Kinder – Umwelt – Gesundheit in den neuen Bundesländern - APUG

Kinder – Umwelt – Gesundheit
in den neuen Bundesländern

Reihe Umwelt und Gesundheit, Band 8
Dieses Projekt wurde finanziell vom Bundesumweltministerium und vom
Umweltbundesamt gefördert.
Die Förderer übernehmen keine Gewähr für die Richtigkeit, die Genauigkeit und
Vollständigkeit der Angaben sowie die Beachtung Rechte Dritter. Die geäußerten
Ansichten müssen nicht mit denen der Förderer übereinstimmen.

Thomas Hartmann, Eva Luber (Hrsg.)
Kinder – Umwelt – Gesundheit
in den neuen Bundesländern
Mabuse-Verlag
Frankfurt am Main

Die Deutsche Bibliothek – CIP Einheitsaufnahme
Kinder – Umwelt – Gesundheit in den neuen Bundesländern
Thomas Hartmann; Eva Luber (Hrsg.)
Frankfurt am Main: Mabuse-Verlag, 2001
(Umwelt und Gesundheit; Bd. 8)
© 2001 by Mabuse-Verlag GmbH
Kassler Str. 1a
D-60486 Frankfurt am Main
Tel.: 069/97074071
Fax: 069/704152
www.mabuse-verlag.de
Bearbeitung und Layout: Kathrin Bonk unter Mitarbeit von Silke Springer
Fotos: Kinder der Freien Schule Magdeburg und Kinder aus dem Hort am
Umfassungsweg, Magdeburg, anlässlich der Tagung “Kinder – Umwelt – Gesundheit
in den neuen Bundesländern“ am 25.11.2000 im Rathaus Magdeburg.
Druck: Prisma Verlagsdruckerei, Frankfurt am Main
ISBN 3-933050-82-0
Printed in Germany
Alle Rechte vorbehalten

Inhalt
Vorwort 8
Thomas Hartmann
Grußwort zur Fachtagung 11
Claudia Cramer
Grußwort anläßlich des Publikumstages 13
Katrin Thäger
Referate
Vorstellung des Aktionsprogramms Umwelt und Gesundheit 16
Ursula Gundert-Remy, Gernot Henseler
BUG – das Bündnis Umwelt und Gesundheit 28
Karl Ernst v. Mühlendahl
Kinder-Umwelt-Gesundheit – Ein Bündnis Umwelt und Gesundheit 31
Gerda Pfahl
Lebensumwelt und Gesundheit – Veränderungen für Schulanfänger
seit der Wende im Land Sachsen-Anhalt 34
Hanna Oppermann, Bernd Thriene
Gesundheitssurvey für Kinder und Jugendliche 36
Panagiotis Kamtsiuris, Christian Krause
Gesunde Mobilität bei Kindern - schlaff durch das Mama-Taxi? 39
Armin Falkenhein
Workshops und Ergebnisse
1. „Wen juckt das schon?“ – Kinder und Allergien 47
Kinder und Allergien 48
Marion Grau
Kinder und Allergien 50
Sigrid Scheidt
Asthma bronchiale im Kindesalter 52
Renate Schuster-Wonka
5

Ergebnisse aus dem Workshop 1 54
Cathrin Kubrat
2. „Allzuviel ist ungesund“ –
Kinder und umweltbedingte Gesundheitsstörungen 56
Kinder und umweltbedingte Gesundheitsstörungen 57
Manfred Schikore
Ergebnisse aus dem Workshop 2 67
Dietmar Schymetzko
3. „Ruhe jetzt“ – Kinder und Lärm 68
Kinder und Lärm 69
Bernd Rein, Arlett Schaarschmidt
Ergebnisse aus dem Workshop 3 72
Bernd Rein
4. „Reiches Land- arme Kinder“ –
Kinder und armutsbedingte Umweltbelastungen 74
Kinderumweltgesundheit in Abhängigkeit von der sozialen Lage 75
Eva Luber
Kinder sind eine bedrängte und bedrohte Art (Rote Liste) 78
Jürgen Bilger
Kinderarmut - Die strukturelle Rücksichtslosigkeit der Gesellschaft
gegenüber Kindern 82
Johanna Mierendorff
Ergebnisse aus dem Workshop 4 94
Uta Schröder
5. „Gesund(heit) lernen“ – Gesundheitsförderung in Kindereinrichtungen
und Schulen; „Recht auf Zukunft“ – Ökologische Kinderrechte 96
Das Regionale Unterstützungszentrum (RUZ) der Landesvereingung
für Gesundheit Sachsen-Anhalt e.V. 97
Matthias Ömler
„Zukunft ist jetzt“ – Grundschulkinder lernen für die Zukunft 99
Uta Jelitto, Andrea Lauströer
Erwachsene werden keine Kinder, Kinder aber Erwachsene 107
Marianne Stock
6

Ergebnisse aus dem Workshop 5 113
Matthias Tietz
6. „Daten für Taten“ –
Umweltbezogene Gesundheitsberichterstattung für Kinder 114
Umwelt und Schwangerschaft 115
Regina Lehmann, Dorit Götz
Gütersloher Studie zu Allergien und Atemwegserkrankungen bei Kindern 123
Susanne Moebus
Gesundheitsziele als Planungs- und Steuerungselement einer
übergreifenden Umweltgesundheitspolitik für das Kindesalter 127
Andreas Schoppa
Ergebnisse aus dem Workshop 6 129
Gerda Pfahl
7. Information und Kommunikation – Umwelt und Gesundheit 132
Bürgerbeteiligung am Aktionsprogramm Umwelt und Gesundheit 133
Uwe Kaiser
Ausstellungen
Arzneimittelsicherheit bei Kindern: Sie sind keine kleinen Erwachsenen! 140
Alles was recht ist ...
Ein Projekt von Kindern für Kinder zum Thema Kinderrechte 144
Anhang
Literaturhinweise 147
Autorinnen und Autoren 150
Teilnehmer der Fachtagung am 24.11.2000 153
7

Vorwort
Vorwort
Prof. Dr. Thomas Hartmann
Hochschule Magdeburg-Stendal
Der vorliegende Textband enthält die Beiträge und Ergebnisse der zweitägigen
Tagung 'Kinder-Umwelt-Gesundheit in den neuen Bundesländern', die in
Magdeburg am 24./25. November 2000 stattfand. Die Tagung wurde
gemeinsam von der Hochschule Magdeburg-Stendal (FH) und dem Bund für
Umwelt und Naturschutz (BUND) durchgeführt sowie durch die Arbeitsgruppe
Kindergesundheit der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention
(DGSMP) unterstützt. Ziel der Tagung war es, das Aktionsprogramm 'Umwelt
und Gesundheit' bekannt zu machen, persönliche Kontakte zwischen den
verschiedenen Personen zu knüpfen, umweltbedingte Gesundheitsgefahren für
Kinder vorzustellen und Lösungsansätze für prioritäre Handlungsfelder zu
diskutieren und entwickeln.
Die Tagung in Magdeburg stand im Kontext mit dem vom Bundesumwelt- und
Bundesgesundheitsministerium 1999 auf den Weg gebrachten gemeinsamen
Aktionsprogramm 'Umwelt und Gesundheit' (APUG). Ein Schwerpunkt des
Aktionsprogramms ist der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor
umweltbedingten Gesundheitsbeeinträchtigungen. Die Mitglieder der NRO's,
die das Bündnis für Umwelt und Gesundheit (BUG) bilden, haben sich
nachdrücklich für die Auswahl dieser Zielgruppe eingesetzt. Folgerichtig stehen
für diese empfindlichste Bevölkerungsgruppe nicht einzelne
Schadstoffbelastungen und ihre gesundheitlichen Folgen im Vordergrund,
sondern alle beeinträchtigenden Lebensbedingungen zusätzlich ihrer
psychosozialen Auswirkungen.
Kinder sind umweltbedingten Gesundheitsgefahren infolge ihrer geringen
Größe und den Besonderheiten im Stoffwechsel stärker ausgesetzt als
Erwachsene. Diese Tatsache führt bisher weder in der Gesetzgebung noch im
Alltagshandeln zu einem ausreichenden Vorsorgeschutz. Die
wissenschaftlichen Erkenntnisse über Auswirkungen unserer Umwelt auf die
Gesundheit der Kinder sind äußerst begrenzt. Die Gesundheit von Kindern mit
niedrigem sozialen Status ist am stärksten gefährdet, was u.a. auch durch
armutsabhängige Umweltbelastungen bedingt ist. Verschärft wird die derzeitige
8

Vorwort
Situation durch den Rückgang der Geburtenrate, mit noch unabsehbaren
Folgen für die Wahrnehmung und den Stellenwert von Kindern in der
Gesellschaft. Die grundsätzliche Frage: 'Wie gesund sind unsere Kinder?' lässt
sich derzeit nicht beantworten – eine umfassende Studie zur Gesundheit von
Kindern und Jugendlichen in Deutschland durch das Robert Koch-Institut
beginnt in diesem Monat.
Bei den 1991/92 in Ost- und Westdeutschland getrennt durchgeführten
Gesundheitssurveys wurden erwartete, aber auch unerwartete Unterschiede im
Gesundheitszustand und Gesundheitsverhalten der Bevölkerung festgestellt.
Nach zehn Jahren deutscher Einheit beginnt sich die Erkenntnis durchzusetzen,
das sich verschiedene Komponenten des (chronisch unterfinanzierten)
Gesundheitssystems der DDR – insbesondere auch im Kinderbereich –
durchaus bewährt hatten. Nach zehn Jahren deutscher Einheit mit der
Maßgabe der 'Angleichung der Lebensverhältnisse', sollte in Zukunft
Differenzierung im Vordergrund stehen. Die Information über die unterschiedlich
geprägten Lebensverhältnisse in den neuen Bundesländern und deren
Berücksichtigung im Aktionsprogramm sind Voraussetzung, einen Anreiz zur
Beteiligung zu schaffen. Einer der Gründe für die geringe Beteiligung im Vorfeld
mag in dem Zeitpunkt der Geburtsstunde des europaweiten Aktionsprogramms
liegen, das auf die 80er Jahre zurückgeht. Organisationen des Bündnisses für
Umwelt und Gesundheit konnten diese Phase mitgestalten, was für
unabhängige DDR-Bürger nicht möglich war.
Die Tagung umfasste einen Fachtag und einen Publikumstag. Die Fachtagung
beinhaltete Vorträge zu Veränderungen der Lebensumwelt von Schulanfängern
seit der Wende, dem Aktionsprogramm 'Umwelt und Gesundheit', sowie dem
Planungsstand des bundesweiten Kinder- und Jugendlichensurveys. Folgende
Themen wurden in parallelen Workshops bearbeitet:
Kinder und Allergien
Kinder und umweltbedingte Gesundheitsstörungen
Kinder und Lärm
Kinder und armutsbedingte Umweltbelastungen
Gesundheitsförderung in Kindereinrichtungen und Schulen
Umweltbezogene Gesundheitsberichterstattung für Kinder
Ökologische Kinderrechte
Information und Kommunikation im Aktionsprogramm
9

Vorwort
Die handlungsorientierten Ergebnisse der Workshops ergänzen die jeweiligen
Beiträge. Gemäß den Forderungen des Aktionsprogramms 'Umwelt und
Gesundheit' sollten Themen der umweltbezogenen Kindergesundheit auch der
Publikumsöffentlichkeit präsentiert werden. Das geschah durch ein Angebot an
Vorträgen und Informationsständen unter der Beteiligung von Kindern und
Jugendlichen im Magdeburger Rathaus.
Dem Umweltbundesamt und dem Bundesumweltministerium möchte ich für die
großzügige und kurzfristige Finanzierung und Unterstützung der Tagung
danken. Die kooperative und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Frau Dr.
Schreiber von der Geschäftsstelle der Koordinierungsgruppe des
Aktionsprogramms im Umweltbundesamt war entscheidend für die kurzfristige
Durchführung der Tagung. Frau Prof. Dr. Gundert-Remy (BgVV) und Herrn Dr.
Jung (BfS) sei stellvertretend für das Engagement und die Teilnahme aus den
Bundeseinrichtungen gedankt. An dieser Stelle möchte ich mich bei all den
Personen und Institutionen in und um Magdeburg bedanken, die uns vor allem
im Vorfeld der Tagung durch kritische Auseinandersetzungen, hilfreiche
Ratschläge und tatkräftige Unterstützung unserer Ideen zur Seite standen. Frau
Pfahl vom Bündnis für Umwelt und Gesundheit hat uns stetig bei der
Tagungsplanung und Durchführung unterstützt, wir sind Ihr für die ständige
Ermutigung sehr dankbar. Meinen besonderen Dank möchte ich gegenüber
Frau Bonk und Frau Springer aussprechen, ohne deren stets konstruktives und
Ruhe bewahrendes Vorgehen die Tagung und Dokumentation in der kurzen
Zeit nicht realisierbar gewesen wäre.
Die vorliegende Dokumentation bietet Ihnen zu den angesprochenen Themen
jeweils Beiträge und Ergebnisse der Workshops. Trotz erheblicher
Wissensdefizite bei den umweltbedingten Gefahren für die Kindergesundheit
gibt es unzählige Handlungsfelder, auf denen mit kleinen Maßnahmen bereits
erhebliche Verbesserungen zu erzielen sind. Wir wünschen uns, dass vieles
von unseren Ergebnissen in Zukunft ausprobiert und umgesetzt werden kann
bzw. Bewährtes gestärkt wird. Für diesen Prozess steht auch die
Internetplattform www.kinderumweltgesundheit.de weiterhin zur Verfügung.
Machen Sie mit!
März 2001
10

Grußwort
Claudia Cramer
Begrüßung
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), Bonn
Ich freue mich, Sie auf dieser Veranstaltung „Kinder–Umwelt–Gesundheit in
den neuen Bundesländern“ begrüßen zu dürfen. Im Namen des
Bundesumweltministeriums möchte ich der Hochschule Magdeburg-Stendal
und dem BUND Sachsen-Anhalt danken, dass sie in Zusammenarbeit mit der
Arbeitsgemeinschaft Kindergesundheit der Deutschen Gesellschaft für
Sozialmedizin und Prävention die Durchführung dieser Tagung ermöglichen.
Mit dem Aktionsprogramm „Umwelt und Gesundheit“ haben das Bundesumwelt-
und das Bundesgesundheitsministerium ein gemeinsames Konzept vorgelegt,
dass in dieser Form erstmalig der umfassenden Auseinandersetzung mit
gesundheitlichen Folgen von Umweltbelastungen dient. Im Rahmen der
Umsetzung des Aktionsprogramms ist das Thema „Kinder, Gesundheit und
Umwelt“ ein wichtiges Handlungsfeld. Übergeordnetes Ziel ist hierbei die
Zusammenführung verschiedene Gruppen und Akteure, um so den Dialog und
die Zusammenarbeit auf diesem Gebiet zu fördern.
Die heutige Veranstaltung bildet den Auftakt zu einer Reihe von Aktivitäten, die
in näherer Zukunft im Rahmen der Umsetzung des Aktionsprogramms geplant
sind: So laufen derzeit seitens der beiden Ministerien und der beteiligten
Bundesoberbehörden die Vorbereitungen für ein zweitägiges Forum „Kinder,
Gesundheit und Umwelt“, welches im Herbst 2001 stattfinden soll. Im Vorfeld
des Forums wird die Deutsche Akademie für Kinderheilkunde und
Jugendmedizin voraussichtlich im Februar 2001 einen dreitägigen Workshop
durchführen.
„Kinder–Umwelt–Gesundheit in den neuen Bundesländern“; diese Tagung
behandelt ein sehr vielschichtiges und komplexes Thema und stellt insoweit für
die Veranstalter sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Herausforderung
dar. Sicherlich wird es heute und morgen nicht gelingen, alle Aspekte des
umweltbezogenen Gesundheitsschutzes von Kindern und schon gar nicht alle
Aspekte zum Thema Kinder, Gesundheit und Umwelt anzusprechen. Mit Blick
auf die heutige Fachtagung und den Publikumstag morgen bin ich jedoch sehr
zuversichtlich, dass es gelingen wird, den Dialog anzustoßen und Akzente für
zukünftige Aktivitäten auf diesem Gebiet zu setzen.
11

Begrüßung
In diesem Zusammenhang ist auch die gemeinsame Erarbeitung von
Handlungsvorschlägen zur Umsetzung des Aktionsprogramms „Umwelt und
Gesundheit“ auf Länderebene von großer Bedeutung. Die Veranstaltung
„Kinder-Umwelt-Gesundheit in den neuen Bundesländern“ wird hierzu
Anregungen und Impulse geben können.
Ich wünsche den Teilnehmerinnen und Teilnehmern viel Erfolg und der Tagung
insgesamt einen guten Verlauf.
12

Begrüßung
Grußwort anlässlich des Publikumstages
im Rahmen der Fachtagung „Kinder - Umwelt - Gesundheit“
Katrin Thäger
Kinderbeauftragte der Stadt Magdeburg
Sehr geehrte Veranstalter, sehr verehrtes Publikum,
liebe Kinder,
euch möchte ich als Kinderbeauftragte der Landeshauptstadt besonders
herzlich begrüßen.
Ich freue mich, dass ihr heute den Weg in das Rathaus gefunden habt, denn
schließlich steht ihr im Mittelpunkt des Interesses dieser Fachtagung, was nicht
zuletzt auch im Titel „Kinder - Umwelt - Gesundheit“ deutlich wird.
Kinder sind eine besonders schutzbedürftige Gruppe unserer Gesellschaft, sie
reagieren sensibel auf umweltbedingte Veränderungen. Sehr oft sind sie von
den Entscheidungen Erwachsener abhängig. Gerade darum liegt es an uns, ob
wir diese Entscheidungen in bewusster Verantwortung zum Wohl für die
nachwachsende Generation treffen.
Das Bundesumweltamt und das Bundesgesundheitsamt haben 1999 das
Aktionsprogramm „Umwelt und Gesundheit“ erarbeitet. Sowohl die gestrige
Fachtagung als auch der heutige Publikumstag sollen dazu dienen, dieses
Programm einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen, Informationen hierüber
auszutauschen sowie Kontakte unter verschiedenen Partnern zu knüpfen.
Die Entstehungsgeschichte dieses Programms geht weit in die 70erJahre
zurück. Sie begann mit einer Resolution der WHO und wurde 1984 mit einer
Strategie „Gesundheit für alle“ fortgesetzt, die eine gemeinsame
Gesundheitspolitik mit einer Reihe von Zielvorgaben festlegte.
In der Europäischen Charta „Umwelt und Gesundheit“ wurden u.a. folgende
Rechte definiert:
„Jeder Mensch hat Anspruch auf eine Umwelt, die ein höchstmögliches
Maß an Gesundheit und Wohlbefinden ermöglicht.“
„Jeder Mensch hat ein Recht auf Information und Anhörung über die Lage
der Umwelt sowie über Pläne, Entscheidungen und Maßnahmen.“
13

Begrüßung
14
„Jeder Mensch hat ein Recht auf Teilnahme an Entscheidungsfindungen.“
Ich erwähne dies so ausführlich, da es sehr viele Parallelen zur Geschichte der
Kinderrechtspolitik, insbesondere zur UN-Kinderkonvention gibt.
Auch hier wurde der Grundstein in den 70er Jahren gelegt.
1979 erklärte die UNO das Jahr zum „Internationalen Jahr des Kindes“. Polen
regt eine neue Konvention über die Rechte des Kindes bei den Vereinten
Nationen an, und nach zehnjähriger Arbeit wurde das „Übereinkommen über
die Rechte des Kindes“ einstimmig verabschiedet.
Mit dieser Konvention hat jedes Kind auf dieser Welt ein Recht darauf, in einer
intakten Umwelt aufzuwachsen, ein gesundes Leben zu führen und aktiv am
gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
Befragt man Kinder nach ihren Wünschen für die Zukunft, so stehen
Forderungen nach einer sauberen und intakten Umwelt sowie der Wunsch nach
einem Aufwachsen in Liebe, Gesundheit und Geborgenheit ganz oben auf der
Prioritätenliste.
Wir alle können einen Beitrag dazu leisten, dass diese Forderungen bei
unseren Planungen berücksichtigt werden und dass die Wünsche der Kinder
Gehör finden.
In diesem Sinne erhoffe ich mir von diesem Publikumstag eine Fortsetzung des
bereits begonnenen Dialogs zwischen Fachleuten, interessiertem Publikum und
den Betroffenen - den Kindern
Darüber hinaus wünsche ich mir weitere Anregungen, Ideen und Impulse für die
Ausgestaltung des Bundesprogramms „Umwelt und Gesundheit“ auf
kommunaler Ebene.

Referate
15

Vorstellung des APUG
Vorstellung des Aktionsprogramms Umwelt und Gesundheit
Prof. Dr. Ursula Gundert-Remy
Dr. Gernot Henseler
Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin
(BgVV), Berlin
Die umwelt- und gesundheitspolitischen Maßnahmen der letzten Jahrzehnte
haben zu einem hohen Schutzniveau für die menschliche Gesundheit geführt.
Das gemeinsame Aktionsprogramm „Umwelt und Gesundheit“ (APUG) der
Bundesministerien für Gesundheit und für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit enthält weiterführende Strategien, Maßnahmen und
Handlungsziele. Erstmalig in der Geschichte der deutschen Umwelt- und
Gesundheitspolitik (seit Mitte 1999) werden hiermit Strategien, Maßnahmen und
Handlungsziele für eine umfassende Auseinandersetzung mit den
gesundheitlichen Folgen von Umwelteinwirkungen vorgelegt. Eingebettet in das
Aktionsprogramm, als dessen ergänzender und z.T. spezieller Bestandteil wird
das Programm ‚Kind, Umwelt und Gesundheit‘ verwirklicht. Andererseits
werden mit dem gemeinsamen Aktionsprogramm aber auch eingegangene
Verpflichtungen eingelöst, die aus den internationalen und europäischen
Umweltkonferenzen resultieren.
Die Mitgliedsstaaten der europäischen Region der WHO erkannten bereits 1984
die Bedeutung des Zusammenwirkens der für die beiden Politikbereiche
Verantwortlichen und definierten vorrangige Ziele für den umweltbezogenen
Gesundheitsschutz im Rahmen der Strategie ,Gesundheit für alle". Ausgehend
von den WHO-Aktivitäten fand 1989 in Frankfurt a.M. die von Deutschland aktiv
unterstützte 1. Europäische Konferenz Umwelt und Gesundheit statt. Auf dieser
Konferenz wurde die Europäische Charta Umwelt und Gesundheit
verabschiedet, die den Grundsatz enthält, dass jeder Mensch Anspruch auf
eine Umwelt hat, die ein höchstmögliches Maß an Gesundheit und
Wohlbefinden ermöglicht. Anlässlich der 2. Europäischen Konferenz 1994 in
Helsinki legte die WHO einen ,,Aktionsplan Umwelt und Gesundheit für Europa“
vor. Die Umwelt- und Gesundheitsminister der teilnehmenden Staaten einigten
sich darauf, diesen Plan auf nationaler Ebene durch Nationale Aktionspläne
Umwelt und Gesundheit umzusetzen. Zur 3. Europäischen Konferenz „Umwelt
und Gesundheit“, die 1999 in London stattfand, legten das Bundesministerium
16

Vorstellung des APUG
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) und das
Bundesministerium für Gesundheit (BMG) als gemeinsamen nationalen Beitrag
das ,Aktionsprogramm Umwelt und Gesundheit vor. Zu dem Aktionsprogramm
gehört eine Dokumentation, die den aktuellen Sach- und Erkenntnisstand
ausführlich darstellt und die vorgeschlagenen Ziele und Maßnahmen im
Aktionsprogramm begründet.
Inhalt des Aktionsprogramms
Das Programm ist in zwei Hauptteile gegliedert: „Ziele und
Querschnittsmaßnahmen“ sowie „Medien- und stoffbezogene Qualitätsziele“.
1. Ziele und Querschnittsmaßnahmen
Der erste Teil des Aktionsprogramms umfasst Strategien und Maßnahmen, die
das Verständnis für die Zusammenhänge zwischen Umwelt und Gesundheit
vertiefen und die Information und Kommunikation zu den entsprechenden
gesundheitlichen Risiken verbessern sollen.
Umweltbezogene Gesundheitsbeobachtung und -berichterstattung
Ziel dieses Schwerpunktes ist es, die koordinierte Beobachtung von Umwelt
und Gesundheit und der zwischen beiden Bereichen bestehenden
Zusammenhänge sowie die Berichterstattung zu verbessern, um ein
differenziertes Beobachtungs- und Berichterstattungs- (,,Surveillance"-)
System für Umwelt und Gesundheit zu schaffen. Beispielhaft sei die
begonnene Verknüpfung von Umwelt- und Gesundheits-Survey genannt.
Verbesserung des Informationsmanagements
Im Rahmen dieses Schwerpunktes soll die Zusammenarbeit zwischen den
beteiligten Bundesoberbehörden. intensiviert und ein gemeinsames aktives
Informationsmanagement entwickelt werden. Hierzu gehören die Fortführung
und der Ausbau des Umweltmedizinischen Informationsforums (UmInfo), das
von BMU/BMG gefördert wird, sowie des vom Robert Koch Institut betreuten
Umweltmedizinischen Informationssystems (UmIS).
Umgang mit Risiken
Relevant sind Fragen der Risikokommunikation, Risikobewertung und des
Risikomanagements unter angemessener Beteiligung der gesellschaftlich
relevanten Gruppen und zur Verbesserung der Zusammenarbeit der
17

Vorstellung des APUG
18
Behörden. Hierzu haben die beiden Ministerien eine ad hoc Kommission
„Neuordnung der Verfahren und Organisationsstrukturen zur
Risikobewertung und Standardsetzung" eingerichtet. Die Kommission soll
innerhalb von zwei Jahren Vorschläge zur Neuordnung der
Beratungsgremien sowie für ein transparenteres Verfahren der
Standardsetzung im gesundheitlichen Umweltschutz in der Bundesrepublik
Deutschland zwischen den beteiligten Behörden erarbeiten.
Besondere Aufmerksamkeit gilt der Entwicklung einer aktiven und frühzeitig
einsetzenden Risikokommunikation, um in der Öffentlichkeit ein besseres
Verständnis für die umwelt- und gesundheitspolitische Entscheidungsfindung
zu erreichen.
Umweltmedizin
Der Schwerpunkt Umweltmedizin dient der Förderung von
Informationsaustausch, Qualitätssicherung und Forschung, um die
medizinische Betreuung von Personen mit umweltbezogenen
Gesundheitsstörungen sicherzustellen und weiter zu verbessern. Defizite
bestehen u.a. in der Qualitätssicherung und in der Evaluation der in der
Umweltmedizin angewandten diagnostischen und therapeutischen
Verfahren. Im Rahmen dieses Schwerpunktes soll insbesondere eine
zentrale Erfassungs- und Bewertungsstelle für umweltmedizinische
Methoden aufgebaut werden.
Förderung der Forschung zu Umwelt und Gesundheit
Die Forschung auf dem Gebiet Umwelt und Gesundheit soll auf hohem
Niveau erhalten und gefördert werden. Im Rahmen bestehender
Forschungskonzepte und Förderprogramme sollen eine Reihe von Fragen
besonders aufgegriffen werden. Beispielhaft seien genannt: Umwelt
assoziierte Gesundheitsstörungen, Kindergesundheit und Umwelt sowie
Evaluation von Monitoring-Systemen.
Überprüfung der bestehenden Behördenstrukturen
Ziel des Aktionsprogramms ist auch, die vorhandenen Behördenstrukturen im
Bereich Umwelt und Gesundheit zu überprüfen und ggf. das strukturelle
Zusammenwirken so zu gestalten, dass eine optimale Arbeitsteilung und eine
flexible Bearbeitung des Aktionsprogramms erreicht wird.

Internationale Zusammenarbeit
Vorstellung des APUG
Ziel der internationalen Zusammenarbeit ist es, dazu beizutragen, die
gesundheitsförderlichen Umweltbedingungen weltweit jeweils zu erreichen,
zu erhalten und/oder zu verbessern. Hierzu soll insbesondere der
wissenschaftliche Austausch auf internationaler Ebene und die Mitarbeit in
internationalen Gremien verstärkt werden.
2. Medien- und stoffbezogene Qualitätsziele
Der zweite Teil des Aktionsprogramms befasst sich mit sechs vorrangigen
Bereichen, für die Qualitäts- und Handlungsziele sowie verschiedene Teilziele
und Maßnahmen genannt werden.
Außenluft und Klima
Zur Erreichung des Ziels einer flächendeckend gesundheitsverträglichen
Luftgüte sollen die Konzentrationen von Luftverunreinigungen weiter
herabgesetzt werden. Besonders genannt werden kanzerogene
Luftschadstoffe, bodennahes Ozon, Feinstaube, Treibhausgase und Stoffe,
die die Ozonschicht schädigen.
Innenraumluft
Die Innenraumluft wird durch Schadstoffe aus z.B. Bauprodukten,
Einrichtungsgegenständen, Haushaltschemikalien, Bioziden und Tabakrauch
belastet. Für das angestrebte Ziel einer gesundheitlich einwandfreien
Luftqualität in Innenräumen werden neben eigenverantwortlichen
Maßnahmen der Verbraucher auch staatliche Aktivitäten zur Minderung
schädlicher Emissionen als notwendig angesehen. Speziell betroffen davon
sind Kleinkinder sowie Schulkinder, je nach ihrem sozialen Umfeld.
Wasserressourcen, Boden, Lebensmittel
Verunreinigungen im Trinkwasser und in den Lebensmitteln kommen heute
im Allgemeinen in gesundheitlich unbedenklichen Mengen vor. Dennoch sind
auch in Deutschland einige Problembereiche, wie Schwermetalle, PCB und
Stickstoffdüngung verblieben, die der weiteren Bearbeitung bedürfen, um das
Ziel der flächendeckenden Erhaltung von Wasser und Boden in
gesundheitlich unbedenklicher Qualität zu erreichen.
19

Vorstellung des APUG
lonisierende Strahlung, zum Beispiel durch Radon
Lärm
20
Zur Minimierung der Belastung des Menschen durch ionisierende Strahlung
sind insbesondere die Radonemissionen in Innenräumen zu verringern.
Radonbelastungen tragen zur Entstehung von Lungenkrebs bei. Auch die
Strahlenbelastungen durch radiologische Verfahren in der Medizin sollten
unter Abwägung des diagnostischen Nutzens für den Patienten gegen die
Strahlenrisiken weiter reduziert werden.
Die allgemeine Geräuschbelastung der Bevölkerung ist erheblich und
erfordert insbesondere im Verkehrsbereich Maßnahmen, um das angestrebte
Ziel – die Minderung des Lärms auf gesundheitsverträgliche Werte - zu
erreichen. Hinzuweisen ist hier aber ganz besonders darauf, dass wir
Menschen den Lärm verursachen und daher nicht nur die Opfer, sondern
auch die Täter unseres Seins sind, zum Beispiel durch Autos und
Diskotheken.
Stoffe und Zubereitungen
Zum Schutz der menschlichen Gesundheit vor schädlichen Wirkungen durch
Stoffe und Zubereitungen sollen insbesondere hormonartig wirkende Stoffe,
Biozide und Arzneimittel betrachtet werden.
Das Aktionsprogramm enthält zu den medien- und stoffbezogenen
Qualitätszielen Vorschläge für Maßnahmen zur Reduzierung der
gesundheitlichen Belastung, die im Dokumentationsband zum
Aktionsprogramm detailliert begründet werden, worauf verwiesen wird.
Dokumentationsband zum Aktionsprogramm
Die im Aktionsprogramm Umwelt und Gesundheit enthaltenen Ziele und
Maßnahmen basieren auf dem Sach- und Erkenntnisstand, der in einem
Dokumentationsband zum Aktionsprogramm zusammengestellt ist. Die
Dokumentation wurde erarbeitet von den fachlich zuständigen
wissenschaftlichen Bundesoberbehörden - in alphabetischer Reihenfolge -
Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin
(BgVV), Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), Robert Koch-Institut (RKI) und
Umweltbundesamt (UBA) unter Mitwirkung eines interdisziplinär
zusammengesetzten, von den Ministerien BMG und BMU berufenen
Beraterkreises zum Aktionsprogramm. Nach einer Einführung in das politische

Vorstellung des APUG
und gesellschaftliche Umfeld zum Thema „Umwelt und Gesundheit“ in
Deutschland und die nationalen und internationalen Aktivitäten, die zur
Erarbeitung des Aktionsprogramms führten, werden die Schwerpunkte des
Programms in drei Hauptkapiteln erarbeitet und dokumentiert:
• Fachlicher Hintergrund zu Umwelt und Gesundheit
• AusgewähIte gesundheitsrelevante Umweltprobleme
• Strategien und Maßnahmen (Vorschläge).
Im ersten Kapitel wird verdeutlicht, welchen Einfluss die anthropogen
veränderte Umwelt auf die Gesundheit hat. Dabei werden die verschiedenen
Gesundheitsstörungen betrachtet, die mit Einflüssen aus der Umwelt in
Verbindung stehen: Atemwegserkrankungen, Krebs, Allergien, Störungen der
Fertilität und Reproduktionsfähigkeit des Menschen und
Herzkreislaufstörungen.
Ein gesonderter Abschnitt ist umweltassoziierten Gesundheitsstörungen im
engeren Sinne gewidmet („Umweltsyndrome"): Sick Building Syndrom (SBS),
Multiple Chemical Sensitivity (MCS), Chronic Fatigue Syndrome (CFS),
Fibromyalgie-Syndrom (FMS) und Elektromagnetische Hypersensibilität.
Trotz intensiver Forschung und beachtlicher Verbesserung des
Erkenntnisstandes in den letzten Jahren ist die Bewertung umweltbedingter
Erkrankungen und die Ermittlung des Beitrags einzelner Umweltfaktoren noch
immer problematisch.
Dies gilt insbesondere für chronische Effekte und für Effekte, bei denen eine
lange Latenzzeit zwischen Ursache und Wirkung besteht. Vor allem aus
Gründen der Vorsorge ist es daher notwendig, durch weitere wissenschaftliche
Arbeiten eine genauere Bewertung zu ermöglichen.
Besondere Bedeutung kommt der Umweltmedizin zu. Die derzeit verfügbaren
diagnostischen Möglichkeiten und die methodisch bedingten Grenzen werden
daher im Dokumentationsband dargestellt.
Zum besseren Verständnis der einzelnen Kapitel des Dokumentationsbandes
werden im ersten Hauptteil eine Reihe von fachlichen Grundlagen, so z.B. der
Epidemiologie, der Toxikologie und der Risikobetrachtung im
wissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Kontext, dargestellt.
21

Vorstellung des APUG
Ausführlich wird auf die derzeit vorhandenen Datenquellen eingegangen, sei es
auf dem Gesundheitssektor (z.B. Krebs- oder Fehlbildungsregister) oder auf
dem Umweltsektor (z.B. der gesundheitsbezogenen Umweltbeobachtung oder
Erhebungen zu Altlastvorkommen). Hier zeigt sich auch die Bedeutung einer
Verknüpfung dieser beiden Bereiche. Die Ausführungen zu den Datenquellen
werden ergänzt durch einen Exkurs über die verfügbaren Informations- und
Kommunikationssysteme.
Das zweite Kapitel des Dokumentationsbandes stellt die gesundheitsrelevanten
Umweltprobleme dar: Außen- und Innenraumluft, Strahlung, Wasser (Grund-,
Trink-, Bade- und Abwasser), Boden und Altlasten, Siedlungshygiene,
Lebensmittel und Bedarfsgegenstände, ausgewählte Bauprodukte,
Haushaltschemikalien, Biozide und Pflanzenschutzmittel sowie Umweltgifte,
Schwermetalle und persistente organische Verbindungen. Beachtung finden die
Störfälle, wie Chemie-, Industrie- oder Transportunfälle, da diese oftmals eine
große Zahl von Menschen betreffen und erhebliche Folgen für Gesundheit und
Umwelt haben können.
Das Kapitel schließt mit einer Betrachtung der globalen Umweltveränderungen:
Zerstörung der Ozonschicht, die Zunahme der bodennahen UV-Strahlung auf
Augen, Haut und das Immunsystem. Erörtert werden die Zusammenhänge
zwischen globaler Klimaveränderung und menschlicher Gesundheit. Als
Beispiele werden einerseits die Möglichkeit einer meteorologisch bedingten
Zunahme der Konzentration von Pollen, Bakterien und Pilzsporen in der Luft
und die daraus eventuell resultierende Erhöhung allergischer Erkrankungen
genannt und andererseits ein möglicherweise erhöhtes Infektionsrisiko bei
Verbesserung der Lebensbedingungen für Krankheitserreger infolge einer
generellen Erderwärmung diskutiert. Der Abschnitt über die
gesundheitsrelevanten Umweltprobleme schließt mit einer Reihe von
Empfehlungen ab, die die Grundlage zu den im Aktionsprogramm aufgeführten
Qualitätszielen und Maßnahmen bilden.
Kapitel drei des Dokumentationsbandes stellt Strategien und
Maßnahmenvorschläge vor, die die Bearbeitung des gesamten
Problembereiches ,,Umwelt und Gesundheit“ auf folgenden Gebieten
erleichtern und verbessern sollen: Umweltbezogene Gesundheitsbeobachtung
und gesundheitsbezogene Umweltberichterstattung einschließlich eines
Konzepts für ein Surveillance-System, Möglichkeiten zur Verbesserung und
22

Vorstellung des APUG
Harmonisierung der Risikobewertung und Standardsetzung sowie des
Informationsmanagements, öffentlichkeitswirksame Kommunikation von Risiken
unter den Betroffenen, Stellung und Leistungsfähigkeit der Umweltmedizin,
Analyse und Konzepte zur Beseitigung der Wissens- und Forschungsdefizite
sowie Empfehlungen für weiterführende Forschungsprojekte.
Struktur zur Umsetzung des Aktionsprogramms
Die Verantwortung für die Durchführung und Umsetzung des
Aktionsprogramms obliegt den Bundesministerien für Gesundheit (BMG) und
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU). Die Ministerien haben eine
Steuerungsgruppe ins Leben gerufen, in der auch die beteiligten
Bundesoberbehörden (BOB) vertreten sind (alphabetische Reihenfolge):
Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), Bundesinstitut für gesundheitlichen
Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV), Robert Koch Institut (RKI)
und Umweltbundesamt (UBA). Aufgabe der Steuerungsgruppe ist die
Abstimmung und Organisation der Maßnahmen zur Umsetzung des
Aktionsprogramms. Auf der Ebene der beteiligten Bundesoberbehörden BfS,
BgVV, RKI und UBA besteht eine Koordinierungsgruppe mit einer
Geschäftsstelle im Umweltbundesamt. Der Vorsitz der Koordinierungsgruppe
wechselt im jährlichen Turnus zwischen den Behörden (derzeit BgVV). Aufgabe
der Koordinierungsgruppe ist die wissenschaftliche und organisatorische
Unterstützung bei der Umsetzung des Aktionsprogramms.
Zur fachlichen und politischen Beratung bei der Findung, Umsetzung und
Weiterentwicklung der Zielsetzungen und Maßnahmen des Aktionsprogramms
haben die Ministerien einen Beraterkreis externer Experten unter Beteiligung
von Nicht-Regierungsorganisationen (NGO´s) berufen. Zur weiteren fachlichen
Begleitung von Einzelprojekten können bei Bedarf Fachgespräche geführt und
Projektgruppen gebildet werden, auch unter Hinzuziehung weiterer nationaler
und internationaler Sachverständiger.
Teile der im Aktionsprogramm definierten Aufgaben fallen in die Zuständigkeit
der Bundesländer oder können nur gemeinsam mit den Ländern bearbeitet
werden. Die Zusammenarbeit der Koordinierungsgruppe mit den Ländern
erfolgt über die Länderarbeitsgemeinschaft umweltbezogener
Gesundheitsschutz (LAUG), in der sich eine Projektgruppe zur Umsetzung des
Aktionsprogramms auf Länderebene gebildet hat. Steuerungs- und
23

Vorstellung des APUG
Koordinierungsgruppe sowie LAUG Projektgruppe arbeiten bei der Ausführung
des Aktionsprogramms einschlägig zusammen.
Risikoanalyse und Risikokommunikation
Ein zentraler Themenschwerpunkt des Aktionsprogramms ‚Umwelt und
Gesundheit‘ ist der Umgang mit umweltbedingten Gesundheitsrisiken. In der
Gesellschaft, der Politik, aber auch in der Wissenschaft und den Medien wird
über Umweltrisiken, ihre Auswirkungen auf die Gesundheit und ihre Akzeptanz
kontrovers diskutiert. Sich widersprechende Meldungen in der Presse über
neue Gefahrstoffe und Risiken können auf tatsächlich bestehende
Wissenslücken hindeuten. Oft fällt es schwer, den Ursprung vermeintlich
widersprüchlicher Sachstände zu erkennen. Wissen und Meinungen stehen oft
nebeneinander und sind nur schwer von einander zu unterscheiden. Eine kaum
zu überblickende Fülle tatsächlicher und behaupteter Risikofaktoren und
Ursachen erschwert eine rationale Prioritätensetzung in der Umweltpolitik und
damit das (vorausschauende) Risikomanagement derjenigen Risiken, die im
Sinne eines umfassenden und nachhaltigen Umwelt- und Gesundheitsschutzes
im Vordergrund zu stehen haben. Transparenz und Vergleichbarkeit von
Risiken erfordern, dass ihre Kommunikation unter Anwendung möglichst
einheitlicher Kriterien in allen Regelungsbereichen des Umwelt- und
Gesundheitsschutzes erfolgt. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse eines
OECD-Workshops (September 2000 in Berlin) sowie einer kritischen Analyse
des gegenwärtigen Standes werden zur Zeit Leitlinien der Risikokommunikation
für Bundesbehörden erarbeitet.
Eine fundierte Bewertung von Risiken im Umwelt- und Gesundheitsschutz und
die dazu gehörigen Verfahren der Standardsetzung sind zentrale
Steuerungsinstrumente der Umwelt- und Gesundheitspolitik. Während
Risikoanalyse und -bewertung primär ein wissenschaftlicher Prozess ist,
werden Standardsetzung und Risikomanagement in erheblichem Umfang von
politischen und gesellschaftlichen Aspekten mitbestimmt. Risikobewertung und
Standardsetzung wurden bisher im Wesentlichen als eine originäre Aufgabe der
natur- und technikwissenschaftlichen Spezialisten und Regulatoren angesehen.
Betroffene Dritte waren bisher nicht eingebunden oder wurden als passive
Adressaten der Risikokommunikation behandelt. Angesichts von
Verunsicherung und Havarien bis hin zu katastrophalen Zwischenfällen haben
sich in der Öffentlichkeit, aber auch bei den Politikern und Experten die
Ansichten und Forderungen dazu gewandelt.
24

Berufung einer Risikokommission
Vorstellung des APUG
Um der gewachsenen Bedeutung im gesundheitlichen Umweltschutz Rechnung
zu tragen, müssen die Verfahren der Risikobewertung und besonders der
Standardsetzung transparenter gestaltet werden. Dazu wurde seitens BMG und
BMU eine hochrangig besetzte Kommission „Neuordnung der Verfahren und
Organisationsstrukturen zur Risikobewertung und Standardsetzung im
gesundheitlichen Umweltschutz der Bundesrepublik Deutschland“ berufen.
Experten und Fachvertreter der mit dieser Aufgabe befassten Behörden sollen
Vorschläge entwickeln, wie die Risikobewertung und Standardsetzung
harmonisiert und als Voraussetzung für eine zeitgemäße Risikokommunikation
und für das Risikomanagement transparent gestaltet werden können. Eine
angemessene Beteiligung gesellschaftlich relevanter Gruppen soll bei
zukünftigen Verfahren sichergestellt werden. Die Risikokommission hat ihre
Arbeit am 6.10.2000 für die Dauer von zwei Jahren aufgenommen. Sie setzt
sich zusammen aus 22 Expertinnen und Experten aus wissenschaftlichen
Institutionen, der Wirtschaft, Umwelt- und Verbraucherverbänden sowie aus
Bundes- und Landesbehörden.
Spezielle Maßnahmen zu Kind, Umwelt und Gesundheit
Die umwelt- und gesundheitspolitischen Maßnahmen der letzten Jahrzehnte
haben zu einem hohen Schutzniveau für die menschliche Gesundheit geführt.
Das Aktionsprogramm „Umwelt und Gesundheit beinhaltet weiterführende
Strategien, Maßnahmen und Handlungsziele. Darin eingebettet, als dessen
ergänzender und z.T. spezieller Bestandteil wird das Programm Kind Umwelt
und Gesundheit verwirklicht. Als Beispiele seien erwähnt: die Initiative der
Kinderkommission des Bundestages zu Maßnahmen zur Wahrung und
Stärkung der ökologischen Kinderrechte und zur Berücksichtigung der
Empfindsamkeit von Kindern; die spezielle Berücksichtigung der Kinder und
Jugendlichen als Risikogruppen und Subpopulationen, z.B. bei der Lärm-,
Asthma- und Allergieforschung; der Beginn des Kinder-Jugend-Gesundheit-
Survey / Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland
(RKI/UBA); die Maßnahmen zur Innenraumlufthygiene in Schulgebäuden; der
Workshop der Deutschen Akademie für Kinderheilkunde und Jugendmedizin
und dem RKI im Februar 2001 in Potsdam.
Über die hier beispielhaft dargestellten Maßnahmen hinaus sind die
Kindergesundheit sowie Kinder und Jugendliche als Risikogruppen bzw.
25

Vorstellung des APUG
Subpopulationen inhärenter Bestandteil aller weiteren umweltmedizinischen
Aktivitäten des APUG sowie der Programme der Länder und Kommunen.
Forum „Kind Umwelt Gesundheit“ 23./24.11.2001 in München
Im Herbst nächsten Jahres ist ein zweitägiges Bundes-Forum zur
Kindergesundheit in München vorgesehen. Zielgruppe des Forums ist zum
einen die interessierte Öffentlichkeit, die im Rahmen von Gesprächsforen
Gelegenheit zu Diskussionen mit Wissenschaftlern, Politikern und Vertretern
von Nicht-Regierungsorganisationen erhalten wird. Zum anderen sind es die
Multiplikatoren des öffentlichen Gesundheitsdienstes und die
wissenschaftlichen Experten, denen das Forum zum Informationsaustausch
über den Stand der Forschung und zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung
dienen soll. - Mit dieser Veranstaltung möchten BMG und BMU den Anstoß zu
einem bundesweiten gesellschaftlichen Dialog über die Einschätzung und
Gewichtung gesundheitlicher Risiken für Kinder durch Umweltbelastungen und
Lebensstilfaktoren geben. Zudem soll dem von Wissenschaftlern und Politikern
verschiedentlich geforderten Ansatz des positiven Denkens Rechnung getragen
werden. Der Kreis der Veranstalter wird möglichst breit gewählt und den
kommunalen Aspekten der Gesundheitsförderung soll ein breiterer Stellenwert
eingeräumt werden.
Schlussfolgerungen und Handlungsvorschläge
Das Aktionsprogramm „Umwelt und Gesundheit“ dient der Umsetzung einer
ökologischen Gesundheitsförderung in der Bundesrepublik Deutschland. Es
enthält eine Vielzahl spezieller umweltmedizinischer Themen und Maßnahmen
der Kindergesundheit. Darüber hinaus finden Kinder und Jugendliche als
spezielle Risikogruppen und Subpopulationen Berücksichtigung.
Das Aktionsprogramm besteht seit etwa Mitte des Jahres 1999 und wird seit
dem Schritt für Schritt umgesetzt, worauf hier im Einzelnen nicht eingegangen
werden konnte (vgl. aber nachfolgende Beiträge und Info-Möglichkeiten über
das Internet unter http://www.uminfo.de/aktionsprogramm).
Das Magdeburger Forum ist ein Meilenstein. Es erzeugt eine Signalwirkung auf
das persönliche Denken und Handeln jedes Einzelnen.
Die Handlungsvorschläge zur weiteren gemeinsamen Umsetzung des
Aktionsprogramms betreffen:
26

Vorstellung des APUG
1. die Fortsetzung der guten Zusammenarbeit und des Zusammenwirkens
zwischen Bund, Ländern und Gemeinden einschließlich der Wahrnehmung
der kommunalen Verantwortung vor Ort
2. die Bitte und Aufforderung an die teilnehmenden Eltern, Kinder und
Jugendlichen, den persönlichen Lebensstil in eine möglichst gute und
nachhaltige Übereinstimmung mit den Zielen und Maßnahmen des
Aktionsprogramms zu bringen. Vergessen wir über die Probleme und die
Diskussionen nicht die Chancen und die Verantwortung jedes Einzelnen für
seinen Lebensstil!
3. Das Magdeburger Forum hat öffentlichen Beispielcharakter für positives
Handeln. Es bietet den Veranstaltern und Besuchern die Möglichkeit des
Gedankenaustausches über Lebensstilfaktoren, aber auch über die
speziellen Nöte und Sorgen der betroffenen Bevölkerung vor Ort, in den fünf
neuen Bundesländern und darüber hinaus.
4. Dem Ziel der öffentlichen Kommunikation dient auch das Internetforum zum
Aktionsprogramm. Jeder Internetnutzer hat unter der Internetadresse
http://www.uminfo.de/aktionsprogramm Zugang zum Diskussionsforum
Umwelt und Gesundheit und damit zu den Ergebnissen und aktuellen
Informationen über das Aktionsprogramm. Das Internetforum bietet die
Gelegenheit zum weiterführenden Gedankenaustausch einschließlich der
Mitteilung der Reaktionen und Eindrücke zu dieser Magdeburger
Veranstaltung, ggf. auch als „Kummerkasten“, weil auch so das
Aktionsprogramm mit Leben erfüllt werden kann.
27

Bündnis Umwelt und Gesundheit
BUG – das Bündnis Umwelt und Gesundheit
Prof. Dr. Karl Ernst v. Mühlendahl
Dokumentation- und Informationsstelle für Umweltfragen (DISU), Osnabrück
Die Konferenzen der Europäischen Gesundheits- und Umweltminister in
Frankfurt (1989) und Helsinki (1994) führten zu Selbstverpflichtungen der
Europäischen Mitgliedstaaten, bis zur neuerlichen Konferenz in London (1999)
Nationale Aktionspläne für Umwelt und Gesundheit (NEHAP) vorzulegen.
Die Deutsche Bundesregierung ist an diese Aufgabe recht spät herangegangen.
1997 wurde ein Beraterkreis* berufen, der gemeinsam mit Vertretern der beiden
Bundesministerien* und der Bundesoberbehörden* einen solchen deutschen
Aktionsplan entwickeln sollte. Dazu haben eine ganze Reihe von Sitzungen
stattgefunden, in die von allen Beteiligten Engagement und Arbeit investiert
worden sind. So ist bis Sommer 1998 ein Konzept entworfen und ein
Aktionsplan formuliert worden.
Nach dem Regierungswechsel im Herbst 1998 hörten wir Mitglieder des
Beraterkreises lange nichts mehr, und erst im Mai 1999, wenige Wochen vor
der Londoner Konferenz, wurde der Beraterkreis erneut in Bonn
zusammengerufen. Der Entwurf wurde in einer Kurzfassung**, so wie er dann in
London präsentiert werden sollte, vorgelegt. Wichtige Passagen der vorherigen
Ausarbeitung fehlten, insbesondere Stellen, die sich mit dem Umgang mit
Energie und mit der Verkehrsproblematik befassten. In die zusätzliche
Langfassung** wurden dann jedoch auf Betreiben des Beratergremiums die
herausgenommenen Passagen wieder hineingeschrieben.
Der Aktionsplan Umwelt und Gesundheit (APUG)** ist anlässlich der dritten
Europäischen Konferenz der Gesundheits- und Umweltminister im Juni in
London von unseren Ministern, Frau Andrea Fischer und Herrn Jürgen Trittin,
unterzeichnet worden.
Dieser APUG sieht eine Beteiligung von Nichtregierungsorgnisationen (NRO) an
der Fortschreibung und Umsetzung vor. Ende Juli 1999 kamen in Bonn
Vertreter mehrerer NRO***, die z.T. auch schon in London präsent gewesen
waren, mit Vertretern der beiden Bundesministerien und den
28

Bündnis Umwelt und Gesundheit
Bundesoberbehörden zusammen, wobei eine teilweise Identität mit dem
vorherigen Beraterkreis* bestand. Die Kindergesundheit im Kontext mit
Umweltfragen, die Ozonproblematik und das Passivrauchen waren drei
Problemkomplexe, die vorerst einmal in den Mittelpunkt von weiteren
Bemühungen und Aktionen gestellt werden sollten. Die Vertreter der NRO
machten klar, dass sie auf sachdienliche Kooperation und Zuarbeit setzen
wollten. Gleichzeitig wurde vorgetragen und auch akzeptiert: für die
Koordination der NRO-Aktivitäten bedürfe es einer fachlichen Unterstützung
durch eine Koordinationsstelle, für die Personal- und Sachmittel finanziert
werden. Die ehrenamtliche abendliche und wochenendliche Tätigkeit von
Engagierten reiche nicht aus. Hierzu wurde versprochen, dass man sich seitens
der Ministerien um Abhilfe und Unterstützung bemühen wolle.
Seitdem haben sich Vertreter der in der BUG vertretenen Organisationen
wiederholt getroffen. Ein Arbeitstreffen in Osnabrück im November 1999, ein
parlamentarischer Abend am 19.1.2000 in Berlin mit Frau Ministerin Fischer und
Umweltstaatssekretärin Gila Altmann, eine Arbeitstagung am 4.11.2000 in
Bielefeld und diese Tagung in Magdeburg sind resultiert. Im weiteren wird eine
Arbeitstagung über umweltbezogene Kindergesundheit in Potsdam vom 22. –
24.2.2001 und ein Kinderforum in München in der zweiten Oktoberhälfte geplant
und vom BMG finanziert, und es sieht augenblicklich (Anfang Januar 2001) so
aus, als ob auch für die notwendige Koordinationsstelle eine Finanzierung
gefunden wird, in bescheidenem Ausmaß, so dass für ein Jahr etwa eine halbe
BAT II – Stelle resultiert.
Für das Aktionsbündnis kann ich sagen, dass wir den Eindruck einer Bewegung
in kleinen Schritten in die korrekte Richtung haben, und dass insbesondere im
Hinblick auf die Kindergesundheit richtige Akzente gesetzt werden. Das, was bis
zur nächsten gemeinsamen Europäischen Gesundheits- und
Umweltministerkonferenz zu erledigen sein wird, muss allerdings noch genauer
definiert und bis dahin wenigstens in Ansätzen realisiert sein.
* BMG, BMU, BgVV, RKI, UBA und Beraterkreis: G. Baitsch, H. Dunkelberg, H.
Eckel, T. Eickmann, R. Flöhl, U. Heudorf, A. Kappos, W. Lutz, V. Mersch-
Sundermann, K. E. v. Mühlendahl, F. Tretter, P. M. Wiedemann.
29

Bündnis Umwelt und Gesundheit
** Das Aktionsprogramm und der Dokumentationsband sind auf Anforderung
bei beiden Ministerien erhältlich (BMG, 53108 Bonn; und BMU, PF 120629,
53048 Bonn). Die Dokumente der Dritten Europakonferenz Umwelt und
Gesundheit sind im Internet abrufbar:
(http:/www.who.dk/london99/welcome.htm).
*** Dem Aktionsbündnis gehören bislang erklärtermaßen an: Bund für Umwelt
und Naturschutz Deutschland (BUND), Deutsche Akademie für Kinderheilkunde
und Jugendmedizin (DAKJ), Deutsche Gesellschaft für Umwelt- und
Humantoxikologie (DGUHT), Deutscher Berufsverband der Umweltmediziner
(dbu), Europäischer Verbraucherverband für Naturmedizin,
Gesundheitsakademie Bielefeld, Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für
Gesundheitsförderung, Interdisziplinäre Gesellschaft für Umweltmedizin
(IGUMED), Ökologischer Ärztebund (ÖÄB), Politischer Arbeitskreis von
Patienten-Initiativen. Sprecher sind G. Baitsch, J. Bilger, E. Göpel, K. E. v.
Mühlendahl, G. Pfahl
30

Kinder-Umwelt-Gesundheit
Ein Bündnis Umwelt und Gesundheit
Bündnis Umwelt und Gesundheit
Gerda Pfahl, Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Bad Hersfeld
Umweltschutz ist der Bevölkerung wichtig. Gesundheit ist ein verbal allgemein
anerkanntes Schutzziel. Beide Ziele zusammen sind zwei Seiten einer Medaille,
tauchen jedoch gemeinsam kaum in Aktivitäten und in der Politik auf. Europa
verdanken wir wichtige Impulse, dies zu ändern: Der Europäische Aktionsplan
Umwelt und Gesundheit stellt mit seinen offiziellen Dokumenten von Helsinki
1994 und London 1999 sowie das TAB 1 -Papier Umwelt und Gesundheit mit
exzellenten Teilgutachten einen Steinbruch für innovative Ansätze in der
Gesundheits- und Umweltpolitik dar. Wer kennt diese Papiere schon? Auch die
Charta Verkehr, Umwelt und Gesundheit und die Wassercharta von London
blieben unbeachtet.
Ohne in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden, hat sich im Querschnitt
von Umwelt und Gesundheit einiges bei den Behörden und in der Politik
geändert, was positiv stimmt.
Mit der Entwicklung „Nationaler Aktionspläne Umwelt und Gesundheit“ soll
künftig auch in Deutschland eine Politik nachhaltiger Entwicklung Geltung
gewinnen, “die die Wirtschafts- und Lebensweisen mit den natürlichen
Lebensgrundlagen in Einklang bringt und damit zugleich eine entscheidende
Voraussetzung dafür schafft, dass Gesundheit für alle möglich ist“.
Als eine wesentliche Voraussetzung für eine entsprechende, alle
gesellschaftlichen Bereiche berührende Politik wird eine breite öffentliche
Beteiligung und Diskussion über geeignete Entwicklungsmaßnahmen
angesehen. Dazu sind lokale Aktivitäten und lokale Aktionspläne vorgesehen.
Der „Setting-Ansatz“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bietet
erfolgreiche Beispiele, wie auf kommunaler Ebene gesundheitsförderliche
Einrichtungen (Schulen, Kindergärten, Betriebe, Krankenhäuser, Vereine,
Regionen) die Menschen erreichen, und sie an diesen Orten gemeinsam
Veränderungen ihres Lebensumfeldes erdenken und umsetzen. Die Gedanken
1 Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag = TAB
31

Bündnis Umwelt und Gesundheit
und Ziele von Rio (Agenda 21) und Ottawa (Charta zur Gesundheitsförderung)
werden so im gesellschaftlichen Diskurs verankert und verändern
Lebensverhältnisse und Lebensstile. Sie werden nicht „oben“ verordnet,
sondern „unten“ erdacht und getragen.
Im Zusammenhang mit der Beteiligung an der Dritten Europäischen
Konferenz Umwelt und Gesundheit in London 1999 entstand auch das
Bündnis Umwelt und Gesundheit (BUG) für Deutschland, das bislang ohne
feste Strukturen und Ziele agiert. Es setzt sich für einen Paradigmenwechsel in
der Umwelt- und Gesundheitspolitik ein, für eine Wende weg von der
Krankheits- hin zur Gesundheitspolitik. Im Vordergrund soll nicht mehr das, was
krank macht stehen, sondern das, was gesund erhält: die Salutogenese.
Im Rahmen des „Bündnis Umwelt und Gesundheit für Deutschland“ sind bisher
folgende Organisationen vertreten: Interdisziplinäre Gesellschaft für
Umweltmedizin (IGUMED), Ökologischer Ärztebund (ÖÄB), Bund für Umwelt
und Naturschutz Deutschland (BUND), Deutscher Berufsverband der
Umweltmediziner (dbu), Deutsche Gesellschaft für Umwelt und
Humantoxikologie (DGUHT), Deutsche Akademie für Kinderheilkunde und
Jugendmedizin, GesundheitsAkademie, Europäischer Verbraucherverband für
Naturmedizin, Abekra, Politischer Arbeitskreis von Patienten-Initiativen und die
Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung. Weitere
Organisationen haben ihr Mitwirkungsinteresse bekundet.
Der Abstimmungsprozeß über Thesen und Ziele des Bündnis steht noch am
Anfang, da keine der beteiligten Organisationen über hauptamtliches Personal
für das Querschnittsthema Umwelt und Gesundheit verfügt. Es müsste mehr
Energie in die systematische Kommunikation und Vernetzung fließen.
Neu am Bündnis Umwelt und Gesundheit ist, dass sich Umweltgruppen und
medizinische Gruppen zusammengefunden haben. Ärzte und Ärztinnen werden
gemeinsam mit Umweltverbänden laut und fordern ein, dass im
Gesundheitssystem nicht nur der kranke Menschen (z.B. mit Beinbruch) im
Vordergrund stehen darf. Erst wenn ein Mensch „richtig krank“ ist, fängt die
ärztliche Zuständigkeit an. Zivilisationskrankheiten nehmen zu, Menschen
erkranken an ihrer Umwelt. Dies wird im Krankensystem nicht genügend
berücksichtigt. Aber nicht nur Stoffe machen krank. Es reicht nicht mehr, „nur“
neue Grenzwerte festzusetzen und Risiken neu zu bewerten. Auf Menschen,
32

Bündnis Umwelt und Gesundheit
die an der Umwelt erkranken, wirken meist gleichzeitig andere krankmachende
Faktoren ein. 2
Wichtige Arbeitsschritte des Bündnisses waren das ausführliche Gespräch mit
Gesundheitsministerin Andrea Fischer und Umweltstaatssekretärin Gila
Altmann bei der London-Konferenz. Dort wurde die Stellungnahme zum
Europäischen Aktionsplan Umwelt und Gesundheit, die gemeinschaftlich auf
Initiative der IGUMED 1998 erarbeitet worden ist, einschließlich eines Papiers
zur Kindergesundheit überreicht.
Außerdem der Parlamentarische Abend am 19.1.2000 in Berlin, ebenfalls mit
Andrea Fischer und Gila Altmann, sowie Bundestagsabgeordneten aller
Fraktionen und zahlreicher parlamentarischer Ausschüsse.
Ziel ist es, neue lokale Netzwerke zu bilden, in denen Personen aus dem
Gesundheitswesen mit denjenigen zusammenarbeiten, um deren Gesundheit
es geht. Gemäß der Forderung der Ottawa Charta: „den Menschen ein höheres
Maß an Selbstbestimmung über ihre eigene Gesundheit zu ermöglichen und sie
zu befähigen, ihre Gesundheit zu stärken“.
2 Ohnsorge, Peter: Einflußbereiche des Patienten, die er bei Umwelterkrankungen (wie
fünf Finger) abklärt: Arbeitsplatz/ Hobby, Wohnumfeld/ Kleidung, Ernährung,
Stressmanagment, Entzündungsherde/ Focus. Arbeitsplatz/ Hobby, Wohnumfeld/
Kleidung
33

Schulanfänger in Sachsen-Anhalt
Lebensumwelt und Gesundheit - Veränderungen für
Schulanfänger seit der Wende im Land Sachsen-Anhalt
Dr. Hanna Oppermann, Doz. Dr. habil. Bernd Thriene
Hygieneinstitut Sachsen-Anhalt, Magdeburg
Zusammenfassung
Ergänzend zu den flächendeckenden Umwelt- und Gesundheits-
surveyprogrammen in den neuen Bundesländern wurde zwischen den Ländern
Sachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen eine umweltepidemio-
logische Studie vereinbart, um die Frage zu klären, ob die vorhandene
Luftverunreinigung Auswirkungen auf den Gesundheitszustand von Schul-
anfängern hat.
Im Rahmen dieser Übereinkunft werden seit 1991 jährliche
Fragebogenerhebungen und alle drei Jahre zusätzlich umweltmedizinische
Wirkungsuntersuchungen zur Erfassung des Gesundheitszustandes von
Schulanfängern in industriellen Ballungsgebieten und Vergleichsarealen in
Sachsen-Anhalt, Sachsen und Nordrhein-Westfalen durchgeführt. Die
Ergebnisse der Studie zeigten bereits 1994, dass die erhebliche Verringerung
der Luftbelastung mit SO2 und Staub dazu geführt hatte, Reizungen und Infekte
der oberen Atemwege bei Kindern in vormals besonders belasteten
ostdeutschen Gebieten deutlich zu reduzieren. Für allergische Symptome und
Sensibilisierungen wurden dagegen keine Zusammenhänge mit der
Außenluftbelastung gefunden. Sie waren sogar bei den in Nordrhein-Westfalen
lebenden Schulanfängern häufiger als bei ostdeutschen Kindern. Der
Schwerpunkt der Studie wurde im Zuge der veränderten Außenluftbedingungen
auf eine vergleichende Bewertung der Prävalenz von Atemwegserkrankungen,
Allergien und Sensibilisierungen bei ost- und westdeutschen Kindern unter
Berücksichtigung und Einbeziehung anderer möglicher Risikofaktoren, auch der
des Innenraums, konzentriert. Von Beginn an wurde alle drei Jahre eine
mögliche Sensibilisierung mittels des Haut-Prick-Testes und des RAST
untersucht.
Insgesamt wurden bis 1997 die Daten von 26.121 Kindern erhoben. Die
Responserate lag bei 83%. 5.338 Kinder unterzogen sich einem RAST, 4.293
34

Schulanfänger in Sachsen-Anhalt
einer Haut-Prick-Testung. 1.342 Kinder wurden nach drei Jahren, nun als
9jährige, erneut befragt. Die Lebenszeitprävalenz des Heuschnupfens liegt bei
den befragten ostdeutschen Kindern, die vor 1990 geboren wurden, bei 0,5 -
1%, bei Kindern, die nach der Wende geboren wurden bei 3,5 - 4% und damit
wie bei den westdeutschen Kindern.
Die typischen Symptome des Heuschnupfens (laufende und verstopfte Nase,
gerötete Augen) nahmen zu, nicht jedoch Bronchialasthma und das atopische
Ekzem. Die 1997 befragten 9-jährigen Kinder gaben dagegen nicht häufiger an,
jemals unter Heuschnupfen gelitten zu haben, als die 1994 befragten
Gleichaltrigen. Die Häufigkeit einer Sensibilisierung gegen spezifische
Allergene änderte sich bisher nicht. Insgesamt ist das Erkrankungs- und
Symptommuster bei 6jährigen Kindern aus Ostdeutschland im Jahre 1997 dem
in Westdeutschland sehr ähnlich geworden.
35

Gesundheitssurvey
Gesundheitssurvey für Kinder und Jugendliche
Dr. Panagiotis Kamtsiuris
Robert Koch-Institut, Berlin
Der Rückgang der Sterblichkeit von Säuglingen, Kindern, Jugendlichen und von
deren Eltern im zurückliegenden Jahrhundert ist in seiner Dimension wohl
einzigartig in der Geschichte der Menschheit. Das Sterben ist dadurch,
verglichen mit dem körperlichen, seelischen und sozialen Wohlsein, als
gesundheitspolitisches Anliegen in den Hintergrund getreten. Mit dieser
Schwerpunktverschiebung verbindet sich ein neuartiger Bedarf an Daten und
Erkenntnissen zur gesundheitlichen Lage von Kindern und Jugendlichen, der
über die amtliche Statistik und über Prozessdaten nicht befriedigt werden kann.
Es ist jetzt erforderlich, an das Individuum heranzutreten und die Information an
ihm selbst zu gewinnen. Für verallgemeinerungsfähige Erkenntnisse müssen
bevölkerungsrepräsentative Stichproben untersucht werden. Ein dafür im
Robert Koch-Institut entwickeltes Konzept mit Erhebungsinstrumenten steht
nach positiver Begutachtung zur Förderung an. Diese wichtige Untersuchung
zur gesundheitlichen Situation der nachwachsenden Generation soll am Beginn
eines neuen Jahrhunderts Daten und Erkenntnisse zu den folgenden Themen
gewinnen:
• Gesundheitslage,
• Befinden,
• Lebensqualität,
• Krankheiten und Unfallverletzungen,
• Inanspruchnahme medizinischer Leistungen,
• Medikamentenkonsum,
• gesundheitsrelevanter Lebensstil und Risikoverhalten,
• Impfstatus,
• somatische, geistig-psychische und soziale Entwicklung,
• Lebensbedingungen,
• Soziodemographie und Sozialstatus
• sowie Risiken aus der natürlichen und anthropogen veränderten Umwelt.
Neben einem Befragungsteil werden in der Studie auch ärztliche
Untersuchungen durchgeführt und biologische Proben gewonnen. In einer
Pilotphase soll getestet werden, mit welchem Studiendesign valide Aussagen
zur gesundheitlichen Situation von Kindern und Jugendlichen erhoben werden
36

Gesundheitssurvey
können. Hierbei sollen an vier ausgewählten Standorten und mit einer
Probandenzahl von insgesamt ca. 2.000 (Netto-Stichprobe) die Machbarkeit,
das Studiendesign und die Instrumente überprüft, die Logistik optimiert, die
Gründe für eine Nichtteilnahme und die Voraussetzungen für eine möglichst
hohe Ausschöpfung ermittelt werden. Zudem sollen die Fallzahlen und die
Kosten für die Hauptphase (ca. 20.000 Probanden bundesweit) auf der Basis
der Ergebnisse aus der Pilotphase genauer kalkuliert werden.
Unterstichprobe Umwelt-Survey
Dr. Christian Krause
Umweltbundesamt (UBA), Berlin
Der Umwelt-Survey wird bei einer Unterstichprobe des Gesundheitssurveys für
Kinder und Jugendliche durchgeführt. Die Unterstichproben erfassen im Pretest
560 Personen und in der Hauptphase ca 4.500 Personen. Eines der
wesentlichen Ziele des Umwelt-Surveys für Kinder und Jugendliche ist die
Erfassung, Bereitstellung und Aktualisierung von repräsentativen Daten für eine
umweltbezogene Gesundheitsbeobachtung und –berichterstattung auf
nationaler Ebene. Diese repräsentativen Daten dienen darüber hinaus:
1. als Grundlage für die Erstellung von Referenzwerten über die Belastung von
Kindern und Jugendlichen mit Umweltschadstoffen und Lärm, die die
Grundlage für eine bundesweit einheitliche Beurteilung bilden
2. dem Aufzeigen von zeitlichen Trends und von regionalen Unterschieden in
der Belastung
3. der Identifikation und Quantifizierung von Belastungspfaden
4. der Konzeption und Überprüfung von Präventions-, Interventions- und
Verminderungsstrategien im Rahmen von gesundheits- und
umweltpolitischen Maßnahmen.
Das Untersuchungsprogramm umfasst die folgenden Komponenten:
• Human-Biomonitoring:
1. Vollblut für die Bestimmung von Schwermetallen, wie Blei, Cadmium,
Quecksilber, Organochlorverbindungen wie PCB, DDE, HCB, HCH.
2. Gesamte Urinmenge für die Bestimmung von Creatinin, Arsen, Cadmium,
Platin, Quecksilber, Palladium, Pentachlorphenol (PCP), Nikotin, Cotinin,
37

Gesundheitssurvey
38
Metabolite von Pyrethroiden, org. Phosphorsäureester und PAKs sowie
Cortisol.
• Lärm- und Hörfähigkeitsmessungen
• Innenraum-Monitoring mit Staubniederschlags- und Staubkonzentrations-
messungen sowie die Erfassung chemischer und biologischer
Innenraumluftverunreinigungen
• Gewinnung von Trinkwasser-Stagnationsproben

"Gesunde Mobilität bei Kindern –
schlaff durch das Mama-Taxi?"
Armin Falkenhein
Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club (ADFC), Bayern
Steigende Inaktivität von Kindern und Jugendlichen
Mobilität bei Kindern
Die Auswirkungen des massenhaften Automobilverkehrs betreffen heute
nahezu jeden, besonders aber unsere Kinder. Sie leiden am stärksten unter
den Auswirkungen des motorisierten Straßenverkehrs, obwohl sie am
wenigsten dazu beitragen. Abgase, Lärm, Unfallgefahren sind dabei weithin
bekannte Beeinträchtigungen.
Eine weitere Folge wird jedoch noch zu wenig wahrgenommen: Der motorisierte
Verkehr stoppt Kinder in ihrem natürlichen und für eine gesunde Entwicklung
wichtigen Bewegungsdrang, behindert damit die sozialen Kontakte und hemmt
so eine selbständige Entwicklung.
So sank beispielsweise die aktiv zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegte
tägliche Wegstrecke bei Kindern und Jugendlichen in den letzten Jahren
deutlich. 1
Hinzu kommt, dass wir die Kinder bei jeder Gelegenheit mit dem Auto, dem
sog. "Mama-Taxi", chauffieren. So stellte eine umfangreiche Untersuchung über
die Straßenverkehrsbeteiligung von Kindern und Jugendlichen (Wittenberg
1988) zwischen 3 und 17 Jahren fest, dass 1984 im Vergleich zu 1975 die Zahl
der Mitfahrten im PKW um 500% (von 4% auf 20%) gestiegen ist und die Zahl
der zu Fuß zurückgelegten Wege im gleichen Zeitraum von 54% auf 45%
zurückgingen. 2
1 "Körperliche Bewegung zur Prävention und Behandlung von Adipositas" in Dt.
Ärzteblatt, Heft 12, März 2000
2 "Die Bedeutung von psychomotorischen Entwicklungsvoraussetzungen von Kindern
für Unfallgefährdung und -prävention, Dt. Verkehrswacht, Nov. 1997
39

Mobilität bei Kindern
Körperlich fit?
Diese Situation trägt mit dazu bei, dass der Gesundheitszustand der Kinder
heute so beschrieben wird:
40
• bis zu 60% haben Haltungsprobleme
• bis zu 40% Schwächen in der Körperkoordination
• bis zu 35% Übergewicht
• 40% der Grundschüler besitzen einen schwachen Kreislauf
• mehr als 50% der Kinder zeigen Konditionsprobleme beim Laufen,
Springen und Schwimmen 3
Kinder leiden mehr und mehr unter Bewegungsmangel! Dies, obwohl Kinder
und Jugendliche meist einen starken natürlichen Bewegungsdrang haben.
Körperliche Inaktivität setzt sich im Erwachsenenalter fort, mit dramatischen
Folgen. Ein wesentlicher Teil der zu behandelnden Krankheiten hierzulande ist
verhaltensbedingt, also auf eine falsche Ernährung und vor allem
Bewegungsmangel zurückzuführen.
Das führt in hohem Maße zu Übergewicht bereits in jungen Jahren.
"Übergewicht aber hat den Angaben zufolge eine zentrale Bedeutung bei der
Entwicklung eines metabolischen Syndroms, der Kombination von
Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen und erhöhten
Harnsäurespiegeln im Blut. Das Syndrom führt über eine allmähliche
Schädigung der Blutgefäße hin zu bedrohlichen Ereignissen wie Schlaganfall
oder Herzinfarkt." 4
Schlechte Entwicklungschancen für Kinder
In einer Schweizer Studie von 1995 wiesen zudem Hüttenmoser und Degen-
Zimmermann 5 anhand von Untersuchungen fünfjähriger Kinder in Zürich nach,
dass "Kinder und Eltern aus Wohnsituationen, in denen das unbegleitete Spiel
im näheren Umfeld durch motorisierten Fahrzeugverkehr nicht möglich ist,
bedeutend weniger Nachbarschaftskontakte haben.“
3 Kinder fit für den Straßenverkehr, Verkehrswacht, Kinder + Jugendmedizin, 1999,
Bewegungskalender für 2000
4 Zu wenig Bewegung macht dick und krank", Augsburger Allgemeine, S. 4, 23.10.00
5 Marco Hüttenmoser, Dorothee Degen-Zimmermann in: Lebensräume für Kinder,
Bericht 70 des NFP "Stadt und Verkehr", Zürich 1995

Mobilität bei Kindern
"Über das freie Spiel im Wohnumfeld hinaus verhindert der
Motorfahrzeugverkehr im Wohnumfeld auch weitgehend alle selbstständigen
Aktivitäten der Kinder, die auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtet sind, wie den
Besuch von Freunden in der näheren Umgebung. So wird die Handlungsfreiheit
der Kinder wesentlich eingeschränkt."
Damit wird auch den Eltern eine erhebliche Mehrbelastung an Betreuung der
Kinder aufgeladen. Dieser Zwang, das Kind ständig in unmittelbarer Nähe zu
haben und es überall hin zu begleiten, verstärkt die bestehenden Bindungen
zwischen Müttern und ihren Kindern. Dies führt dazu, dass der Prozess der
Ablösung erschwert wird.
Schließlich konnte die Intensivuntersuchung von Hüttenmoser und Degen-
Zimmermann nachweisen, dass die Entwicklungschancen von Kindern, die
nicht allein im Wohnumfeld spielen können, bedeutend schlechter sind als die
derjeniger Kinder, denen das möglich ist!
Die Ursachen
In der oben genannten Studie weisen Hüttenmoser und Degen-Zimmermann
nach, dass der motorisierte Fahrzeugverkehr der eigentliche Verhinderer des
Spiels der Kinder im Wohnumfeld ist. Dies führt zu sozialer Isolation und damit
auch zu einem inaktiven, also bewegungsarmen Lebensstil der Kinder und
Jugendlichen, der sich offenbar im Erwachsenenalter fortsetzt.
Auf einem Augsburger Ärztekongress 6 wurde darüber hinaus ein ausufernder
Fernsehkonsum, eine wachsende Automatisierung der Umwelt und eine
erhöhte Mobilität der Bevölkerung, allerdings in der falschen Richtung, mit dem
Auto fahrend, festgestellt.
Da die Erwachsenen durch ihr Verhalten wesentlich das der Kinder prägen,
erzieht unsere intensive „Auto - Mobilität“ Kinder frühzeitig zu einem
bewegungsarmen Leben!
6 Zu wenig Bewegung macht dick und krank", Augsburger Allgemeine, a.a.O.
41

Mobilität bei Kindern
WHO Charta Verkehr, Umwelt und Gesundheit
Auf der dritten Ministerkonferenz "Umwelt und Gesundheit" im Juni 1999 in
London wurde daher die WHO Charta " Verkehr, Umwelt und Gesundheit"
verabschiedet. 7
In der Charta heißt es:
"Die Konferenzteilnehmer erkannten, dass die Gesellschaft von heute mobil
sein muss und dies seinen Wert hat, zeigten sich jedoch besorgt darüber, dass
die schädlichen Auswirkungen des Verkehrs auf Umwelt und Gesundheit
zunehmen, weshalb sie umgehende Schritte für notwendig hielten, um diese
Wirkungen möglichst abzumildern. Die Teilnehmer begrüßten die Charta
‚Verkehr, Umwelt und Gesundheit‘ als Rahmen für Maßnahmen wie:
• die Verzahnung von gesundheitlichen Anliegen mit verkehrspolitischen
42
Konzepten
• die Förderung der Zusammenarbeit zwischen allen interessierten Parteien
• die Propagierung von mehr Bewegung durch Gehen und Fahrradfahren
• die Internalisierung der verkehrsbedingten externen Kosten.
Es wurde zur Kenntnis genommen, dass integrierte Strategien auch die
Möglichkeit eröffnen, den Autoverkehr einzuschränken und zugleich das
Fahrradfahren, das Gehen und den Gebrauch öffentlicher Verkehrsmittel zu
fördern.
So wurde beschlossen, öffentliche Verkehrsmittel, Gehen und Radfahren
attraktiver zu machen und eine gleichberechtigtere Nutzung dieser
Fortbewegungsmöglichkeiten zu fördern, was nicht zuletzt dadurch erreicht
werden soll, „dass die öffentlichen Verkehrsmittel, das Gehen und Radfahren im
Zusammenhang mit dem Ausbau der Infrastruktur Vorrang erhalten."
Mehr Alltagsbewegung durch zu Fuß gehen, Rollern und Radfahren!
Bewegungsfördernde Verkehrsarten, wie Gehen und Radfahren, sind gezielt als
Teil der Gesundheitsprävention zu fördern. Diese Fortbewegungsarten müssen
vor allem im Alltag verstärkt genutzt und gefördert werden, da nur so die
notwendige Mindestbewegung sichergestellt wird.
7 http://www.who.dk/london99

Mobilität bei Kindern
Mindestbewegung heißt: Täglich nicht weniger als eine halbe Stunde mäßige
Bewegung (also nicht Sport) sicherstellen. 8 Bei Kindern sollte es in jedem Fall
eine Stunde Spielen an der frischen Luft umfassen.
Positive Effekte der Bewegung
Die gesundheitlichen Vorteile von regelmäßiger Bewegung werden im Anhang
1 der o.g. Charta „Verkehr, Umwelt u. Gesundheit“ wie folgt zusammengefasst:
• 50% geringeres Risiko für Erkrankungen der Herzkranzgefäße (d.h. ein
ähnlicher Effekt wie das Nichtrauchen)
• 50% geringeres Risiko für Diabetes im Erwachsenenalter
• 50% geringeres Risiko für Fettleibigkeit
• 30% geringeres Risiko für Bluthochdruck
• 10mm Hg niedrigerer Blutdruck bei Patienten mit Bluthochdruck (d.h. eine
vergleichbare Wirkung wie blutdrucksenkende Medikamente erreichen)
• Zu den weiteren positiven Auswirkungen gehören ein geringeres Risiko für
Osteoporose, eine Erleichterung der Symptome bei Stress und
Angstzuständen sowie die Prävention von Sturzunfällen älterer Menschen.
Maßnahmen von Staat und Gesellschaft
• Konsequenz der Charta ist es, dass künftig das Gesundheitswesen weitaus
stärker als bisher in die Verkehrs- und Stadtplanung mit einzubeziehen ist.
Dies setzt voraus, dass sich das Gesundheitswesen dieser Aufgabe bewusst
wird und sie annimmt.
• Erfolgreich wird dieser Weg sein, wenn die zahlreichen Akteure im
Gesundheitswesen sich mit denen im verkehrs- und unweltpolitischen
Bereich zusammenschließen, also Netzwerke bilden. Das europäische
Netzwerk „HEPA“ (Health-Enhancing Physical Activity) im Rahmen von des
EU-Projekts ‚Europe on the Move' 9 , zeigt diesen Weg auf. In den
Niederlanden, der Schweiz oder Großbritannien wurden bereits erfolgreiche
Schritte unternommen.
• Damit Deutschland in Bewegung kommt, brauchen wir diese HEPA-
Netzwerke auf Bundes-, wie auf Landesebene.
8 "Körperliche Bewegung zur Prävention und Behandlung von Adipositas" a.a.O.
9 http://www.europe-on-the-move.nl
43

Mobilität bei Kindern
• Ein wichtiges Ziel wird es sein, den Straßenraum für Kinder so sicher zu
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gestalten, dass sie die Chance haben, eigenständig im öffentlichen Raum zu
spielen und sich selbständig zum Kindergarten und zur Schule zu bewegen.
Wie in Großbritannien benötigen auch wir Kampagnen "Sicher und gesund
zu Kindergarten und Schule".
• Kinder müssen in die Verkehrs- und Stadtplanung mit einbezogen werden,
damit ihnen die für ihre Entwicklung so wichtigen Bewegungsräume
eingeräumt und wieder zurückgegeben werden. 10
Maßnahmen in der Familie bzw. bei den Eltern
• Ferner sollten Kinder durch ihre Eltern nicht länger als eine Stunde täglich
vor dem Computer vor dem Fernseher sitzen lassen. Kinder sollten vielmehr
mindestens täglich eine Stunde draußen spielen.
• Auch eine gezielte Motorikförderung sollte schon im Krabbel - und
Kinderalter beginnen. Kindern ist viel Bewegungsraum, sowohl in der
Wohnung, vor allem aber außerhalb der Wohnung einzuräumen. 11
• Schließlich aber sollten Mütter wie Väter aufgeklärt und informiert werden,
dass das "Mama-Taxi" gerade aus gesundheitlicher Sicht eher negativ zu
beurteilen ist.
• Mehr Bewegung für unsere Kinder bietet auch den Erwachsenen die
Chance, sich mehr Bewegung im Alltag zu verschaffen! Dazu ruft die WHO
Charta auf. Auch die Krankenkassen in Deutschland haben sich bei der
Prävention darauf verständigt, Bewegung im Alltag gezielt zu fördern. 12
Fazit
Nutzen wir diese Chance, Bewegung im Alltag erneut einzubauen. Alle Studien
zeigen inzwischen, es geht nicht um sportliche Leistungen, sondern um zu Fuß
gehen, Rad fahren, Schwimmen und andere ganz normale Bewegungsformen.
Schon mäßige Bewegung erzielt eine hohen gesundheitlichen Nutzen - das ist
bei Kindern wie bei Erwachsenen der Fall. Da über 50% aller Autofahrten nicht
10 so auch Hüttenmoser und Degen-Zimmermann, a.a.O.
11 Kinder fit für den Straßenverkehr, Verkehrswacht, a.a.O.
12 „Gemeinsame und einheitliche Handlungsfelder und Kriterien der Spitzenverbände
der Krankenkassen zur Umsetzung von § 20 Abs. 1 und 2 SGB V, 21.6.2000,
http://www.vdak.de/presseallg45.htm

Mobilität bei Kindern
weiter als 5 Kilometer reichen, sollten diese kurzen Wege gezielt als
individuelles Fitnessprogramm genutzt werden und dafür das Fahrrad oder die
eigenen Füße genutzt werden.
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Workshops und Ergebnisse
46

Workshop 1
„Wen juckt das schon?“
Kinder und Allergien
47

Workshop 1
Kinder und Allergien
Dr. Marion Grau
Ökologischer Ärztebund, Nürnberg
Allergien gehören zu den großen umweltmedizinischen Herausforderungen
unserer Gesellschaft. Die klassischen Allergieformen, wie Neurodermitis,
Heuschnupfen und Asthma steigen in allen industrialisierten Ländern und
besonders auch in Deutschland rapide an. Seit der Maueröffnung erfolgte nun
ein deutlicher Anstieg der Allergien bei Kindern in den neuen Bundesländern.
Insbesondere Sensibilisierungen und Heuschnupfen zeigen eine eindeutige
Zunahme.
Verantwortlich dafür wird der „Western lifestyle“ gemacht, also ein
multifaktorielles Geschehen. Verschiedene Hypothesen der Ursachen dieses
drastischen Anstiegs werden diskutiert.
Immer deutlicher zeigt sich, belegt durch zahlreiche Studien, dass der
Individualverkehr eine große Rolle bei den Adjuvantien und Auslösern von
allergischen Reaktionen spielt. Zum einen bewirkt der hohe NOX-Gehalt
entlang stark befahrener Straßen einen erhöhten Allergengehalt der Luft, da die
Pollen zum einen vermehrt Allergen bilden, zum anderen auch durch die
Abgase eine veränderte Oberfläche entwickeln und dadurch vermehrt Allergen
bereits in der Luft freisetzen.
Der Pollen der Birken in der Stadt ist daher „allergener“ als der Pollen der
Birken auf dem Land mit weniger Autoverkehr.
Ein besonderes Risiko für die Lungen der Kinder stellt der Dieselruß dar. Diese
feinen und sogenannten ultrafeinen Staubpartikel können tief in die Alveolen
eindringen und bewirken dort entzündliche Reaktionen. Um den Kohlenstoffkern
des Rußpartikels binden sich zugleich andere Schadstoffe, die dann in die
Alveolen mittransportiert werden.
Die Vorschädigung der Bronchialschleimhaut führt dazu, dass bereits mit
weniger Allergen eine Reaktion, z.B. ein Asthma-Anfall, eintritt.
48

Workshop 1
Sicher scheint auch die Wirkung des Ozons, das durch Entzündungsreaktionen
in den tiefen Bronchien, die Anfälligkeit der Lungen erhöht. Bei hohen
Ozonwerten erleiden Asthma-Kinder eindeutig mehr Asthma-Anfälle. Im Falle
des Ozons können Dosis-Wirkungsverbindungen nachgewiesen werden, was
bei den anderen Luftschadstoffen oft nicht gelingt.
Bei den Innenraum-Schadstoffen liegt der Zigarettenrauch als belastendes
Agens an erster Stelle. Offene Gasherde, die die Innenraum-Konzentration an
NOX stark erhöhen, scheinen auch gehäuft bei allergischen Kindern vorhanden.
Inwieweit die vielen Zusatzstoffe in unserer Nahrung mit verantwortlich sind für
den rasanten Anstieg an Allergien bleibt zu klären. Gentechnisch veränderte
Nahrungsmittel würden in jedem Fall die Gefahr einer allergischen Reaktion für
alle Atopiker rasant erhöhen. Da diese Risikogruppe immer größer wird,
erscheint es nicht vertretbar, ohne wirkliche Notwendigkeit gentechnisch
veränderte Nahrungsmittel auf den Markt zu bringen.
Eine weitere Hypothese sieht die Ursache der Allergiezunahme in den
fehlenden Infekten der Säuglinge, wenn sie in der typischen Ein-Kind-Familie
aufwachsen. Im Gegensatz zu den „Krippenkindern“ der ehemaligen DDR, die
bereits im ersten Lebenshalbjahr deutlich mehr Virusinfekte durchmachten.
Immerhin sind nach Schätzungen 24 bis 32 Mio. Deutsche allergisch
vorbelastet, 12 Mio. leiden an Heuschnupfen und 4 Mio. an Bronchialasthma.
Die meisten davon leben in Stadtgebieten, an dicht befahrenen Straßen.
Um diesen Trend zu stoppen und nicht ein Volk von Allergikern zu riskieren, ist
es dringend notwendig, die Kinder vor den krankmachenden Autoabgasen zu
schützen, die Nahrung nicht noch mehr zu denaturieren und Tabakrauch aus
allen öffentlichen Gebäuden zu verbannen. .
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Workshop 1
Kinder und Allergien
Sigrid Scheidt
Allergie-Verein in Europa, Eisenach
Allergien sind die Umwelterkrankungen Nr. 1.
Die Schaffung einer gesunden Umwelt ist ein Grundrecht aller Kinder.
Unsere Verpflichtung besteht in der weitest gehenden Erhaltung einer
unbelasteten Umwelt und gegebenenfalls in entsprechenden Maßnahmen zu
ihrer Wiederherstellung.
Aus unserer Sicht besteht der nötige Handlungsbedarf darin, die negativen
Auswirkungen der Umweltbelastung auf die Gesundheit der Kinder in das
öffentliche Bewusstsein zu bringen.
Die Anliegen müssen in den jeweiligen Fachdisziplinen aufgenommen werden,
damit sie auch umgesetzt werden können.
Konzepte und deren Realisierung zur Verbesserung der derzeitigen Situation
sind dringend erforderlich. Besondere Anstrengungen sind im präventiven
Bereich zu unternehmen.
Die Zahl der an Allergien leidenden Kinder und Jugendlichen nimmt stetig zu.
Die allen bekannten Zahlen sind beunruhigend. Gefragt ist aber nicht nur was
uns krank macht, sondern vor allem, wie wir es schaffen, dass alle Menschen
gesund bleiben, trotz der ständigen gesundheitlichen Belastungen.
Der Allergieverein (AVE) in Europa e.V. empfiehlt Therapiekonzepte nach den
Grundsätzen der Umweltmedizin hinsichtlich des Wohnens, der Umwelt, der
Ernährung, der Lebensgestaltung und der nötigen Untersuchungen. Damit
stehen wir auf der Seite des Aktionsprogramms und leisten einen Beitrag zu
seiner Umsetzung.
Im AVE schließen sich Menschen zusammen, die sich für die ganzheitliche
Behandlung allergischer Erkrankungen interessieren.
Der AVE bietet ein offenes Forum für alle, die ihre Vorstellungen, Ideen und
Anliegen einbringen wollen.
Unsere Projekte sind:
1. Die Unterstützung der Kuraufenthalte im Allergie– Therapie-Zentrum „Mar-
Menor“ in Spanien.
2. Die Zeitschrift „Umwelt und Gesundheit“ als Organ des AVE. Unsere
Zeitschrift erscheint 4x jährlich, ist für Mitglieder kostenlos und gibt Betroffenen
aber auch interessierten Menschen aktuelle Informationen aus allen
50

Workshop 1
Lebensbereichen, aber auch Ernährungstipps, Hinweise zur
Gesundheitserziehung und sie weist auf neueste wissenschaftliche
Erkenntnisse hin.
Der Vorstand des AVE beschloss 1999 die Mitgliedschaft bei der National
Coalition zur Umsetzung der UN-Kinderrechte zu beantragen.
Mit umwelt- und gesundheitspolitischen Forderungen zur Prävention
allergischer und umweltbedingter Erkrankungen, Vermittlung ganzheitlicher
Behandlungskonzepte und Vorstellung neuester Erkenntnisse aus der
Umweltmedizin setzt sich der AVE für eine bessere Lebensqualität von Allergie-
und Umweltkranken, besonders der Kinder, in der BRD und in der EU ein.
Seit Gründung im Jahr 1989 verfolgt unser gemeinnützige Verein u.a. das Ziel,
Personen mit Erkrankungen des allergischen Formenkreises und deren
Angehörigen, die Inanspruchnahme medizinischer Maßnahmen in einem
geeigneten Umfeld und der geeigneten Nachsorge zu ermöglichen. Dabei
arbeiten wir eng mit den Krankenkassen (KK) zusammen.
Der AVE verpflichtet sich zur Verwirklichung der ökologischen Kinderrechte in
den Bereichen Umwelt, Wohnen, Ernährung und Lebensgestaltung beizutragen
und den Weg für eine lebenswerte Zukunft für Kinder und nachfolgende
Generationen, entsprechend unserer Möglichkeiten, zu ebnen.
Der AVE fordert
• eine Allergieklausel in der Umweltgesetzgebung vor allem für Lebensmittel
und den gentechnologischen Bereich (Volldeklaration gefährlicher Stoffe)
• Transparenz bei der Deklaration und Kennzeichnung von Lebensmitteln
• eine eindeutige Kennzeichnung von Zusätzen.
Damit soll eine umfassenden Verbraucherinformation für Allergiker unterstützt
werden. Wir verstehen uns als Mittler zwischen Patient und Therapeut.
Wünschenswert wäre eine noch intensivere Zusammenarbeit mit den KK, zur
Unterstützung der Selbsthilfegruppen. Leider fehlt es hier an den nötigen
finanziellen Mitteln.
Bestandteil der ökologischen Kinderrechte ist das Recht des Kindes auf
Beteiligung an den jeweiligen Aufgaben. Auch hier scheinen mir noch
hinsichtlich der Praxis große Reserven zu liegen. Dabei sind die Politiker,
besonders auf kommunaler Ebene, gefragt.
51

Workshop 1
Asthma bronchiale im Kindesalter
OÄ Dr. Renate Schuster-Wonka
Universitätsklinikum Otto-von-Guericke, Magdeburg
Viele Daten und Untersuchungsergebnisse weisen weltweit auf eine deutliche
Zunahme allergischer Erkrankungen hin. Es wird davon ausgegangen, dass es
in unserem Land ca. 10 Mill. Allergiker gibt und davon 5 Mill. Asthmatiker. Bei
Kindern wird eine Häufigkeit von 8-16% angegeben. Asthma bronchiale ist die
häufigste chronische Erkrankung im Kindesalter.
Eine weltweite Studie zur Häufigkeit von den drei wichtigsten allergischen
Erkrankungen (Asthma bronchiale, allergische Rhinokonjunktivis und
Neurodermitis) erbrachte interessante Daten (ISAAC-Studie). So liegt die
Häufigkeit dieser Krankheiten in Großbritannien, Australien und Neuseeland bei
27-34%, in Osteuropa und Asien nur bei 2-4%.
Das Asthma bronchiale ist eine chronisch entzündliche Erkrankung der unteren
Atemwege und ist gekennzeichnet durch anfallsweise auftretende Atemnot, die
sich vollständig oder teilweise zurückbilden kann. Der Asthmatiker leidet an
plötzlich auftretender Luftnot, die durch eine krampfartige Einengung der
Bronchien mit gleichzeitig entzündlicher Schwellung der Atemwegsschleimhaut
einhergeht. Man nimmt heute an, dass Entzündungsvorgänge der
Bronchialwand die Verengung der Bronchien herbeiführen. Ausgangspunkt
bildet die Reizung der Schleimhaut durch verschiedene „Asthmaauslöser“ bei
einer erhöhten Empfindlichkeit des Bronchialsystems (Hyperreagibilität). In
unserer täglichen Umgebung existieren viele Reizfaktoren, die
Asthmasymptome auslösen können. Dazu gehören vor allem sogenannte
Inhalationsallergene wie Pollen, Hausstaubmilben, Schimmelpilze, Tierhaare
u.a.. Von Belang sind aber auch Viren und Bakterien, die zu Atemwegsinfekten
führen. Zigarettenrauch, Abgase, Staub, Witterungseinflüsse, körperliche
Belastungen und evtl. psychische Faktoren sind ebenfalls bedeutsam.
In etwa 80% sind Allergien Haupt- und Teilursache für Asthma im Kindesalter.
Im Einzelfall kann es schwierig sein, die Diagnose Asthma bronchiale zu
stellen, da die Symptomatik unterschiedlich verläuft. Im Säuglings- und
Kleinkindalter kommt es seltener zu der typischen anfallsartigen Atemnot – es
besteht eher eine Bronchitis mit angestrengter und erschwerter Atmung.
52

Workshop 1
Für die Diagnosestellung ist auch die Familiengeschichte bezüglich allergischer
Erkrankungen wichtig, denn die Bereitschaft zu Allergien ist vererbbar.
Es gibt heute gute Behandlungsmöglichkeiten für Asthma, sodass etwa 2/3 der
Kinder unter einer optimalen Behandlung beschwerdefrei werden können.
Voraussetzung dafür ist eine frühzeitige Diagnosestellung und korrekte
Einschätzung des Krankheitsbildes.
Folgende diagnostische Maßnahmen sind notwendig:
- Erhebung der Krankengeschichte
- Klinische Untersuchung
- Allergietestung an der Haut, ggf. im Blut
- Lungenfunktionsuntersuchung in Abhängigkeit vom Alter des Kindes
- Röntgenaufnahme der Lunge und entsprechend dem Krankheitsbild
- Weitere spezielle Untersuchungen
Aus den Untersuchungsergebnissen lässt sich eine Behandlung ableiten, die in
den meisten Fällen mehrere Wege beschreitet. Es müssen erstens die Auslöser
vermieden oder vermindert werden und zum anderen müssen mit wirksamen
Medikamenten akute Asthmabeschwerden beseitigt werden.
Eine anfallsverhindernde, entzündungshemmende Behandlung ist dann
notwendig, wenn häufiger als 6-mal/Jahr asthmatische Beschwerden auftreten.
Je nach Schweregrad des Asthmas erfolgt eine sogenannte Stufentherapie, die
entsprechend der Symptomatik immer wieder angepasst werden muss.
Von großer Bedeutung ist, dass eine Behandlung auch dann fortgeführt werden
muss, wenn keine Asthmabeschwerden bestehen!
Die Anwendung der verschiedenen Medikamente erfolgt überwiegend durch
Inhalation, da auf diesem Weg der Wirkstoff sofort an den richtigen Ort gelangt
und dadurch eine relativ geringe Dosis benötigt wird.
Eine weitere wichtige ursächliche Behandlung ist bei einer nachgewiesenen
Allergie z.B. Pollen eine sog. Immuntherapie (Hyposensibilisierung), um das
Immunsystem umzustimmen und die Allergie schrittweise zu vermindern.
Begleitmaßnahmen wie Physiotherapie, Heilkuren und evtl. Psychotherapie
ergänzen die medikamentösen Maßnahmen.
Asthmaschulungen für Eltern und Kinder sollten unbedingt in das
Behandlungskonzept einbezogen werden.
53

Workshop 1
Ergebnisse des Workshops 1
Protokoll: Cathrin Kubrat
Hochschule Magdeburg-Stendal
I. Hauptziele und Hauptforderungen
Für eine gesunde Zukunft der Menschen muss ein Wertewandel in unserer
Gesellschaft nach den Regeln der Nachhaltigkeit gemäß dem Minimierungs-
gebot stattfinden.
1. Das bedeutet eine Änderung des westlichen Lebensstils, die Forderung von
54
regionalen Kreisläufen und einen autoreduzierten/- freien Alltag.
2. Forschungsschwerpunkte sollten:
- Ursachenforschung für Allergieentstehung sein, insbesondere durch
Luftschadstoffe (innen und außen) und durch Nahrungsmittel besonders
Gentechnik, sowie Chemikalien und Arzneimittel
- ebenso Epidemiologie mit begleitenden systematischen
Langzeituntersuchungen
3. Der Nichtraucherschutz muss komplettiert werden, besonders auch in
Gaststätten, auf Bahnhöfen und in Verkehrsmitteln darf kein Kind
zwangsläufig dem Zigarettenrauch ausgesetzt sein.
Wir, die TeilnehmerInnen des Workshops fordern ein Werbeverbot für
Tabakwaren, um eine Fehlmanipulation der Jugendlichen zu verhindern.
Eine Prägung mit negativen Vorbildern ist in diesem Alter bekanntlich leicht.
II. Gesellschaftliche Forderungen
Da inzwischen bekannt ist, dass besonders in verkehrsreichen Gebieten die
Asthmahäufigkeit sehr hoch ist, fordern wir eine neue Wohnortgestaltung um
dadurch die Luftqualität zu verbessern. So sollte es autofreie Wohnzonen
geben (z.B. Parkgarage in einiger Entfernung zur Wohnung, autofreie
Kindergarten- und Schulzonen), um Kinder von klein auf zu prägen.
Bereits bestehende und neue Gesetze müssen im Sinne der Nachhaltigkeit
korrigiert werden, als Beispiel wäre hier der Ozongrenzwert zu nennen.

Workshop 1
In jeder Kommune sollte es Kinderbeauftragte mit umweltmedizinischen
Kenntnissen geben.
Im Vorfeld für neue, aber auch für bereits bestehende Bauvorhaben muss eine
Gesundheitsverträglichkeitsprüfung als Pflichtaufgabe bestehen.
Ebenso fordern wir die sofortige Einführung eines Feinpartikelfilters für
Dieselabgase entsprechend der Euronorm 4.
III. Forderungen an spezifische Bereiche
1. Verbesserung der Nahrungsmitteldeklaration:
- Benennung aller Inhaltsstoffe
- Kennzeichnung von versteckten Allergenen
- Zusatzstoffe bei hohem allergischen Potential müssen verboten werden
2. Gentechnik:
- genaue Kennzeichnung gentechnischer Lebensmittel
- Verbot bei Säuglings- u. Kindernahrung
3. Dispensair- Betreuung von chronisch Kranken zur besseren Aufklärung und
Therapie
4. In Kindergärten und Schulen sollen Fächer wie Gesundheitserziehung und
Umwelterziehung als Pflichtfächer eingeführt werden. Der Unterricht sollte
projektbezogen mit vernetzten Lerninhalten durchgeführt werden.
5. Um den Lehrstoff adäquat vermitteln zu können, ist eine entsprechende
LehrerInnenausbildung erforderlich. Diese Ausbildung soll nach
ökologischen und vernetzten Gesichtspunkten erfolgen.
6. Ebenso soll das Medizinstudium nach ökologischen Zielstellungen und
Gesichtspunkten erfolgen. Die Ausbildung sollte so früh wie möglich
beginnen, möglichst im Grundstudium.
7. Die Vermittlung von ökologischen Inhalten ist in allen Fachgebieten
erforderlich.
IV. Vorschläge für konkrete Aktionen
- Wettbewerb: „Rauchfreie Schule“
- Information über die Zusammenhänge Umwelt und Allergiezunahme
- Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit
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Workshop 2
„Allzuviel ist ungesund“
Kinder und umweltbedingte
Gesundheitsstörungen
56

Kinder und umweltbedingte Gesundheitsstörungen
Manfred Schikore
Envico GmbH, Bielefeld
Workshop 2
"Allzuviel ist ungesund" - jeder von uns kennt diese alte Volksweisheit. Und
einige haben diesbezüglich auch schon persönlich ausgiebige Erfahrungen
sammeln dürfen.
Sei es nach ausgiebigem "Genuss" von alkoholischen Getränken, Zigaretten
oder Essen. Meistens lassen sich unmittelbar danach direkte Aussagen zu
Ursache und Wirkung treffen, ja sogar nachvollziehen. Allerdings führen solche
von uns bewusst eingegangenen Handlungen selten sofort zu
Gesundheitsstörungen, eher zu Unwohlsein. Erst wenn der Körper konstant
exzessiven Prozessen ausgesetzt ist, wird er entsprechend der individuellen
Konstitution, Vorbelastung und Veranlagung reagieren.
Schwieriger wird es da schon bei der Einschätzung bezüglich der
Gesundheitsgefährdung durch einzelne Umweltschadstoffe, die auf uns
Erwachsene wissentlich oder unbekannterweise einwirken. Als
Belastungsquellen sollen der Kürze wegen nur die drei Hauptunterteilungen wie
chemische, mikrobiologische (Bakterien, Schimmel, Milben) und physikalische
(elektromagnetische Strahlung, Radon... und Lärm) Stressoren Erwähnung
finden.
Die natürlichen Aufnahmewege für Umweltschadstoffe sind die Atemwege, der
Verdauungstrakt und die Haut. Die Noxen können gegebenenfalls Reaktionen
auslösen, die nicht bei allen Individuen gleich sein müssen. Je nach
Aufnahmeweg lassen sich bei einigen Substanzen sogar Unterschiede in der
Toxizität feststellen. Die Wirkung auf jedes Individuum kann aufgrund
unterschiedlicher Vorbelastungen (Geschlecht, Alter, Gesundheitsstatus,
erbliche Vorbelastungen...) recht verschieden ausfallen. An
Erscheinungsformen ist zu unterscheiden zwischen Vergiftungen, Sensibili-
sierungen und Allergien.
Im Arbeitsbereich werden für bestimmte bekannte Substanzen, denen
Erwachsene überwiegend an Produktionsstätten exponiert sind,
57

Workshop 2
Belastungsgrenzen, sprich MAK-(maximale Arbeitsplatzkonzentrations-) Werte
festgelegt. Diese MAK-Werte beziehen sich allerdings nur auf Einzelsubstanzen
und berücksichtigen weder mögliche Summations- noch Kombinationseffekte.
Von den in Deutschland mehr als 100 000 (weltweit inzwischen weit über 8
Millionen Substanzen und Substanzgemische) bekannten Stoffen und jeden
Tag neu synthetisierten werden aber höchstens 10% überwacht. Toxikologisch
untersucht sind vielleicht 1-2 Prozent. Toxikologische Einzelstoffbewertungen
helfen selten, um eine realistische Gefährdungsabschätzung abgeben zu
können.
Bei der Festlegung der Grenz- und Richtwerte für diese wenigen Substanzen
wird bisher nicht auf Risikogruppen wie Asthmatiker, Immungeschwächte oder
genetisch vorbelastete Personen, geschweige denn auf Kinder Rücksicht
genommen. Es sollte auch Erwähnung finden, dass nicht alle Grenz- und
Richtwerte medizinisch begründet sind. Die theoretisch gewonnenen und
statistisch hochgerechneten Werte beziehen sich auf einen
"Durchschnittsmenschen", der männlicher Natur, 70 kg schwer und dazu
kerngesund ist.
Ohne an dieser Stelle auf Details bei Defiziten in der Kontrolle und Bewertung
von Umweltchemikalien einzugehen, lässt sich leicht erahnen, wie groß selbst
noch im relativ gut untersuchten Arbeitsbereich die Unsicherheit bezüglich der
Gesundheitsgefährdung ist.
Dass wir bei dem Thema Schadstoffbelastungen in Innenräumen auf
wesentlich mehr Fragen als Antworten stoßen, dürfte wenig verwundern. Nicht
nur, weil die Disziplin noch recht jung ist; auch weil der Sachverhalt sehr
komplex und mit "normalen" bekannten wissenschaftlichen Methoden und
Herangehensweisen kaum zu fassen sein wird.
Für Innenluftverunreinigungen werden überwiegend Tabakrauch, Kleber,
Reinigungsmittel, Baumaterialien, Einrichtungs- und Gebrauchsgegenstände,
Bakterien und Pilze, sowie die Außenluft und letzten Endes die Raumnutzer
selber verantwortlich gemacht. Die meisten chemischen Substanzen, die zur
Innenraumbelastung beitragen, gehören zu den organischen Lösungsmitteln.
Vergessen werden sollten dabei aber auch nicht physikalische Belastungs-
quellen wie Lärm und elektromagnetische Einflüsse.
Diese Belastungsquellen finden wir in unterschiedlicher Ausprägung in
Räumlichkeiten von z.B. Büros, Hotels, Universitäten, Schulen,
58

Workshop 2
Krankenhäusern, Altenheimen, Freizeitbereichen, Kindergärten und auch
unserem häuslichen Umfeld.
Fachleute wie Arbeitsmediziner mögen über hier angeführte und im µg-Bereich
liegende Messwerte schmunzeln, die zu Unwohlsein, Kopfschmerzen,
Schleimhautreizungen oder auch heftigeren gesundheitlichen Beschwerden
führen sollen. Dies ist überwiegend in der lang anhaltenden chronischen, wenn
auch oft im Niedrig-Dosis-Bereich liegenden Schadstoffbelastung begründet.
Verständlicher wird dies aber auch, wenn wir wissen, dass zum Einen die
Dauer der Innenraumluftexposition bei weitem die Außenluft-Expositionsdauer
übersteigt. Und zum Anderen im Zuge der Energieeinsparverordnung und den
damit in Verbindung stehenden Abdichtungsmaßnahmen die Luftwechselrate
sinkt. Dadurch wird eine schnellere Anreicherung von vorhandenen und
eingetragenen Schadstoffen erreicht.
Auf dem Gebiet der "Innenraum-Umweltmedizin" gibt es nur wenige
Grenzwerte; allenfalls Hintergrundwerte, die sich überwiegend an 95-
Perzentilwerten orientieren. Darunter sind Messwerte zu verstehen, die einen
Ist-Zustand an vorhandener durchschnittlicher Schadstoffbelastung in
deutschen Wohnungen wiedergeben. Liegen wir leicht darüber oder darunter,
sagt dies nichts darüber aus, ob es gesundheitlich bedenklich oder
unbedenklich ist. Allenfalls, dass es einem bestimmten Prozentsatz an
Mitbürgern "besser oder schlechter" geht. Also sie auch zu einem gewissen
Grad einer Belastung mehr oder weniger ausgesetzt sind.
Um uns Erwachsene zu beruhigen, lassen politische Entscheidungsträger nun
schnell ein paar "sichere" Richtwerte (für gesunde Erwachsene) ableiten, die
keinen Anlass zum Handeln geben werden. Wen stört es schon, dass der
Versuch der toxikologischen Einzelstoffbewertung nicht gerade unseren
physiologischen Vorgängen im Körper entsprechen. Vergessen wird dabei,
dass wir im wirklichen Leben konstant einer Vielzahl von natürlichen und
künstlichen Umweltnoxen ausgesetzt sind. Vergessen wird auch, dass die
Analytik und toxikologische Bewertung dieser äußerst komplexen
Schadstoffgemische längst nicht mehr bewältigbar ist. Vor allem wenn man
weiß, dass für die Erforschung toxikologischer Auswirkungen von nur einer
Substanz 7 Jahre aufgewendet werden. Wieviel Zeit müsste veranschlagt
werden, wenn synergistische und Kombinationseffekte bewertet werden
würden? Wenn man weiß, dass bei lipophilen Kombinationspartnern (durch ihre
"Türöffner"-Funktion) sogar nur 1/10.000 der Konzentration ausreicht, die man
59

Workshop 2
bei stark hydrophilen Kombinationspartnern einsetzen müsste? Mal abgesehen
davon, dass sich Auswirkungen von komplexeren Gemischen im Experiment
kaum darstellen lassen.
Als unvorstellbar und absurd muss einem da das ersatzlose Streichen
zahlreicher Stellen in der Toxikologie vorkommen. Nachdem gezeigt werden
konnte, dass solche als nicht toxisch geltenden Konzentrationen von
Chemikalien im Gemisch auf einmal synergistisch toxisch wirken können, wäre
die Schaffung einer Vielzahl neuer Stellen eher die logische Konsequenz
gewesen.
Neben täglich neu hergestellten chemischen Substanzen sehen wir uns aber
auch verstärkt mikrobiologischen Belastungen durch Schimmel, Bakterien
oder Milben ausgesetzt. Dieses Thema wird uns auf Grund der nicht ganz zu
Ende gedachten Energieeinsparverordnung auch verstärkt in der Zukunft
beschäftigen.
Fast immer werden Bakterien bei einem Schimmelbefall nachgewiesen.
Streptomyces (myzelbildende Bakterien) produzieren z.B. das erdig riechende
Geosmin, was oft als der "typische" Schimmelgeruch beschrieben wird. Sporen
und Schimmelpilz-Gifte sind als weitere Verursacher von gesundheitlichen
Problemen wie Asthma und Allergien bekannt. Eher noch unbekannt als
Krankheitsverursacher sind andere flüchtige organische Verbindungen -
microbial volatile organic compounds (MVOC). Diese leichtflüchtigen
organischen Substanzen können einem breiten Spektrum unterschiedlicher
chemischer Stoffklassen zugeordnet werden. So bestehen sie aus höheren
Alkoholen (3-Methyl-1-butanol), Ketonen (2-Hexanon, 2-Heptanon), Terpenen,
Aldehyden, aromatischen und anderen Kohlenwasserstoffen. Bei einer
positiven MVOC-Messung werden Gebäude in Amerika und Schweden
geschlossen und müssen aufwendig saniert werden.
Müdigkeit, angeschwollene Schleimhäute, Nebenhöhlenprobleme,
Kopfschmerzen, Juckreiz oder Hautausschläge, Gelenk- und Muskelschmerzen
ähnlich eines Fibromyalgie-Syndroms werden nicht nur als Folge eines
grippalen Infektes gesehen. In diesen Ländern wird bei der Anamneseerhebung
auch an eine mögliche mikrobiologische Belastung gedacht, während
hierzulande noch divers über toxische Auswirkungen von Bioaerosolen
diskutiert wird.
Politiker argumentieren dann gerne mit dem Hinweis, dass angesichts des
maroden Zustandes vieler Schulen und Kindergärten ja alle Kinder unter diesen
60

Workshop 2
oder ähnlichen Symptomen leiden müssten. Das angespannte
Haushaltssituationen der Kommunen selten zu heldenreichen Taten
herausfordern werden, mag als kleine Entschuldigung Berücksichtigung finden.
Was bedeuten all diese Erkenntnisse für die Abschätzung einer
Gesundheitsgefährdung durch die im Innenraum bedingten
Umweltschadstoffe für Kinder?
Können wir mit ruhigem Gewissen leichtfertig Aussagen über "gesund" und
"ungesund" treffen? Sind die gewonnenen Erkenntnisse über Summations-
bzw. Kombinationseffekte selbst im Niedrigdosis-Bereich erst die Spitze des
Eisberges?
Bei allen genannten Betrachtungen sind Besonderheiten des kindlichen
Organismus noch nicht berücksichtigt worden.
Was ist für Kinder noch tolerabel? Sind Auswirkungen für die
Entwicklungsphase zu befürchten? Zum Teil mit anhaltenden und oder sogar
irreparablen Folgeschäden? Kann eine kindliche, noch nicht voll ausgereifte
Leber die täglich auf den Körper einwirkenden Chemikalien (~500) entgiften?
Ungeborene, Säuglinge, Kinder und Jugendliche haben ein besonderes
Expositionsrisiko gegenüber verschiedenen umweltbedingten Faktoren. Sie
sind physiologisch, ernährungs- und verhaltensbedingt in jeder Beziehung
anders als wir Erwachsenen. Vor allem sind sie um ein Vielfaches sensibler.
Kinder sind auf uns Erwachsene angewiesen, die ihnen eine gesunde
Umgebung zur Verfügung stellen und sie vor Gesundheitsgefahren schützen
sollen.
Im Gegensatz zu Arbeitsplatzbedingungen, wo nach einer achtstündigen
Belastung eine sechzehnstündige Erholungsphase erlaubt ist, existiert diese
Erholungsphase für ein Kind, das sich in einer kontaminierten Umgebung
aufhält, nicht.
Was ist das Besondere am Fötus und kindlichen Organismus:
• Der Fötus reagiert hochempfindlich auf z.B. Tabakrauch und Blei.
• Viele Organsysteme (Nerven- Immunsystem, Lunge,
Fortpflanzungsorgane) unterliegen während der Schwangerschaft und in
den ersten extrauterinen Lebensmonaten und -jahren extensiven
Wachstumsprozessen.
61

Workshop 2
• Stoffwechselvorgänge (Enzymsyteme für den Schadstoffmetabolismus)
62
sind eventuell noch nicht funktionstüchtig und ausgereift.
• Die empfindlichen Entwicklungsprozesse können vorübergehend gestört,
unterbrochen oder langfristig und unwiederbringlich gestört werden. Risiko
von bleibenden und unumkehrbaren Fehlfunktionen, die sich auch auf
spätere Generationen auswirken, sind bekannt: z.B. Auswirkungen von
hormonwirksamen Substanzbestandteilen auf die reproduktive Entwicklung
wie DDT (Östrogenvermittler), PCB (Blockierung von Thyroid-Rezeptoren),
DDE (Blockierung von Androgen-Rezeptoren). Veränderung der zellulären
Immunabwehr und Konzentrationsänderung von Cytokinen als
Botenstoffen, so dass sich beide Effekte gegenseitig hochschaukeln und
damit bei chronischem Einwirken die Wirkschwelle beeinflussen können.
Organophosphate blockieren die Serinesterase von NK- und zytotoxischen
Zellen. Dadurch wird die Abwehr virusinfizierter und maligner Zellen
unterdrückt.
• Die Luftaufnahme eines ruhenden Säuglings ist zweimal so groß wie die
eines Erwachsenen pro Kilogramm Körpergewicht.
• Die Haut spielt bei Säuglingen und Kleinkindern eine größere Rolle für die
Schadstoffaufnahme. Bezogen auf den Erwachsenen haben sie eine 2,5-
fach größere Hautoberfläche.
• Der Stoffwechsel pro Körpergewichtseinheit ist höher.
• Der Wassergehalt des kindlichen Organismus ist höher als der des
Erwachsenen, so dass sich Schadstoffe auf eine relative geringere
Körpermasse konzentrieren.
• Besondere Verhaltensweisen von Kleinkindern, die das Expositionsrisiko
erhöhen: Hand-zu-Mund Aktivität (Aufnahme von Giftstoffen im Staub oder
Boden), das kindliche Spielen bzw. der Aufenthalt im Bodenbereich
• Die Aufnahme von Schadstoffen aus dem Gastrointestinaltrakt ist höher
(z.B. Blei).
• Eine geringere Bindungsmöglichkeit von Schadstoffen an Transportproteine,
geringere Eliminationskapazitäten von Leber und Niere, eine höhere
Empfindlichkeit von Nerven- und Immunsystem, sowie eine höhere
Empfindlichkeit gegenüber kanzerogenen Stoffen.
• Personenansammlungen (Kindertagesstätten, Schulen..) erhöhen das
Innenraumrisiko der Schadquellenexposition.
• Kinder konsumieren in den ersten 6 Lebensmonaten 7 mal mehr Wasser pro
Kilogramm Körpergewicht als der durchschnittliche Erwachsene.

Workshop 2
• Kinder im Alter von 1 bis 5 Jahren essen 3-4 mal mehr Nahrungsmittel pro
Kilogramm Körpergewicht als der durchschnittliche Erwachsene.
• Durch die relativ lange Lebenserwartung gegenüber Erwachsenen
haben Kinder mehr Zeit, chronische Krankheiten zu entwickeln, die durch
frühe Expositionen hervorgerufen worden sind.
Gesundheit ist in unserer Gesellschaft nicht mehr als einer von vielen
Wirtschaftsfaktoren, der weder in DM noch Euro umzurechnen ist und daher
keinen Wert an sich darstellt.
Aus dieser Verkürzung des Gesundheitsbegriffes resultiert die unbedeutende
Rolle, die der Prävention von Erkrankungen und dem allgemeinen
Wohlbefinden zugeschrieben wird. Erst wenn sich finanzielle Einbußen z.B.
nach Arbeitsausfällen ansatzweise in bare Münze umrechnen lassen, werden
schneller abhelfende Maßnahmen umgesetzt. Nur Kinder arbeiten noch nicht
und erbringen somit auch keine wirtschaftlichen Vorteile. Ausfälle lassen sich
monetär nicht darstellen.
Bei einer immer längeren Lebenserwartung (Jungen von 74,7 Jahren/Mädchen
von 80,6 Jahren) bedeuten chronisch kranke Kinder volkswirtschaftlich gesehen
den finanziellen Ruin für unser ohnehin schon arg gebeuteltes
Gesundheitssystem. Wenn sich Politiker schon nicht um das Wohl der
nachwachsenden Generation Sorgen machen, dann vielleicht um die Genesung
des Staatshaushaltes?
Forderungen und Handlungsvorschläge:
Aus der Gesamtproblematik heraus ergeben sich kurz- und langfristige
Forderungen:
• Um überhaupt darüber in Kenntnis gesetzt zu werden, welchen Stoffen wir
uns tagtäglich bewusst oder unbewusst aussetzen, ist eine Volldeklaration
aller Produkte als Hauptziel zu verwirklichen. Angesichts steigender
Allergiebereitschaft gerade bei Kindern ist dies für die Auswahl geeigneter
Materialien um so wichtiger.
• Eine Umkehr der Beweispflicht - Hersteller müssen die gesundheitliche
Unbedenklichkeit ihrer Produkte nachweisen - würde zwar viele Probleme
von alleine lösen. Aber auf eine schnelle Umsetzung zu hoffen wäre wohl an
der Realität vorbeigedacht.
• Daher sollte zumindest eine Senkung vorhandener Grenz- und
Referenzwerte im Sinne des Minimierungsgebotes schnellstens realisiert
werden. Jeder Experte weiß, dass Grenzwerte eher das politische
63

Workshop 2
64
Kräfteverhältnis in unserer Gesellschaft widerspiegeln und auf rechtliche
Auseinandersetzungen gerichtet sind, als verlässliche Aussagen über das
Maß der wirklichen Gefährdung für den Einzelnen, insbesondere von
Kindern und gesundheitlich vorbelasteten Personen wiedergeben. Dieses
Minimierungsgebot ist eine Forderung, die in der Praxis vielfach an seine
ökonomischen Grenzen stoßen wird.
• Die Vermittlung von Gesundheits- und Umweltbewußtsein sollte schon
in Kindergärten und Schulen als fester Bestandteil der Erziehung Einzug
erhalten. Hierfür sind zusätzlich neuere Kommunikationswege zu
beschreiten. Einiges lässt sich mit Sicherheit von der Spieleindustrie
abschauen, die mit Leitfiguren wie Pokemons, Fernsehsoaps, Video- und
Computerspielen erfolgreich Kinder begeistern können.
• Einen wesentlichen Beitrag in Richtung Prävention könnte auch durch eine
intensivere Sensibilisierung von Handwerkern und Architekten erreicht
werden. Gerade diejenigen, die einen maßgeblichen Einfluss auf das
haben, was verbaut und verarbeitet wird, sind selten mit der
Schadstoffproblematik vertraut. Besser wäre noch die Aufnahme
entsprechender Lerninhalte in den Ausbildungskatalog von Architekten,
Handwerkern und natürlich auch von Ärzten.
Die Einführung des im Aufbau befindlichen Gebäudepasses kann zwar nicht
verhindern, dass wir uns weiterhin "unfreiwillig" Schadstoffen aussetzen
müssen. Aber es ist ein erster entscheidender Schritt zum dokumentierten
Haus. Gebäudeeigenschaften werden transparenter gemacht. Während kein
Mensch ein Auto ohne Kfz-Brief kaufen würde, sieht es beim Hauskauf ganz
anders aus. Ein Gebäudebrief wird selten nachgefragt, obwohl der Wert eines
Hauses den Wert eines Autos um ein Vielfaches übersteigt. So wird u.a. die
Überprüfung von später als risikoreich eingestuften Materialien (zufälliger
Asbestfund im ehemaligen Bundeskanzleramt) durch eine gut erhobene
Dokumentation erheblich vereinfacht.
Eine Unterstützung zur schnellen Einführung des Gebäudepasses könnte nicht
nur durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
erfolgen. Versicherer können Prämienvergünstigungen anbieten, Banken
diesen als Bonitätsmerkmal fordern, Makler ihn zur Wertermittlung einsetzen.

Literatur:
Workshop 2
AGÖF Gebäudestandard 2000: Energie & Raumluftqualität - Ergebnisse des 4.
Fachkongresses der Arbeitsgemeinschaft ökologischer
Forschungsinstitute (AGÖF) am 25. u. 26. September 1998 in Nürnberg,
ISBN 3-930576-01-5, www.agoef.de
ALAB Projektbericht: Ester und Ether mehrwertiger Alkohole in der
Innenraumluft. Berlin 2000. ISBN 3-929807-18-1
ALAB Innenraumstudie VOC: 1989-1999 von Uwe Hott. Berlin 2000. ISBN 3-
929807-20-3
AMERICAN CONFERENCE OF GOVERNMENTAL INDUSTRIAL
HYGIENISTS - Assessment and control of bioaerosols in the indoor
environment
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BÖSE-O´REILLY; S., KAMMERER, S. (2000): Leitfaden Umweltmedizin. 2.Aufl.
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on Man"): Sensory Evaluation of Indoor
EUROPEAN COMMISSION, Air Quality. Report No. 20, EUR 18 676 EN, Joint
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Analytik und Bewertung. Gesellschaft für Umweltchemie mbH.
Eigenverlag; München
JOHANNING, E. (1995): Fungi and bacteria in indoor air environments,
proceedings of the international conference Saragota Springs; New York,
ISBN 0-9647307-0-7
KRAUSE, C. et al. (1991): Umweltsurvey. Wohn-Innenraum: Raumluft. Band III
C. WaBoLu-Hefte 4:1991. Berlin, ISBN: 3-89254-104-31
65

Workshop 2
KUKLINSKI, B. (1998): Ehemalige US-Army-Wohnungen: "Gulf-War-Syndrome"
unter deutschen Dächern? Zeitung für Umweltmedizin 2:93-98
MASCHEWSKI, W. (1996) Handbuch Chemikalienunverträglichkeit (MCS).
Medi Verlagsgesellschaft
MORISKE, H-J. (2000): Leitfaden für die Innenraumlufthygiene in
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SCHELL, L.M. (1997): Using patterns of child growth and development to
66
assess community wide effects of low-level exposure to toxic materials.
Toxicol and Health 13:373-378
SCHOLZ, H. (1999): Qualitätssicherung bei Innenraumuntersuchungen in
Wegweiser Umweltmedizin, Landeshauptstadt München, Referat für
Umwelt und Gesundheit, Augsburg, S. 58-61.
SCHÖNDORF, E. (1998): Von Menschen und Ratten. Über das Scheitern der
Justiz beim Holzschutzmittelskandal. Die Werkstatt; Göttingen.
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Zeitung für Umweltmedizin 2:98-104
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Update (im Druck)
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Habilitationsschrift. Universität Oldenburg. Zusammenfassendes Kapitel S.
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WITTE, I. (30.09.2000): Synergistische Kombinationswirkungen zwischen
kanzerogenen und nicht-kanzerogenen Umweltchemikalien. Vortrag auf
dem 8. DGUHT-Kolloquium in Heringsdorf/Usedom
WOODRUFF, T.; GRILLO, J. & SCHOENDORF, K. (1997): The relationship
between selected causes of post neonatal infant mortality and particulate
air pollution in the U.S. Environ Health Perspect 105:608-612

Ergebnisse des Workshops 2
Protokoll: Dietmar Schymetzko
Hochschule Magdeburg-Stendal
Workshop 2
Die Anwesenden stellen fest, dass im Bereich der umweltbedingten Risiken
eine Erhöhung der Transparenz wichtig ist. Das bedeutet u.a. die Prüfung von
Produkten vor der Produktion und dem Vertrieb. Inhaltsstoffe müssen bei allen
Produkten vollständig angegeben werden, um eventuell unterschiedliche
Belastungspfade besser zu beleuchten.
Man ist sich einig, dass die Gewinnung von Multiplikatoren und die Vernetzung
vorhandener Strukturen die Erreichung der Zielgruppen erleichtern würde. Die
Unterscheidung nach verschiedenen Risikogruppen ermöglicht eine gut
abgestimmte Risikokommunikation. Gesammelte Erfahrungen müssen dann
anderen Gruppen und Personen nutzbar gemacht werden.
Zusammenfassend stellt man fest, dass in Zukunft neue Formen der
Zusammenarbeit, der Information und der Kommunikation im Bereich der
umweltbedingten Gesundheitsstörungen gefunden werden müssen. Ein Weg
könnte über den Bereich der Gesundheitsförderung gehen.
Forderungen der Arbeitsgruppe im Workshop
• Minimierungsgebot bei Schadstoffen
• Deklarationspflicht bei allen Produkten – Inhaltsstoffe müssen lückenlos
angegeben werden
• Umkehr der Beweislast – nicht der Geschädigte muss nachweisen, dass das
Produkt ihn krank macht, sondern der Hersteller muss beweisen, dass das
Produkt daran nicht beteiligt ist
• Risikomanagement muss Prävention beinhalten
67

Workshop 3
Workshop 3
„Ruhe jetzt“
Kinder und Lärm
68

Kinder und Lärm
Dr. Bernd Rein, Arlett Schaarschmidt
TK-Landesvertretung Sachsen-Anhalt, Magdeburg
Workshop 3
In den letzten 10 bis 20 Jahren wurde in Deutschland ein erheblicher Anstieg
der hörgeschädigten Kinder und Jugendlichen verzeichnet. In neuen
Untersuchungen ist von 25 bis 30% betroffenen Kindern und Jugendlichen die
Rede.
Lärm ist ein Umweltgift, ein wichtiger Stressfaktor und ein häufiger Grund für
zahlreiche gesundheitliche Beschwerden. Sicher ist auch, dass sich Lärm über
einen längeren Zeitraum negativ auf Gesundheit und Lebensfreude auswirkt.
So kann unser Körper auf Lärm folgende Reaktionen zeigen:
- Schmerzreaktionen auf Lärm ab etwa 120 dB über zentralnervöse Impulse
auf den Gesamtorganismus
- Erregung des vegetativen und zentralen Nervensystems
- vegetative Reaktionen wie: Anstieg des Blutdrucks, des Pulses, der
Atemfrequenz, Pupillenerweiterung, Verringerung der Magensaft- und
Speichelproduktion, Veränderungen der Muskelaktivität, Schlafstörungen,
Leistungs- und Konzentrationsstörungen
- Störungen des Hörorgans: Tinnitus, Lärmschwerhörigkeit: Schädigung des
Hörorgans durch langfristige Einwirkung von Lärm ( ca. oberhalb 85 dB )
und Ertaubung (z.B. nach Knalltrauma ).
Doch Lärm ist keine feste Größe. Er kann nicht immer an bestimmten
Schallintensitäten festgemacht werden. Je nach Situation kann der gleichlaute
Schall als Störung empfunden werden oder sogar überhört werden (tropfender
Wasserhahn, tickender Wecker bei Nachtruhe oder Musik). Zur Beurteilung von
Lärmquellen hier einige Richtwerte:
- tickende Uhr 10 dB
- normale Unterhaltung 50 dB
- Musik in Zimmerlautstärke 65 dB
- LKW 90 dB
- Presslufthammer, Walkman 100 dB
- Quietsche-Ente bis 145 dB (direkt am Ohr gemessen)
- Kindertröte bis 167 dB (direkt am Ohr gemessen)
69

Workshop 3
Viele Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene setzen sich besonders in ihrer
Freizeit einem überlauten Lärmpegel beim Musik hören, in Diskotheken, beim
Fernsehen, am Computer, aber auch durch bestimmtes Kinderspielzeug aus.
Dabei reagiert das kindliche Gehör auf Lärm besonders sensibel.
Spielzeugpistolen oder Knackfrösche sind aufgrund des sehr hohen
Impulslärms, den sie freigeben und der im allgemeinen unmittelbaren Nähe der
Schallquelle, als sehr gefährdend einzustufen.
Nach Erhebungen des Kultusministeriums Sachsen-Anhalt aus dem Schuljahr
1998/1999 waren von 354.000 Schülern insgesamt 420 hörgeschädigt und 68
trugen bereits ein Cochlear-Implantat (CI). Hörstörungen bei Kindern
beeinträchtigen deren Entwicklung häufig erheblich und gefährden bzw.
behindern: das Erlernen der Sprache, das Lernen insgesamt, das Sammeln von
Erfahrungen, die Kommunikation, die Entwicklung zwischenmenschlicher
Beziehungen oder die Anpassung an die Umwelt. Deshalb ist es unbedingt
erforderlich, Hörstörungen bei Kindern schon frühzeitig zu erkennen und
optimale Therapie- und/ oder Rehabilitationsmaßnahmen einzuleiten. Noch
besser wäre es, das Auftreten von Schäden des Gehörsinns zu verhindern z.B.
durch intensive Aufklärung und Prävention, aber auch durch gesetzliche
Bestimmungen und Auflagen.
Während in Betrieben ab 85 dB Hörschutzmittel ausgegeben werden und ab 90
dB Tragepflicht besteht, gibt es im Freizeitbereich keine gesetzlichen
Regelungen zur Vermeidung von Hörschäden. Allein von 1980 - 1990 hat sich
der Anteil Jugendlicher, die lauten Freizeitaktivitäten nachgehen, mehr als
vervierfacht. Der arbeitsbedingte Lärm hat sich in diesem Zeitraum halbiert.
Trotzdem zählt die Lärmschwerhörigkeit zu den häufigsten anerkannten
Berufskrankheiten (37% durch Lärm bedingt) in Deutschland. Lärm bewirkt ein
Aufladen mit Aggressivität und Lärm wird häufig mit Aggressivität beantwortet.
Daraus resultieren beispielsweise die vermehrten Schlägereien nach
Discobesuchen. Ein regelmäßiger wöchentlicher Discobesuch mit
durchschnittlich 85-100 dB bewirkt nach 10 Jahren bei etwa 10% der
Jugendlichen einen Hörverlust von 10 dB. Das bedeutet, diese Jugendlichen
würden das Ticken einer Uhr (rund 10 dB) nicht mehr wahrnehmen können.
70

Workshop 3
Insgesamt leiden 16 Millionen Deutsche an massiven Hörstörungen, davon
benötigen mehr als 12 Millionen Hörhilfen, der weitaus kleinste Teil trägt bereits
Hörgeräte. Experten befürchten in den nächsten 10 Jahren bereits eine
Zunahme der Betroffenen auf 23 Millionen, insbesondere durch den
Freizeitlärm.
Die direkten Folgekosten der gesundheitlichen Versorgung belaufen sich auf
rund 27 Mrd. DM im Jahr. Die mittelbaren Folgen, wie Erkrankungen des Herz-
Kreislaufsystems, bei denen immer häufiger auch Lärm als Mitverursacher im
Verdacht steht, und ihre tödlichen Folgen sind dabei noch nicht eingerechnet.
Wünschenswert und notwendig wären in jedem Fall Reaktionen des
Ministeriums für Arbeit, Frauen, Gesundheit und Soziales auf Landes- und
Bundesebene in Richtung gesetzliche Vorgaben und Empfehlungen zur
Lärmprävention (besonders im Freizeitbereich) oder verstärkte Aktionen zur
Aufklärung bzw. Prävention der Bevölkerung.
71

Workshop 3
Ergebnisse des Workshops 3
Dr. Bernd Rein
Techniker Krankenkasse, Landesvertretung Sachsen-Anhalt
1. Hauptforderungen und Ziele:
• deutlicher Anstieg der Hörschäden bei Kindern/ Jugendlichen und der
72
Sprachentwicklungsstörungen bei Kindern aufhalten
• Gesetzliche Verordnungen, besonders zur Reduktion des Freizeitlärms und
des Lärms von Kinderspielzeug erlassen
• Kennzeichnungspflicht für "Lärmgeräte" (Aufdruck in dB)
• Aufklärung der Bevölkerung verbessern: von Schwangerschaft bis Greis
• Prävention und Früherkennung verbessern
2. Gesellschaftliche Forderungen:
• an das Gesundheits-, Sozialministerium des Landes: Lärm in die
Gesundheitsberichterstattung einbeziehen, Lärmschutzverordnungen
überarbeiten
• an das Kultusministerium des Landes: Lärm in die Umwelterziehung
einbeziehen
• an das Umweltministerium des Landes: Lärm an Straße/Schiene, Flug- und
Freizeitlärm beachten
• an das Verkehrsministerium des Landes: bei Verkehrsplanung und
Flugplatzplanung Lärm und Lärmprävention beachten
• gesamte Bevölkerung, insbesondere Politiker, Pädagogen, Eltern, Kinder,
Jugendliche und Schwangere für das Thema Lärm sensibilisieren
• Aufklärung/Erziehung/Prävention in Schulen und Kindereinrichtungen
fördern
• Schallpegelbegrenzer in "Lärmerzeugern" für Kinder und Jugendliche
einbauen
3. Forderungen an spezifische Bereiche:
• Fachunterricht in Schulen zum Thema Lärm: z.B. möglich in Physik,
Biologie, Musik u.a.
• Produktzulassungen überarbeiten/erlassen, z.B. Grenzwerte in dB
(besonders für Kleinkind-Spielzeug, allg. Spielzeug, Silvesterknaller etc.)

• Richtlinien für Freizeitveranstaltungen (z.B. Disko, Konzerte,
Sportveranstaltungen) Überarbeiten bzw. erlassen
• Lärm- und Hörer-Führerschein für Diskotheker, DJ´s und Fahrlehrer
• Aktionen in Diskotheken: Aufklärung, fetzige Ohrstöpsel verteilen u.a.
4. Vorschläge für konkrete Aktionen:
• Forderungen an Politiker: Gesetze, Verordnungen, Pegelbegrenzer
• sinnvolle, altersgerechte Aufklärung: flächendeckend, mit
Kooperationspartnern
• "Disco mit grünem Ohr": steht für Musik bis 90 dB
• "Tag der Stille": 25.04. jeden Jahres
• Schulungen für spezielle Berufe: Lehrer, Erzieher, Multiplikatoren u.ä.
Workshop 3
73

Workshop 4
Workshop 4
„Reiches Land – arme Kinder“
Kinder und armutsbedingte Umweltbelastungen
74

Kinderumweltgesundheit in Abhängigkeit von der sozialen
Lage
Prof. Dr. Eva Luber
Hochschule Magdeburg-Stendal
Workshop 4
Dass Armut eher mit Krankheit als mit Gesundheit einher geht, wissen wir
schon lange. Diese Zusammenhänge zu belegen bemühen sich
Wissenschaftler erst seit einigen Jahren, im Ausland eher als bei uns. Gerade
bei Kindern ist die Datenlage dürftig. Dafür gibt es mehrere Gründe:
In Deutschland scheint das Dogma nachzuwirken, das da besagt, wegen der
Sozialhilfesysteme gäbe es nur die „bekämpfte“, also eigentlich keine Armut.
Auch die Kinderarmut (hier als Leben von Sozialhilfe definiert) wurde erst
beachtet, als sie dramatische Ausmaße angenommen hat: In den neuen
Bundesländern innerhalb von 10 Jahren von null auf zwischen 10 und 20
Prozent der Kinder, in manchen Regionen noch höhere Prozentwerte, ohne
jedoch die Zahlen westdeutscher Großstädte mit ihren Werten von regional bis
zu 40% zu erreichen. Zunehmend setzt sich die Erkenntnis durch, dass dies zu
einer dauerhaften Benachteiligung führt-die nicht nur über die
Einkommenssummen bemessen oder beschrieben werden kann, aber die
Entwicklungsmöglichkeiten einschränkt.
Wie sind die Zusammenhänge zwischen Armut und Gesundheit? Nach ihnen
wird nicht routinemäßig bei den einschlägigen Datenerhebungen über
Kindergesundheit, etwa den Einschulungsuntersuchungen geforscht. Es
werden viele Daten gesammelt, ohne die soziale Komponente mit zu erfassen,
entsprechend dürftig ist die Datenlage. Das liegt auch an den besonderen
Schwierigkeiten, die wissenschaftlich akzeptierten Merkmale für Armut auf
Kinder anzuwenden. In den letzten Jahren haben einige Wissenschaftler
Neuland betreten.
Es gibt einige gesellschaftlich und wissenschaftlich konsensfähige Merkmale für
soziale Ungleichheit: weltweit haben sich eher die einkommensbezogenen
Merkmale durchgesetzt, oft als Nettoäquivalenzeinkommen angegeben: wer
weniger als die Hälfte, manchmal auch 40% des
Durchschnittsnettoeinkommens in seiner Region zur Verfügung hat, gilt als arm.
Die Zahl der Personen im Haushalt wird berücksichtigt, z. B. plus 70% pro
weiteren Erwachsenen und plus 50 % pro Kind, manchmal aber auch nicht
eingerechnet, was kindbezogene Vergleiche erschwert. Der Beitrag von Frau
75

Workshop 4
Mierendorff erläutert die Schwierigkeiten, Kinder über das Einkommen der
Herkunftsfamilie zu erfassen und entsprechend zu fördern. Lebenserinnerungen
Älterer sind voll von schwärmerischen Beschreibungen an schöne Kindheiten,
man hat den Eindruck, manchmal nicht trotz, sondern wegen gewisser
Entbehrungen, die durch Fleiß und Geschick von Mutter, Vater oder Großmutter
einen besonderen Reiz des Aufwachsens ausmachten. Traditionell ist
Kinderarmut würdige Armut, sie wird nicht schuldhaft erlebt bzw. vorgeworfen.
Dies wird auch bei einem zweiten Merkmal deutlich, Erwerbstätigkeit, hier
natürlich die der Eltern. Gerade bei sehr kleinen Kindern scheint schwierig,
grundsätzlich die volle Erwerbstätigkeit beider Eltern als uneingeschränkten
Vorteil für die Entwicklungsfähigkeit der Kinder einzuschätzen: Vielleicht geht es
dem Kind gut, es ist subjektiv „reich“ mit einem objektiv geringen Einkommen,
es genießt die Anwesenheit und Zuwendung der Eltern. Insofern vermeide ich
auch den Begriff „soziale Benachteiligung.“
Weniger problematisch ist die Anwendung auf Kinder beim dritten gängigen
Merkmal, soziale Unterschiede zu beschreiben, bei der Frage nach dem
Bildungsstand, hier auch wieder der Eltern. Es wirkt sich ein hoher Stand
sowohl der Schulbildung, insbesondere der Mutter, als auch der beruflichen
Bildung positiv auf die Gesundheit der Kinder aus.
Oft werden Verbindungen mehrerer dieser Merkmale genommen. Bei den
Einschulungsuntersuchungen im Land Brandenburg sind die Untersuchenden
seit 1994 dabei, mit einer Kombination aus Angaben über Familienstand,
Bildung (Schul- und Fachausbildung) und Erwerbstätigkeit der Eltern die soziale
Stellung der Kinder zu erfassen. Warum nicht gleich nach dem Einkommen
fragen, mag sich jetzt mancher denken? Die Angaben sind freiwillig, es gibt
abweichende Auffassungen darüber, was bei einer Pflichtuntersuchung- und
eine solche ist die Einschulungsuntersuchung- zulässige Fragen sind. Um dies
zu umgehen, werden Zuordnungen getroffen, die individuellen Datensätze nach
Gruppenmerkmalen kategorisieren. Ergebnisse von
Einschulungsuntersuchungen werden dann nach örtlicher Zuordnung: Schule
im belasteten Bezirk, oder Postleitzahl im belasteten Bezirk, oder Statistisches
Gebiet (zu erfahren über die Statistischen Landesämter) vorgenommen. Im
Einzelfall können hier systematische Fehler vorkommen, die die Aussagekraft
beeinträchtigen.
Diese Überlegungen sollen aber niemanden davon abhalten, Daten nach
sozialen Gesichtspunkten zu erheben oder auch nur auszuwerten- sondern
eher eine Aufforderung sein, zu versuchen es vorsichtig und möglichst gut zu
machen! Die Frage nach dem Einkommen wird oft nicht richtig beantwortet,
76

Workshop 4
vielleicht ist das Nettoeinkommen auch nicht bekannt. Die Forschungsgruppe
um Prof. Hurrelmann in Bielefeld behilft sich mit eine Reihe von Merkmalen, die
Kindern wichtig ist, wie Autos im Haushalt, Familienreisen.
Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Armut und Gesundheit? Hier gilt
traditionell, dass alle Krankheiten, von Infektionskrankheiten über
Organstörungen, sogar Fehlbildungen bis zu psychischen Symptomen soziale
Unterschiede aufweisen: sie kommen häufiger vor und verlaufen schwerer.
Ausnahme bei den Berliner Teenagern: Gymnasiasten sind häufiger kurzsichtig.
Den Brandenburger Einschulungsuntersuchungen verdanken wir die
Gewissheit, das Unfälle einen sozialen Gradienten aufweisen.
In den letzten Jahrzehnten haben sich die Kinderkrankheiten verändert.
Infektionskrankheiten haben an Bedeutung verloren. Als neue Krankheiten
gelten diejenigen des allergischen Formenkreises und Störungen der
psychomotorischen Entwicklung, der Konzentration, des Verhaltens. Das
soziale Gefälle besteht bei den letzteren, bei den Allergien nicht.
Während der Tagung wurde der Zusammenhang zwischen
Umweltschädigungen und Allergien grundsätzlich hinterfragt. Im
Zusammenhang mit unserem Arbeitskreis sei diese Frage ausgespart- was wir
sagen können ist jedoch, dass Allergien, umweltbedingt oder nicht, einen
umgekehrten sozialen Gradienten haben als die meisten anderen Krankheiten:
arme Kinder sind davon weniger betroffen. Als Ursache wird vermutet, dass
Mittelschichtkinder, die eher behütet aufwachsen, weniger Infekte
durchmachen, und somit ihr unterfordertes Immunsystem häufiger die
überschießenden „sinnlosen“ allergischen Reaktionen zeigt.
Eindeutige Aussagen über den Zusammenhang zwischen Kinder, Umwelt und
Gesundheit sind auf wissenschaftlicher Grundlage derzeit nur selten zu treffen:
Wir wünschten uns, dass routinemäßig, z. B. bei den
Einschulungsuntersuchungen soziale Merkmale erfasst würden. Eine weitere
Voraussetzung ist, wie die Bewertung der Allergien zeigt, ein besseres
Verständnis der Zusammenhänge zwischen Umwelteinflüssen und Gesundheit
oder Krankheit.
77

Workshop 4
Kinder sind eine bedrängte und bedrohte Art (Rote Liste)
Dr. Jürgen Bilger
Ökologischer Ärztebund, Hannover
Ihre sichtbare Marginalisierung (ökopsychosozial, ökonomisch, gesundheitlich,
politisch, juristisch) führt zu einer hörbaren Gegenbeschwörung, zu mehr bisher
nicht.
Ihre Bedrohung liegt in der ersten Welt mehr im ökopsychosozialen, in der
dritten Welt mehr im ökonomisch-gesundheitlichen Feld. Politisch-juristisch aber
sind sie hier wie dort abgedrängt. Ihrer in summa fatalen
Existenzeinschränkung soll von oben (global) bis unten (lokal) nachgegangen
werden.
Global
Burden Disease Study (WHO, Harvard, 1997): Wandel von disease, disability
und life expectance von 1990-2020: Frauen werden knapp 90, Todesfälle an
Perinatal-, Infektions- und Ernährungsstörungen nehmen ab (von 17,2 Mio. in
1990 auf 10,3 Mio. in 2020), aber an Tabak (1990: 3 Mio.) und Unfallfolgen
(1990: 5,1 Mio.) nehmen zu auf je 8,4 Mio. in 2020. Als Hauptursachen von
disability (ausgedrückt in DALYs: verlorene Jahre gesunden Lebens) werden
v.a. Herz-Kreislauf (3.Welt!), Depression (!), Verkehrsunfälle, Hirndurchblutung,
Asthma etc. neu auftreten.
Word Ressources Institut (UNEP, Weltbank 1998/99): 25% der Krankheiten
und Todesfälle sind umweltbedingt, betroffen v.a. Kinder und Arme (USA). 20%
der Kinder der ärmsten Länder sterben vor dem 5. Lebensjahr (11 Mio.
Todesfälle pro Jahr weltweit, davon 98% (!) in der 3.Welt )
WHO Report 1999: S.16: Rising burden of neuropsychiatric disorders, S. 33
Kindersterblichkeit und Einkommen, WHO-Schwerpunkte: Malaria und Tabak
Global Environmental Outlook 2000 (UNEP, 2000) S. 3: BIP -Zunahme v.a.
der ersten Welt
International Ped Association (President J. Haggerty President): Neue
(psychosoziale) ”Kinder-Krankheiten” der 1. Welt (wie familiäre, emotionale,
78

Workshop 4
erzieherische Dysfunktionen, Stress, Lernstörungen, Gewalt etc.) und alte in
der 3.Welt: 70% der 11 Mio. Todesfälle (Infektionen und Fehlernährung) sind
leicht und billig zu verhindern. Aber nur 3 Industrieländer erfüllen ihre
Entwicklungshilfe-Zusage von 0,7% des BIP. Deutschland liegt mit 0,3% im
schlechten Mittelfeld
National
10. Kinder und Jugendbericht: S. 11 Ausgangssituation, Ziele S.21,
(Gesamtdarstellung, Konzept des Aufwachsens, übergreifende Kinder-Politik,
Detail-Empfehlungen) S.52 Wohnumwelt
Armutsberichte Niedersachsen 98, Schleswig-Holstein 99 (Einkommens-,
Bildungs-, Wohn-, Beziehungs-, Gesundheits-Armut)
Reiches Land -Arme Kinder (Altgeld et al. Mabuse 2000) 3 Mio. Arme

Workshop 4
Empfängern < 15J
Gesundheit in der Stadt (Stumm / Trojan, Fischer 1994)
Die dritte Stadt (D. Hoffmann-A., Suhrkamp, 1993), Ökologie als traditionelle
Stadtfeindschaft?
Die Dritte-Welt-Stadt: ”ex-koloniale Megalopolen” als ”Armuts-Zwischenlager”,
Migration
Mythos Metropole (G. Fuchs, Suhrkamp, 1995) P. Virilio: Stadt als Dampfer
ohne Rettungsboote,
Verflüssigung, Flexibilisierung, Entmaterialisierung der Vor-Stadt (Das amorphe
Plankton der Vorstädte (R.Koolhaas), banlieus und ”la haine” (Paris)
Unwirtlichkeit unserer Städte (A. Mitscherlich, Suhrkamp, 1970)
Stadt-Umwelt-Luft 2.700 Substanzen, 700 organische, 100 Carcinogene: 5,4-
fache Krebs- Gefährdung gegenüber Land aus nur 7 Substanzen (LAI 92), bis
30-fach in Stark-Verkehrs-Strassen
Kfz-Zahl-Proportionale bis 3,5-fach höhere Kinderkrebsrate,
Verkehrsunfallrate 400 pro 10.000 EW (Hagen) bis 800 pro 10.000 (Hannover)
von Kfz-Dichte (Hannover: 250.000 Autos auf 70.000 Kinder) und Straßen-
Ausbau abhängig.
Familie
In der Stadt: >50% Single-, nur 16% Mehr-Kinderhaushalte, Alleinerziehende (42%
SH-Empfänger) Patchwork-Familie, Teilzeitarbeit (15%), Scheidungen (1997:
187.000, d.h. auch 166.000 Scheidungs-Waisen ), 40% weniger Zeit mit
Kindern, Gesellschaft macht aus Männern keine Väter mehr (J.Rifkin)
Gewalt, Drogen, Raub-Delikte (plus 100% in 10 Jahren nur bis 25 Jährige),
Psychische Auffälligkeiten (Hyperaktivität, Dissozialität, Delinquenz,
Narzisstische Störungen, (bis 25% Prävalenz), Medien-Abhänigkeit (bis 3,2 h
täglich und Zunahme des visumotorischen IQ, Abnahme des EQ (D. Goleman,
Hanser 1995) und der Motorik (Flehmig), Organisierte Kindheit
Familienlastenausgleich (J. Borchert, SZ 1.11.00):Seit 40 Jahren wird
Rentenreform angemahnt, jetzt akut! Ökonom. Benachteiligung der Familien
(bei 2 Kindern bis 18. Lebensjahr DM 900.000 weniger als DINKS, Fam. Urteil
1992: R. Rees: Monatl. 400,- DM Rente, während 9 Kinder 8.900 DM einzahlen,
Sozialtransfers 160 Mrd. DM / Jahr) Trotz eines Jahrzehnts BVerfG-Urteilen pro
80

Workshop 4
familiam heute Familieneinkommen schlechter denn je (3 -Kind- vs. 0-Kind-
Familie: 0,43:1) Heute 60-Jähriger erhält noch DM 300.000 aus Rente, in 2030
60-Jähriger zahlt 300.000 drauf. Rentenreform (Privat-Vorsorge) ist
familienblind. Effekte der Steuer- und Rentenreform machen für 150.000 DM-
Single 12.000, für Norm-Familie nur 3.180 DM Vorteil.
Dysfunktionale Familien: Gewalt (Transferrate 30%, Zunahme 1987-1996
100%, Arbeitslosigkeit und Armut), Alkohol, Trennung
Kind
Fallbeispiel A.P (Beitrag zur ZDF Sendung ”Zündstoff” 1996: ”Macht Armut
krank?”)
81

Workshop 4
Kinderarmut - Die strukturelle Rücksichtslosigkeit der
Gesellschaft gegenüber Kindern
Dr. Johanna Mierendorff
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle
Kinderarmut ist ein Thema, das die gesellschaftliche Realität spätestens seit
Mitte der 90er Jahre in Westdeutschland und nach der Wende auch in
Ostdeutschland eingeholt hat. Glaubte man viele Jahre, dass dieses Kapitel im
modernen Wohlfahrtsstaat eines vergangener Zeiten war, so zeigen die
steigenden bzw. auf hohem Niveau stagnierenden Kinderarmuts- und
Sozialhilfequoten ein anderes Bild. Besondere Brisanz hat das Thema, wenn
man sich vor Augen hält, dass auch Deutschland seit 1992 die UN-
Kinderrechtskonvention unterzeichnet hat und mit Artikel 27 auch das Recht auf
angemessene Lebensbedingungen und Unterhalt anerkannt wurde. Für einen
Teil der bundesrepublikanischen Kinder, insbesondere auch für Kinder anderer
Nationalitäten ist dieses Recht nicht in einem ausreichenden Maße garantiert.
Nimmt man die Studien ernst, die zum einen den Zusammenhang zwischen
ökonomischer Unterversorgung und der gesundheitlichen und psychosozialen
Entwicklung sehen, zum anderen Studien, die einen Zusammenhang zwischen
Armut und Bildungsverläufen festgestellt haben, wird deutlich, dass das Fehlen
einer ausreichenden materiellen Lebensgrundlage nachhaltig Auswirkungen auf
die gesamten ökologischen Kinderrechte haben kann. Armut – Gesundheit –
Bildung und damit die Möglichkeit, Bewusstsein über eine ökologische
Lebensführung zu erlangen, scheinen unmittelbar miteinander verknüpft zu
sein.
Das Ziel meines heutigen Vortrags ist es nicht, dieses Wechselverhältnis
genauer zu untersuchen. Ich möchte vielmehr einige empirische
Hintergrundinformationen zu diesem Komplex liefern und genauer untersuchen,
wie es dazu kommen kann, dass in unserer Gesellschaft das tot geglaubte
Phänomen der Kinderarmut erneut in einem solchen Ausmaß entstehen konnte.
Wie konnte es zu einer solch eklatanten Missachtung der Rechte der Kinder in
einem reichen Land kommen? Ich möchte dabei die These belegen und
verdeutlichen, dass Kinderarmut kein individuelles, von bestimmten Eltern
selbst verschuldetes Problem, sondern vielmehr ein gesellschaftlich
produziertes Phänomen ist. Ich gehe davon aus, dass dieses Phänomen eng
damit zusammenhängt, wie die Lebensphase Kindheit in der Bundesrepublik
82

Workshop 4
Deutschland gesellschaftlich definiert und sozialpolitisch gerahmt ist. In diesem
Zusammenhang kann man von einer lang anhaltenden und nachhaltigen
strukturellen Rücksichtslosigkeit der Gesellschaft gegenüber Kindern bzw.
Familien mit Kindern sprechen – wie es Franz-Xaver Kaufmann (1995) Anfang
der Neunziger Jahre erstmalig gemacht hat.
Um dieser These nachzugehen, werde ich als erstes schlaglichtartig die
Hauptergebnisse der Kinderarmutsforschung in den vergangenen Jahren
präsentieren und ein besonderes Augenmerk auf die Situation in Sachsen-
Anhalt legen – das Land mit der höchsten Kindersozialhilfedichte. Dabei wird
sich zeigen, dass ganz bestimmte Gruppen von Kindern von einem starken
Armutsrisiko betroffen sind, keinesfalls aber die gesamte Kindergeneration.
Dieses Ergebnis wird Anlass dazu geben, nach den Ursachen zu forschen, wie
eine solche Benachteiligung einzelner Gruppen von Kindern im
bundesrepublikanischen Sozialstaat entstehen konnte. Abschließend werde ich
einige Ausblicke für eine nachhaltige Bekämpfung von Kinderarmut geben.
1. Verteilung von Armut im Kindesalter
Im folgenden werde ich als erstes also einen kurzen Überblick über die
Verbreitung von Kinderarmut in Deutschland geben. Da ich hier nicht eine
ausführliche Diskussion der unterschiedlichen Ansätze führen möchte, werde
ich nicht genauer auf die unterschiedlichen Armutskonzepte eingehen: Zu
Verweisen ist lediglich
a) auf die Unterscheidung zwischen absoluter und relativer Armut sowie
prekärem Wohlstand und
b) auf die beiden prominentesten Untersuchungsansätze: Ressourcenansatz
(50% des durchschnittlichen Nettoäquivalenzeinkommens) sowie
Lebenslagenansatz (Unterversorgung in mindesten einem Fünftel von 15
maßgeblich als relevant erachteten Lebensbereichen wie Einkommen,
Gesundheit, subjektives Wohlbefinden, Wohnen)
Ich möchte in diesem Zusammenhang lediglich darauf hinweisen, dass es nicht
nur ein, sondern verschiedene Armutskonzepte und Messverfahren gibt und es
so angesichts der unterschiedlichen Definitionen und Messverfahren für Armut
nicht möglich ist, die zutreffende Zahl für das Ausmaß von Kinderarmut und
ihren Familien zu treffen. Wenn Sie also in der öffentlichen Debatte immer
wieder auf unterschiedliche Zahlen, wie viele Kinder von Armut betroffen sind,
treffen, dann ist das ein Zeichen für die fehlende gesellschaftliche und politische
Übereinkunft, was unter Armut im modernen Wohlfahrtsstaat zu verstehen ist.
83

Workshop 4
Im folgenden werde ich daher Ergebnisse vorstellen, die in der
sozialwissenschaftlichen Forschung am meisten zitiert werden und den Trend
der Armutsentwicklung abbilden, ohne dass sie ein exaktes Maß der
Armutsverbreitung im Kindesalter benennen können.
Die Armutssituation von Kindern kann sowohl durch Angaben der amtlichen
Sozialhilfestatistik als auch durch Befunde auf der Basis repräsentativer
Familiensurvey- und SOEP-Daten sowie auf der Basis der Halleschen
Längsschnittstudie zur Sozialhilfe (HLS), dargestellt werden.
Als erstes geben Berechnungen, die an der 50%-Schwelle des
durchschnittlichen Nettoäquivalenzeinkommens ansetzen, einen guten
Überblick über die Verbreitung von Kinderarmut in der Gesellschaft. Joos
(2000) kommt auf der Basis des SOEP unter Anwendung der Armutsgrenze bei
der Hälfte des Nettoäquivalenzeinkommens für Kinder unter 14 Jahren zu dem
Ergebnis, dass in Ostdeutschland die Kinderarmutsquote zwischen 1990 und
1995 von 4,7% auf 14,2% gestiegen ist (Westdeutschland 12,0% auf 15,7%).
Die Sozialhilfedichte unter Kindern kann ebenfalls als ein Indikator für Armut
genommen werden, da die Sozialhilfegrenze eine politische Definition von
Armut darstellt (so Olk /Rentzsch 2000, 5). Auch hier ist eine erhebliche
Steigerung der Quoten zu verzeichnen: In den neuen Bundesländern stieg die
Quote zwischen 1991 und 1998 von 2,6 auf 5,7 %, in den alten Bundesländern
von 5,5 auf 7,1 %. Sachsen-Anhalt war 1999 mit einer Kindersozialhilfedichte
von 7,8% der Spitzenreiter in den neuen Bundesländern. In den neuen
Bundesländern liegen die Sozialhilfequoten zwar immer noch unter denen der
alten Bundesländer, jedoch kann man hier von einer besonderen Dynamik
ausgehen (vgl. Olk/Rentzsch 2000, 7). Hervorzuheben ist, dass für die unter 7-
Jährigen in Ostdeutschland bereits 1996 eine höhere Armutsquote als in
Westdeutschland bestanden hat (Ost: 8,8 %, West: 7,8%, Sachsen-Anhalt:
9,7%). Es kann also davon ausgegangen werden, dass in Ostdeutschland die
Gruppe der unter 7jährigen von einem besonders hohen Sozialhilferisiko
betroffen ist. Diese Quoten für Ost und West erscheinen so dramatisch, da die
Sozialhilfedichte unter Kindern doppelt so hoch ist wie in der Bevölkerung
insgesamt. Außerdem sind mehr als ein Drittel der Sozialhilfeempfänger Kinder
und Jugendliche unter 18 Jahren. Man kann daher von einer extremen
Betroffenheit der heutigen Kindergeneration von Sozialhilfe und Armut
sprechen. Interessant ist diese Dynamik aus einer wohlfahrtsstaatlichen
Perspektive insbesondere deswegen, weil hier eine Verschiebung von einer
starken Altersarmut hin zu einer Kinderarmut gesprochen werden kann. Als
zweites muss davon ausgegangen werden, dass Haushalte ohne Kinder
84

Workshop 4
unterdurchschnittlich und Haushalte mit Kindern überdurchschnittlich von Armut
und Sozialhilfe betroffen sind. Beide Phänomene – das ungleiche Armutsrisiko
zwischen Jung und Alt sowie die generell unterschiedlichen Wohlfahrtsniveaus
zwischen Haushalten mit und ohne Kindern verweisen eindeutig auf einen
prekären Status von Kindern in der Gesellschaft, auf eine Ignoranz der
Gesellschaft gegenüber der Lebenslage Kindheit.
Ich habe bereits zu Beginn angesprochen, dass nicht alle Kinder gleichermaßen
von Kinderarmut betroffen sind. In den unterschiedlichen Ansätzen wird davon
ausgegangen, dass Kinder unter sieben Jahren, Kinder von Alleinerziehenden,
Kinder aus Familien mit drei und mehr Kindern, Kindern, die aus
Arbeitslosenhaushalten stammen sowie ausländische Kinder besonders stark
von Einkommensarmut und Sozialhilfe betroffen sind. Hingegen haben Kinder
aus traditionellen Ehen und Paarbeziehungen ein geringeres Armutsrisiko.
Anhand dieser Beispiele wird deutlich, dass die Armutsbetroffenheit von
Kindern in einem erheblichen Ausmaß von den Lebensumständen und der
regionalen Zugehörigkeit von Kindern abhängig ist. Ich möchte auf weitere
detaillierte Ausführungen verzichten, da dies einen eigenen Vortrag füllen
könnte.
Schaut man nicht nur das Risiko an, in Armut oder Sozialhilfe zu gelangen,
sondern auch das Risiko kurz- oder langfristig in einer solchen Lebenslage zu
verweilen, zeigt die Hallesche Längsschnittstudie auch hier eine stärkere
Betroffenheit von Kindern. Generell wird in der dynamischen Armutsforschung
davon ausgegangen, dass Sozialhilfe in einem Großteil der Fälle nicht länger
als ein Jahr bezogen wird, das trifft auch für Kinder zu. Dennoch verweilen
Kinder deutlich länger in der Sozialhilfe als Erwachsene. Besonders betroffen
sind hierbei Kinder unter drei Jahren und Kinder von Alleinerziehenden.
Rentzsch/Olk kommen zu der Erkenntnis, dass in unterschiedlichen
Zugangskohorten durchschnittlich 60% der Haushalte ohne Kinder, aber 40%
der Alleinerziehenden Haushalte und 50-60% anderer Familien mit Kindern die
Sozialhilfe nach 12 Monaten verlassen (a.a.O., S. 15f.). Auch hierin zeigt sich
für die Haushalte mit Kindern eine deutlich schwierigere Lebenslage als bei
Haushalten ohne Kinder. Die Autoren heben weiterhin hervor, dass Familien
stärker davon betroffen sind, wieder in die Sozialhilfe zurückzukehren als
Haushalte ohne Kinder (a.a.O., S.16).
2. Ursachen für Kinderarmut
Die Ursachen für das derzeitige Ausmaß von Kinderarmut umfassen drei
Dimensionen. Wir können als erstes Prozesse sozialen Wandels feststellen, die
85

Workshop 4
erhebliche Folgen für die ökonomische Situation von Familien haben. Als
zweites weist der derzeitige Familienlastenausgleich erhebliche Mängel auf,
und als drittes besteht ein für die Lebenssituation von Kindern entscheidender
Konstruktionsfehler im Generationenvertrag.
Sozialer Wandel
Drei der wesentlichen Veränderungstendenzen des spätestens in den 70er
Jahre einsetzenden sozialen Wandels sind die Zunahme kinderloser
(Ehe)Paare, die Pluralisierung von Familienformen und die auf hohem Niveau
stagnierende strukturelle Arbeitslosigkeit.
a) In den 50er Jahren waren die (privaten) Kosten der Versorgung und
Erziehung von Kindern durch den hohen Anteil derjenigen, die mit Kindern
zusammenlebten, in der Bevölkerung relativ homogen verteilt. Erst mit der
drastischen Zunahme (freiwillig oder unfreiwillig) Kinderloser in den 70er
Jahren, ist es zu einer Polarisierung zwischen denjenigen gekommen, die privat
die Kosten für die gesellschaftlich notwendige Kindererziehung erbringen und
dadurch oftmals in prekäre Einkommenssituationen gelangen, sowie
denjenigen, die im gleichen Zeitraum - insbesondere durch eine Zunahme von
Doppelverdiensten - erhebliche Wohlstandssteigerungen erfahren. Infolge der
Verschlechterung der Einkommenslage nach der Geburt eines Kindes sind
(Ehe)Paare mit Kindern einem wesentlich höheren Sozialhilferisiko ausgesetzt
als (Ehe)Paare ohne Kinder. Mit der Zunahme von Kinderlosigkeit sind solche
schon seit der Gründung der Bundesrepublik bestehenden horizontalen
Verteilungsungerechtigkeiten offensichtlich und damit verstärkt zum
Diskussionsgegenstand geworden.
b) Die Pluralisierung von Lebensformen hat aus ökonomischer Perspektive
dazu geführt, dass sich neue vertikale Ungleichheitsstrukturen im Kindesalter
herausbilden konnten. Für Kinder, die in nicht traditionellen Familien
aufwachsen, ist die Herauslösung ihrer Eltern aus alten Familienmustern
oftmals mit einer ökonomischen Schlechterstellung verbunden, wie ich bereits
anhand der Sozialhilfestatistik dargestellt habe. Das Einkommen, insbesondere
das von Alleinerziehenden, reicht häufig nicht aus, um den Lebensunterhalt
eines oder mehrerer Kinder zu decken. Vielen Frauen ist es nicht möglich,
überhaupt eine das Einkommen absichernde Erwerbstätigkeit aufzunehmen.
c) Der Anstieg der Arbeitslosenzahlen in den 70er Jahren und deren Stagnation
auf hohem Niveau in den 90ern hat für viele Kinder in sogenannten
Normalfamilien zu erheblichen Verschlechterungen der Lebenslage geführt.
86

Workshop 4
Insbesondere für Kinder aus Mehrkinderfamilien führt diese Entwicklung sowie
die Ausdehnung von Beschäftigungsverhältnissen im Niedriglohnsektor dazu,
dass ihre Eltern unter die Armutsgrenze geraten und zusätzlich zum
Erwerbseinkommen oder zu Transferleistungen (z.B. Arbeitslosengeld,
Arbeitslosenhilfe) Sozialhilfe für die Kinder beantragen müssen.
Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass der soziale Wandel
Ende der 90er Jahre zu neuen horizontalen und vertikalen
Verteilungsungerechtigkeiten geführt hat. Er wirkt sich vermittelt über die Eltern
direkt auf die Lebenslage von Kindern aus. Die Herkunftsfamilie hat wieder
verstärkt Bedeutung für die Lebens- und Zukunftschancen von Kindern
gewonnen. Diese Entwicklung erscheint auf dem Hintergrund der Situation in
den 70er Jahren in Westdeutschland und der staatlichen Unterstützung von
Kindern in der DDR bis 1989 besonders eklatant.
Familienlastenausgleich
Nun reicht es nicht aus, die Verantwortung für die zunehmende Kinderarmut
allein auf der Ebene der Arbeitsmarktchancen und der Lebenslage von Eltern
zu suchen. Vielmehr müssen die sozial- bzw. familienpolitischen Strukturen
analysiert werden, die die Folgen des sozialen Wandels für Kinder und deren
Familien nicht ausreichend abfedern. Wenden wir uns hierfür also dem
Familienlastenausgleich (FLA) zu.
Der derzeitige FLA hat auf den sozialen Wandel der letzten zwanzig Jahre nicht
ausreichend reagiert und damit zur Verfestigung ökonomischer Unsicherheiten
und sozialer Ungleichheitsstrukturen im Kindesalter beigetragen. Einer der
wesentlichen Gründe hierfür liegt m.E. darin, dass Familien- und Sozialpolitik
nach wie vor an der traditionellen Ehegatten-Familie mit einem dauerhaft im
Erwerbssystem stehenden Ernährer ansetzt und nicht direkt auf die sozio-
ökonomische Lebenssituation der Kinder selbst zielt 1 (Olk/Mierendorff 1998,
43ff.).
Bei der Einführung des dualen FLAs Mitte der 50er Jahre wurde davon
ausgegangen, dass der Lebensunterhalt eines Kindes privat durch den
leistungsbezogenen Individuallohn eines einzelnen Familienmitgliedes, in der
Regel durch den Ernährer-Ehemann, erbracht werden kann (hierzu ausführlich
Lampert 1996, 150ff.). Es wurde vorausgesetzt, dass im Normalfall alle
1 Mir geht es hierbei um die Logik, die den einzelnen Maßnahmen zugrunde liegt. Für
sich genommen bieten die eine oder andere Maßnahme interessante Ansätze und
zeigen einen Fortschritt in den letzten Jahren.
87

Workshop 4
erwachsenen Personen Familien gründen, Kinder aufziehen und zu solchen
privaten Leistungen bereit sind. Dabei ging herkömmliche Politik von der
klassischen Zwei-Eltern-Familie aus, die dauerhaft besteht. Ziel des FLAs war
es ursprünglich, lediglich solche Familien (Mehrkinderfamilien) finanziell zu
unterstützen, in denen trotz Erwerbseinkommen Armut droht. Es war damals
nicht die Intention, generell vertikale bzw. horizontale
Verteilungsungerechtigkeiten zwischen den Haushalten auszugleichen, da die
Erziehung und Versorgung der Kinder als Privatsache von Eltern begriffen
wurde. Diese Logik durchzieht den heutigen FLA nach wie vor, auch wenn
seither erhebliche Verbesserungen hinsichtlich des finanziellen
Unterstützungsvolumens und einer stärkeren Umsetzung von horizontalen
Gerechtigkeitsmaximen stattgefunden hat 2 .
Die historischen Voraussetzungen für den am Individuallohn ansetzenden
Familienlastenausgleich sind jedoch längst nicht mehr gegeben. Von den
Kosten der Kindererziehung werden primär die entlastet, die stabil im
Arbeitsmarkt stehen und der klassischen Normalbiographie folgen (können).
Biographische Brüche in den Lebensläufen der Eltern (Scheidungen,
Arbeitslosigkeit, Phasen des Alleinerziehens) werden nicht ausreichend
staatlich abgefedert, Niedriglöhne für Familienernährer geduldet. Alles
zusammen wirkt sich direkt auf die Lebenslage der Kinder aus.
Ein weiterer Mangel des FLAs lässt sich aufzeigen. Durch die heute
bestehenden Maßnahmen sollen - im Gegensatz zu den Zielen der 50er Jahre -
alle Familien von den Kosten der Kindererziehung zwar minimal entlastet
werden, jedoch unterstützen die hier gebündelten Maßnahmen eher die besser
Verdienenden, als dass sie eine adäquate Armutspolitik darstellen. So sind z.B.
Steuerfreibeträge oder das Baukindergeld lediglich für Bezieher höherer
Einkommen von Bedeutung. In Folge des Bundesverfassungsgerichtsurteils
von 1990 hinsichtlich der verfassungswidrigen Besteuerung des
Existenzminimums musste mit dem Jahressteuergesetz 1996 mit der
steuerlichen Freistellung des Existenzminimums für Kinder bzw. wahlweise der
Erhöhung des Kindergeldes auf derzeit 270DM für das erste Kind auf die
steuerliche Ungerechtigkeit reagiert werden. Durch die hiermit vollzogene
Abschaffung des dualen Familienlastenausgleichs sind zwar die Bezieher
2 Unter der sozial-liberalen Regierung sind die Leistungen von Eltern für die
Gesellschaft und damit horizontale Verteilungsungerechtigkeiten zwischen Familien mit
und ohne Kindern verstärkt beachtet geworden. In der Folge ist z.B. ein
einkommensunabhängiges Kindergeld eingeführt worden. Auch dies reichte jedoch bei
weitem nicht zur Armutsbekämpfung aus.
88

Workshop 4
niedriger Einkommen durch das erheblich angehobene Kindergeld stärker von
den Kosten der Kindererziehung entlastet und damit besser gestellt worden -
ebenso die Bezieher sehr hoher Einkommen durch die erhöhten
Kinderfreibeträge. Die große Gruppe der Bezieher mittlerer Einkommen ist
jedoch durch den Entscheidungszwang für eine der beiden Optionen schlechter
gestellt worden (vgl. hierzu ausführlich Lampert 1996, 167f.). Die nach wie vor
steigenden Sozialhilfezahlen indizieren, dass die Anhebung des Kindergeldes
zwar horizontalen Gerechtigkeitsmaximen bzw. der Steuergerechtigkeit genüge
tut, jedoch keinesfalls ein ausreichender Beitrag zur Verhinderung von
Kinderarmut darstellt. Eine wirkliche Entlastung von den Kosten der
Kindererziehung für einkommensschwache Familien liegt erst oberhalb des
bisherigen Kindergeldniveaus – unterschiedliche Berechnungen zeigen, dass
das Existenzminimum eines Kindes durchschnittlich bei 625 DM liegt, legt man
die BSHG-Regelsätze an (Bäcker 2000). Der derzeitige FLA deckt die Kosten
der Kindererziehung nicht annähernd und kann nicht als eine adäquate
Existenzsicherung für Kinder gezählt werden.
Konstruktionsfehler im Generationenvertrag
Eine weitere Ursache für die zunehmende Kinderarmut muss in der
Ausgestaltung des Generationenvertrages gesehen werden. Es ist interessant,
was derzeit unter diesem Stichwort verhandelt wird. Hier geht es fast
ausschließlich um das zukünftige Rentensystem und die Sorge, dass die
bestehende Solidarität zwischen den Generationen, die Voraussetzung für eine
stabile Rente und ein stabiles Sozialversicherungssystem ist, aufgekündigt wird.
Analysiert man dieses Verhältnis genauer, stellt sich heraus, dass es sich um
einen Zwei-Generationenvertrag handelt, nämlich dem zwischen der jeweils
erwerbstätigen Bevölkerung und den aus dem Erwerbssystem
Ausgeschiedenen (Rentner, Vorruheständler bzw. deren Familienangehörige).
Hierin liegt ein entscheidender Konstruktionsfehler des unter der christlich-
liberalen Regierung Mitte der 50er Jahre eingeführten Vertrages
(Olk/Mierendorff 1998, 40ff.). Bei der Neustrukturierung des Rentensystems
nach dem zweiten Weltkrieg war von Wilfrid Schreiber, einem der
maßgeblichen Wegbereiter der Rentenreform, ein Drei-Generationenvertrag
vorgeschlagen worden. Dieses Modell sah vor, die eingezahlten Rentenbeiträge
der jeweiligen mittleren erwerbstätigen Generation nicht allein an die aus dem
Erwerbsleben ausgeschiedene Generation (Rentner) umzuverteilen, sondern
über eine Kinderkasse auch an die Kindergeneration. Die finanzielle
89

Workshop 4
Absicherung von Kindern durch die Solidargemeinschaft erschien damals für
die Stabilität der Gesellschaft nicht notwendig - so lehnte Konrad Adenauer
diesen Entwurf mit dem Argument ab, dass die Leute immer Kinder haben
werden. Mit dieser Ausgestaltung des Rentensystems haben wir heute die
Alterskosten sozialisiert, die Kosten für die Kinder jedoch weitestgehend
privatisiert. Die Bevölkerungsgruppe der Kinder ist somit aus dem öffentlich
geregelten Solidarvertrag zwischen den Generationen ausgeschlossen. Der
FLA stellt lediglich eine minimale Unterstützung dar, die weder über die
Legislaturperioden hinweg zuverlässig noch über die Jahre dynamisiert ist. Da
Kinder aber durch das Verbot der Kinderarbeit und die Integration in das
Bildungssystem nicht mehr zum Einkommen einer Familie beitragen, sind sie
eine "ökonomische Belastung" für die Eltern, was unter bestimmten
Verhältnissen die Verarmung von Kindern vorantreibt, während das
Zusammenleben mit alten Menschen nicht mehr zu Verarmungsprozessen in
Familien führt. Durch das Rentensystem ist die ältere Generation weitgehend
materiell abgesichert.
Fasst man die Hauptaussagen der drei analysierten Bereiche zusammen, kann
folgendes festgestellt werden: Unter den gegebenen ökonomischen und
sozialpolitischen Rahmenbedingungen ist die soziale Lage von Kindern ein
getreues Abbild der sozialen Lage ihrer Eltern. Kinder teilen also die
Armutslage ihrer Eltern. Sie werden sowohl in der Gesellschaft als auch in der
Politik überwiegend als "Privatsache" ihrer Eltern betrachtet und können keinen
unmittelbaren Anspruch auf Unterstützung an den Staat richten. Der prekäre
Status von Kindheit in der modernen Gesellschaft hängt letztlich damit
zusammen, dass Kinder nur höchst indirekt, nämlich vermittelt über ihre Eltern,
an der Auseinandersetzung um die Verteilung knapper Ressourcen teilnehmen.
Sie sind darauf angewiesen, an der Ressourcenausstattung ihrer Eltern - bzw.
an den Ergebnissen familiärer Wohlfahrtsproduktion - zu partizipieren. Dass
Kinder als eigenständige Bevölkerungsgruppe begriffen werden könnten, wird in
dieser Logik vollständig ausgeblendet. Wir haben es hier mit einer strukturellen
Rücksichtslosigkeit gegenüber Kindern im System der sozialen Sicherung zu
tun.
3. Kindbezogene Sozialpolitik - Ansatzpunkte für eine Existenzsicherung
von Kindern
Um diesen Ungleichheit schaffenden strukturellen Rahmenbedingungen im
Kindesalter zu begegnen, bedarf es einer konsequenten Umsetzung des
90

Workshop 4
bürgerrechtlichen Status von Kindern, damit diese Teilhabeansprüche an die
Gesellschaft und an den Staat richten können und bei der Verteilung knapper
werdender Ressourcen nicht generell als Anhängsel der Eltern, für das diese
allein verantwortlich sind, behandelt werden. Ein grundsätzlicher Weg könnte
darin bestehen, den sozialen Status und den materiellen Lebensstandard der
Bevölkerungsgruppe der Kinder zumindest prinzipiell vom Einkommen ihrer
Eltern abzukoppeln. D.h. die Existenzgrundlage vom Bedarf eines Kindes aus
zu bestimmen und nicht ausgehend vom Familieneinkommen. Sinnvoll
erscheint mir die Einführung eines Grundeinkommens für Kinder - das entweder
am Prinzip der Leistungsgerechtigkeit oder an dem der Bedarfsgerechtigkeit
ausgerichtet werden müsste.
Ein anderer Weg könnte darin bestehen, die Gruppe der Kinder in das
öffentliche System der sozialen Sicherung zu integrieren und damit - wie für die
Gruppe der Rentner - auch für die Gruppe der Kinder einen einklagbaren
Anspruch auf Sozialversicherungsleistungen zu etablieren. Das entscheidende
Merkmal eines solchen Drei-Generationenvertrages läge darin, dass der
Lastenausgleich nicht zwischen den verschiedenen Haushaltstypen, nämlich
solchen mit und ohne Kindern organisiert wird, sondern vielmehr zwischen den
Generationen, die allesamt ob mit oder ohne Kinder von der nachwachsenden
Kindergeneration profitieren.
Bei beiden Ansätzen für eine Existenzsicherung von Kindern geht es mir erst
einmal nicht um deren Ausgestaltungsmöglichkeiten oder um eine
Entscheidung für oder gegen eines der Modelle, sondern um die
Strukturprinzipien, die durch neue Konstruktionen im System der sozialen
Sicherung verändert werden können. Es geht mir auch nicht darum, mit der
Einnahme einer kindbezogenen Perspektive in der Familien- und Sozialpolitik
die einzelnen Gruppen in der Bevölkerung - Frauen, Familien, Rentner - als
jeweils am stärksten benachteiligte Gruppe gegeneinander auszuspielen.
Vielmehr zielen meine Vorschläge darauf, die unterschiedlichen Perspektiven
bewusst zu machen und um die der Kinder zu erweitern. Eine kindbezogene
Politik, bei der Kinder als Gruppe mit eigenen Bedürfnissen und Ansprüchen an
die Gesellschaft betrachtet werden, kann und muss in die bisherige Politik direkt
integriert werden. Kinder sollen im bestehenden System der sozialen Sicherung
als eigenständige Bevölkerungsgruppe sichtbar gemacht machen. Damit soll
verhindert werden, dass bei der Intensivierung von Verteilungskonflikten die
Gruppe der Kinder als erste zurückgestellt und deren Existenzsicherung in die
Alleinverantwortung der Eltern zurückgegeben wird.
91

Workshop 4
Das Grundprinzip einer solchen kindbezogenen Politik, die nicht mehr allein am
System Familie, sondern am Bürgerstatus des Kindes ansetzt, besteht darin,
die politischen Maßnahmen und Programme derart auszugestalten, dass sie
den Sozialstatus und die Lebenslage von Kindern direkt und gezielt und nicht
abgeleitet oder indirekt beeinflussen. Es macht einen prinzipiellen Unterschied,
ob eine Transferzahlung an die Eltern adressiert wird, und insofern indirekt
auch die Lebenslage von Kindern beeinflussen soll, oder ob diese
Transferzahlung quasi direkt an die Kinder "ausgezahlt" und treuhänderisch von
ihren Eltern verwaltet wird. Hiermit ist keine generelle elternunabhängige
Bedarfsberechnung gemeint, sondern eine, die vom konkreten Bedarf und von
der Lebenssituation des Kindes ausgeht. Es geht darum, stabile und
verlässliche Bedingungen für das Aufwachsen aller Kinder zu schaffen. Ein
solches Umdenken erscheint insbesondere dann notwendig, wenn man sich die
bisher ungenügend erforschten Folgen vergegenwärtigt, die die Verarbeitung
von Unsicherheitsphasen und Armutserfahrungen im Lebenslauf für die
Entwicklung und Lebenschancen von Kindern haben kann (ausführlich
Neuberger 1997).
Literatur
Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend (1998): Zehnter
92
Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation von Kindern
und die Leistungen der Kinderhilfen in Deutschland. Bonn.
Bäcker, G. (2000): Armut und Unterversorgung im Kindes- und Jugendalter:
Defizite der sozialen Sicherung. In: Butterwegge, C. (Hrsg.) Kinderarmut
in Deutschland. Frankfurt/New York, 244-269.
Hauser, R. (1997): Ergebnisse der Armutsforschung in der Bundesrebublik
Deutschland. In: Mitteilungen der Akademie der Arbeit, Neue Folge 38,
5-29.
Joos, M. (2000): Wohlfahrtsentwicklung von Kindern in den neuen und alten
Bundesländern. In: Butterwegge, C. (Hrsg.) Kinderarmut in Deutschland.
Frankfurt/New York, 99 - 114.
Kaufmann, F.-X. (1995). Zukunft der Familie im vereinten Deutschland.
Gesellschaftliche und politische Bedingungen. München, Beck.
Lampert, H. (1996): Priorität für die Familie. Plädoyer für eine rationale
Familienpolitik. Berlin, Duncker & Humblot.
Neuberger, C. (1997): Auswirkungen elterlicher Arbeitslosigkeit und Armut auf
Familien und Kinder. Ein mehrdimensionaler empirisch gestützter

Workshop 4
Zugang. In: Otto, U. (Hrsg.) Aufwachsen in Armut. Erfahrungswelten und
soziale Lagen von Kindern armer Familien. Opladen, Leske & Budrich,
79-122.
Olk, T., Mierendorff, J. (1998). "Existenzsicherung für Kinder - Zur
sozialpolitischen Regulierung von Kindheit im bundesdeutschen
Sozialstaat. Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation
18(1), 38-52.
Olk, T., Rentzsch. D. (im Druck): Kinder in ostdeutschen Armutshaushalten -
Ergebnisse der Halleschen Längsschnittstudie zur Sozialhilfe (HLS). In:
Klocke, A., Hurrelmann, B. (Hrsg.): Kinder und Jugendliche in Armut.
Opladen, Westdeutscher Verlag.
93

Workshop 4
Ergebnisse des Workshops 4
Protokoll: Uta Schröder
Hochschule Magdeburg-Stendal
1. Hauptforderungen und Ziele
• Favorisierung des Lebenslagenkonzepts in der Beurteilung von Armut
• Erhöhung des Kindergeldes auf einen bedarfsdeckenden Satz (derzeit ca.
94
870 DM)
• gezielte Ausrichtung von Gesundheitsförderungsprogrammen auf die
Bedürfnisse von- Familien mit mehreren Kindern (3+)
- ausländischen Familien
- alleinerziehenden Elternteilen
• Kombination von Freibeträgen für Familien mit Kindern mit einem
bedarfsdeckenden Kindergeld
• Gewährleistung des Rechtsanspruchs auf Leistungen für Kinder
• Gewährung eines eigenständigen Bürgerstatus für Kinder
• Erhöhung der Partizipation der Kinder
2. Gesellschaftliche Forderungen
• Einbeziehung der Lebenswelten von Kindern bei künftigen Diskussionen
ihrer Belange
• Beseitigung der Ausgrenzung sozial Benachteiligter aus dem
gesellschaftlichen Geschehen
3. Forderungen an spezifische Bereiche (Umweltbehörden,
Gesundheitssystem, Jugendhilfesystem)
• Einbeziehung von sozialen Komponenten in künftige Kindersurveys, z.B.
Einschulungsuntersuchungen
• Einbeziehung der Sicht der Kinder in o.g. Untersuchungen
• ganzheitliche Betrachtung der gesundheitlichen Lage von Kindern
• Verstärkung gesundheitsfördernder Maßnahmen in sozial schwachen
Gebieten
• Einführung einer spezifischen Gesundheitsberichterstattung in sozialen
Kleinräumen

Workshop 4
• Verbesserung der Zugangsmöglichkeiten zu Freizeit-, Bildungs- und
Kulturangeboten für sozial schwache Familien
• Analyse gesetzlicher Bestimmungen, die der Gesundheit und der
Entwicklung von Kindern nicht zuträglich sind, z.B. Baubestimmungen
(fehlende Boltzplätze), Schulgesetzgebung (nicht vorhandene Nutzung der
Schulen für Freizeitaktivitäten außerhalb regulärer Schulzeiten)
• Erhöhung der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Sektoren des
Gesundheits- und Sozialwesens
• Schaffung einer kindgerechten Wohnumfeld- und Nachbarschaftsgestaltung
• Analyse der vollständigen Ausschöpfung der gesetzlichen Möglichkeiten
eines kindspezifischen Umweltschutzes, Gesundheitsversorgung sowie
Gesundheitsförderung (in Anlehnung an die Untersuchung von Legewie, H.
& Trojan, A.)
4. Vorschläge für konkrete Aktionen
• Einführung einer nachhaltigen Schulentwicklung, um somit einen Ausgleich
zu einem sozial benachteiligten Elternhaus zu schaffen
• Erhöhung des Aktions- und Handlungsrahmens der Kommune (Ausformung
finanziell sichergestellter gesetzlicher Pflichtleistungen im Gesundheits- und
Sozialsektor durch die Kommunen)
• Einführung einer ganzheitlichen Aus-, Fort- und Weiterbildung für Mitarbeiter
im Öffentlichen Gesundheitsdienst
• Aus-, Fort- und Weiterbildung von Ärzten in psychosozialen Bereichen
• vermehrte Einbeziehung psychosozialer Berufe in die Gesundheits-
beurteilung und Gesundheitsversorgung
• Einführung kindspezifischer Grenzwerte
• Umsetzung der umweltbezogenen EG-Richtlinien, z.B. Ozonverordnung
95

Workshop 5
„Gesund(heit) lernen“
Gesundheitsförderung in Kindereinrichtungen
und Schulen
„Recht auf Zukunft“
Ökologische Kinderrechte
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Workshop 5
Das Regionale Unterstützungszentrum (RUZ)
der Landesvereinigung für Gesundheit Sachsen-Anhalt e.V.
Matthias Ömler
Landesvereinigung für Gesundheit Sachsen-Anhalt e.V., Halle
Seit rund 10 Jahren engagiert sich die Landesvereinigung für Gesundheit
Sachsen-Anhalt auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung in
Kindereinrichtungen und vor allem in Schulen. Bereits 1992 waren zwei
Modellschulen im Land Ausgangspunkt für ein sich ständig weiterentwickelndes
und wachsendes Landesnetzwerk. Die Nachfrage nach Beratung und
Unterstützung, sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht, wuchs
sehr schnell. Die Landesvereinigung entwickelte in Kooperation mit dem
Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt das Konzept für ein Regionales
Unterstützungszentrum (RUZ), welches im Hause der LVG die Netzwerksarbeit
gestaltet und koordiniert und mittlerweile ein Netz von ca. 400 Schulen betreut.
Jede Schule ist so unterschiedlich, wie die Menschen die in ihr arbeiten und
lernen, spielen, sich entwickeln und miteinander umgehen. Auch das Umfeld
der Schule, die Region in der sie sich befindet, der bauliche Zustand des
Schulgebäudes und viele andere Faktoren bestimmen die Entwicklung einer
Schule. Genauso vielfältig sind aber auch die Wege zu einer
gesundheitsfördernden Schule.
Wichtige Entwicklungslinien sind dabei:
- Gesundheitsbildung und Kompetenzentwicklung
- Betroffene zu Beteiligten machen
- Schulentwicklung durch Personal– und Organisationsentwicklung
- Öffnung von Schule durch Vernetzung
- Gesundheitsfördernde Bildungspolitik
Das Regionale Unterstützungszentrum (RUZ) sieht gerade in der Vernetzung
von Schulen und Partnern, also dem Aufbau eines Netzwerkes
”Gesundheitsfördernde Schulen” und einem qualitativ hochwertigen
Serviceangebot für die Schulen, ihre zentralen Aufgaben.
97

Workshop 5
Was hat Umweltbildung und Gesundheitsförderung miteinander zu tun und wo
gibt es für das RUZ und viele seiner Partner ganz praktische Schnittstellen und
Berührungspunkte?
Nachhaltigkeit und Gesundheitsförderung haben in ihrer Programmatik viele
Übereinstimmungen. Zu nennen sind hier beispielsweise:
- der ganzheitliche Blickwinkel auf Gesundheit und Umwelt
- das übergreifende und intersektorale Arbeitsverständnis
- die Bedeutung von Partizipation, Kooperation und Netzwerkbildung
Als grundlegende Arbeitsprinzipien. Inhaltliche Berührungspunkte sind
Querschnittsthemen wie z.B. Arbeit, Gestaltung des Lebensraumes,
Kommunikation, Zeit, Bewegung und Mobilität, aber auch Ernährung und
Bekleidung. Gerade in diesen Themenfeldern sind übergreifende
Kooperationen mit Partnern aus beiden Bereichen, also Umwelt und
Gesundheit, denkbar.
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Workshop 5
„Zukunft ist jetzt“ – Grundschulkinder lernen für die Zukunft
Ein Forschungsprojekt der Stiftung Deutsches Hygiene-Museum Dresden
im Forschungsverbund Public Health Sachsen
Uta Jelitto, Andrea Lauströer
Stiftung Deutsches Hygiene-Museum, Dresden
Ökologische Kinderrechte und das Projekt „Zukunft ist jetzt“
Ökologische Kinderrechte umfassen das Recht eines Kindes, in einer Welt
aufzuwachsen, in der sein Wohl weder kurz- noch langfristig durch schädigende
Umwelteinflüsse gefährdet ist, kurz: das Recht auf eine gesunde Umwelt. Zu
diesem Thema wurden auf einer Tagung in München im Oktober 1995 wichtige
kinderpolitische Forderungen formuliert. Eine Forderung bezog sich auf die
Beteiligung der Kinder an der Gestaltung von Gegenwart und Zukunft (Giebeler
et al. 1996, S. 136f). Dafür benötigen sie geeignete, vielfältige Beteiligungs-
formen. Partizipation von Kindern bedeutet aus Sicht des Forschungsprojektes
aber auch, Kinder mit ihren Rechten und Einflussmöglichkeiten vertraut zu
machen und sie damit zur Partizipation zu befähigen. Dazu leistet das
Unterrichtsprogramm „Zukunft ist jetzt“ einen Beitrag.
Dieses Programm für Grundschulkinder der Klasse 4 wird im Rahmen eines
Forschungsprojektes am Deutschen Hygiene-Museum im Zeitraum von März
1999 bis Februar 2002 entwickelt, erprobt und evaluiert. Es vermittelt Kindern
einen aktiven Umgang mit der fortschreitenden Umweltzerstörung.
Umweltzerstörung wird hier als ein Beispiel für makrosoziale Belastungen
(Seiffge-Krenke 1994) betrachtet. Werden die eigenen Fähigkeiten zur
Bewältigung solcher Probleme als unzureichend eingeschätzt, können nach
dem Stressverarbeitungsmodell von Lazarus & Launier (1981) negativ getönte
Emotionen entstehen, die sich langfristig auf die psychische und physische
Gesundheit auswirken. Verschiedene Untersuchungen belegen bei Kindern und
Jugendlichen starke negative Gefühle gegenüber der Umweltkrise (Hurrelmann
1996, v. Troschke 1995, Szagun, Mesenholl & Jelen 1994; Unterbruner 1991).
In den Lehrplänen aller Klassenstufen ist Umwelterziehung zwar ein fester
Bestandteil, dem Umgang mit negativen Gefühlen, die durch die Wahrnehmung
von Umweltzerstörung hervorgerufen werden, sowie eigenen partizipativen
Handlungsmöglichkeiten wird jedoch zu wenig Bedeutung beigemessen.
99

Workshop 5
Ziele des Unterrichtsprogramms
Schwerpunktmäßig werden den Kindern daher folgende Kompetenzen
vermittelt:
- Umweltprobleme und deren Komplexität wahrzunehmen und zu begreifen
- ihre emotionale und sachbezogene Kommunikationsfähigkeit zu trainieren
- eigene Handlungsmöglichkeiten zu erkennen.
Wie ein „roter Faden“ wird dazu im Programm eine Waage mit den
Waagschalen “Umweltprobleme, z.B. Straßenverkehr” und “Das kann ich tun”
eingesetzt. Symbolisch ordnen die Kinder am Ende jeder Stunde eine “Das
kann ich tun“-Karte (s. Tab.1) der entsprechenden Seite der Waage zu. Mit der
sich allmählich senkenden Waagschale wird der Zuwachs an eigenen
Kompetenzen zum Umgang mit Umweltproblemen veranschaulicht.
Durch die Stärkung individueller Ressourcen werden die Kinder dazu befähigt,
an der bedürfnisgerechten Gestaltung ihrer Umwelt- und Lebensbedingungen
mitzuwirken. Damit trägt das Programm zur individuellen und allgemeinen
Gesundheitsförderung bei.
I. Charakteristika und Inhalte des Unterrichtsprogramms
Als konkretes Beispiel für Umweltprobleme wurde für das Unterrichtsprogramm
das Thema „Straßenverkehr“ gewählt.
Mobilität ist ein zentraler Aspekt des menschlichen Lebens in seiner
gegenwärtigen und zukünftigen Umwelt. Andererseits stellen die Auswirkungen
des Straßenverkehrs eine wichtige und in ihrer Bedeutung stetig zunehmende
Facette der Umweltzerstörung dar. Kinder in städtischen Gebieten (vgl. Hirsch
et al. 1999) sind vom Straßenverkehr besonders betroffen. Sie erleben ihn
unmittelbar und tagtäglich. Verkehrsbedingte Luftverschmutzung und Ver-
kehrslärm sind nur zwei Folgen des Straßenverkehrs mit gesundheitlichen
Auswirkungen insbesondere auf Kinder. Durch den ständig wachsenden
Straßenverkehr verändert sich auch der Alltag der Heranwachsenden. Die
verbaute städtische Umwelt engt die Kinder in ihren Spielmöglichkeiten ein.
Gleichzeitig traut man ihnen entgegen entwicklungspsychologischen
Erkenntnissen zu früh zu, Gefahren richtig einzuschätzen und sich verkehrsge-
recht zu verhalten (VCD-Materialien 1997).
Durch die Wahl des Themas „Straßenverkehr“ sind didaktische
Anknüpfungspunkte an den Lehrplan u.a. mit der in der 4. Klasse stattfindenden
100

Workshop 5
Fahrradprüfung gegeben. Das Forschungsvorhaben orientiert sich dabei an
einer modernen Mobilitätserziehung, die soziales Lernen, Gesundheits- und
Umwelterziehung einschließt.
Das Unterrichtsprogramm hat einen Umfang von 8 Doppelstunden. Zusätzlich
wird eine Unterrichtseinheit im Deutschen Hygiene-Museum angeboten.
Weitere Charakteristika sind ein Programmhefter mit Arbeitsblättern,
Hausaufgaben, Methodenvielfalt im Stundenablauf, das Einführen von
Gesprächsregeln zur Schulung der Kommunikationsfähigkeit und ein Elternheft,
mit welchem über das Anliegen des Projektes, die Unterrichtsinhalte und
Möglichkeiten zur weiteren Vertiefung der Programmthematik informiert wird.
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die wesentlichen
Programmbausteine.
Tab.1: Überblick zu den Unterrichtseinheiten
1. Unterrichtseinheit
Umweltprobleme – na und?!
Ich beschäftige mich mit
Umweltproblemen, z. B. mit dem
Straßenverkehr.
2. Unterrichtseinheit
Was hat der Straßenverkehr mit der
Umwelt zu tun?
Ich untersuche, welche Folgen das
Problem für die Umwelt hat.
Museumsbesuch
Was hat der Straßenverkehr mit
meiner Gesundheit zu tun?
Ich mache mich schlau, welche Folgen
das Problem für meine Gesundheit hat.
3. Unterrichtseinheit
Straßenverkehr – cool oder ätzend?
Ich rede mit anderen über meine Gefühle.
- Kennenlernen
- Einstieg Umweltthematik und
Straßenverkehr
- Erläuterung der Waage
- Unterrichtsgänge
(Verkehrsdichte, Platzverbrauch,
Luftverschmutzung,
Verkehrslärm)
- „Expertenkonferenz“
- Gesundheitliche Auswirkungen
des Straßenverkehrs
(Luftverschmutzung und
Lärmbelästigung)
- Begleitende Emotionen
- Gestalterischer Ausdruck von
Gefühlen (z.B. Malen, Basteln,
Kneten, Collage, Rollenspiele)
- Vorstellung und Diskussion der
Arbeitsergebnisse
101

Workshop 5
4. Unterrichtseinheit
Was will denn der im Straßenverkehr?
Ich versuche, andere zu verstehen und
diskutiere mit ihnen.
5. Unterrichtseinheit
Was muss anders werden im
Straßenverkehr?
Ich überlege, was ich gerne anders hätte
und wie ich mich einmischen kann.
6. Unterrichtseinheit
Straßenverkehr – Wir werden aktiv!
Gemeinsam planen wir eine Aktion und
überzeugen andere, uns zu unterstützen.
7. Unterrichtseinheit
Wie geht es weiter mit dem
Straßenverkehr?
Ich denke über umweltfreundliche
Lösungen für die Zukunft nach.
8. Unterrichtseinheit
Umweltfreundlicher Straßenverkehr:
mein Beitrag!
Ich nehme mir vor, mein eigenes
Verhalten zu ändern.
102
- Unterschiedliche Perspektiven
von Verkehrsteilnehmern
- Diskussionsrunde
- Sammlung eigener Forderungen
und Zieldefinition
- Video: Umweltaktionen von
Kindern (Greenteams)
- Leitfaden zur Planung von
Aktionen
- Aktionsplanung in Kleingruppen
- Vorstellung und Diskussion der
Pläne
- Rollenspiele zur argumentativen
Auseinandersetzung (1)
- Rollenspiele zur argumentativen
Auseinandersetzung (2)
- Straßenverkehr in der Zukunft
- Agenda 21
Beschreibung ausgewählter Programmbausteine
- Eigener Vorsatz zur
Verhaltensänderung
- Kreative Reflexion der
Programminhalte (Gestaltung
eines Wandbildes)
Besuch im Deutschen Hygiene-Museum: „Was hat der Straßenverkehr mit
meiner Gesundheit zu tun?“
Umweltbedingungen und die individuelle Gesundheit stehen in enger
Wechselbeziehung (vgl. Aktionsprogramm „Umwelt und Gesundheit“). Kinder
aus verkehrsbelasteten Gebieten leiden beispielsweise aufgrund des hohen
Schadstoffgehaltes in der Luft häufiger unter Asthma, Bronchitis, Husten oder
allergischen Erkrankungen und sind einem erhöhten Krebsrisiko ausgesetzt.
Verkehrslärm ist oft Ursache für Nervosität, Schlaflosigkeit, Stress und
Konzentrationsschwäche (Limbourg 1996).

Workshop 5
In der Unterrichtseinheit im Deutschen Hygiene-Museum wird unter Einbezug
entsprechender Exponate der Zusammenhang zwischen Umweltbelastungen
und eigener Gesundheit thematisiert. Die Kinder erkennen anhand der Aspekte
Luftverschmutzung und Verkehrslärm, dass der Straßenverkehr bzw. seine
Folgen ihre Gesundheit schädigen.
So spüren sie dem Weg der Luft im Körper nach und erfahren mehr über ihre
Atemwege. Anhand eines Smog-Versuches erarbeiten sich die Kinder die
gesundheitlichen Folgen der Luftverschmutzung. Analog lernen sie den Aufbau
des Ohres kennen, beschäftigen sich in Experimenten mit dem Verkehrslärm
und besprechen mögliche Auswirkungen von Lärmbelastung auf ihre
Gesundheit.
Eine Phantasiereise in das eigene Ohr und die eigene Lunge setzt einen
positiven Schlusspunkt und schult das eigene Körpergefühl. Im anschließenden
Gruppengespräch werden die neuen Erkenntnisse zusammengefasst. Die
Kinder werden aufgefordert, ihre Emotionen unmittelbar auszudrücken. Am
Ende der Stunde wissen die Kinder, was sie tun können: „Ich mache mich
schlau, welche Folgen das Problem für meine Gesundheit hat.“
5. Unterrichtseinheit: „Was muss anders werden im Straßenverkehr?“
Im Rahmen eines Planspiels, welches sich über zwei Doppelstunden erstreckt,
werden den Kindern Möglichkeiten aufgezeigt, wie sie sich angesichts von
Problemen für Veränderungen einsetzen können.
Anhand von Beobachtungen der Verkehrssituation auf dem Schulweg wird
Handlungsbedarf vor Ort aufgedeckt und diskutiert. Gemeinsam werden vier
Ziele (z.B. Autofahrer auf ihr rücksichtsloses Verhalten beim Abbiegen an einer
Ampelkreuzung vor der Schule aufmerksam machen) für das Planspiel
ausgewählt. Um Kindern zu veranschaulichen, dass und wie sie sich angesichts
von Umweltproblemen einmischen können, schauen sie sich einen Film an:
„Kids & Teams & Greenteams“. In vier Kleingruppen einigen sich die Kinder auf
eine Aktion, die sich für ihr jeweiliges Ziel eignet (z.B. Stopp-Aktion gemeinsam
mit der Polizei, Verteilen von Merkzetteln an die Erwachsenen). Für die Planung
dieser Aktionen wird im letzten Teil der Stunde ein Leitfaden erarbeitet. Auf der
„Das kann ich tun“-Karte steht: „Ich überlege mir, was ich gerne anders hätte
und wie ich mich einmischen kann.“
6. Unterrichtseinheit: „Straßenverkehr – Wir werden aktiv!“
In dieser Stunde wird Handlungswissen erworben und die sachbezogene
Kommunikationsfähigkeit trainiert.
103

Workshop 5
In vier Kleingruppen planen die Kinder gedanklich ihre Aktionen. Die Pläne
werden in der Klasse vorgestellt und diskutiert. Im anschließenden „Krieg‘ mich
rum“-Spiel stellen die Kinder eine Gesprächssituation nach, in der sie
Erwachsene (z.B. Schulleiterin, Ortsamtsleiter, Passanten) von ihrem Vorhaben
überzeugen bzw. sie um Unterstützung bitten. Dabei wird die Rolle des
erwachsenen Gesprächspartners von der Trainerin übernommen. Die Kinder
üben, ihre Interessen zu vertreten und das bereits erworbene Wissen flexibel zu
nutzen. Zusammenfassend formulieren die Kinder am Stundenende:
„Gemeinsam planen wir eine Aktion und überzeugen andere, uns zu
unterstützen.“
7. Doppelstunde: „Wie geht es weiter mit dem Straßenverkehr?“
Da ein frühes Nachdenken über Alternativen zum motorisierten
Individualverkehr Auswirkungen auf die spätere Verkehrsmittelwahl jeder/jedes
Einzelnen haben kann, werden die Kinder auf ein umweltfreundliches
Verkehrsverhalten orientiert. Mit Blick auf die Zukunft werden Utopien entwickelt
und am Beispiel der Autonutzung heute schon umsetzbare Ideen für ein
umweltfreundliches Verkehrskonzept erarbeitet.
Gleichfalls in der 7. Doppelstunde werden sie mit dem Ziel und dem Prozess
der Agenda 21 vertraut gemacht. Dabei erkennen sie, wie wichtig das eigene
Handeln ist und wie es mit dem anderer gesellschaftlicher Gruppen vereint
werden kann. Auf der „Das kann ich tun“-Karte steht: „Ich denke über
umweltfreundliche Lösungen für die Zukunft nach.“
Projektverlauf und Ergebnisse des Forschungsprojektes
Das Unterrichtsprogramm wurde im Schuljahr 1999/2000 entwickelt, in acht
Dresdner Grundschulklassen der Klassenstufe 4 erprobt und fortlaufend
optimiert. Im Schuljahr 2000/2001 wird die endgültige Programmversion
wiederum in acht Grundschulklassen in einem Kontrollgruppen-Design mit Hilfe
eines programmspezifischen Fragebogens und qualitativer Interviews auf seine
Effekte überprüft. Dazu liegen noch keine konkreten Ergebnisse vor. Insgesamt
ist die Resonanz bei den Kindern und Lehrerinnen positiv.
104
In der letzten Projektphase wird ein Programm-Handbuch erstellt, welches
es LehrerInnen oder UmweltbildnerInnen ermöglicht, das Programm in der
Praxis einzusetzen. Dabei wird sowohl ein Einsatz des Programms im
schulischen als auch im außerschulischen und museumspädagogischen
Bereich angestrebt.

Schlussbemerkungen
Workshop 5
Laut UN-Kinderrechtskonvention haben Kinder ein Recht auf gesunde Lebens-
und Entwicklungsbedingungen.
In den unmittelbar zusammenhängenden Bereichen Verkehrs- und
Stadtplanung werden wichtige Entscheidungen für eine Umweltgestaltung
getroffen, an denen Kinder und Jugendliche laut Kinder- und Jugendhilfegesetz
partizipativ mitwirken sollen. Aus Sicht des Projektes wird gefordert, diese
rechtlichen Grundlagen wirkungsvoll im Alltag umzusetzen. Kinder sind
grundsätzlich kompetent, sich mit politischen, planerischen und damit
zukunftsorientierten Themen auseinander zu setzen (vgl. Schröder, 1995).
Mehr Mitwirkungsmöglichkeiten stärken bei Kindern das Bewusstsein der
eigenen Verantwortung für Umwelt und Zukunft. Partizipation setzt einerseits
Angebote voraus, muss aber andererseits auch erlernt werden.
Mit dem Programm sollen Kinder für gesellschaftliche Anliegen sensibilisiert
werden. Die ihnen vermittelten Kompetenzen helfen ihnen, ihre Verantwortung
und ihre Möglichkeiten zu erkennen, um sich für eine lebenswerte Zukunft
einzusetzen, sich bei Problemen einzumischen und ihre Umwelt aktiv
mitzugestalten.
Literaturauswahl
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Umweltzerstörung für die Sozialisation von Kindern. In J. Mansel (Hrsg.),
Glückliche Kindheit – Schwierige Zeit? Über die veränderten Bedingungen
des Aufwachsens (S. 217-24). Opladen: Leske+Budrich.
Giebeler, K., Kreuzinger, S., Loewenfeld, M. & Winterer-Scheid, E. (Hrsg.)
(1996). Aufstand für eine lebenswerte Zukunft. Ökologische Kinderrechte:
Bestandsaufnahme – Ermutigung – Wege zum Handeln. München:
Ökologie & Pädagogik.
Hirsch, T., Weiland, S., v. Mutius, E., Safeca, A., Gräfe, H., Csaplovics, E.
Duhme, H., Keil, U. & Leupold, W. (1999). Inner city air pollution and
respiratory health and atopy in children. European Respiratory Journal, 14,
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Hurrelmann, K. (1996). Angstbesetzte Risikowahrnehmung bei Kindern und
Jugendlichen. In G. de Haan (Hrsg.), Ökologie – Gesundheit – Risiko:
105

Workshop 5
106
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Verlag.
Kreuzinger, S. & Unger, H. (1999). Agenda 21 – Wir bauen unsere Zukunft.
Eine Mitmach-, Ideen- und Werkzeugkiste für Kinder und Jugendliche.
Mühlheim: Verlag an der Ruhr.
Lazarus, R.S. & Launier, R. (1981). Stressbezogene Transaktionen zwischen
Person und Umwelt. In Nitsch, J. (Hrsg.), Stress - Theorien,
Untersuchungen, Maßnahmen (S. 391-440). Bern: Huber.
Limbourg, M., Flade, A. & Schönharting, J. (2000). Mobilität im Kindes- und
Jugendalter. Opladen: Leske+Budrich.
Limbourg, Maria (1996). Kinder im Straßenverkehr. Selm: Lonnemann GmbH.
Petri, H. (1992). Umweltzerstörung und die seelische Entwicklung unserer
Kinder. Zürich: Kreuz Verlag.
Schröder, R., LBS-Initiative Junge Familie (Hrsg.) (1995). Kinder reden mit!:
Beteiligung an Politik, Stadtplanung und Stadtgestaltung. Weinheim,
Basel: Beltz.
Seiffge-Krenke, I. (1994). Gesundheitspsychologie des Jugendalters. Göttingen:
Hogrefe.
Sohr, S. (2000). Ökologisches Gewissen. Die Zukunft der Erde aus der
Perspektive von Kindern, Jugendlichen und anderen Experten. Baden
Baden: Nomos Verlagsgesellschaft.
Szagun, G., Mesenholl, E. & Jelen, M. (1994). Umweltbewußtsein bei
Jugendlichen. Emotionale, handlungsbezogene und ethische Aspekte.
Frankfurt a. M.: Lang.
Troschke, J. v. (1995). Zukunft der Gesundheitsförderung und Prävention. In P.
Kolip, K. Hurrelmann, P.-E. Schnabel (Hrsg.), Jugend und Gesundheit.
Interventionsfelder und Präventionsbereiche (S. 25-48). Weinheim:
Juventa.
Unterbruner, Ulrike (1991). Umweltangst – Umwelterziehung. Vorschläge zur
Bewältigung der Ängste Jugendlicher vor Umweltzerstörung. Linz: Veritas.
VCDmaterialien (1997). Vorfahrt für Kinder! Mobilitätserziehung in Grundschule
und Hort. Bonn: VCD e.V.

Workshop 5
Erwachsene werden keine Kinder, Kinder aber Erwachsene
Kinderrechte durchsetzen, aber wie?
Marianne Stock
Arbeitsgemeinschaft Allergiekrankes Kind (AAK) e.V., Herborn
Wir haben heute viel mehr Erfahrungen als noch vor 20 Jahren, was der
Gesundheit unserer Kinder gut tut und was nicht. Nutzen wir dies auch und
setzen wir uns mit der richtigen Konsequenz auch dafür ein, dass die Uhren
nicht rückwärts gestellt werden? Das Risiko krank zu werden oder die Chance
gesund zu bleiben darf nicht Privatsache sein, schon gar nicht für Kinder und
Jugendliche!
Haben wir damit als Erwachsene ein Problem, weil wir keine Kinder mehr
werden, unsere Sicht- und Handlungsweisen nicht in die Kindheit, sondern eher
ins Alter gerichtet sind?
Eltern von chronisch kranken Kindern und Jugendlichen kommen täglich mit
den damit verbundenen Sorgen und Nöten in Berührung, sie brauchen sich
nicht davon überzeugen, sie erleben es, dass Kinder Rechte haben und
brauchen, Sie erfahren, dass die besonderen Bedürfnisse ihrer Kinder
berücksichtigt werden müssen, damit sie ohne Barrieren aufwachsen können.
Es kostet mitunter viel Kraft und Geduld, diese Rechte auch zu vertreten,
notfalls durchzusetzen. Nicht selten sind erhebliche Gleichgültigkeit,
Gedankenlosigkeit oder auch Widerstände vorhanden.
Aber gibt es da nicht auch einen Widerspruch zwischen Angst und
Unsicherheiten bei der Begleitung des eigenen Kindes durch den Alltag und
eigener seelischer Gesundheit und Handlungsoffenheit? Prägt dies Handeln
oder Nichthandeln?
Ich bedanke mich sehr, dass ich bei dieser für die Umsetzung von
Kinderrechten so wichtigen Veranstaltung eingeladen bin, und über die Tätigkeit
der Arbeitsgruppe der ökologischen Kinderrechte der National Coalition (NC)
zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland berichten kann.
Ich möchte das von der Mitgliederversammlung der NC vergangenen Samstag
107

Workshop 5
verabschiedete Diskussionspapier „Kinder und Gesundheit“ unter den bereits
genannten Gedanken „ Erwachsene werden keine Kinder, aber Kinder werden
Erwachsene“ vorstellen.
Zuerst möchte ich Sie über die Anliegen der Eltern in der Arbeitsgemeinschaft
Allergiekrankes Kind informieren. Ich bin in der AAK für die Koordination der
Arbeit des Bundesverbandes zuständig. Die AAK wurde 1977 gegründet.
Damals gehörte ich zu den Gründungsmitgliedern.
Die Arbeitsgemeinschaft Allergiekrankes Kind trägt den Untertitel „Hilfen für
Kinder mit Asthma, Ekzem oder Heuschnupfen“. Sie ist ein mildtätiger Verein
mit Bundessitz in Herborn. Unsere bundesweit tätige
Elternselbsthilfeorganisation hat sich zwei Hauptaufgaben gestellt: Neben dem
Erfahrungsaustausch in Selbsthilfegruppen und gegenseitiger Hilfe zur
Bewältigung der Vielzahl von möglichen medizinischen, sozialen, psychischen
und rechtlichen Fragen übt sie eine Koordinationsaufgabe aus. Sie tut dies aus
der Erfahrung, dass Probleme, die sich im Zusammenhang mit der Erkrankung
ihrer Kinder ergeben, gemeinsam verantwortlich wirksamer begegnet werden
kann, und zwar durch das Wechselspiel von Information, Erfahrung und
Kommunikation unter allen Beteiligten.
Dies geschieht in der AAK vielfältig in Treffen der Selbsthilfegruppen vor Ort
und Workshops, anderen Formen des Erfahrungsaustausches, in
Telefongesprächen und in Arbeitsgruppen. Für den Alltag kann daraus Kraft
geschöpft werden. Im gegenseitigen Verständnis gewinnt man Mut, die
komplexen Sorgen überhaupt zu hinterfragen und sie zumindest zu mindern.
Durch das Angenommenwerden können gemeinsame Aktivitäten mobilisiert
werden. Andere Sichtweisen werden möglich. Nicht selten ergeben sich aus
einem anderem Blickwinkel heraus überdachte Handlungen im Umgang mit der
Erkrankung und des eigenen Konsumverhaltens.
Mit einer gesünderen Umwelt haben wir eine bessere Chance! Das ist eine
Eltern-Erkenntnis aus der Arbeit der AAK, die persönlich umgesetzt wird, indem
z.B. das häusliche Umfeld entsprechend den Erfordernissen und der
Möglichkeiten der Familien auf Allergen- und Schadstoffarmut gestaltet wird.
Verschiedene Möglichkeiten der Information und der Begegnung entwickelten
sich in der Elternselbsthilfeorganisation AAK, um den komplex beeinflussten
108

Workshop 5
Alltag besser zu bewältigen. Um auch möglichst wenige „Irrwege“ gehen zu
müssen, haben Eltern- und Facherfahrungen in den Diskussionsbeiträgen und
Veröffentlichungen der AAK einen hohen Stellenwert.
Die Beobachtungen zu den Zusammenhängen von Umwelt und Gesundheit
wurden 1984 erstmals gezielt zusammengetragen und formuliert. 1992 wurden
diese in einer AAK-Resolution im wörtlichen Sinne auf den politischen Weg
gebracht. Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages und alle Länder
sowie das Europaparlament nahmen sich der Forderungen an und antworteten.
Die Forderung der AAK aus dieser Zusammenfassung ist schnell auf den Punkt
gebracht:
Schadstoffe deutlich senken in:
Außenumwelt – Wohnumwelt – in Kindergärten und Schulen – auch am
Arbeitsplatz und bei der Freizeitbeschäftigung!
Staatliche Hilfe und Selbsthilfe müssen sich hierbei gegenseitig ergänzen - ein
Weg, den wir uns als Eltern wünschen, um alle Möglichkeiten eines gesunden
Umfeldes für Kinder zu gestalten.
Das Aktionsprogramm der Bundesregierung sagt dazu: „Die Umwelt ist so zu
gestalten, dass sie ein gesundes Leben ermöglicht!“ Gesundheit hat Vorrang
vor wirtschaftlichen Interessen.
Haut- oder Atemwegserkrankung, starker Juckreiz, entzündete Haut, ständiger
oder häufiger Husten mit Auswurf und Atemnot, der auch in einem
Asthmastatus tödlich enden kann, machen Angst, belasten oft über lange Zeit
Kinder und Familien. Häufig haben die Kinder mit mehreren oder anderen
Beschwerden wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Brechen zu kämpfen. Diese
Beschwerden können auf allergische Reaktionen, auf
Unverträglichkeitsreaktionen oder toxische Einflüsse zurück geführt werden -
fachlich auch als „atopische Erkrankungen“ bezeichnet. Hieraus ergibt sich der
AAK-Wunsch:
Die Verantwortung für eine Familie darf nicht ausschließlich Privatsache sein!
Unsere gewachsene Elternarbeit in der AAK wird derzeit mit Hilfe der
Möglichkeiten der elektronischen Medien optimiert. Das bedeutet, Eltern- und
109

Workshop 5
Kinderbeteiligung, Information sowie Betroffenen- und Fachkompetenz wird in
Zukunft schneller transportabel und in Netzwerken entwickelbar sein.
Regionale Elterngruppen können sich mit ihren Kindern zu Anliegen in
einzelnen Lebensabschnitten zusätzlich zu bestehenden Möglichkeiten der
persönlichen Kontakte vor Ort zeitnah z.B. zu Schulproblemen untereinander
austauschen und somit Erfahrungen und Ressourcen schneller nutzen.
Kürzere Wege werden durch die bewährten AAK-Bausteine allen an der
Thematik Beteiligten ermöglicht. Wo Verständnis für die Belange vorhanden ist,
wird die Hilfe nicht fern sein!
Das Risiko krank zu werden bzw. die Chance gesund zu bleiben ist nicht
Privatsache, die Uhren zurück zu drehen, geht wohl nicht, also mit Kraft nach
vorne? Ein klares „Ja“ an die junge Generation! Vieles hat sich verbessert, viel
muss noch verbessert werden – deshalb sind wir heute hier!
Zur National Coalition zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in
Deutschland
1995 wurde die National Coalition für die Umsetzung der UN-
Kinderrechtskonvention in Deutschland formell gegründet. Sie ist ein
Zusammenschluss von mittlerweile fast 100 bundesweit tätigen Organisationen
und Initiativen aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, die sich zum
Ziel gesetzt haben, die UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland bekannt zu
machen und ihre Umsetzung voran zu bringen, als Querschnittsaufgabe
sozusagen mit Schwerpunkten wie „ökologische Kinderrechte“ oder „Kinder mit
Behinderungen und ihre Familien“.
Zitat: „In einer Situation, wo man medizinisch schnell am Ende ist, es politisch
schwierig ist zu handeln, da die Frage wo liegt das Problem direkt nicht
beantwortbar ist, gäbe es den Weg "DAS RICHTIGE" zu tun - das ist dann an
vielen Stellen richtig. Kinder benötigen alle Hilfe körperlich und seelisch gesund
aufzuwachsen. Alles nur vordergründig Getane poliert eine schöne Oberfläche -
diese bekommt Risse. Ausgeschlossen sein, Krankheit, nicht Mithalten können
belastet Kinder und Familien.“
Herr Dr. Reinhold Eichholz, Kinderbeauftragter des Landes Nordrhein-
Westfalen, von dem dieses Zitat stammt, wusste kürzlich engagiert zu
110

Workshop 5
berichten, dass die Kinderrechtskonvention die erfolgreichste Vereinbarung
aller Zeiten sei. Alle Staaten haben das Übereinkommen unterzeichnet. Die
„dritte“ Welt zuerst, da hier Krankheit, Hunger und Krieg die Lebenssituation der
Kinder besonders beeinflusst und die Verantwortlichen hier eine Chance
sahen, sie zu schützen. In der westlichen Welt waren die Unterzeichnungen
schleppender - Probleme nicht so vordergründig sichtbar. Kinder stehen im
Grundgesetz nur an einer Stelle. Ziel wäre hier das Grundgesetz zu ergänzen
und Dr. Eichholz wünscht sich, dass hier etwas in Bewegung komme. Den
Eltern wird die alleinige Verantwortung zugebilligt und so kann sich der Staat
leichter zurückziehen.
Die Arbeitsgemeinschaft Allergiekrankes Kind ist eine Mitgliedsorganisation in
der NC – eine NGO.
Gemeinsam mit anderen NC-Verbänden hat sie das von der
Mitgliederversammlung am vergangenen Samstag verabschiedete
Diskussionspapier „Kinder und Gesundheit“ mit erarbeitet. Zusammengefunden
hatten sich dafür die Sprecherinnen und Sprecher von Mitgliedsverbänden der
NC in der Arbeitsgruppe „Ökologische Kinderrechte“.
In diesem Papier wird die gesundheitliche Situation von Kindern und
Jugendlichen wie folgt beschrieben:
In den Artikeln 6 und 24 der UN - Konvention ist das internationale Recht des
Kindes auf Überleben und Entwicklung und auf das erreichbare Höchstmaß an
Gesundheit festgelegt.
Der § 1 des Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) beschreibt das Recht jedes
jungen Menschen auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer
eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. Mit diesen
beiden kinderpolitischen internationalen und nationalen, rechtlichen und
gesetzlichen Grundlagen sind zumindest theoretisch und grundsätzlich ein
umfassender Schutz, sowie ein ausreichendes Recht des Kindes gewährleistet.
Wird nun die aktuelle Lebens- und Gesundheitssituation der Kinder und
Jugendlichen zu diesen Grundlagen in Beziehung gesetzt, so ist unübersehbar,
dass die Umsetzung der Kinderrechte faktisch unzureichend erfolgt ist.
So umreißt das Papier Probleme in den Bereichen Umwelt und
Gesundheitswesen, die Einfluss auf die Kindergesundheit haben genauso wie
111

Workshop 5
Zusammenhänge zwischen familiären Umfeld, Leistungsanforderungen,
Freizeitverhalten und Armut sowie der Kindergesundheit.
Angesichts der beschriebenen Situation gilt es, für eine kinderfreundliche,
integrierte Gesundheits- und Umweltpolitik einzutreten.
Im Diskussionspapier „Kinder und Gesundheit“ der NC sind bereits folgende
Forderungen/ Handlungsvorschläge zur Umsetzung einer ökologischen
Gesundheitsförderung für Kinder und Jugendliche positioniert:
– Regelung der Erfassung von Daten zur gesundheitlichen Entwicklung von
112
Kindern und Jugendlichen
– Schaffung eines eigenen Prävention- bzw. Rehabilitationsrechtes für Kinder
und Jugendliche gemäß §§23 und 40 SGB V
– Umfassende Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel und Zubereitungen
– Erweiterung der Vorsorgeuntersuchungen für Kinder um die Feststellung
des Immunstatus
– Einführung einer Kinderverträglichkeitsprüfung
– Schutz vor schädigenden Genussgiften
Im weiteren Diskussionsprozess wird sich die AAK wie auch andere Verbände
weiter dafür einsetzen, dass die Verantwortung für die Gesundheit unserer
Kinder und für die Familie nicht ausschließlich Privatsache ist, dass Vorrang
des Kindeswohles und
entsprechendes Verwaltungshandeln und bessere Information über
Kinderrechte Selbstverständlichkeit werden.
Denn mit einer gesünderen Umwelt haben wir eben alle eine bessere Chance,
vor allem aber unsere Kinder!

Ergebnisse des Workshops 5
Protokoll: Matthias Tietz
Hochschule Magdeburg-Stendal
Forderungen an spezifische Bereiche
1. Bildungsbereich:
- Umorientierung der Schule, weg von der reinen Wissensvermittlung
- Gesundheit als Schulfach
Workshop 5
- Engagierte Kinder wissen, was sie wollen, aber nicht wie sie es umsetzen
können; Eltern befähigen, mit so entwickelten Kindern umzugehen
2. Politik:
- Kinder haben Rechte, ministerielle Arbeitsgruppe bilden
- Alle Ebenen vernetzen und Kommunikationsstränge verknüpfen: Bund-
Länder-Kommune
- Gesetze mit Kinderrechten als Priorität
- Recht auf gewaltfreie Erziehung
- Kinderfreundlichkeitsprüfung auf kommunaler Ebene umsetzen
- Fördergelder gezielt nach ökologischen Gesichtspunkten vergeben
- Betroffene in Entscheidungsfindung mit einbeziehen
113

Workshop 6
Workshop 6
„Daten für Taten“
Umweltbezogene Gesundheitsberichterstattung
für Kinder
114

Umwelt und Schwangerschaft
Der Gesundheitszustand des Neugeborenen als erster Schritt eines
Gesundheitssurvey für Kinder und Jugendliche
Regina Lehmann, Dorit Götz
Medizinische Fakultät der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg
Workshop 6
Bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts waren Ernährungsstörungen
und Infektionskrankheiten die häufigsten Ursachen der kindlichen Morbidität
und Mortalität. Diese traten mit der zunehmenden Verbesserung der
allgemeinen Lebensbedingungen und der medizinischen Versorgung in den
Industrieländern in den Hintergrund. In gleichem Maße nahm die Bedeutung
von angeborenen Fehlbildungen und Anomalien im Morbiditätsgeschehen zu,
nicht weil sie häufiger als früher auftraten, sondern weil sie nicht mehr durch
Infektionen und ernährungsbedingte Störungen überdeckt wurden. Damit
wurden die Störfaktoren interessant, die bereits im Mutterleib die Entwicklung
eines Kindes krankheitsauslösend beeinflussen konnten. Lange vor der
Entdeckung der Chromosomen oder der DNA als Träger der genetischen
Information wurde das Auftreten von bestimmten Erkrankungen in Familien
beobachtet, was zu dem falschen Begriff der „Erbkrankheiten“ geführt hat. Wir
wissen heute, dass nicht Krankheiten, sondern die Gene vererbt werden und
dass Mutationen in diesen Genen zu Krankheiten führen können. Wir wissen
heute auch, dass bereits mit der Befruchtung der Eizelle durch die Samenzelle
die genetische Konstitution eines Menschen und damit eine wesentliche
Voraussetzung für seine Entwicklung irreversibel vorgegeben ist. Die ererbte
genetische Information entscheidet aber nicht nur zwischen „gesund“ und
„krank“, sondern auch über Krankheitsprädispositionen gegenüber
umweltbedingten Einflüssen. Die Entstehung und der Verlauf vieler
Krankheiten, Fehlbildungen und Anomalien ist von genetischen Komponenten
abhängig. Die Aufdeckung dieser Komponenten hat besonders in den letzen 20
bis 30 Jahren einen rasanten Aufschwung erfahren. Wir haben in den letzten
Jahrzehnten aber auch lernen müssen, dass das Kind im Mutterleib nicht vor
den Bedingungen der Außenwelt geschützt ist, sondern sich mit vielen äußeren
Faktoren auseinandersetzen muss. Deutlich wurde das durch die Entdeckung
der transplazentaren Passage des Rötelnvirus mit der folgenschweren
Erkrankung des Föten.
115

Workshop 6
Die Thalidomid-Affäre Ende der 50er- und Anfang der 60er- Jahre hat uns
eindrücklich vor Augen geführt, dass Medikamente, in der Schwangerschaft
eingenommen, zu fatalen Folgen für das Kind führen können. So wissen wir
heute, dass Viren, ionisierende Strahlen und bestimmte Chemikalien, aber auch
chronische Erkrankungen der Mutter, Fehlentwicklungen des Kindes
hervorrufen können [1,5]. Diese als teratogen bezeichneten Faktoren
verursachen in Abhängigkeit und in Wechselwirkung mit genetischen Faktoren
die angeborene Mortalität und Morbidität. In nüchternen Zahlen ausgedrückt
heißt das, dass 3 bis 5 % aller
Neugeborenen mit einer angeborenen Anomalie, Krankheit oder Fehlbildung
zur Welt kommen. Wie wichtig es ist, diesen Pool angeborener
Fehlentwicklungen genauer zu differenzieren und exakt kennen zu lernen, hat
das Contergan-Unglück gezeigt. Das Medikament verursachte bei Föten sehr
auffällige und sonst kaum vorkommende Gliedmaßenfehlbildungen. Da damals
keinerlei exakte Daten zu angeborenen Fehlbildungen vorlagen, dauerte es
beinahe 4 Jahre, ehe ein Zusammenhang zwischen Thalidomid und der
Thalidomid-Embryofetopathie erkannt wurde [6].
So entstanden in Folge des Contergan-Ereignisses weltweit eine Reihe von
regionalen und zum Teil nationalen Fehlbildungserfassungssystemen, welche
die Fehlbildungshäufigkeiten im Einzelnen „überwachen“ sollten, um eine
plötzliche Zunahme von definierten angeborenen Defekten schnell zu erkennen
und deren Ursachen zu erfassen. Obwohl sowohl in osteuropäischen als auch
in westeuropäischen Ländern derartige Systeme entstanden, gelang es weder
in Ost- noch in Westdeutschland, ein funktionsfähiges Erfassungssystem
angeborener Fehlbildungen zu etablieren. Diese unbefriedigende Datenlage
war Anlass, 1980 in der Stadt Magdeburg mit dem Aufbau eines
Fehlbildungsmonitorings zu beginnen.
Fehlbildungsmonitoring Sachsen-Anhalt
Im Fehlbildungsmonitoring Sachsen-Anhalt werden seit über 20 Jahren
gesundheitsbezogene Daten von Lebend- und Totgeborenen, Spontanaborten
nach der 16.SSW und Feten mit einer Fehlbildung erfasst und mit denen
gesunder Geborener verglichen. Diese Erfassung erfolgt multizentrisch und
populationsbezogen, d.h. die Meldung an das Fehlbildungsmonitoring erfolgt
dezentral zumeist durch die Entbindungseinrichtungen des Landes (seit 1994).
In die Bewertung werden heute nur Kinder von Müttern, die ihren Wohnsitz in
Sachsen-Anhalt haben, einbezogen. Die Codierungsmöglichkeit über 1700
116

Workshop 6
verschiedenen Diagnosen gestattet eine differenzierte Bewertung der
unterschiedlichen Defekte. Damit liegen aus Sachsen-Anhalt Daten vor, die in
diesem zeitlichen und territorialen Umfang in keiner anderen Region der
Bundesrepublik zur Verfügung stehen. Finanziell wird das
Fehlbildungsmonitoring durch das Ministerium für Arbeit, Frauen, Gesundheit
und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt getragen. Diese Erfassung wird
durch die freiwillige Mitarbeit der geburtshilflichen und/ oder pädiatrischen
Abteilungen der Krankenhäuser Sachsen-Anhalts und durch die Unterstützung
anderer Institutionen des Gesundheitswesens ermöglicht.
Das Fehlbildungsmonitoring Sachsen-Anhalt ist Mitglied des europäischen
Netzes zur Fehlbildungserfassung EUROCAT (European Registration of
Congenital Anomalies and Twins), in dem ca. 40 Zentren organisiert sind.
Dadurch ist mit Hilfe eines standardisierten Diagnose-Codes ein Vergleich der
Daten mit denen anderer europäischer Erfassungssysteme möglich.
Daten für Taten
Ein wichtiger Parameter für die Qualität der medizinischen Versorgung der
Bevölkerung ist die Sterblichkeitsrate von Säuglingen. Trotz einer verbesserten
medizinischen Versorgung der Neugeborenen überleben immer noch 2-3% aller
Geborenen mit Fehlbildungen das erste Lebensjahr nicht. Die angeborenen
Defekte sind heute die zweithäufigste Todesursache im Säuglingsalter. Ein
großer Teil der angeborenen Fehlbildungen und Anomalien erfordert beim
Neugeborenen oder auch im späteren Kindesalter eine operative Behandlung.
In ca. 60% der Fälle sind die Ursachen der angeborenen Anomalien unklar. Für
eine Ursachenforschung bedarf es umfassender epidemiologischer
Untersuchungen mit einer langfristigen Datensammlung zu dieser Problematik.
Dies ist eine wesentliche Aufgabe des Fehlbildungsmonitorings Sachsen-
Anhalt.
Doch wie kann man mit diesen gesammelten Daten detaillierte Kenntnisse über
das Fehlbildungsgeschehen erhalten und wie kann man mit diesem Material
ursächliche Risiken erkennen und Wege finden, sie zu minimieren?
Fragen zu Risiken und Ursachen von Fehlbildungen können nur dann
beantwortet werden, wenn bekannt ist, wieviele Kinder mit welchen angeborenen
Erkrankungen in einer definierten
Bevölkerungsgruppe in einem definierten Zeitraum geboren werden. Zur
Berechnung der Häufigkeit des Auftretens bestimmter Anomalien wird die
Anzahl betroffener Kinder auf die Gesamtzahl aller Geborenen der gleichen
117

Workshop 6
Bevölkerungsgruppe im gleichen Zeitraum bezogen. Die Epidemiologie - die
Basiswissenschaft des Gesundheitswesens - definiert diesen Wert als
Prävalenz.
Die Beobachtung des Fehlbildungsgeschehens und Ermittlung von Prävalenzen
über lange Zeit erlaubt schließlich die Bestimmung von Fehlbildungs-
Basisprävalenzen, die im Prinzip einen Durchschnittswert über mehrere Jahre
darstellen. Die Basisprävalenz ist sozusagen der "Normalwert" von
Fehlbildunghäufigkeiten in der Region. Ihre Berechnung ist die Voraussetzung,
um sowohl bei regionalen als auch bei zeitlichen Vergleichen
Prävalenzabweichungen festzustellen und Häufigkeitstrends aufzuzeigen.
Durch die Möglichkeit, die ermittelten Ergebnisse für ausgewählte
Fehlbildungen mit den entsprechenden Prävalenzen der EUROCAT-Zentren zu
vergleichen, können auch überregionale Entwicklungen beobachtet werden.
Um Zusammenhänge zwischen der beobachteten Fehlbildungshäufigkeit und
der Umwelt im weitesten Sinne zu erkennen, ist die Kenntnis der den
Gesundheitszustand des Kindes beeinflussenden Faktoren notwendig (Abb.1),
die auch soziale Bedingungen beinhalten müssen.
Manche dieser Bedingungen, wie z.B. das Alter der Mutter, lassen sich natürlich
nicht beeinflussen, sind aber bestimmbar. So birgt ein mütterliches Alter über
35 Jahre ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Chromosomenanomalien.
Diesen Frauen kann eine genetische Beratung und auch eine pränatale
Diagnostik angeboten werden.
Wichtig ist bei veränderbaren Umweltbedingungen schädigende Einflüsse zu
reduzieren; z.B. können bei einer unbedingt notwendigen
Medikamenteneinnahme während der Schwangerschaft Präparate gewählt
werden, die keine teratogenen Nebenwirkungen erwarten lassen; oder es kann
durch konsequente Impfung aller Mädchen gegen Röteln einer Rötelninfektion
in einer späteren Schwangerschaft und dadurch der Rötelnembryopathie
vorgebeugt werden. Durch breite Informationskampagnen sollte bereits in der
Schule das Wissen vermittelt werden, dass Alkohol das am weitesten
verbreitete Teratogen in unserer Bevölkerung ist und dass Nikotin nicht nur
Lippen-Kiefer-Gaumenspalten bei dem sich entwickelnden Embryo hervorrufen
kann, sondern auch einen auslösenden Faktor für den plötzlichen Kindstod
darstellt [4,7,8].
118

Abbildung1: Umwelt-Schwangerschaft-Gesundheit
Workshop 6
Da dem Fehlbildungsmonitoring nicht nur Angaben zum Gesundheitszustand
des Kindes, sondern auch wesentliche soziale und medizinische Begleitdaten
des Kindes und seiner Eltern mitgeteilt werden, ist eine wichtige Voraussetzung
für die Ermittlung ursächlicher Zusammenhänge zwischen Anomalien und
Umgebungsdaten gegeben. Die Analyse der vom Fehlbildungsmonitoring
erfassten Begleitdaten (Abb.1) kann der Ursachenforschung und somit einer
möglichst frühzeitigen Erkennung von schädigenden exogenen Einflüssen
dienen.
Zwei Wege bieten sich dazu an:
1. Bei vermuteten umweltbedingten Gesundheitsrisiken wie z.B. durch
chemische Noxen bei einem Chemieunfall können die aktuellen
Prävalenzen für Fehlbildungen, bei denen eine abweichende Häufigkeit zu
119

Workshop 6
120
erwarten ist, mit den dazugehörigen Basisprävalenzen der Region
verglichen werden. Als Ergebnis könnte die vermutete teratogene Wirkung
der Noxen bestätigt oder ausgeschlossen werden. Die Daten des
Fehlbildungsmonitorings Sachsen-Anhalt haben keinen Prävalenzanstieg
von Fehlbildungen in der belasteten Region nach dem Bahnunglück in
Schönebeck erkennen lassen [2]. Die Prognose, dass teratogene
Auswirkungen nicht zu erwarten seien, konnte bestätigt werden.
Der ernährungsbedingte Mangelzustand an Folsäure in unserer
Bevölkerung ist bekannt. Folsäuremangel begünstigt das Auftreten schwerer
Fehlbildungen insbesondere des Zentralnervensystems. Deshalb wird allen
Frauen mit Kinderwunsch bereits bei der Planung einer Schwangerschaft
die Folsäureeinnahme empfohlen. Da die Prävalenzen dieser Fehlbildungen
in Sachsen-Anhalt unverändert hoch sind, ist davon auszugehen, dass eine
rechtzeitige Folsäureaufnahme nur von wenigen der Frauen, die eine
Schwangerschaft planen, durchgeführt wird. Hier könnte durch eine
entsprechende Informationsvermittlung bezüglich der
Fehlbildungsprophylaxe durch Folsäure oder durch die Anreicherung der
Grundnahrungsmittel mit Folsäure das Auftreten eines großen Teils dieser
Fehlbildungen verhindert werden [3,10].
2. Wenn bei Prävalenzberechnungen deutliche Abweichungen von den
Basisprävalenzen auffallen, so führt dies zur Erkennung und Bestimmung
von regionalen und/ oder zeitlichen Clustern ausgewählter Fehlbildungen
und Fehlbildungskombinationen. Mit einer daran anschließenden Fall-
Kontroll-Studie könnten umweltbedingte Gesundheitsrisiken identifiziert
werden. Die Durchführung solcher Studien liegt jedoch nicht mehr im
elementaren Aufgabenbereich einer Fehlbildungserfassung und müsste
daher in den gegebenen Fällen gesondert erfolgen und finanziert werden.
Für einen eventuell geplanten Survey „Kind-Umwelt-Gesundheit“ sollten Daten,
die die intrauterine Entwicklung und den Zustand des Geborenen beschreiben,
bereitgestellt werden. Umweltfaktoren wirken schon in utero und sind in
Interaktion mit der vorgegebenen genetischen Konstitution prägend für das
gesamte Leben eines Menschen.
Die Daten des Fehlbildungsmonitorings Sachsen-Anhalt belegen den Einfluss
genetischer und umweltbedingter Faktoren auf den Gesundheitszustand des
Neugeborenen.
Ein Kinder- und Jugendsurvey ist wichtig und sollte sobald als möglich gestartet
werden. Wenn, wie geplant, dieser Survey erst im Kleinkindalter beginnt, würde

Workshop 6
der zweite Schritt vor dem ersten getan werden. Die das Kind prägenden
Faktoren des intrauterinen Lebens und der Zustand des Neugeborenen müssen
Berücksichtigung finden. Zur Bereitstellung diesbezüglicher Informationen kann
das Fehlbildungsmonitoring beitragen.
Zusammenfassung
Die Daten des Fehlbildungsmonitorings Sachsen-Anhalt fließen neben den
Daten der Perinatal- und Neonatalerhebung in die jährliche
Gesundheitberichterstattung des Landes Sachsen-Anhalt ein, welche u.a.
wichtige Informationen zu Erkrankungshäufigkeiten und zur
Säuglingssterblichkeit beinhaltet [9,11,12]. Wenn es gelingen würde:
• alle Mädchen gegen Röteln zu impfen
• das Gefährdungspotential von Alkohol und Nikotin allen Frauen mit
Kinderwunsch massiv zu verdeutlichen
• die Fehlbildungsprophylaxe durch Folsäureeinnahme allgemein
durchzusetzen,
könnte einem der festgeschriebenen Gesundheitsziele des Landes Sachsen-
Anhalt, der Senkung der Säuglingssterblichkeit, näher gekommen werden.
Literaturverzeichnis:
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pregnancy and the risk for specific birth defects: a population based case-
control study. Pediatrics 85 (1990): 1.
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Universität Halle, Medzinische Fakultät, Institut für Umwelttoxikologie.
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multivitamin supplementation. BMJ 306 (1993): 1645-1648.
4. Khuory, MJ, Weinstein A, Panny S, Holtzmann NA, Lindsay PR, Farrel K,
Eisenerg N: Maternal cigarette smoking and oral clefts. A population based
study. Am J Public Health 77 (1987): 623-625.
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Teratology 35 (1987): 46.
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Workshop 6
7. Löser H: Alkoholembryopathie und Alkoholeffekte- 1.Aufl. Stuttgart (1995):
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7-8.
8. Löser H: Diagnostik der Alkoholembryopathie in der Praxis. Hautnah 4
(1996): 266-271.
9. Ministerium für Arbeit, Frauen, Soziales und Gesundheit des Landes
Sachsen-Anhalt, Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit:
Gesundheitsprogramm. Gesundheit für alle. Teil II: Gesundheitsziele.
Oktober 1997.
10. MRC Vitamin Study Research Group: Prevention of neural tube defects:
results of the Medical Research Council vitamin study. Lancet 2 (1991): 131.
11. Steinbicker V, Rösch C: Bericht zur Fehlbildungserfassung in der Region
Magdeburg 1980 bis 1996. Monitoring-Zentrum zur Erfassung der Häufigkeit
von Fehlbildungen und Anomalien, Sachsen-Anhalt an der Medizinischen
Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Ministerium für
Arbeit, Frauen, Gesundheit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt,
(1998).
12. Steinbicker V, Rösch C: Häufigkeit von Fehlbildungen und Anomalien in der
Region Magdeburg. Jahresberichte 1995, 1996, 1997, 1998, 1999.
Monitoring-Zentrum zur Erfassung der Häufigkeit von Fehlbildungen und
Anomalien, Sachsen-Anhalt an der Medizinischen Fakultät der Otto-von-
Guericke-Universität Magdeburg. Ministerium für Arbeit, Frauen, Gesundheit
und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt. (1996, 1997, 1998, 1999, 2000).

Workshop 6
Gütersloher Studie zu Allergien und Atemwegserkrankungen
bei Kindern
Dr. Susanne Moebus
IMIBE- Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Essen
Der Schwerpunkt der Querschnittsstudie lag in der Beschreibung möglicher
gesundheitlicher Belastungen von Kindern, differenziert nach persönlichen
Merkmalen und räumlicher Verteilung sowie der Bewertung der Ergebnisse im
Hinblick auf mögliche Zusammenhänge zu bestimmten Luftbelastungen oder
Luftschadstoffquellen, insbesondere hinsichtlich eines in Gütersloh ansässigen
Spanplattenbetriebes.
Die als Vollerhebung angelegte Umfrage umfasst als Untersuchungskollektiv
die Kinder aller 47 Gütersloher Kindergärten bzw. Kindertagesstätten und 17
Grundschulen. Planung, Organisation sowie das Datenmanagement der
Studie erfolgte durch den Fachbereich Umweltschutz der Stadt Gütersloh. Mit
der Auswertung und Berichterstattung wurde das Institut für Medizinische
Informatik, Biometrie und Epidemiologie (IMIBE) des Universitätsklinikums
Essen beauftragt. Die räumliche Ergebnisdarstellung erfolgte über die
Kopplung einer ACCESS-Datenbank mit dem Geografischen Informationssystem
SICAD/SD98 beim Fachbereich Umweltschutz.
Insgesamt 5.860 Eltern haben sich an der Umfrage beteiligt. Eine sehr gute
Umfragebeteiligung von über 75 % konnte damit erzielt werden.
Durch die Vollerhebung und der hohen Umfrageteilnahme kann mit wenigen
Ausnahmen eine gute Repräsentativität hinsichtlich Geschlecht, Nationalität,
Sozialstatus und Sozialräumen (Stadtgebieten) erwartet werden. Tendenzen
eines engagierteren Antwortverhaltens von Eltern, die mit ihren Kinder in Nähe
des in Frage stehenden Spanplattenwerkes wohnen, ist nach der zur Verfügung
stehenden Datenlage nicht erkennbar.
Das Durchschnittsalter der befragten Kinder liegt bei 7,3 Jahren, der
Altersbereich zwischen 0 und 13 Jahren. Rund 90 % der teilnehmenden Kinder
haben zumindest ein deutsches Elternteil. Türkische, aramäische und
griechische Kinder bilden die größten nicht-deutschen Bevölkerungsgruppen.
Häufigkeit und Verteilung von – neben der Luftbelastung – potentiell
gesundheitsbeeinflussenden Faktoren, wie Innenraumbelastungen,
Wohnlage und -verhältnisse, Passivrauchbelastung sowie familiärer
Vorbelastung zeigen, dass bei gut 45% der Kinder mit Innenraumbelastungen
123

Workshop 6
gerechnet werden muss, u.a. durch einen auffällig hohen Anteil an
Renovierungsaktivitäten im letzten Jahr. Von Kfz-bedingten
Schadstoffbelastungen durch Wohnen im Nahbereich einer verkehrsreichen
Straße bzw. ein straßenseitig gelegenes Kinderzimmer sind rund 40% bzw.
23% der Kinder betroffen. Im Vergleich zu Verhältnissen im westlichen
Ruhrgebiet sind diese Werte eher als niedrig zu bezeichnen. Der Anteil jemals
passivrauchbelasteter Kinder liegt in Gütersloh mit 39% ebenfalls relativ niedrig,
muss aber als untererfasst bewertet werden. Insgesamt wird eine starke
Abhängigkeit zwischen den Rauchgewohnheiten und dem Bildungsstatus der
Eltern deutlich.
Die Beschreibung der Häufigkeiten und Verteilungen von Erkrankungen und
Symptomen ergibt, dass über 40% der befragten Kinder in Gütersloh jemals an
einer ärztlich diagnostizierten Bronchitis erkrankt sind und rund ein Drittel aller
befragten Kinder an allergischen Erkrankungen und/oder Symptomen leidet.
Diese Zahlen liegen insgesamt nicht auffällig anders als in Vergleichsgebieten
im Ruhrgebiet.
In der Regel sind Jungen häufiger als Mädchen von den befragten
Erkrankungen betroffen, jüngere Kinder eher von Infektionskrankheiten,
während sich bei älteren Kindern häufiger allergische Symptome herausgebildet
haben. Deutsche Kinder weisen deutlich höhere ärztlich diagnostizierte
Erkrankungsraten auf, während keine nationalitätenbezogenen Unterschiede
bei den von Eltern angegebenen unspezifischen Symptomen der letzten 12
Monate zu beobachten sind. Es zeigt sich, wie auch in anderen Studien, dass
elterliche Angaben zu jemals ärztlich diagnostizierten Erkrankungen sehr stark
mit dem Ausbildungsniveau der Eltern verknüpft sind.
Hinsichtlich der räumlichen Verteilung der Erkrankungshäufigkeiten in
Gütersloh hat sich das Innenstadtgebiet als ein deutlicher Schwerpunkt mit
relativ hohen Erkrankungshäufigkeiten herauskristallisiert. Auffällig ist vor allem
der Sozialraum Miele mit jeweils höchsten Erkrankungsraten für eine ärztlich
diagnostizierte Bronchitis (44% gegenüber 39,5% der Kinder im übrigen
Stadtgebiet) und Nasennebenhöhlentzündungen (13,5% gegenüber
durchschnittlich 9,4%) sowie überdurchschnittlich hohen Raten an un-
spezifischen Symptomen (häufig laufende Nase, gerötete Augen und
Erbrechen/ Durchfall).
Als geeignet zur Feststellung von Zusammenhängen zwischen
Erkrankungen und potenziellen Risikofaktoren erweisen sich Angaben zu
den verschiedenen (unspezifischen) Symptomen (Elternangabe) der letzten 12
124

Workshop 6
Monate. Eine Lungenentzündung im ersten Lebensjahr erwies sich als wichtiger
Risikofaktor für das spätere Auftreten der unspezifischen Symptome. Weiterhin
spielen familiäre Vorerkrankungen, Keuchhusten, feuchte Wohnungen sowie
Heizen in der Wohnung mit Gas, Kohle oder Holz eine Rolle für die Ausprägung
häufiger infektiöser und allergisch bedingter Krankheitssymptome.
Die Bedeutung der Kfz-Emissionen als Luftschadstoffquelle mit
gesundheitlichen Auswirkungen zeigt sich durch erhöhte Risiken bei längerer
Aufenthaltsdauer im Straßenverkehr sowie Wohnortnähe zu einer verkehrsreichen
Straße.
Darüber hinaus scheint aber nach den vorliegenden Ergebnissen durchaus ein
Zusammenhang zwischen Emissionen des Spanplattenbetriebes und erhöhten
Erkrankungsrisiken möglich. Darauf deuten u.a. Trends erhöhter Raten
unspezifischer Symptome wie häufig gerötete, juckende Augen; häufig
laufende, verstopfte oder juckende Nase; Husten ohne Erkältung; Niesanfälle
und Reizhusten bei Kindern hin, die einer Belastung durch Abgase des Werkes
ausgesetzt sind. So steigt zum einen der Anteil der Kinder, die an mehr als zwei
dieser Symptome in den letzten 12 Monaten gelitten haben, mit zunehmender
Geruchsbelastung von 19,5% in unbelasteten auf 27,5% in gering belasteten
und sogar 33% in hoch geruchsbelasteten Gebieten ansteigt (Dosis-
Wirkungsabhängigkeit). Zum anderen zeigt ein Vergleich von Gebieten mit
unterschiedlichen Belastungsprofilen hinsichtlich Kfz-Immissionen,
Spanplattenwerkgeruchsbelastungen und Staubniederschlägen (Stadtrand-
Vergleichsgebiet, Innenstadt-Vergleichsgebiet ohne Spanplattenemissionen
und Spanplattenbelastungsgebiet) eine stufenförmige Zunahme des Anteils von
Kindern, die an mindestens einem unspezifischen Symptom in den letzten 12
Monaten gelitten haben, von geringsten Symptomraten im
Stadtrandreferenzgebiet (25,0%), deutlich erhöhten Raten von 41,8% im
Innenstadtvergleichsgebiet ohne Spanplattenemissionsbelastung (aber hoher
Verkehrsbelastung) und höchsten Symptomraten (50,0%) im Innenstadtgebiet
mit Spanplattenemissionsbelastung.
Die beobachtete Risikoerhöhung für Kinder, die in einem ausgewiesenen
Spanplattenemissionsgebiet wohnen, bewegt sich in der Größenordnung der
bekanntlich gesundheitsgefährdenden Kfz-bedingten Immissionsbelastungen.
Bei rund 47 von insgesamt 276 im Belastungsgebiet wohnenden Kindern, die in
den letzten 12 Monaten an mehr als einem unspezifischem Symptom gelitten
haben, sind die erhöhten Symptomraten auf die Exposition im Spanplattenemissionsgebiet
zurückführbar.
125

Workshop 6
Allerdings sollten die hier gefundenen Beobachtungen vor dem Hintergrund
einschränkender Aussagemöglichkeiten der Studie bewertet werden,
insbesondere im Hinblick auf den vermuteten Zusammenhang zwischen
Emissionen des Spanplattenwerkes und erhöhten Symptomhäufigkeiten.
Einschränkungen entstehen erstens durch eine mögliche erinnerungsbedingte
Verzerrung der Krankheitsangaben von Eltern mit und ohne ablehnender
Haltung gegenüber dem Spanplattenwerk, zweitens durch eine Unterschätzung
der Passivrauchbelastung als krankheitsverursachendem Faktor und drittens
durch die fehlende ärztliche Überprüfung bzw. Absicherung der von den Eltern
angegebenen Erkrankungen. Demgegenüber steht eine Reihe von durchaus
plausiblen Ergebnissen, deren Korrektheit beispielsweise durch Dosis-
Wirkungsbeziehungen und vergleichbare Ergebnisse aus der Literatur gestützt
werden.
Weitergehende Ermittlungen könnten einen genaueren Einblick in die hier
gefundenen Verhältnisse ermöglichen. Aber auch trotz der bestehenden
Unsicherheiten und letztlich fehlenden Möglichkeit, einen kausalen
Zusammenhang zwischen den beobachteten Symptomhäufigkeiten und den
Emissionen des Spanplattenbetriebes herzustellen sowie auch trotz der nach
dem heutigen Stand des Wissens noch bestehenden Unwissenheit über die
langfristigen gesundheitlichen Folgen für Kinder mit erhöhter Anfälligkeit
gegenüber allergisch und infektiös bedingten Symptomen sollten unter
Vorsorge- bzw. Gesundheitsförderungsaspekten die hier gewonnenen
Beobachtungen ernstgenommen werden.
Die Ergebnisse über diese Zusammenfassung hinaus sind in einem Kurzbericht
der Studie veröffentlicht und erhältlich beim Fachbereich Umweltschutz der
Stadt Gütersloh.
126

Workshop 6
Gesundheitsziele als Planungs- und Steuerungsinstrument
einer übergreifenden Umweltgesundheitspolitik für das
Kindesalter
Dr. Andreas Schoppa
Robert Koch-Institut, Berlin
Welche Möglichkeiten bieten Daten einer umweltbezogenen Gesundheits-
berichterstattung für die Entwicklung von Zielen und deren Umsetzungs-
strategien in einem übergreifenden und konsensorientierten Politikverständnis?
Gesundheitsziele sind eine Chance für eine moderne Gesundheitspolitik, die ihr
Handeln bedarfsorientiert und zielgerichtet auf vordringliche
Gesundheitsanliegen der Gesellschaft ausrichten will. Gesundheit soll hierbei in
einem übergreifenden und umfassenden Kontext verstanden werden, der
neben dem individuellen körperlichen, psychischen und sozialen Wohlsein die
physikalische Umwelt mit einschließt.
Mit Gesundheitszielen kann sich die Politik unter Mitwirkung aller
gesundheitsrelevanten Fachgruppen und unter Einbeziehung der betroffenen
Bevölkerung auf gemeinsame Anliegen verständigen, die relevant und zugleich
konkret, realistisch, erreichbar und überprüfbar sind. Um dieses gewährleisten
zu können, ist ein breit angelegter gesellschaftlicher Konsensprozess bei der
Zielformulierung eine Grundvoraussetzung, die alle relevanten Akteure
einbezieht und an der vor allem die Bürger selbst aktiv teilhaben.
Gesundheitsziele stellen hierfür ein geeignetes Planungs- und
Steuerungsinstrument für das Gesundheitswesen dar, um vorhandene
Ressourcen in Deutschland sinnvoll einzusetzen und eine stärkere Orientierung
auf epidemiologisch begründete vordringliche Gesundheits- und
Umweltgesundheitsprobleme zu lenken.
Im Public Health Verständnis ist hierbei der 1. Schritt eine Bedarfsabschätzung
über Daten der Gesundheitsberichterstattung, aus der eine gemeinsame
Zielformulierung mit geeigneten Maßnahmen und Strategien erfolgt, die
schließlich zu einer Umsetzung in der Praxis führen. In der politischen Realität
bewegt sich dieses Modell bislang „rückwärts“, da die Auswahl zu
127

Workshop 6
bearbeitender Gesundheitsprobleme durch bestehende Versorgungsangebote
und Machtpotentiale bestimmt wird. Der Weg muss von definierten
Gesundheitsproblemen zu erforderlichen Gesundheitsausgaben führen; hier
kann eine Zielpolitik zu evidenten und transparenten Entscheidungen beitragen.
Ziele können in einem durch Pluralismus und Föderalismus geprägten und stark
gegliederten Gesundheitssystem in Deutschland nicht „top down“ von oben
verordnet werden. Ebenso sind nachhaltige Ziele nicht von einzelnen Akteuren
„bottom up“ ohne strukturelle Unterstützung durch eine gemeinsame Politik
realisierbar und führen zu einem isolierten Aktionismus, der zwangsläufig ins
Leere läuft. Daher besteht ein großer interdisziplinärer Handlungsbedarf für
eine sektorübergreifende und kooperative Gesundheits- und Umweltpolitik, die
sich stärker an einem gemeinsamen Gesundheitsverständnis ausrichtet und
einen breiten Diskussions- und Konsensprozess anstrebt.
Eine Voraussetzung für konkrete Zieldefinitionen sind umfassende Daten zur
gesundheitlichen Lage im Kindesalter. Epidemiologisch begründete „Daten“
stellen hier eine wesentliche und objektivierbare Grundlage für die Formulierung
von Gesundheitszielen dar, aus denen sich vordringliche „Taten“ ableiten.
128

Ergebnisse des Workshops 6
Gerda Pfahl
Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Bad Hersfeld
Hauptforderungen
Säuglinge, Frühgeburten, Fehlbildungen
• Schichten unterschiedlich ansprechen
• Sozial Benachteiligte berücksichtigen
• Kurse begleitend zu Risiken anbieten
• Stärker Augenmerk auf Prophylaxe legen
• Umwelteinflüsse im vorgeburtlichen Bereich berücksichtigen
• Kindersurvey ab Nabelschnur durchführen
• Ansprache soll beim Planen der Schwangerschaft erfolgen
• Daten aus der Region zusammenführen, um Rückschlüsse zu
Umweltbelastungen ziehen zu können (Verkehr, Emissionen,
Arbeitsplatz)
• Informationen verbessern
• Alle müssen sich auf den Weg machen (Gesundheitsförderung)
• Lokale Aktionsprogramme Umwelt und Gesundheit (Multifaktoriell:
Verkehr, Immissionen, Innenraum)
• Lokale Risikokommunikation: gemeinsam nach Lösungen suchen
Workshop 6
• Handlungsgrundlage unspezifische Symptome ist ausreichend, um tätig
zu werden
• Grenzwerte auf Kinder abstellen
• Prospektive Kohortenstudie, nicht Daten sammeln, sondern handeln
Das Zusammengestellte gilt auch für die Kindergesundheit allgemein,
ausgehend von den Referaten wurde ein besonderer Ansatzpunkt im
Geburtsalter gelegt.
Gesundheitsziele für Kinder erstellen
• Gesundheitsberichterstattung
• Zielentwicklung auch für das frühe Kindesalter
• Maßnahmen/ Politik beschreiben
• Evaluation
• Ranking für prioritäre Ziele
129

Workshop 6
Politik
130
• Nachhaltigkeit
• Ressourcen effektiv einsetzen
• Umsetzungsdefizit der WHO Resolutionen aufarbeiten
• Auf der lokalen Ebene Ziele erarbeiten (Bsp. Ziele Hamburg)
• Festlegen, wer sich um was kümmert bei der Zielumsetzung
• „Regisseur“ für Taten statt Daten bestimmen und einsetzen
• ÖGD hat Regiekompetenz und Daten/ Erfahrung
• Schule, Kultusbehörden müssen aktiv mitwirken an der
Gesundheitsförderung
• OPUS Projekt weiterführen
• Vorhandene Ressourcen an Bildungspotential und Finanzen nutzen
(Schule)
• Laienexpertenwissen nutzen
• Konsensprozesse „top down“ – „bottom up“
• Es bedarf „oben“ und „unten“ an Taten
• Daten für Taten verständlich formulieren, es gibt viele Daten
• Schnittstelle Umwelt und Gesundheit verstärken, die Barrieren zwischen
beiden Gebieten betrachten und abbauen
• § 20 SGB V/ Kassen einbeziehen wie beim § 21 Kariesprophylaxe. Dort
müssen die Krankenkassen lokale in Arbeitsgemeinschaften
zusammenarbeiten und es gibt eine kontinuierliche Begleitung der
Kindergärten (Patenschaftszahnärzte/-ärztinnen)
Konkrete Aktion:
• Modellprojekt: Gütersloh zu Kindergesundheit durchführen, da hier gute
Vorbedingungen vorhanden sind. Zukunftswerkstatt mit Kindern
durchführen, Dialog aller Akteure einschließlich Industrie, Bürgerschaft
einbeziehen, Kindergärten, Schulen
• Modellprojekt: Setting-Ansatz für Schwangerengruppen/ Eltern einführen
(Ansatzpunkt: Schwangerengymnastik, Hebammen/
Geburtsvorbereitung, Gesundheitshäuser). Ziel ist es, zum
eigenverantwortlichen Handeln für das Ungeborene/ Neugeborene
anzuregen im Sinne der Ottawa Charta.
Festgehalten wurde abschließend, dass die Diskussion fortgesetzt werden
müsste.

• Die behandelten Teilthemen sollten näher erörtert werden, um weitere
konkrete Handlungsempfehlungen zu entwickeln.
Workshop 6
• Die Handlungsempfehlungen des TAB-Gutachtens Umwelt und Gesundheit
sollten einbezogen und kinderorientiert weiterentwickelt werden.
• Kinderbezogene Gesundheitsziele und kinderbezogene Aktionspläne
Umwelt und Gesundheit müssten lokal, aber auch landesweit, und
bedarfsorientiert, aber auch umsetzungsorientiert erstellt werden.
131

Workshop 7
Workshop 7
Information und Kommunikation
Umwelt und Gesundheit
132

Bürgerbeteiligung am Aktionsprogramm
„Umwelt und Gesundheit“
Dr. Uwe Kaiser
Robert Koch-Institut, Berlin
Workshop 7
1984 verabschiedeten die Mitgliedstaaten der WHO in der Europäischen
Region die Strategie „Gesundheit für alle" (GFA) unter dem Aspekt des
umweltbezogenen Gesundheitsschutzes. Der eingeschlagene Weg wurde 1989
in Frankfurt durch die „Europäische Charta Umwelt und Gesundheit"
fortgesetzt und führte 1994 in Helsinki zur Verabschiedung eines Aktionsplans
Umwelt und Gesundheit für Europa (EHAPE). Die europäischen Umwelt- und
Gesundheitsminister einigten sich darauf, diesen Plan auf nationaler Ebene
durch „Nationale Aktionspläne Umwelt und Gesundheit (NEHAPs)“
umzusetzen. Im Juni 1999 wurden bei der 3. Europakonferenz „Umwelt und
Gesundheit“ in London die bei der Erarbeitung und Umsetzung der NEHAPs
gemachten Erfahrungen ausgewertet, die sich abzeichnenden Defizite
analysiert und als nächsten Schritt für alle Länder die Entwicklung konkreter
Umsetzungsmaßnahmen unter aktiver Bürgerbeteiligung empfohlen.
In Deutschland konzipierten das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit (BMU) und das Bundesministerium für Gesundheit
(BMG) gemeinsam das Aktionsprogramm Umwelt und Gesundheit (APUG).
Das Programm dient dem Ziel, eine Handlungsbasis aufzustellen, auf welcher
der Gesundheitszustand der Bürger und Bürgerinnen in Bereichen
sichergestellt wird, die durch ungünstige Einflüsse von Umweltnoxen
physikalischer Natur, mediengetragenen Umweltnoxen oder durch Aufnahme
beim Umgang mit Verbraucherprodukten des täglichen Bedarfs oder durch die
Nahrung gefährdet sein können. Zur aktiven Beteiligung der Öffentlichkeit an
Umsetzungsmaßnahmen am APUG wurde u.a. ein elektronisches Informationsund
Diskussionsforum geschaffen www.uminfo.de/aktionsprogramm (s.
Abb.1).
Diese über das allgemeine bzw. öffentliche Internet erreichbare Seite bietet in
elektronischer Form die Volltextversionen des Aktionsprogramms, des
Sachstandsberichts und weiterer Hintergunddokumente zum Lesen und
Herunterladen an. Zur aktiven Einbindung der interessierten Öffentlichkeit
133

Workshop 7
wurde ein Übergang zu einem moderierten Diskussionsforum geschaffen.
Voraussetzung ist eine schriftliche Anmeldung und eine Freischaltung durch die
Systemadministration.
134
http://www.uminfo.de/aktionsprogramm
Abb. 1: Die Homepage zum Aktionsprogramm ‚Umwelt und Gesundheit‘
Ein entsprechendes Anmeldeformular kann von der Homepage aus
ausgedruckt werden. Die namentliche Annmeldung zum Diskussionsforum soll
die Qualität der Diskussionsbeiträge fördern.
Der Übergang zum elektronischen Diskussionsforum (Intranet) kann unter
Nutzung eines Web-Browsers (Netscape, Internet Explorer etc.) erfolgen. Für
die aktive Beteiligung wird allerdings die Nutzung einer kostenlos zur Verfügung
gestellten Spezialsoftware (FirstClass®) empfohlen. Die Nutzung dieser
Spezialsoftware bringt erhebliche Verbesserungen bei Geschwindigkeit,
Nutzerkomfort und Datensicherheit.

Abb. 2: Das Aktionsprogramm mit seinen Unterebenen
Workshop 7
Die technische Realisierung des elektronischen Diskussionsforums auf der
Basis der FCIS Server-Client-Architektur (FirstClass Intranet Solution) bringt für
den Nutzer die automatische Kompatibilität zum Umweltmedizinischen
Informationsforum (UmInfo) mit sich. Der Schwerpunkt dieses Online-Systems
mit grafischer Benutzeroberfläche liegt in der Umweltmedizin, der Allergologie
und in verwandten medizinischen Fachgebieten und kombiniert ein öffentliches
Informationsangebot (www.uminfo.de) mit dem Übergang zum Intranet der
umweltmedizinischen Experten. Das System bietet Zugriff auf validierte Daten
und Fakten, offene und berufsgruppeninterne Diskussionsebenen,
135

Workshop 7
interdisziplinären Erfahrungsaustausch und Übergänge zu weiteren
Kooperationspartnern. Da das Anmeldeformular zum Aktionsprogramm auch
die Option der zusätzlichen Freischaltung zum „UmInfo“ beinhaltet, kann sich
der Eingangsbildschirm der Nutzer unterscheiden. Neben dem persönlichen
Postfach und der elektronischen Konferenz „Das Aktionsprogramm“ können
sich folglich weitere Nutzungsebenen befinden. Durch Anklicken mit dem
„Mauspfeil“ gelangt der Nutzer in die Aktionsprogramm-Ebene (Abb.2).
Eingangsebene:
Mailbox (das persönliche Postfach)
Das Aktionsprogramm (Portal zu den darunter liegenden Ebenen)
1. Unterebene (5 parallele Ebenen und ein Bereich für generelle Diskussionen)
2. Unterebene
136
Presseecho und Kritik (read only ; Volltextdokumente)
Volltextarchiv (read only ; Volltextdokumente)
Querverweise (read only ; Hyperlinks)
Qualitätsziele (Portal zu den darunter liegenden Ebenen)
Querschnittsmaßnahmen (Portal zu den darunter liegenden Ebenen)
Diskussionsbereich für generelle Diskussionen über das Aktionsprogramm
Untergliederung der Qualitätsziele und Querschnittsmaßnahmen in Themenkomplexe. Jeder
Themenkomplex besteht aus einem Diskussionsbereich und enthält auf einer eigenen
Unterebene die entsprechenden APUG-Qualitätsziele oder APUG-Querschmittsmaßnahmen
und jeweils ergänzende Informationen.
Die Qualitätsziele sind unterteilt in: Die Querschnittsmaßnahmen sind unterteilt in:
• Außenluft • umweltbezogene GBE
• Klima • Informationsmanagement
• Ionisierende Strahlung • Risikobewertung
• Innenraumluft • Risikokommunikation
• Wasserresourcen • Umweltmedizin
• Boden • Forschungsförderung
• Lebensmittel • Behördenstrukturen
• Lärm • Internationale Zusammenarbeit
• Stoffe und Zubereitungen
Die aktive Beteiligung kann im allgemeinen Diskussionsbereich zum Aktionsprogramm oder
in den Diskussionsbereichen der einzelnen Qualitätsziele bzw. Querschnittsmaßnahmen
erfolgen.
Abb. 3: Aufbau und Struktur des elektronischen Diskussionsforums

Workshop 7
Die Spezialsoftware FirstClass® ermöglicht ein einfaches Navigieren mit dem
Mauspfeil. Mit einem Einfach- oder Doppelklick können die Ebenen gewechselt,
Texte im jeweiligen Inhaltsverzeichnis geöffnet oder z.B. elektronische Anlagen
auf dem eigenen Rechner gesichert werden. Eine Übersicht über den Aufbau
des elektronischen Diskussionsforums zum Aktionsprogramm zeigt die Abb. 3.
Intranet
Abb. 4: Das Zusammenspiel von Intranet und Internet
Internet
Im Bereich der Qualitätsziele und der Querschnittsmaßnahmen kann sich der
Nutzer im Detail über die jeweils im Aktionsprogramm (politisches Papier)
137

Workshop 7
geäußerten Positionen und Absichten und den sich im Dokumentationsband
(Sachstandsbericht) zum Aktionsprogramm befindenden wissenschaftlichen
Grundlagen informieren. Der jeweils dazu gehörende Diskussionsbereich soll
die Möglichkeit bieten zum Einbringen kritischer Stellungnahmen, Forderungen,
Wünschen, Hinweisen auf praktische bzw. lokale Umsetzungsmöglichkeiten
oder sonstigen konstruktiven Äußerungen.
Durch die Möglichkeit der Einbindung von elektronischen Querverweisen
(Hyperlinks) in FirstClass-Dokumente können die Nutzer auch
Zusammenhänge zu sonstigen Aktivitäten, bereits existierenden Projekten etc.
herstellen.
138

Ausstellungen
139

Ausstellungen
Arzneimittelsicherheit bei Kindern: Sie sind keine kleinen
Erwachsenen!
Dr. Martin Hulpke-Wette, Göttingen
Im Rahmen der Fachtagung wurde uns freundlicherweise durch Herrn Dr.
Hulpke-Wette (Göttingen) eine Posterausstellung und ein Video zur
Arzneimittelsicherheit bei Kindern zur Verfügung gestellt, die auf großes
Interesse gestoßen sind. Wir möchten daher nicht versäumen, der Problematik
hier einen bescheidenen Platz einzuräumen und uns somit herzlich bei den
Leihgebern zu bedanken. Die meisten Arzneimittel sind nicht auf
Kindertauglichkeit geprüft und die Nebenwirkungen bei Kindern unzureichend
dokumentiert. Es ist ein vergleichbares Gefährdungspotential zu vermuten, wie
bei unabsichtlich herbeigeführten Medikamentenunfällen im Haushaltsbereich.
Darüber hinaus zeigt die Schnittstelle mit dem Aktionsprogramm 'Umwelt und
Gesundheit', wie notwendig die Gesamtsicht auf die Kindergesundheit ist, der
letztendlich nur durch ein bundesweites Kompetenzzentrum - vergleichbar dem
nationalen US-Institut für Kindergesundheit (NICHD) begegnet werden kann.
Thomas Hartmann
Ausstellung
"Das Kind ist kein kleiner Erwachsener" unter diesem Motto hat die Abteilung
Pädiatrische Kardiologie des Bereichs Humanmedizin der Georg Albrecht-
Universität (Göttingen) eine Posterausstellung und Videos zum Thema
"Arzneimittelsicherheit bei Kindern" zusammengestellt. Hintergrund ist die
bislang nur wenig erforschte Sicherheit bei der Vergabe von Medikamenten an
Säuglinge und Kleinkinder. Die medizinische Forschung hat gezeigt,
Arzneimittel wirken bei Kindern und Erwachsenen sehr verschieden. Grund
dafür ist das unterschiedliche Leistungsvermögen der Organe, die
Medikamente wieder aus dem Körper zu entfernen. Der medizinische
Fachausdruck dafür heißt "Arzneimittel-Clearance". Während die Körpermaße
des Kindes mit dem Alter stetig zunehmen, ist die Arzneimittel-Clearance in
Relation zur Körpergröße während der Säuglingszeit am größten. In dieser
Phase werden Medikamente also viel schneller verarbeitet und aus dem Körper
ausgeschieden als im späteren Leben. So erfordert die wirksame Behandlung
bei Säuglingen unter Umständen größere Mengen von Medikamenten, um den
140

Ausstellungen
Heilungsprozess zu fördern. Es ist daher auch nicht möglich, die
Medikamentendosis von Erwachsenen auf Kinder einfach "herunterzurechnen".
Arzneimittel-Katastrophen
Im Jahre 1938 starben in den USA 107 Kinder nach Verabreichung eines
Sulfonamids mit dem Lösungsmittel Diethylenglycol. Als Konsequenz wurde
gesetzlich festgeschrieben, dass Medikamente nachweislich sein müssen und
mit Anwendungshinweisen (Waschzettel) zu versehen sind. 1959 starben
dutzende Kinder in den USA an dem so genannten Graues-Baby-Syndrom,
nachdem ihnen ein neu entwickeltes Antibiotikum verabreicht worden war. Der
Wirkstoff Chloramphenicol war den Ärzten zwar aus der Behandlung bei
Erwachsenen vertraut, jedoch nie an Kindern getestet worden. Da der
Arzneimittelschaden dem Krankheitsbild verblüffend ähnelte, erkannte man zu
spät, dass die bei Kindern unreife Leber das Antibiotikum nur mit Mühe
abbauen konnte. 1958-1961 wurden ca. 10.000 Kinder weltweit mit
Fehlbildungen der Arme und Beine (Phokomelie) geboren, nachdem Ihre Mütter
in der Schwangerschaft mit dem Schlafmittel Contergan ® (Thalidomid)
behandelt worden waren.
Bilanz
1968 prägte der amerikanische Kinderarzt und Pharmakologe Harry Shirky den
Begriff des „therapeutic orphan“, d.h. des „therapeutischen Waisen“ und
beschrieb damit die Situation, dass Kinder an der beginnenden Entwicklung der
Arzneimittelsicherheit nicht Anteil genommen haben und ein großer Teil (ca.
80%) der Medikamente, die bei Kindern damals angewandt wurden für diese
weder zugelassen noch geprüft waren.
Dreißig Jahre später
1995 wurden in den USA vom NIH (National Institutes of Health) zunächst 7,
und drei Jahre später 13 Zentren für kinderpharmakologische Untersuchungen
so ausgestattet, dass sie in einem Netzwerk verbunden (PPRU: Pediatric
Pharmacology Research Units) Arzneimittelprüfungen bei Kindern vornehmen
konnten. Es konnten bei der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA (Food
and Drug Administration) einige für Kinder zugeschnittene Zulassungen von
Medikamenten erwirkt werden.
1997 wurde ein Gesetz vom amerikanischen Kongress verabschiedet, in dem
pharmazeutischen Firmen eine Patentverlängerung von bereits zugelassenen
141

Ausstellungen
Medikamenten angeboten wird, wenn sie kontrollierte Arzneimittelprüfungen bei
Kindern vornehmen. (FDAMA: Food and Drug Administration Modernization
Act). Gleichzeitig entwickelte sich eine Strategie der
Arzneimittelzulassungsbehörde, dass die Zulassung neuer Medikamente für
Kinder nur dann erfolgt, wenn die Arzneimittelprüfung auch bei Kindern
durchgeführt wird.
1999 veröffentlichte die FDA eine Liste von mehr als 400 Medikamenten, bei
denen es unzureichende Informationen über die Anwendung und Dosierung bei
Kindern gibt, da diese nie geprüft oder zugelassen wurden. Es handelt sich
hierbei ausschließlich um Medikamente, die in den USA mehr als 50.000 Mal
pro Jahr verschrieben werden.
Stand der Dinge heute
Nach den beschriebenen Katastrophen hat sich bei der Entwicklung, Zulassung
und Anwendung von Arzneimitteln am Menschen inzwischen ein sehr weit
reichendes Kontroll- und Sicherheitssystem entwickelt. Hiervon profitieren aber
fast ausschließlich Erwachsene. An Kindern ist hingegen die Entwicklung der
Arzneimittelsicherheit weitgehend vorübergegangen. An Ihrem Status des
„therapeutischen Waisen“ hat sich bis heute nichts geändert. Die Situation lässt
sich am ehesten mit dem Begriff der Arzneimittelunsicherheit bei Kindern
beschreiben.
Im Jahr 2000 belegt eine Veröffentlichung von Kinderärzten und
Pharmakologen in Europa bei 624 Kindern, dass mehr als 2/3 aller
Medikamente, die in Kinderkliniken in England, Schweden, Deutschland, Italien
und den Niederlanden eingesetzt wurden nach wie vor nicht für Kinder geprüft,
zugelassen oder sogar entgegen ihrer Zulassung bei Kindern eingesetzt
werden.
Ursachen und Hintergründe
Die in Arzneimittellisten angeführten Kinderdosierungen wurden häufig von
Erwachsenendosierungen auf Kinder „heruntergerechnet“, da es keine
Untersuchungen bei Kindern gibt.
Die Tatsache, das der Anteil des Umsatzes eines Medikaments in der Gruppe
der Kinder zum Teil nur ein Prozent des Gesamtumsatzes ausmacht, hat dazu
geführt, das die meisten Arzneimittelhersteller sich nicht um spezielle
Kinderzulassungen ihrer Produkte bemüht haben.
Ausnahmen stellen die Antibiotika und Impfstoffe dar, da hier eine breite
Anwendung bei Kindern gegeben ist.
142

Ausstellungen
Arzneimittelzulassungen und Entwicklung von kindgerechten
Darreichungsformen (Zäpfchen, Saft) sind sehr kostenintensiv.
Für „alte Arzneistoffe“ deren Patentschutz bereits abgelaufen ist fühlt sich kein
Hersteller mehr so verantwortlich, als das er nachträglich anstreben würde, eine
für Kinder spezifische Arzneimittelzulassung zu bekommen.
Obwohl in vielen nationalen und internationalen Rechts- und Ethikrichtlinien und
Gesetzen nicht nur die Grenzen sondern auch die Möglichkeiten für
Arzneimittelprüfungen bei Kindern verankert sind besteht dennoch häufig die
Vorstellung, dass solche Untersuchungen bei Kindern nicht erlaubt sind.
Vielfach wird übersehen, dass die Behandlung eines Kindes im Rahmen einer
Studie viel strenger der Beobachtung und Überwachung unterliegt, als wenn
das gleiche Medikament in der täglichen Routine einfach ungeprüft gegeben
wird.
Forderungen und Ausblick
Es muss ein nationales und europaweites Netzwerk von
Kinderpharmakologischen Untersuchungszentren eingerichtet werden, die
vergleichbar wie in den USA im Netzwerkverbund Arzneimittelprüfungen bei
Kindern durchführen.
Obwohl der Anteil des Umsatzes eines Medikaments in der Gruppe der Kinder
nur sehr gering ist, muss der Kontakt zu den verschiedenen
Arzneimittelherstellern und deren Fachverbänden aufgenommen werden, um
sie möglichst für kinderpharmakologische Untersuchungen an Kindern zu
motivieren.
Es muss eine breite öffentliche Diskussion einschließlich der dazugehörigen
Öffentlichkeitsarbeit zu dem Thema unter Beteiligung von Politikern, den
zuständigen Ministerien und Behörden und den Elternselbsthilfeorganisationen
geführt werden, damit der Patientenschutz von ca. 16 Millionen Kindern in
Deutschland langfristig verbessert werden kann.
Die Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin bemüht sich
u.a. durch die Arbeit der Kommission für Arzneimittelsicherheit die
Voraussetzungen für die Einrichtung von professionellen Prüfzentren zu
schaffen.
Kinder haben das gleiche Recht wie Erwachsene an dem medizinische
Fortschritt teilzuhaben und Sicherheit in der Arzneimittelbehandlung zu
genießen. Wir wollen uns der Kinder annehmen und sie als „therapeutische
Waisen“ adoptieren.
143

Ausstellungen
Alles was recht ist
Ein Projekt von Kindern für Kinder zum Thema Kinderrechte
SPIELEMMA e.V.
Verein zur Förderung eines kinder- und jugendgerechten Lebens in der Stadt
Magdeburg
... und was recht ist, soll recht bleiben. Zum Beispiel der Kindertag am 1.Juni
2000. Für die Kinder der SPIELEMMA ein Grund ihren Platz, den SCHELLI
(Schellheimer Platz), mit viel Farbe und Kreativität zu okkupieren.
Unterstützung und Anleitung für die Erarbeitung dieser Ausstellung bekamen
die Kids im Vorfeld von Alexander Hanke. Die Idee ist einfach wie die Klappe,
mit der gleich mehrere Fliegen geschlagen werden. Das Material, alte Fenster,
wurde vom Sperrmüll gesammelt, geputzt, gestrichen und zum gestalten
vorbereitet.
• Die Ausstellung ist von Kindern für Kinder. Sie ist individuell und
144
BetrachterInnen können sich wegen der Echtheit des Anliegens und der
Kinderfreundlichkeit schnell damit identifizieren.
• Das Herangehen fördert Selbsthilfekompetenz. Kinder, die diese
Ausstellung produziert haben, nehmen ihre Dinge selbst in die Hand, sowohl
politisch als auch praktisch-handwerklich.
• Mit dem Recycling-Gedanken sprechen wir das Recht auf gesunde Umwelt
an: AUS ALT MACH NEU.
• Die Kosten sind extrem gering. Wir mussten lediglich Geld für Farben,
Schrauben, Scharniere und Öffentlichkeitsarbeit ausgeben.
• Keines der Kinder hatte vorher schon mal eine Spraydose in der Hand. Sie
sind nun um eine Möglichkeit für das kreative Ausdrücken ihrer Gedanken
und Gefühle reicher.
„Alles was recht ist“ sollte nicht so schnell vorbei sein, eine Nachauflage lag auf
der Hand. Gesagt, getan. Zum Weltkindertag 2000 konnten BesucherInnen,
Passanten und Neugierige die komplette Ausstellung auf dem Ulrichsplatz in
Magdeburg bestaunen. Wegen der überaus guten Resonanz haben wir uns
entschlossen, mehr aus den besprühten Fenstern zu machen. Deshalb soll die
Ausstellung nun auf Wanderschaft gehen und möglichst vielen kleinen und
großen Menschen in Magdeburg und ganz Sachsen-Anhalt bekannt gemacht

Ausstellungen
werden. Beim „Wandern“ wünschen wir uns viele gute Diskussionen um das
Thema Kinderrechte.
Die Ausstellung besteht aus 17 Fenstern unterschiedlicher Größen:
10 Fenster: 62 cm x 137 cm (Höhe mal Breite)
4 Fenster: 116 cm x 125 cm
2 Fenster: 137 cm x 62 cm
1 Fenster: 62 cm x 68 cm
Sie wurden mit Holzleisten versehen, so dass es keiner weiteren Befestigung
bedarf. Die Wanderausstellung kann demzufolge nahezu überall sofort
aufgestellt werden.
Noch Fragen zur Wanderausstellung???
Greifen sie zum Hörer: 0391/ 732 89 00!
145

146
Anhang

Literatur
Altgeld, T.; Hofrichter, P. (Hrsg.)
(2000) Reiches Land – kranke Kinder?.
Gesundheitliche Folgen von Armut bei
Kindern und Jugendlichen. Frankfurt
a.M.; Mabuse-Verlag.
Baric, L.; Conrad, G. (1999)
Gesundheitsförderung in Settings. Konzept,
Methodik und Rechenschaftspflichtigkeit
zur praktischen Anwendung
des Settingansatzes der Gesundheitsförderung.
Verlag für Gesundheitsförderung.
G.Conrad; Gamburg.
Bilger, J.; Petersen, E. (Hrsg.) (2000)
Kinder – Gesundheit – Umwelt –
Krankheit. Frankfurt a.M.; Mabuse-
Verlag.
Boese-O'Reilly, S. et al. (2000)
Leitfaden Umweltmedizin. Befund,
Diagnostik, Therapie, Prävention. 2.
Aufl. Urban & Fischer; Stuttgart.
BM f. Familie, Senioren, Frauen u.
Jugend (Hrsg.) (1998) Überein-
kommen über die Rechte des Kindes.
UN-Kinderkonventionen im Wortlaut mit
Materialien. Texte in amtlicher Übersetzung,
6. Aufl., Bonn.
BM f. Familie, Senioren, Frauen u.
Jugend (Hrsg.) (1998) Zehnter Kinder-
und Jugendbericht. Bericht über die
Lebenssituation von Kindern und die
Leistungen der Kinderhilfen in Deutschland.
Bonn.
Anhang
BM f. Gesundheit (2000) Gesundheit
in den neuen Ländern. Stand, Probleme
und Perspektiven nach zehn Jahren
Deutsche Einheit. dialog gesundheit.
BM f. Gesundheit, BM f. Umwelt,
Naturschutz u. Reaktorsicherheit
(Hrsg.) (1999) Aktionsprogramm Um-
welt und Gesundheit. Bonn.
[www.uminfo.de/aktionsprogramm/DOK
S.HTM]
BM f. Gesundheit; BM f. Umwelt,
Naturschutz u. Reaktorsicherheit
(Hrsg.) (1999) Dokumentation zum
Aktionsprogramm Umwelt und Gesund-
heit. Sachstand – Problemabriß –
Optionen. Bonn.
[www.uminfo.de/aktionsprogramm/DOK
S.HTM]
Bundesgesundheitsblatt – Gesund-
heitsforschung – Gesundheitsschutz
(2000) Editorial und Leitthema: Umwelt
und Gesundheit. 43(5): 321-364.
[www.link.springer.de/link/service/journ
als/00103/tocs/t0043005.htm]
Der Rat von Sachverständigen für
Umweltfragen (1999) Umwelt und
Gesundheit. Risiken Richtig Ein-
schätzen. Sondergutachten. Metzler-
Poeschel; Stuttgart.
Fernandez-Künsting, Y. (2000)
Kinderarbeit – Kindergesundheit: eine
Analyse der globalen Lage. Inter-
national public health. Vol. 4. Jacobs;
Lage.
147

Anhang
Klocke, A.; Hurrelmann, K. (1998)
Kinder und Jugendliche in Armut.
Umfang. Auswirkungen und Konse-
quenzen: Opladen; Westdeutscher
Verlag.
Kolip, P.; Hurrelmann, K.; Schnabel,
P.-E. (Hrsg.) (1998) Jugend und
Gesundheit. Interventionsfelder und
Präventionsbereiche. Weinheim;
Juventa.
Mersch-Sundermann, V. (Hrsg.)
(1999) Umweltmedizin. Grundlagen der
Umweltmedizin, klinische Umwelt-
medizin, ökologische Medizin. Thieme;
Stuttgart New York.
Meyer, R.; Sauter, A. (1999) TA-
Projekt 'Umwelt und Gesundheit'.
Endbericht. Hg.: Büro für Technik-
folgenabschätzung beim Deutschen
Bundestag. TAB-Arbeitsbericht Nr. 63.
Berlin.
M f. Arbeit, Frauen, Gesundheit u.
Soziales d. Landes Sachsen-Anhalt
(Hrsg.) (2000) Auswirkungen der
Umwelt auf die Gesundheit von
Kindern. Schulanfängerstudie. Umwelt-
medizinische Untersuchungen Schulanfängerstudie
1997. Magdeburg.
Muehlendahl, K. E. v. et al. (Hrsg.)
(1991-1999) Kinderarzt und Umwelt.
Jahrbuch 1991/92; 1993/1994;
1995/1996; 1997-1999. DISU u. DISA;
Osnabrück.
148
M f. Arbeit, Soziales, Gesundheit u.
Frauen d. Landes Brandenburg
(Hrsg.) (1999) Einschüler in Branden-
burg: Soziale Lage und Gesundheit
1999. Potsdam.
National Coalition f. d. Umsetzung d.
UN-Kinderrechtskonvention in
Deutschland (Hrsg.) (1999)
Ökologische Kinderrechte. Das Recht
des Kindes auf bestmögliche Entwicklung
und Gesundheit. Band 4 der
Reihe: Die UN-Konvention umsetzen....
Bonn.
Statistisches Bundesamt (1998)
Gesundheitsbericht für Deutschland.
Gesundheitsberichtserstattung des
Bundes. Metzler-Poeschel; Stuttgart.
Seidel, H.-J. (1998) Praxis der
Umweltmedizin. Grundlagen, Fakten
und Informationen für einen verantwortungsvollen
Umgang mit Umwelt
und menschlicher Gesundheit. 2. Aufl.
Thieme; Stuttgart NewYork.
Thriene, B. (2000) Umweltmedizin im
Öffentlichen Gesundheitsdienst – Ein
gesellschaftlicher Auftrag und seine
Konsequenzen: Thesen zur Situation,
zu den Zielen, den Strategien und
Handlungsmöglichkeiten.
Fachausschuss für Umweltmedizin.
Gesundheitswesen 62 (5): A23-A24.
Trojan, A.; Legewie, H. (2001)
Nachhaltige Gesundheit und Entwicklung.
Leitbilder, Politik und Praxis der
Gestaltung gesundheitsförderlicher Umwelt-
und Lebensbedingungen. VAS;
Frankfurt a. M.

Umweltbundesamt (Hrsg.) (1998)
Aktionsprogramm Umwelt und
Gesundheit. Teilvorhaben: Zur Harmonisierung
gesundheitsbezogener Umweltstandards
- Probleme und Lösungs-
ansätze. UBA-Berichte 1/98, Erich
Schmidt; Berlin.
Umweltbundesamt (Hrsg.) (2000)
Jahresbericht 1999. Berlin.
[www.umweltbundesamt.de]
UNICEF (2001) A league table of child
deaths by injury in rich nations.
Innocenti Report Card No. 2. UNICEF
Innocenti Research centre, Florence.
[www.unicef-icdc.org]
Wahn, U.; Wichmann, H.E. (2000)
Gesundheitsberichterstattung des Bun-
des. Spezialbericht Allergien. Metzler-
Poeschel; Stuttgart.
Anhang
149

Anhang
Autorinnen und Autoren
Dr. Jürgen Bilger
Kinderarzt- Psychotherapie-
Umweltmedizin
Ökologischer Ärztebund
Gartenheimstr. 31
D-30659 Hannover
bilger-hannover@t-online.de
Claudia Cramer
Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit
Referat IG II 2
Umwelteinwirkungen auf die
menschliche Gesundheit
Postfach 12 06 29
D-53048 Bonn
cramer.claudia@bmu.de
Armin Falkenhein
Landesvorsitzender des ADFC
Bayern
Landwehrstr. 16
D-80336 München
ADFC-Bayern@t-online.de
Dipl. Med. Dorit Götz
Medizinische Fakultät der Otto-von-
Guericke Universität Magdeburg
Fehlbildungsmonitoring LSA
Leipziger Str. 44
D-39120 Magdeburg
doris.goetz@medizin.unimagdeburg.de
Dr. Marion Grau
Kinderärztin/ Umweltmedizin
Mitglied im Ökologischen Ärztebund
Uttenreuther Str. 3
D-90411 Nürnberg
Prof. Dr. Ursula Gundert-Remy
Bundesinstitut für gesundheitlichen
Verbraucherschutz und
Veterinärmedizin (BgVV)
Leiterin des Fachbereichs
Chemikalienbewertung
150
Postfach 33 00 13
D-14191 Berlin
Prof. Dr. Thomas Hartmann
Hochschule Magdeburg-Stendal
FB Sozial- und Gesundheitswesen
Breitscheidstraße 2
D-39114 Magdeburg
thomas.hartmann@sgw.hsmagdeburg.de
http://www.kinderumweltgesundheit.
de
Dr. Martin Hulpke-Wette
Georg-August-Universität Göttingen
Bereich Humanmedizin
Abt. Pädiatrische Kardiologie
D-37075 Göttingen
mhulpke@gwdg.de
http://www.kinderherzklinik.de
Dipl.-Psych. Uta Jelitto
Deutsches Hygiene-Museum
Dresden
Forum Wissenschaft
Projekt „Zukunft ist jetzt“
Lignerplatz 1
D-01069 Dresden
public-health@dhmd.de
Dr. Uwe Kaiser
Robert Koch-Institut
Bereich Umweltmedizin
General-Pape-Str.62-66
D-12101 Berlin
kaiseru@rki.de
Dr. Panagiotis Kamtsiuris
Robert Koch-Institut
Abt. Epidemiologie und
Gesundheitsberichterstattung
Stresemannstr. 90
D-10963 Berlin,
kamtsiurisp@rki.de

Dr. Christian Krause
Umweltbundesamt
Corrensplatz 1
D-14195 Berlin
christian.krause@uba.de
Dipl. Psych. Andrea Lauströer
Deutsches Hygiene-Museum
Dresden
Forum Wissenschaft
Projekt „Zukunft ist jetzt“
Lignerplatz 1
D-01069 Dresden
public-health@dhmd.de
Dipl. Med. Regina Lehmann
Medizinische Fakultät der Otto-von-
Guericke Universität Magdeburg
Fehlbildungsmonitoring LSA
Leipziger Str. 44
D-39120 Magdeburg
regina.lehmann@medizin.unimagdeburg.de
Prof. Dr. Eva Luber
Hochschule Magdeburg-Stendal
FB Sozial- und Gesundheitswesen
Breitscheidstraße 2
D-39114 Magdeburg
eva.luber@sgw.hs-magdeburg.de
Dr. Johanna Mierendorff
Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg
Institut für Pädagogik
Franckeplatz 1
D-06099 Halle
mierendorff@paedagogik.unihalle.de
Dr. Susanne Moebus
Universitätsklinikum Essen
Institut für Medizinische Informatik,
Biometrie und Epidemiologie
(IMIBE)
Hufelandstraße 55
D-45122 Essen
susanne.moebus@uni-essen.de
Anhang
Prof. Dr. Karl Ernst von
Mühlendahl
Dokumentations- und
Informationsstelle für Umweltfragen
c/o Kinderhospital Osnabrück
Iburger Str. 187
D-49082 Osnabrück
muehlend@uminfo.de
Matthias Ömler
Landesvereinigung für Gesundheit
Sachsen-Anhalt e.V.
Geschäftsstelle Halle
Burgstr. 40-41
D-06114 Halle
lvg@hal.regiocom.net
Dr. Hanna Oppermann
Hygieneinstitut Sachsen-Anhalt
Wallonerberg 2/3
D-39104 Magdeburg
ha.oppermann@t-online.de
Dipl. Ing. Gerda Pfahl
BUND BAK Gesundheit
Am Weinberg 7
D-36251 Bad Hersfeld
gerda.pfahl@epost.de
Dr. Bernd Rein
TK Landesvertretung Sachsen-
Anhalt
Olvenstedter Str. 66
D-39108 Magdeburg
Arlett Schaarschmidt
TK Landesvertretung Sachsen-
Anhalt
Olvenstedter Str. 66
D-39108 Magdeburg
arlett.schaarschmidt@tk-online.de
Sigrid Scheidt
AVE – Allergieverein in Europa
Geschäftsführerin
Geschäftsstelle Ost – Eisenach
Marienstr. 57
D-99871 Eisenach
151

Anhang
Dipl. Biol. Manfred Schikore
Envico Gmbh
Gesellschaft für baubiologische und
umweltmedizinische Beratung
Alsenstr. 26
D-33602 Bielefeld
mschikore@envico.com
http://www.envico.com
Dr. Andreas Schoppa
Robert Koch-Institut
FG 2.5: Prävention, Kinder- und
Jugendgesundheit
Nordufer 20
D-13353 Berlin
schoppaa@rki.de
OÄ Dr. Renate Schuster-Wonka
Kinderklinik der Otto-von-Guericke
Universität Magdeburg
Emanuel-Larisch-Weg
D-39112 Magdeburg
Marianne Stock
Arbeitsgemeinschaft Allergiekrankes
Kind (AAK) e.V.
Nassauer Str. 32
D-35745 Herborn
aak-ev@t-online.de
http://www.aak.de
Katrin Thäger
Landeshauptstadt Magdeburg
Kinderbeauftragte
Einsteinstr. 14
D-39104 Magdeburg
Doz. Dr. habil. Bernd Thriene
Hygieneinstitut Sachsen-Anhalt
Wallonerberg 2/3
D-39104 Magdeburg
152

TAGUNGSTEILNEHMERINNEN „KINDER-UMWELT-GESUNDHEIT IN DEN NEUEN
BUNDESLÄNDERN“ AM 24.11.2000 IN MAGDEBURG, RONCALLI-HAUS
Christina Asse
Gesundheitsladen Berlin e.V.
Kathrin Bahn
Hochschule Magdeburg-Stendal
Prof. Dr. Irmtraud Beerlage
Hochschule Magdeburg-Stendal
Dr. Frank Benkwitz
Ministerium f. Arbeit, Frauen, Gesundheit
und Soziales Sachsen-Anhalt, Magdeburg
Andreas Bieligk
Deutscher Kinderschutzbund, Magdeburg
Dr. Jürgen Bilger
Ökologischer Ärztebund, Hannover
Ute Böhm
Hochschule Magdeburg-Stendal
Kathrin Bonk
Hochschule Magdeburg-Stendal
Evelyn Brämer
NABU Kreisverband Ohrekreis, Barleben
Jörg Brämer
NABU Kreisverband Ohrekreis, Barleben
Ulrike Brandt
Hochschule Magdeburg-Stendal
Heidi Burkhardt
Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten
Tage, Magdeburg
Amalia Christel
Bischöfliches Ordinariat Magdeburg
Claudia Cramer
Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bonn
Susanne Deising
BUND Sachen-Anhalt, Magdeburg
Dr. Dietmar Eberbeck
Universitätsklinikum Magdeburg
Anhang
Angelina Ernst
Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt,
Magdeburg
Anja Franke
Hochschule Magdeburg-Stendal
Nadine Franke
Hochschule Magdeburg-Stendal
Dr. Ursula Franke
Deutscher Kinderschutzbund, Halle
Elke Friese
ÖGD Brandenburg
Sarah Fröhlich
BUND Sachsen-Anhalt, Magdeburg
Prof. Dr. Andreas Geiger
Hochschule Magdeburg-Stendal
Steffi Ginap
Hochschule Magdeburg-Stendal
Dr. Sigrid Göllnitz
AOK Sachsen-Anhalt, Halle
Prof. Dr. Eberhard Göpel
Hochschule Magdeburg-Stendal
Dorit Götz
Fehlbildungsmonitoring Sachsen-Anhalt,
Magdeburg
Dr. Marion Grau
Ökologischer Ärztebund, Nürnberg
Dirk Große
Drogenberatungsstelle DROBS,
Magdeburg
Prof. Dr. Ursula Gundert-Remy
BgVV, Berlin
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Anhang
Prof. Dr. Thomas Hartmann
Hochschule Magdeburg-Stendal
Susan Hopstock
Hochschule Magdeburg-Stendal
Uta Jelitto
Deutsches Hygiene-Museum Dresden
Helmut Jahraus
Bundesamt für Strahlenschutz,
Oberschleißheim
Dr. Thomas Jung
Bundesamt für Strahlenschutz,
Oberschleißheim
Dr. Uwe Kaiser
Robert Koch-Institut, Berlin
Dr. Panagiotis Kamtsiuris
Robert Koch-Institut, Berlin
Dr. Renate Kirschner
Forschung, Beratung u. Evaluation
GmbH, Berlin
Dr. Wolf Kirschner
Forschung, Beratung u. Evaluation
GmbH, Berlin
Kyra Kolsche
Geers Hörakustik, Magdeburg
Gerda Krause
PDS-Landtagsfraktion, Magdeburg
Cathrin Kubrat
Hochschule Magdeburg-Stendal
Sigrid Kuhlmann
Magdeburg
Patricia Lange
Hochschule Magdeburg-Stendal
Andrea Lauströer
Deutsches Hygiene-Museum Dresden
Regina Lehmann
Fehlbildungsmonitoring Sachsen-Anhalt,
Magdeburg
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Prof. Dr. Eva Luber
Hochschule Magdeburg-Stendal
Marcel Maskos
Hochschule Magdeburg-Stendal
Manuela Maurer
BUND Brandenburg, Frankfurt (Oder)
Dr. Johanna Mierendorff
Universität Halle-Wittenberg, Halle
Dr. Susanne Moebus
Universitätsklinikum Essen
Prof. Dr. Karl Ernst von Mühlendahl
Dokumentations- und Informationsstelle
für Umweltfragen, Osnabrück
Petra Neubauer
Gesundheits- und Veterinäramt Bitterfeld
Susanne Neyen
Unabhängiges Institut für Umweltfragen,
Berlin
Matthias Ömler
Landesvereinigung für Gesundheit
Sachsen-Anhalt, Halle
Frank Oleikiewitz
SPD - Landtagsfraktion, Magdeburg
Dr. Hanna Oppermann
Hygieneinstitut Sachsen-Anhalt,
Magdeburg
Christiane Patzelt
Hochschule Magdeburg-Stendal
Anja Paul
Hochschule Magdeburg-Stendal
Gerda Pfahl
BUND, Bad Hersfeld
Dr. Silvia Pleschka
Verbraucher-Initiative e.V., Berlin
Simone Pollack
Hochschule Magdeburg-Stendal

Dr. Bernd Rein
TK Landesvertretung Sachsen-Anhalt,
Magdeburg
Nicole Richter
Magdeburg
Gabriele Röhner
TMLVUA, Erfurt
Sigrid Scheidt
Allergieverein für Europa, Eisenach
Manfred Schikore
Envico GmbH, Bielefeld
Sandra Schneider
Hochschule Magdeburg-Stendal
Uta Schönecker
Hochschule Magdeburg-Stendal
Dr. Andreas Schoppa
Robert Koch-Institut, Berlin
Patrick Schön
BUNDjugend Sachsen-Anhalt,
Magdeburg
Dr. Hedi Schreiber
Umweltbundesamt, Berlin
Uta Schröder
Hochschule Magdeburg-Stendal
Prof. Dr. Giselher Schuschke
Deutscher Ring für Lärmbekämpfung,
Magdeburg
Dr. Renate Schuster-Wonka
Universitäts-Kinderklinikum Magdeburg
Dietmar Schymetzko
Hochschule Magdeburg-Stendal
Dr. Elke Seidel
Landesgesundheitsamt Brandenburg,
Wünsdorf
Anne Sonntag
Hochschule Magdeburg-Stendal
Silke Springer
Hochschule Magdeburg-Stendal
Ramona Stirtzel
Hochschule Magdeburg-Stendal
Anhang
Marianne Stock
Arbeitsgemeinschaft Allergiekrankes Kind
e.V., Herborn
Simone Strecker
Bundesministerium für Gesundheit, Bonn
Katrin Thäger
Kinderbeauftragte der Stadt Magdeburg
Dr. Bernd Thriene
Hygieneinstitut Sachsen-Anhalt,
Magdeburg
Matthias Tietz
Hochschule Magdeburg-Stendal
Dr. Türck
Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bonn
Dr. Detlef Walter
Deutscher Berufsverband der HNO-Ärzte,
Quedlinburg
Petra Wasser
Gesundheitsamt Bördekreis,
Oschersleben
Oliver Wendenkampf
BUND Sachsen-Anhalt, Magdeburg
Dr. Petra Weyer
PDS-Landtagsfraktion, Magdeburg
Christa Winter
Ministerium für Raumordnung,
Landwirtschaft und Umwelt Sachsen-
Anhalt, Magdeburg
Dr. Sabine Zaumseil
Ministerium f. Arbeit, Frauen, Gesundheit
und Soziales Sachsen- Anhalt,
Magdeburg
Dr. Margarete Zeidler
Gesundheitsamt Bördekreis,
Oschersleben
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