkt zugeht und dieser Endpunkt sich dauernd ändert, wird<br />
man sicherlich in einer leichten Kurve gehen.<br />
- Wenn man aber nicht unbedingt auf diese veränderbare Richtung besteht<br />
und nicht die ganze Zeit auf die beste und kürzeste Richtung sinnt,<br />
dann legt man seinen Weg so fest, dass man sich voraussehbare Ziele<br />
herausnimmt – herausragende Punkte – die mehr oder weniger in der<br />
gewünschten Richtung liegen. Das menschliche Auge ist so bedingt, dass<br />
man ungefähr 100 Meter weit den nächsten Zielpunkt sucht und wenn<br />
man diesen Punkt erreicht h<strong>at</strong>, sucht man sich einen neuen und geht auf<br />
diesen zu.<br />
Die passende Anordnung der Wege für die Orientierung im Raum ist daher<br />
jene, die mit genügend Zwischenzielen ausgest<strong>at</strong>tet ist, damit dieser Prozess<br />
überhaupt funktioniert. Sind diese nicht oder sind zu wenig vorhanden<br />
wird der Gehprozess unnötig schwieriger. Jene Orientierungspunkte, die mit<br />
n<strong>at</strong>ürlichen Standorten übereinkommen, sind am günstigsten angelegt und<br />
sollten in das Wegenetz integriert werden. Die Wege können gerade oder<br />
gekrümmt sein und sollen um die wichtigen Punkte herum anschwellen.<br />
Die städtische Straße ist eine Weiterentwicklung <strong>des</strong> Weges, der Bewegungs-<br />
und Erschließungslinien. Später tauchen Differenzierungen zwischen<br />
Hauptstraßen und lokalen Verbindungen auf. Straßen sind der Schaupl<strong>at</strong>z<br />
RAUMORGANISATION UND PLANEN SS 2006 <strong>03.</strong>3
eines unendlichen Konflikts zwischen öffentlichen und priv<strong>at</strong>en Interessen.<br />
Die Straße h<strong>at</strong> ihre Berechtigung nur als öffentlichen Raum und gibt deutlich<br />
dem öffentlichen Bereich den Vorrang vor den Ansprüchen der Priv<strong>at</strong>en. Die<br />
priv<strong>at</strong>en Anlieger gewinnen über den Straßenraum eine öffentliche Bedeutung.<br />
Die Straße strukturiert den städtischen Raum und besitzt einen politischen<br />
und funktionalen Aspekt.<br />
Funktionen der Straße:<br />
- Verbindung und Erschließung von Wohnen und Wirtschaft<br />
- Schaupl<strong>at</strong>z <strong>des</strong> Handels und der Dienstleistungen<br />
- Schaupl<strong>at</strong>z der Macht und der Ideologie<br />
- Äußerung der Lebenskultur.<br />
Die Raumorganis<strong>at</strong>ion der Straße wird mit Grenzen reglementiert:<br />
- norm<strong>at</strong>ive Dokumente für die öffentliche Sicherheit und für die Gesundheit,<br />
- Sichern <strong>des</strong> Verkehrsflusses (Funktionstüchtigkeit) durch breite, Bürgersteige,<br />
Straßenbefestigungen,<br />
- Ästhetische Reglementierungen über Raumgröße und Gestaltung <strong>des</strong><br />
Architekturrahmens.<br />
Der Charakter einer Straße wird bereits in ihrer Grundrissform vorgeprägt.<br />
Straßen können abstoßend oder anziehend sein. Sie können die Leute hinaustreiben<br />
oder zum Aufenthalt animieren durch entsprechende Gestaltung<br />
als Kommunik<strong>at</strong>ionsraum. Konvexe (gekrümmte) Straßen und jene, die eine<br />
Ausbuchung in der Mitte <strong>des</strong> öffentlichen Weges besitzen bzw. deren Enden<br />
enger gefasst sind, so dass der weg eine Umrahmung formt, laden eher zum<br />
Verweilen ein.<br />
Grenzüberwindungen (Wege über Grenzen) sind markante Abschnitte einer<br />
Wegeführung, die emotionale Wahrnehmungen hervorrufen. Aufgrund ihrer<br />
Einzigartigkeit sind sie auch sehr wichtig für die Orientierung.<br />
Brennpunkte sind die Fokuspunkte <strong>des</strong> urbanen Lebens und sind symbolträchtig<br />
für Stadtbereiche und/oder ganze Städte. Sie sind jene <strong>Elemente</strong> im<br />
Stadtgrundriss, in denen sich Wegeführungen, Bereiche und Nutzungen überlagern.<br />
Sie sind eine Art „Gelenke“ der Stadtstruktur. Brennpunkte sind durch<br />
besondere Intensität der Nutzung charakterisiert. Ihr Orientierungs- und Symbolwert<br />
steigt mit der Bedeutung ihrer Lage in der Stadt, der Inhalte und der<br />
Qualität und Einzigartigkeit der konkreten stadträumlichen Organis<strong>at</strong>ion. Dieser<br />
Wert kann unter Umständen durch die Qualität der Bauwerke gesteigert<br />
werden. Wichtig ist dabei, dass die Organis<strong>at</strong>ion <strong>des</strong> Stadtraums erstrangig<br />
(und auch ohne die unterstützende Rolle <strong>des</strong> Architekturrahmens) den Brennpunkt<br />
prägt.<br />
<strong>03.</strong>4<br />
RAUMORGANISATION UND PLANEN SS 2006
II. Der Stadtraum Der Grundriss ist wichtig, jedoch nicht bestimmend für die Organis<strong>at</strong>ion<br />
<strong>des</strong> Raums. Es sind die <strong>Elemente</strong> in der dritten Dimension, die den Raum<br />
in seiner Größenwirkung prägen. Der Grundriss wird vom Betrachter über<br />
die Wahrnehmung <strong>des</strong> Raums in seinen drei Dimensionen verstanden. Die<br />
Wirkung eines jeden Raums wird in der dritten Dimension von abstrakten<br />
Linien und Flächen bestimmt. Beim „Wegdenken“ von konkreten formalen<br />
Gestaltungselementen der Raumabgrenzenden Baumassen, können nur jene<br />
<strong>Elemente</strong> abstrahiert werden, die den Raum definieren:<br />
- Baufluchten<br />
- Raumkanten (Traufen, Gebäudeecken und –kanten, Firstlinien usw.)<br />
- andere lineare oder punktuelle <strong>Elemente</strong><br />
Die Baufluchten und Raumkanten bestimmen die Proportionen der abstrakten<br />
raumabgrenzenden Flächen (Gebäudefassaden, Arkaden, Vorbauten usw.).<br />
Die Entwicklung der modernen Straße ist vom Verlust an klaren Raumdefinitionen<br />
begleitet. Das Auflösen <strong>des</strong> traditionellen, geschlossenen Straßenraums<br />
ist auf die technokr<strong>at</strong>ischen Aspekte der modernen Stadt, die bereits im 19.<br />
Jahrhundert die Überhand bekommen, zurückzuführen. Im 19. Jahrhundert<br />
haben ästhetische Aspekte nur bei der Organis<strong>at</strong>ion <strong>des</strong> Straßenraums repräsent<strong>at</strong>iver<br />
Boulevards eine Rolle gespielt, wobei hier der Einfluss <strong>des</strong> barocken<br />
Stils unverkennbar ist. Als eine Reaktion auf die technokr<strong>at</strong>ische Stadtplanung<br />
<strong>des</strong> 19. Jahrhunderts kommen die künstlerischen Ideen von Unwin und Sitte<br />
(pittoresker Städtebau). Nicht zuletzt werden die Ideen <strong>des</strong> künstlerischen<br />
Städtebaus durch die englische Gartenstadtidee genährt.<br />
Der To<strong>des</strong>stoß für den traditionellen geschlossenen Straßentypus kommt<br />
durch die modernistischen Ideen von Le Corbusier (Licht, Luft, Grünanlagen,<br />
soziale Gleichheit) und die k<strong>at</strong>egorische Trennung von Auto-, Bahn- und Fußgängerverkehr.<br />
In den 70er Jahren entstehen mit der Wiedergeburt <strong>des</strong> geschlossenen<br />
Straßenraums die Fußgängerstraßen in den Einkaufszentren und<br />
in den Wohnanlagen.<br />
Der Pl<strong>at</strong>z als öffentlicher Raum dient der Gemeinschaftsbildung und dem Austragen<br />
von Konflikten. Die Organis<strong>at</strong>ion <strong>des</strong> Pl<strong>at</strong>zraums h<strong>at</strong> sich geschichtlich<br />
in der dualistischen Polarität zwischen bürgerlichem Selbstbewusstsein und<br />
zentraler Macht bewegt. Die Funktionen <strong>des</strong> Pl<strong>at</strong>zes:<br />
- Bürgerforum<br />
- Exerzierpl<strong>at</strong>z<br />
- Markt<br />
- Spiele<br />
- Verkehr<br />
- Wohnen u.a.<br />
RAUMORGANISATION UND PLANEN SS 2006 <strong>03.</strong>5
Die Lage der Plätze ist sowohl das Result<strong>at</strong> eines Zufalls der Stadtentwicklung,<br />
als auch das Ergebnis bewusster Planung:<br />
- am ehemaligen Stadtrand,<br />
- im Zuge der Stadterweiterung,<br />
- im Zuge eines Stadtumbaus<br />
- als Hauptpl<strong>at</strong>z in der Stadtmitte oder<br />
- als System von Plätzen.<br />
Die Form der geplanten Pl<strong>at</strong>zanlagen ist sowohl aus funktionalen Überlegungen<br />
zustande gekommen, als auch aus dem Bedürfnis der Repräsent<strong>at</strong>ion von<br />
wirtschaftlicher und politischer Macht, wobei Letzteres in totalitären Gesellschaftssystemen<br />
in überdimensionalen Maßstäben ausuferte.<br />
Der öffentliche Pl<strong>at</strong>z ist gleichzeitig ein Medium für den Inform<strong>at</strong>ionsaustausch.<br />
Diese Funktion stirbt seit dem Ende <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts langsam<br />
ab. Moderne Versorgungssysteme haben den Brunnen als Treffpunkt unnütz<br />
gemacht. Die neuen Inform<strong>at</strong>ionsmedien haben auch die Notwendigkeit der<br />
Diskussionsaustragung im öffentlichen Raum abgeschwächt. Auch dämpft die<br />
Säkularisierung <strong>des</strong> öffentlichen Lebens die Manifest<strong>at</strong>ionen von Macht und<br />
Glauben. Heute haben die Plätze eine Chance nur als Erlebnisräume – nicht<br />
der Raum, sondern das Erlebnis ist ausschlaggebend.<br />
Ein neuer Typus von städtischem Raum ist das Gestalten von Grünräumen<br />
und Plazas um Bürobauten, die als St<strong>at</strong>ussymbole gelten, oder in Verbindung<br />
mit Einkaufszentren (Shopping Mall). Passagen und Atrien sind auch eine Art<br />
städtische Plätze. Bei diesen Typen geht es aber um die priv<strong>at</strong>e Verfügung<br />
über den freien Raum, denn alle diese Räume sind nicht in der Zuständigkeit<br />
der Stadtverwaltung.<br />
Eine Besondere Bedeutung bei der Organis<strong>at</strong>ion der öffentlichen Straßen und<br />
Plätze kommt den Treppen und Rampen zu. Ihre Wirkung geht sehr oft weit<br />
über das Funktionale (das Überwinden von Höhenunterschieden) hinaus und<br />
sie gewinnen einen Stellenwert als Aufenthaltsräume.<br />
Folgende <strong>Elemente</strong> der Raumabgrenzung sind für die Organis<strong>at</strong>ion der städtischen<br />
Räume von Bedeutung:<br />
- der Charakter der Gebäudefläche<br />
- Arkaden und Loggien<br />
- der Eingang<br />
- die Gruppe von Eingängen<br />
- offene Stiegen<br />
- Laubengänge und andere Erschließungen<br />
Diese <strong>Elemente</strong> tragen eine sehr wichtige verbindende Funktion: Sie organi-<br />
<strong>03.</strong>6<br />
III. <strong>Elemente</strong> der Raumabgrenzung<br />
RAUMORGANISATION UND PLANEN SS 2006
Liter<strong>at</strong>ur zum Thema: Kevin Lynch: Das Bild der Stadt<br />
sieren den Übergang vom öffentlichen zum priv<strong>at</strong>en Raum, vom Außen- zum<br />
Innenraum. In diesem Sinn bestimmen sie nicht nur die Raumorganis<strong>at</strong>ion<br />
<strong>des</strong> städtischen Raums, sondern prägen auch die innere Raumorganis<strong>at</strong>ion<br />
der Gebäude bzw. der Gebäudekomplexe.<br />
Lynch, Kevin: Das Bild der Stadt. Braunschweig: Vieweg, 1975.<br />
Christopher Alexander: A P<strong>at</strong>tern Language. 12-C-32<br />
Alexander, Christopher: Eine Muster-Sprache. Städte, Gebäude, Konstruktion.<br />
Wien: Löcker, 1995.<br />
Camillo Sitte: Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen.<br />
Sitte, Camillo: Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen.Vermehrt<br />
um „Großstadtgrün“. Reprint d. 4. Aufl. von 1909. Braunschweig [u.a.]:<br />
Vieweg, 1983.<br />
Ching, Francis D.K.: Architecture: Form, Space & Order<br />
Ching, Francis: Die Kunst der Architekturgestaltung als Zusammenklang von<br />
Form, Raum und Ordnung. Überarb. und erw. Neuausg. . Augsburg: Augustus-Verlag,<br />
1996.<br />
RAUMORGANISATION UND PLANEN SS 2006 <strong>03.</strong>7
<strong>03.</strong>8<br />
RAUMORGANISATION UND PLANEN SS 2006
<strong>03.</strong> Abbildungen<br />
01<br />
Der Stadtgrundriss – die Raumorganis<strong>at</strong>ion in<br />
zwei Dimensionen<br />
02<br />
Äußere Stadtgrenze – Stadtmauer<br />
03<br />
Äußere Stadtgrenze – Gelän<strong>des</strong>tufe<br />
04<br />
Äußere Stadtgrenze – Wasserkante<br />
05<br />
Innere Stadtgrenze – Fluss<br />
06<br />
Innere ethnische und politische Stadtgrenze<br />
07 | 08<br />
Funktional und architektonisch homogene,<br />
klar abgegrenzte Stadtbereiche<br />
01 02<br />
03 04<br />
05 06<br />
07 08<br />
RAUMORGANISATION UND PLANEN SS 2006 <strong>03.</strong>9
09 10<br />
11 12<br />
13 14<br />
<strong>03.</strong>10<br />
09<br />
Repräsent<strong>at</strong>ives Muster als Differenzierung zu<br />
benachbarten Bereichen<br />
10<br />
Gewachsenes, „chaotisches“, homogenes Muster<br />
eines Stadtbereichs<br />
11<br />
Bereich mittelalterliche Altstadt<br />
12<br />
Bereich gründerzeitliche Stadt<br />
13<br />
Klar abgegrenzter Grünbereich<br />
14<br />
Unklar abgegrenzter Grünbereich<br />
RAUMORGANISATION UND PLANEN SS 2006
15<br />
Grünbereiche als zusammenhängen<strong>des</strong> System<br />
im Stadtgrundriss<br />
16<br />
Innere Stadtgrenze – Infrastruktur<br />
17<br />
Wegeentstehung<br />
18<br />
Geradlinige funktionale Wegeführung<br />
19<br />
Geradlinige repräsent<strong>at</strong>ive Wegeführung<br />
20<br />
Unterschiedliche Straßentypologien<br />
15<br />
17<br />
18<br />
Körösistraße und Theodor-Körner Str., Graz 19<br />
20<br />
RAUMORGANISATION UND PLANEN SS 2006 <strong>03.</strong>11<br />
16
21<br />
23<br />
24<br />
28<br />
30<br />
<strong>03.</strong>12<br />
22<br />
25<br />
26<br />
29<br />
31<br />
21 | 22<br />
Wegeführungen einen Bereich teilend<br />
23 - 25<br />
Brücke als markantes Element der Wegeführung<br />
26 | 27<br />
Brückenkopf als markantes Element <strong>des</strong> Stadtgrundrisses<br />
28 |29<br />
Brennpunkt<br />
30 | 31<br />
Raumdefinierende <strong>Elemente</strong> - Raumkanten<br />
RAUMORGANISATION UND PLANEN SS 2006
32 - 38<br />
Raumdefinierende <strong>Elemente</strong> - Raumkanten<br />
39<br />
Abgeschlossener Straßenraum<br />
32<br />
34 33<br />
35<br />
36<br />
37<br />
RAUMORGANISATION UND PLANEN SS 2006 <strong>03.</strong>13<br />
38<br />
39
40<br />
42<br />
43<br />
44<br />
45<br />
45<br />
<strong>03.</strong>14<br />
41<br />
46<br />
46<br />
47<br />
40 | 41<br />
Raumdefinierende <strong>Elemente</strong> - Raumkanten<br />
42<br />
Geplante, organische Wegeführung im<br />
Einkaufszentrum<br />
43<br />
Mittelalterlicher, geschlossener Pl<strong>at</strong>z mit<br />
freigehaltener Pl<strong>at</strong>zmitte und in den Pl<strong>at</strong>zecken<br />
einmündenden Wegeführungen<br />
44<br />
Absolutistischer, geschlossener Pl<strong>at</strong>z mit<br />
symbolischem Objekt in der Pl<strong>at</strong>zmitte und<br />
zentrierenden Wegeführungen<br />
45<br />
Absolutistischer, halboffener Pl<strong>at</strong>z mit<br />
symbolischem Objekt in der Achse<br />
46<br />
Absolutistischer, offener Pl<strong>at</strong>z mit symbolischem<br />
Objekt in der Pl<strong>at</strong>zmitte und zentrierenden<br />
Wegeführungen<br />
47<br />
Mittelalterlicher Pl<strong>at</strong>z mit unregelmäßiger<br />
Konfigur<strong>at</strong>ion mit gestalteter freier Pl<strong>at</strong>zmitte<br />
RAUMORGANISATION UND PLANEN SS 2006
48 | 50<br />
Moderne Pl<strong>at</strong>zgestaltung vor einem Büroturm<br />
49<br />
Durch Veget<strong>at</strong>ion abgeschlossener öffentlicher<br />
Pl<strong>at</strong>zraum<br />
51<br />
Moderne Straßengestaltung durch massive<br />
Grünelemente<br />
52 - 54<br />
Beispiel: moderne Freiraumgestaltung, Park<br />
Citroen, Paris<br />
49<br />
51<br />
51<br />
53<br />
RAUMORGANISATION UND PLANEN SS 2006 <strong>03.</strong>15<br />
48<br />
48<br />
50<br />
52<br />
54
55<br />
57<br />
59<br />
60<br />
<strong>03.</strong>16<br />
56<br />
58<br />
61<br />
55 | 56<br />
Beispiel: moderne Freiraumgestaltung, Park<br />
Citroen, Paris<br />
57 - 61<br />
Stufen und Rampen im öffentlichen Stadtraum<br />
RAUMORGANISATION UND PLANEN SS 2006
62<br />
K<strong>at</strong>egorische raumabgrenzende Fläche<br />
63<br />
Transparente raumabgrenzende Fläche<br />
64 | 65<br />
Primäre und sekundäre Raumabgrenzung<br />
66<br />
Eingangssitu<strong>at</strong>ion – Gebäuderücksprung<br />
67<br />
Eingangssitu<strong>at</strong>ion – Zwischenraum<br />
68<br />
Eingangssitu<strong>at</strong>ion durch konkave Anordnung<br />
der Bauten<br />
69<br />
Symmetrische Komposition als Zufahrt<br />
62<br />
65<br />
66<br />
68<br />
RAUMORGANISATION UND PLANEN SS 2006 <strong>03.</strong>17<br />
63<br />
64<br />
67<br />
69
70<br />
71<br />
73<br />
74<br />
<strong>03.</strong>18<br />
72<br />
75<br />
76 77<br />
70<br />
Eingangssitu<strong>at</strong>ion durch Öffnen der Gebäudeelemente<br />
71<br />
Erschließung durch offene Stiegen<br />
72<br />
Offene Erschließung und Raumabgrenzung<br />
73 - 77<br />
Brücke als Element der Raumabgrenzung<br />
RAUMORGANISATION UND PLANEN SS 2006