Riskante Arbeitswelt im Spiegel der Supervision

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Riskante Arbeitswelt im Spiegel der Supervision 11 Professionalität und Qualität der Arbeit Christoph Handrich Rolf Haubl (Hg.), Riskante Arbeitswelt im Spiegel der Supervision Die Voraussetzungen professionellen Handelns innerhalb von Organisationen unterliegen in zunehmendem Maße einer Veränderung. Das professionelle Handeln wird dabei durch mehrere Faktoren beeinflusst. Auf der Grundlage einer vertiefenden Auswertung der qualitativen Daten unserer Untersuchung lassen sich verschiedene dieser Einflussfaktoren nachweisen, die im Folgenden zunächst kurz vorgestellt werden sollen. Organisationen sind in einem zunehmenden Maße externen Zwängen und Einflüssen ausgesetzt. Diese lassen sich einerseits insbesondere im Non-Profit-Sektor auf politische Entscheidungen zurückführen: Über eine stärkere ökonomische Ausrichtung und durch den Aufbau von Markt- bzw. marktähnlicher Strukturen soll eine stärkere Konkurrenz der Organisationen und infolgedessen eine Kostenreduktion erreicht werden. Profit-Organisationen sehen sich aufgrund einer fortschreitenden Globalisierung mit einer wachsenden internationalen Konkurrenz konfrontiert. Die Verfügbarkeit moderner Massenkommunikationsmittel ermöglicht zudem eine weltweite Vernetzung der Wirtschaft. Das stellt Organisationen vor die Anforderung, auf externe Ereignisse, die ihr unternehmerisches Handeln beeinflussen, innerhalb kürzester Zeit zu reagieren. Hinzu kommen die weiterhin anhaltenden Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise sowie zunehmende gesellschaftliche Anforderungen an die Organisationen, die nicht auf ökonomischen Faktoren beruhen, sondern vielmehr ethische und ökologische Aspekte in den Fokus der Betrachtung rücken. Organisationen reagieren auf diese Bedingungen üblicherweise mit Maßnahmen, die eine größtmögliche Reduzierung der Kosten zum Ziel haben, was insbesondere mit einem Personalabbau einhergeht. Um die Personalkosten flexibel und auf einem geringen Niveau halten zu können, wird auch verstärkt auf atypische Beschäftigungsformen wie Leih- und Zeitarbeit zurückgegriffen. Zudem versuchen sich die Organisationen durch interne Umstrukturierungsmaßnahmen an die veränderten Anforderungen anzupassen. Diese Umstrukturierungen äußern sich häufig in einer Neuverteilung von Aufgaben, Befugnissen, Zuständigkeiten und Funktionen aufgrund veränderter Hierarchiestrukturen, aber auch in der Umstrukturierung der inneren Organisation (z. B. durch Zusammenlegen von Abteilungen, Implementierung des Cost-Center-Prinzips, Verwendung dezentraler Arbeitssteuerungselemente wie Zielvereinbarungen oder auch Projektarbeit). Als Folge der zunehmenden Ökonomisierung und Standardisierung im Non-Profit- Bereich sowie der erhöhten Geschwindigkeit und dem stärkeren Konkurrenz- und Anpassungsdruck im Profit-Bereich sehen sich die Beschäftigten einem gewachsenen Kosten- und Zeitdruck ausgesetzt. Dieser wird vornehmlich durch knappe Kalkulationen, Ressourcenverknappungen bei gleichzeitigem Anstieg der Arbeitsbelastung, © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-40333-4 — ISBN E-Book: 978-3-647-40333-5
Rolf Haubl (Hg.), Riskante Arbeitswelt im Spiegel der Supervision 12 Riskante Arbeitswelt im Spiegel der Supervision Strukturveränderungen in den Organisationen, ein großes Maß an Unsicherheit bezüglich des Arbeitsplatzes und der Finanzierung der Organisation als Ganzes geprägt. Die dargestellten Bedingungen, denen sich die Organisationen ausgesetzt sehen, und die damit verbundenen Anpassungs- und Umstrukturierungsprozesse wirken sich auf das professionelle Handeln der Beschäftigten aus. Als eine direkte Folge werden den Beschäftigten häufig Aufgaben, Befugnisse und Verantwortlichkeiten übertragen, für deren Ausführung sie weder eine geeignete Qualifikation besitzen noch die entsprechenden Mittel und Ressourcen zur Verfügung gestellt bekommen. Diese Aufgaben umfassen zum Teil hoch komplexe Tätigkeiten und müssen meist zusätzlich zu bereits bestehenden Aufgaben übernommen werden. Daher ist es den Beschäftigten nicht zuletzt aufgrund des hohen Zeitdrucks und zunehmender Arbeitsverdichtung nur schwer möglich, sich die entsprechende Qualifikation nachträglich anzueignen. Im Non-Profit-Bereich beziehen sich die Tätigkeiten vor allem auf die Umsetzung und Anwendung betriebswirtschaftlicher Methoden. Die Aufgabengebiete in diesem Bereich umfassen u.a. Maßnahmen des Qualitätsmanagements, die profitorientierte Führung von Abteilungen, Projekt- bzw. Finanzierungsmittelakquise und Projektmanagement. Während in Non-Profit-Organisationen vornehmlich die Übernahme und Aneignung betriebswirtschaftlicher Methoden und Ausdrucksweisen im Vordergrund steht, sehen sich die Beschäftigten in Profit-Organisationen vor allem mit deutlich gesteigerten Flexibilitätsanforderungen konfrontiert. Diese äußern sich beispielsweise in der Notwendigkeit, innerhalb eines kurzen Zeitraumes wechselnde Aufgaben auf unterschiedlichen Positionen in verschiedenen Organisationsbereichen übernehmen zu müssen. Diese Aufgaben sind zudem häufig mit einem kompletten Wechsel der Arbeitsweise und auch der Arbeitsgrundlage verbunden. Dabei sind nicht selten unterschiedliche Aufgaben parallel zu bearbeiten, sodass die Beschäftigten gleichzeitig in mehreren Bereichen Tätigkeiten ausführen müssen, die teilweise vollkommen unterschiedliche Fähigkeiten und Qualifikationen erfordern. Die Ausführung unterschiedlicher Tätigkeiten geht zudem mit einer Zunahme von Verantwortlichkeiten in den jeweiligen Bereichen einher, weil Hierarchien zunehmend verflacht werden und somit mittlere Führungsebenen wegfallen. Dies bedeutet, dass die Beschäftigten nicht nur zunehmend mehr Aufgaben und Tätigkeiten übernehmen müssen, für deren Ausführung sie keine Qualifikations- und Ressourcengrundlage besitzen. Sie sind zudem auch für ihr gewissermaßen „unqualifiziertes“ Handeln unmittelbar verantwortlich und müssen die ihnen übertragenen Aufgaben korrekt und erfolgreich durchführen. Um unter den gegebenen Bedingungen und Anforderungen die ihnen übertragenen Aufgaben erfüllen zu können, ist es notwendig, dass die Beschäftigten sukzessiv professionelle Standards absenken. Im Non-Profit-Bereich wird dieser Umstand besonders an einer Fokusverschiebung deutlich, die den Schwerpunkt der Arbeit vom eigentlichen professionellen Gegenstand (i.d.R. der Klient, Patient, Schüler etc.) auf die Erhaltung der ökonomischen Überlebensfähigkeit der Organisation verlagert. Dies bedeutet, dass die Betreuung der jeweiligen Klientel den ökonomischen Interessen der Organisation © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-40333-4 — ISBN E-Book: 978-3-647-40333-5
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