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Poetische Bewältigung der Wende. Zu Durs Grünbeins ...

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<strong>Poetische</strong> <strong>Bewältigung</strong> <strong>der</strong> <strong>Wende</strong>.<br />

<strong>Zu</strong> <strong>Durs</strong> <strong>Grünbeins</strong> Schädelbasislektion<br />

Chon, Young-Ae (Seoul National-Uni)<br />

Um zu betrachten, was danach kommt, kann man mit dem anfangen, was war. Hier<br />

wird versucht, die <strong>Bewältigung</strong> <strong>der</strong> <strong>Wende</strong> anhand eines Gedichtbands mit einem<br />

befremdend unpoetischen Titel zu betrachten: Schädelbasislektion. Gedichte (1991). 1<br />

Um eine allgemeine Vorstellung davon zu haben, wie die <strong>Wende</strong> in <strong>der</strong> Lyrik gespiegelt<br />

ist, wäre eine Anthologie wohl richtiger am Platz. Die Grenzfallgedichte. Eine deutsche<br />

Anthologie (1991) 2 zeigen uns etwa eine breite Skala von Meinungen, Diagnosen,<br />

Gefühlen <strong>der</strong> Betreffenden, die den Umbruch erlebten. Freude wie Betroffenheit,<br />

Erwartung wie Enttäuschung, Wut und Zorn wie Trauer und Sorge ― alles will hier<br />

ausgedrückt werden und sucht <strong>Zu</strong>hörer; von einer solchen Intensität und Unmittelbarkeit<br />

ist es nämlich, was mitten in den Ereignissen entstand.<br />

Der vorliegende Gedichtband, kein Anatomiebuch, scheint eher dem Titel dieses<br />

Manuskripts zu wi<strong>der</strong>stehen. Er wurde mit einem naiven Interesse ausgewählt, wer unter<br />

den jüngeren DDR-Lyrikern die <strong>Wende</strong>, vor allem die sog. Abwicklung <strong>der</strong><br />

DDR-Literatur überlebte. Die Überlebensstrategie eines Menschen weist auf seine<br />

Bedingtheit hin. Dazu gehört, falls es um einen Künstler geht, wie er den zeitlichen und<br />

zeitlich bestimmten existenziellen Umbruch mit seinem eigenen Metier begegnet. Ein<br />

Gedichttitel <strong>Grünbeins</strong> zog schon mitten im Wirbel <strong>der</strong> <strong>Wende</strong> eine ähnliche<br />

Aufmerksamkeit auf sich wie das Gedicht “Das Eigentum” von Volker Braun, dem man<br />

oft zuschreibt, <strong>der</strong> <strong>Wende</strong> ein Kennzeichen gegeben zu haben.<br />

1 <strong>Durs</strong> Grünbein: Schädelbasislektion. Gedichte. Frankfurt a. M. 1991.<br />

2 Anna Chiarloni (Hg.): Grenzfallgedichte. Eine deutsche Anthologie. Berlin 1991.


64 독일문학 제94집<br />

I. “O Heimat, zynischer Euphon”<br />

In <strong>der</strong> Anthologie Grenzfallgedichte sind zwei nebeneinan<strong>der</strong> aufzuschlagende<br />

Seiten für <strong>Durs</strong> Grünbein und Uwe Kolbe gedacht. Dieser verfolgt die Thematik seiner<br />

Generation3 ― Lagebericht aus <strong>der</strong> DDR und Reflexionen um die deutsch-deutschen<br />

Fragen ― ziemlich konsequent und mit einem leisen, lyrischen Ton, in den man sich<br />

einfühlen läßt. <strong>Grünbeins</strong> Gedichten, einer befremdenden Mischung von Poesie und<br />

Wissen, häufig in Sprachfetzen, begegnet man dagegen mit gewisser Verlegenheit. Die<br />

einen sehen in ihm einen Gottfried Benn, die an<strong>der</strong>en einen Expressionisten, noch an<strong>der</strong>e<br />

einen zeitgenössischen Barocklyriker. Mancher spricht von <strong>der</strong> “Poetik des Fragments”<br />

o<strong>der</strong> von “anthropologischem Realismus”. 4<br />

In unserem Gedicht, das sowohl in die Grenzfallgedichte als auch in die<br />

Schädelbasislektion aufgenommen ist, kommt das Gefühl einer Generation, <strong>der</strong> dritten<br />

und letzten Autorengeneration <strong>der</strong> ehemaligen DDR, relativ schlicht zum Ausdruck: “O<br />

Heimat, zynischer Euphon”.<br />

Soviele Flickbil<strong>der</strong> in den Künstlerhirnen,<br />

Gewalt, durch Spiegelscherben exorziert,<br />

Uns nackten Welpen, Erben hoher Stirnen,<br />

Hat man schon früh mit Nervennelken tätowiert.<br />

Der kranken Väter Brut sind wir, <strong>der</strong> Mauern<br />

Sturzgeburt. Tief, ‘tief im Deutsch...’ ertränkt.<br />

Enkel von Städtebauern, Fleischbeschauern:<br />

Jedem die Fremde Wirklichkeit. (‘Gedenkt’)<br />

‘Noch Bombensplitter?!’ Gut für Stachelgaumen,<br />

In violetten Babyschädeln installiert.<br />

3 Von seinem ersten Band Hineingeboren (1980) über Bornholm II (1986) bis zu seinen<br />

Gedichtbänden um die <strong>Wende</strong> herum: Vaterlandkanal (1990) und Vinetta (1993).<br />

4 Mit demselben Wort wird eigentlich Georg Büchner bezeichnet.


<strong>Poetische</strong> <strong>Bewältigung</strong> <strong>der</strong> <strong>Wende</strong>. <strong>Zu</strong> <strong>Durs</strong> <strong>Grünbeins</strong> Schädelbasislektion 65<br />

Sag, welche Schwester drückte ihren Daumen<br />

Ins zarte Fontanell uns ungerührt?<br />

Geröntgt, geimpft, dem deutschen Doppel-Klon,<br />

Gebrochnen Auges, das nach Weitblick giert,<br />

böse verfallen sind wir, pränatal dressiert.<br />

‘Deutschland?’ ... O Heimat, zynischer Euphon.<br />

(für Thomas Kling)<br />

20/3/89<br />

Das Gedicht ist durch Sarkasmus geprägt. Das Schlüsselwort “Heimat” wird genommen,<br />

das <strong>der</strong> ehemaligen DDR im Kontrast zu <strong>der</strong> Lage in <strong>der</strong> BRD ein Lobobjekt, ein<br />

“Euphon” war, um zuerst dem “Euphon” gemäß aufgerufen, dann aber treffsicher<br />

wi<strong>der</strong>legt zu werden. Die Haltung ist <strong>der</strong> Welt gegenüber respektlos (“So viele<br />

Flickbil<strong>der</strong> in den Künstlerhirnen”), sich selber gegenüber schonungslos, sowohl in den<br />

Selbstdefinitionen ― “Der kranken Väter Brut”, “<strong>der</strong> Mauern Sturzgeburt”, “<strong>der</strong><br />

deutsche Klon” ― als auch in den Selbstbeschreibungen ― “böse verfallen”, “pränatal<br />

dressiert”. Selbst die Generationen bestimmende Sehnsucht nach außen, in vielen<br />

Gedichten5 eins <strong>der</strong> Zentralthemen <strong>der</strong> DDR-Lyrik, wird hyperbolisch verzerrt:<br />

“Gebrochnen Auges, das nach Weitblick giert”. Lieblos ist <strong>der</strong> Blick, und trocken und<br />

zynisch, aber auch bizarr und barock ist <strong>der</strong> Stil. Jedoch aufgrund <strong>der</strong> Realität.<br />

In dem Band Schädelbasislektion wird die Heimatstadt des Autors, die schöne<br />

Barockstadt an <strong>der</strong> Elbe, als eine “Scheintote Stadt, Barockwrack an <strong>der</strong> Elbe/<br />

Schwimmend in brauner Lauge...” bezeichnet. Wegen <strong>der</strong> Umweltverschmutzung war<br />

die eigentlich schöne Stadt schwarz. Die Statistik zu <strong>der</strong> Zeit um die <strong>Wende</strong> unterstützte<br />

diesen Blick eindrucksvoll: Nur die Umweltverschmutzungsrate <strong>der</strong> DDR war wie<br />

bekannt höher, und zwar um dreifach als die <strong>der</strong> BRD, während die Produktivität <strong>der</strong><br />

DDR auf allen Gebieten, sogar auf dem Gebiet <strong>der</strong> Landwirtschaft, nur ein Drittel von<br />

5 Vor allem bei Lyrikern <strong>der</strong> sog. zweiten Autorengeneration wie Reiner Kunze und Sarah<br />

Kirsch, aber auch <strong>der</strong> dritten wie Uwe Kolbe.


66 독일문학 제94집<br />

<strong>der</strong> <strong>der</strong> BRD betrug. Ein schlichtes Loblied auf die Heimat wäre Lüge. Abgesehen von<br />

<strong>der</strong> metaphorischen “Gräue” des sozialistischen Alltags im gesperrten Horizont ist es in<br />

dieser einen Hinsicht logisch, daß es zynisch sei, wenn die Heimat ausschließlich<br />

“Euphon” ist, wie es tatsächlich so war.<br />

Was den Band Schädelbasislektion betrifft, eröffnet eine Definition “Was du bist<br />

steht am Rand/ Anatomischer Tafeln” den Band und das erste Kapitel. Es folgen die bloß<br />

nummerierten Diagnosen über “Diese Scheiß Sterblichkeit”. Das zweite Kapitel<br />

vermittelt “Niemands Land Stimmen”, die von einem untergegangenen Land sprechen.<br />

Dem paradoxen Titel gemäß in gespaltener Sprache: Ihre Disparatheit verrät sich<br />

verschiedentlich, mal in häufigen Anglizismen, mal in extrem häufigen Zeilensprüngen,<br />

mal in <strong>der</strong> dualistischen Versform <strong>der</strong> Alexandrinern, mal in den zersplitterten<br />

Satzpartikeln.<br />

Blin<strong>der</strong> Fleck o<strong>der</strong> bloßer Selbenrest....(-ich),<br />

zersplittert und wie<strong>der</strong>vereinigt<br />

im Universum<br />

von Tag zu Tag,<br />

Gehalten vom Bruchband <strong>der</strong> Stunden<br />

<strong>Zu</strong>sammengeflickt<br />

Stückweise<br />

und in Fragmenten<br />

“I feel so atomized.” (31)<br />

Das dritte Kapitel “Der Tag X” konzentriert sich auf die <strong>Wende</strong>. Bemerkenswert<br />

sind “Sieben Telegramme” mit den Titeln “23/10/89”, “1/11/89”, “12/11/89”,<br />

“26/12/89”, “31/12/89”, “15/1/90” und “13/3/90”. Telegrammartig lapidar wird dort das<br />

Geschehen berichtet. Nach dem Berliner Mauerfall etwa (“12/11/89”):<br />

Komm zu dir Gedicht, Berlins Mauer ist offen jetzt.<br />

Wehleid des Wartens, Langweile in Hegels Schmalland<br />

Vorbei wie das stählerne Schweigen...Heil Stalin.


<strong>Poetische</strong> <strong>Bewältigung</strong> <strong>der</strong> <strong>Wende</strong>. <strong>Zu</strong> <strong>Durs</strong> <strong>Grünbeins</strong> Schädelbasislektion 67<br />

Dann wird die Zeitphase danach im vierten Kapitel als “Die Leeren Zeichen” gefaßt.<br />

Etwas brach ab und etwas neues<br />

Kann nicht beginnen seither, Ebbe.<br />

Was diese Leere einem die “Schädelbasis” prägt, wird weiterhin registiert; mal mit<br />

einem Zitattitel (“Casta Diva”) mal als “Annoncen”, mal unter dem Namen eines<br />

Industriegebiets (Buna).<br />

II. “Portrait des Künstlers als junger Grenzhund”<br />

Die Mitte des Bandes Schädelbasislektion bildet das fünfte Kapitel “Der Cartesische<br />

Hund”, das mit dem gleich betitelten Gedicht beginnt. Damit ist programmatisch<br />

angegeben, daß es hier um einen Hund geht, aber um einen denkenden. Gleich darauf<br />

folgen aber ein Bild vom Hund im Pawlowschen Versuch und die Widmung:<br />

“Portrait<br />

Des Künstlers als junger Grenzhund”:<br />

<strong>Zu</strong>m Andenken an I. P. Pawlow<br />

Und alle Versuchshunde<br />

Der Medizinischen Akademie <strong>der</strong><br />

Russischen Armee<br />

Es geht um einen denkenden Hund, <strong>der</strong> aber ein Versuchstier ist, im Gestell gefesselt, um<br />

schließlich bedingte Reflexe zu beweisen. Darauf folgen zwölf Gedichte, die bloß<br />

nummeriert sind. Das erste Gedicht “1” beginnt mit Begriffsbestimmungen vom Dasein<br />

des Hundes.<br />

1<br />

Hundesein ist ein leerer Parkplatz am Mittag.


68 독일문학 제94집<br />

“Nichts als Ärger...” und Seekrankheit an Land.<br />

Hundsein ist dies und das, Lernen aus Abfallhaufen,<br />

Ein Knöchel als Mahlzeit, Orgasmen im Schlamm.<br />

Hundesein ist was als nächstes geschieht, <strong>Zu</strong>fall<br />

Der einspringt für Langweile und Nichtverstehen.<br />

Hundsein ist Kampf mit dem stärkeren Gegner<br />

Zeit, die dich schwachmacht mit rennenden Zäunen.<br />

Sovieles an Vielzuvielem auf engstem Raum...<br />

Hundesein ist diese Fahrt mit <strong>der</strong> Geisterbahn<br />

Sprache, die trickreich den Weg verstellt,<br />

Falle für Alles.<br />

Hundsein ist Müssen, wenn du nicht willst, Wollen<br />

Wenn du nicht kannst und immer schaut jemand zu.<br />

Hundsein?<br />

Ist dieses Übelriechen aufs Wort.<br />

Siebenmal wird genannt, was das Hundesein ist, ausschließlich davon ist die Rede.<br />

Dennoch läßt sich bald erkennen, daß es hier um das Künstlerdasein geht, nicht um das<br />

Hundsein. Am deutlichsten in <strong>der</strong> letzten Nennung am Schluss, die durch ein<br />

Fragezeichen und das Enjambement hervorgehoben ist: “Hundesein?/ Dieses Übelriechen<br />

aufs Wort”. Auch die Zeile “diese Fahrt mit <strong>der</strong> Geisterbahn/ Sprache, die<br />

trickreich den Weg verstellt” weist ziemlich deutlich darauf hin. Signifikant ist dies aber<br />

schon von <strong>der</strong> ersten Begriffsbestimmung an, in <strong>der</strong> zweiten Zeile, die mit einem Zitat<br />

einsetzt: “Nichts als Ärger...” und “Seekrankheit an Land”. Hier erklingt, wenn man<br />

aufmerksam zuhört, schon das Sprachproblem, das berühmte bei Franz Kafka. Die<br />

selbstverständlich genommene alltägliche Kopplung <strong>der</strong> einfachen Dinge mit ihren<br />

Namen wird bei Kafka <strong>der</strong>maßen radikal in Frage gestellt, daß die Verzweiflung den<br />

Schwindel, die “Seekrankheit auf dem festen Land” 6 erregt. Das hat den Wunsch<br />

6 Franz Kafka: Beschreibung eines Kampfes. Novellen, Skizzen, Aphorismen aus dem Nachlaß.<br />

Frankfurt a. M. 1983, S. 32.


<strong>Poetische</strong> <strong>Bewältigung</strong> <strong>der</strong> <strong>Wende</strong>. <strong>Zu</strong> <strong>Durs</strong> <strong>Grünbeins</strong> Schädelbasislektion 69<br />

vorausgesetzt, “das Ganze” zu haben: “Ich will nichts mehr in Brocken hören.” 7 Es geht<br />

um den Künstler und seine extreme Anstrengung um die Sprache.<br />

Dennoch wird <strong>der</strong> “Hund” noch konkret differenziert: als ein Grenzhund:<br />

3<br />

...zig Jahre Dienst mit Blick auf Stacheldraht<br />

Landauf landab im Trott hält nur ein Hund aus,<br />

Der was ihn gängelt anstaunt, früh schon brav.<br />

Im Schlaf noch wird ihm jedes Loch im Grenzzaun<br />

Heimtückisch klein zum Einschuß hinterm Ohr.<br />

Ein sattes Schmatzen zeigt: Auch Hunde träumen.<br />

Was ihm den Maulkorb feucht macht, ist <strong>der</strong> Wahn<br />

daß Parallelen irgendwann sich schneiden<br />

Wo Pawlow für den Rest an Psyche steht<br />

(Instinkt, mobilgemacht, ein Zickzack-Kompaß)<br />

Ist Dialektik nichts als... Hundetreue;<br />

Sinn für die Stimmung in his masters voice.<br />

So kommt es, daß er erst im Abgang klar sieht,<br />

Am Ende des Prozesses.<br />

“Wie ein Hund.”<br />

Der <strong>Zu</strong>stand dieses Grenzhundes: Sein Blick ist wohl “vom Vorübergehen” an<br />

Stacheldraht wie an Mauer, vom soviel Blick auf die Grenzeeinrichtungen, so müde<br />

geworden, daß er nichts erfaßt. Die seelische Spontaneität läßt sich nicht mehr finden, wie<br />

bei dem eingesperrten Panther im Jardin des Plantes Paris bei R. M. Rilke. Was einem<br />

solchen Hund noch bleibt, <strong>der</strong> “Rest an Psyche”, ist <strong>der</strong> instinktive “Sinn für die<br />

Stimmung in his masters voice”: Hundetreue.<br />

Der trockene Ton dieser bemüht “sachlichen” Sprache setzt also die Lebensbedingtheit<br />

des Hundes voraus: <strong>der</strong> Stacheldraht, <strong>der</strong> sein Blickfeld wie sein Bewußtsein füllt und<br />

ihn betäubt. Ein Lebewesen wird seiner seelischen Spontaneität und schließlich seiner<br />

7 Ebd., S. 18.


70 독일문학 제94집<br />

Persönlichkeit völlig beraubt und befindet sich in <strong>der</strong> Endphase: “So kommt es, daß er<br />

erst im Abgang klar sieht,/ Am Ende des Prozesses./ “Wie ein Hund.” Wir wissen, was<br />

dem wie<strong>der</strong>um durch den Zeilensprung und Anführungszeichen beson<strong>der</strong>s<br />

hervorgehobenen Schlusszitat doch noch folgt, <strong>der</strong> bekannte Schlußsatz vom<br />

Prozeß-Roman Kafkas:<br />

“Wie ein Hund,” sagte er, es war, als sollte die Scham ihn überleben. 8<br />

Als sollte die Scham ihn überleben. Mit dem Zitat “Wie ein Hund” klingt also jene<br />

Scham mit. Der “Abgang” lautet bei Kafka:<br />

Aber an K.s Gurgel legten sich die Hände des einen Herrn, während <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />

das Messer ihm tief ins Herz stieß und zweimal dort drehte. Mit brechenden Augen<br />

sah noch K., wie die Herren nah vor seinem Gesicht, Wange an Wange aneinan<strong>der</strong><br />

gelehnt, die Entscheidung beobachteten. “Wie ein Hund,” sagte er, es war, als sollte<br />

die Scham ihn überleben. 9<br />

Die Scham gilt als etwas, was von dem Rest an Menschlichem zeugt. Dies hat Kafka hier<br />

hervorragend erzählerisch, aber auch philosophisch Giorgio Agamben in den letzten<br />

Jahren in seinen Studien über Auschwitz10 als die letzte, letztmögliche Basis für die<br />

Ethik beeindruckend ausgelegt. Zwar durch das Teilzitat textuell ausgeschlossen, doch<br />

das Abwesende ist präsent. Durch die Ellipse eher stärker: die gefühlte Scham. Der<br />

<strong>Zu</strong>stand des Hundes, in dem nicht einmal von <strong>der</strong> Scham die Rede sein kann, ist eben<br />

eine Anklage seiner Bedingtheit: hier die des Systems, das selbst ein zum Scharfsinn<br />

bestimmtes Lebewesen durch seine Instrumentalisierung schließlich in die fatale<br />

Lethargie/ in den Scheintod versetzt hat. Die Systemkritik an sich ist kein neues Thema;<br />

bemerkenswert ist aber die Darstellungsweise, vor allem die Verkopplung zweier<br />

8 Franz Kafka: Der Prozess. Roman. Frankfurt 1983, S. 194.<br />

9 Ebd.<br />

10 Giorgio Agamben: Was von Auschwitz bleibt. Frankfurt a. M. 2003, Original 1998.


<strong>Poetische</strong> <strong>Bewältigung</strong> <strong>der</strong> <strong>Wende</strong>. <strong>Zu</strong> <strong>Durs</strong> <strong>Grünbeins</strong> Schädelbasislektion 71<br />

Themen: Ein Hund mit dem Sprachproblem, wofür bei Kafka das Hundsein steht, steht<br />

bei Grünbein als Grenzhund wörtlich für die kafkaeske Bedingtheit.<br />

Weitere Charakterisierungen, Darstellungen und Beschreibungen unterstützen dies,<br />

indem sie das Hundsein mit dem Künstlersein und Menschsein gleichsetzen. Etwa eine<br />

Selbstbeschreibung: “Alt siehst du aus, young dog. Atomzeitalt”(98) o<strong>der</strong> “Halb war ich<br />

Zombie, halb enfant perdu.....”(103). Begriffbestimmungen des Menschenseins sind im<br />

ganzen stark biologisch orientiert. Von <strong>der</strong> ersten Zeile des ersten Gedichts im Band an<br />

ist ja erklärt: “Was du bist steht am Rand anatomischer Tafel”. Im dritten Gedicht kommt<br />

“mein Tier-Ich” und “ein geschlechtskrankes Tier” (13) vor, dann “ein genehmigtes Ich”<br />

(31) ergänzungsweise: “Ich war mein eigner Hund” (101) bis “das alphabetisierte Tier”<br />

(100). Ein prägnanter <strong>Zu</strong>g unter den Tierzügen des Ich ist die Angst:<br />

Nur Ethiologen haben den Komplizenblick<br />

Der Angst begreift. In ihren Studien kommt<br />

Das Tier als Mensch oft vor. Was mich betraf<br />

Ich lag in einem langen Schlaf. Ich war<br />

Ein Automat, <strong>der</strong> leicht auf Knopfdruck kam.<br />

Wohin ich kam, kam ich umhin. Von A<br />

Nach B (und umgekehrt) <strong>der</strong> schnellste Weg<br />

Wo Mißtrauen Bögen schlägt, ist die Ellipse. (106)<br />

Aus <strong>der</strong> Scheinagressivität im ganzen bricht manchmal etwas aus: die Angst, auch das<br />

unterdrückte Pathos etwa aus einem Kompositum: “Komplizenblick/ Der Angst”. Die<br />

Angst ist die des Hundes im Schußfeld, die seltsamerweise mit Lethargie gekoppelt ist.<br />

Der Leser fühlt sich veranlaßt/ verpflichtet einmal einen ethologischen Blick zu haben.<br />

Denn seine alte Existenz wird nun als ein “Tier”-Verhalten bekennt: “Ich war/ Ein<br />

Automat, <strong>der</strong> leicht auf Knopfdruck kam./ Wohin ich kam, kam ich umhin.” Die<br />

betreffende Geschwindigkeit ist dann anhand einer anscheinend mathematisch fundierten<br />

Logik unterstützt: “Von A/ Nach B (und umgekehrt) <strong>der</strong> schnellste Weg ... ist die<br />

Ellipse.” Somit wird die Verhaltensregel/ Norm einer Gesellschaft mit angegeben, in <strong>der</strong>


72 독일문학 제94집<br />

nur lineares Denken herrscht und kein Umweg, kein Mißtrauen erlaubt wurde: kein<br />

Denken. Und zwar in “Hegels Schmalland”. (61)<br />

Erlebte Demütigung wie Sprachlosigkeit kommen zur Sprache. Aber erst z. B. auf<br />

dem Umweg <strong>der</strong> Ethologie. Ethologie ist die auf das Studium <strong>der</strong> Lebensgewohnheiten<br />

gegründete Wissenschaft vom Verhalten <strong>der</strong> Tiere. Was unterdrückt wurde, Selbstmitleid<br />

wie Trauer, Pathos aller Arten kommt manchmal wie durch einen Riss hervor, und<br />

eben das, was sich schwer poetisch bewältigen läßt, gewinnt für einen Moment<br />

poetischen Glanz. Hier gibt sich ein junger Künstler als ein Hund aus, <strong>der</strong> aber trotz all<br />

seiner Pawlowischen Bedingtheiten/ Lebensbedingungen nicht aufgehört hat, ein<br />

Decartes zu sein und ein Kafka bleiben muß. Einschließlich existenzieller Fragen, aber<br />

auch <strong>der</strong> in Frage gestellten Sprache bei diesem.<br />

Statt eines Epilog o<strong>der</strong> eines Nachworts wird am allerletzten Ende ein Prosastück mit<br />

dem Titel: “Loses Blatt. Biomechanischer Almanach” hinzugefügt. Plakativ in Form des<br />

wissenschaftlichen Berichts über den Hergang <strong>der</strong> Reflexologie. Dies greift auf das<br />

Thema Pawlowscher Hund nochmals auf. Darunter:<br />

...Was ist passiert, fragte sich Pawlow, als er 1924 nach einer Überschwemmung<br />

morgens ins Institut kam. Einige <strong>der</strong> Hunde hatten alle bedingten Reflexe vergessen.<br />

Aus ihrer Sicht waren die Experimente beendet.<br />

Die Reflexkette ist abrupt gebrochen. Es war die <strong>Wende</strong>, tabula rasa. Die Situation<br />

danach ist so resümiert. Ob sich dieses “Tier-Ich” “nach einer Überschwemmung” über<br />

seine Befreiung freut, davon ist nicht die Rede. Eine unfehlbare Andeutung ist aber<br />

zugleich da: die völlig aus den Fugen geratene Sprache. Sprechen und Denken sind nach<br />

Pawlow Reflexketten höherer Ordnung, die durch Ausbildung eines zweiten<br />

Signalsystems möglich werden. Nun ist u. a. diese Kette gebrochen. (Dies begründet die<br />

häufige Zersplitterung <strong>der</strong> Sprache wie die thematisierte Sprachlosigkeit.) Ein<br />

“Hund”-Künstler mußte sein Bewußtsein zuerst von <strong>der</strong> Dressur befreien und muß sich<br />

nun mit <strong>der</strong> völlig aus den Fugen geratenen Sprache/ mit <strong>der</strong> Sprachlosigkeit durch den<br />

Kettenbruch zurechtfinden. Seine Gedichte wollen sich als adäquate Form dafür


<strong>Poetische</strong> <strong>Bewältigung</strong> <strong>der</strong> <strong>Wende</strong>. <strong>Zu</strong> <strong>Durs</strong> <strong>Grünbeins</strong> Schädelbasislektion 73<br />

erweisen.<br />

Bemerkenswert ist daher die Form, die die Leser veranlaßt sich zu bemühen, das<br />

nicht Gesprochene bzw. <strong>Zu</strong>gedeckte zu schließen und zu erschließen. Nach all den<br />

penibel genauen facettenreichsten Studien <strong>der</strong> Phänomene hat <strong>der</strong> Dichter selber nur<br />

diesen Schlussbericht wie ein Pendant hinzugefügt. Erstaunlich tektonisch, höchst<br />

kunstvoll und komplex ist <strong>der</strong> Bau des gesamten Bandes. Er zeugt auf alle Fälle von<br />

einem hochintelligenten Geist.<br />

III. Schluß<br />

<strong>Grünbeins</strong> zweiter Lyrikband Schädelbasislektion bildet eine Basis für seine weitere<br />

Arbeit. Die folgenden Bände haben nämlich in diesem Band ihren Ansatz: Fallen und<br />

Falten (1994) sowieso, weil es dort um die Folgeerscheinungen geht. Das Thema des<br />

Bandes Den teuren Toten. 33 Epitaphe (1994) klingt hier nicht nur an, son<strong>der</strong>n hat schon<br />

mit zwei Gedichten begonnen, die sich dann zu 33 Gedichten erweiterten. Was hier als<br />

“Die Leeren Zeichen” (Kap. IV) nur nummerierte o<strong>der</strong> noch als vage Annoncen (Kap.<br />

VIII) andeutet, findet einen ausführlichen Nie<strong>der</strong>schlag in Form des Tagebuchs für ein<br />

Jahr: Das Erste Jahr. Berliner Aufzeichnungen (2001). Der Cartesische “Hund” in<br />

unserem Band “denkt” in <strong>der</strong> Schneelandschaft des vereinigten Deutschland weiter: Vom<br />

Schnee o<strong>der</strong> Decartes in Deutschland (2003) (Der Philosoph, <strong>der</strong> in einem verschneiten<br />

Winter in einer süddeutschen Stadt plötzlich zu philosophieren begonnen hat und in<br />

einem an<strong>der</strong>en Winter starb. Der Schnee schließt auch den Schnee von gestern mit ein.)<br />

O<strong>der</strong> dieser Denker folgt häufig <strong>der</strong> Spur <strong>der</strong> großen Vorgänger: Seines Mentors Heiner<br />

Müller mit einer Gedichtauswahl Ende <strong>der</strong> Handschrift und mit einem uniquen Nachwort<br />

(2000). 11 O<strong>der</strong> An Seneca. Postskriptum zu Senecas Die Kürze des Lebens wie mit<br />

Übersetzungen von Aischylos. 12 Vielleicht noch als “Hund” im Sinne des Künstlers mit<br />

11 Heiner Müller: Ende <strong>der</strong> Handschrift. Gedichte. Ausgewählt und mit einem Nachwort<br />

versehen von <strong>Durs</strong> Grünbein. Frankfurt a. M. 2000.<br />

12 Die Perser (2001) und Sieben gegen Theben (2003).


74 독일문학 제94집<br />

seiner Sprachproblematik, aber in radikaler Konsequenz erweist er die altbewährte These<br />

cogito ergo sum. Seine Mühe konzentriert sich von früh an auf den Versuch, die<br />

Trennung von Poesie und Wissen zu überwinden, wie seine Aufsatzsammlung Galilei<br />

vermißt Dantes Hölle und bleibt an den Maßen. Aufsätze 1989-1995 verrät.<br />

In dem “Künstler” Grünbein, <strong>der</strong> eine Bestandaufnahme <strong>der</strong> <strong>Wende</strong> wie eine<br />

existenzielle Landvermessung13 unternimmt, <strong>der</strong> mit unermüdlichem Fleiß alte Bücher<br />

durchstöbert und höchst Verschiedenes14 schmiedet, sehen wir aber auch einen<br />

Menschen, <strong>der</strong> mit hochgradiger intellektueller Anstrengung seiner Situation begegnet.<br />

Einen solchen Dichter aus einem verschollenen sozialistischen Land, <strong>der</strong> nun den<br />

ungebrochenen Versuch <strong>der</strong> sinnstiftenden Füllung <strong>der</strong> tabula rasa <strong>der</strong> deutschen <strong>Wende</strong><br />

bewältigen will, wollte ich hier Ihnen vorstellen. Kurz: einen zeitgenössischen (noch<br />

ziemlich jungen) poeta doctus im vereinigten Deutschland. Aber auch die harten neuen<br />

Bedingungen, die <strong>der</strong> Künstler bewältigen und dafür zuerst eine “Schädelbasislektion”<br />

durchnehmen muß. Vorausgesetzt ist also, daß nicht die neuen Bundeslän<strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n so<br />

viele “Tote” einschließlich des lyrischen Ichs in das vereinigte Deutschland aufgenommen<br />

wurden.<br />

Literaturverzeichnis<br />

I.<br />

Grünbein, <strong>Durs</strong> : Schädelbasislektion. Gedichte. Frankfurt a. M. 1991<br />

Ders.: Graue Zone morgens. Frankfurt a. M. 1988<br />

Ders.: Den teuren Toten. 33 Epitaphe. Frankfurt a. M. 1994<br />

Ders.: Fallen und Falten. Gedichte. Frankfurt a. M. 1994<br />

Ders.: Galilei vermißt Dantes Hölle und bleibt an den Maßen hängen. Aufsätze 1989-1995.<br />

13 Etwa: Galilei vermißt Dantes Hölle und bleibt an den Maßen hängen. Aufsätze 1989-1995.<br />

Frankfurt a. M. 1996.<br />

14 Etwa: Berenice. Libretto nach Edgar Allan Poe. 2004.


<strong>Poetische</strong> <strong>Bewältigung</strong> <strong>der</strong> <strong>Wende</strong>. <strong>Zu</strong> <strong>Durs</strong> <strong>Grünbeins</strong> Schädelbasislektion 75<br />

Frankfurt a. M. 1996<br />

Ders.: Das Erste Jahr. Berliner Aufzeichnungen. Frankfurt. a. M. 2001<br />

Ders.: Erklärte Nacht. Gedichte. Frankfurt. a. M. 2002<br />

Ders.: Vom Schnee o<strong>der</strong> Decartes in Deutschland. Gedichte. Frankfurt. a. M. 2003<br />

Ders.: An Seneca. Postscriptum. rankfurt a. M 2004<br />

Ders.: Berenice. Libretto nach Edgar Allan Poe. 2004<br />

II.<br />

Agamben, Giorgio: Was von Auschwitz bleibt. Frankfurt a. M. 2003, Original 1998<br />

Arnold, Heinz L. (Hg.): <strong>Durs</strong>grünbein. Text und Kritik, H. 153, München 2003<br />

Chiarloni, Anna (Hg.): Grenzfallgedichte. Eine deutsche Anthologie. Berlin 1991<br />

Kafka, Franz: Beschreibung eines Kampfes. Novellen, Skizzen, Aphorismen aus dem<br />

Nachlaß. Frankfurt a. M. 1983<br />

Ders.: Der Prozess. Roman. Frankfurt 1983<br />

Müller, Heiner: Ende <strong>der</strong> Handschrift. Gedichte. Ausgewählt und mit einem Nachwort<br />

versehen von <strong>Durs</strong> Grünbein. Frankfurt a. M. 2000.<br />

국문요약<br />

통일전환기의 시적 극복. 두어스 그륀바인의 두개골 밑바닥 학습에<br />

대하여<br />

전영애 (서울대)<br />

통일 이후의 독일문학의 출발점을 살펴보기 위하여 “통일” 자체가 담긴 시집<br />

한 권을 살펴본다. 상황의 묘사나 진단 자체 보다는, 동독 “정리”의 회오리를 문<br />

인들 중 누가 어떻게 살아남았는가 하는 호기심에서, 나아가 한 예술가가 전복적<br />

인 실존적 변화에 어떻게 그의 ‘예술“로써 대응하였는가 하는 관점에서 시집 두<br />

개골 밑바닥 학습을 택했다. 저자 두어스 그륀바인은 통일기를 성공적으로 극복<br />

했으며 통일독일에서 오히려 작가적 기반을 넓힐 수 있었던 드문 구 동독시인이


76 독일문학 제94집<br />

기 때문이다.<br />

이 시집에는 통일과 그 부수현상들, 그 회오리 속에서 흔들린 존재적 기반을<br />

고도의 지적인 언어로 그려져 있다. 어휘는 자주 비시적이고 때로는 해부학적이<br />

며 냉소가 뒤섞여 있다. 그러면서도 탁월한 적중성을 보인다. 시집 두개골 밑바<br />

닥 학습에서 예컨대 “국경수비견”으로 표상된 예술가의 자화성은 매우 징후적이<br />

다. “헤겔의 좁은 나라”의 파블로브의 개와 카프카의 소송의 “개”의 표상을 겹쳐<br />

놓은 이미지를 거리를 두고 그려내어 경험한 굴욕과 전환기의 당혹이 건조한 언<br />

어로 표현된다. 마지막에 홍수에 휩쓸려 조건반사를 잊어버린 파블로브의 개에<br />

대한 기술을 더해짐으로써 통일의 소용돌이 속에서 실존의 기반이 뒤흔들린 예술<br />

가의 상황을 자연과학적 지식과 언어를 빌려 해명하고 있다. 즉 파블로브에 따르<br />

면 언어와 사고는 제2의 신호체계를 형성함으로써 가능하게 되는, 보다 높은 차<br />

원의 반사의 사슬인데, 어느 날 홍수로 사슬이 끈긴 개의 이미지를 통해 존재의<br />

기반 만이 아니라 언어마저 상실할 위험에 처한 존재론적 위기가 적절히 표현된<br />

다. 파편화된 언어, 자연과학적 언어들이 자신의 존재를 새롭게, 치열하게 모색해<br />

야 하는 예술가의 존재론적 문제를 그려내는 적절한 한 형식임이 증명된다.<br />

시집 전체는 놀랍게 건축학적인, 고도로 정교한 구조를 보이고 있으며, 시인의<br />

노력은 시와 앎의 분리를 극복하는데 집중되어 있다. 지침없는 노력과 지극히 다<br />

양한 언어로 상황의 총괄적 점검과 실존적 측량을 시도하는 예술가 그륀바인에게<br />

서 고도의 지적 긴장으로써 자신의 상황에 대응하는 인간도 볼 수 있다.<br />

Schlüsselbegriffe:<br />

<strong>Wende</strong><br />

Grünbein, Schädelbasislektion, Berliner Mauer, Vereinigung,<br />

주제어: 그륀바인, 두개골 밑바닥 학습, 베를린 장벽, 독일 통일, 통일 전환기<br />

필자 E-mail: chonya@snu.ac.kr<br />

투고일: 2005. 4. 11 / 심사일: 2005. 5. 14 / 심사완료일: 2005. 5. 28

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