18.07.2013 Aufrufe

Wiener Gesundheits- und Sozialsurvey Vienna Health and Social ...

Wiener Gesundheits- und Sozialsurvey Vienna Health and Social ...

Wiener Gesundheits- und Sozialsurvey Vienna Health and Social ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

I. THEORIE, STICHPROBE, METHODEN Theoretisches Konzept<br />

erweitert. Damit wird die Gr<strong>und</strong>lage für ein ganzheitliches,<br />

d. h. die physischen, psychischen <strong>und</strong> sozialen Lebensbereiche<br />

des Menschen umfassendes <strong>und</strong> diese integrierendes<br />

Konzept geschaffen. Diese Erweiterung des<br />

Verständnisses von Ges<strong>und</strong>heit ist sowohl eine Konsequenz<br />

aus der Erkenntnis bestimmter Grenzen des<br />

„klassischen“ medizinischen Ansatzes als auch eine Folge<br />

des Wissens um die soziale Ungleichverteilung von<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>chancen <strong>und</strong> Krankheitsrisiken.<br />

Die solchermaßen erweiterte <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>definition<br />

hat neben der Integration des psychosozialen Bereiches<br />

drei weitere Implikationen, die sich in fast allen<br />

modernen <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>konzepten wiederfinden.<br />

● Ges<strong>und</strong>heit hat Prozesscharakter, sie ist kein Zust<strong>and</strong>,<br />

sondern ein immer wieder aufs Neue herzustellendes<br />

„Gleichgewicht“.<br />

● Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Krankheit entziehen sich einer eindimensionalen,<br />

monokausalen Erklärung. Sie sind<br />

das Ergebnis eines von vielen Faktoren beeinflussten<br />

Prozesses.<br />

● Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Krankheit haben eine subjektive<br />

Dimension. In Abgrenzung von der biomedizinischen<br />

Sicht, in der Krankheit an eine (zumindest<br />

scheinbar) objektivierbare Diagnose geb<strong>und</strong>en<br />

wird, ist Wohlbefinden auch subjektiv bestimmt<br />

(GERBER & STÜNZNER, 1999).<br />

Moderne <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>begriffe gehen davon aus, dass<br />

Austauschprozesse zwischen Individuen <strong>und</strong> Umwelt<br />

sowie auch Wahrnehmungsprozesse <strong>und</strong> Bewältigungsstrategien<br />

von Individuen, aber auch die Umwelt<br />

selbst für Ges<strong>und</strong>heit von größter Bedeutung sind. Damit<br />

ist Ges<strong>und</strong>heit kein statischer Zust<strong>and</strong>, sondern<br />

ein dynamisches Gleichgewicht zwischen physischen,<br />

psychischen <strong>und</strong> sozialen Schutz- <strong>und</strong> Abwehrmechanismen<br />

einerseits <strong>und</strong> potenziell krankmachenden<br />

Einflüssen der physikalischen, biologischen <strong>und</strong> sozialen<br />

Umwelt <strong>and</strong>ererseits. Notwendig ist ein ständiges<br />

Ausgleichen von Belastungen <strong>und</strong> Herstellen von Ges<strong>und</strong>heit<br />

durch das Individuum (FREIDL, 1994).<br />

Die WHO spricht seit Ende der 40er Jahre von mehreren<br />

Dimensionen von Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Wohlbefinden:<br />

von der physischen, psychischen, sozialen <strong>und</strong> geistigen<br />

sowie seit Ende der 80er Jahre auch von der ökologischen<br />

<strong>und</strong> spirituellen (im Sinne von Lebenssinn)<br />

Dimension (BRÖSSKAMP-STONE et al. 1998). Sie umschreibt<br />

Ges<strong>und</strong>heit als individuell erlebtes, physi-<br />

WIENER GESUNDHEITS- UND SOZIALSURVEY<br />

sches, psychisches <strong>und</strong> soziales Wohlbefinden <strong>und</strong> unterstreicht<br />

damit die subjektive Dimension von Ges<strong>und</strong>heit.<br />

Das, was Menschen unter Ges<strong>und</strong>heit verstehen<br />

oder mit Ges<strong>und</strong>heit assoziieren, ist von ihrem gesellschaftlich-kulturellen<br />

Hintergr<strong>und</strong> abhängig. Damit<br />

prägen Faktoren wie Lebensphase, Alter, soziale Herkunft,<br />

Bildungsgrad, Geschlecht, Erziehung <strong>und</strong> die<br />

Strukturen des <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>wesens das <strong>Ges<strong>und</strong>heits</strong>verständnis<br />

des einzelnen <strong>und</strong> von Gruppen (SCHNEI-<br />

DER, 1990; SCHAEFER, 1990; KICKBUSCH, 1985).<br />

Ges<strong>und</strong>heit ist also kein eindeutig definierbares Konstrukt;<br />

sie ist schwer fassbar <strong>und</strong> nur schwer zu beschreiben.<br />

Heute besteht in den Sozialwissenschaften<br />

<strong>und</strong> der Medizin Einigkeit darüber, dass Ges<strong>und</strong>heit<br />

mehrdimensional betrachtet werden muss: Neben<br />

körperlichem Wohlbefinden (z. B. positives Körpergefühl,<br />

Fehlen von Beschwerden <strong>und</strong> Krankheitsanzeichen)<br />

<strong>und</strong> psychischem Wohlbefinden (z. B. Freude,<br />

Glück, Lebenszufriedenheit) gehören auch Leistungsfähigkeit,<br />

Selbstverwirklichung <strong>und</strong> Sinnfindung dazu.<br />

Ges<strong>und</strong>heit hängt ab vom Vorh<strong>and</strong>ensein, von der<br />

Wahrnehmung <strong>und</strong> dem Umgang mit Belastungen,<br />

von Risiken <strong>und</strong> Gefährdungen durch die soziale <strong>und</strong><br />

ökologische Umwelt sowie vom Vorh<strong>and</strong>ensein, von<br />

Wahrnehmung, Erschließung <strong>und</strong> Inanspruchnahme<br />

von Ressourcen. Die sozialwissenschaftlichen Definitionsversuche<br />

des Phänomens Ges<strong>und</strong>heit zeichnen sich<br />

dabei durch eine Komplexität aus, die historisch als<br />

neu zu betrachten ist (BENGEL et al., 1998).<br />

Ressourcen für Ges<strong>und</strong>heit werden üblicherweise in<br />

interne oder individuelle (physische <strong>und</strong> psychische)<br />

<strong>und</strong> externe (physikalische, materielle, ökologische,<br />

kulturelle, organisationale, etc.) Ressourcen eingeteilt.<br />

Interne Ressourcen zur Erhaltung <strong>und</strong> Wiederherstellung<br />

von Ges<strong>und</strong>heit sind auf der emotionalen/affektiven,<br />

kognitiven <strong>und</strong> behavioralen Ebene angesiedelt.<br />

Es h<strong>and</strong>elt sich dabei um Verhaltensweisen <strong>und</strong> Überzeugungen<br />

(„health belief systems“). Externe Ressourcen<br />

sind im sozialen Feld angesiedelt <strong>und</strong> betreffen<br />

dementsprechend die sozialen H<strong>and</strong>lungsmöglichkeiten<br />

einer Person. Beispiele hierfür sind die Erweiterung<br />

struktureller Angebote von Betrieben <strong>und</strong> Gemeinden,<br />

die Erweiterung des Kontrollspielraumes am Arbeitsplatz,<br />

Stärkung von Bildung <strong>und</strong> die Verbesserung sozialer<br />

Unterstützungssysteme.<br />

Diese Ressourcen haben zentrale Bedeutung, wenn es<br />

um Bewältigung (coping) von Belastungen geht, die<br />

53

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!