elements34 - Evonik Industries
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<strong>elements34</strong><br />
Quarterly Science Newsletter Ausgabe 1| 2011<br />
<strong>Evonik</strong>-Innovationspreis 2010<br />
„And the winner is…“<br />
Gesundheit & Ernährung<br />
Tablette statt Spritze<br />
Designing with Polymers<br />
PEEK erobert den Medizintechnikmarkt
02 Inhalt<br />
06<br />
20<br />
30<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011<br />
n E W S<br />
04 Kapazitätserweiterung in der Isophoronchemie geplant<br />
04 Absichtserklärung zum Bau neuer Produktionsanlagen für<br />
Wasserstoffperoxid und Propylenoxid unterzeichnet<br />
05 Erfolgreiche Kapazitätserweiterung für Laurinlactam<br />
05 Korea: Joint Venture zur Herstellung von Wasserstoffperoxid<br />
EvonIk-InnovatIonSprEIS 2010<br />
06 „And the winner is...“<br />
katEgorIE nEuE odEr vErbESSErtE vErfahrEn<br />
08 Ein neuer Weg zu hochreinem Isobuten<br />
katEgorIE nEuE produktE/nEuE SyStEmlöSungEn<br />
14 Bringt verbrauchte Energie zurück: CreAMINO® für die Tierernährung<br />
n E W S<br />
18 Energieeffizienz im flachen Design<br />
18 Technik in 3D: PPA für dreidimensionale Schaltungsträger<br />
19 <strong>Evonik</strong> und AU Optronics beschließen strategische Partnerschaft<br />
19 Schutz für hochwertige Oberflächen<br />
gESundhEIt & Ernährung<br />
20 Neue Technologieplattformen machen Wirkstoffe in Tabletten<br />
besser bioverfügbar: Tablette statt Spritze<br />
n E W S<br />
28 ROHACELL® bewährt sich im Kabinendruckschott-Prototyp<br />
für chinesischen Passagierjet<br />
28 Umweltschonende Produktion von Natriumcyanid in Russland:<br />
<strong>Evonik</strong> vergibt Lizenzen an EPC Engineering Consulting<br />
29 Elektroschrott macht erfinderisch<br />
dESIgnIng WIth polymErS<br />
30 Konkurrenz für Titan: PEEK erobert den Medizintechnikmarkt<br />
n E W S<br />
35 Bleifrei – auch auf dem Dach<br />
35 Impressum
Aus- und Umbau<br />
Tablette oder Spritze? Nicht immer hat ein Patient die Wahl. Insulin zum Beispiel<br />
würde als einfache Tablette im Magen-Darm-Trakt sofort abgebaut werden, bevor<br />
es seine Wirkung entfalten kann, und muss deshalb gespritzt werden. Andere Wirkstoffe<br />
wie Fenofibrat zur Senkung des Cholesterinspiegels wiederum lösen sich<br />
nur schlecht und gelangen nicht ins Blut, wenn sie als Tablette verabreicht werden.<br />
Und das Problem nimmt zu: In Zukunft werden 95 Prozent aller Wirkstoffe oral<br />
schlecht bioverfügbar sein – weil sie sich entweder schlecht lösen oder weil es sich<br />
um so genannte Biologika auf Basis von Proteinen und Peptiden handelt, die als<br />
Tabletten im Magen-Darm-Trakt zerstört würden.<br />
<strong>Evonik</strong> ist dafür gut gerüstet. Unser Geschäftsgebiet Pharma Polymers, das über<br />
unsere Produktreihe EUDRAGIT® über langjährige Erfahrung mit der Formulierung<br />
von Tabletten und der kontrollierten Freisetzung von Wirkstoffen verfügt, bringt<br />
derzeit neue Technologien auf den Markt, die vielen Patienten die ungeliebte Spritze<br />
ersparen könnten – weil sie es erlauben werden, Wirkstoffe oral zu verabreichen,<br />
die heute noch gespritzt werden müssen. Sie machen einen Wirkstoff löslicher, verbessern<br />
seine Aufnahme in die Blutbahn und schützen vor Zersetzung etwa durch<br />
Enzyme. Und mit der Übernahme des Resomer®-Geschäfts von Boehringer Ingelheim<br />
verfügen wir nun über eine ergänzende Technologieplattform für parenterale Formulierungen,<br />
wie sie in Spritzen, Infusionen und Langzeitdepots zum Einsatz kommen.<br />
Mehr über unsere Entwicklungen bei Pharmapolymeren erfahren Sie ab S. 20.<br />
Ein weiterer Schwerpunkt dieser Ausgabe sind die Gewinner unseres Innovationspreises<br />
2010 – ein Preis, mit dem wir unsere Forscher für herausragende Entwicklungen<br />
in der Chemie auszeichnen. Dass sie tatsächlich herausragen, zeigt ein<br />
Preisträger aus dem Jahr 2004: das HPPO-Verfahren, eine gemeinsame Entwicklung<br />
von <strong>Evonik</strong> und Uhde. Es erzeugt besonders wirtschaftlich und umweltfreundlich<br />
Propylenoxid aus Propylen und Wasserstoffperoxid. Die Idee: Als zweitgrößter Hersteller<br />
von Wasserstoffperoxid schaffen wir uns einen völlig neuen Markt, indem<br />
wir für das HPPO-Verfahren Lizenzen vergeben und das dafür benötigte Wasserstoffperoxid<br />
liefern. Ein Plan, der voll aufgegangen ist. Nach der koreanischen SKC,<br />
die seit gut zwei Jahren nach dem HPPO-Verfahren sehr erfolgreich 100.000 Tonnen<br />
Propylenoxid pro Jahr produziert, will nun auch das indische Chemieunternehmen<br />
Gujarat Alkalies and Chemicals Limited eine Lizenz erwerben, eine Anlage errichten<br />
und das Wasserstoffperoxid von uns beziehen. Darüber hinaus verhandeln wir mit<br />
einer Reihe weiterer Unternehmen über die Lizensierung von HPPO.<br />
HPPO und Pharmapolymere stehen exemplarisch für unser gesamtes Portfolio:<br />
Sie zielen auf völlig unterschiedliche Märkte, denen wir uns auf völlig unterschiedlichen<br />
Wegen nähern. Das Ergebnis ist jedoch das Gleiche: ein nachhaltiger Ausbau<br />
unseres Geschäfts – nicht zuletzt auch deshalb, weil sie die globalen Megatrends<br />
Gesundheit und Ernährung sowie Ressourceneffizienz bedienen. Der Ausbau ist eine<br />
wichtige Voraussetzung für unseren Umbau zu einem weltweit führenden Spezialchemieunternehmen.<br />
Den ersten Schritt dahin haben wir jetzt vollzogen mit dem<br />
Verkauf von 51 Prozent unserer Anteile an der <strong>Evonik</strong> Steag GmbH, in der die Energieaktivitäten<br />
von <strong>Evonik</strong> gebündelt sind.<br />
EdItorIal 03<br />
patrik Wohlhauser<br />
Vorsitzender der Geschäftsführung<br />
der <strong>Evonik</strong> Degussa GmbH<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011
04 nEWS<br />
Kapazitätserweiterung in der Isophoronchemie geplant<br />
<strong>Evonik</strong> <strong>Industries</strong> beabsichtigt, eine neue<br />
Anlage zur Herstellung von Isophoron und<br />
Isophorondiamin zu bauen. Die Wahl des<br />
Standorts wird derzeit geprüft. Bei der<br />
Entscheidung, an welchem Standort die neue<br />
Produktionsanlage gebaut werden soll, spielen<br />
sowohl wirtschaftliche als auch marktstrategische<br />
Faktoren eine wichtige Rolle.<br />
Die Geschäftsführung der <strong>Evonik</strong> Degussa<br />
GmbH hat jetzt der Planung der Anlage zugestimmt,<br />
die 2013 in Betrieb gehen soll.<br />
„Die Isophoronchemie zählt zum Kerngeschäft<br />
von <strong>Evonik</strong>. Der Markt für Isophoron<br />
und die Folgeprodukte wächst beständig und<br />
hat sich auch in der Wirtschafts krise als robust<br />
erwiesen. Deshalb wollen wir mit der Kapazitätserweiterung<br />
unsere Markt- und Technologieführerschaft<br />
nachhaltig stärken“, erklärte<br />
Dr. Klaus Engel, Vorsitzender des Vorstands<br />
von <strong>Evonik</strong> <strong>Industries</strong>.<br />
Mit dem geplanten Bau der World-Scale-<br />
Anlage, die dem neuesten Stand der Technik<br />
entsprechen wird, reagiert <strong>Evonik</strong> auf die<br />
steigende Nachfrage seiner Kunden aus zahlreichen<br />
Anwenderindustrien. Darüber hinaus<br />
schafft das Unternehmen durch die Investition<br />
die Voraussetzung für einen später möglichen,<br />
weiteren Ausbau im Bereich der Isopho ronchemie.<br />
Absichtserklärung<br />
zum Bau neuer<br />
Produktionsanlagen<br />
für Wasserstoffperoxid<br />
und Propylenoxid<br />
unterzeichnet<br />
<strong>Evonik</strong> <strong>Industries</strong> und das indische Chemie-<br />
Unternehmen Gujarat Alkalies and Chemicals<br />
Limited (GACL) treiben Pläne für ein neues<br />
Millionenprojekt voran. Kernstücke sind dabei<br />
der Bau einer neuen Anlage für Wasserstoffperoxid<br />
durch <strong>Evonik</strong> sowie die Errichtung<br />
einer neuen Anlage für Propylenoxid<br />
durch GACL. Ziel ist es, Propylenoxid nach<br />
dem von <strong>Evonik</strong> und Uhde gemeinsam entwickelten,<br />
umweltfreundlichen HPPO-Verfahren<br />
(Hydrogen Peroxide to Propylene<br />
Oxide) herzustellen. Vertreter von <strong>Evonik</strong><br />
und GACL unterzeichneten für das angestrebte<br />
Projekt in Dahej im indischen Bundes<br />
staat Gujarat eine entsprechende Ab-<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011<br />
„Wir wollen den Erwartungen unserer<br />
Kunden hinsichtlich Kosten und geo graphischer<br />
Nähe bestmöglich gerecht werden“,<br />
so Gerd Brand, Leiter des Geschäftsgebiets<br />
Crosslinkers. „Daher werden insbesondere<br />
attraktive Investitionsbedingungen in Südostasien<br />
und China geprüft und finden Berücksichtigung<br />
in unseren Plänen.“ Derzeit<br />
produziert <strong>Evonik</strong> an den Standorten Herne<br />
und Marl (Deutschland), Antwerpen (Bel-<br />
Die Isophoronanlage von <strong>Evonik</strong> in Herne<br />
sichtserklärung (Memorandum of Understanding).<br />
Das geplante Projekt steht unter<br />
dem Vorbehalt der Zustimmung des Vor standes<br />
der <strong>Evonik</strong> <strong>Industries</strong> AG und des Aufsichtsrates.<br />
Mit der Absichtserklärung soll eine längerfristige<br />
enge Zusammenarbeit von <strong>Evonik</strong><br />
und GACL auf den Weg gebracht werden:<br />
Das indische Unternehmen beabsichtigt, von<br />
Uhde und <strong>Evonik</strong> eine Lizenz für die Herstellung<br />
von Propy lenoxid nach dem HPPO-<br />
Verfahren zu erwerben. In unmittelbarer<br />
Nähe zu der geplanten neuen Propylenoxid-<br />
Anlage wird <strong>Evonik</strong> das für die Produktion<br />
nötige Wasserstoffperoxid erzeugen und<br />
GACL damit „über den Zaun“ beliefern.<br />
Fachleute rechnen für die kommenden Jahre<br />
mit einer weltweit deutlich steigenden Nachfrage<br />
nach Propylenoxid.<br />
Vorbild für die Kooperation in Indien ist<br />
die weltweit erste großtechnische Anlage zur<br />
Herstellung von Propylenoxid nach dem<br />
HPPO-Verfahren: 2008 hatte sie das koreanische<br />
Unternehmen SKC mit einer Jahreskapazität<br />
von 100.000 Tonnen in Ulsan<br />
gien) sowie Mobile (Alabama, USA). <strong>Evonik</strong><br />
ist weltweit das einzige Unter nehmen, das die<br />
gesamte Kette der Iso phoronchemie produziert<br />
und vermarktet: Isophoron, Isopho rondiamin,<br />
Isophoron di isocyanat und De ri va te.<br />
Diese Produkte werden als wichtiger Bestandteil<br />
zum Beispiel für die Herstellung von<br />
Industriefußböden, Kunstleder oder La cken<br />
und Farben sowie im Wachstumsbereich leistungsfähiger<br />
Verbund werkstoffe eingesetzt.<br />
(Korea) in Betrieb genommen. Seither läuft<br />
die Anlage kontinuierlich und mit maximaler<br />
Aus lastung.<br />
„Das neue Projekt in Indien zeigt einmal<br />
mehr, dass wir mit der innovativen und umweltfreundlichen<br />
HPPO-Technologie auf dem<br />
richtigen Weg sind, Wasserstoffperoxid neben<br />
den klassischen Anwendungen neue<br />
Märkte zu erschließen“, so Dr. Thomas<br />
Haeberle, Mit glied der Geschäftsführung der<br />
<strong>Evonik</strong> Degus sa GmbH.<br />
Klassischer Abnehmer für Wasser stoffperoxid<br />
ist die Papier- und Zellstoffindustrie.<br />
<strong>Evonik</strong> ist mit einer Jahreska pazität von rund<br />
600.000 Tonnen und Standorten in Europa,<br />
Nordamerika, Südamerika, Neuseeland,<br />
Asien, Südafrika und Indonesien der weltweit<br />
zweitgrößte Hersteller des umweltfreundlichen<br />
Bleich- und Oxidationsmittels. Das mit<br />
Uhde entwickelte HPPO-Verfahren eröffnet<br />
einen innovativen Weg, um mit Wasserstoffperoxid<br />
Propylenoxid zu erzeugen.<br />
Im Vergleich zu herkömmlichen Produktionsverfahren<br />
für Propylenoxid gibt es<br />
dabei klare Vorteile. Das HPPO-Ver fahren
enötigt ein deutlich niedrigeres Inves ti tionsvolumen<br />
und bringt so eine höhere Wirtschaftlichkeit<br />
mit sich. Darüber hinaus ist es<br />
äußerst umweltfreundlich: Es erzielt eine<br />
hohe Ausbeute, und außer Wasser entstehen<br />
keine Nebenprodukte in nennenswerter<br />
Menge. „So gelingt es, die Umwelt zu entlasten<br />
und gleichzeitig nachhaltig wirtschaftlich<br />
zu produzieren. Wir bringen auf diese<br />
Erfolgreiche<br />
Kapazitätserweiterung<br />
für Laurinlactam<br />
<strong>Evonik</strong> hat die im Mai 2010 für das 4. Quartal<br />
angekündigte Erweiterung seiner Laurinlactamkapazität<br />
in Marl erfolg reich in Betrieb<br />
genommen. Lau rinlactam ist Aus gangsstoff<br />
für Polyamid 12, das der Konzern als Konstruk<br />
tionswerkstoff unter dem Mar kennamen<br />
VES TAMID® sowie als Pulver unter<br />
dem Namen VESTOSINT® vermarktet.<br />
Um die Versorgungssituation bei den<br />
Poly amid 12 basierten Formmassen zu entspannen,<br />
wird <strong>Evonik</strong>, wie im November<br />
bereits angekündigt, seine Laurinlactam-<br />
ka pazität weiter ausbauen. Mit dieser Maßnah<br />
me stärkt <strong>Evonik</strong> seine weltweit führende<br />
Marktposition bei Polyamid 12 und bietet als<br />
verlässlicher Partner seinen Kunden auch in<br />
Zukunft Liefersicherheit. <strong>Evonik</strong> produziert<br />
Weise Ressourceneffizienz in die Pra xis“, erläuterte<br />
Jan Van den Bergh, Leiter des<br />
Geschäftsbereichs Industrial Chemicals von<br />
<strong>Evonik</strong>. Dies unterstütze zudem das Ziel von<br />
GACL, grüne Technologie voranzubringen.<br />
<strong>Evonik</strong> ist das einzige Unternehmen, das<br />
die Prozesstechnologie für das HPPO-Verfahren,<br />
den dafür nötigen Katalysator und<br />
auch den Ausgangsstoff Wasserstoffperoxid<br />
Korea: Joint Venture zur Herstellung von Wasserstoffperoxid<br />
Vertragsunterzeichnung: Jang Suk Park (links), CEO der koreanischen<br />
SKC, Jan Van den Bergh (Mitte), Geschäftsbereichsleiter<br />
Industrial Chemicals, und Dr. Thomas Haeberle, Mitglied der<br />
Geschäftsführung der <strong>Evonik</strong> Degussa GmbH<br />
Laurinlactam ausgehend von Butadien in einem<br />
mehrstu figen Prozess und polymerisiert<br />
und com poundiert anschließend zu einer<br />
umfang reichen Palette an Polyamid-12-Produkten.<br />
Diese sind exakt auf die Anf or de -<br />
rungen von Verarbeitern und Endverbrauchern<br />
abgestimmt. Aufgrund seiner<br />
Eigenschaften reicht der Anwendungsbereich<br />
von VESTAMID® von anspruchsvollen Lei-<br />
nEWS 05<br />
aus einer Hand liefern kann. Das auf diese<br />
Weise erzeugte Propylenoxid ist ein Vorprodukt<br />
für Polyurethanschäume, mit denen<br />
zum Beispiel Kühlschränke und Häuser isoliert<br />
werden, um Energie zu sparen. In Autos<br />
senken die Schäume in Sitzpolstern, Armaturenbrettern<br />
und Stoßstangen das Gewicht<br />
und tragen so dazu bei, den Kraftstoff verbrauch<br />
zu verringern.<br />
Eine Anwendung für<br />
das aus Laurinlactam<br />
her gestellte Polyamid<br />
sind Gasrohre, wie<br />
sie beispiels weise in<br />
städtischen Verteilernetzen<br />
im Druckbereich<br />
zwischen 10 und 20 bar<br />
zum Ein satz kommen<br />
tungs systemen für Kraftfahrzeuge über großvolumige<br />
Rohre beispielsweise für die Roh ölförderung,<br />
Aderisolierungen in der Kabel industrie<br />
und Kathetern in der Medizintechnik<br />
bis zu Präzisionsspritzgussteilen wie Pumpen<br />
räder und Schaltventilgehäuse im Maschinen-<br />
und Apparatebau. VESTOSINT® wird für<br />
die Beschichtung von Metallteilen und Drahtwaren<br />
wie Spülmaschinenkörben verwendet.<br />
Mit der Vertragsunterzeichnung Ende 2010 in Essen hat die koreanische SKC<br />
(Seoul) 45 Prozent der Anteile an <strong>Evonik</strong> Degussa Peroxide Korea Co., Ltd.<br />
(Ulsan), einem Tochterunternehmen der <strong>Evonik</strong> Degussa GmbH, übernommen.<br />
<strong>Evonik</strong> Degussa Peroxide Korea ist der größte Produzent von Wasserstoffperoxid<br />
in Korea und dort seit 2006 aktiv.<br />
„Die Beteiligung der SKC an <strong>Evonik</strong> Degussa Peroxide Korea wird die bewährte<br />
Zusammenarbeit unserer beiden Unternehmen stärken und uns für das<br />
zukünftige Wachstum optimal aufstellen“, so Jan Van den Bergh, Geschäftsbereichsleiter<br />
Industrial Chemicals, bei der Vertragsunterzeichnung. „Für unseren<br />
Partner SKC bedeutet die Kooperation darüber hinaus hohe Liefersicherheit<br />
und größere Unabhängigkeit von aktuellen Marktpreisen für das Rohmaterial<br />
Wasserstoffperoxid.“<br />
SKC hatte 2008 die weltweit erste kommerzielle Anlage für Propylenoxid<br />
nach dem HPPO-Verfahren in Betrieb genommen. Die Produktion mit einer<br />
Kapazität von 100.000 Tonnen jährlich läuft seit Inbetriebnahme kontinuierlich<br />
mit maximaler Auslastung. <strong>Evonik</strong> und das Engineering-Unternehmen Uhde hatten<br />
das HPPO-Verfahren gemeinsam entwickelt und an SKC lizenziert. Es<br />
erzeugt mit Hilfe eines von <strong>Evonik</strong> entwickelten Kataly sators Propylenoxid aus<br />
Propylen und Wasserstoffperoxid. Dieses Verfahren ist besonders wirtschaftlich<br />
und umweltfreundlich. Außer Wasser entstehen keine Nebenprodukte in nennenswerter<br />
Menge.<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011
06 EvonIk-InnovatIonSprEIS 2010<br />
Kategorie neue oder verbesserte Verfahren:<br />
Ein neuer Weg zu hochreinem Isobuten<br />
Dr. Christian Böing, Reiner Bukohl, Helmut Kamps,<br />
Dr. Dietrich Maschmeyer, Peter Nothhaft, Dr. Udo Peters,<br />
Dr. Dirk Röttger, Arnd Schade, Dr. Markus Winterberg<br />
Geschäftsgebiet C4 Chemistry<br />
Dr. Torsten Balduf, Dr. Wilfried Schmidt<br />
Geschäftsgebiet Acrylic Monomers<br />
Dr. Thomas Quandt<br />
Geschäftsgebiet Catalysts<br />
Walter Luh, Dr. Armin Rix, Dr. Horst-Werner Zanthoff<br />
Servicebereich Verfahrenstechnik & Engineering<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011<br />
Kategorie neue Produkte/neue Systemlösungen:<br />
Bringt verbrauchte Energie zurück:<br />
CreAMINO® für die Tierernährung<br />
Dr. Ernst Krämer, Ricardo Gobbi, Dr. Andreas Lemme,<br />
Dr. Michael Binder, Dr. Alfred Petri, Dr. Thomas Kaufmann<br />
Geschäftsbereich Health & Nutrition
EvonIk-InnovatIonSprEIS 2010 07<br />
<strong>Evonik</strong>-Innovationspreis 2010<br />
CreAMINO ® , eIN Neues Futtermitteladditiv, sowie ein Verfahren<br />
zur Herstellung von Isobuten aus MTBE sind die Gewinner<br />
des <strong>Evonik</strong>-Innovationspreises 2010. Als Patrik Wohlhauser, Vorsitzender<br />
der Geschäftsführung der <strong>Evonik</strong> Degussa GmbH, beim<br />
letztjährigen Weihnachtskolloquium in Essen am Abend des 14.<br />
Dezember mit den Worten „and the winner is…“ zum Umschlag<br />
griff, stieg die Spannung bei den rund 200 Gästen fühlbar an.<br />
Denn sechs Teams – jeweils drei in den Kategorien neue Produkte<br />
und neue Verfahren – hatten den Einzug ins Finale geschafft<br />
und damit gute Chancen, den Innovationspreis zu gewinnen.<br />
Mit dem mit jeweils 30.000 € dotierten Preis würdigt <strong>Evonik</strong><br />
einmal im Jahr herausragende Entwicklungsarbeiten in der<br />
Chemie.<br />
Das Rennen in der Kategorie neue Produkte machte ein Team<br />
des Geschäftsbereichs Health & Nutrition mit CreAMINO®,<br />
einem neuen Baustein für eine nachhaltige Tierernährung. In<br />
der Kategorie neue Verfahren gewann ein gemischtes Team aus<br />
den Geschäftsgebieten C4 Chemistry, Acrylic Monomers und<br />
Catalysts sowie dem Servicebereich Verfahrenstechnik & Engineering.<br />
Es hat innerhalb kürzester Zeit ein neues Verfahren<br />
zur Herstellung von Isobuten aus MTBE (Methyl-tertiär-butylether)<br />
entwickelt und in die großtechnische Produktion sowohl<br />
in Schanghai als auch in Antwerpen überführt.<br />
Patrik Wohlhauser<br />
Wohlhauser bedankte sich bei den Teams für ihre herausragende<br />
Leistung, betonte aber zugleich, der Sieg der einen<br />
sei keine Niederlage der anderen: „Auch wenn heute in jeder<br />
Kategorie nur ein Team aufs Siegertreppchen passt, so sind<br />
doch alle sechs Teams Gewinner, die mit ihren guten Ideen und<br />
exzellenten Arbeiten spürbar zum Erfolg von <strong>Evonik</strong> beitragen.“<br />
20 Teams hatten sich diesmal um den Preis beworben – elf<br />
in der Kategorie neue Produkte und neun in der Kategorie neue<br />
Verfahren. Ende Oktober hatte eine Jury die sechs Finalisten anhand<br />
von Kriterien wie wirtschaftlicher Bedeutung, ökologischen<br />
Vorteilen und gesellschaftlichem Nutzen ausgewählt. In<br />
einer abschließenden Sitzung am Tag der Preisverleihung wählte<br />
eine zweite Jury, der neben Wohlhauser und Dr. Peter Nagler,<br />
Leiter Innovation Management Chemicals & Creavis, drei Geschäftsbereichsleiter<br />
sowie drei Professoren angehörten, die<br />
Gewinner aus. Zuvor hatten die nominierten Teams noch einmal<br />
die Gelegenheit, der Jury ihr Projekt zu präsentieren und sie im<br />
persönlichen Gespräch vom Nutzen und wirtschaftlichen Potenzial<br />
ihrer Entwicklung zu überzeugen. „Denn“, so Wohlhauser,<br />
„eine neue Entwicklung ist nur dann eine Innovation, wenn sie<br />
am Markt Erfolg hat. Und dazu gehört auch die kaufmännische<br />
Seite: gutes Marketing und professioneller Vertrieb.“ 777<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011
08 katEgorIE nEuE odEr vErbESSErtE vErfahrEn<br />
Ein neuer Weg zu hochreinem Isobuten<br />
Gemeinsam als Erste durchs Ziel<br />
Forschung kann sehr praxisnah sein. Experten aus vier Geschäfts- und Servicebereichen von<br />
<strong>Evonik</strong> bündelten ihre Expertise und realisierten innerhalb kurzer Zeit ein neues Verfahren für<br />
die großtechnische Herstellung von hochreinem Isobuten. Ein Vorzeigebeispiel dafür, wie sich<br />
moderne Simulation und Experimentalwissen, Kosten- und Ökoeffizienz, Grundlagenforschung<br />
und Praxis auf ideale Weise miteinander verzahnen lassen.<br />
[ text Dr. Thomas Quandt, Dr. Dirk Röttger, Dr. Wilfried Schmidt, Dr. Markus Winterberg, Dr. Horst-Werner Zanthoff ]<br />
CheMIsChe FOrsChuNg FINdet häufig weit ab vom harten Produktionsalltag<br />
statt – in Labors, im Technikum und immer häufiger<br />
am Computer in online-Datenbanken und -Bibliotheken.<br />
Eine empirische Regel lautet, dass die Umsetzung von Forschungsergebnissen<br />
in die Praxis ein schwieriger und langwieriger<br />
Weg ist und nicht selten auf halber Strecke scheitert.<br />
Experten aus vier Geschäfts- und Servicebereichen von <strong>Evonik</strong><br />
haben jetzt bewiesen, dass es auch anders geht. Innerhalb nur<br />
weniger Jahre gelang es dem Team aus vielen Spezialisten, ein<br />
neues Verfahren zur Produktion von hochreinem Isobuten zu<br />
entwickeln, zu testen und in zwei Großanlagen in Antwerpen<br />
und Schanghai zur Anwendung zu bringen. Der Schlüssel zum<br />
Erfolg: Chemiker, Verfahrenstechniker, Katalysatorentwickler,<br />
Anlagenplaner und Marketingexperten haben ihr Know-how gebündelt,<br />
und Forschung, Entwicklung, Planung und Produktmarketing<br />
erfolgten weitgehend parallel. Durch die enge Verzahnung<br />
der einzelnen Schritte – von der ersten Idee bis hin zum Bau der<br />
Großanlagen – konnten sie ein preiswertes und effizientes Produktionsverfahren<br />
realisieren, das nicht nur ein hochreines Isobuten<br />
liefert, sondern zudem weniger Abfall erzeugt und weniger<br />
Energie verbraucht als herkömmliche Verfahren.<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011<br />
Das Geschäftsgebiet C4 Chemistry betreibt in Marl und in Antwerpen<br />
einen Produktionsverbund, der aus dem sogenannten<br />
Crack-C4 verschiedene Chemikalien gewinnt, darunter auch<br />
Methyl-tertiär-butylether, kurz MTBE. MTBE, den Autofahrern<br />
als Antiklopfmittel in bleifreiem Benzin bekannt, ist die zentrale<br />
Komponente im neuen Prozess. Die Substanz ist volumenmäßig<br />
eines der großen Produkte von <strong>Evonik</strong> und wird in Mengen von<br />
über 500.000 Jahrestonnen hergestellt.<br />
Das Ausgangsmaterial für den C4-Verbund, Crack-C4, ist ein<br />
Kohlenwasserstoffgemisch, das bei der Produktion von Ethylen<br />
und Propylen als Nebenprodukt anfällt. Es besteht typischerweise<br />
aus 20 bis 28 Prozent Isobuten, 14 bis 20 Prozent 1-Buten<br />
und anderen vermarktbaren C4-Kohlenwasserstoffen wie Butadien,<br />
2-Butenen, Isobutan und n-Butan. Da 1-Buten und Isobuten<br />
nahezu identische physikalische Eigenschaften haben, lassen sie<br />
sich weder durch Destillation noch durch Extraktion voneinander<br />
trennen. Also greifen die Chemiker zu einem Trick: Sie verwandeln<br />
Isobuten in einen Ether, der sich aufgrund des deutlich<br />
höheren Siedepunktes von den anderen Kohlenwasserstoffen<br />
leicht durch Destillation abtrennen lässt. Erfolgt diese Umsetzung<br />
mit Methanol, entsteht MTBE. 333<br />
Seit Oktober 2010 ist das<br />
neue Verfahren zur<br />
Herstellung von Isobuten<br />
in Antwerpen in Betrieb
EvonIk-InnovatIonSprEIS 2010 09<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011
10 katEgorIE nEuE odEr vErbESSErtE vErfahrEn<br />
Höhere Wertschöpfung durch<br />
hochreines Isobuten<br />
Die Umsetzung von Isobuten mit Methanol zu MTBE ist eine<br />
Gleichgewichtsreaktion und kann daher auch in umgekehrter<br />
Richtung ablaufen. Hier setzte das Team an: Wie sieht ein Verfahren<br />
aus, das aus dem MTBE das chemisch gebundene Isobuten<br />
zurückgewinnt? Wie muss der dafür notwendige Katalysator<br />
beschaffen sein? Wie gelingt es, entstehende Nebenprodukte<br />
im Prozess sauber abzutrennen, um hochreines Isobuten zu erzeugen?<br />
Der Grund für diese Überlegungen: Isobuten ist eine Substanz<br />
mit hoher Wertschöpfung und einem wachsenden Markt.<br />
Die Chemikalie ist unter anderem ein wichtiger Rohstoff für<br />
Methylmethacrylat, kurz MMA. MMA wiederum ist ein begehrtes<br />
Produkt, aus dem zum Beispiel PLEXIGLAS® für hochmoderne<br />
LED-Flachbildschirme entsteht, umweltfreundliche<br />
Lacke oder auch leichte und damit Kraftstoff sparende Kunststoffteile<br />
für die Automobilproduktion. Der globale Markt für<br />
MMA wächst jährlich um fünf Prozent, in Asien ist es noch deutlich<br />
mehr. Außerdem ist Isobuten Ausgangsprodukt für andere<br />
chemische Erzeugnisse wie Butylkautschuk (Reifen), Klebstoffe<br />
und pharmazeutische Produkte.<br />
Katalysator entscheidend für Erfolg<br />
Die Umsetzung von MTBE ist eine heterogen katalysierte Reaktion,<br />
die bevorzugt in der Gasphase bei hohen Temperaturen<br />
erfolgt. Damit der Umsatz möglichst hoch ist, verwendeten die<br />
Experten viel Zeit darauf, Wärmezufuhr und Strömung der Gase<br />
Abbildung 1<br />
Typische Zusammensetzung von sogenanntem Crack-C4, einem C4-Kohlen -<br />
wasserstoffgemisch aus Steam-Crackern. Die physikalischen Eigen schaften<br />
von 1-Buten und Isobuten sind so ähnlich, dass diese Komponenten weder<br />
durch Destillation noch durch Extraktion voneinander getrennt werden<br />
können<br />
Komponente<br />
Isobutan<br />
Isobuten<br />
1-Buten<br />
1,3-Butadien<br />
n-Butan<br />
trans-2-Buten<br />
cis-2-Buten<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011<br />
Siedepunkt<br />
[°C]<br />
–11,7<br />
–6,9<br />
–6,3<br />
–4,6<br />
–0,5<br />
0,9<br />
3,6<br />
Chemische Struktur Gehalt im Crack-C4<br />
[Mass-%]<br />
1–3<br />
20–28<br />
14–20<br />
40–45<br />
4–8<br />
4–6<br />
2–5<br />
im Reaktor optimal zu gestalten. Entscheidend für den Erfolg<br />
des Verfahrens ist aber ein maßgeschneiderter und hoch selektiver<br />
Katalysator. Für das neue Verfahren zur Isobutenherstellung<br />
musste das Team daher auch einen neuen Katalysator finden,<br />
denn bekannte Formulierungen erwiesen sich als zu wenig<br />
selektiv und produzierten zu viele Nebenprodukte. Außerdem<br />
alterten sie zu schnell.<br />
<strong>Evonik</strong> profitierte dabei von seinem umfangreichen Knowhow<br />
in Katalysatorentwicklung und kinetischem Screening. Für<br />
das Screening wurde eine große Anzahl von katalytisch aktiven<br />
Substanzen hergestellt und in miniaturisierten und parallel betriebenen<br />
Laborreaktoren computergestützt getestet. Innerhalb<br />
von nur neun Monaten untersuchten die Spezialisten 90 Varianten<br />
mit unterschiedlichen Trägern, Promotermengen und Präparationsmethoden.<br />
1.500 Experimente waren notwendig, um<br />
die Parameter Temperatur, Druck, Verweilzeit und MTBE-Zusammensetzung<br />
zu variieren. Am Ende dieses High Throughput<br />
Screening stand ein Katalysator aus unterschiedlichen anorganischen<br />
Oxiden, der das MTBE sehr selektiv spaltet und sich<br />
durch hohe Lebensdauer, hohe Aktivität und geringe Nebenproduktbildung<br />
auszeichnet.<br />
Mit Simulationen schnell zum Ziel<br />
Experimente sind bei der Entwicklung neuer Verfahren jedoch<br />
nur ein Teil des Weges. Vielmehr begleitet die Computersimulation<br />
die gesamte Entwicklung – von der Idee über die Katalysatorsuche<br />
und Prozesssynthese bis zur Planung der großtechnischen<br />
Anlagen. Simulationen haben vielerlei Vorteile. Sie führen<br />
zu wichtigen Fragestellungen für die weitere Laborarbeit,<br />
zum Beispiel, ob die Reaktion auch bei einem bestimmten Druck<br />
durchgeführt werden kann, der eine Aufarbeitung deutlich vereinfacht.<br />
Erzeugt der Katalysator Nebenprodukte, die bei der<br />
Abbildung 2<br />
Spaltung von MTBE in Isobuten und Methanol: Gleichgewichtsumsätze<br />
in der Flüssig- und in der Gasphase. Durch eine Umsetzung in der Gasphase<br />
bei hohen Temperaturen lässt sich das Gleichgewicht weiter in Richtung<br />
Isobuten und Methanol verschieben<br />
Flüssigphase Gasphase<br />
MTBE-Umsatz [%]<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
O<br />
+<br />
MeOH<br />
MTBE Isobuten Methanol<br />
50 100 150 200 250 300<br />
Temperatur [°C]
Abtrennung möglicherweise Probleme bereiten, können die<br />
Forscher dies bei der Verfahrensentwicklung durch Simulationsrechnungen<br />
voraussagen und rechtzeitig berücksichtigen.<br />
Umgekehrt wird mit Erkenntnissen aus den Experimenten<br />
die Simulation verfeinert. Moderne Software ist nicht zuletzt<br />
unverzichtbar, um die Wirtschaftlichkeit neuer Prozesse kontinuierlich<br />
zu überprüfen und auf diese Weise das Risiko von Fehlinvestitionen<br />
zu minimieren.<br />
Dieser Iterationsprozess aus Simulation, Experiment und Bewertung<br />
bildete auch das Gerüst bei der Entwicklung des neuen<br />
Isobutenverfahrens. Die permanente Rückkopplung zwischen<br />
Theorie und Praxis erlaubte innerhalb kurzer Zeit die Realisierung<br />
eines komplexen Produktionsprozesses, an dessen Ende<br />
Isobuten mit einer Reinheit von über 99,9 Prozent gewonnen<br />
wird. Die hohe Reinheit ist maßgeblich für den Erfolg: Da nur<br />
reine Ausgangsprodukte effiziente und ökonomische Folgeprozesse<br />
möglich machen, steigen die Anforderungen der Kunden<br />
an ihre Rohstoffe ständig.<br />
Für die Prozesssynthese werteten Experten aus dem Servicebereich<br />
Verfahrenstechnik & Engineering zunächst die zugänglichen<br />
Stoffdaten aus, fehlende Daten schätzten sie mittels molekularer<br />
Simulation ab. Auf der Grundlage der ersten Ergebnisse<br />
aus dem Katalysatorscreening entwickelten sie mehrere mögliche<br />
Verfahrensvarianten und simulierten sie zunächst am Computer.<br />
Die Ergebnisse dieser Rechnungen wurden anschließend<br />
im Labormaßstab überprüft. Nach iterativer Testung und Bewertung<br />
kristallisierte sich schließlich das optimale Verfahren<br />
heraus, das in einem Pilotreaktor getestet wurde.<br />
Um das spätere Scale-up zu erleichtern, bestand dieser Pilotreaktor<br />
aus einem Einzelrohr mit ähnlichen Abmessungen wie<br />
die Reaktorrohre in der geplanten großtechnischen Anlage. Aus<br />
dem Testbetrieb erhielten die Verfahrenstechniker wichtige<br />
Informationen über Nebenprodukte und Katalysator- 333<br />
Abbildung 3<br />
Mögliche Nebenreaktionen bei der Spaltung von MTBE zu Isobuten und<br />
Methanol. Die markierten Komponenten sind zum einen im Endprodukt Isobu ten<br />
in sehr engen Grenzen spezifiziert, zum anderen können sich diese bzw. die<br />
entsprechenden Ausgangssubstanzen im Prozesskreislauf anreichern<br />
2<br />
2 MeOH<br />
+ H 2 O<br />
O<br />
O<br />
O<br />
EvonIk-InnovatIonSprEIS 2010 11<br />
High Throughput Screening<br />
Auf der Suche nach dem optimalen Katalysator für die<br />
MTBE-Spaltung führten die Forscher etwa 1.500<br />
Experimente an 90 Katalysatoren in miniaturisierten<br />
und parallel betrie benen Laborreaktoren durch<br />
OH<br />
+ H 2O<br />
+ MeOH<br />
+ MeOH<br />
=<br />
Kleine Grenzwerte<br />
im Endprodukt Isobuten<br />
=<br />
Anreicherung<br />
im Prozesskreislauf<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011
12 katEgorIE nEuE odEr vErbESSErtE vErfahrEn<br />
Um ein sicheres Scale-up zu gewährleisten und<br />
wichtige Informationen über Aktivität des<br />
Katalysators, Nebenproduktspektrum und Alterung sverhalten<br />
zu gewinnen, wurde der Katalysator<br />
in einem Pilotreaktor getestet<br />
333 alterung, die in die Simulation zurückflossen. Diese Rückkopplung<br />
ist wichtig, weil Katalysatoren beim Up-scaling – beispielsweise<br />
durch später zugegebene Bindemittel und Additive<br />
– oft ihre Aktivität und Selektivität verändern. Die Rückkopplung<br />
gab zudem Aufschluss über das optimale Temperatur- und<br />
Druckspektrum und über die Trennschritte, die notwendig sind,<br />
um entstehende Nebenprodukte auszuschleusen.<br />
Da die Reinheit des Isobutens eine zentrale Anforderung der<br />
Kunden war, legten die Entwickler besonderes Augenmerk auf<br />
die Nebenprodukte: Welche Stoffe entstehen in welchen Mengen?<br />
Welche bislang unbekannten Verunreinigungen könnten<br />
sich bilden? Wie reagiert der Katalysator auf die Verunreini -<br />
g ungen? Werden Nebenprodukte beispielsweise bei der Kreislaufführung<br />
in Trennkolonnen angereichert oder stören sie<br />
gar den ganzen Prozess? Besonders schwierige Trennschritte<br />
wurden in einzelnen Kolonnen im Technikum nachgestellt und<br />
optimiert.<br />
Die Energiebilanz muss stimmen<br />
Neue Verfahren haben in der Chemie heute kaum eine Chance,<br />
wenn sie nicht Vorteile in Ressourcen- und Energieeffizienz versprechen.<br />
Für die Planung der Großanlagen für die Isobutenproduktion<br />
legten die Ingenieure daher besonderen Wert auf eine<br />
ausgetüftelte Energieintegration. Üblicherweise werden dabei<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011<br />
heiße und kalte Stoffströme so verschaltet, dass Kühlwasser- und<br />
Dampfverbrauch insgesamt minimiert werden. Sinken die Verbräuche<br />
an Kühlwasser und Dampf, sinken auch die Energiekosten<br />
und die energiebedingten Kohlendioxidemissionen. Im<br />
vorliegenden Verfahren wurden darüber hinaus auch Eingriffe<br />
in den Prozess, wie zum Beispiel Anhebung von Druckniveaus<br />
bei Kolonnen und Reaktoren, vorgenommen, um den internen<br />
Wärmeaustausch zu maximieren.<br />
Beim neuen Isobutenverfahren ist die Bilanz durchweg positiv:<br />
Das Verfahren verbraucht beispielsweise nur halb so viel<br />
Heißdampf wie ein vergleichbarer Prozess ohne Energierückläufe<br />
oder wie Konkurrenzverfahren, die Isobuten durch andere<br />
chemische Prozesse herstellen. Die eingesparten Energiekosten<br />
belaufen sich auf mehrere Millionen Euro pro Jahr. Für die Anlagenrealiserung<br />
in Antwerpen investierte <strong>Evonik</strong> beispielsweise<br />
rund zehn Prozent der Gesamtkosten in die Energieintegration<br />
der Großanlagen – eine Investition, die sich bei den ständig steigenden<br />
Energiekosten innerhalb weniger Jahre amortisiert.<br />
In einem Jahr zwei Anlagen auf zwei<br />
Kontinenten realisiert<br />
Eine besondere und bisher einmalige Herausforderung an alle<br />
Beteiligten war, dass das Verfahren in zwei ganz unterschiedlichen<br />
Anlagen auf zwei Kontinenten realisiert werden sollte:
zum einen im C4-Produktionsverbund in Antwerpen zur Herstellung<br />
von Isobuten, zum anderen in Schanghai. Hier betreibt<br />
<strong>Evonik</strong> eine MMA-Verbundproduktion, in der neben Methylmethacrylat<br />
und Polymethylmethacrylat, einem Granulat, das<br />
als PLEXIGLAS® breite Anwendung findet, auch eine Vielzahl<br />
Spezialmonomere für den asiatischen Markt produziert wird.<br />
Letztere kommen in Klebstoffen, in der Papier- und Gummiindustrie,<br />
in Kontaktlinsen oder auch in der Abwasseraufbereitung<br />
zum Einsatz. Das in Schanghai erforderliche MTBE<br />
wird, anders als in Antwerpen, nur zu einem Teil selbst hergestellt,<br />
der andere Teil wird zugekauft. Daher musste beispielsweise<br />
schon frühzeitig sichergestellt werden, dass das neue<br />
Verfahren MTBE ganz unterschiedlicher Qualität sicher und<br />
effizient verarbeiten kann.<br />
Seit Oktober 2010 ist die neue Isobutenproduktion in<br />
Antwerpen in Betrieb, bereits seit September 2009 produziert<br />
<strong>Evonik</strong> in Schanghai mit dem neuen Verfahren aus Isobuten<br />
Methylmethacrylat und dessen Folgeprodukte. Beide Anlagen<br />
arbeiten effizient und erfolgreich, und der Katalysator zeigt eine<br />
höhere Standzeit als ursprünglich prognostiziert. Das gewonnene<br />
Isobuten zeichnet sich durch eine Reinheit aus, die die<br />
hohen Anforderungen der Abnehmer voll erfüllt. In Antwerpen<br />
liegt die Anlagenauslastung über der ursprünglich geplanten<br />
Produktionsmenge an Isobuten, in Schanghai läuft der MMA-<br />
Verbund sogar oberhalb der Auslegungskapazität.<br />
Der Methacrylatverbund in Schanghai.<br />
Hier wird seit September 2009<br />
unter anderem der Rohstoff Isobuten<br />
nach dem neuen Verfahren aus<br />
MTBE produziert<br />
EvonIk-InnovatIonSprEIS 2010 13<br />
dIE autorEn<br />
dr. thomas Quandt<br />
Geschäftsgebiet Catalysts<br />
+49 2365 49-86078<br />
thomas.quandt@evonik.com<br />
dr. dirk röttger<br />
Geschäftsgebiet C4 Chemistry<br />
+32 3 560-3974<br />
dirk.röttger@evonik.com<br />
Katalysator der zweiten Generation<br />
bereits in Arbeit<br />
dr. Wilfried Schmidt<br />
Geschäftsgebiet Acrylic Monomers<br />
+86 21 6119-2650<br />
wilfried.schmidt@evonik.com<br />
dr. markus Winterberg<br />
Geschäftsgebiet C4 Chemistry<br />
+49 2365 49-19814<br />
markus.winterberg@evonik.com<br />
dr. horst-Werner Zanthoff<br />
Servicebereich<br />
Verfahrenstechnik & Engineering<br />
+49 2365 49-19322<br />
horst-werner.zanthoff@evonik.com<br />
Trotz dieser Erfolge denken die Chemiker bei <strong>Evonik</strong> bereits<br />
weiter. Sie arbeiten derzeit an einem Katalysator der zweiten<br />
Generation, der MTBE mit noch höherer Selektivität und bei<br />
niedrigeren Temperaturen umsetzt. Außerdem soll künftig das<br />
Isobuten zu neuen Folgeprodukten mit hoher Wertschöpfung<br />
direkt bei <strong>Evonik</strong> veredelt werden.<br />
Das Entwicklungsteam erhielt im vergangenen Dezember<br />
den <strong>Evonik</strong>-Innovationspreis 2010. „Neben dem Kernteam“, sagt<br />
Dr. Markus Winterberg vom Geschäftsgebiet C4 Chemistry,<br />
„haben viele weitere Kollegen zur Verfahrensentwicklung und<br />
zu der erfolgreichen Realisierung in Schanghai und Antwerpen<br />
beigetragen. Ihnen soll an dieser Stelle ausdrücklich gedankt<br />
werden“. Damit war die Entwicklung des neuen Isobuten-<br />
Verfahrens im Rückblick ein Musterprojekt, das zeigt, wie sich<br />
Forschung, Anlagenplanung und Marketing optimal verzahnen<br />
lassen. Ein Projekt, das unter Beweis gestellt hat, wie durch Bündelung<br />
von Know-how aus ganz unterschiedlichen Geschäftsbereichen<br />
kosten- und zeiteffizient komplexe Aufgaben gelöst<br />
werden können. Und das nicht zuletzt belegt, wie ein breit aufgestelltes<br />
Spezialchemieunternehmen, das von der Grundlagenchemie<br />
bis zur Großanlagenplanung alles im eigenen Haus hat,<br />
seine Stärken im besten Sinne ausspielen kann. 777<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011
14 katEgorIE nEuE produktE/nEuE SyStEmlöSungEn<br />
Bringt verbrauchte Energie zurück:<br />
CreAMINO® für die Tierernährung<br />
Dank dem Futtermitteladditiv CreAMINO® lassen sich Tiere zukünftig noch nachhaltiger und<br />
effizienter ernähren. Für diese Entwicklung erhielt ein Team des Geschäftsbereichs<br />
Health & Nutrition den <strong>Evonik</strong>-Innovationspreis des Jahres 2010 in der Kategorie „Neue Produkte“.<br />
[ text Dr. Ernst Krämer, Ricardo Gobbi, Dr. Andreas Lemme ]<br />
glaubt man dEn Prognosen, wird die Weltbevölkerung<br />
bis zum Jahr 2050 um weitere 2,3 Milliarden Menschen wachsen.<br />
Fleisch, Fisch und Milchprodukte sind hochwertige Proteinlieferanten<br />
für die menschliche Ernährung, und so ist es<br />
kein Wunder, dass bei steigendem Wohlstand auch der Hunger<br />
auf Fleisch weiter steigen wird. Die Weltgesund heits organisation<br />
FAO schätzt, dass der weltweite Verbrauch an Fleisch<br />
von derzeit 38 Kilogramm pro Kopf und Jahr bis 2050 auf 52<br />
Kilogramm zunehmen wird. Allein der Konsum von Geflügelfleisch,<br />
so die FAO weiter, steige bis in 20 Jahren um 60<br />
Prozent auf dann mehr als 140 Millionen Tonnen an. Eine erhöhte<br />
Fleischerzeugung bringt aber auch ökologische Auswir<br />
kungen mit sich, denn Anbauflächen für Viehfutter sind<br />
begrenzt. Ihr weiterer Ausbau gerät schnell in Konflikt mit<br />
wünschenswerten ökologischen und sozialen Rahmenbe dingungen<br />
– etwa dem Erhalt von Wäldern oder der Versorgung<br />
der Weltbevölkerung mit pflanzlicher Nahrung.<br />
Einen Beitrag zur Lösung dieser Probleme liefern innovative<br />
Fütterungskonzepte, bei denen die Tiere das Futter bestmöglich<br />
für Wachstum und Fleischansatz verwerten können.<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011<br />
Dank ihnen lassen sich mit der gleichen Menge Futter mehr<br />
Tiere ausgewogen ernähren. Schon seit vielen Jahren leistet<br />
der Geschäftsbereich Health & Nutrition von <strong>Evonik</strong> mit<br />
Aminosäuren hierzu einen wichtigen Beitrag. Mit dem<br />
Futtermitteladditiv CreAMINO® ist einem Team des Geschäfts<br />
bereichs nun gemeinsam mit dem Partner AlzChem<br />
Trostberg GmbH eine weitere Entwicklung gelungen, welche<br />
die Effizienz der Geflügelernährung weiter verbessert.<br />
Angeregt wurde diese Entwicklung durch neue Be stimmungen<br />
der EU im Zuge der BSE-Krise: Seitdem ist es in<br />
Euro pa verboten, landwirtschaftliche Nutztiere mit Nebenprodukten<br />
aus der Fleischverarbeitung zu füttern. Hühner<br />
sind von Natur aus aber Allesfresser, und ihr Orga nismus ist<br />
für eine optimale Entwicklung auch auf Substanzen tierischen<br />
Ursprungs angewiesen. Die Problematik einer rein<br />
vegetarischen Fütterung besteht in der Versorgung mit Kreatin<br />
– einer Substanz, die eine wesentliche Rolle im Energiestoffwechsel<br />
der Tiere, aber auch des Menschen spielt<br />
und bei einer rein pflanzlichen Ernährung nicht gewährleistet<br />
ist. 333
EvonIk-InnovatIonSprEIS 2010 15<br />
2050 werden neun Milliarden Menschen<br />
auf der Erde leben, die alle ernährt werden<br />
müssen. Damit steigt der Bedarf an<br />
Milch, Eiern und Fleisch, aber auch an<br />
Getreide, Gemüse und Obst. Der Anbau<br />
von Pflanzen für die menschliche<br />
Ernährung einerseits und für Nutztiere<br />
wie Geflügel, Schweine oder Rinder andererseits<br />
stehen damit in direktem<br />
Wettbewerb. Doch die Anbauflächen<br />
sind begrenzt: Weltweit stehen gegenwärtig<br />
etwa 1,5 Milliarden Hektar<br />
Ackerland zur Verfügung. Davon geht<br />
jährlich noch ein gewisser Teil durch<br />
Erosion und für Siedlungszwecke verloren.<br />
Vor diesem Hintergrund erklärt sich<br />
das vitale Interesse an neuen und weiter<br />
optimierten Fütterungskonzepten, um<br />
mit der gleichen Menge Futter mehr<br />
Tiere ausgewogen zu ernähren.<br />
CreAMINO® ist ein solcher Baustein für<br />
die nachhaltige Tierernährung<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011
16 katEgorIE nEuE produktE/nEuE SyStEmlöSungEn<br />
Kreatin – geeignet für die Tierernährung?<br />
Vor allem für die Muskelkontraktion, aber auch für Hirn-<br />
und Nervenfunktionen wird Kreatin in seiner aktivierten<br />
Form Kreatinphosphat benötigt. Kreatinphosphat liefert die<br />
Phosphorylgruppe, die zur Umwandlung des bei der Kon traktion<br />
entstandenen Adenosin-Diphosphats (ADP) in energiereiches<br />
Adenosin-Triphosphat (ATP) erforderlich ist. Kreatinphosphat<br />
dient als Energiespeicher, da die Zelle die Konzentration<br />
des ATP in engen Grenzen reguliert: Die verfügbare<br />
ATP-Menge reicht nur für wenige Sekunden, um kurzfristig<br />
einen hohen Energiebedarf zu decken. Mit Kre atinphosphat<br />
lässt sich dieser Speicher aber wieder schnell auffüllen.<br />
Ambitionierten Sportlern ist Kreatin ein Begriff, da es<br />
sich positiv auf die Leistungsfähigkeit und die Regeneration<br />
auswirkt. Die heutige AlzChem in Trostberg ist ein führender<br />
Hersteller von Kreatin für die Humananwendung und trat<br />
im Jahr 2003 an die Tierernährer im Konzern mit der Frage<br />
heran, ob sich Kreatin nicht auch für die Tierfütterung eignen<br />
könnte. Da die Tierernährungsexperten ihrerseits von<br />
Kun den wegen der gesunkenen Fütterungseffizienz angesprochen<br />
worden waren, die nach dem Anwendungsverbot für<br />
Nebenprodukte der Fleisch ver arbeitung beobachtet wurde,<br />
lag es nahe, der „Kreatin-Frage“ in Fütterungsstudien nachzugehen.<br />
Diese verliefen recht ermutigend: Tatsächlich stellte<br />
sich heraus, dass Kreatin die Effizienz der Fütterung um einige<br />
Prozentpunkte verbessern kann. Allerdings erwies sich<br />
Kreatin als zu teuer, um es als Futtermitteladditiv für Ge flü gel<br />
einzusetzen.<br />
Naheliegende Schritte zur Kostensenkung waren Vereinfachungen<br />
in der Produktion des Kreatins, etwa durch weniger<br />
Aufreinigungsschritte. Doch anschließende Tests mit die-<br />
Das Kreatinkinase/Kreatinphos phat-System<br />
Kreatinphosphat (PCr) liefert die Phosphoryl gruppe, die zur Umwand lung<br />
von Adeno sin-Diphosphat (ADP) in energiereiches Adenosin-Triphosphat<br />
(ATP) nötig ist und dient so als Energiespeicher. Das bei der Ab spal tung<br />
der Phosphorylgruppe entstehende Kreatin (Cr) wird durch die mitochondrische<br />
Kreatin kinase wieder zu Kreatinphosphat umgesetzt<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011<br />
Mitochondrium Cytosol<br />
ATP<br />
ADP<br />
CK<br />
ATP<br />
ADP<br />
sem weniger reinen Produkt zeigten nicht mehr die zuvor<br />
beobachtete Wirksamkeit. Hinzu kam, dass pulverförmiges<br />
Kreatin bei den relativ hohen Temperaturen der Pel le tierung<br />
in der Mischfutterproduktion nicht ausreichend stabil war.<br />
Das Projekt befand sich in einer kritischen Phase. Ein neuer<br />
Weg musste gefunden werden.<br />
Kreatinvorstufe GAA: gleiches Leistungsprofil,<br />
höhere Wirtschaftlichkeit<br />
Das Projektteam analysierte daraufhin nochmals ausführlich<br />
die wissenschaftliche Literatur über den tierischen Stoff wechsel,<br />
ob es Alternativen zu Kreatin geben könnte. Dabei erschien<br />
Guanidinoessigsäure (Guanidino Acetic Acid, GAA)<br />
als geeignete Option für die Tierernährung. GAA ist eine<br />
natürliche, körpereigene Vorstufe in der Biosynthese des<br />
Kre atins.<br />
Kreatin kann sowohl durch die Nahrung aufgenommen als<br />
auch vom Körper selbst gebildet werden. Die Biosynthese<br />
startet mit den zwei Aminosäuren Glycin und L-Arginin als<br />
Ausgangssubstanzen. Bei Säugetieren wird vor allem in den<br />
Nieren die Guanidino-Gruppe des L-Arginins durch das Enzym<br />
Amidinotransferase abgespalten und auf das Glycin<br />
über tragen; dabei bildet sich die Guanidinoessigsäure. Das<br />
L-Arginin wird hierbei in L-Ornithin umgewandelt. Die so<br />
gebildete GAA wird im nächsten Schritt – bei Wirbeltieren<br />
geschieht dies ganz überwiegend in der Leber – mit Hilfe<br />
einer Transmethylase in Kreatin umgewandelt. Hierbei dient<br />
das S-Adenosylmethionin als Methylgruppen-Donor.<br />
GAA zeigte im Tierversuch die gleichen Vorteile wie Kreatin.<br />
Es wird extrem effizient umgewandelt. In der <strong>Evonik</strong>eigenen<br />
Pilotanlage für Mischfutterproduktion konnte das<br />
Projektteam nachweisen, dass GAA auch hitzebeständiger als<br />
Kreatin ist, es sich also für die Verarbeitung in der industriellen<br />
Mischfutterproduktion gut eignet. AlzChem gelang es,<br />
einen geeigneten Syntheseprozess für die Her stel lung von<br />
GAA zu etablieren, der mit preiswerteren Rohstoffen arbei-<br />
Mitochondrische Kreatinkinase (sMtCK, uMtCK)<br />
Cytosolische Kreatinkinase (MM-CK, BB-CK, MB-CK)<br />
Cytosolische ATPasen (Transporter, Pumpen, Enzyme)<br />
Oxidative Phosphorylierung Glykolyse<br />
Cytosolisches ADP/ATP-Verhältnis Cytosolischer ATP-Verbrauch<br />
Cr<br />
PCr<br />
CK<br />
CK<br />
ATPase<br />
CK CK<br />
ATP<br />
ADP<br />
CK<br />
ATP<br />
ATPase<br />
ADP
tet und effizienter abläuft als die Herstellung des Kre atins. Da<br />
GAA dann als feines Pulver vorlag, wurde in gemeinsamer<br />
Ent wicklungsarbeit auf Basis der Erfahrungen der An wendungs<br />
techniker von <strong>Evonik</strong> ein Granulierprozess entwickelt,<br />
der zu optimierten Verarbeitungseigenschaften führt. Das Produkt<br />
lässt sich dadurch ohne Modifikationen des Pro duk tionsprozesses<br />
in der Futtermittelherstellung einsetzen.<br />
EU-Zulassung: hohe Ansprüche an Wirksamkeit<br />
und Sicherheit erfüllt<br />
Eine weitere Hürde,<br />
die die Tierernäh rungs -<br />
experten von <strong>Evonik</strong><br />
genommen haben,<br />
war die Über führung<br />
des GAA in ein gut<br />
fließ fähi ges Granulat<br />
(unten), das ohne<br />
Modifika tionen in der<br />
Futter mit tel herstellung<br />
verwendet werden<br />
kann<br />
EvonIk-InnovatIonSprEIS 2010 17<br />
Auch eine von der Deutschen Landwirtschafts-Gesell schaft<br />
(DLG) eingesetzte, internationale Expertenkommission ist von<br />
dem neuen Produkt überzeugt: Auf der wichtigsten europäischen<br />
Fachausstellung für Tierhaltung und -management, der<br />
EuroTier 2010 in Hannover, wurde <strong>Evonik</strong> für das innovative<br />
Produkt CreAMINO® ausgezeichnet.<br />
Nachhaltiges Alleinstellungsmerkmal<br />
Die Tierernährungsexperten von <strong>Evonik</strong> haben mit<br />
CreAMINO® wird von AlzChem exklusiv für <strong>Evonik</strong> produziert.<br />
<strong>Evonik</strong> hat mit CreAMINO® eine ganz neue Produktklasse<br />
für die Tierernährung erschlossen. Vergleichbare Wett-<br />
CreAMINO® nicht einfach ein weiteres Produkt zu einer bebewerbsprodukte gibt es bislang nicht. Kreatin und GAA komstehenden<br />
Produktklasse von Futtermittelzusatzstoffen hinmen als natürliche Substanzen vor und lassen sich daher nicht<br />
zugefügt: Weder Kreatin noch GAA waren bislang als Addi- direkt patentrechtlich schützen. <strong>Evonik</strong> und AlzChem halten<br />
tive in Tierfutter zugelassen. Die Ansprüche an eine Zu las- aber Patente auf die Anwendung von GAA und Kreatin in der<br />
sung sind für die Tierernährung zum Teil höher als zum Bei- Tierernährung.<br />
spiel in der Pharmazie, weil die Tiere Teil der Nah rungs kette Prinzipiell lässt sich CreAMINO® auch als Futteradditiv für<br />
sind, die der Verbraucher nicht überblicken kann. Dies er- andere Tiere nutzen, etwa für Schweine oder auch Fische.<br />
klärt, warum die Zulassung von CreAMINO® durch die in der Al lerdings sind hierfür weitere Untersuchungen zur Wirk-<br />
EU zuständige EFSA (European Food Safety Au thority) rund samkeit des CreAMINO® mit statistisch gesicherten Effekten<br />
vier Jahre gedauert hat. Neben Studien zur Sicherheit – auch bei diesen Tierarten erforderlich sowie separate Zu las sungs-<br />
bei Überdosierung – waren hierfür Un ter suchungen zur verfahren. Daher muss im Einzelfall entschieden werden, ob<br />
Wirk samkeit und zu Umweltaspekten erforderlich. Ende sich der hierfür erforderliche Aufwand auch lohnt.<br />
2009 hat die EFSA die Zulassung für alle 27 Mit gliedsländer CreAMINO® steigert nicht nur die Effizienz der Nähr stoff-<br />
erteilt. Auch in Chile und Brasilien ist CreAMINO® inzwiverwertung in der Tierernährung, sondern reduziert auch<br />
schen zugelassen; in den USA läuft das Verfahren noch. die Einflüsse auf die Umwelt und trägt damit zu nachhalti-<br />
Erst nach der Zulassung konnten die Praxistests der gerem Tierfutter bei. Wie <strong>Evonik</strong> in Life Cycle Assessments<br />
Kunden beginnen, die nun im Lauf des vergangenen Jahres von Aminosäuren zeigen konnte, haben diese als Fut ter mit-<br />
eigene Analysen mit Blick auf ihre Gesamtwertschöpfungstelzusätze eine positive Ökobilanz im Vergleich zu anderen<br />
kette durchgeführt haben. Bereits durch die Beimischung Futterkomponenten wie Soja- oder Rapsschrot. Alles deu tet<br />
von nur 600 Gramm CreAMINO® zu einer Tonne rein pflanz- daraufhin, dass die Ergebnisse bei CreAMINO® ähnlich auslichem<br />
Fut termittel lässt sich das Fehlen des Kreatins komfallen werden: Das Projektteam schätzt, dass sich mit jedem<br />
pensieren. Angesichts der vielversprechenden Resultate eingesetzten Kilogramm CreAMINO® bis zu 26 Kilo gramm<br />
schätzt das Pro jektteam das Marktpotenzial von CreAMINO® Getreide, 12 Kilogramm Sojabohnenschrot und 5 Kilogramm<br />
in den zunächst anvisierten Marktsegmenten nach der Ein- pflanzliches Öl einsparen lassen. CreAMINO® steht also für<br />
füh rungs phase auf 180 Millionen Euro pro Jahr. eine in jeder Hinsicht nachhaltige Tierernährung. 777<br />
dIE autorEn<br />
dr. Ernst krämer<br />
Geschäftsbereich Health & Nutrition<br />
+49 6181 59-2723<br />
ernst.kraemer@evonik.com<br />
ricardo gobbi<br />
Geschäftsbereich Health & Nutrition<br />
+49 6181 59-4761<br />
ricardo.gobbi@evonik.com<br />
dr. andreas lemme<br />
Geschäftsbereich Health & Nutrition<br />
+49 6181 59-4254<br />
andreas.lemme@evonik.com<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011
18 nEWS<br />
Energieeffizienz im<br />
flachen Design<br />
Fernseher werden immer flacher und energiesparender.<br />
Speziell für diese Anwen dun -<br />
gen hat <strong>Evonik</strong> PLEXIGLAS® POQ66 entwickelt.<br />
Das Spezialprodukt besitzt eine<br />
besonders hohe Lichttransmission verbunden<br />
mit einem geringen Brechungsindex, was es<br />
zum idealen Werkstoff zur Herstellung von<br />
Lichtleitern macht. Dadurch ist es vor allem<br />
für LCD-Fernseher geeignet, die eine Backlight<br />
Unit in Edge-Lit-Konfiguration besitzen.<br />
Bei diesen koppeln LEDs das Licht über die<br />
Kanten einer Lichtleitplatte ein. So mit wird<br />
das Display gleichmäßig hinterleuchtet. Die<br />
Platte ist das zentrale Element der Hinterleuch<br />
tungseinheit. So können die Fernseher<br />
flacher und attraktiver gestaltet werden.<br />
Zudem sparen sie Strom, weil LEDs anstelle<br />
von Kaltkathodenlampen verwendet werden<br />
und gleichzeitig auch weniger Leucht mittel als<br />
bei direkter Hinterleuchtung notwendig sind.<br />
Mit Lichtleitplatten aus dem Spezialprodukt<br />
von <strong>Evonik</strong> geht außerdem kein Licht durch<br />
Absorption oder Streuung verloren.<br />
„Lichtleitplatten für diese Anwendung<br />
können aufgrund der benötigten Materialeigenschaften<br />
nur aus PMMA hergestellt<br />
werden“, sagt Dr. Alexander Laschitsch,<br />
Leiter des Segments Optically Functional<br />
Materials im Bereich Business Development<br />
bei Acrylic Polymers. „Nur dieser hochtrans-<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011<br />
Brightness<br />
Enhancement<br />
Film (BEF)<br />
Aufbau einer Hinterleuchtungseinheit für LCD-Displays<br />
parente Werkstoff ermöglicht die kantenbeleuchteten<br />
LED Backlight Units, die deutlich<br />
energieeffizienter sind als die bisherige<br />
Technologie.“ Grund dafür ist vor allem die<br />
hohe Transmission des Materials. Seine optimale<br />
Lichtbrechung sorgt außerdem für<br />
hohe Lichtdurchlässigkeit. „PLEXIGLAS® hat<br />
mit 1,49 den niedrigsten Brechungsindex unter<br />
den kommerziell verfügbaren transparenten<br />
Kunststoffen, die Fresnelreflexion beträgt<br />
bei Eintritt in die Lichtleitplatte nur 3,8<br />
Prozent“, so Laschitsch.<br />
Damit die Farbdarstellung nicht verfälscht<br />
wird, muss das Ma te rial auch dauer haft trans-<br />
Technik in 3D: PPA für dreidimensionale Schaltungsträger<br />
VESTAMID® HTplus wurde speziell für die<br />
Laserdirektstrukturierung ausgelegt, ein<br />
Verfahren zur Herstellung dreidimensionaler<br />
Schaltungsträger, das zum Beispiel für Handyantennen<br />
und in Computern eingesetzt wird<br />
LCD-Panel<br />
<strong>Evonik</strong> <strong>Industries</strong> vermarktet mit VESTAMID®<br />
HTplus ein PPA der neuesten Generation, das<br />
genau auf die Anforderungen des Laser<br />
Direct Structuring (LDS) Verfahrens ausgerichtet<br />
ist. Mit seiner sehr guten Tem pe raturbeständigkeit<br />
eignet es sich speziell für<br />
den Einsatz in bleifreien Lötverfahren.<br />
Das mit Glasfasern und mineralischen<br />
Füllstoffen verstärkte VESTAMID® HTplus<br />
wird als 50-Prozent-biobasiertes PA10T mit<br />
besonders breitem Prozessfenster und sehr<br />
geringer Wasseraufnahme sowie als PA6T/X<br />
mit erhöhter Temperaturbeständigkeit angeboten.<br />
Beide Typen weisen eine sehr gute<br />
Chemikalienbeständigkeit auf. Die gute<br />
Verarbeitbarkeit und die ausgezeichneten<br />
thermomechanischen Eigenschaften des<br />
Materials gewährleisten die wirtschaftliche<br />
Fertigung hochwertiger Bauteile.<br />
Laserdirektstrukturierung steht für Designfreiheit,<br />
Miniaturisierung und Prä zi sion<br />
Diffuser Lichtleiter<br />
(PLExIGLAS®)<br />
Gehäuse mit<br />
LED-Lichtquelle<br />
Reflektor<br />
parent bleiben. Manche Kunststoffe vergilben<br />
im Laufe der Jahre. Darunter leidet das<br />
Bild. PMMA hat als farbneutraler Werkstoff<br />
keinen negativen Einfluss auf die Farben. Sie<br />
bleiben dauerhaft erhalten.<br />
Auch künftige Anwendungsansprüche an<br />
Lichtleitplatten aus PLEXIGLAS® Formmassen<br />
prüft <strong>Evonik</strong> bereits. „Derzeit tes ten wir neue<br />
Strukturierungen, die die Lichtauskopplung<br />
verbessern sollen“, erklärt Laschitsch. „Insbe<br />
sondere für die neuen 3D-Fernseher wird<br />
mehr Licht von der Backlight Unit benötigt<br />
– und das möglichst mit weiterer Einsparung<br />
von Energie.“<br />
von elektronischen Bauteilen, da diese Technologie<br />
die Integration von metallischen Leiterbahnen<br />
direkt in die Oberfläche dreidimensionaler<br />
Schaltungsträger aus Kunststoff<br />
erlaubt. In vielen Anwendungen kommt das<br />
Verfahren bereits zum Einsatz – sei es für<br />
Handyantennen und in Computern, in der<br />
Medizintechnik oder in der Fahrzeu g elektronik.<br />
Die Herstellung im Spritzgießverfahren<br />
garantiert eine optimale Designfreiheit.<br />
Ein Infrarot-Laserstrahl erzeugt dabei auf<br />
der Oberfläche des Schaltungsträgers eine<br />
dem späteren Verlauf der Leiterbahnen entsprechende<br />
Vorstrukturierung (Mikro rauheit)<br />
und sorgt für die chemisch-physikalische<br />
Aktivierung in diesem Bereich. Diese<br />
Aktivierung wird durch ein spezielles<br />
Additiv im Kunststoff ermöglicht. Bei der<br />
folgenden Metallisierung entstehen hier<br />
selektiv die auf der Oberfläche fest haftenden<br />
Leiterbahnen.
<strong>Evonik</strong> und AU Optronics beschließen strategische Partnerschaft<br />
<strong>Evonik</strong> <strong>Industries</strong> und AU Optronics Corp.<br />
(AUO) haben vereinbart, ihre erfolgreiche<br />
Geschäftsbeziehung weiter zu intensivieren.<br />
Die beiden Unternehmen arbeiten seit 2008<br />
im Joint Venture <strong>Evonik</strong> Forhouse Optical<br />
Polymers (EFOP) zusammen, das in Taichung<br />
(Taiwan) eine Anlage zur Produktion von<br />
Acrylpolymeren für die TFT-LCD-Industrie<br />
betreibt. In einer neuen, nicht exklusiven<br />
Kooperationsvereinbarung konzentrieren<br />
sich AUO und <strong>Evonik</strong> nun insbesondere auf<br />
wachstumsstarke Märkte wie die Solar technik,<br />
Beleuchtung und andere Märkte im<br />
Bereich erneuerbarer Energien. Der Partnerschaftsvertrag<br />
umfasst Forschung und Entwick<br />
lung sowie Produktionsplanung und<br />
Produktion. Ein weiterer Schwerpunkt der<br />
Zusammenarbeit ist beispielsweise das Recycling<br />
von PMMA. Zudem plant das EFOP-<br />
Joint-Venture eine Kapazitätsverdop pelung<br />
für PMMA auf 85.000 Tonnen.<br />
Gemeinsam sind AUO und <strong>Evonik</strong> ein<br />
starkes Team: <strong>Evonik</strong> bietet hochwertige<br />
Systemlösungen und Werkstoffe mit dem<br />
Schutz für hochwertige Oberflächen<br />
Oberflächen aus mikrokristallinen Polya mid folien TROGAMID® TCR<br />
(Trans parent, Che mical Resistant) sind hart im Nehmen: Weder<br />
Sonnenlicht noch Hitze, Schläge, Chemikalien oder Kosmetika wie<br />
Sonnenmilch können ihnen etwas anhaben. Darüber hinaus vermitteln<br />
sie den hochwertigen „Look“, ob transparent oder bedruckt.<br />
<strong>Evonik</strong> vermarktet die Folien in Dicken zwischen 50 µm und 750 µm<br />
zur Dekoration und zum Schutz hochwertiger Oberflächen.<br />
Gerade in langlebigen Produkten wie Automobilen sollen aufwendig<br />
dekorierte Blenden, Konsolen und Bedienelemente über die<br />
gesamte Lebensdauer des Fahrzeugs ansehnlich bleiben, obwohl sie<br />
stark strapaziert werden: Schweiß, Hautfett und Kosmetika greifen<br />
die Oberflächen an, auch Reini gungs mittel können sie beschädigen.<br />
Hinzu kommen häufige Temperaturwechsel, wenn das Fahrzeug etwa<br />
Fokus auf Ressourceneffizienz und Globa lisierung<br />
von Technologien. AUO ist ein weltweit<br />
agierendes Fertigungsunter nehmen, das<br />
in punkto Design, Entwicklung und Herstellung<br />
von Flüssigkristall-Displays auf Basis<br />
von Dünnfilmtransistoren, den so genannten<br />
TFT-LCDs, international Takt gebend ist.<br />
2009 erwirtschaftete AUO einen Verkaufserlös<br />
von 356 Milliarden NT$ (11,2 Milliarden<br />
Folien aus dem mikrokristallinen<br />
Polyamid von <strong>Evonik</strong> sind anderen<br />
transparenten Kunststoffen vor<br />
allem in der Beständigkeit gegen<br />
Sonnen milch und andere Kosmetika<br />
weit überlegen<br />
nEWS 19<br />
US$), und in den Betrieben in Taiwan,<br />
Mainland China, Japan, Singapur, Südkorea,<br />
USA und Europa arbeiten 42.000 Beschäftigte.<br />
Die neue strategische Partnerschaft<br />
zwischen <strong>Evonik</strong> und AUO soll beiden<br />
Unternehmen ermöglichen, im Rahmen einer<br />
nachhaltigen Produkt- und Verfahrensentwicklung<br />
verstärkt in wachstumsstarke Geschäfts<br />
segmente vorzudringen.<br />
EFOP, das Joint Venture zwischen<br />
<strong>Evonik</strong> und AUO, produziert<br />
PMMA-Formmassen für Lichtleitplatten<br />
für Flachbildschirme. Da der<br />
Markt der Flachbildschirme stark<br />
wächst, steigt auch der Bedarf an<br />
PMMA: In jedem LED-TV, der auf<br />
Kantenbeleuchtung beruht, sind<br />
heute im Schnitt 2 bis 2,5 Kilogramm<br />
PMMA als Lichtleitplatte verbaut.<br />
Kein anderes Material kann nach<br />
heutigem Stand ökonomisch sinnvoll<br />
PMMA in dieser Anwendung<br />
ersetzen. Die Nachfrage nach PMMA<br />
wird in drei bis vier Jahren weiter<br />
zunehmen, getrieben durch Technologien<br />
wie die Solartechnik, bei<br />
denen <strong>Evonik</strong> und AUO intensiver<br />
zusammenarbeiten wollen<br />
nach einer kühlen Nacht in der prallen Sonne steht. All diese<br />
Belastungen können Spannungsrisse oder Eintrübungen hervorrufen,<br />
die Reklamationen und Image verluste nach sich ziehen.<br />
Abhilfe schaffen transparente TROGAMID® TCR-Folien. Sie sind<br />
aus farblosem, mikrokristallinem Polyamid gefertigt, das anderen<br />
transparenten Kunststoffen in seiner Chemikalienbeständigkeit, vor<br />
allem in der Beständigkeit gegen Sonnenmilch und Kosmetika, weit<br />
überlegen ist. Eine vergleichende Untersuchung nach VW-Prüfvorschrift<br />
mit Handcreme und Sonnencreme bestätigt dies. Die Folien<br />
aus dem mikrokristallinen Polyamid waren dabei 24 Stunden lang bei<br />
80 °C mit den Cremes in Kontakt. Der Test gilt als bestanden, wenn<br />
keine Verän derung des Materials sichtbar ist und die Kratzfestigkeit<br />
nicht beeinträchtigt wird. Einzig die nur 50 µm dicke Spezialpolyamidfolie<br />
bestand diesen Test in allen Punkten. Im Vergleich waren<br />
Styrolacrylnitril (SAN), Polymethylmethacrylat (PMMA) und Polycarbonat<br />
(PC).<br />
Da die Folien glasklar und farblos sind, haben Designer maximale<br />
Freiheit bei der Oberflächengestaltung. Farbverschiebungen bei<br />
rückseitig gedruckten Dekoren treten nicht auf. Die Deckschichten<br />
sind stabil gegen Witterungseinflüsse und UV-Licht, gut abriebbeständig<br />
und verleihen einen ansprechenden Tiefeneffekt. Die<br />
Kratzfestigkeit liegt auf dem Niveau unbeschichteter Folien nach<br />
<strong>Industries</strong>tandard.<br />
Doch auch für die farbige Variante ist gesorgt: In Zusammenarbeit<br />
mit dem Hersteller industrieller Siebdruckfarben Pröll KG<br />
(Weißenburg, Deutschland) und dem Werk zeugbauer Niebling Junior<br />
(Penzberg, Deutschland) wurden Druckfarben und ein Verfahren für<br />
das Folienhinterspritzen mit TROGAMID® TCR-Folien entwickelt.<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011
20 gESundhEIt & Ernährung<br />
Neue Technologieplattformen machen Wirkstoffe in Tabletten besser bioverfügbar<br />
Tablette statt Spritze<br />
„Zur richtigen Zeit am richtigen Ort“ lautet die Devise der innovativen Drug-Delivery-Systeme<br />
und Wirkstoffformulierungen von <strong>Evonik</strong>. Seit Neuestem gilt dies auch für schwerlösliche Wirk stoffe:<br />
<strong>Evonik</strong> hat mit der Schmelzextrusion eine Technologieplattform entwickelt, die die Bioverfügbar -<br />
keit dieser Wirkstoffe deutlich verbessert und so die Effizienz und Effektivität von oralen Darreichungsformen,<br />
also von Tabletten oder Kapseln, steigert. Die aufstrebende neue Wirkstoffklasse der Biopharmazeutika<br />
(Arzneistoffe biologischer Natur) profitiert zwar nicht von der Schmelzextrusion, dafür<br />
aber von einer zweiten Neuentwicklung von <strong>Evonik</strong>: Mit dem modularen Drug-Delivery-System<br />
(MDD) des Geschäftsgebiets Pharma Polymers gelingt bei Verabreichung von Biopharmazeu tika der<br />
Wechsel von der unbeliebten, aber häufig notwendigen Spritze zur Tablette. Damit ist <strong>Evonik</strong> auf<br />
der Höhe der Zeit bei der Therapie vieler Krankheiten.<br />
[ text Dr. Rosario Lizio, Dr. Kathrin Nollenberger, Dr. Norbert Windhab, Dr. Firouz Asgarzadeh, Dr. Thomas Riermeier ]<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011
SEIt übEr 50 JahrEn steuern funktionelle Polymere der Marke<br />
EUDRAGIT® von <strong>Evonik</strong> die Wirkstoffabgabe aus Tabletten und<br />
kümmern sich darum, dass der Wirkstoff entweder pH-Wertoder<br />
zeitgesteuert am gewünschten Ort des Magen-Darm-Trakts<br />
freigesetzt wird. Die funktionellen Polymere bestimmen dabei<br />
nicht nur Zeitpunkt und Ort der Wirkstoffabgabe, sondern können<br />
noch viel mehr: Als Tablettenüberzug überdecken sie Geruch<br />
und Geschmack eines Arzneimittels – ein wesentlicher<br />
Pluspunkt vor allem bei der Behandlung von Kindern – und sorgen<br />
dafür, dass der Wirkstoff unbeschadet ans Ziel kommt.<br />
Hierzu schirmen die Polymere den Wirkstoff beispielsweise vor<br />
Feuchtigkeit oder vor der Magensäure ab und schleusen ihn sicher<br />
zum Resorptionsort im Dünn- oder Dickdarm.<br />
Doch der magensaftresistente Tablettenüberzug kann nicht<br />
nur den Wirkstoff schützen, sondern umgekehrt auch den<br />
Magen. Ein Beispiel ist die Acetylsalicylsäure, die bei Bluthochdruck<br />
zur Vorbeugung eines Herzinfarkts dauerhaft in niedriger<br />
Dosierung eingenommen wird. Hier schützt der hauchdünne<br />
Polymerüberzug den Magen vor der schädlichen Einwirkung<br />
der Acetylsalicylsäure.<br />
Durch Verwendung spezieller Polymere können Wirkstoffe<br />
auch gleichmäßig über einen längeren Zeitraum freigegeben<br />
werden. Diese sogenannten Retardformulierungen werden immer<br />
dann genutzt, wenn ein Arzneimittel, beispielsweise ein<br />
Betablocker, über den ganzen Tag hinweg wirken soll.<br />
Wissenschaftler in den Forschungszentren des <strong>Evonik</strong>-Geschäftsgebiets<br />
Pharma Polymers in Deutschland, Indien, China,<br />
Japan und den USA erforschen neue Polymere und entwickeln<br />
für ihre Kunden spezifische Formulierungen mit EUDRAGIT®-<br />
Polymeren. Außerdem erarbeiten sie komplett neue Konzepte<br />
für die weitere Funktionalisierung der Polymere, um dem wachsenden<br />
Bedarf des pharmazeutischen Markts für neue Funktionalitäten<br />
gerecht zu werden.<br />
Bioverfügbarkeit bestimmt die<br />
Wirkstoffeffizienz<br />
Die Bioverfügbarkeit eines Wirkstoffs gibt an, in welchem Umfang<br />
er nach der Applikation eines Arzneimittels in den Blutkreislauf<br />
aufgenommen wird. Sie ist eine wesentliche Kennzahl<br />
und therapeutische Stellgröße und sagt unter anderem aus, wie<br />
effizient ein Medikament ist. Die Bioverfügbarkeit ist meist umso<br />
besser, je leichter löslich ein Wirkstoff ist und je besser er von<br />
den Zellen des Absorptionsorts (Magen-Darm-Trakt, Schleimhäute,<br />
Haut, etc.) aufgenommen und in die Blutbahn überführt,<br />
also resorbiert wird.<br />
Je nach Löslichkeit und Zellgängigkeit (Permeabilität) lassen<br />
sich die Wirkstoffe mithilfe des biopharmazeutischen Klassifizierungssystems<br />
(BCS) in vier Klassen einteilen (Abb. 1): Sind<br />
sie gut wasserlöslich und zellgängig, wie zum Beispiel der Betablocker<br />
Metoprolol, zählen sie zur Klasse I. Eine schlechte Löslichkeit<br />
des Wirkstoffs bei guter Zellgängigkeit führt zur Ein-<br />
gESundhEIt & Ernährung 21<br />
gruppierung in die BCS-Klasse II. Gute Löslichkeit und schlechte<br />
Zellgängigkeit bedeuten BCS-Klasse III. Und zur BCS-Klasse IV<br />
gehört ein Wirkstoff, wenn er sowohl schlecht löslich als auch<br />
schlecht zellgängig ist.<br />
Von den heute im Markt befindlichen Medikamenten fallen<br />
30 Prozent in die BCS-Klasse II und 10 Prozent in die BCS-Klasse<br />
IV. Das bedeutet, dass 40 Prozent der derzeit angebotenen<br />
Medikamente ein Löslichkeitsproblem haben. Bei den Neuentwicklungen<br />
liegt dieser Prozentsatz sogar bei 95 Prozent. Denn<br />
durch das in der Industrie angewendete Wirkstoffscreening am<br />
Computer gehen überwiegend lipophile Wirkstoffe in die Entwicklung,<br />
weil diese besonders gut mit dem jeweiligen Wirkort<br />
wechselwirken. Doch je lipophiler eine Substanz ist, desto<br />
schlechter löst sie sich im wässrigen Medium des Magen-Darm-<br />
Trakts. 333<br />
Abbildung 1<br />
Das biopharmazeutische Klassifizierungssystem (BCS).<br />
Schätzungen zufolge werden künftig rund 95 Prozent aller<br />
Wirkstoffe problematisch sein in Bezug auf Bioverfügbarkeit<br />
Zellgängigkeit<br />
Löslichkeit<br />
II<br />
I<br />
IV III<br />
Anteile der Entwicklungskandidaten in den BCS-Klassen<br />
Klasse IV: 20%<br />
Klasse III: 5%<br />
Quelle: L. Benet, C.-Y. Wu et al 2006,<br />
Bulletin technique Gattefosse 99; S. 9-16<br />
Klasse I: 5%<br />
Klasse II: 70%<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011
22 gESundhEIt & Ernährung<br />
333<br />
Eine Substanzklasse, die zunehmend an Bedeutung gewinnt,<br />
sind die Biopharmazeutika. Gegenwärtig machen sie 16 Prozent<br />
des Arzneimittelumsatzes und 15–25 Prozent der jährlich neu<br />
eingeführten Arzneimittel in Deutschland aus. Bei Biopharmazeutika<br />
handelt es sich um Arzneimittel, die meistens in gentechnisch<br />
veränderten Bakterien, Hefen oder Säugetierzellen<br />
hergestellt werden, wie etwa Proteine und Nukleinsäuren. Sie<br />
werden überwiegend parenteral, meist durch Spritzen in die<br />
Vene, verabreicht. Bei peroraler Applikation, also über den<br />
Mund, würden sie meist schon im Magen-Darm-Trakt verdaut,<br />
inaktiviert und zudem schlecht resorbiert werden.<br />
Neue modulare Formulierungssysteme von <strong>Evonik</strong> erlauben<br />
es, auch für kleine und mittelgroße Biopharmazeutika peroral<br />
anwendbare Formulierungen zu entwickeln. Sie führen den<br />
Wirkstoff sicher durch den Verdauungstrakt und helfen ihm am<br />
gewünschten Ort unversehrt durch die Barriere der Darmschleimhaut,<br />
wo er kontrolliert in die Blutbahn gelangt.<br />
Bessere Löslichkeit durch Schmelzextrusion<br />
Die Löslichkeit und die Lösungsgeschwindigkeit fester<br />
Arz neimittelsubstanzen hängen von unterschiedlichen physikalisch-chemischen<br />
Parametern ab und lassen sich über geeignete<br />
galenische Formulierungen verbessern. So erhöht eine<br />
vergrößerte Oberfläche, die beim Vermahlen zu Mikro- und<br />
Nanometer großen Teilchen (Mikronisieren) entsteht, die<br />
Lösungsgeschwindigkeit. Manche Arzneistoffe lassen sich dann<br />
aber schlechter benetzen und zeigen dadurch keine Verbesserung<br />
der Lösungsgeschwindigkeit.<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011<br />
Die Kristallisationsform beeinflusst ebenfalls die Löslichkeit.<br />
So löst sich ein amorpher Wirkstoff im Allgemeinen besser als<br />
ein kristalliner, ist aber eher instabil. Er neigt dazu, zu rekristallisieren,<br />
also wieder die thermodynamisch stabilere Form<br />
an zunehmen. Manche Wirkstoffe lassen sich durch Komplexierung<br />
etwa als Cyclodextrin-Einschlussverbindung lösen, andere<br />
wiederum durch Zugabe von Emulgatoren.<br />
Einen innovativen Weg, der sich auf viele Wirk stof fe anwenden<br />
lässt, beschreiten die Wissenschaftler von <strong>Evonik</strong>. Sie erzeugen<br />
durch Schmelzextrusion – <strong>Evonik</strong> verfügt hier über jahrzehntelange<br />
Erfahrung aus der Kunststoff ver arbeitung – feste<br />
Lösungen (Dispersionen) des Wirkstoffs in den EUDRAGIT®-<br />
Polymeren (Abb. 2).<br />
Zur Herstellung der Dispersion schmilzt der Doppelschneckenextruder<br />
die Polymerkomponenten, die Hilfsstoffe<br />
sowie den Wirkstoff und vermischt und homogenisiert sie. Die<br />
homogene Schmelze wird unter Druck durch eine Düse gepresst,<br />
und es entsteht eine feste Lösung als Strang, als Pellet oder als<br />
Folie, die anschließend zu Tabletten weiterverarbeitet werden<br />
können. Nach dem Erstarren der Schmelze bleibt die molekulare<br />
Verteilung des Wirkstoffs in der Polymermatrix als feste Lösung<br />
bzw. Dispersion erhalten. Stabilisiert wird die homogene Lösung<br />
durch Wasserstoffbrückenbindungen, die eine Rekristallisierung<br />
verhindern. Sobald sich das Polymer dann im Magen-Darm-Trakt<br />
löst, gibt es auch den Wirkstoff frei, und zwar in molekularer<br />
Form (Abb. 3). Die Wirkstoffmoleküle können direkt hydratisiert<br />
und resorbiert werden, ohne dass Kristallgitterenergie aufgebracht<br />
werden muss, wie dies beim Lösen eines kristallinen<br />
Wirkstoffs der Fall ist.
Abbildung 2<br />
Feste Lösungen können die<br />
Löslichkeit eines Wirkstoffs deut -<br />
lich verbessern. Mit EUDRAGIT®<br />
als Träger lässt sich der Wirkstoff<br />
in den Polymeren lösen – in<br />
Form von Kristallen (links) oder<br />
amorphen Partikeln (Mitte) oder<br />
molekular dispers (rechts)<br />
Quelle: Prof. Duncan Craig, University<br />
of East Anglia (Großbritannien)<br />
Abbildung 3<br />
Bioverfügbarkeit von Felodipin,<br />
einem Wirkstoff zur Behandlung<br />
von Bluthoch druck. Der reine<br />
Wirkstoff lässt sich im Unterschied<br />
zur schmelz extrudierten Variante<br />
nicht im Plasma nachweisen<br />
● Extrudat mit EUDRAGIT® E<br />
● Reiner Wirkstoff<br />
Maßeinheit: µm<br />
Die Schmelzextrusion lässt sich auch bei temperaturempfindlichen<br />
Arzneistoffen anwenden, da durch geeignete Formulierungen<br />
die Temperatur, wenn notwendig, stark abgesenkt werden<br />
kann. Zudem ist die Zeit, die der Wirkstoff den Temperaturen<br />
ausgesetzt ist, durch den modularen Temperaturaufbau des<br />
Extruders sehr kurz. In zahlreichen Kooperationen und Machbarkeitsstudien<br />
gemeinsam mit Kunden konnte der Bereich<br />
Pharma Polymers zeigen, dass die Schmelzextrusion eine echte<br />
Plattformtechnologie ist, die sich sehr vielseitig anwenden lässt.<br />
Per Computer zur passenden Formulierung<br />
Neue Entwicklungen zur Löslichkeitsverbesserung mittels<br />
Schmelzextrusion führt <strong>Evonik</strong> nah am Markt und möglichst in<br />
akademischen und kommerziellen Partnerschaften durch. Je<br />
nach Wirkstoff und gewünschtem Freisetzungsprofil wird eine<br />
maßgeschneiderte Polymerformulierung entwickelt. Welches<br />
Polymer zu welchem Wirkstoff passen könnte, wird zu nächst<br />
computergestützt mittels des Berechnungssystems MemFis TM<br />
geprüft. Es berechnet unter anderem die Löslichkeitspara -<br />
meter des Wirkstoffs und vergleicht sie mit den bekannten<br />
Löslichkeitsparametern vieler Polymere. Dabei greift MemFis<br />
auf den großen Erfahrungsschatz der <strong>Evonik</strong>-Experten zurück.<br />
Mit MemFis TM ist es möglich, die Anzahl an Experimenten zu<br />
reduzieren, da es Polymer-Wirkstoff-Mischungen mit der größten<br />
Wahrscheinlichkeit für gute Mischbarkeit und Stabilität identifiziert.<br />
Das von <strong>Evonik</strong> entwickelte System warnt, wenn ein<br />
System instabil sein könnte, sich ein Wirkstoff also im Polymer<br />
nicht löst und schnell wieder auskristallisieren würde.<br />
10<br />
5<br />
0<br />
0<br />
5 10<br />
10<br />
5<br />
0<br />
0<br />
Mittlere Konzentration von Felodipin im Plasma [ng/l]<br />
10.000<br />
8.000<br />
6.000<br />
4.000<br />
2.000<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
+ 5<br />
+2<br />
+ 3<br />
+ 6<br />
+<br />
4<br />
5 10<br />
gESundhEIt & Ernährung 23<br />
●<br />
●<br />
0<br />
● ● ●●<br />
● ● ● ● ● ● ●<br />
● ●<br />
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12<br />
Zeit [h]<br />
Dieses systematische Vorhersagemodell kann für ein schnelles<br />
Screening von verschiedenen Polymeren verwendet werden und<br />
spart Zeit, Geld und auch Wirkstoff, der oft nur in geringen<br />
Mengen zur Verfügung steht. Für die Kunden sind diese Vorarbeiten<br />
von großem Wert, da es ihnen eine zielgerichtete Versuchsplanung<br />
ermöglicht und das langwierige experimentelle<br />
Ausprobieren entfällt. Sind Formulierungsvorschläge gefunden,<br />
werden die Freisetzungsprofile der Formulierungen in standardisierten<br />
In-vitro-Tests nach Arzneibuch mithilfe von Pufferlösungen<br />
und HPLC-Messungen experimentell ermittelt und gegebenenfalls<br />
optimiert.<br />
Die Ergebnisse dieser Experimente nutzt <strong>Evonik</strong> auch, um<br />
die Technologie der Löslichkeitsverbesserung durch Schmelzextrusion<br />
kontinuierlich weiter zu entwickeln. Das Unternehmen<br />
setzt dabei auch auf internationale Hochschulkooperationen.<br />
Aktuell erforschen zwei Doktoranden in Großbritannien,<br />
wie sich die Stabilität von Dispersionen noch besser vorhersagen<br />
lässt und wie sie sich auf die Freisetzung von Wirkstoffen auswirkt.<br />
Eine Lösung für die Lösung<br />
+ 7<br />
+ 1<br />
Die Schmelzextrusion ist ein auch von der FDA anerkanntes<br />
Verfahren zur Herstellung von Arzneiformen, und viele<br />
Pharmaunternehmen besitzen bereits Know-how auf diesem<br />
Gebiet. Protease-Hemmer, die als antiviraler Wirkstoff in der<br />
AIDS-Therapie eingesetzt werden, werden mit großem therapeutischen<br />
Erfolg mittels Schmelzextrusion in Tablettenform<br />
gebracht. 333<br />
100<br />
50<br />
0<br />
0<br />
50 100<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011
24 gESundhEIt & Ernährung<br />
Abbildung 4<br />
Aufbau des MDD-Systems<br />
Quelle: Glatt GmbH<br />
Bindertropfen<br />
Pulver<br />
Startkeim<br />
Abbildung 5<br />
Messanordnung<br />
zur Ermittlung des<br />
transepithelialen<br />
elektrischen<br />
Widerstands<br />
333 Die Löslichkeitsverbesserung durch Schmelzextrusion ist<br />
einerseits für Neuentwicklungen von Arzneimitteln interessant.<br />
Andererseits können bereits auf dem Markt befindliche Arzneimittel<br />
ebenfalls von der Schmelzextrusion profitieren. Sie<br />
bietet beispielsweise eine neue Perspektive für das Life Cycle<br />
Management, etwa über neue optimierte medizinische Anwendungen<br />
und den dadurch möglichen neuen Patentschutz. Ein<br />
neuer Patentschutz lässt sich zum Beispiel realisieren, wenn die<br />
Löslichkeitsverbesserung eine Bioäquivalenz – also die gleiche<br />
Bioverfügbarkeit mit viel weniger Wirkstoff – erreicht. Das ist<br />
gut für den Patienten und dämpft die Kosten im Gesundheitssystem.<br />
Biopharmazeutika:<br />
das Modular-Drug-Delivery-System<br />
Biopharmazeutika, auch Biologika gennant, werden unter anderem<br />
zur Behandlung von entzündlichen Krankheiten wie Rheuma<br />
und Morbus Crohn sowie bei Krebs, Nierenerkrankungen und<br />
Stoffwechselkrankheiten eingesetzt. Ihre Bedeutung nimmt ständig<br />
zu. In einfacher Tablettenform verabreicht, würden sie im<br />
Magen-Darm-Trakt oftmals abgebaut und zudem schlecht resorbiert<br />
werden. Sie müssen also überwiegend gespritzt werden.<br />
Das verursacht nicht nur höhere Kosten als eine Therapie über<br />
Tabletteneinnahme, sondern ist auch bei den Patienten wenig<br />
beliebt.<br />
Das Verdauungssystem ist dafür ausgelegt, die Biomoleküle<br />
aus der Nahrung zunächst in ihre Bestandteile zu zerlegen und<br />
diese anschließend über die Zellbarriere hinweg in den Blut-<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011<br />
Zellmonoschicht<br />
Sprühen Aufrollen Trocknen/Verfestigen Schichtbildung Pellet<br />
Apikales Kompartiment<br />
Basolaterales Kompartiment<br />
Flüssigkeitsbrücke Feststoffbrücke Erste Schicht Zwiebelstruktur<br />
Filter<br />
312<br />
Widerstandsmessgerät<br />
kreislauf zu transportieren. Ungeschützte Biologika erleiden das<br />
gleiche Schicksal – sie werden verdaut und damit unwirksam<br />
gemacht.<br />
Hier haben die Wissenschaftler von <strong>Evonik</strong> angesetzt und<br />
innovative Formulierungskonzepte entwickelt, die bei kleinen<br />
bis mittelgroßen Biologika nun einen Wechsel zu peroraler<br />
Verabreichung ermöglichen können. Mit verschiedenen Hilfsstoffen<br />
haben sie ein modulares Drug-Delivery-(MDD-)System<br />
geschaffen, mit dem sie schnell individuelle Formulierungen<br />
entwickeln und die perorale Bioverfügbarkeit von Biologika<br />
verbessern können.<br />
Biologika gehören unterschiedlichen Substanzklassen an,<br />
weshalb zu Anfang die Herausforderung darin bestand, dass<br />
für möglichst viele Wirkstoffklassen eine breit verwendbare<br />
Formulierung gefunden werden musste. Mit der Kombination<br />
verschiedener Module können unterschiedliche Wirkstoffe<br />
adressiert werden. <strong>Evonik</strong> bietet so den Kunden die Möglichkeit,<br />
mit einer Technologieplattform viele unterschiedliche Medikamente<br />
auf den Markt zu bringen.<br />
Kleine und mittelgroße Biologika können in Mikropartikel<br />
oder Mini-Pellets formuliert werden. Dabei erhält jeder Partikel<br />
die für den Wirkstoff erforderlichen Module des MDD-Systems<br />
– der einzelne Partikel ist also ein komplettes pharmazeutisches<br />
System. Die Dosierungseinheit des Wirkstoffs wird auf eine Vielzahl<br />
von Partikeln verteilt und diese zu einer Kapsel oder einer<br />
Tablette zusammengeführt.<br />
Diese multipartikuläre Darreichungsform (multi-unit<br />
dosage form) hat deutliche pharmakologische Vorteile gegenüber<br />
einem monolithischen System, wie zum Beispiel eine
ZuSätZlIChE polymErplattform<br />
<strong>Evonik</strong> kauft Resomer®-Geschäft<br />
von Boehringer Ingelheim<br />
<strong>Evonik</strong> und die Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG<br />
haben einen Vertrag zum Verkauf des Resomer®-Geschäfts<br />
an <strong>Evonik</strong> unterzeichnet. Danach übernimmt <strong>Evonik</strong> die gesamte<br />
Produktpalette aus Standard- und kundenspezifischen Polymeren<br />
für die Herstellung von medizinischen Anwendun gen<br />
und pharmazeutischen Formulierungen. Die Resomer®-Monomere<br />
basieren auf Milch- und Glykolsäure und werden unter<br />
anderem durch Fermentation von nachwachsenden Rohstoffen<br />
gewonnen. Die Polymere sind im Körper vollständig bioabbaubar.<br />
Damit soll die orale EUDRAGIT®-Polymerplattform des<br />
<strong>Evonik</strong>-Geschäftsgebiets Pharma Polymers durch eine zusätzliche<br />
parenterale Polymerplattform erweitert und das Marktsegment<br />
Pharma des gesamten Unternehmens gezielt strategisch<br />
gestärkt werden.<br />
Die Copolymere der Milch- und Glykolsäure der Marke<br />
Resomer® werden beispielsweise für Peptidwirkstoff enthaltende<br />
Depotarzneiformen bei Krebserkrankungen eingesetzt,<br />
schnellere Magenpassage, eine bessere Verteilung an der Darmoberfläche,<br />
eine höhere Sicherheit in der Anwendung und die<br />
Vermeidung einer Überdosierung bei einer beschädigten Darreichungsform.<br />
Die multipartikulären Darreichungsformen von<br />
<strong>Evonik</strong> werden mittels konven tioneller Herstellungsprozesse<br />
produziert und dürfen auch in GMP-konformen Herstellungsprozessen<br />
eingesetzt werden. Das ist die Voraussetzung für die<br />
Anwendung in der pharmazeutischen Industrie.<br />
Eingebettet in einen 500µm großen Mikropartikel des modularen<br />
MDD-Systems überleben Biologika tatsächlich den Weg<br />
durch den Magen, denn eine magensäureresistente äußere Polymerschicht<br />
schützt sie gegen den Angriff der Magensäure. Die<br />
Partikel wandern unbehelligt weiter zum Darm, wo sich die<br />
äußere Schicht pH-abhängig und je nach Zusammensetzung<br />
gezielt im oberen oder im unteren Darmabschnitt auflöst.<br />
Die am gewünschten Ort freigesetzten und von der äußeren<br />
Schicht befreiten Partikel sind durch eine weitere Komponente<br />
geschützt, die die enzymatische Verdauung verhindert. Ein<br />
weiteres Modul verleiht ihnen Mukokompatibilität, so dass sie<br />
die Schleimschicht überwinden können, die wie eine Barriere<br />
über den Epithelzellen der Darmwand sitzt. Über letztere<br />
gelangt der Wirkstoff schließlich allein und unversehrt in die<br />
Blutbahn. Dass die Formulierung den Transport des Wirkstoffs<br />
über die Zellbarriere hinweg unterstützt, wird fachsprachlich<br />
als Penetra tionsförderung bezeichnet. Dieser Effekt wird durch<br />
ein zusätzliches Modul unterstützt, das den Transport des Wirkstoffs<br />
temporär positiv beeinflusst.<br />
Die Pellets bestehen aus verschiedenen Schichten, die in zwei<br />
Schritten hergestellt werden (Abb. 4). Zuerst wird der den Wirk-<br />
gESundhEIt & Ernährung 25<br />
die eine therapeutische Wirkung über bis zu sechs Monate sicherstellen.<br />
Die Milchsäurepolymere werden auch in der Medizin<br />
technik verwendet. Dabei ist es von Vorteil, dass sich diese<br />
bioabbaubaren Polymere nach ihrer Nutzungsphase im Körper<br />
schnell und schonend auflösen und somit weitere Operationen<br />
zur Entfernung vermeiden. Darüber hinaus erlauben die Polymere<br />
die Einbettung von pharmazeutischen Wirkstoffen, wie<br />
zum Beispiel Wachstumsfaktoren oder Antibiotika, die den<br />
Heilungsverlauf positiv beeinflussen.<br />
Bioabbaubare Polymere werden in der Pharmaindustrie vorzugsweise<br />
zur Formulierung innovativer biotechnologischer<br />
Wirkstoffe eingesetzt. Während das Wachstum des gesamten<br />
Pharmamarkts stagniert, zeigt der Markt für biotechnologische<br />
Wirkstoffe ein wesentlich höheres Wachstum. Mit der neuen<br />
Resomer®-Polymerplattform betritt das <strong>Evonik</strong>-Geschäftsgebiet<br />
Pharma Polymers den dynamischsten Wachstumsmarkt der<br />
biotechnologischen Wirkstoffe.<br />
stoff enthaltende Kern beispielsweise durch Extrusion gebildet.<br />
Anschließend erhält dieser Kern im Wirbelschichtverfahren eine<br />
Hülle aus mehreren Schichten mit unterschiedlichen Komponenten.<br />
Bei diesem sogenannten Spraycoating handelt es sich<br />
um ein Standardverfahren, das für den Aufbau von EUDRAGIT®-<br />
Schichten genutzt wird. Für die Herstellung der Partikel werden<br />
die Komponenten in einem Prozessschritt Schicht für Schicht<br />
aufgetragen.<br />
Ein besonderer Vorteil für die Kunden besteht darin, dass sie<br />
für den Prozess keine spezielle Ausrüstung anschaffen müssen.<br />
Vielmehr können sie mit Extruder und Wirbelschichtanlagen<br />
arbeiten, also mit zwei Standardverfahren der Pharmaindustrie.<br />
Die Bewährungsprobe: In-vivo-Studien<br />
Das MDD-System hat zwei In-vivo-Studien, die gemeinsam mit<br />
Pharmafirmen durchgeführt wurden, erfolgreich durchlaufen.<br />
Getestet wurden ein peptidischer und ein nicht peptidischer<br />
Wirkstoff. Für die erste Studie stand ein peptidischer Wirkstoff<br />
zur Verfügung, der bereits auf dem Markt ist und sowohl nasal<br />
als auch peroral verabreicht wird. Bei peroraler Verabreichung<br />
zeigt der Wirkstoff eine absolute Bioverfügbarkeit von unter<br />
0,1 Pro zent (gegenüber parenteral). Der Wirkstoff wurde mit<br />
drei der vier Module von <strong>Evonik</strong> formuliert: einer gastrointestinalen<br />
Targeting-, einer Enzyminhibitor- sowie einer För derungs<br />
komponente.<br />
Die Transportförderung verschiedener Pelletformulierungen<br />
wurde in der Zellkultur an einer Schicht aus standardisierten<br />
Darmzellen (CaCo-2-Zellen) bestimmt (Abb. 5). Diese 333<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011
26 gESundhEIt & Ernährung<br />
Abbildung 6<br />
Vergleich des Einflusses des transepithelialen elektrischen Widerstands<br />
(TEER) eines peptidischen Wirkstoffs, der einmal mit dem MDD-System<br />
von <strong>Evonik</strong> und einmal konventionell formuliert wurde. Bei dem neuen<br />
System von <strong>Evonik</strong> sinkt der TEER bereits nach kurzer Zeit – Voraussetzung<br />
dafür, dass der Wirkstoff die Zellschicht passieren kann<br />
MDD-System Vergleichsformulierung (ohne MDD-System)<br />
TEER [Ohm x cm2 ]<br />
500<br />
450<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
● ●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
333 Einzelschicht stellt für den Wirkstoff eine Barriere dar und<br />
ist durch einen hohen transepithelialen elektrischen Widerstand<br />
(Trans Epithelial Electrical Resistance, TEER) gekennzeichnet.<br />
Sobald der elektrische Widerstand in diesem Modell sinkt, liegt<br />
die Vermutung nahe, dass eine sogenannte penetrationsfördernde<br />
Wirkung vorliegt (Abb. 6). Dieser Effekt korreliert oft<br />
mit dem physiologischen Widerstand der Darmbarriere gegenüber<br />
der Diffusion des Wirkstoffs. Erst in diesem Zustand kann<br />
der Wirkstoff in hinreichenden Mengen die Zellschicht passieren.<br />
Die Messungen zeigten, dass der Wirkstoff nur dann durch<br />
die Schicht diffundieren kann, wenn die Formulierung des Pellets<br />
einen Transportförderer enthält. Dieser Effekt muss natürlich<br />
reversibel sein, da sonst das Gewebe angegriffen würde.<br />
Eine In-vivo-Studie mit Schweinen zeigte, dass mit dem<br />
MDD-System im Vergleich zur klassischen Tablette eine siebenmal<br />
höhere relative Bioverfügbarkeit erreicht wird (Abb. 7).<br />
Diese Erhöhung ist von großer Bedeutung, denn Biologika sind<br />
sehr teure Wirkstoffe: 1 g kostet im Allgemeinen mehr als 1.000<br />
Euro. Wie bei der Löslichkeitsverbesserung klassischer Wirkstoffe<br />
zeigt sich auch in diesem Fall, dass das MDD-System eine<br />
wesentlich höhere Bioverfügbarkeit erreicht bei gleichzeitig<br />
weniger Nebenwirkungen und höherer Kosteneffizienz.<br />
Auch für einen nicht peptidischen Wirkstoff, der klassisch<br />
subkutan verabreicht wird, entwickelten die Wissenschaftler<br />
von <strong>Evonik</strong> in Zusammenarbeit mit einem Kunden ein modulares<br />
System für die perorale Applikation. Zusätzlich zu einem<br />
Targeting-, einem Enzyminhibitor- und einem reversiblen, nicht<br />
toxischen Förderungselement setzten sie zur Verbesserung der<br />
Bioverfügbarkeit ein Antiaggregationselement ein (Abb. 8).<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
● ●<br />
–60 0 60 120 180<br />
●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
240<br />
Zeit [min]<br />
Abbildung 7<br />
In-vivo-Studie an einem peptidischen Wirkstoff<br />
mit Schweinen. Die Kon zentration des Wirkstoffs<br />
im Plasma ist beim MDD-System nach zwei<br />
Stunden nahezu um den Faktor zehn größer<br />
als bei der klassischen Tablette<br />
MDD-System Klassische Tablette<br />
Plasmakonzentration [pg Peptid/ml]<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
●<br />
●<br />
50<br />
● ● ●<br />
●<br />
0 ●<br />
●<br />
● ● ●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
0 60 120 180 240 300 360 420 480<br />
Zeit [min]<br />
●●<br />
●<br />
●<br />
●<br />
Letzteres war notwendig, weil der Wirkstoff so stark mit der<br />
Polymermatrix wechselwirkt, dass er sich nur schwer von ihr<br />
löst.<br />
Im Rahmen einer In-vivo-Studie im Säugetier bestimmte ein<br />
Partnerunternehmen von <strong>Evonik</strong> die biologische Wirkung in<br />
Serum und errechnete daraus die entsprechende Konzentration<br />
des Wirkstoffs im Blut. Das modulare Wirkstoffsystem erreichte<br />
eine perorale Bioverfügbarkeit von 15 Prozent, ein Wert, der aus<br />
dem Vergleich mit einer subkutanen Verabreichung berechnet<br />
wurde, da der Wirkstoff allein peroral nicht resorbiert wird.<br />
Zusätzlich konnte gezeigt werden, dass der Wirkstoff durch das<br />
MDD-System das ideale pharmakokinetische Profil hat.<br />
Polymere, Service, Beratung –<br />
alles aus einer Hand<br />
●<br />
●<br />
<strong>Evonik</strong> wird das MDD-System, das das Geschäftsgebiet Pharma<br />
Polymers in den vergangenen fünf Jahren entwickelt und an<br />
relevanten Wirkstoffen getestet hat, in diesem Jahr auf den<br />
Markt bringen – nicht als Standardlösung, sondern als ein System<br />
spezifischer Komponenten, das zu maßgeschneiderten Lösungen<br />
führt. Speziell im Auftrag eines Kunden entwickelte<br />
Komponenten und Formulierungen werden exklusiv von diesem<br />
Kunden genutzt und lizenziert.<br />
Durch das MDD-System, die Schmelzextrusionstechnologie<br />
sowie die langjährige Polymer-und Formulierungserfahrung<br />
ist <strong>Evonik</strong> nun in der Lage, für alle Wirkstoffklassen eine Applikation<br />
anbieten zu können, mit der sich wirkungsvolle und<br />
sichere Arzneimittel realisieren lassen. Damit festigt <strong>Evonik</strong>
Abbildung 8<br />
Rasterelektronenmikroskopisches Bild eines<br />
MDD-Partikels mit den unterschiedlichen funktionellen<br />
Modulen: Targetingmodul, Penetra tionsver<br />
bes serungsmodul (rever sibel, nicht toxisch),<br />
Enzy minhibitionsmodul, Anti aggregations modul<br />
(von außen nach innen)<br />
8,84 µm<br />
10,62 µm<br />
20,30 µm<br />
18,09 µm<br />
seine Position als „Solution Provider“ für die pharmazeu tische<br />
Industrie, der weit mehr anbietet als pharmazeutische Hilfsstoffe.<br />
Sämtliche Polymere, Hilfsstoffe und Herstellungsprozesse für<br />
die multipartikulären Darreichungsformen sind pharmakologisch<br />
zugelassen, und das System ist patentgeschützt. <strong>Evonik</strong><br />
begleitet seine Kunden bis zur Markteinführung und bietet auch<br />
GMP-konforme Dienstleistungen im eigenen GMP-Labor an.<br />
Darüber hinaus besitzt <strong>Evonik</strong> auch Kompetenzen bei Wirkungs-<br />
dr. rosario lizio<br />
Leiter Discovery and<br />
Development Pharma Polymers<br />
+49 6151 18-4768<br />
rosario.lizio@evonik.com<br />
dr. firouz asgarzadeh<br />
Principles Scientist<br />
Pharma Polymers<br />
+1 732 981-5146<br />
firouz.asgarzadeh@evonik.com<br />
gESundhEIt & Ernährung 27<br />
studien und hat mit seinen EUDRAGIT®-Polymeren bereits selbst<br />
klinische Phase-I-Studien in eigener Verantwortung durchgeführt.<br />
Doch das ist nur ein Teil der Innovationsstrategie. In sogenannten<br />
„Proof of Value“-Projekten geht das Geschäftsgebiet<br />
Pharma Polymers auch auf ganz neue Kundenwünsche ein, baut<br />
schnell die notwendigen Kompetenzen mit Partnern auf und ermittelt<br />
anhand von Prototypen Realisierbarkeit, Aufwand und<br />
Geschäftspotenzial. 777<br />
dr. kathrin nollenberger<br />
Formulation Development<br />
Pharma Polymers<br />
+49 6151 18-4292<br />
kathrin.nollenberger@<br />
evonik.com<br />
dr. thomas riermeier<br />
Leiter Innovation Management<br />
Pharma Polymers<br />
+49 6151 18-3528<br />
thomas.riermeier@evonik.com<br />
dr. norbert Windhab<br />
Leiter Strategic Projects<br />
Pharma Polymers<br />
+49 6151 18-3571<br />
norbert.windhab@evonik.com<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011
28 nEWS<br />
ROHACELL® bewährt sich<br />
im Kabinendruckschott-Prototyp<br />
für chinesischen Passagierjet<br />
Erstmals kommt in einem in China gebauten,<br />
kommerziellen Flugzeug ein Sandwich-<br />
Verbundwerkstoff in der tragenden Primärstruktur<br />
zum Einsatz: Im Prototyp des ersten<br />
großen chinesischen Passagierflugzeugs<br />
C919 bestehen die Stringer des Kabinendruck<br />
schotts, ebenfalls ein Prototyp, aus<br />
ROHACELL®, einem Hartschaumstoff auf<br />
PMI-Basis (Polymethacrylimid) von <strong>Evonik</strong>,<br />
der die Steifigkeit und Beulfestigfestigkeit<br />
des Bauteils verbessert. Die schnelle Lie ferung<br />
eines hochwertigen, gebrauchsfertigen<br />
ROHACELL® Formteils von <strong>Evonik</strong> ermöglichte<br />
es, den Kabinendruckschott-Prototypen<br />
innerhalb von fünf Monaten nach Freigabe<br />
der CAD-Konstruktion herzustellen. Durch<br />
die erfolgreiche Vorstellung des Prototypen<br />
Mitte Oktober wurde der Konstruktions- und<br />
Fertigungsprozess weiter validiert, so dass<br />
die reibungslose Entwicklung weiterer Flugzeugbauteile<br />
aus Verbundwerkstoff sichergestellt<br />
werden kann.<br />
Bei Konstruktion und Entwicklung des<br />
Prototypen spielte <strong>Evonik</strong> die Rolle eines<br />
strategischen Partners. Die Werkstofflösung<br />
ROHACELL® erleichtert zum einen die Um-<br />
Umweltschonende Produktion von<br />
Natriumcyanid in Russland: <strong>Evonik</strong> vergibt<br />
Lizenzen an EPC Engineering Consulting<br />
Ende 2011 wird das russische Unternehmen<br />
Korund Cyan in der Provinz Nishni Novgorod<br />
(Russische Föderation) eine der modernsten<br />
Anlagen der Welt zur Herstellung von<br />
Natriumcyanid in Betrieb nehmen: Die<br />
Anlage produziert das Natriumcyanid nach<br />
der innovativen CyPlus Cyanide Advanced<br />
Technology der CyPlus GmbH, einer hundertprozentigen<br />
Tochtergesellschaft von<br />
<strong>Evonik</strong> <strong>Industries</strong>, und die Vorstufe Cyanwasserstoff<br />
nach einer Technologie des<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011<br />
setzung der schwierigen kugelförmigen Konstruktion<br />
und gewährleistet zum anderen die<br />
Bauteilfunktionen. Aufgrund seiner Materialeigenschaften<br />
– in erster Linie die ausgezeichneten<br />
Kriech- und Schereigen schaften<br />
auch unter anhaltender dynamischer Beanspruchung<br />
– hat sich ROHACELL® als hervorragender<br />
Strukturschaum in Bauteilen aus<br />
Faserverbundstoffen für die Luftfahrtindustrie<br />
Der Prototyp des Kabinendruckschotts für die C919.<br />
Für die Stringer wird ROHACELL® verwendet, um<br />
die Steifigkeit und Knick festigkeit zu verbessern<br />
<strong>Evonik</strong>-Geschäftsbereichs Performance<br />
Polymers.<br />
Performance Polymers und CyPlus haben<br />
jetzt entsprechende Lizenzen an den An lagenbauer,<br />
die im thüringischen Rudolstadt<br />
ansässige EPC Engineering Consulting<br />
GmbH, vergeben. EPC errichtet auf Basis der<br />
Technologien von <strong>Evonik</strong> die schlüsselfertige<br />
Anlage, deren Grundstein Ende September<br />
2010 im Beisein des Gouverneurs der Region<br />
Nishni Novgorod, Valery Shanzev, gelegt<br />
Die C919<br />
erwiesen. Die Gewichtsminderung spart<br />
Treibstoff und reduziert den CO 2 -Ausstoß.<br />
Durch die Zusammenarbeit mit den<br />
Designingenieuren konnten die Material vorteile<br />
des Strukturschaums in eine innovative<br />
und wirtschaftliche Lösung umgesetzt werden.<br />
„Nahe beim Kunden und Teil seines<br />
Netz werkes zu sein, ist ein Schlüssel zum<br />
Erfolg“, so Hu Pei, Sales Director Film and<br />
Foams im Geschäftsgebiet High Perfor -<br />
man ce Polymers im Raum Asien-Pazifik.<br />
„ROHACELL® wurde bereits in Winglet und<br />
Spaltklappe des in China gebauten Regio -<br />
nal jets ARJ21-700 erfolgreich eingesetzt.“<br />
Der Prototyp der C919 wurde der Öffentlichkeit<br />
erstmals am 16. November 2010<br />
auf der Luftfahrtmesse Airshow China 2010<br />
in Zhuhai präsentiert. Nach Angaben des<br />
Flugzeugbauers Commercial Aircraft Corp of<br />
China (Comac) liegt bereits eine Erstbestellung<br />
von bis zu 100 Jets vor; er erwartet<br />
einen Bedarf von 2.000 Standardrumpfflugzeugen<br />
im In- und Ausland. Nach der<br />
Zertifizierung durch die Regulierungs behörden<br />
soll die C919 im Jahr 2016 den kommerziellen<br />
Betrieb auf nehmen.<br />
wurde. In der ersten Ausbaustufe wird sie<br />
eine Kapazität von jährlich 40.000 Tonnen<br />
Natriumcyanid haben.<br />
Natriumcyanid wird benötigt, um Gold<br />
aus Golderzen herauszulösen. Speziell für<br />
diese Anwendung im Edelmetallbergbau hat<br />
CyPlus ihre CyPlus Cyanide Advanced Technology<br />
(CyPlus CAT) zur Herstellung des<br />
Natriumcyanids entwickelt. CyPlus CAT erfüllt<br />
die strengen Kriterien von Responsible<br />
Care und des International Cyanide Manage-
ment Code und gilt als sehr sicheres und zuverlässiges<br />
Verfahren; zudem zeichnet sie<br />
sich durch niedrige Investitions- und Betriebskosten<br />
aus.<br />
Das Natriumcyanid wird dabei aus Cyanwasserstoff<br />
produziert, der nach der von<br />
<strong>Evonik</strong> entwickelten Herstellungstechnologie<br />
auf Basis des Andrussow-Verfahrens erzeugt<br />
wird; <strong>Evonik</strong> verfügt über mehr als 50 Jahre<br />
Erfahrung in der Herstellung von Cyan wasserstoff.<br />
Beide Herstellungsprozesse sind so<br />
aufeinander abgestimmt, dass sie in Summe<br />
sehr energieeffizient arbeiten und eine hohe<br />
Rohstoffausbeute ermöglichen.<br />
<strong>Evonik</strong> unterstützt EPC und Korund Cyan,<br />
eine Tochter von OOO Korund, zudem mit<br />
seinem umfangreichen Know-how in der<br />
Produktion und der sicheren Handhabung<br />
von Cyaniden. „Damit ermöglichen wir es unserem<br />
Partner, nach höchsten technischen<br />
und Sicherheitsstandards zu produzieren“,<br />
betonte Gregor Hetzke, Leiter des Geschäfts-<br />
Elektroschrott macht erfinderisch<br />
Alte Kassettenrekorder, ramponierte Fernlenkautos,<br />
ausrangierte Computertastaturen<br />
und anderer Elektroschrott lagen kunterbunt<br />
durcheinander auf Werkbänken von <strong>Evonik</strong><br />
<strong>Industries</strong> im Industriepark Wolfgang in<br />
Hanau. Wo sonst Jugendliche beispielsweise<br />
zu Mechatronikern ausgebildet werden, tüftelten<br />
rund 60 zehn- bis zwölfjährige Kinder<br />
in vier Recycling Science Camps mit Schraubendreher,<br />
Zange und Co.. Die Auf gabe: alte<br />
Elektrogeräte auseinandernehmen und neue,<br />
kreative Erfindungen zusammenbauen.<br />
Bevor die erste Schraube gelöst wurde,<br />
stand allerdings eine ausführliche Sicher heitsbelehrung<br />
auf dem Programm. Strom aus der<br />
Steckdose war tabu – aber mit Batterien,<br />
bereichs Performance Polymers. „Mit der<br />
Kombination aus Technologie, Beratung und<br />
Training tragen wir dazu bei, dass die Anlage<br />
sowohl umweltverträglich als auch wirtschaftlich<br />
arbeitet“, ergänzte Frank Harenburg,<br />
Geschäftsführer der CyPlus GmbH. Die<br />
vor allem in Produktion und Vertrieb von<br />
Natrium- und Kaliumcyanid tätige CyPlus war<br />
das weltweit erste Unternehmen, das sowohl<br />
nach den Managementsystemen ISO<br />
9001:2000 und 14001, als auch nach dem<br />
International Cyanide Management Code<br />
(ICMC) auditiert und zertifiziert wurde.<br />
Auch die neue Anlage von Korund Cyan<br />
in Nishni Novgorod soll nach dem International<br />
Cyanide Management Code zertifiziert<br />
werden. Mit diesem Code verpflichtet<br />
sich die Goldbergbauindustrie freiwillig dazu,<br />
weltweit gültige, sehr hohe und einheitliche<br />
Sicherheits-, Umwelt- und Qualitätsstandards<br />
beim Einsatz von Cyaniden im Goldbergbau<br />
zu gewährleisten.<br />
Kabeln und Krokodilklemmen war es für die<br />
neugierigen Forscher ein Leichtes zu prüfen,<br />
welcher Motor oder welches Lämpchen der<br />
ausrangierten Geräte noch einmal zum Leben<br />
erweckt werden konnte. Dann kombinierten<br />
sie ausgebaute Elektrobauteile zu neuen<br />
Erfindungen; tatkräftig unterstützt von Jens<br />
Walther und Jürgen Vormwald, die beide als<br />
Ausbilder im elektrotechnischen Bereich in<br />
Hanau tätig sind. So entstand aus dem Motor<br />
eines Kassettenrekorders eine Seilbahn, die<br />
sich vorwärts und rückwärts bewegte.<br />
Lustige Boote mit Elektroantrieb fuhren<br />
durch eine Wasserwanne und Kehrbesen mit<br />
Federschmuck und Beleuchtung düsten mit<br />
Batteriebetrieb durch den Raum.<br />
Natriumcyanid wird benötigt, um Gold<br />
aus Golderzen herauszulösen<br />
nEWS 29<br />
Die Teilnehmer der Science Camps erlebten,<br />
wie viel Spaß das Experimentieren mit<br />
Elektrobauteilen macht. Sie erfuhren außerdem,<br />
dass Elektroschrott wahre Schätze birgt,<br />
vor allem in Form von Metallen, die wieder<br />
verwertet werden können.<br />
Initiiert wurden die Science Camps vom<br />
Bildungszentrum Rhein-Main von <strong>Evonik</strong><br />
<strong>Industries</strong> in Zusammenarbeit mit dem Personalmanagement<br />
am Standort Hanau-Wolfgang<br />
und den hessischen Chemie ver bänden.<br />
„Unser Ziel ist es, Schüler frühzeitig für<br />
Themen aus Mathematik, Informatik, Naturwis<br />
senschaften, Technik zu begeistern und<br />
sie für eine Ausbildung oder für ein Studium<br />
in diesen Fächern zu motivieren“, sagt Klaus<br />
Lebherz, Leiter des Bildungszentrums Rhein-<br />
Main. „Letztlich wollen wir das Berufsfeld<br />
Tech nik und Naturwissenschaften besser bekannt<br />
machen und seine Vorzüge präsentieren.“<br />
Den erfolgreichen Pilotcamps in Hanau<br />
sollen 2011 je ein Demontage-Montage-<br />
Camp an den <strong>Evonik</strong>-Standorten Darmstadt<br />
und Worms folgen. Parallel wird ein neues<br />
Camp mit Ausrichtung auf Chemie für die<br />
Altersgruppe 13 bis 15 Jahre entwickelt, das<br />
in Hanau erprobt werden soll. Die Camps sollen<br />
ab 2012 in loser Folge angeboten werden.<br />
Alles andere als langweilig: Bei den Science Camps<br />
erlebten die Zehn- bis Zwölfjährigen, wie viel Spaß<br />
das Experimentieren mit Elektrobauteilen macht<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011
30 dESIgnIng WIth polymErS<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011<br />
Konkurrenz für Titan<br />
PEEK erobert den<br />
Medizintechnikmarkt<br />
Immer häufiger werden chirurgische Instrumente, Endoskope und vor<br />
allem Implantate aus PEEK (Polyetheretherketon) gefertigt. Seinen<br />
Erfolg verdankt der Hochleistungskunststoff, den <strong>Evonik</strong> unter dem<br />
Namen VESTAKEEP® vermarktet, seinen mechanischen Eigenschaften,<br />
seiner Röntgentransparenz und seiner Biokompatibilität.<br />
[ text Marc Knebel ]
Wirbelsäulenimplantat<br />
aus PEEK: Die höhere<br />
Elastizität von<br />
VESTAKEEP® im Vergleich<br />
zu Titan reduziert<br />
Spannungsspitzen an<br />
der Grenzfläche von<br />
Knochen und Wirbelsäulenimplantat<br />
eINer studIe vON Frost & Sullivan zufolge gehören Rückenschmerzen<br />
zu den häufigsten Beschwerden in den USA – allein<br />
im Jahr 2005 gingen die US-Amerikaner wegen Problemen mit<br />
Bandscheiben oder Wirbelsäule knapp 20-millionenmal zum<br />
Arzt. Bisweilen hilft nur ein chirurgischer Eingriff gegen die<br />
Schmerzen: Jedes Jahr werden in den USA mehr als 800.000<br />
Operationen an der Wirbelsäule durchgeführt. Zu den gängigen<br />
Methoden gehören je nach Alter und Krankheitsbild die Entfernung<br />
von Bandscheiben (Diskektomie) oder von Teilen des Wirbelkörpers<br />
(Laminektomie), der Ersatz von Bandscheiben durch<br />
Implantate und die Stabilisierung (Non Fusion) oder Versteifung<br />
(Fusion) des entsprechenden Wirbelsäulenabschnitts ebenfalls<br />
mit Implantaten.<br />
Immer häufiger greifen Hersteller medizinischer Produkte<br />
in der Wirbelsäulenchirurgie, aber auch in Bereichen von Traumatologie<br />
und Orthopädie zu Polyetheretherketon (PEEK), wenn<br />
es um die Fertigung von Implantaten oder medizinischen Instrumenten<br />
geht. Das Material, das <strong>Evonik</strong> unter dem Namen<br />
VESTAKEEP® vermarktet, ist biokompatibel, inert gegen Körperflüssigkeiten<br />
und lässt sich einfach zu individuellen Implantaten<br />
verarbeiten. Gegenüber Titan, dem klassischen Implantatmaterial,<br />
punktet es außerdem mit Röntgentransparenz und einer<br />
Elastizität, die etwa der von Knochen entspricht. Wegen<br />
seiner herausragenden Eigenschaften hat sich PEEK mittlerweile<br />
zum wichtigsten thermoplastischen Ersatzstoff für Titanimplantate<br />
entwickelt.<br />
Da Implantate ein Leben lang halten sollen, müssen die dafür<br />
genutzten Materialien sowohl biostabil als auch mechanisch beanspruchbar<br />
sein. Lange Zeit war dies ausschließlich die Domäne<br />
von Titan oder Kobalt-Chrom. Doch inzwischen werden immer<br />
dESIgnIng WIth polymErS 31<br />
mehr Implantate aus PEEK eingesetzt, die sich, aus Halbzeugen<br />
gefertigt, besser zerspanen lassen oder, im Spritzgießverfahren<br />
hergestellt, noch zusätzliche Designfreiheit gewähren.<br />
Elastisch und röntgentransparent<br />
Im Vergleich zu Titan oder anderen Metalllegierungen bieten<br />
Implantate aus PEEK noch zahlreiche weitere Vorteile. So kommen<br />
metallische Implantate an ihre Grenzen, wenn es um bildgebende<br />
Verfahren geht, mit denen der Arzt die Operation begleitet,<br />
den Heilungsprozess verfolgt und das Ergebnis kontrolliert.<br />
Wegen ihrer Dichte sind Metalle undurchlässig für Röntgenstrahlen<br />
und produzieren deshalb im einfachen C-Bogen wie<br />
auch im Computertomographen (CT) und beim Magnetic Resonance<br />
Imaging (MRI) Artefakte. Diese versperren den Blick auf<br />
das hinter dem Implantat liegende Knochengewebe und erschweren<br />
so eine sichere Bildauswertung.<br />
VESTAKEEP® dagegen ist wegen seiner Röntgentransparenz<br />
im CT und MRI unsichtbar und erlaubt so eine gute Kontrolle<br />
von Knochenwachstum und Heilungsprozess. In bestimmten<br />
Fällen will der Arzt dennoch das Implantat sehen können, etwa,<br />
um den Sitz des Implantats zu kontrollieren. Auch dies lässt sich<br />
durch Modifizierungen einstellen.<br />
Eine weitere Schwachstelle der Metalle ist der hohe Elastizitätsmodul,<br />
der deutlich über dem des Knochenmaterials liegt.<br />
Das Implantat übernimmt deshalb einen Großteil der mechanischen<br />
Belastung und entlastet so den Knochen. Dieser sogenannte<br />
Stress-Shielding-Effekt kann weitreichende Folgen haben:<br />
Da Knochen die mechanische Beanspruchung brauchen,<br />
um sich einerseits im Heilungsprozess zu regenerieren und<br />
333<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011
32 dESIgnIng WIth polymErS<br />
Zahnimplantate aus PEEK. Im<br />
Unterschied zu den klassischen<br />
Materialien können sie spritzgegossen<br />
werden und reduzieren<br />
damit die Herstellkosten<br />
333 andererseits dauerhaft ihre Festigkeit zu behalten, kann sich<br />
die Heilung verlangsamen und der entlastete Knochen sich im<br />
Laufe der Jahre sogar abbauen.<br />
Im Gegensatz zu den Metallen weist VESTAKEEP® einen niedrigeren<br />
E-Modul bzw. eine höhere Elastizität auf, die in der Größenordnung<br />
von Knochenmaterial liegt. Dadurch wird der<br />
Stress-Shielding-Effekt verhindert, so dass im Kontakt mit dem<br />
Knochen dieser nicht völlig von mechanischer Beanspruchung<br />
entlastet wird. Er kann so seine Festigkeit auch über Jahre behalten.<br />
Ein Kunststoff für harte Umweltbedingungen<br />
Sowohl die Röntgentransparenz als auch die Verhinderung des<br />
Stress-Shielding-Effekts haben mit dazu beigetragen, dass sich<br />
PEEK in den vergangenen Jahren als bedeutendste thermoplastische<br />
Alternative zu den metallischen Implantatmaterialien etabliert<br />
hat. Der vergleichsweise junge Hochleistungskunststoff<br />
ist erst seit Anfang der 1980er Jahre auf dem Markt und kommt<br />
immer dann zum Einsatz, wenn Bauteile harten Umweltbedingungen<br />
standhalten müssen – etwa hohen Temperaturen, Korrosion<br />
durch Salze, Lösemitteln, ätzenden Stoffen und Säuren<br />
oder extremen mechanischen Belastungen.<br />
Grund dafür ist der aromatische, teilkristalline Charakter des<br />
PEEK-Polymers. Aufgrund seiner chemischen Struktur und seiner<br />
Morphologie besitzt es ausgezeichnete Beständigkeit gegenüber<br />
Verschleiß, Abrieb, Hydrolyse, Korrosion und Chemikalien.<br />
Zudem zeichnet sich PEEK durch hohe Maßhaltigkeit aufgrund<br />
der geringen Wasseraufnahme, hohe Steifigkeit bei niedrigem<br />
Gewicht, eine hohe Wärmeformbeständigkeit, eine Dauergebrauchstemperatur<br />
von 260 °C und vielseitige Verarbeitbar-<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011<br />
keit aus. Verglichen mit anderen Kunststoffen bietet PEEK die<br />
beste Kombination aus inertem Verhalten und Wärmeformbeständigkeit.<br />
Wichtige nichtmedizinische Anwendungsbereiche<br />
sind die Halbleiterfertigung, die Ölexploration, Fahrzeuge sowie<br />
die Luftfahrt, wo es beispielsweise in Flugzeugen zunehmend<br />
Werkstoffe wie Aluminium, Titan oder Stahl verdrängt.<br />
In Medizinprodukten wird PEEK in der Regel eingesetzt, weil<br />
es einen höheren Nutzen bietet: Es spart Gewicht, ermöglicht<br />
mehr Freiheit beim Design und eine höhere Funktionsintegration.<br />
Zugleich ist es eine kostengünstigere Alternative zu Metall<br />
oder anderen Materialien. Neben chirurgischen Instrumenten<br />
und Endoskopen, bei denen auch die guten elektrischen Isolationseigenschaften<br />
von PEEK zum Tragen kommen, sind vor allem<br />
die Implantate ein wichtiges Einsatzgebiet. Typische<br />
Anwendungen sind Wirbelsäulenimplantate, orthopädische Implantate,<br />
Dentalimplantate sowie die Traumachirurgie, bei der<br />
Knochenbrüche fixiert oder Knochenfragmente ersetzt werden.<br />
Sehr gute Sterilisationsbeständigkeit<br />
Wesentlich für die medizinischen Anwendungen von PEEK sind<br />
neben den mechanischen Eigenschaften und der Röntgentransparenz<br />
die ausgezeichnete Sterilisationsbeständigkeit und die<br />
Biokompatibilität. Viele andere Polymere kommen an ihre Grenzen,<br />
wenn zur hygienischen Reinigung die Kombination aus<br />
Waschen, chemischem Reinigen und Dampfsterilisation eingesetzt<br />
wird.<br />
Nicht so PEEK: Der Hochleistungskunststoff behält auch nach<br />
Langzeiteinwirkung von heißem Dampf, Ethylenoxid und Gammastrahlen<br />
seine ursprünglichen Eigenschaften unverändert bei<br />
und lässt sich deshalb problemlos mit allen gängigen Methoden
<strong>Evonik</strong> hat die Biokompatibilität seiner VESTAKEEP®<br />
Polymere in umfang reichen Untersuchungen<br />
von einem unabhängigen Prüfinstitut nachweisen<br />
lassen; sie ist vor allem auf die hohe Chemikalien -<br />
beständig keit zurückzuführen<br />
sterilisieren – eine wichtige Voraussetzung beispielsweise für<br />
den Einsatz in chirurgischen, mehrfach verwendbaren Instrumenten.<br />
Da die Polymere sich zudem gut einfärben lassen, sind<br />
auch Farbkodierungen der Instrumente möglich.<br />
Maßgeblich für Biokompatibilität ist<br />
das fertige Medizinprodukt<br />
Die Biokompatibilität entscheidet über die grundsätzliche Eignung<br />
eines Werkstoffs als Implantatmaterial – der Werkstoff<br />
darf weder cytotoxisch noch mutagen noch cancerogen sein,<br />
darf keine allergenen Eigenschaften besitzen und muss auch in<br />
der biologischen Umgebung stabil sein. Der Nachweis der Biokompatibilität<br />
muss jedoch immer am fertigen Medizinprodukt<br />
erfolgen, da sich durch die Verarbeitung und Kombination der<br />
Rohstoffe deren biologische Verträglichkeit ändern kann.<br />
Die Anforderungen an die Biokompatibilität des fertigen Medizinprodukts<br />
hängen dabei sowohl von der Art des Kontakts<br />
(Haut, Blut, Fettgewebe, etc.) als auch von der Dauer des Kontakts<br />
ab. Die biologische Beurteilung von Medizinprodukten<br />
richtet sich deshalb nach der vorgesehenen Verwendung. Die<br />
DIN EN ISO 10993 fasst zahlreiche internationale Normen zur<br />
Biokompatibilitätsprüfung zusammen und regelt die Auswahl<br />
der Prüfungen, die für die jeweilige Anwendung relevant sind.<br />
Dennoch sind bestimmte Prüfungen am Rohstoff sinnvoll, da<br />
sie einen wichtigen Hinweis auf die Eignung im fertigen Endprodukt<br />
liefern. Neben der DIN EN ISO 10993 beschreibt die US<br />
Pharmacopoeia (USP) „General Chapter ” Prüfungen an<br />
Kunststoffen für Medizinprodukte und ermöglicht eine Einteilung<br />
je nach Anwendung in die Klassen I bis VI, wobei Kunststoffe<br />
der Klasse VI die höchsten Anforderungen erfüllen 333<br />
Tabelle 1<br />
Tabelle 2<br />
dESIgnIng WIth polymErS 33<br />
Biokompatibilitätsprüfungen<br />
VESTAKEEP® I<br />
VESTAKEEP® M<br />
USP Class VI<br />
■ ■<br />
Akute systemische Toxizität<br />
■ ■<br />
Subkutane Irritation<br />
■ ■<br />
Implantationstest 7 Tage<br />
■ ■<br />
Zytotoxizität<br />
■ ■<br />
Sensibilisierung<br />
■ ■<br />
Hämokompatibilität<br />
■<br />
Implantation subkutan 90 Tage<br />
■<br />
Genotoxizität<br />
■<br />
Subchronische systemische Toxizität<br />
■<br />
Entsprechend den Untersuchungen eines unabhängigen<br />
Prüfinstsituts erfüllen VESTAKEEP® I-Formmassen umfangreiche<br />
Anforderungen für medizinische Anwendungen<br />
United States Pharmacopoeia Testing: <br />
„Biological Reactivity Testing In Vivo“ Class VI:<br />
• Acute Systemic Toxicity Test: 4 verschiedene<br />
Extraktionsmedien (70°C/24h)<br />
• Irritation Test – Intracutaneous Injection Test:<br />
4 verschiedene Extraktionsmedien (70°C/24h)<br />
• Implantation Test: In-vivo-Implantation Test:<br />
intramuskulär, 7 Tage<br />
Weitere Prüfungen, die in Anlehnung der ISO 10993<br />
durchgeführt wurden. Hierbei handelt es sich um<br />
Untersuchungen der Toxizität, Sensibili sie rung, Irritation,<br />
subchronischen Toxizität, Geno toxizität und der<br />
Implantation:<br />
• Zytotoxizität gemäß ISO 10993-5<br />
• Hämokompatibilität gemäß ISO 10993-4<br />
• Intrakutane Reaktivität gemäß ISO 10993-10<br />
• Sensibilisierung gemäß ISO 10993-10<br />
• Akute systemische Toxizität gemäß ISO 10993-11<br />
• Subchronische Toxizität gemäß ISO 10993-11<br />
• Genotoxizität (Ames Test); Durchführung<br />
gemäß EN ISO 10993-3 und OECD<br />
• Genotoxizität (Chromosomenaberrationstest);<br />
Durchführung gemäß ISO 10993-3<br />
• Genotoxizität (Maus-Lymphoma-Test)<br />
gemäß ISO 10993-3 OECD 476<br />
• Implantation In-vivo-Implantation intramuskulär<br />
12 Wochen gemäß ISO 10993-6<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011
34 dESIgnIng WIth polymErS<br />
Mit zertifizierten und valdidierten<br />
Arbeitsabläufen gewährleistet <strong>Evonik</strong><br />
die gleichbleibende Qualität der<br />
eingesetzten Rohstoffe, der Produktions<br />
prozesse und der PEEK-Polymere<br />
333 müssen. Auch hier gilt natürlich der Grundsatz, dass die Biokompatibilität<br />
am fertigen Endprodukt sichergestellt werden<br />
muss.<br />
Umfangreiche Biokompatibilitätsprüfungen<br />
bestanden<br />
<strong>Evonik</strong> hat die sehr gute Biokompatibilität von VESTAKEEP® –<br />
sie ist vor allem auf die hohe Chemikalienbeständigkeit zurückzuführen<br />
– in umfangreichen Untersuchungen von einem unabhängigen<br />
Prüfinstitut nachweisen lassen. Je nach Art und<br />
Dauer des Körperkontakts werden zwei unterschied liche PEEK<br />
Varianten angeboten. Die Variante VESTAKEEP® M ist für kurzzeitigen<br />
Kontakt geeignet, beispielsweise für chirurgische Instrumente.<br />
VESTAKEEP® I dagegen eignet sich für den Langzeitkontakt,<br />
wie es für Implantate erforderlich ist (Tab. 1, S. 33). Die<br />
Rezeptur dieser Polymere ist auf eine hohe Bio kompatibilität<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011<br />
marc knebel ist im Geschäftsgebiet<br />
High Performance Polymers von <strong>Evonik</strong><br />
verantwortlich für Sales & Marketing<br />
von VESTAKEEP® Medical.<br />
+49 2365 49-6783<br />
marc.knebel@evonik.com<br />
abgestimmt, und eine Chargenprüfung „in vitro“ auf Zytotoxizität<br />
nach DIN EN 10993-5 bietet zusätzliche Sicherheit.<br />
VESTAKEEP® I-Formmassen erfüllen entsprechend den Untersuchungen<br />
umfangreiche Anforderungen für medizinische<br />
Anwendungen (Tab. 2, S. 33).<br />
Danach sind VESTAKEEP® I-Polymere inert gegen Körperflüssigkeiten<br />
und zeigen keine nachteiligen Effekte in den standardisierten<br />
Biokompatibilitätsprüfungen: Sie sind nicht toxisch,<br />
rufen keine Hautrötungen oder Ödeme hervor und sind nicht<br />
biologisch reaktiv. Im intramuskulären Implantationstest ließen<br />
sich außerdem weder Entfärbung oder Verkapselung noch Infektionen,<br />
Blutungen oder Nekrose feststellen. Auch die Untersuchungen<br />
der Hämokompatibilität und der subchronischen<br />
Toxizität zeigten keine Auffälligkeiten. Die Spezifikation, die<br />
Produktion und die produktbegleitende Dokumentation wurden<br />
an die hohen Anforderungen der Medizintechnik angepasst.<br />
Gleichbleibende Qualität wichtige<br />
Voraussetzung für Medizintechnik<br />
Medizinprodukte, die für den Langzeitkontakt mit Körpergewebe<br />
vorgesehen sind, müssen für die Registrierung in Europa<br />
oder in den USA besonders hohe Qualitätsanforderungen erfüllen.<br />
Die Hersteller müssen dazu einerseits nachweisen, dass die<br />
Rohstoffe für das jeweilige Einsatzgebiet geeignet sind, und<br />
andererseits darlegen, wie sie eine gleichbleibende Qualität gewährleisten.<br />
Beispielsweise wirken sich bei der Weiterverarbeitung in<br />
Extrusion oder beim Spritzgießen unterschiedliche Abkühlraten<br />
auf die Materialeigenschaften von PEEK aus. Auch Dauer und<br />
Temperatur der Wärmenachbehandlung haben einen direkten<br />
Einfluss auf die Kristallinität der PEEK-Polymere und damit auf<br />
ihre mechanischen Eigenschaften. Das heißt einerseits, dass die<br />
Materialeigenschaften gezielt gesteuert werden können, andererseits<br />
aber auch, dass Fehler im Produktionsprozess die Qualität<br />
verändern. <strong>Evonik</strong> als Rohstoffproduzent gewährleistet die<br />
gleichbleibende Qualität der eingesetzten Rohstoffe, der Produktionsprozesse<br />
und der PEEK-Polymere mit zertifizierten und<br />
validierten Arbeitsabläufen und einem leistungsfähigen Qualitätssicherungssystem.<br />
Diese zum Teil vertraulichen Informationen wurden außerdem<br />
in einem Device Master File bei der Food and Drug Administration<br />
(FDA) in den USA hinterlegt. Das erleichtert den Kunden<br />
die Registrierung eines neuen Implanatats: Beantragt ein<br />
Medizinproduktehersteller die Registrierung in den USA, kann<br />
die FDA direkt in der jeweiligen Dokumentation alle relevanten<br />
Informationen über den eingesetzten Rohstoff recherchieren.<br />
<strong>Evonik</strong> bietet darüber hinaus anwendungstechnische Beratung<br />
bei der Fertigung der Implantate, die wegen der meist geringen<br />
Stückzahlen überwiegend spanend aus Halbzeugen und<br />
nur bei größeren Volumina im Spritzgießverfahren hergestellt<br />
werden. Basis der Beratung sind umfangreiches Know-how in<br />
allen gängigen Verarbeitungstechniken, ein eigens für die<br />
Medizintechnik geschultes Team und externe medizinische<br />
Berater, die für die notwendige Augenhöhe gegenüber dem<br />
Kunden sorgen. Dahinter steckt nicht nur ein umfassender Servicegedanke,<br />
sondern auch Eigennutz: Da die Lebenserwartung<br />
kontinuierlich steigt, nimmt auch das Risiko von Wirbelsäulenerkrankungen<br />
zu – und damit auch die Wahrscheinlichkeit,<br />
selbst ein Implantat zu benötigen. 777
Bleifrei – auch auf dem Dach<br />
Bislang galt Blei in der Bauwirtschaft als unverzichtbares<br />
Isolationsmaterial im Dach bereich.<br />
Nun haben <strong>Evonik</strong> <strong>Industries</strong>, Bitufa<br />
Water proofing B.V., Wapenveld (Niederlande),<br />
und Ubbink B.V., Doesburg<br />
(Niederlande), eine Produktinnovation mit<br />
bestechenden Vorteilen zur Marktreife geführt.<br />
Das unter dem Handelsnamen<br />
“Ubiflex“ in Fachge schäften erhältliche<br />
Produkt ist 100 Prozent bleifrei und stellt eine<br />
umwelt- und gesundheitsverträgliche Alternative<br />
in der Bautenisolierung dar. „Ubiflex<br />
kann universell für alle traditionellen Blei anwen<br />
dungen eingesetzt werden“, erklärt Roeland<br />
van Delden, CEO von Bitufa.<br />
Gemeinsam mit Technikern von <strong>Evonik</strong><br />
<strong>Industries</strong> wurde an der Rezeptur für eine<br />
entsprechende Bitumen-Modifikation getüftelt.<br />
Die Grundlage von Ubiflex bildet letztendlich<br />
eine mit dem <strong>Evonik</strong>-Produkt<br />
VESTOPLAST® modifizierte Bitumenbahn,<br />
die mit einem dehnbaren Aluminiumträger<br />
kombiniert wird. Ubiflex eignet sich insbesondere<br />
für die Klassiker auf dem Dach, die<br />
sogenannten Bleischürzen, die Dachdecker<br />
als wasserdichte Abschlüsse beispielsweise<br />
an Kaminen, Gauben oder Dachflächenfenstern,<br />
aber auch bei Balkonen oder Solaranlagen<br />
einbauen. Wie gewohnt kann man<br />
das Material schneiden, formen, hämmern<br />
und kleben.<br />
Impressum<br />
herausgeber<br />
<strong>Evonik</strong> Degussa GmbH<br />
Innovation Management<br />
Chemicals & Creavis<br />
Rellinghauser Straße 1–11<br />
45128 Essen<br />
Ubiflex: flexibel und<br />
einfach zu handhaben<br />
Wissenschaftlicher beirat<br />
Dr. Norbert Finke<br />
<strong>Evonik</strong> Degussa GmbH<br />
Innovation Management<br />
Chemicals & Creavis<br />
norbert.finke@evonik.com<br />
„Die Vorteile, die der Austausch des giftigen<br />
Schwermetalls Blei mit sich bringt, sind weitreichend“,<br />
erklärt Marlies Vey, Anwendungstechnikerin<br />
bei <strong>Evonik</strong>: Die Umwelt<br />
wird bei der Herstellung wesentlich weniger<br />
belastet, das Gesundheitsrisiko durch Ein atmen<br />
bei der Verarbeitung ist gleich Null, notwendige<br />
Sicherheitsvorkehrungen können<br />
entfallen. Die körperlichen Belastungen von<br />
Handwerkern durch die um 70 Prozent leichteren<br />
Rollen verringern sich enorm. Außerdem<br />
können nun sogar Bahnen von bis zu<br />
zwölf Metern Länge genutzt werden. Das<br />
spart Zeit und Geld.<br />
Das Material verzeiht auch kleine Beschädigungen<br />
beispielsweise durch Nägel, da es<br />
sich durch die elastischen Eigenschaften<br />
automatisch selbst dicht zieht. Ein wertvoller<br />
Nebeneffekt der Bleifreiheit: Aluminium,<br />
Zink und Kupfer in Regenwasserab führ syste<br />
men werden nicht mehr angegriffen, wo-<br />
redaktion<br />
Dr. Karin Aßmann<br />
(verantwortlich)<br />
<strong>Evonik</strong> Services GmbH<br />
Konzernredaktion<br />
karin.assmann@evonik.com<br />
redaktionelle mitarbeiter<br />
Dr. Angelika Fallert-Müller<br />
Christa Friedl<br />
Michael Vogel<br />
fotos<br />
<strong>Evonik</strong> <strong>Industries</strong><br />
Karsten Bootmann<br />
Frank Preuß<br />
Markus Schmidt<br />
Stefan Wildhirt<br />
L.-L. Grandadam –<br />
Getty Images (S.14/15)<br />
Tom Grill – Getty Images (S.18)<br />
Idris Kolodziej (S.29)<br />
Sebastian Kaulitzki – Fotolia (S.30)<br />
gestaltung<br />
Michael Stahl, München<br />
druck<br />
Laupenmühlen Druck<br />
GmbH & Co.KG, Bochum<br />
Nachdruck nur mit<br />
Genehmigung der Redaktion<br />
nEWS 35<br />
durch die Konstruktionen länger halten. Der<br />
eingebaute Baustoff ist beständig gegen<br />
Kor rosion, UV-Belastung, große Temperaturschwankungen<br />
von –30 bis +90 Grad Celsius<br />
und starke Windlasten. Analog der Lebensdauer<br />
gewährt der Hersteller eine Garantie<br />
von bis zu 25 Jahren.<br />
Im Vergleich mit traditionellen Blei schürzen<br />
lässt sich das Altmaterial auch problemlos<br />
durch thermische Prozesse trennen und<br />
wiederverwerten. Neben Umwelt- und<br />
Ge sund heitsvorteilen bietet Ubiflex dem<br />
Gebäu deeigentümer noch einen weiteren<br />
großen Vorteil: Da Ubiflex im Gegensatz zu<br />
Blei keinen hohen Schrottwert hat, ist<br />
Dieb stahl kein Thema mehr. Verkauf und<br />
Marke ting für die Bleialternative Ubiflex sind<br />
in den Händen der Ubbink Group, dem<br />
weltweiten Lie feranten energiesparender,<br />
nachhaltiger Systeme und Lösungen für die<br />
Bau- und Instal lationsindustrie.<br />
<strong>elements34</strong> Ausgabe 1|2011
Gut, dass<br />
unsere Ideen<br />
nicht ins<br />
Gewicht fallen.<br />
Dort, wo auf Leichtbauweise gesetzt wird, um Energie zu sparen, hat<br />
<strong>Evonik</strong> eine außergewöhnliche Produktidee entwickelt: Rohacell®.<br />
Der Hartschaumstoff aus Polymethacrylimid wird im Flugzeugbau eingesetzt,<br />
einem Bereich, in dem das Material extrem belastbar und zugleich<br />
besonders leicht sein muss. Rohacell® ist nur ein Beispiel für die vielen<br />
Innovationen, die <strong>Evonik</strong> zur kreativen Kraft in der Spezialchemie machen.<br />
An weltweit mehr als 35 Forschungs- und Entwicklungsstandorten<br />
entwickeln wir normbrechende Lösungen. Mit unseren Ideen begeistern<br />
wir Kunden in so unterschiedlichen Märkten wie Automotive, Coatings,<br />
Cosmetics, Plastics und Pharma. Überzeugen Sie sich selbst:<br />
www.evonik.de