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in gedenken an den von faschisten ermordeten ... - antifa-berlin.info

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<strong>in</strong> <strong>ge<strong>den</strong>ken</strong> <strong>an</strong> <strong>den</strong> <strong>von</strong> <strong>faschisten</strong> <strong>ermordeten</strong> silvio meier


E<strong>in</strong>lEitung<br />

Jugend<strong>in</strong>fo 2011<br />

Auch diese Jahr f<strong>in</strong>det wieder e<strong>in</strong>e Demonstration <strong>in</strong> Ge<strong>den</strong>ken <strong>an</strong> <strong>den</strong><br />

am 21. November 1992 <strong>in</strong> Friedrichsha<strong>in</strong> <strong>ermordeten</strong> Silvio Meier statt.<br />

Nach e<strong>in</strong>er besonders kraftvollen Demo mit übr 5000 Teilnehmer_<strong>in</strong>nen<br />

im verg<strong>an</strong>genen Jahr wird die Demo dieses Jahr durch Friedrichsha<strong>in</strong> und<br />

Lichtenberg führen, um auf die sich dort etablieren<strong>den</strong> Nazistrukturen<br />

e<strong>in</strong>zugehen Gerade die Br<strong>an</strong>d<strong>an</strong>schläge durch Neonazis auf 4 alternative<br />

Wohn- und Kulturprojekte dieses Jahr zeigen, wie wichtig es ist, dass<br />

wir auch weiterh<strong>in</strong> kämpferisch gegen Neonazistrukturen <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> vorgehen<br />

und uns mit ihnen ause<strong>in</strong><strong>an</strong>dersetzen. Aber nicht nur Nazis, sondern<br />

auch die rechtspopulistische Entwicklung <strong>in</strong> Europa, die Repression<br />

durch <strong>den</strong> Staat, die steigen<strong>den</strong> Mieten <strong>in</strong> unseren Wohngegen<strong>den</strong> und<br />

die Vrdrängung alternativer Lebensentwürfe fordern unsere Kraft und<br />

unsere Org<strong>an</strong>isation, um dagegen vorzugehen. Zudem <strong>ge<strong>den</strong>ken</strong> wir allen<br />

Betroffenen <strong>von</strong> Nazigewalt <strong>in</strong> der BRD und weltweit. Remember<strong>in</strong>g<br />

me<strong>an</strong>s fight<strong>in</strong>g!<br />

Um diesem g<strong>an</strong>zen Mist entegenzutreten und konsequent für e<strong>in</strong>e<br />

solidarische Gesellschaft e<strong>in</strong>zustehen, kommt mit uns auf die diesjährige<br />

Silvio-Meier-Demo und org<strong>an</strong>isiert euch bei euch vor Ort- <strong>in</strong> der lokalen<br />

Antifagruppe, im Stadtteilzentrum oder <strong>in</strong> Kulturprojekten.<br />

Inhaltlich ist das Jugend<strong>in</strong>fo dieses Jahr wieder gefüllt mit Tipps &<br />

Tricks, H<strong>in</strong>tergrund<strong>in</strong>formationen zur Naziszene <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> und Rechtspopulismus<br />

<strong>in</strong> Europa, Texten zum Castortr<strong>an</strong>sport 2011 und <strong>an</strong>tisexistischer<br />

Notwendigkeit sowie weiteren Berichten. Wir hoffen, dass für jede_n <strong>von</strong><br />

euch etwas dabei ist.<br />

See you on the streets! It´s time to rise up!<br />

Gendergap – Der Unterstrich<br />

Freund<strong>in</strong>nen und Freunde, FreundInnen oder<br />

Freund_<strong>in</strong>nen? Warum schreiben m<strong>an</strong>che Leute <strong>in</strong><br />

ihren Texten so komisch?! Erst e<strong>in</strong>mal s<strong>in</strong>d all diese<br />

verschie<strong>den</strong>en Versionen dazu gedacht, darauf<br />

aufmerksam zu machen, dass Menschen eben nicht<br />

nur Freunde, sondern auch Freund<strong>in</strong>nen haben und es<br />

wird kritisch h<strong>in</strong>terfragt, warum gerade Frauen <strong>in</strong> der<br />

Sprache oft „unsichtbar“ gemacht wer<strong>den</strong>. Wir benutzen<br />

nachfolgend die Schreibweise mit dem Unterstrich,<br />

um auf diese Unterschiede sprachlich aufmerksam zu<br />

machen und gleichzeitig auch Menschen e<strong>in</strong>zuschließen,<br />

welche sich weder als männlich noch als weiblich<br />

def<strong>in</strong>ieren lassen möchten.<br />

S. 03<br />

S. 04<br />

S. 06<br />

S. 08<br />

S. 10<br />

S. 11<br />

S. 12<br />

S. 13<br />

S. 14<br />

S. 15<br />

S. 16<br />

S. 17<br />

S. 18<br />

S. 20<br />

S. 21<br />

S. 22<br />

<strong>in</strong>halt<br />

In Ge<strong>den</strong>ken <strong>an</strong> Silvio Meier<br />

RISE UP! – Silvio-Meier-Demo 2011<br />

Zur Naziszene <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />

Wer ist eigentlich nicht<br />

Rechtspopulistisch<br />

Heißer Herbst <strong>in</strong> Warschau<br />

Subkulturen und ihre Probleme<br />

Der Repression e<strong>in</strong> Be<strong>in</strong> stellen<br />

Demo 1x1<br />

Tödliche Polizeigewalt<br />

Nehmen wir uns die Stadt zurück!<br />

Aus Konsequenzen und <strong>in</strong> Ge<strong>den</strong>ken<br />

Wer ist hier »extrem«?<br />

Let‘s talk about Sex<br />

Atomstaat stillegen<br />

Jugendrevolten <strong>in</strong> Europa<br />

Alle<strong>in</strong> machen sie dich e<strong>in</strong>


ANTIFASCHISTISCHE LINKE BERLIN<br />

<strong>in</strong> gEdEnkEn <strong>an</strong> Silvio mEiEr<br />

m Abend des 21. November 1992 war Silvio Meier mit drei<br />

a Freund_<strong>in</strong>nen auf dem Weg zu e<strong>in</strong>er Party. Auf dem U-Bahnhof<br />

Samariterstraße trafen sie auf e<strong>in</strong>e Gruppe junger Neonazis, <strong>von</strong> <strong>den</strong>en<br />

e<strong>in</strong>ige rechte Aufnäher trugen. Die L<strong>in</strong>ken stellten die Rechten zur<br />

Rede und nahmen ihnen die Aufnäher ab.<br />

Durch <strong>den</strong> Streit hatten sie die letzte U-Bahn verpasst und<br />

wollten <strong>den</strong> Bahnhof wieder verlassen. Auf der Mittelebene warteten<br />

jedoch die Neonazis und stachen auf Silvio und se<strong>in</strong>e Freunde<br />

e<strong>in</strong>; er starb kurze Zeit später. Noch im Kr<strong>an</strong>kenhaus wur<strong>den</strong><br />

die vier L<strong>in</strong>ken verhört und ihnen vorgeworfen, schuld am Tod<br />

ihres eigenen Freundes zu se<strong>in</strong>. Die Nazis, im Alter zwischen 14<br />

und 19 Jahren, hatten <strong>an</strong>gegeben, mit Silvios eigenem Messer attackiert<br />

wor<strong>den</strong> zu se<strong>in</strong>, obwohl die L<strong>in</strong>ken unbewaffnet waren.<br />

Die Polizei leugnete zudem, dass der Mord e<strong>in</strong>en politischen H<strong>in</strong>tergrund<br />

hätte. Erst durch <strong>in</strong>tensive Öffentlichkeitsarbeit, Demonstrationen<br />

und spektakuläre Aktionen (wie das Niederbrennen des Jugend-<br />

Clubs, <strong>in</strong> dem die Nazis verkehrten) wurde die Tat weiter untersucht<br />

und die rechte Ges<strong>in</strong>nung der Täter offensichtlich. Obwohl die Anschuldigungen<br />

gegen Silvios Freunde komplett zusammenfielen, hatte<br />

der Mord e<strong>in</strong> jähes gerichtliches Ende. Von <strong>den</strong> zwölf am Überfall<br />

beteiligten Nazis (drei Frauen und neun Männer) wurde nur gegen<br />

fünf Nazis e<strong>in</strong> Prozess eröffnet. Die Anklage lautete auf »schwere Körperverletzung<br />

mit Todesfolge«, was e<strong>in</strong>e Tötungsabsicht <strong>von</strong> Grund<br />

auf ausschließt. Silvio wurde mit mehreren Messerstichen <strong>in</strong> die Brust<br />

getötet. Was ist dass, wenn ke<strong>in</strong>e Tötungsabsicht? So wurde der Mord<br />

auch <strong>von</strong> Justizwegen her, als »normale« Schlägerei und nicht als politische<br />

Tat, mit politisch h<strong>an</strong>deln<strong>den</strong> Akteuren geahndet. Drei der fünf<br />

Nazis wur<strong>den</strong> zu Haftstrafen verurteilt.<br />

WER WAR SILVIo MEIER?<br />

Der damals 27-jährige Silvio Meier wohnte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em besetzen Haus <strong>in</strong><br />

Friedrichsha<strong>in</strong>. Es war e<strong>in</strong>es der ersten Häuser, die bereits im Dezember<br />

1989 besetzt wurde. Silvio war bereits <strong>in</strong> der DDR <strong>in</strong> l<strong>in</strong>ken Gruppen,<br />

außerhalb des Staats-Rahmen engagiert. L<strong>in</strong>ke Kräfte sammelten<br />

sich damals <strong>in</strong> der »Umweltbibliothek« um die Zionskirche im Prenzlauer<br />

Berg. Für Silvio Meier gehörte <strong>an</strong>tifaschistisches E<strong>in</strong>greifen zum<br />

Alltag. Die frühen 90er Jahren waren vor allem <strong>in</strong> Ostberl<strong>in</strong> <strong>von</strong> Nazi-<br />

Angriffen geprägt, so dass die Besetzerszene schnell auch zur Antifa-<br />

Szene wurde, die damals noch nicht <strong>in</strong> der Form existierte wie heute.<br />

JuSt a nothEr m<strong>an</strong>iC mondaY<br />

Das em<strong>an</strong>zipatorische InfoCafé <strong>in</strong> Lichtenberg<br />

ANTIFA JUGENDINFO<br />

2011<br />

An <strong>den</strong> ersten vier Montagen e<strong>in</strong>es je<strong>den</strong> Monats f<strong>in</strong><strong>den</strong> im Jugendklub L<strong>in</strong>se bzw. im<br />

UJZ Karlshorst Infover<strong>an</strong>staltungen statt. Die Inhalte s<strong>in</strong>d breit gefächert und reichen<br />

<strong>von</strong> aktuellen Themen wie Rechtspopulismus oder Kritik am Papst über Diskussionen<br />

zu Faschismustheorien oder das Verhalten auf Demonstrationen bis zu historischen<br />

Rückblicken etwa zu Protesten gegen <strong>den</strong> EU bzw. G8 – Gipfel <strong>in</strong> Göteborg bzw. Genua.<br />

Anschließend gibt es immer e<strong>in</strong>e veg<strong>an</strong>e/vegetarische Vokü.<br />

Dieses Geme<strong>in</strong>schaftsprojekt der Antifa Hohenschönhausen, des UJZ Karlshorst,<br />

[solid’] Friedrichsha<strong>in</strong> und der „L<strong>in</strong>se“ läuft nun schon seit e<strong>in</strong>em Jahr und lädt alle<br />

Interessierten e<strong>in</strong>, vorbei zu kommen und mit zu diskutieren, sich zu bil<strong>den</strong> oder<br />

e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong>en entsp<strong>an</strong>nten und doch „durchgeknallten“ Montag zu haben!<br />

Nächster Term<strong>in</strong> mit neusten Infos zum NW-Stützpunkt <strong>in</strong> der Lückstraße 58<br />

Montag, 07.11.2011, 19.00 Uhr <strong>in</strong> der L<strong>in</strong>se<br />

(Parkaue 25, 10367 Berl<strong>in</strong>; am S+U Fr<strong>an</strong>kfurter Allee)<br />

03


04<br />

ANTIFA JUGENDINFO<br />

2011<br />

riSE up!<br />

Antifa heißt Angriff!<br />

it dem Mist, gegen <strong>den</strong> wir tagtäglich <strong>an</strong>kämpfen, ließe sich e<strong>in</strong>e<br />

m g<strong>an</strong>ze Enzyklopädie füllen: Gewalttätige Nazis, sexistische Anmachen,<br />

alltäglicher Rassismus, repressive Maßnahmen vom Amt, stupide<br />

Hausaufgaben, Leistungsterror vom Chef, ätzende Kontrollen <strong>in</strong><br />

der Bahn, Dauerüberwachung der Straßen und verstärkte Polizeipräsenz<br />

durch „Br<strong>an</strong>dstreifen“ s<strong>in</strong>d nur e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Teil der der D<strong>in</strong>ge, auf<br />

die wir ke<strong>in</strong>en Bock mehr haben.<br />

Glücklicherweise gibt es auch Lichtblicke: Solidarischen Umg<strong>an</strong>g <strong>in</strong><br />

Freundeskreisen und Politgruppen, selbstorg<strong>an</strong>isierte Freiräume und<br />

immer wieder auch Widerst<strong>an</strong>d. Kle<strong>in</strong>e und große Orte oder Ereignisse,<br />

<strong>an</strong> welchen erkennbar wird, dass es auch <strong>an</strong>ders geht, <strong>an</strong> welchen<br />

wir merken, dass wir nicht alle<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>d!<br />

ERINNERN HEISST KäMPFEN …<br />

Vor 19 Jahren wurde Silvio Meier am U-Bhf Samariterstraße <strong>von</strong> Neonazis<br />

ermordet. Nur noch wenige <strong>von</strong> uns k<strong>an</strong>nten ihn persönlich.<br />

Doch verb<strong>in</strong>det uns mit ihm der geme<strong>in</strong>same Wunsch nach e<strong>in</strong>er be-<br />

freiten Gesellschaft. Silvio engagierte sich <strong>in</strong> der DDR <strong>in</strong> selbstorg<strong>an</strong>isierten<br />

Gruppen und nach 1989 <strong>in</strong> der Hausbesetzer_<strong>in</strong>nen-Bewegung.<br />

Angesichts der Welle rassistischer Pogrome und der regelmäßigen Angriffe<br />

auf L<strong>in</strong>ke wehrte er sich offensiv gegen Neonazis. Se<strong>in</strong> <strong>an</strong>tifaschistisches<br />

Engagement kostete ihn am 21. November 1992 das Leben<br />

und der Bewegung e<strong>in</strong>en wichtigen Aktivisten – Nichts was wir jemals<br />

vergessen wer<strong>den</strong>. E<strong>in</strong> Neonazi, mit dem er und se<strong>in</strong>e Freund_<strong>in</strong>nen<br />

zuvor e<strong>in</strong>e Ause<strong>in</strong><strong>an</strong>dersetzung wegen dessen nationalistischen Aufnäher<br />

hatten, erstach ihn.<br />

Im Ge<strong>den</strong>ken <strong>an</strong> Silvio und allen Opfern rassistischer und faschistischer<br />

Morde wollen wir nicht still verharren, sondern unsere Wut auf<br />

die Straße tragen und auch heute gegen Neonazis und für e<strong>in</strong>e solidarische<br />

Gesellschaft kämpfen.<br />

AKTUELLE NAZISITUATIoN IN BERLIN<br />

Im Vorfeld der Abgeordnetenhauswahl haben die Neonazis, rund um<br />

<strong>den</strong> „Nationaler Widerst<strong>an</strong>d“ (NW) Berl<strong>in</strong> und der NPD, Berl<strong>in</strong> mit<br />

Kle<strong>in</strong>staufmärschen und -kundgebungen überzogen. Gleichzeitig haben<br />

sie ihre gewalttätige Kampagne gegen l<strong>in</strong>ke Hausprojekte, Lä<strong>den</strong><br />

und Personen <strong>in</strong>tensiviert. Mit <strong>den</strong> Br<strong>an</strong>d<strong>an</strong>schlägen auf unsere Projekte<br />

im Juni f<strong>an</strong><strong>den</strong> diese Angriffe ihren bisherigen Höhepunkt. Vor allem<br />

<strong>in</strong> Schöneweide und Teilen des Berl<strong>in</strong>er Uml<strong>an</strong>des ist es ihnen gelungen<br />

sich festzusetzen. Nach erfolgreichen <strong>an</strong>tifaschistischen Interventionen<br />

der letzten Jahre verfügen sie nur noch dort über e<strong>in</strong>e gefestigte Infrastruktur.<br />

Außer dem Henker <strong>in</strong> Schöneweide und der NPD Zentrale <strong>in</strong><br />

Köpenick ist ihnen <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> nicht viel geblieben. Sie versuchen jedoch<br />

mit dem Hexogen (Schöneweide) und dem La<strong>den</strong> <strong>in</strong> der Lückstraße 58<br />

(Lichtenberg) wieder neue Basen aufzubauen. Doch jeder verbliebene<br />

Rückzugsraum, ob La<strong>den</strong> oder WG, dient ihnen als Ausg<strong>an</strong>gspunkt für<br />

Übergriffe und Aktionen. Diese Zustände zw<strong>in</strong>gen uns ihnen weiterh<strong>in</strong><br />

und vermehrt Widerst<strong>an</strong>d entgegen zu setzen. Mit Aufklärung über<br />

ihre Ideologie und Netzwerke, sowie der Unterstützung lokaler Initiativen<br />

und milit<strong>an</strong>ten Angriffen auf ihre Kader und Lokalitäten s<strong>in</strong>d wir<br />

ihnen <strong>in</strong> <strong>den</strong> letzten Monaten immer mal wieder auf die Pelle gerückt.<br />

Doch das war bisher nicht genug: Es gilt weiterh<strong>in</strong> ihre Strukturen auch<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> letzten Berl<strong>in</strong>er Bezirken und darüber h<strong>in</strong>aus zu zerschlagen;<br />

reaktionäres Ged<strong>an</strong>kengut <strong>in</strong> der gesamten Gesellschaft zurückzudrängen.<br />

Deswegen überlassen wir <strong>den</strong> Nazis ke<strong>in</strong>en Kiez kampflos und statten<br />

ihnen mit der Silvio Meier Demo e<strong>in</strong>en Besuch <strong>in</strong> Lichtenberg ab!<br />

DER STAAT (K)EIN FREUND UND HELFER?!<br />

Doch stehen uns bei diesem Kampf immer wieder die Bullen entgegen.<br />

In <strong>den</strong> letzten Monaten beh<strong>in</strong>dern die Berl<strong>in</strong>er Cops <strong>an</strong>tifaschistischen<br />

Widerst<strong>an</strong>d nicht nur durch <strong>den</strong> gewohnten martialischen Schutz der<br />

Neonazis, sondern auch mit e<strong>in</strong>er neuen Geheimhaltungspolitik. Nur<br />

durch <strong>in</strong>tensive Recherchen wur<strong>den</strong> die letzten Neonazi-Aufmärsche<br />

und -Kundgebungen <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> kurz vorher bek<strong>an</strong>nt und es konnte Widerst<strong>an</strong>d<br />

org<strong>an</strong>isiert wer<strong>den</strong>.<br />

Bei dem Versuch der Nazis im Mai <strong>in</strong> Kreuzberg zu demonstrieren,


waren die Uniformierten nicht gewillt oder fähig verme<strong>in</strong>tliche Migr<strong>an</strong>t_<strong>in</strong>nen<br />

oder L<strong>in</strong>ke vor Nazi<strong>an</strong>griffen zu schützen. Ihre alle<strong>in</strong>ige<br />

Mission war der Schutz der Nazis und ihrer Ver<strong>an</strong>staltung. Das zeigt<br />

nur wieder e<strong>in</strong>mal, dass sich Antifaschist_<strong>in</strong>nen nicht auf <strong>den</strong> Staat<br />

verlassen sollten, sondern nur durch noch mehr selbstorg<strong>an</strong>isierten<br />

Widerst<strong>an</strong>d und Selbstschutz l<strong>an</strong>gfristig erfolgreich se<strong>in</strong> können.<br />

DER STAAT ZEIGT SEINE ZäHNE …<br />

Wie der Staat auf erfolgreichen <strong>an</strong>tifaschistischen Widerst<strong>an</strong>d reagieren<br />

k<strong>an</strong>n, zeigt die Repression <strong>in</strong> Dres<strong>den</strong> <strong>an</strong>lässlich der Verh<strong>in</strong>derung<br />

der Naziaufmärsche. Hier kommt das g<strong>an</strong>ze Repertoire <strong>an</strong><br />

Überwachungsmaßnahmen zum E<strong>in</strong>satz, was <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>an</strong>dauern<strong>den</strong><br />

§129-Verfahren gegen <strong>an</strong>tifaschistische Strukturen <strong>in</strong> Sachsen und<br />

darüber h<strong>in</strong>aus mündete. Doch gel<strong>an</strong>g es <strong>den</strong> Repressionsbehör<strong>den</strong><br />

weder die breiten Bündnisse zu spalten, noch die <strong>an</strong>tifaschistischen<br />

Strukturen zu zerschlagen.<br />

Auch Berl<strong>in</strong> wird seit Monaten mit Bullen überzogen. Angeheizt<br />

durch die Debatte über brennende Autos wird versucht, das g<strong>an</strong>ze Stadtgebiet<br />

mit zivilen Streifen und Hubschraubern unter Dauerobservation<br />

zu stellen. Immer wieder wer<strong>den</strong> Aktivist_<strong>in</strong>nen <strong>von</strong> <strong>den</strong> H<strong>an</strong>dl<strong>an</strong>gern<br />

des Staates gecasht und e<strong>in</strong>geknastet, meist mit aus <strong>den</strong> F<strong>in</strong>gern gesogenen<br />

Anklagen. Erst am 28. September wurde uns mit Tobias schon wieder<br />

e<strong>in</strong> Freund und Mitstreiter geklaut. An e<strong>in</strong>zelnen Tagen s<strong>in</strong>d d<strong>an</strong>k der<br />

Unterstützung durch die Bundespolizei bis zu 650 zivile Schnüffler_<strong>in</strong>nen<br />

unterwegs. Mit dem Ziel, Szene-Treffpunkte zu „befrie<strong>den</strong>“, wer<strong>den</strong><br />

Straßenparties aufgelöst und g<strong>an</strong>ze Straßenzüge videoüberwacht. Doch<br />

auch diese Maßnahmen haben nicht die gewollte Wirkung, sondern heizen<br />

die Wut auf diesen Staat und die Bullen nur weiter <strong>an</strong>. Diese wird immer<br />

wieder offensiv auf die Straße getragen, wie auf der Demonstration<br />

zum Ge<strong>den</strong>ken <strong>an</strong> <strong>den</strong> <strong>von</strong> Cops getöteten Carlo Guil<strong>an</strong>i. Während die<br />

Teilnehmer_<strong>in</strong>nen die unvorbereiteten, wie gewohnt aggressiven Bullen<br />

<strong>an</strong>griffen, ließen sie <strong>den</strong> Kreuzberger Kiez unberührt.<br />

UNITE AND FIGHT<br />

Nach wie vor bestehen <strong>in</strong> der Stadt l<strong>in</strong>ke Freiräume. Diese Wohnprojekte<br />

und WGs s<strong>in</strong>d Orte des Widerst<strong>an</strong>ds gegen die vor<strong>an</strong>schreitende<br />

Diszipl<strong>in</strong>ierung und Kommerzialisierung der Kieze – gegen Ordnungswahn<br />

und Überwachung, gegen die Vertreibung <strong>von</strong> Wohnungs- und<br />

Mittellosen und <strong>den</strong> Zw<strong>an</strong>g für alles blechen zu müssen. Daher ist es<br />

ke<strong>in</strong> Wunder, dass diese Freiräume regelmäßig mit Repression überzogen<br />

wer<strong>den</strong>. Dass wir entschlossen s<strong>in</strong>d, diese zu verteidigen, durfte<br />

Berl<strong>in</strong> vor, während und nach der Räumung der Liebig 14 spüren.<br />

Im Kampf für die Liebig 14 hat sich die Wut auf Mietsteigerungen<br />

und Verdrängungen aus unseren Kiezen gebündelt. Doch dies war ke<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>maliges Ereignis. In etlichen Kiezen org<strong>an</strong>isieren sich Mieter_<strong>in</strong>nen<br />

zum Beispiel <strong>in</strong> Stadtteil<strong>in</strong>itiativen; tragen ihre Proteste geme<strong>in</strong>sam auf<br />

die Straße gegen Flächendeckende Mietsteigerungen; versuchen Leute<br />

sich Wohnraum und öffentliche Plätze durch Besetzungen wieder <strong>an</strong>zueignen<br />

und Vorzeigeprojekte wie MediaSpree zu sabotieren.<br />

ANTIFA JUGENDINFO<br />

2011<br />

05<br />

LET‘S GET oRGANIZED! - JoIN yoUR LoCAL ANTIFA<br />

Diese Kämpfe um e<strong>in</strong> besseres Leben im Hier und Jetzt s<strong>in</strong>d gleichzeitig<br />

Kämpfe für e<strong>in</strong> besseres Morgen. Sie sprengen Breschen <strong>in</strong> die<br />

erdrückende Realität. Lassen uns kollektives Leben und solidarischen<br />

Umg<strong>an</strong>g spüren und erproben. Sie lassen uns im Widerst<strong>an</strong>d die Freiheit<br />

fühlen.<br />

Wir wollen die Selbstorg<strong>an</strong>isation ausbauen und überall Widerst<strong>an</strong>dsherde<br />

entfachen: <strong>in</strong> der Schule und der Uni, bei der Arbeit und<br />

auf dem Amt, im Stadtteil und weltweit. Immer <strong>in</strong> der Hoffnung diese<br />

zu e<strong>in</strong>em Flächenbr<strong>an</strong>d, zu e<strong>in</strong>em Aufst<strong>an</strong>d gegen Nazis, Staat und Kapital<br />

ausweiten zu können.<br />

Doch Widerst<strong>an</strong>d braucht Menschen. Menschen wie du und ich,<br />

die sich zusammen org<strong>an</strong>isieren und aktiv versuchen, die Zustände <strong>in</strong><br />

dieser Gesellschaft zu verändern; die ihre Wut und ihren Willen nach<br />

außen tragen und gegen Fremdbestimmung und Unterdrückung auf<br />

die Straße gehen. Ob <strong>in</strong> Miet- oder Wohngeme<strong>in</strong>schaften, Politgruppen<br />

, <strong>in</strong> Ver<strong>an</strong>staltungskollektiven – vom Widerst<strong>an</strong>d zum Flächenbr<strong>an</strong>d!<br />

Werde aktiv!<br />

Silvio-Meier-Demonstration<br />

19.11. 2011 – 15 Uhr – U-Bhf. Samariterstr.<br />

Mahnwache<br />

21.11. 2011 – 17 Uhr – U-Bhf. Samariterstr.


06<br />

ANTIFA JUGENDINFO<br />

2011<br />

ANTIFASCHISTISCHE LINKE BERLIN<br />

zur naziSzEnE <strong>in</strong> bErl<strong>in</strong><br />

Verschärfung der Sprache<br />

Nachdem die Nazis vom „NW Berl<strong>in</strong>“, deren Chef Sebasti<strong>an</strong> Schmidtke<br />

e<strong>in</strong> wesentliches Scharnier zwischen „freien Nationalisten“ und<br />

NPD darstellt, versuchten, am 1.Mai 2010 durch <strong>den</strong> Prenzlauer Berg<br />

zu marschieren, bemühten sie sich <strong>in</strong> diesem Jahr e<strong>in</strong>mal mehr, ihren<br />

rassistischen Dreck unter die Menschen zu br<strong>in</strong>gen. War m<strong>an</strong> zuvor<br />

bemüht, nach außen h<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en eher moderaten Ton <strong>an</strong>zuschlagen,<br />

setzte m<strong>an</strong> nun g<strong>an</strong>z auf die „Stumpf ist Trumpf “-Karte. Im Zuge der<br />

medialen Diskussion um Gewalttaten <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>er U-Bahnhöfen startete<br />

„NW Berl<strong>in</strong>“ se<strong>in</strong>e mehr oder weniger themenbezogene „Ausländer<br />

Raus – Kampagne“. Diese zeichnete sich, neben <strong>den</strong> <strong>an</strong> die 90er Jahre<br />

er<strong>in</strong>nern<strong>den</strong> platten „Ausländer Raus-Rassismus“, durch eher dilett<strong>an</strong>tische<br />

Aktionen der Nazis aus. So tapez ierten diese beispielsweise<br />

<strong>in</strong> der Lichtenberger Weitl<strong>in</strong>gstraße Geschäfte <strong>von</strong> verme<strong>in</strong>tlichen<br />

Migr<strong>an</strong>t_<strong>in</strong>nen mit gewöhnlicher Raufasertapete zu, um darauf d<strong>an</strong>n<br />

Slog<strong>an</strong>s wie „Ausländer raus“ oder das – <strong>an</strong> <strong>den</strong> Nationalsozialismus<br />

er<strong>in</strong>nernde - „Deutsche kauft bei Deutschen e<strong>in</strong>“ zu h<strong>in</strong>terlassen. Über<br />

die Internetpräsenz der Nazis wurde darüber h<strong>in</strong>aus versucht zu suggerieren,<br />

<strong>in</strong> ständigen Aktivitäten zu stecken; so gab es für 5 M<strong>in</strong>uten<br />

Flugblätter verteilen, d<strong>an</strong>n auch gleich das Doppelte <strong>an</strong> Fotos da<strong>von</strong>.<br />

In e<strong>in</strong>em beachtlicheren Kontext muss hier eher der Abschluss der<br />

„Ausländer Raus – Kampagne“ gesehen wer<strong>den</strong>. Bei der <strong>von</strong> der Polizei<br />

<strong>in</strong> Kooperation mit dem Anmelder Sebasti<strong>an</strong> Schmidtke geheim<br />

gehaltenen Demonstration <strong>in</strong> Kreuzberg, welche <strong>den</strong>noch durch hunderte<br />

Antifaschist_<strong>in</strong>nen verh<strong>in</strong>dert wer<strong>den</strong> konnte, kam es zu gewalttätigen<br />

Übergriffen <strong>von</strong> Nazis auf Gegendemonstr<strong>an</strong>t_<strong>in</strong>nen, welche<br />

<strong>den</strong> Aufmarsch blockieren wollten.<br />

VERSCHäRFUNG DER MITTEL<br />

Nur e<strong>in</strong>en Monat später br<strong>an</strong>nten <strong>in</strong> der Nacht vom 26. auf <strong>den</strong> 27.<br />

Juni vier Häuser, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en sich l<strong>in</strong>ke Projekte bef<strong>in</strong><strong>den</strong>. In <strong>den</strong> meisten<br />

betroffenen Häusern schliefen zu dieser Zeit Menschen, die entsprechend<br />

knapp dem Tod entgehen. Nachdem die Nazis <strong>in</strong> <strong>den</strong> Monaten<br />

zuvor immer wieder l<strong>in</strong>ke E<strong>in</strong>richtungen, Parteibüros oder Kulturvere<strong>in</strong>e<br />

<strong>an</strong>gegriffen oder mit Parolen und rechten Symbolen beschmiert<br />

hatten, stellte dies nun, seit der Ermordung des Vietnamesen Cha<br />

Dong N. im August 2008, e<strong>in</strong>en neuerlichen Höhepunkt <strong>von</strong> Nazigewalt<br />

<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> dar. Medial wur<strong>den</strong> die Br<strong>an</strong>d<strong>an</strong>schläge als Auftakt e<strong>in</strong>er<br />

Gewaltspirale zwischen „Extremisten“ verordnet, da e<strong>in</strong>ige Tage zuvor<br />

mehrere NPD-K<strong>an</strong>didaten für die <strong>von</strong> ihnen betriebene Verbreitung<br />

<strong>von</strong> Rassismus, Antisemitismus und <strong>an</strong>deren Widerwärtigkeiten e<strong>in</strong><br />

paar blaue Flecken und Schrammen erhielten. Obwohl dies <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em<br />

Zusammenh<strong>an</strong>g zu mehrfach versuchtem Mord steht, fühlten sich daraufh<strong>in</strong><br />

all diejenigen bestätigt, welche der staatlichen „Extremismus“-<br />

Doktr<strong>in</strong> <strong>an</strong>hängen, die Antifas und Nazis auf e<strong>in</strong>e Ebene stellt. Umso<br />

wichtiger ist es, immer wieder zu betonen, dass Nazigewalt völlig willkürlich<br />

und vor allem jederzeit diejenigen treffen k<strong>an</strong>n, die nicht <strong>in</strong><br />

deren Weltbild passen. Dass die Nazis um <strong>den</strong> „NW Berl<strong>in</strong>“ nun ihre<br />

Mittel so drastisch verschärft haben, muss auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em personellen<br />

Kontext gesehen wer<strong>den</strong>. Hat m<strong>an</strong> mit dem Neuköllner Robert Hardege<br />

bereits e<strong>in</strong>en erfahrenen Br<strong>an</strong>dstifter <strong>in</strong> <strong>den</strong> eigenen Reihen, welcher<br />

im Jahr 2008 versuchte, e<strong>in</strong> <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er türkischen Familie bewohntes<br />

Haus <strong>in</strong> Rudow <strong>an</strong>zuzün<strong>den</strong>, bef<strong>in</strong>det sich nun mit dem während<br />

des Wahlkampfes aufgetauchten Oliver Werner e<strong>in</strong> echter „Spezialist“<br />

<strong>in</strong> Sachen rechter Terror <strong>an</strong> Bord der NPD. Werner war bereits <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

90er Jahren <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gewalttätigen Gruppe <strong>von</strong> Neonazis aktiv, welche<br />

sich u.a. mit dem Bau <strong>von</strong> Rohrbomben beschäftigte.<br />

STRUKTURAUSBAU<br />

Aber nicht nur <strong>in</strong> Sachen Gewalt versuchten die Nazis vom „NW Berl<strong>in</strong>“<br />

alle Register zu ziehen. Nachdem bereits seit mehreren Jahren mit<br />

der Kneipe „Zum Henker“ e<strong>in</strong> Anlaufpunkt für Neonazis im Berl<strong>in</strong>er<br />

Stadtteil Schönweide existiert, wurde diese Infrastruktur nun erweitert.<br />

So eröffnete Sebasti<strong>an</strong> Schmidtke im Juli se<strong>in</strong>en La<strong>den</strong> „Hexogen“<br />

nur wenige Meter neben dem „Henker“. Dort will er künftig „Alles<br />

für <strong>den</strong> Aktivisten“ vertreiben - zurzeit beschränkt sich das Angebot


jedoch auf Sicherheits- und Militärbedarf. Fest steht jedoch, dass mit<br />

Schmidtkes neuem La<strong>den</strong> die sowie schon bestehende Nazipräsenz<br />

um die Brückenstraße <strong>in</strong> Oberschöneweide ausgebaut wer<strong>den</strong> konnte.<br />

Rechte Hohlköpfe, Aufkleber, Graffiti und Übergriffe wer<strong>den</strong> vorerst<br />

weiterh<strong>in</strong> zum Bild des Stadtteils gehören. Jedoch zeigte e<strong>in</strong>e kraftvolle<br />

Demonstration im Juli mit über 1.000 Teilnehmer_<strong>in</strong>nen, dass Antifaschist_<strong>in</strong>nen<br />

auch hier zukünftig immer wieder <strong>in</strong>tervenieren wer<strong>den</strong>.<br />

E<strong>in</strong> weiterer, neuerer Teil neofaschistischer Infrastruktur stellt die<br />

Anmietung e<strong>in</strong>es ehemaligen Gard<strong>in</strong>engeschäfts <strong>in</strong> der Lichtenberger<br />

Lückstraße 58 dar. Dort wur<strong>den</strong> unter <strong>an</strong>derem Sebasti<strong>an</strong> Thom und<br />

weitere „NW Berl<strong>in</strong>“-Kader beim Vermieter vorstellig und gaukelten<br />

diesem vor, unter dem Vere<strong>in</strong>snamen „Sozial engagiert <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />

e.V.“ nach Räumlichkeiten zu suchen. In Wahrheit nutzen die Nazis<br />

das ehemalige Geschäft, um Treffen abzuhalten, sowie e<strong>in</strong>e neue Infrastruktur<br />

<strong>in</strong> ihrer ehemaligen Hochburg, dem Weitl<strong>in</strong>gkiez, aufzubauen.<br />

Obwohl der Vermieter <strong>den</strong> Nazis sofort kündigte, als dieser <strong>von</strong> deren<br />

wahren I<strong>den</strong>tität erfuhr, lassen es die Nazis auf e<strong>in</strong>en Räumungstitel<br />

<strong>an</strong>kommen, der jedoch erfahrungsgemäß e<strong>in</strong>ige Zeit <strong>in</strong>s L<strong>an</strong>d vergehen<br />

lässt. Aktive Antifaschist_<strong>in</strong>nen wollten dies nicht unkommentiert<br />

Wahlk(r)ampf der NPD<br />

Auch das schönste „Nightwish“-T-Shirt konnte ihm nicht zum erneuten E<strong>in</strong>zug <strong>in</strong> die<br />

Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung (BVV) verhelfen. Die Rede ist <strong>von</strong> J<strong>an</strong><br />

Sturm, se<strong>in</strong>es Zeichens NPD-Politiker und Wolfg<strong>an</strong>g Petry-Double, der nach e<strong>in</strong>er<br />

Legislaturperiode nun nicht mehr das Neuköllner Rathaus mit se<strong>in</strong>er Anwesenheit<br />

„bereichern“ k<strong>an</strong>n. Das ist symptomatisch für das Gesamtergebnis der NPD. Diese hat<br />

im Gegensatz zur letzten Berl<strong>in</strong>er Wahl <strong>von</strong> 2006 e<strong>in</strong>en Verlust <strong>von</strong> 4000 Stimmen zu<br />

verbuchen, was zu e<strong>in</strong>em Gesamtergebnis <strong>von</strong> 2,1% führte. Wie bereits erwähnt, sitzt<br />

sie nun nicht mehr <strong>in</strong> der Neuköllner BVV, die Zahl der Gesamtverluste auf kommunaler<br />

Ebene beträgt <strong>in</strong>sgesamt 5 Sitze. Selbst <strong>in</strong> dem <strong>von</strong> der NPD besonders <strong>in</strong>s Visier<br />

genommenen Bezirk Treptow-Köpenick musste die Nazipartei Verluste <strong>von</strong> 0,8% h<strong>in</strong>nehmen,<br />

was dazu führte, dass der „NW Berl<strong>in</strong>“-Kader Sebasti<strong>an</strong> Schmidtke weiterh<strong>in</strong><br />

genug Zeit für se<strong>in</strong>en <strong>von</strong> kaufwilligen Kun<strong>den</strong> verschonten La<strong>den</strong> <strong>in</strong> Schöneweide<br />

hat. Die NPD verfügt nichtsdestotrotz immer noch über jeweils 2 BVV-Sitze <strong>in</strong> <strong>den</strong> Parlamenten<br />

der Bezirke Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, sowie Treptow-Köpenick. Das<br />

s<strong>in</strong>d zwar <strong>in</strong>sgesamt noch immerh<strong>in</strong> 6 kommunale Sitze zu viel, e<strong>in</strong>en Fraktionsstatus<br />

genießt sie jedoch nicht mehr. Die <strong>an</strong>deren Rechtsparteien „Pro Deutschl<strong>an</strong>d“ und „Die<br />

Freiheit“ konnten <strong>in</strong> ke<strong>in</strong> Bezirksparlament e<strong>in</strong>ziehen. Antifaschistische Interventionen<br />

bei Wahlkampfver<strong>an</strong>staltungen aller drei Rechtsparteien können daher als e<strong>in</strong> Grund<br />

für die ger<strong>in</strong>gen Wahlstimmen der rechten Parteien gesehen wer<strong>den</strong>.<br />

ANTIFA JUGENDINFO<br />

2011<br />

07<br />

lassen und verschönerten vor kurzem die La<strong>den</strong>fassade mit schwarzer<br />

Farbe. Das Bündnis „Nazis auf die Pelle rücken“ ver<strong>an</strong>staltete ebenfalls<br />

e<strong>in</strong>e <strong>an</strong>tifaschistische Demonstration im Umfeld des NW-Stützpunktes<br />

„GAS GEBEN“ FüR UDo VoIGT<br />

Auch die diesjährige Berl<strong>in</strong>er Senats- bzw. BVV-Wahl rief die Nazis<br />

auf <strong>den</strong> Pl<strong>an</strong>, hier natürlich <strong>in</strong> Form der NPD. Diese sah sich <strong>von</strong> Anf<strong>an</strong>g<br />

<strong>an</strong> mit dem Problem konfrontiert, mit „Pro Deutschl<strong>an</strong>d“ und<br />

„Die Freiheit“ zwei weiteren Rechtsparteien als Konkurrenz ausgesetzt<br />

zu se<strong>in</strong>. Diese neue Situation versuchte die dienstälteste Nazipartei<br />

Deutschl<strong>an</strong>ds e<strong>in</strong>erseits durch e<strong>in</strong>en enormen Materialaufw<strong>an</strong>d, vor<br />

allem <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Plakaten und <strong>an</strong>dererseits durch besonders radikale<br />

Wahlkampfparolen zu lösen. So grüßte der Bundesvorsitzende<br />

Udo Voigt vom Wahlplakat und forderte auf widerwärtigste Weise<br />

zum „Gas geben“ auf. Für e<strong>in</strong>e gepl<strong>an</strong>te, nächtliche Plakatiertour, welche<br />

im größeren und geheimen Rahmen stattf<strong>in</strong><strong>den</strong> sollte, versuchte<br />

m<strong>an</strong> sogar Neonazis aus <strong>den</strong> <strong>an</strong>grenzen<strong>den</strong> Bundesländern und aus<br />

Tschechien nach Berl<strong>in</strong> zu la<strong>den</strong>. Nach <strong>an</strong>tifaschistischen Protesten<br />

mussten die Nazis <strong>von</strong> ihrem ursprünglichen Pl<strong>an</strong> jedoch abrücken.<br />

Die Verb<strong>in</strong>dungen zwischen NPD Berl<strong>in</strong> und „NW Berl<strong>in</strong>“ wur<strong>den</strong> im<br />

Zuge des Wahlkampfes auch dem Letzten offenkundig. So st<strong>an</strong><strong>den</strong> u.a.<br />

mit „NW Berl<strong>in</strong>“-Chef Sebasti<strong>an</strong> Schmidtke und Sebasti<strong>an</strong> Thom zwei<br />

l<strong>an</strong>gjährige Nazis aus dem Spektrum der freien Kameradschaftsszene<br />

auf dem Wahlzettel. Erfreulicherweise konnte die NPD jedoch nicht<br />

<strong>an</strong> Stimmen zulegen und flog sogar aus dem Neuköllner Bezirksparlament<br />

(siehe Kasten).<br />

AUSBLICK<br />

Es bleibt nach diesem ereignisreichen Jahr, welches noch nicht zu<br />

Ende ist, abzuwarten, ob die Nazis ihren Aktionismus <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ähnlichen<br />

Form fortsetzen können. Dieser kam vor allem durch die<br />

Verknüpfung der „Ausländer Raus – Kampagne“ mit dem NPD-<br />

Wahlkampf zu st<strong>an</strong>de. Auch gilt abzuwarten, <strong>in</strong>wiefern sich Sebasti<strong>an</strong><br />

Schmidtke mit se<strong>in</strong>em oftmals leeren Geschäft halten k<strong>an</strong>n.<br />

Ähnliches gilt für die gekündigten Räumlichkeiten <strong>in</strong> der Lückstraße,<br />

welche zum<strong>in</strong>dest ke<strong>in</strong>e unbegrenzte Lebensdauer haben dürften. Es<br />

bleibt jedoch dabei, dass die Berl<strong>in</strong>er Naziszene im Vergleich zum<br />

letzten Jahr <strong>an</strong> Gefahr zugelegt hat. Dies wird vor allem durch die<br />

Br<strong>an</strong>d<strong>an</strong>schläge und die zahlreichen Übergriffe deutlich. Für uns als<br />

Antifaschist_<strong>in</strong>nen gilt daher, <strong>den</strong> Nazis wieder offensiver entgegenzutreten,<br />

ihnen ke<strong>in</strong>e ruhige M<strong>in</strong>ute zu gönnen und ihre Strukturen<br />

offenzulegen und <strong>an</strong>zugreifen.


ANTIFA JUGENDINFO<br />

08 2011


SIEMPRE ANTIFASCISTA<br />

wEr iSt EigEntliCh niCht rEChtSpopuliStiSCh?<br />

Rechtspopulismus <strong>in</strong> Europa<br />

d<br />

er Begriff Rechtspopulismus ist moment<strong>an</strong> weit verbreitet, wenn es<br />

um die E<strong>in</strong>ordnung gewisser neugegründeter Parteien geht. Der Begriff<br />

sollte allerd<strong>in</strong>gs nicht e<strong>in</strong>fach unkritisch übernommen wer<strong>den</strong>, nur<br />

weil es alle so machen. Ursprünglich bezeichnet Populismus sich bevölkerungsnah<br />

gebende Politik, die bereits vorh<strong>an</strong><strong>den</strong>e Stimmungen und<br />

Me<strong>in</strong>ungen gezielt für die eigene Sache ausnutzt. Der Begriff wäre somit<br />

ohne ideologischen H<strong>in</strong>tergrund <strong>an</strong>wendbar, was die Möglichkeit eröffnet,<br />

ihn <strong>in</strong> die berüchtigte Extremismustheorie e<strong>in</strong>zuordnen. Populismus <strong>von</strong><br />

l<strong>in</strong>ks und <strong>von</strong> rechts wären nach diesem Denkmuster ähnlich zu bewerten.<br />

Aufgrund der Anknüpfung populistischer Agitation <strong>an</strong> z.B. Ängste bezüglich<br />

Sicherheit und Ordnung oder der Infragestellung <strong>von</strong> Gewohnheiten<br />

der Mehrheitsgesellschaft („Leitkultur“) verbietet sich aber pr<strong>in</strong>zipiell der<br />

Begriff L<strong>in</strong>kspopulismus. L<strong>in</strong>ke Politik stellt das System <strong>in</strong> Frage und will<br />

es überw<strong>in</strong><strong>den</strong> und es nicht gegen irgendwelche Fe<strong>in</strong>de verteidigen.<br />

Bei <strong>den</strong> als rechtspopulistisch bezeichneten Parteien Europas, die<br />

vor allem Stimmungsmache gegen Benachteiligte verschie<strong>den</strong>er Bevölkerungsgruppen<br />

betreiben, ist Populismus somit nur e<strong>in</strong>e Ausrede. Denn<br />

die <strong>an</strong> Verschwörungstheorien er<strong>in</strong>nernde Angst vor e<strong>in</strong>er „Islamisierung“<br />

Europas (die <strong>an</strong>gebliche Übernahme der Machtstrukturen durch<br />

Muslim_<strong>in</strong>nen) ist klar rassistisch und würde dem Image der selbstern<strong>an</strong>nten<br />

Demokrat_<strong>in</strong>nen scha<strong>den</strong>, wenn sie nicht gut verpackt wäre.<br />

Das Argument, dass m<strong>an</strong> ja selbst die Demokratie verteidigen würde und<br />

deswegen nicht rechts, sondern irgendwo <strong>in</strong> der Mitte der demokratischen<br />

Parteien e<strong>in</strong>zuordnen sei, ist dabei selbst Best<strong>an</strong>dteil der Ideologie.<br />

WAS RECHTSPoPULISTEN GEMEINSAM HABEN<br />

Geme<strong>in</strong>samkeiten der Akteur_<strong>in</strong>nen des modernen Rechtspopulismus<br />

s<strong>in</strong>d folgende:<br />

• Sozialchauv<strong>in</strong>ismus: Stimmungmache gegen e<strong>in</strong>e Bevölkerungsgruppe,<br />

oft gegen sozial Benachteiligte, die <strong>an</strong> ihrem schlechten St<strong>an</strong>d<br />

<strong>in</strong> der Gesellschaft selbst schuld seien<br />

• Rassismus bzw. “Kulturrassismus”: E<strong>in</strong>ordnung <strong>von</strong> Menschen<br />

(Schubla<strong>den</strong><strong>den</strong>ken) <strong>in</strong> feststehende Gruppen aufgrund <strong>von</strong> Herkunft<br />

oder konstruierter Herkunft oder gar der genetischen Anlage, statt<br />

„Rasse“ wird heutzutage oft „Kultur“ oder „Ethnie“ verwendet<br />

• personelle Verknüpfungen <strong>in</strong> milit<strong>an</strong>te Neonazi-Kreise, diese stellten<br />

oftmals die Gründungsmitglieder der neuen Parteien<br />

• <strong>an</strong>ti-muslimischer Rassismus: Geert Wilders (“Partij vor de Vrijheid”<br />

PVV aus <strong>den</strong> Niederl<strong>an</strong><strong>den</strong>) und René Stadtkewitz (Ex-CDU P<strong>an</strong>kow,<br />

“Die Freiheit”) haben sich darauf e<strong>in</strong>geschossen, Europa vor e<strong>in</strong>er <strong>an</strong>geblichen<br />

“Islamisierung” retten zu wollen, die ihrer Me<strong>in</strong>ung nach <strong>an</strong> jedem<br />

Kopftuch im Straßenbild und <strong>an</strong> jeder_jedem jugendlichen Straftäter_<strong>in</strong>nen<br />

mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund erkennbar ist, ihr Motiv ist die Angst<br />

• pro-israelisch: Im Zusammenh<strong>an</strong>g mit der Verteidigung sogen<strong>an</strong>nter<br />

westlicher Werte (Aufklärung) wird im Nahostkonflikt Stellung<br />

für Israel und vor allem gegen Paläst<strong>in</strong>a als Vorposten der islamischen<br />

Welt bezogen, e<strong>in</strong> <strong>von</strong> Rechtspopulist_<strong>in</strong>nen geprägter Begriff ist das<br />

„christlich-jüdische Abendl<strong>an</strong>d“. Wie treu Europa zu se<strong>in</strong>en christlichjüdischen<br />

Wurzeln steht, hat die Geschichte gezeigt.<br />

ANTIFA JUGENDINFO<br />

2011<br />

09<br />

• Selbstdarstellung als Opfer <strong>an</strong>geblich nicht vorh<strong>an</strong><strong>den</strong>er Me<strong>in</strong>ungsfreiheit,<br />

m<strong>an</strong> würde Tabus brechen und aussprechen, was viele <strong>den</strong>ken,<br />

sich aber nicht trauen zu sagen; politische Gegner_<strong>in</strong>nen wer<strong>den</strong> ihrerseits<br />

als „Faschisten“ oder „Rassisten“ bezeichnet<br />

Wenn <strong>an</strong>gegeben wird, „der Islam“ sei frauenfe<strong>in</strong>dlich und homophob,<br />

geschieht das nicht aus em<strong>an</strong>zipatorischer Motivation, sondern<br />

aus taktischen Grün<strong>den</strong>. Erstens ist der Islam äußerst vielschichtig und<br />

religiöse Menschen haben durchaus verschie<strong>den</strong>e Ansichten, zweitens<br />

ist der dem Islam gegenübergestellte aufgeklärte und toler<strong>an</strong>te Westen<br />

e<strong>in</strong>e patriarchale Unterdrückungsgesellschaft, <strong>in</strong> der es e<strong>in</strong>zig und alle<strong>in</strong><br />

um Leistung geht.<br />

Die Medienöffentlichkeit hat im Großen und G<strong>an</strong>ze verst<strong>an</strong><strong>den</strong>,<br />

dass „Die Freiheit“ rechts der CDU und nicht <strong>in</strong> der Nähe der FDP<br />

e<strong>in</strong>zuordnen ist. Es gilt der rechtspopulistischen Argumentation <strong>den</strong><br />

Nährbo<strong>den</strong> <strong>in</strong> der Gesellschaft zu entziehen und klarzustellen, dass auf<br />

Parteienebene wie auch außerparlamentarisch ke<strong>in</strong> Unterschied zwischen<br />

Rechtspopulismus und Neonazismus besteht.<br />

Rechtspopulismus <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />

In Berl<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d es besonders die bei<strong>den</strong> Kle<strong>in</strong>parteien „Die Freiheit“ und „Pro-Deutschl<strong>an</strong>d“,<br />

die mit rechtspopulistischen Parolen auf sich aufmerksam machen. Beide blieben<br />

allerd<strong>in</strong>gs mit 1 bzw. 1,2 Prozent weit h<strong>in</strong>ter ihren Erwartungen bei der Abgeordnetenhauswahl<br />

zurück.<br />

“Die Freiheit” wurde erst im oktober letzten Jahres <strong>von</strong> dem ehemaligen CDU-Mitglied<br />

René Stadtkewitz <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> gegründet. Inzwischen gibt es deutschl<strong>an</strong>dweit auch <strong>an</strong>dere<br />

L<strong>an</strong>desverbände der Partei; so beispielsweise <strong>in</strong> Hamburg.<br />

Die Partei “Pro Deutschl<strong>an</strong>d” wurde bereits 2005 gegründet. Hervorgeg<strong>an</strong>gen ist sie<br />

aus “Pro-Köln”, e<strong>in</strong>er <strong>in</strong> Köln recht erfolgreichen rechtsradikalen „Bürgerbewegung“. Der<br />

Bundesvorsitzende <strong>von</strong> “Pro Deutschl<strong>an</strong>d”, M<strong>an</strong>fred Rouhs, war früher Mitglied bei der<br />

NPD, <strong>den</strong> Republik<strong>an</strong>ern und verschie<strong>den</strong>en <strong>an</strong>deren extrem rechten org<strong>an</strong>isationen.<br />

Aufgrund des schlechten Abschnei<strong>den</strong>s bei der Abgeordnetenhauswahl gibt es<br />

<strong>in</strong>zwischen Bemühungen, die Parteien zu vere<strong>in</strong>en. Thematisch s<strong>in</strong>d sie sich recht ähnlich:<br />

Innere Sicherheit und die Furcht vor dem Islam s<strong>in</strong>d die bei<strong>den</strong> Hauptthemen. Ansonsten<br />

verstehen sie sich beide als pro-israelisch und pro-amerik<strong>an</strong>isch und betonen bei jeder<br />

Gelegenheit, nicht „rechtsextrem“ zu se<strong>in</strong>. Bei genauerer Betrachtung ihrer Wahlprogramme<br />

wird jedoch deutlich, dass sie <strong>in</strong> Sachen rassistischer Propag<strong>an</strong>dha und autoritärem<br />

Staatsverständnis der NPD <strong>in</strong> nichts nachstehen!


10<br />

ANTIFA JUGENDINFO<br />

2011<br />

SIEMPRE ANTIFASCISTA<br />

hEiSSEr hErbSt <strong>in</strong> warSChau<br />

Polens größter Naziaufmasch steht bevor –<br />

Antifaschist_<strong>in</strong>nen rufen zu Blocka<strong>den</strong> auf<br />

m 11. November wird der polnische Nationalfeiertag beg<strong>an</strong>gen.<br />

a Zugleich f<strong>in</strong>det seit nunmehr 21 Jahren e<strong>in</strong> Neonaziaufmarsch<br />

durch Warschaus Innenstadt statt, der sich zum bedeutendsten Ereignis<br />

für polnische Neonazis gemausert hat. Die Teilnehmer_<strong>in</strong>nen des<br />

Aufmarsches s<strong>in</strong>d dabei nicht nur optisch als „klassische“ Neonazis<br />

zu bezeichnen: Antisemit_<strong>in</strong>nen, Antikommunist_<strong>in</strong>nen und Homophobe<br />

aus allen rechten bis neonazistischen Spektren f<strong>in</strong><strong>den</strong> <strong>an</strong> diesem<br />

Tag zusammen. 2010 waren mehr als 1700 Neonazis <strong>an</strong>wesend – dieses<br />

Jahr wird die Teilnehmer_<strong>in</strong>nenzahl auf mehr als das doppelte geschätzt.<br />

Polnische Neonazis außerhalb <strong>von</strong> Parteien haben sich nach<br />

dem Vorbild deutscher Kameradschaften org<strong>an</strong>isiert, g<strong>an</strong>z wie ihre<br />

„Kamera<strong>den</strong>“ <strong>in</strong> Tschechien. Gerade die <strong>in</strong> Kameradschaften org<strong>an</strong>isierten<br />

Neonazis werben massiv unter Jugendlichen – auf ihren eigenen<br />

„Blood&Honour“-Konzerten und <strong>in</strong> Fußballstadien. Dabei kooperieren<br />

polnische Neonazis auch gerne mit deutschen Kamera<strong>den</strong>, die über die<br />

Grenze fahren, um fernab <strong>von</strong> staatlicher Repression Rechtsrockkonzerte<br />

erleben und <strong>den</strong> rechten Arm heben zu können. Auch suchen sie<br />

nach Ersatzver<strong>an</strong>staltungen für die <strong>in</strong>zwischen verschwun<strong>den</strong>en Großdemos<br />

<strong>in</strong> Dres<strong>den</strong> oder Wunsiedel, neuerd<strong>in</strong>gs ist auch die Anti-Kriegs-<br />

Demo <strong>in</strong> Dortmund ke<strong>in</strong> Zuckerschlecken mit Polizeischutz mehr.<br />

Vere<strong>in</strong>e wie Lechia Gd<strong>an</strong>sk und Legia Warschau, <strong>von</strong> der ersten Liga<br />

bis h<strong>in</strong> zu <strong>den</strong> Bezirksligen, können auf e<strong>in</strong>e große nationalistische und<br />

rassistische Hoolig<strong>an</strong>szene verweisen.<br />

Die Stadien dienen <strong>den</strong> Neonazis als Rekrutierungsfeld, um Jugendliche<br />

zu Rechtsrockkonzerten und Aufmärschen e<strong>in</strong>zula<strong>den</strong>.<br />

Offen agierende <strong>an</strong>tifaschistische Fußballf<strong>an</strong>s gibt es aufgrund der<br />

rechten Dom<strong>in</strong><strong>an</strong>z nur sehr wenige. Auch <strong>in</strong> Polen existieren „Anti-<br />

Antifa“-Strukturen, die die wenigen zivilgesellschaftlichen Kräfte wie<br />

die <strong>an</strong>tirassistische NGO „Nigdy Wiecej (Never Aga<strong>in</strong>)“ vor Ort versuchen<br />

e<strong>in</strong>zuschüchtern. Milit<strong>an</strong>te Neonazi-Parteien wie die „Nationale<br />

Wiedergeburt Polens“ oder Org<strong>an</strong>isationen wie das „Radikale Nationale<br />

Lager“ stellen das Sammelbecken e<strong>in</strong>es Großteils der gewaltbereiten<br />

Naziszene dar. H<strong>an</strong>d <strong>in</strong> H<strong>an</strong>d mit Neonazis gehen auch die reaktionären<br />

Teile der katholischen Kirche und ehemalige mitregierende Rechtsparteien<br />

wie die „Liga der polnischen Familien“. Die Stoßrichtung bei<br />

allen drei Akteuren, ob geme<strong>in</strong>sam gegen <strong>den</strong> Gay Pride March im<br />

Sommer oder am 11. November <strong>in</strong> Warschau, ist klar: Gewalt gegen<br />

Queer-People, L<strong>in</strong>ke und Jüd<strong>in</strong>nen und Ju<strong>den</strong> sowie die Forderungen<br />

nach e<strong>in</strong>em „Großpolen“.<br />

Pami taj c oznacza walk! Er<strong>in</strong>nern heißt Kämpfen!<br />

21 Jahre Naziaufmarsch <strong>in</strong> Warschau bedeuten auch 21 Jahre <strong>an</strong>tifaschistischen<br />

Protest. Wir möchten unsere Genoss_<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> Polen unterstützen und rufen Euch<br />

auf, nach Warschau zu fahren – Informieren, Demonstrieren, Blockieren!<br />

Geme<strong>in</strong>sam wer<strong>den</strong> wir nach dem Aufmarsch <strong>in</strong> Dres<strong>den</strong> nun Warschau zum<br />

Schauplatz erfolgreicher <strong>an</strong>tifaschistischer und <strong>an</strong>tirassistischer Widerstände<br />

machen. Kommt mit und reiht euch e<strong>in</strong> – geme<strong>in</strong>sam für e<strong>in</strong>e starke <strong>in</strong>ternationale<br />

Antifa-Bewegung!<br />

11. November 2011 <strong>in</strong> Warschau: Nazis blockieren! Venceremos!


SIEMPRE ANTIFASCISTA<br />

SubkulturEn und ihrE problEmE<br />

ubkulturen haben e<strong>in</strong>e l<strong>an</strong>ge Tradition. Sie bieten Alternativen und<br />

S Freiräume im kapitalistischen Alltagsstress. Sie waren und s<strong>in</strong>d seit<br />

jeher Ausdruck e<strong>in</strong>er rebellischen und systemkritischen Jugendbewegung.<br />

Durch die Subkultur kommen Jugendliche oft erstmals <strong>in</strong> Kontakt<br />

mit Politik. Zudem versuchen sie sich <strong>von</strong> der Mehrheitsgesellschaft<br />

zu dist<strong>an</strong>zieren, <strong>in</strong>dem sie sich bewusst durch entsprechende Musik,<br />

Kleidung und oft auch Verhalten abgrenzen. Vor allem <strong>in</strong> der Punkund<br />

Sk<strong>in</strong>headbewegung, aber auch <strong>in</strong> <strong>an</strong>deren Teilen der Subkultur,<br />

geht jedoch <strong>in</strong> <strong>den</strong> letzten Jahren e<strong>in</strong> klarer <strong>an</strong>tifaschistischer Grundsatz<br />

verloren. Dafür gibt es mehrere Gründe: Durch die Kommerzialisierung<br />

wird e<strong>in</strong>e Massentauglichkeit <strong>in</strong> der Subkultur <strong>an</strong>gestrebt.<br />

Äußerlichkeiten gew<strong>in</strong>nen <strong>an</strong> Bedeutung, wodurch politische Inhalte<br />

zweitr<strong>an</strong>gig wer<strong>den</strong>. Viel zu oft dienen die <strong>an</strong>tirassistischen Wurzeln<br />

nur als Ausrede, weitere Diskussionen zu umgehen und grenzwertige<br />

Verhaltensmuster zu rechtfertigen. Dieser leichts<strong>in</strong>nige Umg<strong>an</strong>g bietet<br />

rechtsoffenen bis sogar extrem rechten Strukturen E<strong>in</strong>fluss <strong>in</strong> die Szene.<br />

Leider existieren heute die unterschiedlichsten Ansichten.<br />

Gerade <strong>in</strong> Teilen der „unpolitischen“ Oi! - Szene wird das G<strong>an</strong>ze<br />

auf e<strong>in</strong>e Wochenendrebellion abget<strong>an</strong>. Unter der Woche wird e<strong>in</strong> gutbürgerliches<br />

Leben geführt und am Wochenende wird sich <strong>in</strong> Schale<br />

geschmissen. Politische Ideale gibt es nicht! Es gibt e<strong>in</strong>en Leitspruch:<br />

„Ficken, Saufen, Oi!“. Der Spaßfaktor steht im Vordergrund. Konzerte<br />

ANTIFA JUGENDINFO<br />

2011<br />

11<br />

wer<strong>den</strong> mit rechtsoffenen B<strong>an</strong>ds <strong>in</strong> rechtsoffenen Locations ver<strong>an</strong>staltet<br />

und es gibt ke<strong>in</strong>e Berührungsängste zwischen <strong>den</strong> Lagern. Das Fe<strong>in</strong>dbild<br />

lautet Antifa und ist sogleich das Fundament für e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samen<br />

St<strong>an</strong>dpunkt. Wir, als RASH, f<strong>in</strong><strong>den</strong> die derzeitigen Verhältnisse<br />

zum Kotzen und dist<strong>an</strong>zieren uns g<strong>an</strong>z klar <strong>von</strong> diesen Entwicklungen!<br />

Wir fordern e<strong>in</strong>en klaren <strong>an</strong>tifaschistischen Konsens <strong>in</strong> der Subkultur.<br />

Verhaltensmuster, die die Parallele zur Gesellschaft bieten, müssen bekämpft<br />

wer<strong>den</strong> und haben <strong>in</strong> der Szene nix zu suchen. Für uns bedeutet<br />

Subkultur mehr als Party und cooles Outfit. Eher betrachten wir uns<br />

als Gegenkultur zu diesen kapitalistischen Zustän<strong>den</strong>. In diesem S<strong>in</strong>ne:<br />

stay rude <strong>an</strong>d stay rebel, kick fascism out of our subculture!<br />

Infos über Rechtsrock<br />

Turn It Down > www.turnitdown.de<br />

Antifaschistisches Infoblatt > aib.nadir.org/<strong>in</strong>dex.php/archiv/58-ausgabe-91<br />

oire Szene Blog > oireszene.blogsport.de


12<br />

ANTIFA JUGENDINFO<br />

2011<br />

RIGAER 94<br />

dEr rEprESSion E<strong>in</strong> bE<strong>in</strong> StEllEn<br />

Zum Umg<strong>an</strong>g mit staatlicher Repression …<br />

enschen, die sich gegen Kapitalismus und Staat zur Wehr setzen<br />

m und auf dem Wege zu etwas Besserem als dem täglichen g<strong>an</strong>z normalen<br />

Wahns<strong>in</strong>n auch noch e<strong>in</strong> paar Nazis platt machen, s<strong>in</strong>d immer<br />

wieder <strong>von</strong> Repression betroffen. K<strong>an</strong>n die staatliche Politik sie nicht<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> Ma<strong>in</strong>stream <strong>in</strong>tegrieren, so wird versucht, diese Menschen zu<br />

kontrollieren und abzuschrecken. Es gibt aber zahlreiche Möglichkeiten,<br />

dem Staat bei dieser Arbeit <strong>in</strong> die Suppe zu spucken.....<br />

TRICKS GEGEN üBERWACHUNG<br />

Um zusammen etwas zu starten, muss mensch sich verabre<strong>den</strong>. Und<br />

da fängt nicht selten der Ärger <strong>an</strong>: mit Facebook und Ähnlichem könnt<br />

ihr viele Leute erreichen; es ist leicht, Infos weiterzugeben. Aber Vorsicht:<br />

häufig liest der Verfassungsschutz mit! Um diese Netzwerke e<strong>in</strong>igermaßen<br />

sicher nutzen zu können, ist es e<strong>in</strong>e gute Idee, wenn ihr e<strong>in</strong>e<br />

<strong>an</strong>onyme Seite <strong>an</strong>legt, die mit eurem richtigen Namen nicht <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />

steht. Idealerweise benutzt ihr dazu e<strong>in</strong>en <strong>an</strong>deren als euren<br />

privaten Rechner, da alle Computer Datenspuren im Netz h<strong>in</strong>terlassen.<br />

Das Gleiche gilt für H<strong>an</strong>dys: überall dort, woh<strong>in</strong> ihr sie mitnehmt,<br />

h<strong>in</strong>terlassen sie e<strong>in</strong>e Datenspur, <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d derer die Bullen e<strong>in</strong> Bewegungsprofil<br />

<strong>von</strong> euch erstellen können. Sie können also später, wenn<br />

es irgendwo gekracht hat, feststellen, welche H<strong>an</strong>dys sich zu diesem<br />

Zeitpunkt <strong>in</strong> der nächsten Funkzelle e<strong>in</strong>geloggt haben. Und natürlich<br />

können sie auch – sollten sie euch schon auf dem Kieker haben – Gespräche<br />

und <strong>an</strong>dere Datenübertragungen abf<strong>an</strong>gen und mitlesen.<br />

Habt ihr es geschafft, euch zu verabre<strong>den</strong>, ohne dass die staatlichen<br />

Spitzel was mitbekommen haben, steht ihr nicht selten vor dem nächsten<br />

Problem: ob bei Demo oder Aktion <strong>in</strong> der Öffentlichkeit, ständig<br />

zücken Leute ihre H<strong>an</strong>dys und filmen alles ab, was ihnen vor die L<strong>in</strong>se<br />

kommt. Was für die E<strong>in</strong>en e<strong>in</strong> nettes An<strong>den</strong>ken ist, k<strong>an</strong>n <strong>in</strong> <strong>den</strong> falschen<br />

Hän<strong>den</strong> für die Anderen schnell zu e<strong>in</strong>em großen Problem wer<strong>den</strong>.<br />

Häufig schon haben sich Bullen gewaltsam H<strong>an</strong>dys und Kameras<br />

<strong>an</strong>geeignet und s<strong>in</strong>d so <strong>an</strong> belastendes Filmmaterial gekommen. Oder<br />

sie durchstöbern e<strong>in</strong>fach Youtube nach allem, was für sie <strong>in</strong>teress<strong>an</strong>t<br />

se<strong>in</strong> könnte.<br />

Es ist also e<strong>in</strong>e gute Idee, Leute <strong>an</strong>zusprechen, die wild umher filmen<br />

und sich der möglichen Konsequenzen oft nicht bewusst s<strong>in</strong>d. Kameras<br />

haben auf Demos und Aktionen nix verloren! Das gleiche gilt für<br />

Vertreter_<strong>in</strong>nen der Spr<strong>in</strong>ger- und <strong>an</strong>derer hetzerischer Presse. Macht<br />

<strong>den</strong>en e<strong>in</strong>e klare Ansage, dass sie nicht erwünscht s<strong>in</strong>d!<br />

E<strong>in</strong>e Ausnahme stellen befreundete Fotograf_<strong>in</strong>nen dar, die selbst<br />

aus e<strong>in</strong>er politischen Motivation heraus h<strong>an</strong>deln und ver<strong>an</strong>twortungsbewusst<br />

mit ihrer Kamera und dem e<strong>in</strong>gef<strong>an</strong>genen Material umgehen.<br />

Sie s<strong>in</strong>d m<strong>an</strong>chmal durch e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Presse-B<strong>in</strong>de am Arm gekennzeichnet,<br />

die am Anf<strong>an</strong>g e<strong>in</strong>er Demo oder Aktion <strong>von</strong> <strong>den</strong> Ver<strong>an</strong>stalter_<strong>in</strong>nen<br />

ausgegeben wird.<br />

WENN DER STAAT DoCH MAL ZUSCHLäGT....<br />

Repression beg<strong>in</strong>nt nicht erst bei e<strong>in</strong>er Verhaftung. Genauso, wie die<br />

Bullen euch mit dem Ged<strong>an</strong>ken <strong>an</strong> mögliche Gerichtsverfahren abschrecken<br />

wollen, so versuchen sie, durch martialisches Auftreten und<br />

wildes Tonfa-Schw<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>e Atmosphäre der Angst zu schaffen. Es ist<br />

normal, sich auch mal e<strong>in</strong>geschüchtert zu fühlen, und wenn mensch<br />

bei e<strong>in</strong>er Demo vielleicht mal was abbekommen hat, erst mal e<strong>in</strong>e Pause<br />

<strong>von</strong> Ver<strong>an</strong>staltungen mit wüten<strong>den</strong> Bullen zu brauchen. Nehmt eure<br />

Ängste ernst und versucht mit <strong>an</strong>deren darüber zu re<strong>den</strong>. Das hilft auf<br />

Dauer oft viel mehr, als zu versuchen die Zähne zusammen zu beißen<br />

und bei allem mitzumachen, auch wenn ihr euch gerade nicht d<strong>an</strong>ach<br />

fühlt. Für Leistungsdruck ist schließlich der Kapitalismus zuständig<br />

und nicht e<strong>in</strong>e solidarische Bewegung!<br />

Haben euch die Bullen d<strong>an</strong>n doch mal „e<strong>in</strong>gesackt“, so ruft Umstehen<strong>den</strong><br />

euren Namen zu. Idealerweise seid ihr <strong>von</strong> Anf<strong>an</strong>g <strong>an</strong> <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Bezugsgruppe unterwegs, die euer Verschw<strong>in</strong><strong>den</strong> bemerkt und<br />

sofort tätig wird. Wenn der Ermittlungsausschuss erreichbar ist, sollte<br />

e<strong>in</strong>e Person aus der Bezugsgruppe dort <strong>an</strong>rufen, damit euch möglichst<br />

schnell e<strong>in</strong> Anwalt/ e<strong>in</strong>e Anwält<strong>in</strong> geschickt wird. Ihr selbst sagt <strong>den</strong><br />

Bullen außer Name, Geburtsdatum, Berufststatus (wie z.B. Schüler_<strong>in</strong><br />

oder Angestellte) und Adresse nichts, aber auch re<strong>in</strong> gar nix. Selbst<br />

wenn es sich eurer Me<strong>in</strong>ung nach um e<strong>in</strong>e fürchterliche Verwechslung<br />

h<strong>an</strong>delt, so solltet ihr euch nur dem Anwalt/ der Anwält<strong>in</strong> <strong>an</strong>vertrauen.<br />

Seid ihr wieder draußen, atmet erstmal tief durch. Vielleicht stehen<br />

vor der Polizeistation Leute, die Prisoner Support machen (immer e<strong>in</strong>e<br />

gute Idee, sowas zu org<strong>an</strong>isieren!) und die euch mit e<strong>in</strong>em Tee und<br />

warmen Worten <strong>in</strong> Empf<strong>an</strong>g nehmen. Gönnt euch was Gutes und redet<br />

mit Freund_<strong>in</strong>nen über das Erlebte. Dabei solltet ihr beiseite lassen,<br />

ob ihr <strong>den</strong>n die euch vorgeworfene Tat beg<strong>an</strong>gen habt und auch ke<strong>in</strong>e<br />

Details <strong>von</strong> Aktionen preisgeben. Kotzt euch lieber aus, wie scheiße<br />

die Bullen waren oder auch wie dämlich. Und wenn ihr d<strong>an</strong>n noch e<strong>in</strong><br />

bisschen Energie habt, könnt ihr euch überlegen, wie ihr <strong>den</strong> Spieß<br />

umdreht: das geht beispielsweise mit Aufklebern und Plakaten <strong>von</strong> besonders<br />

fiesen Bullen oder mit e<strong>in</strong>em guten Text zu dem Vorfall. Denn<br />

negative Publicity mögen die Herren und Damen Staatsterror gar nicht<br />

und mensch k<strong>an</strong>n hoffen, ihnen die e<strong>in</strong>e oder <strong>an</strong>dere schlaflose Nacht<br />

zu bereiten....<br />

Noch e<strong>in</strong> Schlusswort: bei aller Vorsicht, die bei der Pl<strong>an</strong>ung und<br />

Durchführung <strong>von</strong> Aktionen geboten ist , solltet ihr euch vom Thema<br />

Überwachung und Repression nicht verrückt machen lassen. In Berl<strong>in</strong><br />

geht verdammt viel und es ist immer e<strong>in</strong>e gute Zeit, um auf die Straße<br />

zu gehen!


loS JEtzt hiEr!<br />

Demo 1x1<br />

v<br />

ielleicht ist das de<strong>in</strong>e erste Demo, vielleicht auch de<strong>in</strong>e hundertste,<br />

auf je<strong>den</strong> Fall ist es immer s<strong>in</strong>nvoll sich vor e<strong>in</strong>er Demo noch<br />

e<strong>in</strong>mal darauf zu bes<strong>in</strong>nen, was Mensch dabei haben sollte, was nicht<br />

und was eventuell noch vorbereitet wer<strong>den</strong> könnte. Genau darum soll<br />

es im folgen<strong>den</strong> Text gehen.<br />

TAKE yoUR FRIENDS...<br />

oder: E<strong>in</strong>en F<strong>in</strong>ger könnt ihr brechen aber fünf F<strong>in</strong>ger s<strong>in</strong>d ‚ne Faust!<br />

Auf e<strong>in</strong>e Demo solltest du möglichst nicht alle<strong>in</strong>e gehen. Zusammen<br />

macht es mehr Spaß und es ist auch sicherer. Frage doch vorher e<strong>in</strong><br />

paar Freund_<strong>in</strong>nen <strong>von</strong> dir, ob sie zusammen mit dir für die Demo<br />

e<strong>in</strong>e Bezugsgruppe grün<strong>den</strong> wollen. Ihr überlegt euch vor der Demo<br />

was ihr machen wollt und tauscht Erfahrungen aus, damit ihr während<br />

der Demo wisst, was die Menschen, mit <strong>den</strong>en ihr unterwegs seit, machen<br />

wollen oder vor welchen Situationen sie Angst haben und diese<br />

deshalb gemie<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> sollten. E<strong>in</strong> weiterer wichtiger Punkt, warum<br />

ihr euch zu e<strong>in</strong>er Bezugsgruppe zusammen f<strong>in</strong><strong>den</strong> solltet, ist eure<br />

Sicherheit. Ihr könnt geme<strong>in</strong>sam Gefahren e<strong>in</strong>schätzen, aufe<strong>in</strong><strong>an</strong>der<br />

aufpassen und im Ernstfall weiß die Person, die festgenommen wurde,<br />

dass draußen Freund_<strong>in</strong>nen warten die sich um alles kümmern oder<br />

sie aus der Gesa (Gef<strong>an</strong>genensammelstelle) abholen.<br />

ICH PACKE MEINE TASCHE...<br />

und nehme mit: Was ihr auf e<strong>in</strong>er Demo auf je<strong>den</strong> Fall dabei haben<br />

solltet s<strong>in</strong>d <strong>an</strong>gemessene Klamotten und gemütliche Schuhe. Bei <strong>den</strong><br />

Klamotten ist es wichtig nicht nur <strong>den</strong> schwarzen Kapu e<strong>in</strong>zupacken,<br />

sondern vielleicht auch etwas Farbiges oder Unauffälliges dabei zu<br />

haben, um <strong>in</strong> heiklen Situationen <strong>den</strong> Bullen nicht durch <strong>den</strong> Kleidungsstil<br />

aufzufallen. Außerdem solltet ihr e<strong>in</strong>en Stift und e<strong>in</strong>en Zettel<br />

mitbr<strong>in</strong>gen um euch die Nummer vom Ermittlungsausschuss (EA)<br />

aufzuschreiben und für <strong>den</strong> Ernstfall etwas Kle<strong>in</strong>geld, um aus der Gesa<br />

telefonieren zu können. Wenn ihr regelmäßig Medikamente nehmen<br />

müsst, nehmt diese unbed<strong>in</strong>gt mit. Und e<strong>in</strong>e Flasche Wasser k<strong>an</strong>n auch<br />

nie scha<strong>den</strong>. Was ihr auf je<strong>den</strong> Fall zu Hause lassen solltet s<strong>in</strong>d alle<br />

„verbotenen“ Gegenstände wie Waffen und Drogen. Bitte <strong>den</strong>kt dar<strong>an</strong>,<br />

vor der Demo ke<strong>in</strong>en Alkohol zu konsumieren oder Drogen zu nehmen<br />

- damit br<strong>in</strong>gt ihr euch und Andere <strong>in</strong> Gefahr. Außerdem lasst alle<br />

persönlichen Gegenstände wie Adress- oder Tagebücher zu Hause. Bei<br />

e<strong>in</strong>er Festnahme wür<strong>den</strong> die Bullen das gegen dich und de<strong>in</strong>e Freund_<br />

<strong>in</strong>nen verwen<strong>den</strong>. Auch de<strong>in</strong> H<strong>an</strong>dy k<strong>an</strong>n gut zuhause bleiben. Zum<br />

e<strong>in</strong>en f<strong>in</strong><strong>den</strong> die Bullen darauf auch viele private Infos, die sie nichts<br />

<strong>an</strong>gehen, zum <strong>an</strong>deren können sie dich orten und de<strong>in</strong>e Anwesenheit<br />

<strong>an</strong> e<strong>in</strong>em Ort beweisen. Zuletzt geschehen am 19.2.2011 <strong>in</strong> Dres<strong>den</strong>,<br />

wo die Bullen tausende H<strong>an</strong>dydaten aufzeichneten und nun Antifaschist_<strong>in</strong>nen<br />

krim<strong>in</strong>alisieren, weil sie <strong>in</strong> Dres<strong>den</strong> waren. Der letzte<br />

Punkt, und d<strong>an</strong>n k<strong>an</strong>n’s losgehen, bitte lass auch de<strong>in</strong>e Digicam zuhause<br />

und mach auch ke<strong>in</strong>e Fotos oder Videos mit dem H<strong>an</strong>dy auf der<br />

Demo. Das br<strong>in</strong>gt Menschen <strong>in</strong> Gefahr da, bei e<strong>in</strong>er Beschlagnahmung<br />

de<strong>in</strong>e Fotos als Beweismittel <strong>von</strong> <strong>den</strong> Bullen genutzt wer<strong>den</strong> können.<br />

Also <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne „No camera No problem“<br />

Vermumm dich!<br />

Vermummung ist zwar auf Demos verboten, k<strong>an</strong>n jedoch <strong>in</strong> m<strong>an</strong>chen<br />

Situationen sehr s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong>. Das soll nicht heißen, dass du dich auf jeder<br />

Demo gleich vermummen sollst, aber wenn du dich <strong>an</strong> Aktionen beteiligst<br />

wie z.B. Ste<strong>in</strong>e auf Bullen schmeißen, solltest du de<strong>in</strong> Gesicht auf je<strong>den</strong> Fall<br />

unkenntlich machen. Es ist besser, wegen Vermummung festgenommen zu<br />

wer<strong>den</strong>, als wegen schwerem L<strong>an</strong>dfrie<strong>den</strong>sbruch.<br />

Als Vermummungsgegenstände<br />

s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Schal und e<strong>in</strong>e Mütze sehr<br />

gut geeignet. Aber auch e<strong>in</strong> T-Shirt<br />

eignet sich, wie auf dem Bild zu<br />

sehen ist, bestens um de<strong>in</strong> Gesicht<br />

zu verdecken. Gerade bei Vorkontrollen<br />

s<strong>in</strong>d das Gegenstände,<br />

die dir die Bullen nicht wegnehmen, im Gegensatz zu e<strong>in</strong>er Skimaske oder<br />

ähnlichem. Also viel Spaß beim Umsetzten und lass dich nicht wegf<strong>an</strong>gen!<br />

ANTIFA JUGENDINFO<br />

2011 13<br />

WATCH oUT<br />

Nicht alle Menschen auf e<strong>in</strong>er Demo die dich freundlich <strong>an</strong>lächeln und<br />

schwarze Klamotten tragen, s<strong>in</strong>d Genoss_<strong>in</strong>nen. Leider mischen sich<br />

immer wieder Bullen <strong>in</strong> zivil <strong>in</strong> die Demo, um zu überwachen, Infos<br />

nach „draußen“ zu geben oder Festnahmen e<strong>in</strong>zuleiten. Deshalb ist<br />

Vorsicht geboten. Wenn ihr das Gefühl habt, neben e<strong>in</strong>em Zivibullen<br />

zu laufen, fragt doch e<strong>in</strong>fach mal nach...meistens verraten sich diese<br />

d<strong>an</strong>n durch ihre Reaktion. Nehmt Infos zu Aktionen nur <strong>von</strong> Freund_<br />

<strong>in</strong>nen <strong>an</strong> und gebt sie auch nur <strong>an</strong> diese weiter. Sonst br<strong>in</strong>gt ihr euch<br />

und <strong>an</strong>dere <strong>in</strong> Gefahr.<br />

DER EA IST DEIN_E FREUND_IN...<br />

Ist der Ernstfall e<strong>in</strong>getroffen und e<strong>in</strong>e_r de<strong>in</strong>er Freund_<strong>in</strong>nen ist festgenommen<br />

wor<strong>den</strong>: erstmal ke<strong>in</strong>e P<strong>an</strong>ik. Nachdem ihr kurz durchgeatmet<br />

und euch e<strong>in</strong>e ruhige Ecke gesucht habt, ruft ihr am besten <strong>den</strong><br />

Ermittlungsausschuss (EA) <strong>an</strong>. Der Berl<strong>in</strong>er EA ist unter der Nummer<br />

030/ 69 22 222 zu erreichen. Die Nummer könnt ihr euch auf <strong>den</strong> Arm<br />

schreiben, damit ihr sie nicht vergessen und die Bullen sie euch nicht<br />

wegnehmen können. Der EA braucht <strong>von</strong> euch <strong>den</strong> Namen, das Geburtsdatum<br />

und die Meldeadresse der_des Festgenommenen. Falls ihr<br />

<strong>den</strong> Vorwurf der Bullen kennt gerne auch <strong>den</strong>. Aber ke<strong>in</strong>e Spekulationen<br />

am Telefon! Der EA wird sich d<strong>an</strong>n mit diesen Informationen e<strong>in</strong><br />

Bild <strong>von</strong> der Situation machen und alles tun, um euren Mitstreiter_<strong>in</strong>nen<br />

zu helfen. Vor allem setzen die Leute alles dar<strong>an</strong>, dass niem<strong>an</strong>d<br />

im Knast vergessen wird und ohne Anwält<strong>in</strong> oder Anwalt vor <strong>den</strong>/die<br />

Haftricher_<strong>in</strong> kommt. Daher ist es besonders wichtig, dass ihr dem EA<br />

Bescheid sagt, wenn ihr oder eure Leute wieder draußen seit. Ansonsten<br />

heißt dass unnötige Arbeit für <strong>den</strong> EA und die Anwält_<strong>in</strong>nen und<br />

für euch eventuell e<strong>in</strong>en frühmorgendlichen Anruf. Wenn ihr Festnahmen<br />

beobachtet versucht <strong>den</strong> Namen und das Geburtsdatum der festgenommenen<br />

Person zu erfahren z.B. durch Zurufen und meldet auch<br />

das dem EA. Damit auch <strong>an</strong>dere euch helfen können, ruft während<br />

eurer Festnahme laut euren Namen und Geburtsdatum.<br />

In der Hoffnung, dass all diese Informationen nicht zur praktischen<br />

Anwendung kommen müssen....<br />

Viel Spaß und Erfolg auf der diesjährigen Silvio Meier Demonstration!


14<br />

ANTIFA JUGENDINFO<br />

2011<br />

„NO JUSTICE NO PEACE“-BüNDNIS<br />

tödliChE polizEigEwalt<br />

Ke<strong>in</strong> Opfer ist je vergessen!<br />

n <strong>den</strong> siebziger Jahren wur<strong>den</strong> <strong>in</strong> der BRD m<strong>in</strong>destens 127 Men-<br />

I schen <strong>von</strong> der Polizei erschossen, <strong>in</strong> <strong>den</strong> achtziger Jahren waren es<br />

123, die <strong>von</strong> Polizeikugeln tödlich getroffen wur<strong>den</strong>. Seitdem liegt der<br />

durchschnittliche Mittelwert bei <strong>an</strong>geblich 13 Menschen, die pro Jahr<br />

<strong>von</strong> der Polizei erschossen wer<strong>den</strong>. Aber 1993 waren es zum Beispiel<br />

16 und 1995 sogar 21 Todesschüsse durch Beamt_<strong>in</strong>nen.<br />

H<strong>in</strong>zu kommen Menschen, die nach ihrer Festnahme aus ungeklärten<br />

Grün<strong>den</strong> im Polizeigewahrsam sterben. Diese Fälle wer<strong>den</strong> oft<br />

als Selbstmord deklariert, m<strong>an</strong>chmal ist die Todesursache aber offenkundig<br />

gewaltsam. So wurde Steph<strong>an</strong> Neisius am 11. Mai 2002 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Kölner Wache derart verprügelt, dass er zwei Wochen später starb. Und<br />

Oury Jalloh verbr<strong>an</strong>nte 2005 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zelle der Dessauer Polizei.<br />

Zusätzlich sterben Menschen bei Polizeie<strong>in</strong>sätzen ohne Schusswaffengebrauch,<br />

sie ersticken wie Aamir Ageeb am 28. Mai 1999 <strong>in</strong> Fr<strong>an</strong>kfurt<br />

bei e<strong>in</strong>er Abschiebung, wer<strong>den</strong> mit der Verabreichung <strong>von</strong>Brechmitteln<br />

getötet, wie Achidi John <strong>in</strong> Hamburg, oder sterben durch <strong>den</strong><br />

E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong> Pfefferspray, wie Sliem<strong>an</strong> Hamade am 28. Februar 2010 <strong>in</strong><br />

Berl<strong>in</strong>. Nicht wenige Leute sterben auch auf der Flucht vor der Polizei,<br />

sei es durch Verkehrsunfälle oder mysteriöse Fensterstürze.<br />

Wenn e<strong>in</strong> Mensch <strong>in</strong> Deutschl<strong>an</strong>d <strong>von</strong> der Polizei getötet wird, behauptet<br />

diese immer, dass es <strong>in</strong> Notwehr geschehen sei oder durch die<br />

Verkettung unglücklicher Umstände oder ,dass der Polizeie<strong>in</strong>satz gar<br />

nicht <strong>den</strong> Tod verursacht habe. Trotzdem ermittelt die Polizei formal<br />

gegen die Beamt_<strong>in</strong>nen, um d<strong>an</strong>n später deren korrektes Verhalten<br />

festzustellen. Die Presse übernimmt fast immer ohne jede Kritik <strong>den</strong><br />

Wortlaut der Polizeimeldungen. In g<strong>an</strong>z seltenen Fällen l<strong>an</strong>det doch<br />

mal e<strong>in</strong>_e Polizist_<strong>in</strong> vor Gericht und noch seltener kommt es zu e<strong>in</strong>er<br />

Verurteilung. So wurde der Polizeikommissar Re<strong>in</strong>hard Rother wegen<br />

Totschlag <strong>an</strong> Dennis J. am Silvesterabend 2008 <strong>in</strong> Schönfließ zu e<strong>in</strong>er<br />

Bewährungsstrafe verurteilt.<br />

Dass Presse und Justiz sich davor scheuen, Polizeibeamt_<strong>in</strong>nen<br />

härter <strong>an</strong>zufassen, wenn diese e<strong>in</strong>en Menschen zu Tode br<strong>in</strong>gen, hat<br />

mehrere Gründe:<br />

E<strong>in</strong> Staat könnte nicht mehr auf die Angst der Bürger_<strong>in</strong>nen setzen,<br />

wenn se<strong>in</strong>e Beamt_<strong>in</strong>nen nicht mehr bereit wären, auf Befehl zu töten<br />

oder jede Normabweichung mit ultimativer Gewalt zu be<strong>an</strong>tworten.<br />

Denn <strong>den</strong> Staat hält auch die Angst zusammen. Wäre die Polizei nicht<br />

mehr bereit, tatsächliche oder verme<strong>in</strong>tliche Straftäter_<strong>in</strong>nen und zur<br />

Not auch Unbeteiligte zu töten, weil der_die e<strong>in</strong>zelne Beamt_<strong>in</strong> mit<br />

Repressalien rechnen würde, könnte der Staat nicht mehr auf die Gesetzestreue<br />

se<strong>in</strong>er Bürger_<strong>in</strong>nen hoffen. So „<strong>den</strong>kt“ je<strong>den</strong>falls der Staat<br />

mit se<strong>in</strong>em Anspruch auf das Gewaltmonopol. Und die Presse erfüllt<br />

<strong>in</strong> Deutschl<strong>an</strong>d auch nur ihre Funktion als System erhaltende Kraft.<br />

Dabei ist es selten e<strong>in</strong> Zufall, wer durch die Polizei zu Tode kommt.<br />

Fast immer trifft es Menschen, die zu Gruppen gehören, die <strong>von</strong> Politik<br />

und Medien stigmatisiert wer<strong>den</strong> und so <strong>in</strong> der Ged<strong>an</strong>kenwelt der Polizeibeamt_<strong>in</strong>nen<br />

als „vogelfrei“ gelten.<br />

Der Anteil Menschen afrik<strong>an</strong>ischer Herkunft <strong>an</strong> der Bevölkerung<br />

<strong>in</strong> Deutschl<strong>an</strong>d ist ger<strong>in</strong>g, ihr Anteil <strong>an</strong> Todesopfern durch Polizeigewalt<br />

jedoch extrem hoch. Sie wur<strong>den</strong> durch Hetzkampagnen der Regierung<br />

quasi zu Rechtlosen.<br />

So wie Menschen ohne deutschen Pass überproportional oft <strong>von</strong><br />

der Polizei getötet wer<strong>den</strong>, trifft es auch so gen<strong>an</strong>nte „Intensivtäter“<br />

oder „psychisch Kr<strong>an</strong>ke“, e<strong>in</strong>e Formulierun,g die oft gebraucht wird,<br />

wenn Frauen <strong>von</strong> der Polizei erschossen wer<strong>den</strong>.<br />

Diese Gruppen haben ke<strong>in</strong>e Lobby und ihr Tod geht meistens ohne<br />

großes Aufsehen über die Bühne. Nur wenn die Opfer e<strong>in</strong> soziales Umfeld<br />

haben, dass sich mit der Ermordung nicht abf<strong>in</strong>det und entsprechend<br />

tätig wird, folgt auf e<strong>in</strong>en tödlichen Polizeie<strong>in</strong>satz mehr als e<strong>in</strong>e<br />

kle<strong>in</strong>e Zeitungsnotiz.<br />

Als Antifaschist_<strong>in</strong>nen haben wir die Aufgabe, dem selbstherrlichen<br />

Def<strong>in</strong>ieren durch Staat und Polizei, wer leben darf und wer nicht,<br />

etwas entgegen zu setzen. Die Entscheidung <strong>von</strong> Polizeibeamt_<strong>in</strong>nen,<br />

e<strong>in</strong>en Menschen zu töten, ist immer unmenschlich und entspricht e<strong>in</strong>er<br />

totalitären Weltsicht, die die Grenzen zwischen autoritären Demokratien<br />

und faschistischen Diktaturen fließend macht.<br />

Ke<strong>in</strong> Staat hat das Recht, Menschenleben auszulöschen, um Abschiebungen<br />

durchzusetzen, Eigentumsverhältnisse aufrecht zu erhalten,<br />

Drogenh<strong>an</strong>deln zu unterb<strong>in</strong><strong>den</strong> oder aufällige Personen zu<br />

selektieren. Und ke<strong>in</strong>_e Beamt_<strong>in</strong> darf sich hierbei auf e<strong>in</strong>en Befehlsnotst<strong>an</strong>d<br />

berufen können.<br />

Wir müssen Polizeigewalt öffentlich machen und wir müssen dabei<br />

so laut und unberechenbar se<strong>in</strong>, dass die Gesellschaft nicht <strong>an</strong> diesem<br />

Thema vorbeikommt. Auch die Berl<strong>in</strong>er Polizei wird <strong>in</strong> absehbarer Zeit<br />

wieder töten und es wäre notwendig, wenn d<strong>an</strong>n mehr Leute auf die<br />

Strasse g<strong>in</strong>gen als nach der Erschießung <strong>von</strong> Andrea H. im Märkischen<br />

Viertel.<br />

Weitere Infos<br />

über tödliche Polizeigewalt gibt es ke<strong>in</strong>e verlässlichen Statistiken<br />

der Behör<strong>den</strong>, org<strong>an</strong>isationen wie CILIP versuchen, solche Fälle zu recherchieren.<br />

CILIP > www.cilip.de<br />

No Justice – No Peace > nojusticenopeace.blogsport.eu<br />

Kampagne für opfer rassistisch motivierter Polizeigewalt > www.kop-berl<strong>in</strong>.de<br />

demo gegen polizeigewalt<br />

„Wir vergessen nicht – Sliem<strong>an</strong> Hamade <strong>ge<strong>den</strong>ken</strong>“<br />

19 Uhr – U-Bahnhof Kleistpark<br />

Infover<strong>an</strong>staltung zu tödlicher Polizeigewalt<br />

21 Uhr – Drugstore (Potsdamer Strasse 180)


ANTIFASCHISTISCHE LINKE BERLIN<br />

nEhmEn wir unS diE Stadt zurüCk!<br />

Org<strong>an</strong>isiert euch gegen steigende Mieten!<br />

ew York, London, Bitterfeld – schon l<strong>an</strong>ge s<strong>in</strong>d die Zentren der west-<br />

n lichen Metropolen Spielplätze kapitalistischer Lebensfreude. B<strong>an</strong>ker,<br />

Topmodels und <strong>an</strong>dere Krisengew<strong>in</strong>ner_<strong>in</strong>nen der Leistungsgesellschaft<br />

la<strong>den</strong> zu Cocktailpartys <strong>in</strong> ihre schicken Eigentums- oder Loftwohnungen.<br />

Die Straßen verführen zu e<strong>in</strong>em Kaffee <strong>in</strong> Starbucks oder e<strong>in</strong>er Bummeltour<br />

zwischen Luxusboutiquen und Kaufhausketten, die die Lä<strong>den</strong>,<br />

die wir lieben, vertreiben und dazu führen, dass die Innenstädte überall<br />

gleich aussehen. E<strong>in</strong>e quietschp<strong>in</strong>kglitzernde Disneyhollywoodzauberwelt<br />

– für die Spitzenverdiener_<strong>in</strong>nen der Gesellschaft. Und der Rest?<br />

Die C<strong>in</strong>derellas dieser Welt, deren Schuh nicht zufällig <strong>von</strong> irgende<strong>in</strong>e_r<br />

Top-M<strong>an</strong>ager_<strong>in</strong> gefun<strong>den</strong> wurde, quetschen sich <strong>an</strong> <strong>den</strong> Rändern der<br />

Metropolen <strong>in</strong> dunklen Kabuffs <strong>von</strong> 10 m² und s<strong>in</strong>d froh, wenn nach der<br />

Mietzahlung genug für <strong>den</strong> Monat übrig bleibt. Und schon jetzt muss<br />

<strong>in</strong> etwa jedem zweiten Haushalt, der Hartz4 bezieht, e<strong>in</strong> Teil der Mietkosten<br />

vom Regelsatz bezahlt wer<strong>den</strong>, da die Menschen ke<strong>in</strong>e Wohnung<br />

f<strong>in</strong><strong>den</strong>, die nach <strong>den</strong> strengen Maßgaben vom Amt bezahlt wird. Nun ist<br />

Berl<strong>in</strong> noch l<strong>an</strong>ge nicht New York oder Paris, doch arbeiten Politiker_<strong>in</strong>nen,<br />

neoliberale Städtepl<strong>an</strong>er_<strong>in</strong>nen und die Immobilienwirtschaft auch<br />

hierzul<strong>an</strong>de kräftig <strong>an</strong> ihrem Wunschtraum <strong>von</strong> überteuerten Masso<strong>in</strong>ette-Wohnungen<br />

<strong>in</strong> bester Parklage. Dazu gehören d<strong>an</strong>n immer mehr<br />

Glasdächer und Whirlpools, dafür aber immer weniger Nachbar_<strong>in</strong>nen<br />

und Musik höchstens <strong>in</strong> Zimmerlautstärke.<br />

In <strong>den</strong> letzten vier Jahren s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Friedrichsha<strong>in</strong>-Kreuzberg die<br />

Quadratmeterpreise für Eigentumswohnungen und -häuser um mehr<br />

als e<strong>in</strong> Drittel gestiegen und Anleger_<strong>in</strong>nen setzen drauf, dass diese<br />

Entwicklung weitergeht. Diese Immobilienfirmen kaufen Häuser vor<br />

allem als Spekulationsobjekte, also nicht um sich <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er Weise<br />

nachhaltig zu engagieren, sondern vor allem, weil sie die Häuser luxuss<strong>an</strong>ieren<br />

möchten, um möglichst hohe Mieten und damit möglichst<br />

hohe Renditen e<strong>in</strong>zufahren und die Häuser d<strong>an</strong>n <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Jahren<br />

wieder mit or<strong>den</strong>tlicher Wertsteigerung zu verkaufen. Dazu gehört oft<br />

auch, dass sie die Häuser systematisch entmieten und d<strong>an</strong>n teilweise<br />

auch erstmal leerstehen lassen, da das die S<strong>an</strong>ierung, Neuvermietung<br />

und <strong>den</strong> Verkauf erleichert.<br />

Die Folgen wer<strong>den</strong> spürbar: In Berl<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d die Mieten laut jüngst<br />

veröffentlichtem Mietspiegel noch nie so stark gestiegen wie <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

letzten zwei Jahren. Für e<strong>in</strong>e Altbauwohnung <strong>in</strong>nerhalb des R<strong>in</strong>gs<br />

haben sich die Mieten teils sogar verdoppelt. Und durch <strong>den</strong> Mietspiegel<br />

selbst wird kräftig <strong>an</strong> dieser Preisschraube gedreht. Was uns<br />

als unabhängiges Instrument gegen Mietwucher verkauft wer<strong>den</strong> soll,<br />

ist <strong>in</strong> Wahrheit die Gar<strong>an</strong>tie für Wohnungsbesitzer_<strong>in</strong>nen, ihre Mieten<br />

immer weiter nach oben zu drehen, <strong>den</strong>n Berechnungsgrundlage<br />

für <strong>den</strong> Mietspiegel und somit für die sogen<strong>an</strong>nte „ortsübliche Vergleichsmiete“<br />

s<strong>in</strong>d nur die Mietverträge, die <strong>in</strong> <strong>den</strong> letzten vier Jahren<br />

neu abgeschlossen wur<strong>den</strong>. Und für diese gibt es überhaupt ke<strong>in</strong>e<br />

preislichen Beschränkungen. Die g<strong>an</strong>zen billigen Mietverträge <strong>von</strong><br />

Menschen, die schon jahrel<strong>an</strong>g <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kiez wohnen, bleiben unberücksichtigt,<br />

wenn berechnet wird, wie hoch die durchschnittliche<br />

Miete <strong>in</strong> ihrem Bezirk ist.<br />

ANTIFA JUGENDINFO<br />

2011<br />

15<br />

Wer sich dabei nicht verarscht fühlt, hat die kapitalistische Logik vielleicht<br />

echt schon zu sehr gefressen. Die Städte wer<strong>den</strong> so zum harten Pflaster<br />

für alle, die wenig verdienen oder nicht <strong>in</strong>s marktliberale Weltbild passen.<br />

Rassistische und sozialdarw<strong>in</strong>istische Hetze à la Sarraz<strong>in</strong> versucht diese<br />

Ausgrenzung zu rechtfertigen: Hartz4-Beziehende seien eben faul und bemühen<br />

sich nicht genug. Auch Muslim_<strong>in</strong>nen seien selber schuld, <strong>den</strong>n<br />

entweder s<strong>in</strong>d sie mutmaßliche gefährliche Terrorist_<strong>in</strong>nen oder haben<br />

zum<strong>in</strong>dest ke<strong>in</strong>e „produktive Funktion außer für Dönerbude oder <strong>den</strong><br />

Obst- und Gemüseh<strong>an</strong>del“. Der <strong>von</strong> Sarraz<strong>in</strong> geschürte Hass trägt Früchte:<br />

dieses Jahr gab es schon zahlreiche Anschläge auf Moscheen <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>.<br />

Dies alles gehört zu der neoliberalen Stadtentwicklung, die unter dem<br />

Begriff Gentrifizierung oder Stadtumstrukturierung diskutiert wird. Oftmals<br />

wird dieser Prozess als natürlich und unsteuerbar dargestellt. Doch<br />

die kapitalistische Stadtentwicklung wird politisch bewusst durchgesetzt,<br />

durch Privatisierungen und durch Großprojekte wie MediaSpree. Möglichkeiten<br />

zur sozialpolitischen Steuerung der Stadtentwicklung wer<strong>den</strong><br />

nicht genutzt: Mietobergrenzen gibt es nicht,l<strong>an</strong>deseigener Wohnungsbest<strong>an</strong>d<br />

wird privatisiert – <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> über 150.000 Wohnungen unter rotrot.<br />

Wir können jetzt mal gesp<strong>an</strong>nt se<strong>in</strong>, wie es damit weitergeht. Mit<br />

dem H<strong>an</strong>del <strong>von</strong> Wohnraum wer<strong>den</strong> d<strong>an</strong>n Gew<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>gefahren: Die<br />

neuen Eigentümer_<strong>in</strong>nen der privatisierten GSW fahren alle<strong>in</strong> über die<br />

Vermietung 15 Prozent Profit e<strong>in</strong>, das macht e<strong>in</strong>ige hundert Millionen<br />

Euro jährlich. Die Mieten wur<strong>den</strong> derweil um bis zu 20 Prozent erhöht.<br />

Wir wohnen hier und wir wollen bestimmen wie die Städte um uns<br />

herum aussehen. Wir wollen uns nicht <strong>von</strong> irgende<strong>in</strong>er Immobilienfirma<br />

die Wohnung unter dem Arsch luxuss<strong>an</strong>ieren lassen und dafür auf<br />

e<strong>in</strong>mal doppelte Miete bezahlen. Wir wollen <strong>in</strong> Tempelhof nicht e<strong>in</strong>en<br />

merkwürdigen Schickimicki-Park mit Wachschutz, wo alles verboten<br />

ist und der abends geschlossen wird. Wir wollen selbst bestimmen, wie<br />

die Parks aussehen, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en wir chillen. Wir wollen Platz für Skaterparks<br />

und g<strong>an</strong>z allgeme<strong>in</strong> Platz, <strong>in</strong> dem wir uns ausdrücken können,<br />

wie wir wollen, ab <strong>von</strong> jedem Zw<strong>an</strong>g, auch dem kapitalistischen Zw<strong>an</strong>g<br />

E<strong>in</strong>tritt bezahlen zu müssen oder überteuerte Getränke zu kaufen. Das<br />

ist unsere Stadt und wir wollen sie so gestalten, dass wir uns wohlfühlen.<br />

Wir haben dieses triste Grau <strong>in</strong> Grau satt. Wir wollen e<strong>in</strong>e bunte,<br />

lebendige Stadt. Wir setzen Farbe gegen dieses E<strong>in</strong>erlei.<br />

Schon länger gibt es <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> Widerst<strong>an</strong>d gegen diese Prozesse<br />

der Stadtumstrukturierung. Die Veröffentlichung des Mietspiegels<br />

wurde gleich zweimal <strong>von</strong> Aktivist_<strong>in</strong>nen gestört. In nahezu jedem<br />

Kiez treffen sich Menschen <strong>in</strong> Kiez<strong>in</strong>itiativen, um sich auszutauschen,<br />

konkrete Aktionen gegen die <strong>von</strong> oben aufgedrückten Veränderungen<br />

zu machen und sich gegenseitig zu unterstützen und zu beraten, wie<br />

m<strong>an</strong> vorgehen k<strong>an</strong>n, wenn zum Beispiel die nächste Mieterhöhung im<br />

Briefkasten gel<strong>an</strong>det ist. Anf<strong>an</strong>g September gab es e<strong>in</strong>e große Demo,<br />

bei der sich die g<strong>an</strong>z unterschiedlichen Akteur_<strong>in</strong>nen zusammenget<strong>an</strong><br />

haben, um geme<strong>in</strong>sam gegen steigende Mieten und die Verdrängung<br />

aus <strong>den</strong> Innenstädten zu demonstrieren. Die Überflüssigen der Städte<br />

verschaffen sich Gehör und kündigen die nächsten Kämpfe bereits <strong>an</strong>.<br />

Nehmen wir uns die Stadt zurück!


16<br />

ANTIFA JUGENDINFO<br />

2011<br />

INITIATIVE FüR EIN AKTIVES GEDENKEN<br />

auS konSEquEnz und <strong>in</strong> gEdEnkEn<br />

Die Zeit für e<strong>in</strong> offizielles Ge<strong>den</strong>ken <strong>an</strong> Silvio Meier ist reif !<br />

m November 2010 wurde neben der Silvio-Meier-Demonstration<br />

I e<strong>in</strong>e Podiumsdiskussion <strong>in</strong> der Theaterkapelle Friedrichsha<strong>in</strong> ver<strong>an</strong>staltet.<br />

Die „Initative für e<strong>in</strong> aktives Ge<strong>den</strong>ken“ stellt sich und ihr<br />

Anliegen der Umbenennung e<strong>in</strong>er Straße <strong>in</strong> Friedrichsha<strong>in</strong> nach Silvio<br />

Meier vor. D<strong>an</strong>eben saßen Freke Over, l<strong>an</strong>gjähriger Anmelder der<br />

Silvio-Meier-Demonstration, Vertreter der Antifaschistischen L<strong>in</strong>ken<br />

Berl<strong>in</strong> und aktive Anwohner.<br />

Jenseits des nicht lösbaren Streits um <strong>den</strong> Willen <strong>von</strong> Silvio Meier<br />

selbst konnte <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d vorgebrachter Kritik die Ausrichtung der Initiative<br />

verbessert wer<strong>den</strong>. Es geht darum Silvio Meier nicht nur als Person<br />

darzustellen sondern <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d <strong>von</strong> Silvio l<strong>in</strong>ke Bewegungen der letzten<br />

Jahrzehnte sichtbar zu machen.<br />

Als Punk beteiligte sich Silvio <strong>in</strong> der DDR-Opposition, org<strong>an</strong>isierte<br />

mit unter die Umwelt-Bibliothek bei der Zionskirche, druckte die Umweltblätter,<br />

publizierte <strong>den</strong> „mOArn<strong>in</strong>g star“ und baute die Kirche <strong>von</strong><br />

Unten auf. Jedoch hat er sich nicht nur vor 1990 e<strong>in</strong>gemischt, sondern<br />

auch später Zivilcourage gezeigt. So besetzte Silvio mit Bek<strong>an</strong>nten die<br />

jetzige Villa Felix <strong>in</strong> der Schre<strong>in</strong>erstraße und war darüber h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong> der<br />

Besetzerszene. Seit 1991 baute er das Druckerkollektiv H<strong>in</strong>kelste<strong>in</strong> auf.<br />

Als Silvio Meier starb, war er nicht der erste durch Neonazis ermordete<br />

und am gleichen Wochenende wur<strong>den</strong> drei Menschen bei rassistisch<br />

motivierten Br<strong>an</strong>d<strong>an</strong>schlägen <strong>in</strong> Mölln um ihr Leben gebracht. Dennoch<br />

Silvio war der erste L<strong>in</strong>ke der durch Neonazis getötet wurde. Die<br />

e<strong>in</strong>zige Reaktion <strong>von</strong> Seiten des Staates war es <strong>den</strong> Mord als Unfall <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Ause<strong>in</strong><strong>an</strong>dersetzung zwischen rivalisieren<strong>den</strong> Straßenb<strong>an</strong><strong>den</strong> zu<br />

verklären. Die Konsequenz für Bek<strong>an</strong>nte und Freunde war der <strong>an</strong>tifaschistische<br />

Kampf gegen <strong>den</strong> Rechtsruck <strong>in</strong> der Gesellschaft und auch<br />

gegen Neonazisgruppen und Parteien. Jedes Jahr f<strong>in</strong>det nun <strong>in</strong> Ge<strong>den</strong>ken<br />

<strong>an</strong> Silvio Meier e<strong>in</strong>e <strong>an</strong>tifaschistische Demonstration <strong>in</strong> Ostberl<strong>in</strong>/<br />

Friedrichsha<strong>in</strong> statt. Mehrere rechte Treffpunkt wur<strong>den</strong> mit Hilfe des<br />

Protestes geschlossen, darunter das Café Germ<strong>an</strong>ia, Two-Flag-Store,<br />

der Schre<strong>in</strong>erhof und die Kiste. Aber auch <strong>an</strong>derweitig wird immer<br />

wieder versucht gesellschaftliche Missstände aufzuzeigen und zu thematisieren.<br />

DIE MüHLEN DER VERWALTUNG<br />

Diese endlose Aufzählung verdeutlicht e<strong>in</strong>e Relev<strong>an</strong>z und auch viele<br />

Erfolge l<strong>in</strong>ker Politik. Auf dieser Grundlage bildete sich der Wunsch<br />

e<strong>in</strong>er Silvio-Meier-Straße. Es geht uns darum über die Grenzen der<br />

L<strong>in</strong>ken h<strong>in</strong>aus der Gesellschaft Themen wie DDR-Opposition, Hausbesetzung<br />

und Antifaschismus zugänglich zu machen.<br />

Nach der Podiumsdiskussion im Dezember 2010 beschloss die<br />

Bezirksverordnetenversammlung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em breit getragenem Antrag,<br />

dem Wunsch nachzukommen und beauftragte die zuständigen Gremium<br />

das Anliegen weiter zu verfolgen. Die Ge<strong>den</strong>ktafelkommission<br />

und der Ausschuss für Kultur und Bildung beh<strong>an</strong>delten die Vorlage.<br />

Konkretisiert wurde nichts. Lediglich bewirkte die Verschleppung der<br />

Sache, dass der ursprüngliche BVV-Beschluss mit der jetzigen Neuwahl<br />

nichtig ist.<br />

Dennoch im Verlauf der letzten Monate setzte die Initiative für<br />

e<strong>in</strong> aktives Ge<strong>den</strong>ken für ihre Forderung e<strong>in</strong>. E<strong>in</strong> offener Brief <strong>an</strong> die<br />

BVV wurde durch zahlreiche Gruppen, Strukturen, Lä<strong>den</strong>, Häusern,<br />

und E<strong>in</strong>zelpersonen aus Friedrichsha<strong>in</strong> unterstützt. E<strong>in</strong>ige fühlten sich<br />

motiviert selbst die Gabelsbergerstraße umzubenennen und schon davor<br />

wurde der U-Bahnhof Samariterstraße mit e<strong>in</strong>em neuen Namen<br />

versehen. Doch auch direkte Anfragen <strong>an</strong> die Verwaltungsämter und<br />

Bezirkspolitiker führte nur zu formal ablehnen<strong>den</strong> Äußerungen derer.<br />

E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>haltliche Diskussion f<strong>an</strong>d nicht statt. Entweder wurde dem<br />

Verl<strong>an</strong>gen nach e<strong>in</strong>er Straßenumbenennung vorgehalten, dass die Beschlusslage<br />

im Bezirk ke<strong>in</strong>e Umbenennung nach Männer zu lassen,<br />

oder <strong>an</strong>deren Vorstellung wie wahlweise der Benennung der Zentralbezirksbibliothek<br />

entgegengebracht, dass e<strong>in</strong>e Bürgerbeteiligung fehle.<br />

Weiterh<strong>in</strong> wer<strong>den</strong> wir uns als Initiative für e<strong>in</strong> aktives Ge<strong>den</strong>ken<br />

e<strong>in</strong>setzen, dass es e<strong>in</strong>e Umbenennung im öffentlichen Raum geben<br />

wird. Die Mühlen der Verwaltung mahlen l<strong>an</strong>gsam. Dennoch gel<strong>an</strong>g<br />

uns schon im letzten halben Jahr viele auch als Unterstützer mit unserer<br />

Forderung zu erreichen. Neben der parlamentarischen Arbeit führt<br />

und erarbeitet die Initiative e<strong>in</strong>e Chronologie über Silvio Meier Leben<br />

und das Ge<strong>den</strong>ken <strong>an</strong> ihn.<br />

> www.aktives<strong>ge<strong>den</strong>ken</strong>.de


ANTIFASCHISTISCHE INITIATIVE REINICKENDoRF<br />

wEr iSt hiEr »EXtrEm«?<br />

Zum Extremismusbegriff und se<strong>in</strong>en Fehlern<br />

echtsextreme, L<strong>in</strong>ksextreme, islamische Extremisten oder e<strong>in</strong>-<br />

r fach nur Extremist_In. Täglich können wir <strong>in</strong> <strong>den</strong> Medien diesen<br />

Begriff <strong>in</strong> allen zig-fachen Ausführungen lesen. Doch was bedeutet<br />

dieser Begriff und wozu wurde er <strong>in</strong> <strong>den</strong> 1970er Jahren e<strong>in</strong>geführt?<br />

Der Extremismusbegriff wurde <strong>in</strong> zum ersten Mal <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Verfassungsschutzbericht<br />

(1973) verwendet und löste damals <strong>den</strong> vorherrschen<strong>den</strong><br />

Totalitarismusbegriff ab.<br />

Unter extrem bzw. als Extremist wer<strong>den</strong> seitdem alle Menschen<br />

bezeichnet, die die „freiheitliche, demokratische Grundordnung“ ablehnen<br />

und ihr, wie l<strong>in</strong>ke Bewegungen, kritisch gegenüber stehen.<br />

Nach dieser Extremismustheorie wurde e<strong>in</strong> Modell e<strong>in</strong>er Gesellschaft<br />

geschaffen. In der es zum E<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>e sogen<strong>an</strong>nte „Mitte“ gibt, die allen<br />

Normen entspricht und zum Anderen die äußeren Ränder, welche<br />

als Fe<strong>in</strong>de des Staates bezeichnet wer<strong>den</strong>. Mit dieser Def<strong>in</strong>ition <strong>von</strong><br />

Extremismus wer<strong>den</strong> somit sehr viele unterschiedliche politische Strömungen<br />

gleichgesetzt und <strong>in</strong>sbesondere die em<strong>an</strong>zipativen Ziele und<br />

hum<strong>an</strong>istischen Ansichten der l<strong>in</strong>ken Szene diffamiert.<br />

Zum Beispiel: die rückwärtsgew<strong>an</strong>dte, menschenfe<strong>in</strong>dliche Ideologie<br />

des Rechtsradikalismus und Nationalsozialismus, zum Anderen<br />

aber auch die fortschrittliche, freiheits- und lebensbejahende Bewegungen<br />

wie die (radikale) L<strong>in</strong>ke. Beide politische Richtungen aus der<br />

Sicht der sogen<strong>an</strong>nten „demokratischen“ Mitte richten sich gegen die<br />

bestehende Verhältnisse, dabei beachtet diese Mitte“ aber nicht, dass<br />

die l<strong>in</strong>ken Bewegungen kritisch und em<strong>an</strong>zipativ die Gesellschaft betrachten,<br />

gesellschaftliche Probleme <strong>an</strong>alysieren und alternative Gesellschaftsformen,<br />

wie <strong>den</strong> Anarchismus oder Kommunismus, <strong>an</strong>bieten.<br />

Weshalb aber ist das problematisch? Warum und <strong>von</strong> wem wird<br />

der Begriff „Extremismus“ verwendet? E<strong>in</strong>e Gleichsetzung <strong>von</strong> l<strong>in</strong>ks<br />

und rechts ist problematisch, wenn nicht gar gefährlich. Verkürzt ausgedrückt<br />

steht „l<strong>in</strong>ks“ für „Freiheit, Gleichheit, Solidariät!“ – also für<br />

fortschrittliche, em<strong>an</strong>zipative, egalitäre und solidarische Vorstellungen<br />

des menschlichen Zusammenlebens. Wichtig ist, dass dabei ke<strong>in</strong>e<br />

Unterscheidungen zwischen der Vielfältigkeit des menschlichen Aussehens,<br />

Nationalitäten, Religionen, Geschlechtern, sexuellen Vorlieben<br />

oder Ähnlichem gemacht wer<strong>den</strong> – Menschen s<strong>in</strong>d Menschen.<br />

Im Gegensatz dazu „rechts“: Die Menschheit wird kategorisiert und gespalten.<br />

M<strong>in</strong>derheiten wer<strong>den</strong> ausgegrenzt und als Sün<strong>den</strong>böcke für vorh<strong>an</strong><strong>den</strong>e<br />

Probleme missbraucht. Ideologisch begründet wird das wahlweise<br />

mit nationalistischen, rassistischen, sozialdarw<strong>in</strong>istischen und/oder <strong>an</strong>tisemitischen<br />

Argumenten. Weitere Merkmale s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> sexistisches Weltbild<br />

und die Verharmlosung oder gar die Verherrlichung des Nationalsozialismus.<br />

Damit zielt es also auf e<strong>in</strong>e Entsolidarisierung <strong>in</strong>nerhalb der<br />

Menschheit und auf die Errichtung e<strong>in</strong>es autoritären Herrschaftssystems ab.<br />

Mit dem Extremismus-Begriff wer<strong>den</strong> also zwei (<strong>in</strong> Theorie und Praxis)<br />

gegensätzliche politische Richtungen gleichgesetzt. Das ist nicht<br />

nur objektiv falsch, sondern auch politisch sehr gefährlich: Rechte Ideologien<br />

wer<strong>den</strong> verharmlost und mit etwas vollkommen unterschiedlichen<br />

aufgewogen. Zudem können viele Menschen ihre rassistischen<br />

und menschenverachten<strong>den</strong> Ansichten <strong>in</strong> der Gesellschaft verbreiten,<br />

sol<strong>an</strong>ge sie sich unter <strong>den</strong> Deckm<strong>an</strong>tel der Verfassung bewegen.<br />

ANTIFA JUGENDINFO<br />

2011<br />

17<br />

WAS IST ALSo ZU TUN?<br />

Zum E<strong>in</strong>en ist der Benennung der „Extremisten_Innen“ zu vermei<strong>den</strong>.<br />

Wenn, beispielsweise <strong>in</strong> Diskussionen über Extremismus, dieser<br />

Begriff <strong>den</strong>noch benutzt wird, sollte über die H<strong>in</strong>tergrunde und die<br />

Probleme damit h<strong>in</strong>gewiesen wer<strong>den</strong>. Gleichzeitig darf m<strong>an</strong> sich nicht<br />

<strong>von</strong> dem Extremismus-Vorwurf abschrecken und <strong>in</strong> der eigenen politischen<br />

Überzeugung/Arbeit bee<strong>in</strong>flussen lassen!


lEt‘S talk about SEX...<br />

Warum Geschlecht bestimmt, wo wir auf der Leiter stehen<br />

exismus beschreibt die soziale Konstruktion <strong>von</strong> Unterschie<strong>den</strong><br />

S zwischen <strong>den</strong> Geschlechtern und ist e<strong>in</strong> grundlegendes gesellschaftliches<br />

Herrschaftsverhältnis. Es legitimiert die allgegenwärtige<br />

Ausbeutung, Unterdrückung und Diskrim<strong>in</strong>ierung <strong>von</strong> Frauen:<br />

Ressourcen wie Geld, soziale Anerkennung oder Bildung s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der<br />

Gesellschaft ungleich verteilt. Beispielsweise verdienen Frauen bei<br />

gleichwertiger Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt immer noch 25%<br />

weniger als Männer, g<strong>an</strong>z zu schweigen da<strong>von</strong>, dass sie <strong>den</strong> Großteil<br />

der unbezahlten Hausarbeit, K<strong>in</strong>dererziehung und Pflegetätigkeiten<br />

für Angehörige verrichten. Hier zeigt sich auch der Zusammenh<strong>an</strong>g<br />

mit kapitalistischen Ausbeutungsverhältnissen, <strong>den</strong>n gerade <strong>in</strong> prekären<br />

Beschäftigungsverhältnissen oder im Niedrig-Lohn-Sektor arbeiten<br />

mehr Frauen als Männer.<br />

Grundlage für Sexismus ist also die gesellschaftliche Arbeitsteilung;<br />

h<strong>in</strong>zu kommt jedoch die Zuschreibung <strong>von</strong> „Wesensmerkmalen“ und<br />

Charaktereigenschaften, die <strong>an</strong>geblich typisch männlich oder weiblich<br />

s<strong>in</strong>d. Dabei ist Geschlecht nichts, was m<strong>an</strong> hat, sondern etwas, zu dem<br />

m<strong>an</strong> erzogen wird. Angef<strong>an</strong>gen bei der Geburt, wo das Geschlecht klar<br />

festgelegt und im Zweifel zurecht geschnitten wird. Die e<strong>in</strong>deutige Zuordnung<br />

<strong>in</strong>nerhalb der Zweigeschlechtlichkeit strukturiert de<strong>in</strong> g<strong>an</strong>zes<br />

Leben: Welche Farbe de<strong>in</strong> Strampler hat, welche Spiele du im K<strong>in</strong>dergarten<br />

und <strong>in</strong> der Schule spielst und wie du grundsätzlich erzogen wirst.<br />

JENSEITS VoN HETERoSExUELLEN MäNNERN<br />

Neben der sozialen Konstruktion <strong>von</strong> Geschlecht und der damit e<strong>in</strong>hergehen<strong>den</strong><br />

Vormachtstellung <strong>von</strong> Männern spielt auch die sexuelle<br />

Orientierung e<strong>in</strong>e Rolle. Wenn m<strong>an</strong> <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em „Klassischen Familienbild“<br />

ausgeht, so ist Heterosexualität die Norm. Menschen, die da<strong>von</strong><br />

abweichen, gleichgeschlechtlich lieben oder sich nicht <strong>den</strong> vorherrschen<strong>den</strong><br />

Verhaltens- und Kleidernormen <strong>an</strong>passen, wer<strong>den</strong> ausgegrenzt,<br />

diskrim<strong>in</strong>iert und verhöhnt. Dabei dient die Zweiteilung und<br />

Hierarchisierung <strong>von</strong> Geschlechtern, sexueller I<strong>den</strong>tität und Orientierung<br />

alle<strong>in</strong> der Vormachtstellung <strong>von</strong> heterosexuellen Männern, die<br />

damit sich selbst als „Norm“ erhalten.<br />

JUST A PART oF GESAMTSCHEISSE<br />

Sexistische Unterdrückung, sexualisierte Gewalt oder die Norm der<br />

Heterosexualität können nicht ohne die Verb<strong>in</strong>dung mit <strong>an</strong>deren<br />

Herrschaftsverhältnissen gedacht wer<strong>den</strong>. Die soziale Konstruktion<br />

<strong>von</strong> Frauen und die ihnen zugeschriebenen Merkmale f<strong>in</strong><strong>den</strong> sich so<br />

auch wieder, wenn m<strong>an</strong> sich rassistische Stereotypen genauer <strong>an</strong>sieht.<br />

Das Idealbild des heutigen Menschen ist männlich, Weiß, heterosexuell,<br />

sportlich und gut gebildet. Doch um dieses Idealbild als Norm zu<br />

nehmen, muss es immer auch „das Andere“ geben, welches dem entgegen<br />

steht und abgewertet wird. So wur<strong>den</strong> während der Kolonialzeit<br />

pseudowissenschaftlich die Gehirne <strong>von</strong> Weißen und nicht-Weißen<br />

Menschen gewogen um zu erklären, warum Weiße Menschen <strong>an</strong>geblich<br />

<strong>in</strong>telligenter und befähigter s<strong>in</strong>d als Nicht-Weiße. Ähnlich wurde<br />

auch mit Frauen verfahren, um zu rechtfertigen, warum diese nicht<br />

die gleichen Zugänge zu Bildung erhielten oder für die Wissenschaft<br />

„ungeeignet seien“. So wurde versucht, sozial bed<strong>in</strong>gte Ungleichheit wissenschaftlich<br />

zu belegen. Dies f<strong>in</strong>det sich auch <strong>in</strong> der heutigen Zeit wieder,<br />

wobei e<strong>in</strong>e Verschiebung h<strong>in</strong> zu dem Bezug auf e<strong>in</strong>e verme<strong>in</strong>tliche<br />

„Differenz der Kulturen“ stattf<strong>in</strong>det, und die <strong>an</strong>gebliche M<strong>in</strong>derwertigkeit<br />

<strong>von</strong> Menschen auf ihre Nicht-Zugehörigkeit zu e<strong>in</strong>er christlichdeutschen<br />

Leitkultur begründet wird.<br />

Nicht nur hier zeigt sich, dass sexistische Unterdrückung, sexualisierte<br />

Gewalt oder die Norm der Heterosexualität nicht getrennt <strong>von</strong><br />

<strong>an</strong>deren Herrschaftsverhältnissen, wie dem Kapitalismus oder Rassismus<br />

gedacht wer<strong>den</strong> können, sondern diese oft <strong>in</strong>e<strong>in</strong><strong>an</strong>der verflochten<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Wir haben ke<strong>in</strong>e Lust darauf, auf unser <strong>an</strong>gebliches Geschlecht festgelegt<br />

zu wer<strong>den</strong> und damit soziale Ungleichheit zu akzeptieren. F<strong>an</strong>gt <strong>an</strong>,<br />

der Norm entgegen zu wirken, euch selbst zu h<strong>in</strong>terfragen und org<strong>an</strong>isiert<br />

euch gegen sexistische Verhältnisse!<br />

St<strong>an</strong>d up <strong>an</strong>d fight sexism!<br />

ANTIFA JUGENDINFO<br />

2011<br />

19


20<br />

ANTIFA JUGENDINFO<br />

2011<br />

dEn atomStaat StillEgEn!<br />

Atomausstieg bleibt H<strong>an</strong>darbeit<br />

tomkraft tötet. Namen wie<br />

a Tschernobyl und Fukushima<br />

stehen für diese traurige Wahrheit.<br />

Mit jedem weiteren Tag, <strong>an</strong><br />

dem Atomkraftwerke betrieben<br />

wer<strong>den</strong>, besteht die Möglichkeit<br />

für e<strong>in</strong>en nächsten Super-GAU<br />

(größten <strong>an</strong>zunehmen<strong>den</strong> Unfall).<br />

Und je<strong>den</strong> Tag wächst der<br />

Atommüll-Berg, für <strong>den</strong> es ke<strong>in</strong>e<br />

geeignete Lagerstätte gibt, bis<br />

sich die Radioaktivität <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen<br />

hunderttausend Jahren endlich<br />

mal ausgestrahlt hat. Die Abfallprodukte<br />

der Atom<strong>in</strong>dustrie s<strong>in</strong>d<br />

äußerst gefährlich und hochgiftig:<br />

Sie eignen sich beispielsweise zur<br />

Waffenproduktion. Und auch nur<br />

die Lagerung des Mülls <strong>an</strong> e<strong>in</strong>em Ort über längere Zeiträume h<strong>in</strong>weg hat<br />

nachweislich schon zu erhöhten Krebsraten <strong>in</strong> der Umgebung geführt.<br />

Da sollte es uns doch freuen, dass die Regierung im Zuge e<strong>in</strong>es<br />

„Konsens“ <strong>den</strong> „Atomausstieg“ beschlossen hat. S<strong>in</strong>d damit also alle<br />

Probleme beseitigt? Ne<strong>in</strong>! Ke<strong>in</strong> Grund mehr, zu protestieren? Doch!<br />

Mit großer Geste wird der Öffentlichkeit e<strong>in</strong> grundlegender W<strong>an</strong>del<br />

präsentiert. Tatsächlich auf <strong>den</strong> Weg gebracht wur<strong>den</strong> publikumswirksame<br />

Änderungen bei größtmöglicher Wahrung des Bestehen<strong>den</strong>: Elf Jahre<br />

gar<strong>an</strong>tiertes Restrisiko, e<strong>in</strong>e weitere Anhäufung <strong>von</strong> nicht entsorgbarem<br />

radioaktiven Müll und das ungebrochene Mitmischen im <strong>in</strong>ternationalen<br />

Atomgeschäft wer<strong>den</strong> uns als „radikale Energiewende“ verkauft. Von e<strong>in</strong>er<br />

wirklichen Wende ist das verabschiedete Gesetzespaket weit entfernt.<br />

Im Kern geht es weiterh<strong>in</strong> alle<strong>in</strong> um die systematische Begünstigung<br />

weniger Großkonzerne. Dieser „Konsens“ wurde ohne uns beschlossen!<br />

Dem Versuch, e<strong>in</strong>en alten Konflikt unsichtbar zu machen, müssen und<br />

wollen wir etwas entgegensetzen: unser Widerst<strong>an</strong>d geht weiter!<br />

Schon immer im jahrzehntel<strong>an</strong>gen Kampf gegen Atom<strong>an</strong>lagen<br />

g<strong>in</strong>g es um mehr: der Streit gegen AKWs war für viele der Beteiligten<br />

gleichzeitig Kampf für die Befreiung aus e<strong>in</strong>er Wirtschaftsordnung,<br />

<strong>in</strong> der Wachstum ohne Ende und Profitmaximierung die gesellschaftlichen<br />

Verhältnisse diktieren. Der Staat fungiert hier als H<strong>an</strong>dl<strong>an</strong>ger<br />

<strong>von</strong> Konzernen wie RWE, Vattenfall, EnBW und E.on, um deren Interessen<br />

durchzusetzen. Gleichzeitig ist er bemüht, se<strong>in</strong> Machtmonopol<br />

aufrechtzuerhalten. So wird die Atompolitik gegen <strong>den</strong> breiten<br />

gesellschaftlichen Protest immer wieder durchgesetzt. Dies zeigt sich<br />

besonders deutlich, wenn Atommüll-Tr<strong>an</strong>sporte quer durchs L<strong>an</strong>d <strong>von</strong><br />

e<strong>in</strong>em riesigen Polizeiaufgebot „geschützt“ wer<strong>den</strong>. Denn diese Tr<strong>an</strong>sporte<br />

bieten e<strong>in</strong>e gute Gelegenheit, Staat und Wirtschaft zu zeigen, was<br />

wir <strong>von</strong> ihrer Politik halten!<br />

Im November soll es nach <strong>den</strong> Plänen der Bundesregierung wieder<br />

e<strong>in</strong>en Castortr<strong>an</strong>sport <strong>in</strong>s Wendl<strong>an</strong>d geben. Es wird der letzte Tr<strong>an</strong>sport<br />

aus der Wiederaufbereitungs<strong>an</strong>lage im fr<strong>an</strong>zösischen La Hague se<strong>in</strong>. In<br />

<strong>den</strong> verg<strong>an</strong>genen Jahren verlief<br />

die Fahrt des Atomzuges nicht<br />

störungsfrei: Hakenkrallen und<br />

Feuer sabotierten <strong>den</strong> Zugverkehr,<br />

<strong>an</strong> vielen Bahnhöfen entl<strong>an</strong>g<br />

der Strecke versammelten<br />

sich zehntausende Menschen<br />

zu Blocka<strong>den</strong> und Kundgebungen<br />

oder ketteten sich <strong>an</strong><br />

die Gleise. Dieser erfolgreiche,<br />

<strong>in</strong>ternationale Widerst<strong>an</strong>d<br />

war möglich, obwohl der Zug<br />

regelmäßig <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er g<strong>an</strong>zen<br />

Armada <strong>von</strong> bewaffneten und<br />

gep<strong>an</strong>zerten Polizist_<strong>in</strong>nen<br />

samt technischer Ausrüstung<br />

begleitet wird.<br />

Spätestens ab der Grenze<br />

<strong>in</strong>s Wendl<strong>an</strong>d benimmt sich die Polizei wie e<strong>in</strong>e Besatzungsarmee.<br />

Das Wendl<strong>an</strong>d ist jedes Jahr vollgestopft mit Cops und ihren PKW‘s,<br />

LKW‘s, Räump<strong>an</strong>zern, Wasserwerfern und <strong>an</strong>derem uniformierten<br />

Gerümpel. Den Leuten im Wendl<strong>an</strong>d geht das seit Jahren auf <strong>den</strong> Keks<br />

– ständige Kontrollen und Überwachung, die schon zwei Monate vor<br />

dem eigentlichen Tr<strong>an</strong>sport offensichtlich zunehmen. 2010 haben bereits<br />

die Bauern und Bäuer_<strong>in</strong>nen durch massive Straßenblocka<strong>den</strong> im<br />

H<strong>in</strong>terl<strong>an</strong>d sehr erfolgreich <strong>den</strong> Raum des Widerst<strong>an</strong>des erweitert. E<strong>in</strong><br />

autonomes Konzept, das auch zu früheren Zeiten <strong>von</strong> e<strong>in</strong>igen praktiziert<br />

wurde. Die autonomen Treckergruppen haben es im verg<strong>an</strong>genen<br />

Jahr wieder mal deutlich gemacht: Besatzer_<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d <strong>an</strong>greifbar. Sie<br />

s<strong>in</strong>d abhängig da<strong>von</strong>, dass sie mit Essen und Getränken versorgt wer<strong>den</strong><br />

– <strong>den</strong>n <strong>in</strong> <strong>den</strong> Voküs des Widerst<strong>an</strong>des bekommen sie nichts. Sie<br />

s<strong>in</strong>d <strong>an</strong>gewiesen auf Dixie-Klos <strong>an</strong> der Strecke – <strong>den</strong>n wer will schon<br />

Besatzer_<strong>in</strong>nen <strong>in</strong>s Haus und aufs Klo lassen? Und sie s<strong>in</strong>d <strong>an</strong>gewiesen<br />

auf Nachschub, wenn sie nach zehn oder mehr Stun<strong>den</strong>schichten mal<br />

e<strong>in</strong>e Pause brauchen. Auch Besatzer_<strong>in</strong>nen wer<strong>den</strong> irgendw<strong>an</strong>n müde<br />

vom stun<strong>den</strong>l<strong>an</strong>gen Rumstehen, Blockierer_<strong>in</strong>nen wegtragen und verprügeln,<br />

kurz gesagt: erschöpft da<strong>von</strong>, <strong>den</strong> H<strong>an</strong>dl<strong>an</strong>gerjob für die Atom<strong>in</strong>dustrie<br />

und ihre staatlichen Unterstützer_<strong>in</strong>nen zu machen.<br />

Die Räume des Widerst<strong>an</strong>des erweitern heißt für uns, diesen Nachschub<br />

zu blockieren und zu sabotieren. Aufhalten lassen sich Wagenkolonnen<br />

beispielsweise durch Materialblocka<strong>den</strong> und ohne Luft <strong>in</strong><br />

<strong>den</strong> Reifen fährt es sich auch g<strong>an</strong>z schlecht. Und verlässt das Essen die<br />

K<strong>an</strong>t<strong>in</strong>e nicht oder wird umverteilt, gibt es ke<strong>in</strong>e Versorgung. Die Möglichkeiten<br />

s<strong>in</strong>d vielfältig!<br />

Für uns gilt weiterh<strong>in</strong>: Atomausstieg bleibt H<strong>an</strong>darbeit, es gibt<br />

ke<strong>in</strong>en Kompromiss mit dem Atomstaat. Wir sehen uns ab dem<br />

24.11.2011 im Wendl<strong>an</strong>d!


RIGAER 94<br />

JugEndrEvoltEn <strong>in</strong> Europa<br />

London, Paris, Barcelona – es kocht!<br />

n der gegenwärtigen Krise versuchen die europäischen Regierungen<br />

i ihre jeweiligen eigenen Wirtschaftssysteme durch Sparmaßnahmen<br />

zu retten. Das G<strong>an</strong>ze geht zu Lasten <strong>von</strong> Menschen, die ohneh<strong>in</strong> bereits<br />

zu <strong>den</strong> Benachteiligten im kapitalistischen Konsum-Spektakel<br />

gehören. Die Umverteilung <strong>von</strong> Unten nach Oben nimmt immer größere<br />

Ausmaße <strong>an</strong>.<br />

Auch Jugendliche s<strong>in</strong>d <strong>von</strong> <strong>den</strong> sozialen E<strong>in</strong>schnitten stark betroffen.<br />

Lebenswege, deren Beschreiten gesellschaftliche Anerkennung verspricht,<br />

stehen vielen nicht mehr offen: so wur<strong>den</strong> Ende 2010 die ohneh<strong>in</strong><br />

horren<strong>den</strong> Studiengebühren <strong>in</strong> Engl<strong>an</strong>d verdreifacht, <strong>in</strong> Sp<strong>an</strong>ien und Griechenl<strong>an</strong>d<br />

kletterte die Jugendarbeitslosigkeit 2011 bereits auf bis zu 43%.<br />

Doch die Jugend lässt sich das nicht ohne weiteres gefallen – sie revoltiert!<br />

Natürlich gibt es „die Jugend“ als e<strong>in</strong>heitliche soziale Gruppe<br />

nicht. Und so hat der Protest viele unterschiedliche Gesichter – sowohl<br />

<strong>in</strong> <strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>en Ländern als auch <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Revolte <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

und derselben Stadt.<br />

SPANIEN<br />

Inspiriert vom arabischen Frühl<strong>in</strong>g, f<strong>an</strong><strong>den</strong> sich nach e<strong>in</strong>er Demonstration<br />

gegen die Korruption vieler sp<strong>an</strong>ischer Politiker_<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> Madrid<br />

immer mehr Menschen auf dem zentralen Platz Puerta del Sol<br />

e<strong>in</strong> und besetzten ihn. Dieser spont<strong>an</strong>en Rebellion <strong>von</strong> vornehmlich<br />

Jugendlichen und Stu<strong>den</strong>t_<strong>in</strong>nen schlossen sich viele unterschiedliche<br />

Menschen <strong>an</strong> und <strong>in</strong> allen größeren Städten wur<strong>den</strong> Protest-Camps auf<br />

zentralen Plätzen errichtet. Das war der Anf<strong>an</strong>g der „Movimiento 15-<br />

M“ (Bewegung 15. Mai).<br />

GRIECHENLAND<br />

Die Menschen <strong>in</strong> Griechenl<strong>an</strong>d s<strong>in</strong>d moment<strong>an</strong> mit e<strong>in</strong>em g<strong>an</strong>z besonders<br />

harten Sparkurs der Regierung konfrontiert, der das E<strong>in</strong>kommen<br />

<strong>von</strong> Vielen weit unter das Existenzm<strong>in</strong>imum rutschen lässt. Es kommt<br />

immer wieder zu massiven Streiks und zu brutalen Versuchen der Unterdrückung<br />

der Proteste durch die Polizei auf dem zentralen Syntagma-Platz<br />

<strong>in</strong> Athen. Doch mit enormer Entschlossenheit setzen sich<br />

die Menschen gegen die Angriffe zur Wehr. Unterdessen haben Schüler_<strong>in</strong>nen<br />

über 400 ihrer Schulen besetzt und die Stu<strong>den</strong>t_<strong>in</strong>nen über<br />

100 Fakultäten. Unterstützung erhielten sie unter <strong>an</strong>derem <strong>von</strong> e<strong>in</strong>igen<br />

Lehrkräften und Dozent_<strong>in</strong>nen. Sie wehren sich gegen die Verschlechterung<br />

der Bed<strong>in</strong>gungen <strong>von</strong> Lehre und Studium und die Rücknahme<br />

bereits erkämpfter Errungenschaften wie der Bereitstellung kostenloser<br />

Schulbücher. Denn sie mussten d<strong>an</strong>k der Sparmaßnahmen erstmalig<br />

ohne die Bücher <strong>in</strong> e<strong>in</strong> neues Schuljahr starten.<br />

GRoSSBRITANNIEN<br />

In London g<strong>in</strong>gen im Dezember 2010 Zehntausende <strong>von</strong> Schüler_<strong>in</strong>nen<br />

und Stu<strong>den</strong>t_<strong>in</strong>nen auf die Straße, um gegen die gepl<strong>an</strong>te Verdreifachung<br />

der Studiengebühren zu protestieren. Es kam zu Straßenschlachten<br />

und die Parteizentrale der Konservativen wurde gestürmt.<br />

Die Regierung ignorierte die Proteste und w<strong>in</strong>kte das Gesetz durch.<br />

Auch <strong>von</strong> Seiten der Lehren<strong>den</strong> herrschte großes Unverständnis über<br />

ANTIFA JUGENDINFO<br />

2011<br />

die <strong>an</strong>schließen<strong>den</strong> repressiven staatlichen Maßnahmen. „Fenster zerschlagen<br />

ist nichts im Vergleich zur Zerschlagung des Bildungssystems“,<br />

hieß es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Bekundung, die auch Dozent_<strong>in</strong>nen unterschrieben.<br />

Im August 2011 brach <strong>in</strong> Großbrit<strong>an</strong>nien erneute e<strong>in</strong>e Revolte<br />

aus. Auslöser war diesmal die Tötung Mark Dugg<strong>an</strong>s durch die Polizei,<br />

die sich <strong>an</strong>schließend, wie gewohnt, ihrer Ver<strong>an</strong>twortung entzog.<br />

Diesmal verliehen als erstes die unterprivilegierten Jugendlichen aus<br />

Tottenham ihrer Wut auf der Straße Ausdruck. Der Zug<strong>an</strong>g zu e<strong>in</strong>em<br />

<strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nten Beruf und damit der E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> die - <strong>an</strong> jeder Straßenecke<br />

- <strong>an</strong>gepriesene Konsumgesellschaft bleibt ihnen oft schon alle<strong>in</strong><br />

aufgrund ihrer Herkunft aus dem verrufenen Londoner Viertel verwehrt.<br />

Die tagel<strong>an</strong>g <strong>an</strong>dauern<strong>den</strong> Straßenkämpfe weiteten sich auch<br />

auf <strong>an</strong>dere britische Städte aus. E<strong>in</strong>e Artikulation politischer Forderungen,<br />

die die Regierung <strong>in</strong> der Verg<strong>an</strong>genheit geflissentlich ignorierte,<br />

blieb bei dieser Revolte aus. Auch hatte sie ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitliches<br />

Ziel: <strong>an</strong> e<strong>in</strong>er Stelle wurde die Polizei, die die Jugendlichen seit l<strong>an</strong>gem<br />

systematisch schik<strong>an</strong>iert, gezielt <strong>an</strong>gegriffen, <strong>an</strong> <strong>an</strong>derer Stelle wurde<br />

sie umg<strong>an</strong>gen, um sich ungestört die verwehrten Konsumgüter durch<br />

Plünderungen <strong>an</strong>eignen zu können. An wieder <strong>an</strong>deren Orten eskalierte<br />

die Situation dermaßen, dass Menschen getötet und Wohnhäuser<br />

abgefackelt wur<strong>den</strong>.<br />

Medien und Politik nutzten bereitwillig dieses gebrauchsfertige<br />

S<strong>in</strong>nbild für das Böse des Aufst<strong>an</strong>ds im Allgeme<strong>in</strong>en, um je<strong>den</strong> Protest<br />

zu diffamieren und die Aufständischen als bloße Krim<strong>in</strong>elle darzustellen<br />

und aus dem größeren Kontext zu reißen.<br />

Um so wichtiger ist es, <strong>in</strong> kommen<strong>den</strong> Aufstän<strong>den</strong> eigene Akzente<br />

zu setzen, die nicht <strong>von</strong> der Verbitterung des Ausschlusses aus der<br />

Konsumgesellschaft dom<strong>in</strong>iert wer<strong>den</strong>, sondern <strong>von</strong> dem Wunsch, <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er solidarischen Gesellschaft zu leben, die die Menschen nicht nach<br />

kapitalistischen Normen bewertet.<br />

Enough is enough – für selbstbestimmtes Leben und Lernen!<br />

21


ANTIFA JUGENDINFO<br />

22 2011<br />

ANTIFASCHISTISCHE LINKE JUGEND<br />

allE<strong>in</strong> maChEn SiE diCh E<strong>in</strong> ...<br />

Komm zur Jugend<strong>an</strong>ftifa!<br />

d<br />

u bist genervt vom gesellschaftlichen Normalzust<strong>an</strong>d. In der Schule<br />

ist der Leistungsdruck d<strong>an</strong>k MSA und Turboabi noch größer gewor<strong>den</strong>.<br />

Die Aussichten e<strong>in</strong>en Ausbildungsplatz zu bekommen s<strong>in</strong>d<br />

noch weiter gesunken. E<strong>in</strong> selbstbestimmtes Studium ist d<strong>an</strong>k Bachelor<br />

und Masterstudiengängen schon l<strong>an</strong>ge kaum mehr möglich, wenn<br />

du es dir <strong>den</strong>n überhaupt leisten k<strong>an</strong>nst. Die Mieten steigen immer<br />

mehr und das heißt d<strong>an</strong>n für immer mehr Menschen aus ihren alten<br />

Kiezen wegzuziehen und Platz zu machen für neue teure Cafés und<br />

schicke Designerlä<strong>den</strong>. Die paar Jugendclubs, die noch nicht geschlossen<br />

wor<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d, können aus Geldm<strong>an</strong>gel immer weniger <strong>an</strong>bieten<br />

und de<strong>in</strong>e Eltern müssen demnächst wieder zum Amt.<br />

Nazis ziehen wieder durch die Stadt, auch <strong>in</strong> de<strong>in</strong>er Straße hängen<br />

widerliche Plakate mit dem Slog<strong>an</strong> „Gas geben“ und die Zahlen rechter<br />

Straftaten s<strong>in</strong>d auch 2011wieder auf Rekordniveau. Was macht die<br />

Polizei? Verschweigt e<strong>in</strong>fach die Nazidemos, um <strong>den</strong> Protest dagegen<br />

zu erschweren; sie hört <strong>in</strong> Dres<strong>den</strong> über 1. Mio. H<strong>an</strong>dygespräche ab,<br />

um gegen Menschen zu ermitteln, die Europas größten Naziaufmarsch<br />

blockiert haben; sie durchsucht die Räume e<strong>in</strong>es Pfarrers <strong>in</strong> Jena, weil<br />

dieser zu Zivilcourage aufgerufen hat oder prügelt ,wie im September<br />

<strong>in</strong> Dortmund geschehen, <strong>den</strong> Nazis <strong>den</strong> Weg frei, natürlich alles mit<br />

Rückendeckung der Politik...<br />

Dies alles s<strong>in</strong>d nur E<strong>in</strong>zelbeispiele, die exemplarisch für das stehen, was<br />

uns nervt. E<strong>in</strong>e Gesellschaft, <strong>in</strong> der nur das Geld und die Verwertbarkeit<br />

des Menschen im Vordergrund stehen, wo trotz Überfluss Menschen<br />

hungern und auf der Straße leben müssen, damit die Preise stabil<br />

bleiben. E<strong>in</strong>e Gesellschaft <strong>in</strong> der Reiche immer reicher und Arme<br />

immer ärmer wer<strong>den</strong> und so get<strong>an</strong> wird, als wäre das normal. E<strong>in</strong>e<br />

Gesellschaft, die immer mehr auf Repression und Überwachung setzt<br />

und wer nix zu verbergen hat, sich nicht beschweren soll, wenn H<strong>an</strong>dygespräche<br />

mitgehört und Emails gelesen wer<strong>den</strong> und die g<strong>an</strong>ze<br />

Stadt mit Videokameras zugeschissen ist – natürlich nur zu unserer<br />

eigenen Sicherheit. E<strong>in</strong>e Gesellschaft, <strong>in</strong> der „m<strong>an</strong> es ertragen muss“,<br />

dass Nazis ihre menschenverachtende Propag<strong>an</strong>da verbreiten und <strong>in</strong><br />

der diejenigen, die sich ihnen entgegenstellen, wer<strong>den</strong> als „Chaoten<br />

und Gewalttäter“ bezeichnet... Doch am meisten nervt uns, dass uns<br />

ständig e<strong>in</strong>gebläut wird, wir könnten dar<strong>an</strong> nix ändern.<br />

Bullshit! Diese Welt ist <strong>von</strong> Menschen gemacht und somit auch <strong>von</strong><br />

ihnen zu verändern. Und genau dies erleben wir <strong>in</strong> immer mehr Teilen<br />

dieser Welt. Ob die Aufstände im Nahen Osten, die Jugendrevolte <strong>in</strong><br />

Sp<strong>an</strong>ien, der Widerst<strong>an</strong>d Hunderttausender <strong>in</strong> Griechenl<strong>an</strong>d und Italien<br />

gegen die Folgen der <strong>von</strong> B<strong>an</strong>ken und Unternehmen verursachten<br />

Krise, oder die Sozialproteste <strong>in</strong> Israel. Überall auf der Welt versuchen<br />

immer mehr Menschen ihr Schicksal <strong>in</strong> die eigene H<strong>an</strong>d zu<br />

nehmen. Auch hierzul<strong>an</strong>de wird der Unmut gegen die tagtäglichen<br />

gesellschaftlichen Zumutungen immer deutlicher. Immer mehr<br />

Menschen haben die Schnauze gestrichen voll <strong>von</strong> der Lüge, dass es im<br />

Kapitalismus Glück und Wohlst<strong>an</strong>d für Alle gibt und f<strong>an</strong>gen <strong>an</strong>, sich<br />

Ged<strong>an</strong>ken zu machen, ob es nicht noch mehr im Leben gibt, als Schule,<br />

Arbeit, Rente...<br />

Alle<strong>in</strong> - so viel ist klar – wirst du es nicht schaffen, diese Welt zu ändern.<br />

Dazu braucht es mehr Menschen wie dich. Zusammen s<strong>in</strong>d wir<br />

stark, können uns <strong>in</strong> unseren Erfahrungen, Vorstellungen und Ängsten<br />

austauschen und geme<strong>in</strong>sam für Veränderungen kämpfen. In diesem<br />

S<strong>in</strong>ne: Org<strong>an</strong>isiere dich! Such dir Gleichges<strong>in</strong>nte! Tut euch zusammen<br />

und bildet B<strong>an</strong><strong>den</strong>! Oder mach mit bei <strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>en Gruppen,<br />

die <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> gegen Nazis, Staat und Kapital kämpfen.<br />

Zusammen heben wir die Welt aus <strong>den</strong> Angeln – sei Teil des kommen<strong>den</strong><br />

Aufst<strong>an</strong>des!


Autonome Antifa Berl<strong>in</strong> (A2B)<br />

Antifaschistische L<strong>in</strong>ke Berl<strong>in</strong> (ALB) > www.<strong>an</strong>tifa.de<br />

Antifaschistische Initiative Re<strong>in</strong>ickendorf (AIR) > air.<strong>an</strong>tifa.de<br />

Antifa Jugendaktion Kreuzberg (AJAK) > www. ajak.tk<br />

Rigaer 94 > rigaer94.squat.net<br />

Siempre Antifascista > siempre.red-sk<strong>in</strong>s.de<br />

Antifa Friedrichsha<strong>in</strong> (AFH) > <strong>an</strong>tifa-fh.de.vu<br />

Antifa Hohenschönhausen (AH) > ah.<strong>an</strong>tifa.de<br />

Antifaschistische Initiative Schöneberg (AIS) > ais.blogsport.de<br />

Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berl<strong>in</strong> (ARAB) > arab.blogsport.de<br />

Red <strong>an</strong>d Anarchist Sk<strong>in</strong>heads Berl<strong>in</strong> (RASH) > red-sk<strong>in</strong>s.de<br />

impressum / rechtliche h<strong>in</strong>weise<br />

Diese Ausgabe des Antifajugend<strong>in</strong>fo<br />

erschien im Rahmen der Silvio-Meier-Demo<br />

im Herbst 2011 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>.<br />

v.i.S.d.p.:<br />

Rosalie P<strong>in</strong>k, Silvio-Meier-Str. 92, 10247 Berl<strong>in</strong><br />

Die Verteiler_<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d nicht i<strong>den</strong>tisch<br />

mit der Redaktion oder <strong>den</strong> Autor_<strong>in</strong>nen der<br />

<strong>in</strong> dieser Broschüre veröffentlichten Texte.<br />

Diese Broschüre bleibt bis zu ihrer<br />

Aushändigung Eigentum des/der Absender_<strong>in</strong>.<br />

„Zur Habenahme“ ist ke<strong>in</strong>e persönliche<br />

Aushändigung im S<strong>in</strong>ne dieses Vorbehalts.


<strong>in</strong> <strong>ge<strong>den</strong>ken</strong> <strong>an</strong> <strong>den</strong> <strong>von</strong> <strong>faschisten</strong> <strong>ermordeten</strong> silvio meier<br />

www.silviomeier.de.vu<br />

19.<br />

nov.<br />

silvio<br />

meier<br />

21.<br />

nov. mahnwache<br />

17 uhr u-Bhf. SamariterStraSSe<br />

19.<br />

nov.<br />

demo<br />

Party<br />

21 uhr K<strong>in</strong>zigStr. 9<br />

15 uhr u-Bhf. SamariterStr.

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