Wiener Gesundheits- und Sozialsurvey Vienna Health and Social ...
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I. THEORIE, STICHPROBE, METHODEN Theoretisches Konzept<br />
sich im salutogenetischen Prozess negativ auswirken<br />
könnten. Im Kontext eines solchen Verständnisses von<br />
Ges<strong>und</strong>heit wird das <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>h<strong>and</strong>eln einer Person<br />
(im weitesten Sinn) von den unterschiedlichsten Systemen<br />
determiniert. Aus dieser Sicht entsteht Ges<strong>und</strong>heit<br />
durch die Fähigkeit des Organismus, sein eigenes<br />
H<strong>and</strong>eln <strong>und</strong> seine Physiologie zu regulieren, wobei<br />
der Informationsaustausch auf allen Organisationsebenen<br />
(von einfachen Molekülen bis zu sozialen/kulturellen<br />
Interaktionen) mitbestimmend ist (WEINER, 1990,<br />
1991).<br />
1.1.4 Was ist <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung?<br />
Ein wesentliches Charakteristikum der <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
ist die Abkehr von der (alleinigen) Suche<br />
nach Risikofaktoren für spezifische Krankheiten <strong>und</strong><br />
die Hinwendung zur (krankheitsunspezifischen) Frage:<br />
„Wie <strong>und</strong> wo wird Ges<strong>und</strong>heit hergestellt?“ (Salutogenese)<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung nach dem Verständnis der<br />
Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation (WHO) setzt bei der<br />
Analyse <strong>und</strong> Stärkung der <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>ressourcen <strong>und</strong><br />
-potenziale der Menschen <strong>und</strong> auf allen gesellschaftlichen<br />
Ebenen an. <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung umfasst Maßnahmen,<br />
die auf die Veränderung <strong>und</strong> Förderung sowohl<br />
des individuellen <strong>und</strong> des kollektiven <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>verhaltens<br />
als auch der Lebensverhältnisse abzielen<br />
– der Rahmenbedingungen, die Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong><br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>verhalten jedes einzelnen <strong>und</strong> ganzer Bevölkerungsgruppen<br />
beeinflussen (BRÖSSKAMP-<br />
STONE, KICKBUSCH & WALTER, 1998).<br />
Ziele <strong>und</strong> Strategien zur Förderung der Ges<strong>und</strong>heit<br />
<strong>und</strong> Schaffung bzw. Erhaltung ges<strong>und</strong>er Umwelten<br />
sind in der Ottawa-Charta verankert, die im Rahmen<br />
der 1. Internationalen Konferenz zur <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
der WHO in Ottawa 1986 verabschiedet wurde.<br />
In der Ottawa-Charta heißt es: „<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres<br />
Maß an Selbstbestimmung über ihre Ges<strong>und</strong>heit zu<br />
ermöglichen <strong>und</strong> sie damit zur Stärkung ihrer Ges<strong>und</strong>heit<br />
zu befähigen. Um ein umfassendes körperliches,<br />
seelisches <strong>und</strong> soziales Wohlbefinden zu erlangen, ist<br />
es notwendig, dass sowohl Einzelne als auch Gruppen<br />
ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre Wünsche <strong>und</strong> Hoff-<br />
54<br />
nungen wahrnehmen <strong>und</strong> verwirklichen sowie ihre<br />
Umwelt meistern bzw. sie verändern können. In diesem<br />
Sinne ist die Ges<strong>und</strong>heit als ein wesentlicher Best<strong>and</strong>teil<br />
des alltäglichen Lebens zu verstehen <strong>und</strong><br />
nicht als vorrangiges Lebensziel. Ges<strong>und</strong>heit steht für<br />
ein positives Konzept, das in gleicher Weise die Bedeutung<br />
sozialer <strong>und</strong> individueller Ressourcen für die Ges<strong>und</strong>heit<br />
betont wie die körperlichen Fähigkeiten. Die<br />
Verantwortung für <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung liegt deshalb<br />
nicht nur bei dem <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>sektor, sondern bei allen<br />
Politikbereichen <strong>und</strong> zielt über die Entwicklung gesünderer<br />
Lebensweisen hinaus auf die Förderung von<br />
umfassendem Wohlbefinden hin.“ (WHO, Ottawa-<br />
Charta, 1986)<br />
Entsprechend der WHO-Definition von Ges<strong>und</strong>heit<br />
werden soziale <strong>und</strong> individuelle Ressourcen gleichermaßen<br />
betont wie körperliche Fähigkeiten. Ges<strong>und</strong>heit<br />
wird als ein wesentlicher Best<strong>and</strong>teil des Alltags verst<strong>and</strong>en<br />
– <strong>und</strong> nicht als vorrangiges Lebensziel. <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung<br />
hat im Sinne der WHO einen<br />
emanzipatorischen Charakter.<br />
Zielgruppen der <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung sind alle Menschen<br />
jeder Altersgruppe, <strong>und</strong> es gilt, bestehende erhebliche<br />
Ungleichheiten in der <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>- <strong>und</strong> Lebenserwartung<br />
unterschiedlicher sozialer Gruppen zu<br />
reduzieren. Soziale Gerechtigkeit <strong>und</strong> Chancengleichheit<br />
stellen ebenso Gr<strong>und</strong>voraussetzungen für die Ges<strong>und</strong>heit<br />
dar wie Frieden, angemessene Wohnbedingungen,<br />
Bildung, Ernährung, ein stabiles Ökosystem<br />
<strong>und</strong> eine sorgfältige Verwendung vorh<strong>and</strong>ener Naturressourcen<br />
(WHO, Ottawa-Charta, 1986; WHO, Genf,<br />
1997).<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>förderung verbindet verschiedene Strategien<br />
der ges<strong>und</strong>heitsförderlichen Veränderung von Lebens-,<br />
Lern- <strong>und</strong> Arbeitsbedingungen <strong>und</strong> solche zur<br />
Förderung ges<strong>und</strong>heitsbezogenen Erlebens <strong>und</strong> H<strong>and</strong>elns<br />
der Menschen.<br />
Drei Ebenen lassen sich unterscheiden:<br />
● politisch-ökonomische Ebene:<br />
eine gesellschaftspolitische Strategie der Ressourcenentwicklung<br />
zur Sicherung der für Ges<strong>und</strong>heit<br />
gr<strong>und</strong>legenden Lebensressourcen (Arbeit, Einkommen,<br />
Nahrung, Wohnung), zur Bekämpfung<br />
von sozialer Benachteiligung (z. B. durch Armut,<br />
Arbeitslosigkeit, etc.) sowie zur Erhaltung bzw.<br />
Wiederherstellung einer sicheren Umwelt.<br />
WIENER GESUNDHEITS- UND SOZIALSURVEY