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Eine Schule für alle? Sonderpädagogische Förderung und verhaltensauffällige SchülerInnen im dänischen Schulsystem. Schriftliche Hausarbeit im Rahmen der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt für Sonderpädagogik, dem Staatlichen Prüfungsamt für Erste Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen in Köln vorgelegt von: Jessica Uebelin Köln, 19.02.2001 Prof. Dr. Januszewski Seminar für Erziehungsschwierigenpädagogik

<strong>Eine</strong> <strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>?<br />

Son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung<br />

und verhaltensauffällige<br />

SchülerInnen im dänischen<br />

Schulsystem.<br />

Schriftliche Hausarbeit im Rahmen <strong>de</strong>r Ersten Staatsprüfung <strong>für</strong><br />

das Lehramt <strong>für</strong> Son<strong>de</strong>rpädagogik, <strong>de</strong>m Staatlichen Prüfungsamt<br />

<strong>für</strong> Erste Staatsprüfungen <strong>für</strong> Lehrämter an <strong>Schule</strong>n in Köln<br />

vorgelegt von:<br />

Jessica Uebelin<br />

Köln, 19.02.2001<br />

Prof. Dr. Januszewski<br />

Seminar <strong>für</strong> Erziehungsschwierigenpädagogik


Einleitung........................................................................... 1<br />

1. Lebenswelt Dänemark ............................................... 4<br />

2.Das dänische Schulsystem ........................................... 15<br />

2.1 Zur Geschichte und Entwicklung <strong>de</strong>s dänischen Schulsystems..15<br />

2.2 Beschreibung <strong>de</strong>s dänischen Schulsystems.................................28<br />

2.3 Ziele und Prinzipien <strong>de</strong>r „folkeskole“.........................................38<br />

2.4 Resümee und aktuelle Diskussion...............................................42<br />

3. „Specialun<strong>de</strong>rvisning“ – son<strong>de</strong>rpädagogische<br />

För<strong>de</strong>rung im dänischen Schulsystem .......................... 45<br />

3.1 Zur geschichtlichen Entwicklung <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rpädagogik und <strong>de</strong>s<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ in Dänemark..................................................45<br />

3.2 Vom „specialcenter“ bis zur „efterskole“ – son<strong>de</strong>rpädagogische<br />

För<strong>de</strong>rung und „specialun<strong>de</strong>rvisning“ heute.....................................58<br />

3.2.1 Was ist „specialun<strong>de</strong>rvisning“? – Gesetze und Definitionen 59<br />

3.2.2 Ziele und Prinzipien <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ ................... 62<br />

3.2.3 Welche SchülerInnen erhalten „specialun<strong>de</strong>rvisning“? ........ 63<br />

3.2.4 In welchen Formen wird „specialun<strong>de</strong>rvisning“ erteilt und<br />

wer ist an <strong>de</strong>ssen Umsetzung beteiligt?.......................................... 66<br />

3.2.5 Vom kleinsten bis zum größten Eingriff............................... 75<br />

3.2.6 Son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung an <strong>de</strong>r „efterskole“............. 76<br />

3.3 Resümee und aktuelle Diskussion...............................................78<br />

4. Verhaltensauffällige SchülerInnen im dänischen<br />

Schulsystem...................................................................... 81<br />

4.1 Begriffsbestimmung: verhaltensauffällige Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche in<br />

Dänemark ..........................................................................................81<br />

4.2 Zur geschichtlichen Entwicklung <strong>de</strong>s Unterrichts<br />

verhaltensauffälliger SchülerInnen in Dänemark..............................84<br />

4.3 Organisationsformen, Prinzipien und Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Unterrichts mit<br />

verhaltensauffälligen SchülerInnen...................................................90<br />

4.3.1 Prinzipien und Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ .. 90<br />

4.3.2 Die verschie<strong>de</strong>nen Organisationsformen .............................. 93<br />

4.4 Resümee und aktuelle Diskussion...............................................97<br />

5. Erfahrungsberichte von verschie<strong>de</strong>nen <strong>Schule</strong>n...... 99<br />

5.1 Das „specialcenter“ <strong>de</strong>r „Tjoerngaardsskolen“ ...........................99<br />

5.2 „Lille Tjoerngaard“ – zwei „specialklasser“ <strong>für</strong> verhaltensauffällige<br />

SchülerInnen....................................................................................101<br />

5.3 „Terrasserne“ – eine „observationsskole“.................................106<br />

5.4 „Skolen ved Kaeret“ – eine „specialskole“ <strong>für</strong> SchülerInnen mit<br />

„generellen Lernschwierigkeiten“...................................................109<br />

5.5 „Blykobbe Efterskole“ – eine „efterskole“ mit „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

.........................................................................................................112<br />

5.6 „Efterskole Dueod<strong>de</strong>“ – eine „efterskole“ <strong>für</strong> „sent udvikle<strong>de</strong> unge“<br />

.........................................................................................................116


6. Die „folkeskole“ – eine <strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>?.................. 121<br />

7. Schlussresümee.......................................................... 126<br />

Literaturverzeichnis...................................................... 131<br />

Glossar............................................................................ 136


Einleitung<br />

Seit einiger Zeit ist die Integration von Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen mit<br />

son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rbedarf in die Regelschule ein wichtiges Thema<br />

in <strong>de</strong>r Heilpädagogik. Dabei wird auch oft geschaut, wie in an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn<br />

mit <strong>de</strong>r Integration dieser Kin<strong>de</strong>r und Jugendlichen umgegangen wird. Im<br />

Zuge <strong>de</strong>r europäischen Union wird in diesem Bereich verstärkt mit an<strong>de</strong>ren<br />

Län<strong>de</strong>rn kooperiert, was nicht nur an <strong>de</strong>r Salmanca- Konferenz im Jahre<br />

1996 zu erkennen ist.<br />

Die skandinavischen Län<strong>de</strong>r galten bei <strong>de</strong>r Integration behin<strong>de</strong>rter Kin<strong>de</strong>r<br />

und Jugendlicher lange Zeit als Vorbild, da sie in einem gut ausgebauten<br />

Wohlfahrtsstaat mit kleinen übersichtlichen <strong>Schule</strong>n schon früh mit <strong>de</strong>r<br />

Integration begannen.<br />

Da ich, seit ich drei Jahre alt bin, regelmäßig im Urlaub nach Dänemark<br />

fahre, habe ich eine beson<strong>de</strong>re Beziehung zu diesem Land und habe mich<br />

dort immer sehr wohl gefühlt. Im Laufe meines Studiums entstand<br />

<strong>de</strong>swegen die I<strong>de</strong>e, mich mit <strong>de</strong>r son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung in<br />

Dänemark auseinan<strong>de</strong>rzusetzen.<br />

Meine Vorstellungen waren damals, dass es in Dänemark kaum noch<br />

Son<strong>de</strong>rschulen gibt und die son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung in <strong>de</strong>r<br />

Hauptsache an <strong>de</strong>r Regelschule stattfin<strong>de</strong>t.<br />

Um mehr über das dänische Schulsystem zu erfahren, habe ich neun<br />

Monate, vom August 1999 bis zum Mai 2000 an <strong>de</strong>r Universität<br />

Kopenhagen am Institut <strong>für</strong> Pädagogik, Philosophie und Rhetorik studiert.<br />

In dieser Zeit habe ich mich mittels Literaturrecherche und <strong>de</strong>m Besuch von<br />

verschie<strong>de</strong>nen <strong>Schule</strong>n mit <strong>de</strong>r dänischen Gesellschaft, <strong>de</strong>m dänischen<br />

1


Schulsystem und <strong>de</strong>m „specialun<strong>de</strong>rvisning (Spezialunterricht)“, <strong>de</strong>r<br />

dänischen son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung, beschäftigt. Diese<br />

Examensarbeit basiert daher v.a. auf <strong>de</strong>n Erkenntnissen, die ich durch diesen<br />

Aufenthalt in Kopenhagen gewonnen habe.<br />

Da das Schulsystem eines Lan<strong>de</strong>s immer mit <strong>de</strong>ssen spezieller Kultur und<br />

Gegebenheiten verbun<strong>de</strong>n ist, wird in dieser Arbeit zunächst durch das<br />

Kapitel „Lebenswelt Dänemark“ ein kurzer Einblick in die Geschichte, die<br />

Geographie und die Gesellschaftsstruktur Dänemarks gegeben. Danach wird<br />

das dänische Schulsystem im allgemeinen mit seiner historischen<br />

Entwicklung und seinen Zielen und Prinzipien dargestellt, welches eine<br />

Grundlage <strong>für</strong> die son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung ist.<br />

In <strong>de</strong>m Kapitel „„Specialun<strong>de</strong>rvisning“- son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung im<br />

dänischen Schulsystem“ wird dann die gesamte Bandbreite <strong>de</strong>r<br />

son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung in Dänemark erläutert. Im Anschluss daran<br />

wird noch speziell die son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung verhaltensauffälliger<br />

SchülerInnen geschil<strong>de</strong>rt. Um einen Einblick in die Praxis <strong>de</strong>r<br />

sondrpädagogischen För<strong>de</strong>rung in Dänemark zu geben, wer<strong>de</strong>n dann die<br />

<strong>Schule</strong>n beschrieben, die ich während meines Aufenthalts in Dänemark<br />

besucht habe.<br />

Anschließend wird die Frage diskutiert, ob die dänische „folkeskole<br />

(Volksschule)“, die neunjährige Einheitsschule, ihrem selbstgesetztem<br />

Anspruch, eine „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ zu sein, gerecht wird. Im Schlussresümee<br />

wer<strong>de</strong>n dann die Ergebnisse <strong>de</strong>r Arbeit zusammengefaßt.<br />

Da sich viele wichtige Begriffe nur unzureichend ins Deutsche übersetzen<br />

lassen, wird mit <strong>de</strong>n meisten Begriffen so verfahren, dass sie, wenn sie das<br />

erste Mal erwähnt wer<strong>de</strong>n, kurz, z.T. einfach nur wörtlich, übersetzt und<br />

anschließend erläutert wer<strong>de</strong>n und dann im weiteren <strong>de</strong>r dänische Begriff<br />

verwen<strong>de</strong>t wird. Zusätzlich dazu befin<strong>de</strong>t sich am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Arbeit ein<br />

2


Glossar, in <strong>de</strong>m <strong>alle</strong> dänischen Begriffe, die verwen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n, samt<br />

Übersetzung aufgelistet sind. Einige dieser Begriffe tauchen aufgrund <strong>de</strong>s<br />

Zusammenhangs, z.B. Verwendung <strong>de</strong>r Mehrzahlform, in leicht verän<strong>de</strong>rter<br />

Version auf. Dazu sei gesagt, das im Dänischen die Mehrzahl durch ein „r“<br />

am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Wortes gebil<strong>de</strong>t wird, aus „skole (<strong>Schule</strong>)“ wird also „skoler“.<br />

Außer<strong>de</strong>m wird <strong>de</strong>r bestimmte Artikel an das Wort hinten dran gehängt, so<br />

wird aus „en skole (eine <strong>Schule</strong>)“ „skolen (die <strong>Schule</strong>)“, o<strong>de</strong>r aus „et hus<br />

(ein Haus)“ „huset (das Haus)“.<br />

Um die Zitate aus <strong>de</strong>n englischen Texten so wenig wie möglich zu<br />

verfälschen, habe ich diese in <strong>de</strong>r englischen Sprache belassen. Die dänische<br />

Zitate habe ich nach bestem Wissen und Gewissen selber ins Deutsche<br />

übersetzt.<br />

Zu einigen <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Arbeit verwen<strong>de</strong>ten Informationen kann ich lei<strong>de</strong>r<br />

keine Quellenangaben machen, da ich sie während meines Aufenthalts in<br />

Dänemark irgendwo gehört o<strong>de</strong>r gelesen habe. Dies gilt v.a. <strong>für</strong> die<br />

Informationen in <strong>de</strong>m Kapitel „Lebenswelt Dänemark“. Der Großteil <strong>de</strong>r<br />

dort verwen<strong>de</strong>ten Informationen stammt aus meinen Mitschriften aus zwei<br />

Kursen, die ich an <strong>de</strong>r Universität Kopenhagen belegt habe, einem Kurs<br />

über das politische System Dänemarks und einem Kurs über dänische<br />

Kultur und Geschichte, die speziell <strong>für</strong> Austauschstudieren<strong>de</strong> konzipiert<br />

waren.<br />

3


1. Lebenswelt Dänemark<br />

Als ich im August 1999 <strong>für</strong> neun Monate nach Kopenhagen zog, war ich,<br />

wie auch schon in <strong>de</strong>r Einleitung erwähnt, schon mehrmals im Urlaub in<br />

Kopenhagen gewesen. Durch die Urlaube und das, was ich durch die<br />

Medien und Bücher über Dänemark wusste, hatte ich ein sehr positives Bild<br />

von Dänemark.<br />

Die DänInnen erschienen mir offene, freundliche, tolerante und nette Leute<br />

zu sein. Abgesehen davon schienen sie ihren eigenen Kopf zu haben, was<br />

beispielsweise bei <strong>de</strong>r Ablehnung <strong>de</strong>s EU- Maastricht-Abkommens <strong>de</strong>utlich<br />

wur<strong>de</strong>, was mir damals als sehr sympathisch erschien. Auch <strong>de</strong>r Staat als<br />

solches schien mir einem „I<strong>de</strong>al“ recht nah zu kommen, er hatte <strong>de</strong>n<br />

Anschein eines liberalen Staates, welcher <strong>de</strong>n Bürgern viele Freiheiten ließ,<br />

aber trotz<strong>de</strong>m über einen gut ausgebauten Sozialstaat die Bevölkerung<br />

absicherte.<br />

<strong>Eine</strong>s <strong>de</strong>r ersten Dinge, welche ich neben <strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong>ngängen in<br />

Kopenhagen erledigte, war die Beschaffung eines Telefons. Da ich zur<br />

Untermiete bei einer Familie wohnte, konnte ich <strong>de</strong>ren Telefonanschluss<br />

nicht benutzen und hatte mich daher entschlossen, ein Mobiltelefon mit<br />

Festvertrag zu erstehen. Um <strong>de</strong>n Vertrag abzuschließen, musste ich natürlich<br />

meine Adresse angeben. Als ich dann <strong>de</strong>n isländischen Namen meiner aus<br />

Island stammen<strong>de</strong>n, aber in Dänemark aufgewachsenen, Vermieterin angab,<br />

bat mich <strong>de</strong>r Verkäufer, diesen Namen zu buchstabieren und fügte hinzu:<br />

„Diese isländischen Namen, die sind total schwierig zu schreiben. Wenn die<br />

hier schon leben, dann können die sich auch einen dänischen Namen<br />

zulegen!“.<br />

4


Diese Aussage passte natürlich überhaupt nicht in mein so positives Bild <strong>de</strong>r<br />

toleranten DänInnen und ich war ziemlich geschockt. Während <strong>de</strong>r<br />

darauffolgen<strong>de</strong>n Monate habe ich Dänemark, durch das alltäglich Erleben<br />

und durch die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>r dänischen Geschichte und <strong>de</strong>m<br />

dänischen System, von verschie<strong>de</strong>nen Seiten kennen gelernt. Dabei musste<br />

ich auch feststellen, wie schwierig es ist herauszufin<strong>de</strong>n, was eine<br />

Gesellschaft und ein Land ausmacht. Die vielen Eindrücke und<br />

Informationen die ich während meines Aufenthalts in Kopenhagen<br />

gesammelt habe, waren zum Teil wi<strong>de</strong>rsprüchlich und schwer einzuordnen.<br />

Mein daraus entstan<strong>de</strong>nes sehr subjektives Bild von Dänemark möchte ich<br />

in diesem Kapitel darstellen.<br />

Dänemark ist ca. 43.000 qkm groß und besteht aus <strong>de</strong>r Halbinsel Jütland,<br />

welche sich im Nor<strong>de</strong>n Deutschlands an Schleswig-Holstein anschließt, und<br />

ca. 400 Inseln, von <strong>de</strong>nen ungefähr 100 bewohnt sind. Die größten Inseln<br />

sind Seeland, Fünen, Lolland und Falster. Aufgrund <strong>de</strong>r vielen Inseln ist die<br />

Küstenlinie Dänemarks ca. 7000 km lang. Dänemark hat ca. 5,2 Millionen<br />

Einwohner, woraus sich eine Bevölkerungsdichte von 121 Einwohnern pro<br />

Quadratkilometer ergibt. Die Hauptstadt Kopenhagen befin<strong>de</strong>t sich auf<br />

Seeland und hat ca. 500.000 Einwohner, <strong>alle</strong>rdings wohnen in <strong>de</strong>m<br />

Großraum Kopenhagen 1,5 Millionen Menschen, was ungefähr ein Viertel<br />

<strong>de</strong>r Gesamtbevölkerung Dänemarks ausmacht. Administrativ ist Dänemark<br />

in 14 „amter“ (Bezirke) und 269 „kommuner“ (Gemein<strong>de</strong>n) aufgeteilt,<br />

wobei die „kommuner“ Kopenhagen und Fre<strong>de</strong>riksberg aufgrund ihrer<br />

Größe, Lage und Geschichte einen Son<strong>de</strong>rstatus innehaben und gleichzeitig<br />

„amter“ sind. 1<br />

1 vgl.: Niels Egelund,, Country Briefing –Special Education in Denmark. Kopenhagen 1996<br />

5


Nordrhein-Westfalen hat im Vergleich dazu, bei einer Fläche von ca. 34.000<br />

qkm, ca. 18 Millionen Einwohner, woraus sich eine Bevölkerungsdichte von<br />

523 Einwohnern pro Quadratkilometer ergibt. 2<br />

Es war mir lange nicht bewusst, welchen Unterschied diese<br />

Größenverhältnisse ausmachen. Als dann <strong>alle</strong>rdings in <strong>de</strong>m Stadtteil<br />

Kopenhagens, in <strong>de</strong>m ich wohnte, eine zweistündige Straßenschlacht<br />

stattfand und ich mich über das meines Erachtens viel zu große Medienecho<br />

wun<strong>de</strong>rte, wur<strong>de</strong> mir bewusst, was es be<strong>de</strong>utet, in einem Land mit nur 5,2<br />

Millionen Einwohnern zu wohnen. Für eine so kleine Gesellschaft hatte<br />

diese Straßenschlacht eine größere Be<strong>de</strong>utung, als sie in einem Land mit 80<br />

Millionen Einwohnern gehabt hätte. In einem kleinen Land kennt man sich<br />

untereinan<strong>de</strong>r und somit sind beispielsweise Politiker und Menschen, die in<br />

<strong>de</strong>r Verwaltung arbeiten, näher an <strong>de</strong>r Bevölkerung. Umgekehrt verspürt<br />

man auch als Bürger eine größere Nähe zu Politikern und <strong>de</strong>m Staat an sich.<br />

Dänemark ist jedoch nicht immer ein kleines Land gewesen. Ganz im<br />

Gegenteil, war doch Dänemark lange Zeit die Großmacht in Nor<strong>de</strong>uropa, zu<br />

<strong>de</strong>r Südschwe<strong>de</strong>n, Norwegen, Island, Färöer und Grönland gehörten.<br />

Im Jahre 1659 verlor Dänemark dann erst Südschwe<strong>de</strong>n. 1813 nach einer<br />

vernichten<strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rlage während <strong>de</strong>r napoleonischen Kriege gegen<br />

England ging Dänemark bankrott und verlor <strong>de</strong>swegen Norwegen. 1864<br />

musste nach <strong>de</strong>m Krieg mit Preußen Schleswig-Holstein abgetreten wer<strong>de</strong>n.<br />

Und obwohl Deutschland 1918 Teile dieses Gebietes wie<strong>de</strong>r an Dänemark<br />

zurückgeben musste, wird man auch heute noch manchmal als Deutscher<br />

mit <strong>de</strong>m Vorwurf konfrontiert, dass Deutschland schon damals die<br />

Souveränität <strong>de</strong>s dänischen Staates gefähr<strong>de</strong>te hätte. Nach <strong>de</strong>m zweiten<br />

Weltkrieg 1949 wur<strong>de</strong> dann Island zu einem unabhängigen Staat.<br />

Schließlich wur<strong>de</strong>n auch Grönland und die Färöer weitgehend autonom,<br />

2 vgl.: Lan<strong>de</strong>szentrale <strong>für</strong> politische Bildung (Hrsg.), Die Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r. 50 Jahre<br />

Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, Stuttgart 1999, S.66<br />

6


obwohl ihr Staatsoberhaupt weiterhin die dänische Königin ist und sie<br />

jeweils von einem Abgeordneten im „folketing“, <strong>de</strong>m dänischen Parlament,<br />

repräsentiert wer<strong>de</strong>n.<br />

Die ständige Verkleinerung <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s hatte zur Folge, dass seit <strong>de</strong>m 19.<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rt in Dänemark mehr Gewicht auf die Innen- als auf die<br />

Außenpolitik gelegt wur<strong>de</strong>.<br />

Bis ins Jahr 1848 wur<strong>de</strong> Dänemark absolutistisch regiert. In diesem Jahr<br />

kam es zu einer Revolution, <strong>de</strong>ren Ziel die Schaffung einer <strong>de</strong>mokratischen<br />

Verfassung war. Da <strong>de</strong>r damalige König ahnte, dass er gegen diese<br />

For<strong>de</strong>rungen nicht viel unternehmen konnte, gab er <strong>de</strong>n Revolutionären<br />

nach. So kam es 1849 zu <strong>de</strong>r ersten Verfassung in Dänemark und <strong>de</strong>r<br />

Errichtung <strong>de</strong>s dänischen Parlaments, <strong>de</strong>s „folketing“. Der König blieb aber<br />

Oberhaupt <strong>de</strong>s Staates, <strong>de</strong>ssen politische Rechte aber im Laufe <strong>de</strong>r Jahre<br />

immer geringer wur<strong>de</strong>n. So muss die <strong>de</strong>rzeitige Königin Margarethe II. zwar<br />

<strong>alle</strong> Gesetze unterzeichnen, die das „folketing“ beschließt, hat aber keinen<br />

Einfluss auf <strong>de</strong>ren Inhalt.<br />

Zu Anfang <strong>de</strong>r siebziger Jahre <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts entstan<strong>de</strong>n dann drei <strong>de</strong>r<br />

wichtigsten Parteien Dänemarks, „Venstre (Links)“, „Konservative<br />

Folkeparti (Konservative Volkspartei)“ und „Social<strong>de</strong>mokratiet“.<br />

„Venstre“ ist eine Partei, die ursprünglich von Bauern gegrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>, die<br />

sich in dieser Zeit als politisch progressive, liberale Bewegung etabliert<br />

hatten. Der große Einfluss <strong>de</strong>r Bauern ist darauf zurückzuführen, dass die<br />

Industrialisierung in Dänemark erst recht spät begann und ein Großteil <strong>de</strong>r<br />

dänischen Bevölkerung noch bis in die fünfziger Jahre <strong>de</strong>s letzten<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rts von <strong>de</strong>r Landwirtschaft o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Fischerei lebte. Der Name<br />

„Venstre“ kommt daher, dass diese Partei anfangs politisch links, v.a. im<br />

Vergleich zu <strong>de</strong>n Konservativen, war. Sie entwickelte sich aber schnell zu<br />

einer rechtsliberalen Partei, was 1905 dazu führte dass sich <strong>de</strong>r linksliberale<br />

7


Teil <strong>de</strong>r Partei als „Radikale Venstre“ abspaltete. Die „Konservative<br />

Folkeparti“ und „Social<strong>de</strong>mokratiet“ sind, wie <strong>de</strong>r Name schon sagt die<br />

konservative und die sozial<strong>de</strong>mokratische Partei.<br />

Zusätzlich zu diesen Parteien gibt es momentan vier<br />

sozialistisch/kommunistische Parteien, „Kommunister“, „Venstre Socialister<br />

(Linke Sozialisten)“, „Enhedsliste (Einheitsliste)“, „Socialistisk Folkeparti<br />

(Sozialistische Volkspartei)“, die Parteien „Demokratisk Fornyelse<br />

(Demokratische Erneuerung)“, „Centrum Demokrater“, „Kristeligt<br />

Folkeparti (Christliche Volkspartei)“, welche sich in <strong>de</strong>r „politischen Mitte“<br />

zwischen „Venstre“ und „Radikale Venstre“ bewegen, sowie drei rechte<br />

Parteien, „Fremskridtsparti (Fortschrittspartei)“, „Dansk Folkeparti<br />

(Dänische Volkspartei)“ und „Frihed 2000 (Freiheit 2000)“.<br />

Auf Grund <strong>de</strong>r vielen Parteien kommt es in Dänemark oft zu<br />

Min<strong>de</strong>rheitenregierungen, die sich dann entwe<strong>de</strong>r um „Venstre“ o<strong>de</strong>r<br />

„Social<strong>de</strong>mokratiet“, <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n größten Parteien, bil<strong>de</strong>n.<br />

„Social<strong>de</strong>mokratiet“ koaliert dabei meist mit „Radikale Venstre“ und<br />

„Venstre“ mit „Konservative Folkeparti“. Zu diesen Bündnissen kommen<br />

manchmal noch an<strong>de</strong>re Parteien dazu. Die momentane Regierung besteht<br />

aus einer Koalition von „Social<strong>de</strong>mokratiet“ und „Radikale Venstre“. <strong>Eine</strong><br />

Folge <strong>de</strong>r häufigen Min<strong>de</strong>rheitenregierungen ist, dass die Regierungen auf<br />

wechseln<strong>de</strong> Mehrheiten angewiesen sind und <strong>de</strong>swegen viele Kompromisse<br />

schließen müssen.<br />

<strong>Eine</strong>s <strong>de</strong>r grundlegen<strong>de</strong>n Elemente <strong>de</strong>s dänischen Staates ist <strong>de</strong>r Sozialstaat,<br />

<strong>de</strong>ssen Anfänge am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts entstan<strong>de</strong>n. In dieser Zeit gab<br />

es die erste Armen- und Sozialgesetzgebung. Als dann zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Weltwirtschaftskrise 1929 erstmals „Social<strong>de</strong>mokratiet“ und „Radikale<br />

Venstre“ eine gemeinsame Regierung bil<strong>de</strong>ten, kam es zu umfassen<strong>de</strong>n<br />

sozialen Reformen. Diese Entwicklung wur<strong>de</strong> durch die <strong>de</strong>utsche Besetzung<br />

Dänemarks 1940 erstmal unterbrochen. Nach <strong>de</strong>m zweiten Weltkrieg<br />

8


entwickelte sich <strong>de</strong>r Sozialstaat rasch weiter und breitete sich in <strong>alle</strong><br />

Bereiche aus.<br />

Der dänische Sozialstaat beruht dabei auf <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s „humanen<br />

Kapitalismus“. Der Staat hat in diesem Mo<strong>de</strong>ll die Aufgabe, <strong>de</strong>n Wohlstand<br />

zu verteilen und <strong>für</strong> soziale Gleichheit, Gerechtigkeit und Absicherung zu<br />

sorgen. Die soziale Absicherung ist universal und wird nicht wie bei uns<br />

teilweise durch Versicherungen geregelt. Diese Absicherung gilt <strong>für</strong> <strong>alle</strong>, die<br />

in Dänemark wohnen. So war ich beispielsweise automatisch in Dänemark<br />

krankenversichert, da ich länger als drei Monate im Land gewohnt habe. Um<br />

<strong>alle</strong>rdings Sozialhilfe o<strong>de</strong>r Arbeitslosengeld zu bekommen, muss man in<br />

Dänemark gearbeitet haben. Die Ausgaben, die durch dieses System<br />

entstehen, wer<strong>de</strong>n durch hohe direkte und indirekte Steuern (wie z.B. einer<br />

Mehrwertsteuer von 25%) finanziert.<br />

Obwohl <strong>de</strong>r Sozialstaat in <strong>de</strong>n letzten zwanzig Jahren oft <strong>de</strong>r Kritik<br />

ausgesetzt war und es v.a. in <strong>de</strong>n achtziger Jahren unter <strong>de</strong>r konservativliberalen<br />

Koalition aus „Venstre“ und „Konsevative Folkeparti“ zu<br />

Einschnitten in <strong>de</strong>n Sozialstaat kam, ist <strong>de</strong>r Glaube an dieses System<br />

insgesamt noch recht weit verbreitet. Zwar beklagen sich die meisten Leute<br />

darüber, dass sie soviel an Steuern zahlen müssen, sobald jedoch jemand aus<br />

einem an<strong>de</strong>ren Land anmerkt, dass die Steuern in Dänemark zu hoch wären,<br />

wird <strong>de</strong>r dänische Sozialstaat verteidigt und erklärt, dass man <strong>für</strong> die tollen<br />

Leistungen <strong>de</strong>s Staates auch gerne soviel Steuern bezahlen wür<strong>de</strong>.<br />

Bei solchen Gelegenheiten kann man dann feststellen, dass ein Großteil <strong>de</strong>r<br />

Dänen sehr stolz auf ihr Land ist. Dabei sind viele <strong>de</strong>r Meinung, dass gera<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r dänische Sozialstaat mit seinen umfassen<strong>de</strong>n Leistungen ein<br />

herausragen<strong>de</strong>s System ist und bemerken nicht, dass es in an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn<br />

Systeme gibt, die vergleichbare Leistungen bringen. Diese Überzeugung,<br />

dass ihr Sozialsystem und auch an<strong>de</strong>re Gesetze, wie z.B. Umweltgesetze,<br />

9


am fortschrittlichsten und besten sind, ist auch ein Grund, warum viele<br />

Dänen <strong>de</strong>r Europäischen Union so ablehnend gegenüber stehen.<br />

In diesem Zusammenhang wird auch <strong>de</strong>utlich, dass das Vertrauen in <strong>de</strong>n<br />

Staat noch recht groß ist. Für dieses Vertrauen wer<strong>de</strong>n aber auch gewisse<br />

Gegenleistungen erwartet. So be<strong>de</strong>utet beispielsweise kostenlose Bildung,<br />

dass <strong>alle</strong> Lehrmittel an staatlichen <strong>Schule</strong>n vom Staat gezahlt wer<strong>de</strong>n und<br />

das <strong>alle</strong> Studieren<strong>de</strong>n innerhalb <strong>de</strong>r Regelstudienzeit monatlich 3500 DKK<br />

(ca. 950 DM) bekommen, die sie auch nicht zurückzahlen müssen.<br />

Ein Grund <strong>für</strong> das positive Verhältnis <strong>de</strong>r DänInnen zu ihrem Staat ist das<br />

Prinzip <strong>de</strong>r „Demokratie von unten“. Dies be<strong>de</strong>utet, dass politische<br />

Verän<strong>de</strong>rungen von einem Großteil <strong>de</strong>r Bevölkerung getragen wer<strong>de</strong>n, bzw.<br />

ihren Ursprung in ihr haben. Zu wichtigen Entscheidungen wer<strong>de</strong>n<br />

Volksabstimmungen durchgeführt. So wur<strong>de</strong> beispielsweise letztes Jahr im<br />

Sommer über die Einführung <strong>de</strong>s Euros abgestimmt. Auch in an<strong>de</strong>ren<br />

Bereichen, wie z.B. an <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong>, sind viele Möglichkeiten zur<br />

Mitbestimmung gegeben.<br />

Wie schon zuvor erwähnt ist <strong>de</strong>r Nationalstolz in Dänemark sehr verbreitet.<br />

Dies merkt man nicht nur daran, dass viele DänInnen ihr System <strong>für</strong> das<br />

Beste halten, son<strong>de</strong>rn auch daran, dass die dänische Flagge zu <strong>alle</strong>n<br />

Gelegenheiten gehißt und genutzt wird. Zum Geburtstag wer<strong>de</strong>n Kuchen<br />

und Brötchen mit kleinen Dänemarkfahnen geschmückt, ähnlich wie an<br />

Weihnachten <strong>de</strong>r Weihnachtsbaum. Viele Wochenendhäuser haben eine<br />

Fahnenstange, von <strong>de</strong>r auch recht häufig Gebrauch gemacht wird. Und nicht<br />

nur nach <strong>de</strong>m Erfolg bei Fußballspielen, son<strong>de</strong>rn auch nach <strong>de</strong>m Gewinn<br />

<strong>de</strong>s „Grand Prix Eurovisison <strong>de</strong> la Chanson“ im letzten Jahr tanzten einige<br />

DänInnen mit Fahnen auf <strong>de</strong>r Straße und feierten „ihren Sieg“.<br />

Während meiner Urlaube in Dänemark habe ich diesen Nationalstolz als<br />

positiv erlebt, da ich die Menschen als offen und freundlich gegenüber<br />

10


Frem<strong>de</strong>n, wie z.B. mir als Touristin, erlebte. Während meines Aufenthalts in<br />

Kopenhagen habe ich dann feststellen müssen, dass einige DänInnen eine<br />

ablehnen<strong>de</strong> Haltung gegenüber Deutschen haben. Diese Haltung hat<br />

sicherlich v.a. geschichtliche Grün<strong>de</strong> (<strong>de</strong>r Krieg 1864 und die <strong>de</strong>utsche<br />

Besatzung 1940), mir ist aber auch teilweise eine recht herablassen<strong>de</strong><br />

Haltung gegenüber Deutschen begegnet, die mit <strong>de</strong>n geschichtlichen<br />

Grün<strong>de</strong>n meines Erachtens wenig zu tun hat. Diese äußerte sich<br />

beispielsweise in Aussagen wie: „Deutsche sehen nicht beson<strong>de</strong>rs gut aus!“.<br />

Viel überraschter war ich <strong>alle</strong>rdings darüber, dass die DänInnen gar nicht so<br />

offene Leute sind, wie ich immer gedacht hatte. Ich habe sie im Gegenteil<br />

als verschlossene Menschen erlebt, an die man schwer herankommen kann.<br />

Mit jeman<strong>de</strong>n in einer Kneipe o<strong>de</strong>r auf einer Party ins Gespräch zu<br />

kommen, war nach ein paar Bier kein Problem. Ob einen <strong>de</strong>rjenige bei einer<br />

zufälligen Begegnung an <strong>de</strong>r Universität noch wie<strong>de</strong>rerkannte, war eine<br />

an<strong>de</strong>re Frage. Es hat auch bis kurz vor <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> meines Aufenthalts<br />

gedauert, bis sich die dänischen KommilitonInnen in meinem Seminar in<br />

<strong>de</strong>n Pausen mit mir unterhielten und mich fragten, was ich <strong>de</strong>nn genau<br />

studieren wür<strong>de</strong> und warum ich dies in Dänemark täte. An<strong>de</strong>re<br />

Austauschstudieren<strong>de</strong> machten ähnliche Erfahrungen. So erzählte mir ein<br />

italienischer Freund, dass er beson<strong>de</strong>rs in einem Kurs überhaupt keinen<br />

Kontakt zu seinen dänischen Mitstudieren<strong>de</strong>n bekommen wür<strong>de</strong> und er als<br />

einziger Austauschstudieren<strong>de</strong>r Außenseiter in <strong>de</strong>m Kurs wäre. Auf einer<br />

Party seines Fachbereiches fingen seine KommilitonInnen zu seinem<br />

Erstaunen an, sich mit ihm zu unterhalten. Nach dieser Party, im nüchternen<br />

Zustand, verhielten sie sich Ihm gegenüber aber wie<strong>de</strong>r genauso wie vorher.<br />

Viele DänenInnen sind sich dieser Verschlossenheit bewusst und geben zu,<br />

dass es schwierig ist, an sie heranzukommen. Woher dieses Problem kommt,<br />

ist mir immer noch schleierhaft, vor <strong>alle</strong>m da die DänInnen nach ein paar<br />

Bier direkt viel offener und redseliger wer<strong>de</strong>n. Auf mich wirkte diese<br />

Verschlossenheit oft wie eine Mischung aus Egozentrik und Schüchternheit.<br />

11


Die dänische Königin Margarethe II. macht <strong>für</strong> diese Eigenschaft, welche<br />

sie in einem Interview anlässlich ihres 60. Geburtstages im April letzten<br />

Jahres kritisierte, die Dorfmentalität <strong>de</strong>r DänInnen verantwortlich. „In einer<br />

Dorfgemeinschaft kann man zugleich zusammenkleben und einan<strong>de</strong>r doch<br />

<strong>de</strong>n Rücken zuwen<strong>de</strong>n“ 3 . In diesem Interview kritisierte sie auch zum<br />

wie<strong>de</strong>rholten Male die mangeln<strong>de</strong> Toleranz <strong>de</strong>r DänInnen Einwan<strong>de</strong>rern<br />

gegenüber. „Den Dänen ist wohl auch klar gewor<strong>de</strong>n, dass Toleranz nicht<br />

mehr so leicht ist, wie zu <strong>de</strong>n Zeiten, als wir sie nicht brauchten.“ 4<br />

Das die DänInnen so große Schwierigkeiten damit haben, ihre ausländischen<br />

Mitbürger zu integrieren, hatte ich nicht erwartet. Aber Dänemark ist<br />

beispielsweise das Land in <strong>de</strong>r EU mit <strong>de</strong>n größten Schwierigkeiten,<br />

ausländische Arbeitnehmer in <strong>de</strong>n Arbeitsmarkt zu integrieren. Die<br />

Arbeitslosenquote bei ausländischen Arbeitnehmern ist sehr hoch. Zu <strong>de</strong>r<br />

Zeit, in <strong>de</strong>r ich in Dänemark war, lief aus diesem Grund eine Kampagne, um<br />

die dänische Bevölkerung über diesen Missstand aufzuklären. Mich<br />

erstaunten auch die Diskussionen, über die man in Zeitungen lesen konnte.<br />

So wur<strong>de</strong> in verschie<strong>de</strong>nen Zeitungen diskutiert, ob Frauen, die ein<br />

Kopftuch tragen, ihr Kopftuch während <strong>de</strong>r Arbeit in einem Supermarkt<br />

aufbehalten dürfen o<strong>de</strong>r nicht. Wie weit verbreitet Auslän<strong>de</strong>rfeindlichkeit<br />

verbreitet ist, sieht man nicht nur daran, dass die rechtspopulistische Partei<br />

„Dansk Folkeparti“ in Umfragen bis zu 15% <strong>de</strong>r Stimmen erhält, son<strong>de</strong>rn<br />

auch an Äußerungen an<strong>de</strong>rer PolitikerInnen. So sagte die Sozialministerin<br />

Karen Jespersen, dass <strong>alle</strong> kriminellen Einwan<strong>de</strong>rer am besten auf eine ö<strong>de</strong><br />

Insel ausgewiesen wer<strong>de</strong>n sollten.<br />

Die Dorfmentalität <strong>de</strong>r DänInnen hat aber auch ihre positiven Seiten. Ist<br />

man ein Teil <strong>de</strong>r „Dorfgemeinschaft“, ist man sich sehr nah. Diese Seite <strong>de</strong>r<br />

3<br />

Zitat: Königin Margarethe II. In: Thomas Borchert, Königin: Dänen haben Dorfmentalität.<br />

WAZ, 10.4.2000<br />

4<br />

Zitat: wie 3<br />

12


Dorfmentalität kann man auch daran erkennen, dass es die DänInnen gerne<br />

„hyggelig“ haben. Das Wort „hyggelig“ kann man am ehesten mit<br />

„gemütlich“ übersetzen, damit erfasst man <strong>alle</strong>rdings nicht die ganze<br />

Be<strong>de</strong>utung dieses Wortes. Mit „hyggelig“ wer<strong>de</strong>n die Situationen<br />

beschrieben, in <strong>de</strong>nen es einem gut geht, v.a. wenn man mit an<strong>de</strong>ren<br />

zusammenkommt. Hat man mit Freun<strong>de</strong>n zusammengesessen, sich<br />

unterhalten und dabei vielleicht was getrunken, so bedankt man sich am<br />

En<strong>de</strong> und sagt: „Det var hyggeligt!“. Im Deutschen wür<strong>de</strong> man in so einer<br />

Situation eher sagen: „Das war nett!“. Zu <strong>de</strong>m Wort „hyggelig“ gibt es<br />

außer<strong>de</strong>m ein Verb „hygge“, was sich auch nur unzureichend mit „sich<br />

gemütlichen machen“ übersetzt wer<strong>de</strong>n kann. Ich empfin<strong>de</strong> die von <strong>de</strong>m<br />

Verb „hygge“ beschriebene Handlung als aktiver und länger als das, was ich<br />

unter „es sich gemütlich machen“ verstehe, und auch das<br />

Be<strong>de</strong>utungsspektrum dieses Wortes ist größer und kann in bestimmten<br />

Zusammenhängen beispielsweise auch „schmusen“ be<strong>de</strong>uten. „Hygge“ ist<br />

dabei nicht nur das Verb, son<strong>de</strong>rn auch das Substantiv zu <strong>de</strong>m Wort<br />

„hyggelig“.<br />

„Hygge“ und „hyggelig“ ist ein wichtiger Bestandteil <strong>de</strong>r dänischen<br />

Gesellschaft, und was man auch an <strong>de</strong>m fast schon inflationären Gebrauch<br />

dieser Wörter sehen kann. Interessanterweise halten viele DänInnen „hygge“<br />

<strong>für</strong> etwas urdänisches, was man nicht in an<strong>de</strong>re Sprachen übersetzen kann<br />

und was man <strong>de</strong>swegen auch nicht in seiner Ganzheit begreifen kann, wenn<br />

man nicht aus Dänemark kommt. <strong>Eine</strong>rseits zeigt sich hier meines Erachtens<br />

wie<strong>de</strong>r die Dorfgemeinschaft, die zusammenhängt und dabei an<strong>de</strong>ren <strong>de</strong>n<br />

Rücken zukehrt. An<strong>de</strong>rerseits verbin<strong>de</strong> auch ich mit <strong>de</strong>m dänischen<br />

„hyggelig“ etwas Beson<strong>de</strong>res, nämlich eine Lebenseinstellung, bei <strong>de</strong>r man<br />

sich nicht ständig an bestimmte Konventionen und Regeln halten muss.<br />

„Hyggelig“ be<strong>de</strong>utet <strong>für</strong> mich, dass sich fast <strong>alle</strong> direkt duzen und mit <strong>de</strong>m<br />

Vornamen ansprechen, dass <strong>de</strong>r Lehrer meines Dänischkurses ab und zu ein<br />

Bier während <strong>de</strong>s Unterrichts trank, dass ich auf eine Anfrage um<br />

Informationen einen Brief aus <strong>de</strong>m Unterrichtsministerium bekam <strong>de</strong>r mit<br />

13


„Kaere Jessica (Liebe Jessica)“ begann, dass Kin<strong>de</strong>r überall<br />

mithingenommen wer<strong>de</strong>n können und vieles mehr. Ich habe dies als sehr<br />

positiv empfun<strong>de</strong>n und mich in Dänemark, trotz <strong>de</strong>r Verschlossenheit vieler<br />

Leute, immer sehr wohl gefühlt.<br />

<strong>Eine</strong> weitere Sache die ich als sehr positiv empfun<strong>de</strong>n habe, ist die Stellung<br />

<strong>de</strong>r Frau in <strong>de</strong>r dänischen Gesellschaft. Die überwiegen<strong>de</strong> Mehrheit <strong>de</strong>r<br />

Däninnen ist berufstätig, was u.a. dadurch ermöglicht wird, dass es<br />

zahlreiche Kin<strong>de</strong>rkrippen gibt, in <strong>de</strong>nen Kin<strong>de</strong>r ab sechs Monate betreut<br />

wer<strong>de</strong>n. Dies be<strong>de</strong>utet auch, dass ein Großteil <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r an Institutionen<br />

gewöhnt sind, wenn sie in die <strong>Schule</strong> kommen. Außer<strong>de</strong>m habe ich in<br />

Dänemark <strong>de</strong>utlich mehr Väter Kin<strong>de</strong>rwagen schiebend auf <strong>de</strong>r Straße<br />

gesehen als in Deutschland. Die Frauen auf <strong>de</strong>n Straßen wirken sehr<br />

selbstbewusst und selbstsicher. Dies <strong>alle</strong>s weist darauf hin, dass die<br />

Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau weit fortgeschritten ist.<br />

Ich habe mich während meines Aufenthalts in Dänemark oft über die<br />

DänInnen geärgert, über ihre Verschlossenheit, ihren Rassismus und ihre<br />

Überzeugung, sie hätten die fortschrittlichsten Gesetze. Trotz<strong>de</strong>m sind sie<br />

mir in dieser Zeit sehr ans Herz gewachsen und ich plane bereits meinen<br />

nächsten längeren Dänemarkaufenthalt. Deswegen möchte ich dieses<br />

Kapitel mit <strong>de</strong>m Satz schließen, mit <strong>de</strong>m die Königin je<strong>de</strong>s Jahr ihre<br />

Neujahrsansprache been<strong>de</strong>t.<br />

GUD BEVAR DANMARK. (Gott bewahre Dänemark.)<br />

14


2.Das dänische Schulsystem<br />

2.1 Zur Geschichte und Entwicklung <strong>de</strong>s dänischen<br />

Schulsystems<br />

Die ersten Schulgesetze in Dänemark entstan<strong>de</strong>n schon im 18. Jahrhun<strong>de</strong>rt.<br />

1708 wur<strong>de</strong> im „Bedürftigengesetz“ <strong>de</strong>r Bedarf <strong>für</strong> <strong>Schule</strong>n auf <strong>de</strong>m Land<br />

festgestellt, woraufhin ca. 240 „rytterskoler (Reiterschulen)“ im ganzen<br />

Land entstan<strong>de</strong>n. 5 Religionsunterricht war in diesen <strong>Schule</strong>n das Hauptfach,<br />

die Schüler konnten aber freiwillig auch Lesen, Schreiben und Rechnen<br />

lernen. In diesem Fall mussten aber die Eltern die Unterrichtsmaterialien<br />

bezahlen, ansonsten war <strong>de</strong>r Unterricht kostenfrei. 6 Diese <strong>Schule</strong>n hießen<br />

übrigens „rytterskoler“, weil Dänemark damals in zwölf „rytter“- Bezirke<br />

eingeteilt war.<br />

Abgesehen von diesen <strong>Schule</strong>n existierten, vor <strong>alle</strong>m in <strong>de</strong>n Städten,<br />

kirchliche „latinskoler (Lateinschulen)“, <strong>de</strong>ren Ursprünge bis ins 13.<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rt zurückgehen, bürgerliche „danske skoler eller skriveskoler<br />

(dänische <strong>Schule</strong>n o<strong>de</strong>r Schreibschulen)“ 7 und „fattigskoler<br />

(Armenschulen)“ welche stark von <strong>de</strong>n <strong>Schule</strong>n <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen, pietistischen<br />

Professor und Geistlichen A.H. Francke inspiriert waren. 8<br />

1736 wur<strong>de</strong> die Konfirmation in Dänemark eingeführt, was <strong>für</strong> die<br />

Entwicklung <strong>de</strong>s Schulwesens insofern be<strong>de</strong>utsam ist, dass <strong>alle</strong><br />

Konfirman<strong>de</strong>n die Erklärungen von Luthers Katechismus lesen können<br />

5<br />

vgl.: Danmark. Uddannelse. in Den Store Danske Encyclopaedi, Bd. 4. Gyl<strong>de</strong>ndal.<br />

Kopenhagen 1996, S. 487<br />

6<br />

vgl.: K. Grue-Soerensen und Thyge Winter-Jensen: Paedagogikkens Hvem Hvad Hvor.<br />

In: Den danske skoles udvikling. Politikens Forlag 1978, S. 63<br />

7<br />

vgl.: wie 6, S. 59<br />

8<br />

vgl.: wie 6, S. 62<br />

15


mussten und war man nicht konfirmiert, konnte man we<strong>de</strong>r heiraten, noch<br />

Land und einen dazugehörigen Bauernhof erwerben. 9<br />

Im Jahre 1739 wur<strong>de</strong> dann erstmals die Unterrichtspflicht <strong>für</strong> Kin<strong>de</strong>r von<br />

sechs Jahren bis zur Konfirmation eingeführt. Die Fächer, welche<br />

unterrichtet wer<strong>de</strong>n sollten, waren wie in <strong>de</strong>n „rytterskoler“ Religion und<br />

Schreiben, Lesen und Rechnen auf freiwilliger Basis. Da aber die Kosten <strong>für</strong><br />

die <strong>Schule</strong>n von <strong>de</strong>r lokalen Bevölkerung getragen wer<strong>de</strong>n sollten und ein<br />

Grossteil <strong>de</strong>r Bevölkerung kein Interesse an Unterricht hatte, wur<strong>de</strong> dieses<br />

Gesetz in <strong>de</strong>r Praxis kaum umgesetzt. 10<br />

Daher kann man erst mit <strong>de</strong>m Schulgesetz von 1814, welches in 25-jähriger<br />

Arbeit von <strong>de</strong>r sogenannten großen Schulkommission erarbeitet wur<strong>de</strong>, von<br />

einer lan<strong>de</strong>sweiten Einführung <strong>de</strong>r Unterrichtspflicht sprechen. Die<br />

Unterrichtspflicht umfasste <strong>alle</strong> Kin<strong>de</strong>r zwischen sieben und vierzehn<br />

Jahren. Da die Kin<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Land oft ihren Eltern bei <strong>de</strong>r Arbeit helfen<br />

mussten, mussten sie in <strong>de</strong>r Regel nur dreimal in <strong>de</strong>r Woche zur <strong>Schule</strong><br />

gehen. Die Kin<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Stadt hatten je<strong>de</strong>n Tag Unterricht, durften sich aber<br />

aussuchen, ob sie vormittags o<strong>de</strong>r nachmittags zur <strong>Schule</strong> gehen wollten. 11<br />

Die Schüler wur<strong>de</strong>n je nach Alter und Können in zwei Klassen aufgeteilt<br />

und in <strong>de</strong>n Fächern Religion, Schreiben, Rechnen und Lesen unterrichtet,<br />

wobei es wichtig war, dass Bücher gelesen wer<strong>de</strong>n sollten, in <strong>de</strong>nen auch<br />

etwas über Geografie und die Geschichte Dänemarks stand. 12 Ziel <strong>de</strong>s<br />

Unterrichts war es, „ ... die Kin<strong>de</strong>r zu guten und rechtschaffen<strong>de</strong>n Menschen<br />

zu bil<strong>de</strong>n, in Übereinstimmung mit <strong>de</strong>r christlich-evangelischen Lehre,<br />

gleichzeitig ihnen das Wissen und die Fertigkeiten beizubringen, die da<br />

notwendig sind um glückliche Bürger im Staate zu wer<strong>de</strong>n.“ 13 .<br />

9 vgl.: wie 6, S. 64<br />

10 vgl.: wie 6, S. 64<br />

11 vgl.. wie 6, S. 70<br />

12 vgl.: wie 6, S. 70 f<br />

13 Zitat wie 6, S. 71<br />

16


Die Kosten <strong>für</strong> die <strong>Schule</strong>n wur<strong>de</strong>n weiterhin von <strong>de</strong>r Bevölkerung<br />

getragen, <strong>alle</strong>rdings wur<strong>de</strong> eine Geldstrafe <strong>für</strong> diejenigen eingeführt, die<br />

ohne Grund <strong>de</strong>m Unterricht fernblieben. <strong>Eine</strong> weitere wichtige Än<strong>de</strong>rung<br />

dieses Gesetzes war, dass erstmalig von <strong>de</strong>n Lehrern eine<br />

„Seminariumsausbildung“ verlangt wur<strong>de</strong>, da aber zeitweise sehr großer<br />

Lehrermangel herrschte, wur<strong>de</strong>n auch viele Lehrer ohne Ausbildung<br />

eingestellt. 14<br />

Dieses Gesetz blieb als Rahmengesetz das ganze 19.Jahrhun<strong>de</strong>rt hindurch<br />

bestehen, <strong>alle</strong>rdings war die Durchführung dieses Gesetzes anfangs sehr<br />

schwierig. Es fehlte an finanziellen Mitteln - <strong>de</strong>r dänische Staat war im<br />

Jahre 1813 bankrott gegangen - und auch immer noch an <strong>de</strong>m Willen v.a.<br />

<strong>de</strong>r Landbevölkerung. Das Niveau <strong>de</strong>s Unterrichts war niedrig und teilweise<br />

ließ <strong>de</strong>r Lehrer die guten Schüler die Schwächeren unterrichten. Allerdings<br />

wur<strong>de</strong> im Laufe <strong>de</strong>r Zeit immer mehr darauf geachtet, dass nur Lehrer mit<br />

einer entsprechen<strong>de</strong>n Ausbildung unterrichteten. 15 Trotz <strong>de</strong>r anfänglichen<br />

Schwierigkeiten gilt das Jahr 1814 als das Geburtsjahr <strong>de</strong>r „folkeskole“. 16<br />

Der Unterschied zwischen <strong>de</strong>n <strong>Schule</strong>n auf <strong>de</strong>m Land und <strong>de</strong>nen in <strong>de</strong>r<br />

Stadt war ziemlich groß. Die Landbevölkerung war, wie bereits erwähnt<br />

nicht son<strong>de</strong>rlich am Schulunterricht interessiert und da die Bevölkerung<br />

selber <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Erhalt <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong>n zahlen musste, waren die <strong>Schule</strong>n oft in<br />

einem schlechtem Zustand. Mitte <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts entstan<strong>de</strong>n <strong>de</strong>swegen<br />

in Stadt und Land private <strong>Schule</strong>n. Während die wohlhaben<strong>de</strong>n Bürger in<br />

<strong>de</strong>n (Kaufmanns-) Städten <strong>für</strong> ihre Kin<strong>de</strong>r <strong>Schule</strong>n errichten ließen, in <strong>de</strong>nen<br />

sie die Fertigkeiten erlernen sollten, die wichtig <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Han<strong>de</strong>l waren, wie<br />

etwa Sprachen, Mathematik und naturwissenschaftliche Fächer 17 , so waren<br />

14 vgl.: wie 6, S. 70 ff<br />

15 vgl.: wie 6, S. 72 ff<br />

16 vgl.: wie 5<br />

17 vgl.: wie 6, S. 76 f<br />

17


die <strong>Schule</strong>n auf <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong> mehr auf eine an<strong>de</strong>re Art <strong>de</strong>s Lernens<br />

ausgerichtet und sollten die Schüler in ihrem Selbstwertgefühl bestärken.<br />

Diese Bewegung <strong>de</strong>r sogenannten „friskoler (freie <strong>Schule</strong>n)“ wur<strong>de</strong> von<br />

liberalen Kräften getragen, die in <strong>de</strong>n privaten <strong>Schule</strong>n auch eine Alternative<br />

zu <strong>de</strong>r staatsbestimmten <strong>Schule</strong> sahen. Durch das Erstarken <strong>de</strong>r liberalen<br />

Bewegung kam es im Jahre 1849 auch zu <strong>de</strong>r Einführung einer freien<br />

Verfassung in Dänemark und im Jahre 1855 zur Schaffung eines Gesetzes,<br />

welches die „friskoler“ legitimierte. 18<br />

Die „friskole“- Bewegung wur<strong>de</strong> in dieser Zeit v.a. durch die Namen N.S.F.<br />

Grundtvig und Christen Kold geprägt, welche auch heute noch einen großen<br />

Stellenwert in <strong>de</strong>r Pädagogik, v.a. <strong>de</strong>r „friskoler“ und „folkehoejskoler<br />

(Volkshochschulen)“, in Dänemark haben. 19 N.S.F Grundtvig war ein<br />

Pfarrer, <strong>de</strong>ssen Auffassung es war, dass man <strong>de</strong>n Menschen die Religion mit<br />

<strong>de</strong>m „lebendigem Wort“, also durch die freie Re<strong>de</strong> näher bringen sollte und<br />

nicht nur durch die Bibel. Diese Theorie übertrug er auch auf die Pädagogik,<br />

in<strong>de</strong>m er <strong>Schule</strong>n grün<strong>de</strong>n wollte, in <strong>de</strong>nen nicht nur aus Büchern gelernt<br />

wur<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn im Dialog zwischen Schülern und Lehrer Erkenntnis<br />

gewonnen wird. 20 Grundtvig hielt nicht sehr viel von <strong>de</strong>n existieren<strong>de</strong>n<br />

<strong>Schule</strong>n und bezeichnete beispielsweise seine eigene Schulzeit an einer<br />

„latinskole“ als verlorene Zeit.<br />

Nicht nur was die Pädagogik, son<strong>de</strong>rn auch was die Fächer angeht, hatte<br />

Grundtvig seine eigenen Vorstellungen. Religion war seiner Meinung nach<br />

kein Schulfach, viel wichtiger erschien es ihm, dass man neben Rechnen,<br />

Schreiben und Lesen etwas über die Geschichte Dänemarks, die Natur,<br />

Gedichte und Märchen lernen sollte. Obwohl Grundtvig Unterstützer <strong>für</strong><br />

18 vgl.: wie 6, S.79<br />

19 vgl.: wie 6, S. 79<br />

20 vgl.: Meike Knaack, Dialogisches Prinzip und Bildung <strong>für</strong> <strong>alle</strong>: <strong>de</strong>r Theologe und<br />

Pädagoge N.F.S. Grundtvig. In: M.A. Kreienburg u.a. (Hrsg.): Bildungslandschaft Europa.<br />

Zehn Schulsysteme im aktuellen Vergleich. Kleine Verlag. Bielefeld 1997, S. 78 ff<br />

18


seine I<strong>de</strong>en fand, errichtet er selber keine <strong>Schule</strong> nach seinen I<strong>de</strong>en und<br />

Vorstellungen. 21<br />

Erst Christen Kold, ein Schüler Grundtvigs, errichtete 1844 die erste<br />

„folkehoejskole“ nach Grundtvigs Mo<strong>de</strong>ll. Er grün<strong>de</strong>te in <strong>de</strong>r<br />

darauffolgen<strong>de</strong>n Zeit noch weitere <strong>Schule</strong>n, nicht nur „folkehoejskoler“,<br />

welche ja v.a. <strong>für</strong> Erwachsene vorgesehen waren, son<strong>de</strong>rn auch „efterskoler<br />

(Nachschule)“ <strong>für</strong> 14-18 jährige Jugendliche und „friskoler“ <strong>für</strong> Kin<strong>de</strong>r ab<br />

sieben Jahren. 22 Diese <strong>Schule</strong>n mussten sich ganz selbst finanzieren, bis sie<br />

1899 vom Staat bezuschusst wur<strong>de</strong>n 23 , im Gegensatz zu <strong>de</strong>n staatlichen<br />

<strong>Schule</strong>n, welche schon seit <strong>de</strong>m Jahre 1856 finanziell vom Staat unterstützt<br />

wur<strong>de</strong>n. Die „folkehoejskoler“ breiteten sich schnell über das Land aus und<br />

erfreuten sich großer Beliebtheit, aber auch die „friskoler“, welche im Jahr<br />

1880 von ca. 4% <strong>de</strong>r Schüler auf <strong>de</strong>m Land besucht wur<strong>de</strong>n, hatten eine<br />

nicht zu unterschätzen<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>utung. 24<br />

Mitte <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts for<strong>de</strong>rten die Universitäten <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s eine<br />

Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r „latinskole“ - welche ursprünglich eine kirchliche <strong>Schule</strong><br />

war, in <strong>de</strong>r man zum Priester ausgebil<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong> und in <strong>de</strong>r auf lateinisch<br />

unterrichtet wur<strong>de</strong> - in <strong>de</strong>m Sinne, dass sie „ ... die Schüler zu einer wahren<br />

und einer gründlich allgemeinen Bildung führen sollte und gleichzeitig auf<br />

ein aka<strong>de</strong>misches Studium vorbereiten sollte“. 25<br />

Diese For<strong>de</strong>rungen wur<strong>de</strong>n in einem Gesetz zu <strong>de</strong>n „latinskolen“<br />

festgehalten, mit <strong>de</strong>m auch das „stu<strong>de</strong>ntereksamen“ –das dänische Abitur –<br />

eingeführt wur<strong>de</strong>. Die aus diesem Gesetz resultieren<strong>de</strong> <strong>Schule</strong> war<br />

achtjährig, <strong>für</strong> Kin<strong>de</strong>r zwischen zehn und achtzehn Jahren, und es wur<strong>de</strong>n<br />

v.a. die Fächer Griechisch, Latein, Deutsch, Französisch, Mathematik und<br />

21 vgl.: wie 6, S.79 ff<br />

22 vgl.: wie 6, S. 79 ff<br />

23 vgl.: wie 5, S. 488<br />

24 vgl.: wie 6, S. 82<br />

25 Zitat, wie 6, S. 83<br />

19


Physik unterrichtet. Im Jahre 1871 wur<strong>de</strong> dieses Gesetz nachgebessert,<br />

in<strong>de</strong>m die Schulzeit an <strong>de</strong>r „latinskole“ auf sechs Jahre verkürzt wur<strong>de</strong> –<br />

vom zwölften bis zum achtzehnten Lebensjahr- und eine Teilung <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong><br />

in einen sprachlich- historischen und einen mathematischnaturwissenschaftlichen<br />

Zweig eingeführt wur<strong>de</strong>. 26<br />

Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts war das Bild <strong>de</strong>r dänische Schullandschaft<br />

nicht sehr einheitlich. Es gab große Unterschie<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>m Unterricht<br />

auf <strong>de</strong>m Land und in <strong>de</strong>r Stadt, zwischen <strong>de</strong>r Bildung <strong>de</strong>r Armen und <strong>de</strong>r<br />

Reichen und außer<strong>de</strong>m existierte keinerlei Verbindung zwischen <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ und <strong>de</strong>r „latinskole“. 27<br />

Daher wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m Schulgesetz von 1903 die „mellemskole<br />

(Mittelschule)“ eingeführt, nach <strong>de</strong>ren Besuch man entwe<strong>de</strong>r weiter in die<br />

einjährige „realklasse“ o<strong>de</strong>r in das dreijährige „gymnasium“ – die frühere<br />

„latinskole“ – gehen konnte. 28 Es wur<strong>de</strong> somit erstmals ein einheitliches<br />

System von <strong>de</strong>r ersten Klasse bis zum „stu<strong>de</strong>ntereksamen“ geschaffen.<br />

Dadurch gingen <strong>alle</strong> Kin<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n ersten fünf Jahren zusammen zur <strong>Schule</strong><br />

und es war erstmals <strong>für</strong> begabte Kin<strong>de</strong>r aus armen Verhältnissen möglich,<br />

einen Schulabschluss zu machen, <strong>de</strong>r ihren Begabungen entsprach.<br />

Durch das Gesetz wur<strong>de</strong> auch die Möglichkeit geschaffen, dass<br />

„folkeskoler“ und „friskoler“, „mellemskole“-, „realklasse“- und<br />

„gymnasium“- Abschlüsse abnehmen durften, was dazu führte, dass viele<br />

„folkeskoler“ „mellemskoler“ und „realklasser“ errichteten. 29 Weiterhin<br />

wur<strong>de</strong> mit diesem Gesetz versucht, <strong>de</strong>n Unterschied zwischen <strong>de</strong>n <strong>Schule</strong>n<br />

in <strong>de</strong>r Stadt und auf <strong>de</strong>m Land zu verringern, in <strong>de</strong>m festgeschrieben wur<strong>de</strong>,<br />

26 vgl.: wie 6, S. 83 f<br />

27 vgl.: wie 6, S. 84<br />

28 vgl.: wie 5, S. 488<br />

29 vgl.: wie 6, S. 86<br />

20


dass die Kin<strong>de</strong>r „ ... in Klassen nach Alter, Erfolg und Reife“ 30 aufgeteilt<br />

und unterrichtet wer<strong>de</strong>n sollten.<br />

Dies wur<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>m Land <strong>alle</strong>rdings kaum durchgeführt und die meisten<br />

<strong>Schule</strong>n blieben zwei- o<strong>de</strong>r dreiklassig. Auch die Anzahl <strong>de</strong>r<br />

Unterrichtsstun<strong>de</strong>n pro Woche war in Stadt und Land unterschiedlich, in <strong>de</strong>r<br />

Stadt waren 21 Stun<strong>de</strong>n pro Woche vorgesehen und auf <strong>de</strong>m Land nur 18.<br />

Mit <strong>de</strong>m Schulgesetz von 1903 wur<strong>de</strong> auch <strong>de</strong>r Kreis <strong>de</strong>r Fächer, welche<br />

unterricht wer<strong>de</strong>n sollten, erweitert, und in <strong>de</strong>r „folkeskole“ sollte jetzt<br />

Dänisch, Schreiben, Rechnen, Geschichte, Geografie, Gesang und natürlich<br />

Religion unterrichtet wer<strong>de</strong>n.<br />

Auch auf die Professionalität <strong>de</strong>r Lehrer wur<strong>de</strong> im Zuge dieses Gesetzes<br />

mehr geachtet. Es konnten nur noch diejenigen als Lehrer eingestellt<br />

wer<strong>de</strong>n, welche am „seminarium“ studiert hatten und ihr Studium<br />

erfolgreich abgeschlossen hatten. Auch <strong>für</strong> das „gymnasium“, die frühere<br />

„latinskole“, gab es eine Än<strong>de</strong>rung in diesem Gesetz. Es wur<strong>de</strong> dort nun<br />

nicht mehr nur in zwei, son<strong>de</strong>rn in drei Zweige unterteilt: in eine klassisch-<br />

sprachliche, eine mathematisch-naturwissenschaftliche und eine neu-<br />

sprachliche. 31<br />

Das einheitliche System, welches mit <strong>de</strong>m Schulgesetz von 1903 eingeführt<br />

wur<strong>de</strong>, traf <strong>de</strong>n Nerv <strong>de</strong>r Zeit und die Zahl <strong>de</strong>rjenigen Schüler, welche<br />

„stu<strong>de</strong>ntereksamen“ o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n „realklasse“- Abschluss machten, stieg stark<br />

an. Allerdings führte das zu <strong>de</strong>m Problem, dass die Schüler, welche nicht<br />

zur „mellemskole“ gingen und die letzten bei<strong>de</strong>n Jahre ihrer<br />

Unterrichtspflicht in <strong>de</strong>r „folkeskole“ verbrachten, fast ausschließlich die<br />

Schüler waren, die nicht son<strong>de</strong>rlich motiviert waren, in die <strong>Schule</strong> zu gehen,<br />

30 Zitat wie 6, S. 84<br />

31 vgl.: wie 6, S. 84 ff<br />

21


weshalb die Lehrer in diesen Jahren dann große Schwierigkeiten mit diesen<br />

Schülern hatten. 32<br />

Deswegen wur<strong>de</strong> im Jahre 1937 ein „folkeskole“- Gesetz verabschie<strong>de</strong>t,<br />

welches die abschlussfreie „mellemskole“ <strong>für</strong> die Schüler einführte, welche<br />

nicht weiter in die „realklasse“ o<strong>de</strong>r in das „gymnasium“ gehen wollten.<br />

Außer<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong> durch dieses Gesetz die Möglichkeit geschaffen, dass sich<br />

kleinere <strong>Schule</strong>n auf <strong>de</strong>m Land zu Zentralschulen zusammenschließen<br />

konnten. 33<br />

Auch die Zielsetzung <strong>de</strong>r „folkeskole“ wur<strong>de</strong> durch dieses Gesetz neu<br />

<strong>de</strong>finiert. Ziel <strong>de</strong>r „folkeskole“ war <strong>de</strong>mnach „ ... to foster and <strong>de</strong>velop the<br />

child´s aptitu<strong>de</strong>s and abilities, to reinforce charcter <strong>de</strong>velopment and<br />

provi<strong>de</strong> them with useful knowledge“. 34<br />

Die abschlussfreie „mellemskole“ hatte nicht <strong>de</strong>n Erfolg, <strong>de</strong>n sich die<br />

Macher erhofft hatten. Im Jahre 1940 wur<strong>de</strong> dann Dänemark von <strong>de</strong>n<br />

Deutschen besetzt, welches viele Entwicklungen und Reformprozesse zum<br />

Stoppen brachte, so auch <strong>de</strong>n Reformprozess <strong>de</strong>s Schulwesens. In <strong>de</strong>n<br />

Jahren nach <strong>de</strong>n zweiten Weltkrieg kam es zu einem Konjunkturaufschwung<br />

in Dänemark, weswegen schon bald die For<strong>de</strong>rung nach einer Verän<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>s Schulsystems im Raum stand. 35<br />

In <strong>de</strong>m aus dieser For<strong>de</strong>rung resultieren<strong>de</strong>n Schulgesetz von 1958, wur<strong>de</strong><br />

endgültig <strong>de</strong>r Unterschied zwischen <strong>de</strong>n <strong>Schule</strong>n auf <strong>de</strong>m Land und in <strong>de</strong>r<br />

Stadt abgeschafft. Von diesem Zeitpunkt an mußten auch die Schüler auf<br />

<strong>de</strong>m Land dieselbe Anzahl von Stun<strong>de</strong>n in die <strong>Schule</strong> gehen und wur<strong>de</strong>n<br />

auch in <strong>de</strong>nselben Fächern unterrichtet. Zwar erlaubte das Gesetz auch<br />

32 vgl.: wie 6, S. 87<br />

33 vgl.: wie 6, S. 87<br />

34 Zitat: Harry Hue, Learning in Denmark. In: Discover Denmark- on Denmark, the Danes,<br />

Past, present and Future. Danish Cultural Institute. Kopenhagen 1995, S. 71<br />

35 vgl.: wie 6, S. 88<br />

22


weiterhin kleinen Gemein<strong>de</strong>n <strong>Schule</strong>n, die in nur zwei, drei o<strong>de</strong>r vier<br />

Klassen unterteilt waren, zu errichten, da aber in vielen Gemein<strong>de</strong>n große<br />

Zentralschulen entstan<strong>de</strong>n, wur<strong>de</strong> diese Möglichkeit kaum genutzt. 36<br />

<strong>Eine</strong> weitere Än<strong>de</strong>rung dieses Gesetzes war, dass die „mellemskole“ ganz<br />

abgeschafft wur<strong>de</strong>. Statt<strong>de</strong>ssen wur<strong>de</strong>n die Schüler nach <strong>de</strong>r fünften Klasse<br />

in drei Leistungsgruppen eingeteilt, welche dann teilweise getrennt<br />

unterrichtet wur<strong>de</strong>n. Nach <strong>de</strong>r siebten Klasse, mit <strong>de</strong>r man die<br />

Unterrichtspflicht erfüllt hatte, bestand dann die Möglichkeit, entwe<strong>de</strong>r in<br />

die dreijährige „realaf<strong>de</strong>ling (Realabteilung)“ zu gehen o<strong>de</strong>r freiwillig bis<br />

zur zehnten Klasse weiter die „folkeskole“ zu besuchen. Nach<strong>de</strong>m man die<br />

„realaf<strong>de</strong>ling“ besucht hatte, konnte man entwe<strong>de</strong>r einen Abschluss machen<br />

o<strong>de</strong>r auf das „gymnasium“ wechseln. 37<br />

Auch zum Abschluß <strong>de</strong>r „folkeskole“ konnte man, wenn man wollte, nach<br />

<strong>de</strong>r neunten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r zehnten Klasse eine „statskontrolleret afgangsproeve<br />

(staatliche kontrollierte Abschlussprüfung)“ o<strong>de</strong>r das „teknisk<br />

forbere<strong>de</strong>lseseksamen (technisches Vorbereitungsexamen)“ ablegen, welche<br />

auf verschie<strong>de</strong>ne Ausbildungen vorbereiteten. Die Intention dieses<br />

Schulgesetzes war, dass mit Hilfe <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> gesellschaftliche Unterschie<strong>de</strong><br />

abgebaut wer<strong>de</strong>n konnten, aber auch dass die Begabungen <strong>de</strong>r jungen<br />

Bevölkerung so gut wie möglich genutzt wer<strong>de</strong>n sollten. 38<br />

Auch in pädagogischer Hinsicht wur<strong>de</strong>n einige Än<strong>de</strong>rungen eingeführt, so<br />

kam es erstmals zu Experimenten mit neuen Arbeitsformen wie<br />

beispielsweise Gruppenarbeit. Außer<strong>de</strong>m war <strong>de</strong>r damalige<br />

Unterrichtsminister stark von <strong>de</strong>n I<strong>de</strong>en Grundtvigs beeinflusst, was dazu<br />

führte, dass neben <strong>de</strong>m Lernen aus Büchern auch <strong>de</strong>r handlungsorientierter<br />

Unterricht immer mehr an Be<strong>de</strong>utung gewann, genauso wie das Ziel, dass<br />

36 vgl.: wie 6, S. 90<br />

37 vgl.: wie 6, S. 88 f<br />

38 vgl.: wie 6, S. 88 f<br />

23


die Schüler „Lernen“ lernen sollten. Auch <strong>de</strong>mokratische Prinzipien<br />

erhielten aus diesem Grund Einzug in die <strong>Schule</strong>, genauso wie das<br />

„folkelige“, ein Begriff <strong>de</strong>n man ins Deutsche mit <strong>de</strong>m Wort „volkstümlich“<br />

übersetzen wür<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r aber mehr die Wertschätzung <strong>de</strong>r Gemeinschaft<br />

beschreibt und dabei entwe<strong>de</strong>r die Gemeinschaft <strong>de</strong>s Dorfes, <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>,<br />

<strong>de</strong>r Stadt, <strong>de</strong>r Gegend o<strong>de</strong>r aber auch <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s meint. 39<br />

Auch das „gymnasium“ wur<strong>de</strong> 1958 neu strukturiert, in<strong>de</strong>m man nur noch in<br />

einen sprachlichen Zweig, in welchem man sich dann <strong>für</strong> die altsprachliche,<br />

die neusprachliche o<strong>de</strong>r die gesellschaftswissenschaftliche Richtung<br />

entschei<strong>de</strong>n konnte, und einen mathematisch- naturwissenschaftlichen<br />

Zweig, in welchem man sich zwischen <strong>de</strong>r mathematisch- physikalischen,<br />

<strong>de</strong>r gesellschaftswissenschaftlichen und <strong>de</strong>r „naturfaglig (naturfachlichen)“<br />

Richtung entschei<strong>de</strong>n konnte, unterteilte. Trotz dieser strengen Unterteilung<br />

gab es Fächer, wie z.B. Religion, Dänisch, Geschichte, welche man in je<strong>de</strong>m<br />

Fall belegen mußte. 40<br />

Im Jahre 1969 wur<strong>de</strong> im „folketing“ ein Neun - Punkte - Programm<br />

verabschie<strong>de</strong>t, in <strong>de</strong>m die Prinzipien einer zehnjährigen „folkeskole“,<br />

welche eine neunjährige Grundschule und ein freiwilliges zehntes Schuljahr<br />

umfasste, festgelegt waren.<br />

Im Jahre 1972 wur<strong>de</strong> dann die Unterrichtspflicht auf neun Jahre erhöht. 41<br />

Außer<strong>de</strong>m begann En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r sechziger Jahre die Dezentralisierung <strong>de</strong>s<br />

Schulsystems, in Folge <strong>de</strong>rer vom Staat nur noch die Rahmenbedingungen<br />

vorgegeben wur<strong>de</strong>n und die Kommunen <strong>für</strong> die Finanzierung <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ und das Ausfüllen <strong>de</strong>r Rahmenbedingungen verantwortlich<br />

waren. 42<br />

39 vgl.: wie 6, S. 88 f<br />

40 vgl.: wie 6, S. 91<br />

41 vgl.: wie 6, S. 91<br />

42 vgl.: wie 6, S. 93<br />

24


Mit <strong>de</strong>m Schulgesetz von 1975 kam es dann zu <strong>de</strong>r endgültigen<br />

Abschaffung <strong>de</strong>r „realaf<strong>de</strong>ling“ und die „folkeskole“ wur<strong>de</strong> zu einer<br />

Einheitsschule, in <strong>de</strong>r <strong>alle</strong> Schüler von <strong>de</strong>r ersten bis zur neunten Klasse<br />

gemeinsam unterrichtet wer<strong>de</strong>n sollten und in <strong>de</strong>r die Möglichkeit bestand,<br />

die „boernehaveklasse (Kin<strong>de</strong>rgartenklasse)“ und ein freiwilliges zehntes<br />

Schuljahr zu besuchen. Ab <strong>de</strong>r achten Klasse mussten die Schüler aber dann<br />

in <strong>de</strong>n Fächern Mathematik, Englisch, Deutsch, Physik und Chemie<br />

zwischen <strong>de</strong>m Grundkurs und <strong>de</strong>m erweiterten Kurs entschei<strong>de</strong>n. Die Wahl<br />

zwischen Grundkurs und erweiterten Kurs wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n Schülern und<br />

ihren Eltern getroffen. Außer<strong>de</strong>m bestand <strong>für</strong> die Schüler ab <strong>de</strong>r siebten<br />

Klasse die Möglichkeit, zu <strong>de</strong>n 15 obligatorischen Fächern noch Wahlfächer<br />

dazu zu wählen. Nach <strong>de</strong>r neunten und <strong>de</strong>r zehnten Klasse konnte man dann<br />

die „Folkeskolens afgangsproeve (Abschlussprüfung <strong>de</strong>r „folkeskole“)“<br />

o<strong>de</strong>r die „Folkeskolens udvi<strong>de</strong><strong>de</strong> afgangsproeve (erweiterte<br />

Abschlussprüfung <strong>de</strong>r „folkeskole“)“ in <strong>de</strong>n Fächern, in <strong>de</strong>nen man dies<br />

wollte, ablegen. 43 Nach <strong>de</strong>m Besuch <strong>de</strong>r „folkeskole“ konnte man dann auf<br />

das weiterhin dreijährige „gymnasium“ wechseln, um dort das<br />

„stu<strong>de</strong>ntereksamen“ zu machen.<br />

Die Zielsetzung <strong>de</strong>r „folkeskole“ war nach diesem Schulgesetz,<br />

„ ... in collaboration with the parents, to provi<strong>de</strong> pupils with the<br />

opportunities to aquire knowledge, skills, working methods and mo<strong>de</strong>s of<br />

expression, which will contribute to the all- round <strong>de</strong>velopment of the<br />

individual. In all its activities, the Folkeskole must seek to establish<br />

opportunities for experience and self-direction, which will encourage pupils<br />

to increase their eagerness to learn, to use their imagination and to <strong>de</strong>velop<br />

in<strong>de</strong>pen<strong>de</strong>nt judgement and view.“ 44 und die Schüler auf „Zusammenleben<br />

und Mitbestimmung in einer <strong>de</strong>mokratischen Gesellschaft und<br />

Mitverantwortung im Lösen von gemeinsamen Aufgaben“ 45 vorzubereiten.<br />

43 vgl.. wie 6, S. 91 f<br />

44 Zitat wie 6<br />

45 Zitat wie 6, S. 92<br />

25


Das Schulgesetz von 1975 war stark von <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong>ntwicklung in an<strong>de</strong>ren<br />

Län<strong>de</strong>rn und progressiven Unterrichtstheorien beeinflusst. Dabei wur<strong>de</strong>n<br />

I<strong>de</strong>en wie z.B. Chancengleichheit, das Eingehen auf die Bedürfnisse <strong>de</strong>s<br />

Kin<strong>de</strong>s, Projektarbeit, individuelle Entwicklung <strong>de</strong>r Persönlichkeit <strong>de</strong>s<br />

Kin<strong>de</strong>s aufgenommen und mit Grundtvigs und Kolds I<strong>de</strong>en, wie z.B. die<br />

Betonung <strong>de</strong>r „folkelige“ Tradition, zu einer eigenen dänischen Pädagogik<br />

verbun<strong>de</strong>n. 46<br />

Auch die Mitbestimmungsmöglichkeiten <strong>de</strong>r Eltern wur<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m Gesetz<br />

von 1975 vergrößert. Es wur<strong>de</strong>n die „skolebestyrelse“ und die<br />

„skolekommission“ eingeführt, Schulgremien, in <strong>de</strong>nen in <strong>de</strong>r Mehrzahl<br />

Eltern saßen und die beispielsweise über die Besetzung von Lehrerstellen<br />

bestimmten. 47<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r siebziger Jahre wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r damaligen sozial<strong>de</strong>mokratischen<br />

Regierung ein Plan erarbeitet, <strong>de</strong>r das Ziel hatte, eine zwölfjährige<br />

Einheitsschule zu schaffen, also auch das „gymnasium“ in die „folkeskole“<br />

zu integrieren. Dabei sollten Chancengleichheit und gesellschaftlich<br />

relevanter, projektorientierter, fächerübergreifen<strong>de</strong>r Unterricht im<br />

Vor<strong>de</strong>rgrund stehen. 48<br />

Allerdings kam es 1982 zu <strong>de</strong>r Übernahme <strong>de</strong>r Regierung durch die liberal –<br />

konservative Koalition aus <strong>de</strong>n Parteien „Venstre“ und „Konservative<br />

Folkeparti“, weswegen diese Pläne nicht in die Praxis umgesetzt wur<strong>de</strong>n.<br />

Statt<strong>de</strong>ssen wur<strong>de</strong> mehr Wert auf die Qualität <strong>de</strong>s Unterrichtsstoffes gelegt,<br />

wobei genauer <strong>de</strong>finiert wur<strong>de</strong>, welches Wissen in <strong>de</strong>n einzelnen Fächern<br />

vorhan<strong>de</strong>n sein musste. Vor <strong>alle</strong>m die „ ... gemeinsamen Erfahrungen als<br />

Volk, die in <strong>de</strong>r Geschichte, <strong>de</strong>r Literatur, <strong>de</strong>r Dichtung, <strong>de</strong>r Kunst, Gesang<br />

46 vgl.: wie 6, S. 72<br />

47 vgl.: wie 6, S. 92 f<br />

48 vgl.: wie 6, S. 92 f<br />

26


und Psalmen, „laerdom“ und Wissenschaft“ 49 sich ausdrückt, sollten einen<br />

größeren Stellenwert im Unterricht erhalten. Außer<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong>n die <strong>Schule</strong>n<br />

dazu angehalten, ein eigenes Schulprofil zu entwickeln. 50<br />

Zu einem neuen Schulgesetz <strong>für</strong> die „folkeskole“ kam es unter <strong>de</strong>r liberalkonservativen<br />

Regierung nicht, <strong>alle</strong>rdings wur<strong>de</strong> die Struktur <strong>de</strong>s<br />

„gymnasium“ verän<strong>de</strong>rt. Anstelle <strong>de</strong>r festgelegten Richtungen in <strong>de</strong>m<br />

sprachlichen und <strong>de</strong>m mathematischen Zweig, wur<strong>de</strong> ein freieres<br />

Fächerwahlsystem innerhalb dieser Zweige eingeführt. 51<br />

1993 kurz nach <strong>de</strong>r Übernahme <strong>de</strong>r Regierung durch eine<br />

sozial<strong>de</strong>mokratisch geführte Koalition, wur<strong>de</strong> das bisher letzte Gesetz zur<br />

„folkeskole“ verabschie<strong>de</strong>t. Darin wur<strong>de</strong> festgelegt, dass <strong>de</strong>r Unterricht an<br />

<strong>de</strong>r „folkeskole“ auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten <strong>de</strong>s einzelnen Schülers<br />

ausgerichtet sein soll und somit stark differenziert wer<strong>de</strong>n muß. Außer<strong>de</strong>m<br />

wur<strong>de</strong> die Unterteilung in einigen Fächern in Grundkurs und erweiterten<br />

Kurs abgeschafft und damit das Prinzip <strong>de</strong>r Einheitsschule weiter<br />

ausgebaut. 52 Wobei hier anzumerken wäre, dass gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n neunziger<br />

Jahren immer weniger Schüler auf diese Einheitsschule gehen, son<strong>de</strong>rn 13%<br />

eine „friskole“ besuchen.<br />

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Geschichte <strong>de</strong>s dänischen<br />

Schulsystems sehr früh beginnt, was man u.a. an <strong>de</strong>r sehr frühen Einführung<br />

<strong>de</strong>r Unterrichtspflicht erkennen kann.<br />

Diese frühe Entwicklung im Bereich <strong>de</strong>r Bildungspolitik liegt auch daran,<br />

dass Dänemark Anfang <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts von einer Großmacht in<br />

Nor<strong>de</strong>uropa auf ein kleines Land zusammengeschrumpft war und<br />

49<br />

Zitat: Thyge Winter-Jensen, Dansk uddanelsespolitik og reformarbej<strong>de</strong> i 80´erne og<br />

90´erne. Kopenhagen 1997, S. 4<br />

50<br />

vgl.: wie 49, S. 3 ff<br />

51<br />

vgl.: wie 1, S. 489<br />

52<br />

vgl.: wie 49, S.17 f<br />

27


infolge<strong>de</strong>ssen sich mehr auf die Innen- anstelle von Außenpolitik<br />

konzentrierte.<br />

Die konsequente Entwicklung einer Einheitsschule lässt sich darauf<br />

zurückführen, dass seit <strong>de</strong>n dreißiger Jahren das Land v.a. von<br />

sozial<strong>de</strong>mokratischen Regierungen geführt wur<strong>de</strong>. Da diese aber oft<br />

Min<strong>de</strong>rheitenregierungen waren, waren die Schulreformen mit<br />

Kompromissen verbun<strong>de</strong>n und wur<strong>de</strong>n größtenteils auch von Teilen <strong>de</strong>r<br />

Opposition unterstützt, was eine hohe Konstanz in <strong>de</strong>r Bildungspolitik zur<br />

Folge hat.<br />

Abgesehen davon ist es in Dänemark bei Reformen in so wichtigen<br />

Bereichen wichtig, dass die I<strong>de</strong>en „von unten“, also vom Volk kommen und<br />

getragen wer<strong>de</strong>n. Dies hat zur Folge, dass die Geschichte <strong>de</strong>s Schulsystems<br />

auch ein Abbild <strong>de</strong>r dänischen Gesellschaft ist.<br />

2.2 Beschreibung <strong>de</strong>s dänischen Schulsystems<br />

In Dänemark besteht die neun-jährige Unterrichtspflicht, welche <strong>alle</strong> Kin<strong>de</strong>r<br />

und Jugendlichen zwischen sieben und sechszehn Jahren umfasst. Man kann<br />

zur Erfüllung dieser Unterrichtspflicht in <strong>de</strong>r staatlichen „folkeskole“, einer<br />

privaten <strong>Schule</strong> o<strong>de</strong>r aber zu Hause unterrichtet wer<strong>de</strong>n. 53 Dabei muss <strong>de</strong>r<br />

Unterricht, welcher außerhalb <strong>de</strong>r „folkeskole“ erteilt wird, auch einem<br />

gewissen Standard entsprechen. „Compulsory education means an<br />

obligation to participate in the teaching provi<strong>de</strong>d in the Folkeskole or in<br />

53 vgl.: un<strong>de</strong>rvisningsministeriet: The Folkeskole. Kopenhagen 1999<br />

http://www.uvm.dk/eng/publications/factsheets/fact2.htm<br />

28


teaching which is comparable to what is usually required in the<br />

Folkeskole.” 54<br />

Die „folkeskole“ umfasst dabei <strong>de</strong>n Unterricht von <strong>de</strong>r nicht-obligatorischen<br />

„boernehaveklasse“ –welche <strong>alle</strong>rdings von 98% <strong>alle</strong>r Schüler besucht wird<br />

- bis zu <strong>de</strong>m freiwilligen zehnten Schuljahr. 55 Die „folkeskole“ ist eine<br />

Einheitsschule, in <strong>de</strong>r <strong>alle</strong> Schüler von <strong>de</strong>r ersten bis zur neunten Klasse<br />

gemeinsam unterrichtet wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Fächer, die unterrichtet wer<strong>de</strong>n, sind Dänisch, Religion, Mathematik<br />

und Sport in <strong>alle</strong>n Klassenstufen, Sachunterricht und Musik von <strong>de</strong>r ersten<br />

bis zur sechsten Klasse, Kunst von <strong>de</strong>r ersten bis zur fünften Klasse,<br />

Englisch von <strong>de</strong>r vierten bis zur neunten Klasse, Textil, Werken und<br />

Hauswirtschaft von <strong>de</strong>r vierten bis zur siebten Klasse, Geschichte von <strong>de</strong>r<br />

dritten bis zur achten Klasse, Geografie und Biologie in <strong>de</strong>r siebten und <strong>de</strong>r<br />

neunten Klasse, Physik und Chemie von <strong>de</strong>r siebten bis zur neunten Klasse,<br />

sowie Sozialwissenschaften in <strong>de</strong>r neunten Klasse. Außer<strong>de</strong>m müssen von<br />

<strong>de</strong>r siebten bis zur neunten Klasse Deutsch und Französisch als zweite<br />

Fremdsprache und von <strong>de</strong>r achten bis zur zehnten Klasse verschie<strong>de</strong>ne<br />

Wahlfächer, wie z.B. Informatik, Theater, Fotografie, eine dritte<br />

Fremdsprache (meist Deutsch o<strong>de</strong>r Französisch), Arbeitslehre, angeboten<br />

wer<strong>de</strong>n, wobei das Erlernen einer zweiten Fremdsprache neben Englisch<br />

obligatorisch ist. 56<br />

Der Unterricht in <strong>de</strong>r „boernehavenklasse“ soll „... as far as possible be<br />

given in the form of play and other <strong>de</strong>veloping activities. It shall en<strong>de</strong>avour<br />

to familiarize the children with thed aily routines of school life.” 57 In <strong>de</strong>r<br />

freiwilligen Zehnten Klasse <strong>de</strong>r „folkeskole” haben die Schüler eine relative<br />

54<br />

Zitat: un<strong>de</strong>rvisningsministeriet: Act on the Folkeskole. The Danish Primary and Lower<br />

Secondary School, Chapter 5, 33.(1). Kopenhagen 1994<br />

55<br />

vgl.: wie 54, Chapter 2, 3. (1)<br />

56<br />

vgl.: wie 54, Chapter 2, 5. (2)<br />

57<br />

Zitat: wie 54, Chapter 2, 11. (1)<br />

29


große Freiheit in <strong>de</strong>r Wahl <strong>de</strong>r Fächer. Den Schülern muss Unterricht in <strong>de</strong>n<br />

Fächern Dänisch Mathematik, Sport, Religion, Sozialwissenschaften,<br />

Englisch und Physik/ Chemie angeboten wer<strong>de</strong>n. 58 Darüber hinaus wer<strong>de</strong>n<br />

meist noch weitere Fächer zur Auswahl gestellt.<br />

Bis zum achten Schuljahr müssen an <strong>de</strong>r „folkeskole“ keine Noten gegeben<br />

wer<strong>de</strong>n, <strong>alle</strong>rdings müssen die Eltern je<strong>de</strong>s halbe Jahr über die Entwicklung<br />

und Leistung ihres Kin<strong>de</strong>s informiert wer<strong>de</strong>n. Dies geschieht in <strong>de</strong>r Form<br />

von schriftlichen Berichten, in <strong>de</strong>nen auch darüber informiert wird, wie<br />

weiterhin <strong>de</strong>r Unterricht geplant wird, um die Entwicklung <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s zu<br />

för<strong>de</strong>rn. 59 Die Notenskala in Dänemark umfasst die Zahlen null bis<br />

dreizehn, wobei dreizehn die beste Note ist. Da in <strong>de</strong>m Gesetz zur<br />

„folkeskole“ nicht festgelegt ist, was die SchülerInnen in <strong>de</strong>n einzelnen<br />

Klassenstufen können müssen und da es als wichtig angesehen wird, dass<br />

die Kin<strong>de</strong>r einer Altersstufe gemeinsam unterrichtet wer<strong>de</strong>n, können<br />

SchülerInnen nicht sitzen bleiben. Allerdings besteht die Möglichkeit <strong>für</strong> die<br />

Eltern beantragen zu können, dass ihr Kind ein Schuljahr wie<strong>de</strong>rholt, wenn<br />

da<strong>für</strong> ausreichen<strong>de</strong> Grün<strong>de</strong> vorhan<strong>de</strong>n sind. 60<br />

Die Anzahl <strong>de</strong>r Schüler einer Klasse in einer „folkeskole“ darf nicht mehr<br />

als 28, in Ausnahmefällen 30, betragen. 61 Die durchschnittliche<br />

Klassenstärke liegt bei 19 SchülerInnen, das Schüler-Lehrer- Quotient bei<br />

10,4. 62<br />

Die Verwaltung und Organisation <strong>de</strong>r „folkeskole“ ist <strong>de</strong>zentral. Der Staat<br />

schafft mit <strong>de</strong>m Gesetz zur „folkeskole“ die Rahmenbedingungen, die<br />

Ausfüllung dieser Rahmenbedingungen obliegt <strong>alle</strong>rdings <strong>de</strong>r „kommune“<br />

und <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> selber, wobei <strong>de</strong>r Einfluss <strong>de</strong>r Eltern auf die <strong>Schule</strong> sehr<br />

58<br />

vgl.: wie 54, Chapter 2, 8.<br />

59<br />

vgl.: wie 54, Chapter 2, 13. (1), (2), (3)<br />

60<br />

vgl.: wie 54, Chapter 2, 12. (1)<br />

61<br />

vgl.: wie 54, Chapter 2, 17. (1)<br />

62<br />

vgl.: wie 53<br />

30


groß ist. Dieser Grundsatz ist im ersten Kapitel <strong>de</strong>s Gesetzes unter <strong>de</strong>n<br />

Zielen <strong>de</strong>r „folkeskole“ festgehalten:<br />

„2. (1) The Folkeskole is a municipal matter. It shall be the responsibility of<br />

the municipal council to ensure all children in the municipality free<br />

education in the Folkeskole. The municipal council shall lay down the<br />

targets and the framework of the activities of the schools within the<br />

provision of this act, cf. section 40.<br />

(2) The individual school shall within the given framework be responsible<br />

for the quality of the teaching in accordance with the aims laid down for the<br />

teaching in the Folkeskole, cf section 1, and it shall itself make <strong>de</strong>cisions in<br />

relation to the planning and organisation of the teaching.<br />

(3) Pupils and parents shall cooperate with the school with a view to<br />

meeting the aims of the folkeskole.” 63<br />

Diese Dezentralisierung sieht in <strong>de</strong>r Praxis so aus, dass je<strong>de</strong> Kommune je<br />

nach Anzahl <strong>de</strong>r Schüler, die zur „folkeskole“ gehen Geld bekommt und<br />

dann selber bestimmt, wohin das Geld neben <strong>de</strong>n laufen<strong>de</strong>n Kosten fließt.<br />

Dieses System hat eine hohe Flexibilität zum Ziel, die es je<strong>de</strong>r „kommune“<br />

ermöglicht, eigene Prioritäten im Bereich <strong>de</strong>r Schulpolitik zu setzen. 64<br />

Aber nicht nur die „kommune“ hat einen Einfluss auf das Profil <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong>,<br />

son<strong>de</strong>rn auch die „skolekommission“ <strong>de</strong>r einzelnen <strong>Schule</strong>n hat einen<br />

großen Einfluss darauf. Die „skolekommission“ besteht aus fünf bis sieben<br />

Elternvertretern, zwei Personalvertretern (mit Personal sind <strong>alle</strong> an <strong>de</strong>r<br />

<strong>Schule</strong> beschäftigten gemeint und nicht nur die Lehrer), zwei<br />

Schülervertretern und <strong>de</strong>m Schulleiter. Die Eltern sind in je<strong>de</strong>m Fall<br />

stimmberechtigt. Ob die Personalvertreter und die Schülervertreter<br />

stimmberechtigt sind, entschei<strong>de</strong>t die „kommune“, <strong>de</strong>r Schulleiter hat<br />

63 Zitat.: wie 54, Chapter 1, 2.<br />

64 vgl.: un<strong>de</strong>rvisiningsministeriet: The Education System in General.<br />

http://www.uvm.dk/eng/publications/1prin/1htm<br />

31


<strong>alle</strong>rdings kein Stimmrecht, wobei stets zu beachten ist, dass die Stimmen<br />

<strong>de</strong>r Eltern die Mehrheit bil<strong>de</strong>n. 65<br />

Das Aufgabenfeld dieser „skolekommission“ ist ziemlich groß, so kann die<br />

„skolekommission“ bei <strong>de</strong>r Einstellung von Lehrern zwischen <strong>de</strong>n<br />

Bewerbern entschei<strong>de</strong>n und hat zusätzlich u.a. die Aufgabe, Prinzipien <strong>für</strong><br />

die Aktivitäten <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong>, die Schulordnung, die Anzahl <strong>de</strong>r<br />

Unterrichtsstun<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n einzelnen Fächern und <strong>de</strong>n Haushalt <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong><br />

zu bestimmen. Darüber hinaus wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r „skolekommission“ die<br />

Lehrmaterialien genehmigt und über das Angebot von<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ entschie<strong>de</strong>n. 66<br />

Nach <strong>de</strong>r neunten Klasse besteht dann die Möglichkeit in <strong>de</strong>n Fächern<br />

Dänisch, Mathematik, Englisch, Physik/ Chemie und Deutsch bzw.<br />

Französisch die „folkeskolens afgangsproeve“ zu absolvieren. Diese<br />

Abschlussprüfung ist eine Zentralprüfung, was be<strong>de</strong>utet, dass <strong>alle</strong> Schüler<br />

eines Jahrgangs dieselben Aufgaben gestellt bekommen, welche im<br />

„un<strong>de</strong>rvisningsministeriet“ ausgearbeitet wer<strong>de</strong>n. 67<br />

Nach <strong>de</strong>m neunten Schuljahr <strong>de</strong>r „folkeskole“ hat man dann die folgen<strong>de</strong>n<br />

Möglichkeiten:<br />

- das zehnte Schuljahr <strong>de</strong>r „folkeskole“ zu besuchen und dann die<br />

„udvi<strong>de</strong><strong>de</strong><br />

absolvieren;<br />

afgangsproeve (erweiterte Abschlussprüfung)“ zu<br />

- auf das dreijährige Gymnasium zu wechseln und dort das<br />

„stu<strong>de</strong>ntereksamen“ zu machen;<br />

- das zehnte Schuljahr an <strong>de</strong>r „folkeskole“ zu absolvieren und dann<br />

die zweijährigen Kurse zum Erlangen <strong>de</strong>s „hoejre<br />

65 vgl.: wie 54, Chapter 6, 42.<br />

66 Vgl.: wie 54, Chapter 6, 44.<br />

67 vgl.: wie 54, Chapter 2, 14. (1), (2), (5)<br />

32


-<br />

forbere<strong>de</strong>lseseksamen (hf) (Höheres Vorbereitungsexamen)“ zu<br />

belegen;<br />

eine <strong>Schule</strong> zu besuchen auf <strong>de</strong>r man eine „erhversfaglige<br />

uddannelse (erwerbsfachliche Ausbildung)“ absolvieren kann;<br />

- eine „individuelle uddannelse (individuelle Ausbildung) zu<br />

durchlaufen. 68<br />

Hat man nach <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> eine min<strong>de</strong>stens einjährige Ausbildung<br />

durchlaufen, besteht außer<strong>de</strong>m die Möglichkeit, eine zwei- o<strong>de</strong>r dreijährige<br />

„erhversgymnasiale uddannelse (erwerbsgymnasiale Ausbildung)“ zu<br />

machen, welche entwe<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m „hoejre han<strong>de</strong>lseksamen (hhx) (höheres<br />

Han<strong>de</strong>lsexamen)“ o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m „hoejre teknisk eksamen (höheres technisches<br />

Examen)“ abgeschlossen wer<strong>de</strong>n kann. Für all die <strong>Schule</strong>n, welche auf <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ aufbauen, ist dann nicht mehr die „kommune“ son<strong>de</strong>rn das<br />

„amt“ zuständig. 69<br />

Das „stu<strong>de</strong>ntereksamen“ und das „hoejere forbere<strong>de</strong>seseksamen“<br />

qualifizieren <strong>für</strong> <strong>alle</strong> weiteren Hochschulausbildungen. Mit <strong>de</strong>m „hoejre<br />

han<strong>de</strong>lseksamen“ und <strong>de</strong>m „hoejre teknisk eksamen“ erhält man die<br />

Zulassung <strong>für</strong> ein Hochschulstudium, sowie die Qualifikation <strong>für</strong> bestimmte<br />

Berufe.<br />

Die „erhversfaglige uddannelse“ bereitet v.a. auf bestimmte Berufe vor,<br />

wobei im Gegensatz zu <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen System aus Berufsschule und Lehre<br />

an einem Betrieb die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n nicht bei einem Betrieb beschäftigt<br />

sind, son<strong>de</strong>rn Schüler an einer bestimmten <strong>Schule</strong> sind und dann zu<br />

verschie<strong>de</strong>nen Zeitpunkten Praktika in <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Betrieben<br />

absolvieren. Nach <strong>de</strong>m Abschluss dieser drei- bis vierjährigen Ausbildung,<br />

68 vgl.: wie 34, S. 64<br />

69 vgl.: wie 34, S. 64<br />

33


ist man nicht nur <strong>für</strong> einen bestimmten Beruf qualifiziert, son<strong>de</strong>rn auch <strong>für</strong><br />

bestimmte Hochschulausbildungen. 70<br />

Zusätzlich dazu gibt es noch zwei Arten „individuelle uddannelse“, die<br />

„erhversgrunduddannelse (egu) (Erwerbsgrundausbildung)“ und die „fri<br />

ungdomsuddannelse (fuu) (freie Jugendausbildung)“, welche bei<strong>de</strong> zwei<br />

Jahre dauern. Diese Ausbildungen sind speziell auf <strong>de</strong>n Einzelnen<br />

ausgerichtet und geben Einblick in verschie<strong>de</strong>ne berufliche Bereiche. 71<br />

Neben <strong>de</strong>m öffentlichen Schulsystem gibt es zahlreiche Privatschulen<br />

(„friskoler“), welche auf eine lange Tradition zurückblicken können. Je<strong>de</strong><br />

dänische Staatsbürgerin und je<strong>de</strong>r dänische Staatsbürger hat das Recht eine<br />

Privatschule zu grün<strong>de</strong>n, wobei <strong>alle</strong>rdings einige grundlegen<strong>de</strong> Dinge<br />

beachtet wer<strong>de</strong>n müssen. 72<br />

Wie schon erwähnt muss <strong>de</strong>r Unterricht <strong>de</strong>m Standard <strong>de</strong>s Unterrichts in <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ entsprechen. Außer<strong>de</strong>m müssen einige räumliche und<br />

hygienische Vorraussetzungen gewährleistet sein. Die Privatschulen haben<br />

aber die Freiheit, ihre <strong>Schule</strong> i<strong>de</strong>ologisch so auszurichten, wie sie möchten,<br />

das Lehrpersonal ihrer <strong>Schule</strong> zu bestimmen - was auch be<strong>de</strong>utet, dass auch<br />

Personen angestellt wer<strong>de</strong>n können, die keine Lehrerausbildung absolviert<br />

haben – und die Schüler ihrer <strong>Schule</strong> auszuwählen. Darüber hinaus haben<br />

sie - eingeschränkt durch die oben genannten Bedingungen – die Freiheit,<br />

ihren Lehrplan zu gestalten. 73<br />

Die <strong>Schule</strong>n wer<strong>de</strong>n zu ca. 80% vom Staat finanziert, wobei die restlichen<br />

20% von <strong>de</strong>n Eltern getragen wer<strong>de</strong>n. Diese Prozentzahlen beziehen sich auf<br />

<strong>de</strong>n Betrag, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Staat <strong>für</strong> eineN SchülerIn <strong>de</strong>r „folkeskole“ aufbringt.<br />

Den <strong>Schule</strong>n ist es nicht erlaubt, mehr als diesen Betrag zu verlangen, was<br />

70 vgl.: wie 5, S. 488 f<br />

71 vgl.: wie 5, S. 488 f<br />

72 vgl.: wie 20, S. 88<br />

73 vgl.: wie 20, S. 88<br />

34


zur Folge hat, dass diese Privatschulen keine elitären <strong>Schule</strong>n, wie dies etwa<br />

in England <strong>de</strong>r Fall ist, sind.<br />

Es gibt zur Zeit ca. 420 „friskoler“ 74 , <strong>de</strong>ren i<strong>de</strong>ologische Ausrichtung sehr<br />

unterschiedlich ist. Es gibt beispielsweise <strong>Schule</strong>n, die religiös ausgerichtet<br />

sind, <strong>Schule</strong>n, die eine bestimmte pädagogische Richtung verfolgen, wie<br />

Steinerschulen (welche bei uns Waldorfschulen heißen) o<strong>de</strong>r Tvindschulen,<br />

<strong>Schule</strong>n <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Min<strong>de</strong>rheit und natürlich <strong>Schule</strong>n, die nach <strong>de</strong>n<br />

Prinzipien Grundtvigs und Kolds, welche als Urväter <strong>de</strong>r „friskole“-<br />

Bewegung gelten, aufgebaut sind. Die Anzahl <strong>de</strong>r SchülerInnen, die eine<br />

„friskole“ besuchen, ist seit <strong>de</strong>m Beginn <strong>de</strong>r achtziger Jahre stark<br />

angestiegen. Besuchten im Schuljahr 1982/83 8% <strong>alle</strong>r SchülerInnen eine<br />

Privatschule 75 , sind es heute schon 13%.<br />

Zusätzlich zu diesen „friskoler“ gibt es noch zwei weitere private<br />

Schulformen, welche in dänischen Schulsystem eine Rolle spielen, die<br />

„efterskole“ und die „folkehoejskole“. Bei<strong>de</strong> Schulformen beruhen auf<br />

I<strong>de</strong>en Grundtvigs und Kolds. Die „efterskole“ ist eine Internatsschule <strong>für</strong><br />

SchülerInnen <strong>de</strong>r achten, neunten und zehnten Klasse. Diese <strong>Schule</strong>n<br />

befin<strong>de</strong>n sich häufig auf <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong> und bieten neben <strong>de</strong>n üblichen<br />

Schulfächern auch viele kreative und praxisorientierte Fächer an. Auch<br />

unter <strong>de</strong>n „efterskoler“ gibt es verschie<strong>de</strong>ne Ausrichtungen, so gibt es<br />

<strong>Schule</strong>n mit <strong>de</strong>m Schwerpunkt Sport o<strong>de</strong>r Theater, aber auch hier fin<strong>de</strong>t<br />

man verschie<strong>de</strong>ne pädagogische Richtungen und natürlich auch viele<br />

<strong>Schule</strong>n, die traditionelle „Grundtvig/Kold“-<strong>Schule</strong>n sind. 76<br />

Die „efterskoler“ wur<strong>de</strong>n lange Zeit von SchülerInnen besucht, die von zu<br />

Hause ausziehen und ein selbständiges Leben führen wollten und von <strong>de</strong>nen<br />

einige schulmü<strong>de</strong> waren. In <strong>de</strong>n letzten Jahren hat die „efterskole“ aber auch<br />

74 vgl.: wie 53<br />

75 vgl.: wie 53<br />

76 vgl.: wie 20, S. 89<br />

35


immer mehr Schüler auf Grund ihrer alternativen Fächer angezogen,<br />

weswegen sie einen <strong>de</strong>utlichen Anstieg <strong>de</strong>r Schülerzahlen v.a. im zehnten<br />

Schuljahr verzeichnete. 77<br />

Ziele <strong>de</strong>r „efterskole“ sind u.a., die Jugendlichen zu Selbständigkeit,<br />

Toleranz und Zusammenarbeit zu erziehen. An vielen „efterskoler“ wird <strong>de</strong>n<br />

SchülerInnen, wie auch an vielen „friskoler“ die Möglichkeit geboten, die<br />

„folkeskolen afgangsproeve“ o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>r zehnten Klasse die „udvi<strong>de</strong><strong>de</strong><br />

afgangsproeve“ zu machen. Da diese Abschlussprüfungen Zentralprüfungen<br />

sind, wird auch an <strong>de</strong>n „efterskoler“ darauf geachtet, dass <strong>de</strong>r Standard <strong>de</strong>s<br />

Unterrichts und die Unterrichtsinhalte <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r „folkeskole“ entsprechen. 78<br />

Die „folkehoejskole“ gehört zu <strong>de</strong>n Institutionen <strong>de</strong>s<br />

Erwachsenenbildungssektors und wur<strong>de</strong> von Grundtvig und Kold begrün<strong>de</strong>t.<br />

Die „folkehoejskole“ bietet Kurse aus <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten Bereichen an,<br />

wobei diese zwischen drei Wochen und fünf Wochen dauern. Während <strong>de</strong>r<br />

Dauer <strong>de</strong>s Kurses, wohnt man in <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong>. Nach Beendigung eines Kurses<br />

erhält man we<strong>de</strong>r Zeugnisse noch sonstige Urkun<strong>de</strong>n, da hinter diesen<br />

<strong>Schule</strong>n das Prinzip <strong>de</strong>s lebenslangen Lernen steht, welches man aus<br />

eigenem Antrieb und nicht auf Grund von Noten, Abschlüssen etc. tut.<br />

Die „folkehoejskoler“ stehen prinzipiell Erwachsenen je<strong>de</strong>n Alters offen,<br />

<strong>alle</strong>rdings sind viele Kurse <strong>de</strong>r „folkehoejskole“ <strong>für</strong> junge Erwachsene<br />

konzipiert, in <strong>de</strong>nen sie herausfin<strong>de</strong>n können, welche Fähigkeiten sie haben<br />

und was sie mit ihrem Leben anfangen wollen. Die „folkehoejskoler“<br />

wer<strong>de</strong>n zwar vom Staat bezuschusst, müssen aber einen Großteil <strong>de</strong>r<br />

laufen<strong>de</strong>n Kosten selber über ihre Schüler finanzieren. Allerdings können<br />

die Schüler auch Zuschüsse zum Schulgeld vom Staat bekommen. Die Zahl<br />

<strong>de</strong>rjenigen, die eine „folkehoejskole“ besuchen, ist <strong>de</strong>rzeit rückläufig,<br />

77<br />

vgl.: Christine Ove Holm und Irene Stelling, Politikerne har kig paa kreative efterskoler.<br />

In: Aktuelt, 10.11.2000<br />

78<br />

vgl. wie 20, S. 89 f<br />

36


weswegen viele <strong>Schule</strong>n versuchen, mit beispielsweise Surfkursen o<strong>de</strong>r<br />

ähnlichem neue Schüler zu gewinnen. 79<br />

Die LehrerInnen, welche an staatlichen dänischen <strong>Schule</strong>n arbeiten, wer<strong>de</strong>n<br />

auf zwei verschie<strong>de</strong>ne Weisen ausgebil<strong>de</strong>t. Die „folkeskole“ – LehrerInnen<br />

müssen vier Jahre an einem „seminarium“ studieren. Während dieses<br />

Studiums muss <strong>de</strong>r Bereich „kristendomskundskab/livsoplysning“<br />

(„Religion/ Lebensaufklärung“, wobei <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>r „Lebensaufklärung“<br />

sich an die Zeit <strong>de</strong>r Aufklärung anlehnt), sowie die Fächer Didaktik,<br />

Psychologie, Pädagogik und <strong>Schule</strong> in <strong>de</strong>r Gesellschaft abge<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n.<br />

Darüber hinaus müssen vier „linjefag“ (Unterrichtsfächer, die dann an <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ unterrichtet wer<strong>de</strong>n) gewählt wer<strong>de</strong>n, wobei eins dieser Fächer<br />

entwe<strong>de</strong>r Mathematik o<strong>de</strong>r Dänisch sein muss und min<strong>de</strong>stens zwei weitere<br />

Fächer entwe<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m geisteswissenschaftlichen, <strong>de</strong>m<br />

naturwissenschaftlichen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m praktisch-musischen Bereich. Weiterhin<br />

müssen zwei längere Praktika absolviert wer<strong>de</strong>n. 80<br />

Die Lehrer am „gymnasium“ wer<strong>de</strong>n im Gegensatz zu <strong>de</strong>n „folkeskole“-<br />

LehrerInnen an Universitäten ausgebil<strong>de</strong>t. Sie müssen zwei<br />

Unterrichtsfächer studieren und Seminare zu Pädagogik und Didaktik<br />

belegen. Nach Abschluss ihres Studiums wer<strong>de</strong>n sie direkt an einem<br />

„gymnasium“ angestellt und erhalten das normale Gehalt, müssen aber in<br />

<strong>de</strong>n ersten zwei Jahren das „paedagogikum“ absolvieren, welches vom<br />

Aufbau mit unserem Refrendariat zu vergleichen ist, aber nicht dieselbe<br />

Wertigkeit hat. 81<br />

Die Lehrer an <strong>de</strong>n Privatschulen haben keine vorgeschriebene Ausbildung<br />

zu absolvieren und es kommt dort durchaus vor, dass v.a. in <strong>de</strong>n praktischen<br />

79 vgl.: un<strong>de</strong>rvisningsministeriet. Hvad er en folkehoejskole? Kopenhagen 1999<br />

80 vgl.: un<strong>de</strong>rvisningsministeriet, Bekendtgoerelsen af lov om uddannelse af laereren til<br />

folkeskolen. Kopenhagen 2000, kapitel 1, § 2,<br />

http://www.uvm.dk/lov/lbk/2000/0000981.htm<br />

81 vgl.: wie 20, S.77<br />

37


Fächern wie Metall- o<strong>de</strong>r Holzverarbeitung, Gartenbau, Tierpflege o<strong>de</strong>r<br />

Kunst gelernte Handwerker o<strong>de</strong>r auch Autodidakten unterrichten.<br />

2.3 Ziele und Prinzipien <strong>de</strong>r „folkeskole“<br />

Die Ziele und Prinzipien, nach <strong>de</strong>nen die „folkeskole“ aufgebaut ist und<br />

nach <strong>de</strong>nen unterrichtet wird, bil<strong>de</strong>n eine Grundlage <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Aufbau <strong>de</strong>r<br />

son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung im dänischen Schulsystem. Deswegen<br />

sollen die wichtigsten Ziele und Prinzipien in diesem Kapitel erläutert<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Die wichtigsten übergreifen<strong>de</strong>n Ziele <strong>de</strong>r „folkeskole“ wer<strong>de</strong>n direkt in <strong>de</strong>m<br />

ersten Kapitel <strong>de</strong>s Gesetzes zur „folkeskole“ beschrieben und bil<strong>de</strong>n somit<br />

die Grundlage dieses Gesetzes. Dort steht unter <strong>de</strong>r Überschrift „The Aims<br />

of the Folkeskole“:<br />

„1. (1) The Folkeskole shall – in cooperation with the parents – further the<br />

pupils´ acquisition of knowledge, skills, working methods and ways of<br />

expressing themselves and thus contribute to the all-round personal<br />

<strong>de</strong>velopment of the individual pupil.<br />

(2) The folkeskole shall en<strong>de</strong>avour to create such opportunities for<br />

experience, industry and absorption that the pupils <strong>de</strong>velop awareness,<br />

imagination and an urge to learn, so that they acquire confi<strong>de</strong>nce in their<br />

own possibilities and a background for forming in<strong>de</strong>pen<strong>de</strong>nt judgements and<br />

for taking personal action.<br />

(3) The Folkeskole shall familiarize the pupils with Danish culture and<br />

contribute to their un<strong>de</strong>rstanding of others cultures and of man´s interaction<br />

with nature. The school shall prepare the pupils for active participation,<br />

38


joint responsibility, rights and duties in a society based on freedom and<br />

<strong>de</strong>mocracy. The teaching of the school and its daily life must therefor build<br />

on intellectual freedom, equality and <strong>de</strong>mocracy.“ 82<br />

Diese Ziele zeigen <strong>de</strong>utlich, dass die Aufgabe <strong>de</strong>r „folkeskole“ weit über die<br />

<strong>de</strong>r reinen Wissensvermittlung hinausgeht, statt<strong>de</strong>ssen wird ein Unterricht<br />

angestrebt, welcher so differenziert ist, dass er <strong>de</strong>n Fähigkeiten und<br />

Voraussetzungen <strong>de</strong>r einzelnen SchülerInnen gerecht wird und <strong>de</strong>ren<br />

Entwicklung för<strong>de</strong>rn soll. Wichtig ist dabei, dass die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Entwicklung an <strong>de</strong>n Interessen und Begabungen <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s orientiert ist<br />

und die SchülerInnen aktiv in <strong>de</strong>n Lernprozess eingebun<strong>de</strong>n sind.<br />

Das Prinzip <strong>de</strong>r Unterrichtsdifferenzierung wird somit, v.a. seit <strong>de</strong>r<br />

Einführung <strong>de</strong>r ungeteilten <strong>Schule</strong>, in <strong>de</strong>r <strong>alle</strong> Schüler während <strong>de</strong>r<br />

gesamten Schulzeit in <strong>de</strong>r „folkeskole“ gemeinsam unterrichtet wer<strong>de</strong>n<br />

sollen, mit <strong>de</strong>m Gesetz zur „folkeskole“ von 1993, als wichtigstes Ziel<br />

angesehen. Dabei wird die Meinung vertreten, „dass es das Beste <strong>für</strong> die<br />

SchülerInnen und die Gesellschaft ist, dass es ein gemeinsames Angebot <strong>für</strong><br />

Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche ungeachtet von Geschlecht, ethnischer und sozialer<br />

Zugehörigkeit und ungeachtet <strong>de</strong>r Lernvoraussetzungen und Lernpotentiale,<br />

gibt.“ 83 Diese Art <strong>de</strong>s Unterrichtens wird auch als Grundlage da<strong>für</strong> gesehen,<br />

die SchülerInnen auf das Leben und Mitbestimmen in einer <strong>de</strong>mokratischen<br />

Gesellschaft vorzubereiten. 84<br />

Dabei haben progressive Unterrichtstheorien und Metho<strong>de</strong>n wie Projektund<br />

Gruppenarbeit eine lange Tradition, wobei diese Metho<strong>de</strong>n oftmals mit<br />

<strong>de</strong>n Prinzipien von Grundtvig und Kold verbun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Die „folkelige“<br />

Tradition und das Lernen nach <strong>de</strong>m dialogischen Prinzip, wo SchülerInnen<br />

und LehrerInnen gemeinsam <strong>de</strong>n Unterricht gestalten, hat in diesem<br />

82 vgl.: wie 54, Chapter 1, 1. (1)-(3)<br />

83 Zitat : Kirsten Krogh-Jespersen u.a., Inspiration til un<strong>de</strong>rvisningsdifferentiering.<br />

Un<strong>de</strong>rvisningsministeriets forlag. Kopenhagen 1998, S.16,<br />

84 vgl.: wie 83<br />

39


Zusammenhang eine große Be<strong>de</strong>utung <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Unterricht nicht nur an <strong>de</strong>n<br />

Privatschulen, son<strong>de</strong>rn auch an <strong>de</strong>r „folkeskole“. Durch die Synthese <strong>de</strong>r<br />

progressiven Unterrichtstheorien mit <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r dänischen Tradition und<br />

Geschichte verwurzelten I<strong>de</strong>en Grundtvigs, ist diese Art <strong>de</strong>s Unterrichtens<br />

in großen Teilen <strong>de</strong>r Bevölkerung und bei einem breitem Spektrum <strong>de</strong>r<br />

Politiker akzeptiert. 85<br />

Ein weiteres sehr wichtiges Ziel ist, wie schon erwähnt, die Vermittlung von<br />

<strong>de</strong>mokratischen Prinzipien, wobei diese Prinzipien nicht nur im Unterricht<br />

vermittelt wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn die „folkeskole“ auch nach <strong>de</strong>mokratischen<br />

Prinzipien aufgebaut ist. Die Schüler wer<strong>de</strong>n in viele<br />

Entscheidungsprozesse, gegebenenfalls auch in die Wahl <strong>de</strong>r<br />

Unterrichtsmetho<strong>de</strong>, miteinbezogen und sind verantwortlich <strong>für</strong> die<br />

Entscheidungen, welche sie treffen. 86<br />

„The establishment of working methods and the selection of subject-matter<br />

shall as far as possible take place in cooperation between the teacher and<br />

pupils.“ 87<br />

Dies be<strong>de</strong>utet auch, dass <strong>für</strong> die LehrerInnen Metho<strong>de</strong>nfreiheit gilt, aber<br />

auch in <strong>de</strong>r Wahl <strong>de</strong>r Unterrichtsinhalte sind sie weitgehend freigestellt. In<br />

<strong>de</strong>m Gesetz zur „folkeskole“ wird nur <strong>de</strong>r Rahmen <strong>für</strong> die einzelnen Fächer<br />

festgesetzt und vorgegeben, in welchen Klassenstufen die einzelnen Fächer<br />

unterrichtet wer<strong>de</strong>n sollen. Die Ausgestaltung <strong>de</strong>s Rahmens, <strong>de</strong>n das Gesetz<br />

gibt, ist Aufgabe <strong>de</strong>r „kommune“, <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong>, <strong>de</strong>r LehrerInnen, <strong>de</strong>r Eltern<br />

und wie schon erwähnt auch <strong>de</strong>r SchülerInnen. 88 Es gibt zwar auch<br />

staatliche Lehrpläne, diese sind <strong>alle</strong>rdings nicht verpflichtend und als<br />

Anregung zur Unterrichtsplanung konzipiert.<br />

85 vgl.: wie 34, S.72<br />

86 vgl.: un<strong>de</strong>rvisningsministeriet: Principles and Issues in Education: Chapter 1: The<br />

Education System in General. http://www.uvm.dk.eng.publications/1prin/1htm<br />

87 Zitat: wie 53, Chapter 2, 18. (4)<br />

88 vgl.: wie 53, Chapter 2<br />

40


Diese Freiheit in <strong>de</strong>r Gestaltung <strong>de</strong>s Unterrichts ermöglicht es auch, <strong>de</strong>n<br />

Unterricht auf die Bedürfnisse und Voraussetzungen <strong>de</strong>r SchülerInnen<br />

auszurichten.<br />

„The organisation of the teaching, including the choice of teaching and<br />

working methods, teaching materials and the selection of subject-matter,<br />

shall in each subject live up to the aims of the Folkeskole and shall be<br />

varied so that it corresponds to the needs and prerequisites of the individual<br />

pupil.“ 89<br />

Man kann also zusammenfassend sagen, dass die „folkeskole“ nach<br />

<strong>de</strong>mokratischen Strukturen aufgebaut ist, wodurch Schüler, Eltern, Lehrer,<br />

„kommune“ und Staat auf verschie<strong>de</strong>nen Ebenen <strong>de</strong>n Lernprozess gestalten.<br />

<strong>Eine</strong>s <strong>de</strong>r wichtigsten Ziele <strong>de</strong>r „folkeskole“ ist es dabei, eine „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>alle</strong>“ zu sein, in <strong>de</strong>r <strong>alle</strong> Schüler ihren Voraussetzungen und Interessen<br />

entsprechend geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n sollen. Diese Zielsetzung wür<strong>de</strong>, wür<strong>de</strong> sie<br />

konsequent durchgezogen wer<strong>de</strong>n, eine son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung, egal<br />

an welchem Ort, überflüssig machen, da bereits eine optimale För<strong>de</strong>rung<br />

durch <strong>de</strong>n differenzierten, auf die Voraussetzungen <strong>de</strong>s einzelnen Kin<strong>de</strong>s<br />

zugeschnittenen Unterricht geleistet wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Nach <strong>de</strong>m aktuellen<br />

Gesetz zur „folkeskole“ soll versucht wer<strong>de</strong>n, diesem Ziel so nah wie<br />

möglich zu kommen.<br />

89 Zitat: wie 53, Chapter 2, 18. (1)<br />

41


2.4 Resümee und aktuelle Diskussion<br />

Insgesamt gesehen ist das dänische Schulsystem ein sehr flexibles System,<br />

dass u.a. aufgrund <strong>de</strong>s ausgeprägten Privatschulsystems viele<br />

Bildungsalternativen bil<strong>de</strong>t. Diese Vielfalt ist gera<strong>de</strong> im Hinblick auf die<br />

Größe <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s sehr erstaunlich. Auch das Regelschulsystem, und hierbei<br />

v.a. die „folkeskole“, ist durch ein hohes Maß an Flexibilität<br />

gekennzeichnet.<br />

Durch die Mitbestimmungs- und Gestaltungsmöglichkeiten und –rechte, ist<br />

es „kommuner“, <strong>Schule</strong>n, Eltern, LehrerInnen und SchülerInnen möglich,<br />

auf Probleme und unterschiedliche Voraussetzungen schnell zu reagieren<br />

und <strong>de</strong>n Unterricht sowie das Angebot und die Prioritäten <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong><br />

daraufhin auszurichten. Das dänische Schulsystem ist <strong>de</strong>swegen auch im<br />

letzten Jahr von <strong>de</strong>r Bertelsmannstiftung als eines <strong>de</strong>r fortschrittlichsten<br />

Systeme Europas ausgezeichnet wor<strong>de</strong>n.<br />

Trotz diesem so fortschrittlichen und flexiblen System ist die Kritik, v.a. an<br />

<strong>de</strong>r „folkeskole“ in Dänemark momentan sehr groß. Die Kritikpunkte und<br />

Probleme sind dabei <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen und an<strong>de</strong>ren europäischen<br />

Schulsystemen teilweise recht ähnlich. Die Diskussion über das Niveau <strong>de</strong>s<br />

Unterrichts spielt dabei eine große Rolle.<br />

Dänische SchülerInnen haben in verschie<strong>de</strong>nen internationalen<br />

Untersuchungen zu Lese- und Schreibfähigkeiten sehr schlecht<br />

abgeschnitten und lan<strong>de</strong>n in diesen Kategorien auch im Vergleich mit <strong>de</strong>n<br />

an<strong>de</strong>ren skandinavischen Län<strong>de</strong>rn auf <strong>de</strong>m letzten Platz. Diesen<br />

Untersuchungen zu Folge haben ein Drittel <strong>de</strong>r SchülerInnen <strong>de</strong>r siebten<br />

Klasse große Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben.<br />

Außer<strong>de</strong>m hat die starke Dezentralisierung <strong>de</strong>s Schulsystems zur Folge, dass<br />

<strong>de</strong>r Unterschied zwischen <strong>de</strong>n einzelnen „folkeskoler“ relativ groß ist.<br />

42


Dieser Trend wur<strong>de</strong> auch dadurch verstärkt, dass man seine Kin<strong>de</strong>r nicht<br />

mehr auf die <strong>Schule</strong> in <strong>de</strong>r Nachbarschaft schicken muss, son<strong>de</strong>rn dass man<br />

eine beliebige „folkeskole“ innerhalb <strong>de</strong>r „kommune“ wählen kann. Diese<br />

Wahlfreiheit hat u.a. zur Folge, dass an einigen <strong>Schule</strong>n <strong>de</strong>r Anteil<br />

ausländischer SchülerInnen zwischen 80 und 100% beträgt, obwohl <strong>de</strong>r<br />

Auslän<strong>de</strong>ranteil in <strong>de</strong>n Schulbezirken wesentlich niedriger ist. <strong>Eine</strong>n hohen<br />

Auslän<strong>de</strong>ranteil <strong>de</strong>uten dann viele Eltern als ein Zeichen mangeln<strong>de</strong>r<br />

Qualität <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong>.<br />

Ein <strong>de</strong>utliches Zeichen <strong>für</strong> die Unzufrie<strong>de</strong>nheit <strong>de</strong>r dänischen Bevölkerung<br />

mit <strong>de</strong>n staatlichen <strong>Schule</strong>n ist die steigen<strong>de</strong> Anzahl <strong>de</strong>r Eltern, die ihre<br />

Kin<strong>de</strong>r auf eine Privatschule schicken. Aber auch die LehrerInnen scheinen<br />

mit ihrem Arbeitsplatz nicht mehr zufrie<strong>de</strong>n zu sein. Zeitungsberichten zu<br />

Folge hört ein Fünftel <strong>de</strong>r „folkeskole“- Lehrer bereits nach fünf Jahren mit<br />

<strong>de</strong>m Schuldienst auf und die Anzahl <strong>de</strong>r Lehramtsstudieren<strong>de</strong>n ist in <strong>de</strong>n<br />

letzten Jahren gesunken. Diese Entwicklungen haben zu einem<br />

LehrerInnenmangel geführt, welcher in <strong>de</strong>n nächsten Jahren noch wachsen<br />

wird.<br />

Die Grün<strong>de</strong> <strong>für</strong> dieses Problem sind vielschichtig und auch nur schwer zu<br />

benennen. Ein Grund ist meines Erachtens, dass die vom Gesetz erhobenen<br />

Ziele und Ansprüche in <strong>de</strong>r Realität nur schwer umsetzbar sind. Man muss<br />

schon ein „Superlehrer“ sein, um diesen Ansprüchen gerecht zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Außer<strong>de</strong>m wird v.a. <strong>de</strong>r Unterrichtsdifferenzierung in <strong>de</strong>r Lehrerausbildung<br />

noch zu wenig Gewicht beigemessen. Zwar soll die<br />

Unterrichtsdifferenzierung in <strong>de</strong>n Didaktik- und<br />

Fachdidaktikveranstaltungen vorgestellt, erläutert, diskutiert und konkrete<br />

Vorschläge zur Umsetzung gemacht wer<strong>de</strong>n, <strong>alle</strong>rdings erklärte mir ein<br />

Dozent eines „seminarium“ <strong>für</strong> „folkeskole“- LehrerInnen, dass es von <strong>de</strong>n<br />

DozentInnen abhängt, ob das Thema besprochen wird o<strong>de</strong>r nicht. Die<br />

Möglichkeiten zur Durchführung <strong>de</strong>r Unterrichtsdifferenzierung wür<strong>de</strong>n<br />

oftmals nicht vermittelt. Dies bestätigte mir auch ein „folkeskole“- Lehrer-<br />

43


Stu<strong>de</strong>nt, <strong>de</strong>r auf meine Frage, ob er während seines bisherigen Studiums<br />

etwas über Unterrichtsdifferenzierung gelernt hätte, antwortete, dass <strong>de</strong>r<br />

Begriff durchaus schon einmal gef<strong>alle</strong>n wäre, er aber überhaupt keine<br />

Vorstellungen davon hätte, wie er seinen Unterricht differenzieren solle.<br />

Auch haben die LehrerInnen die Freiheit <strong>de</strong>r Wahl ihrer Unterrichtsmetho<strong>de</strong><br />

und beurteilen selber, wie weit sie ihren Unterricht <strong>de</strong>n Voraussetzungen<br />

und Fähigkeiten ihrer Schüler entsprechend differenzieren können.<br />

Ein Grund <strong>für</strong> die Niveaudiskussion in Dänemark ist u.a. das Fehlen<br />

verbindlicher, staatlicher Richtlinien und Lehrpläne <strong>für</strong> die einzelnen<br />

Fächer. Zumin<strong>de</strong>st wird im Moment diskutiert, ob nicht genauer festgelegt<br />

wer<strong>de</strong>n sollte, was die SchülerInnen in <strong>de</strong>n einzelnen Fächern in <strong>de</strong>n<br />

jeweiligen Klassenstufen können sollen und welche Themen besprochen<br />

wer<strong>de</strong>n sollen. Dabei wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n momentanen Regierungsparteien<br />

sowie von einigen Oppositionsparteien Vorschläge erarbeitet, wie solche<br />

Lehrpläne aussehen könnten und auf welcher Ebene („kommune“, „amt“<br />

o<strong>de</strong>r Staat) sie ausgearbeitet wer<strong>de</strong>n sollen. Mir ist dabei <strong>alle</strong>rdings unklar,<br />

wie das Festlegen von Unterrichtsinhalten und Fähigkeiten, welche die<br />

SchülerInnen zu einem bestimmten Zeitpunkt können müssen, mit <strong>de</strong>r<br />

Zielsetzung, <strong>de</strong>n Unterricht auf die Fähigkeiten und Voraussetzungen <strong>de</strong>s<br />

einzelnen Kin<strong>de</strong>s auszurichten, verbun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n kann.<br />

44


3. „Specialun<strong>de</strong>rvisning“ – son<strong>de</strong>rpädagogische<br />

För<strong>de</strong>rung im dänischen Schulsystem<br />

3.1 Zur geschichtlichen Entwicklung <strong>de</strong>r<br />

Son<strong>de</strong>rpädagogik und <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ in<br />

Dänemark<br />

Wie schon zuvor erwähnt wur<strong>de</strong> im Jahre 1814 die Unterrichtspflicht <strong>für</strong><br />

<strong>alle</strong> Kin<strong>de</strong>r zwischen sieben und vierzehn Jahren eingeführt. Diese<br />

Unterrichtspflicht bezog sich jedoch nicht wortwörtlich auf <strong>alle</strong> Kin<strong>de</strong>r, so<br />

galten beispielsweise geistigbehin<strong>de</strong>rte Kin<strong>de</strong>r und Kin<strong>de</strong>r mit an<strong>de</strong>ren die<br />

Sinne betreffen<strong>de</strong>n Behin<strong>de</strong>rungen als „uun<strong>de</strong>rviselig (ununterrichtbar)“,<br />

eine Bezeichnung, die erst 1980 abgeschafft wur<strong>de</strong>.<br />

Trotz<strong>de</strong>m entstan<strong>de</strong>n im 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt, angeregt durch in Entwicklung in<br />

an<strong>de</strong>ren europäischen Län<strong>de</strong>rn wie z.B. England, die ersten <strong>Schule</strong>n und<br />

Institutionen <strong>für</strong> von Behin<strong>de</strong>rung betroffenen Menschen, 90 welche zuvor in<br />

„Verwahranstalten“ wie „fattiggaar<strong>de</strong> (Armenhöfe)“, „sindsygehospitaler<br />

(Irrenanstalt)“ o<strong>de</strong>r in „tvangsarbej<strong>de</strong>anstalter (Zwangsarbeitsanstalten)“<br />

untergebracht waren. 91 Im Jahre 1807 wur<strong>de</strong> die erste staatliche <strong>Schule</strong> <strong>für</strong><br />

Taube errichtet, 1811 entstand auf Grund einer privaten Initiative eine<br />

<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> Blin<strong>de</strong> und im Jahre 1855 eine <strong>Schule</strong> <strong>für</strong> Geistigbehin<strong>de</strong>rte. Die<br />

Unterrichtspflicht wur<strong>de</strong> dann 1871 auf taube und 1926 auf blin<strong>de</strong> Kin<strong>de</strong>r<br />

erweitert. 92<br />

1845 wur<strong>de</strong> in Kopenhagen erstmals <strong>de</strong>r Versuch gemacht, Kin<strong>de</strong>r die <strong>de</strong>m<br />

normalen Unterricht nicht folgen konnten, in einer „ekstraskole<br />

90 vgl.: I. Skov-Joergensen, Historisk Strejftog. In: Specialun<strong>de</strong>rvisningshaandbog.<br />

Gyl<strong>de</strong>ndalsk Boghan<strong>de</strong>l. Kopenhagen 1999, S. 310<br />

91 vgl.: Birgit Kirkebaek, Spaendingsfelt mellem almenpaedagogik og specialpaedagogik.<br />

In: Tidsskriftet KVAN. Aarhus Dag- og Aftenseminarium. Aarhus 2000, S. 31<br />

45


(Extraschule)“, welche später in „saerklasser (Son<strong>de</strong>rklassen)“ umgewan<strong>de</strong>lt<br />

wur<strong>de</strong>, zu unterrichten. Dieser Versuch setzte sich <strong>alle</strong>rdings nicht durch.<br />

1900 wur<strong>de</strong> dann, auch in Kopenhagen, nach Leipziger Vorbild die erste<br />

Hilfsklasse <strong>für</strong> SchülerInnen mit Lernschwierigkeiten eingerichtet. Schon<br />

1908 wur<strong>de</strong>n diese eine feste Einrichtung und so populär, dass ca. die Hälfte<br />

<strong>alle</strong>r Schüler <strong>de</strong>r „kommune“ zu dieser <strong>Schule</strong> ging. Außer<strong>de</strong>m entstand<br />

1909 die erste Ganztagsschule „Dagarbej<strong>de</strong>skole for forbry<strong>de</strong>riske og<br />

forsoemte drenge (Tagesarbeitsschule <strong>für</strong> verbrecherische und verwahrloste<br />

Jungen)“, <strong>de</strong>ren Schüler man heute wahrscheinlich als<br />

„erziehungsschwierig“ o<strong>de</strong>r „verhaltensauffällig“ bezeichnen wür<strong>de</strong>. 93<br />

Auch in an<strong>de</strong>ren Bereichen wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

weiterentwickelt. Im Jahre 1916 entstand eine Klasse <strong>für</strong> „svagthoeren<strong>de</strong><br />

(schwachhören<strong>de</strong>)“, 1927 eine Klasse <strong>für</strong> „svagtseen<strong>de</strong> (schwachsehen<strong>de</strong>)“<br />

und 1935 eine <strong>für</strong> „laeseretar<strong>de</strong>re<strong>de</strong> (leseschwache)“ Kin<strong>de</strong>r, ca. 30 Jahre<br />

später (1961 und 1967) wur<strong>de</strong>n zusätzlich dazu noch eine Klasse <strong>für</strong><br />

„bevaegelseshaemme<strong>de</strong> (bewegungsbehin<strong>de</strong>rte)“ und „psykotiske“ Kin<strong>de</strong>r<br />

errichtet. Alle diese Klassen waren an <strong>de</strong>r „folkeskole“ errichtet wor<strong>de</strong>n,<br />

während <strong>de</strong>r Unterricht <strong>für</strong> schwerbehin<strong>de</strong>rte Kin<strong>de</strong>r von 1924 bis 1980 in<br />

<strong>de</strong>r Verantwortung <strong>de</strong>s Sozialministeriums lag. 94<br />

Die SchülerInnen in <strong>de</strong>n Son<strong>de</strong>rklassen <strong>de</strong>r „folkeskole“ wur<strong>de</strong>n von<br />

„folkeskole“-Lehrern unterrichtet, <strong>alle</strong>rdings wur<strong>de</strong>n 1931 an <strong>de</strong>r<br />

„laererhoejskole (Lehrerhochschule)“ erste Kurse <strong>für</strong> „hjaelpeklasselaerer<br />

(Hilfsklassenlehrer)“ angeboten und 1933 wur<strong>de</strong> die Weiterbildung zum<br />

„talelaerer („Sprechlehrer“, Lehrer <strong>für</strong> Sprachbehin<strong>de</strong>rte)“ errichtet, aus <strong>de</strong>r<br />

später die Ausbildung zum „speciallaerer („Spezi<strong>alle</strong>hrer“,<br />

Son<strong>de</strong>rschullehrer)“ entstand. 95<br />

92<br />

vgl.: wie 90, S.310 f<br />

93<br />

vgl.: Niels Egelund, Specialpaedagogikkens landskab. In: Tidsskriftet KVAN. Aarhus<br />

Dag- og Aftenseminarium. Aarhus, 2000, S. 21<br />

94<br />

vgl.: wie 90, S. 312<br />

95<br />

vgl.: wie 93, S. 21<br />

46


In <strong>de</strong>m Gesetz zur „folkeskole“ von 1937 wird erstmals <strong>de</strong>r<br />

„saerun<strong>de</strong>rvisning (Son<strong>de</strong>runterricht)“ erwähnt und die „folkeskole“ bedingt<br />

dazu verpflichtet diesen durchzuführen. 96 Seit 1943 war es dann möglich<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ zusätzlich zu <strong>de</strong>m „normalen“ Unterricht <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ zu erhalten. 97<br />

Zu Än<strong>de</strong>rungen in <strong>de</strong>r Ausbildung <strong>de</strong>r LehrerInnen <strong>für</strong> <strong>de</strong>n<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ kam es 1944, in <strong>de</strong>m verschie<strong>de</strong>ne weiterbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

Kurse angeboten wur<strong>de</strong>n, wie z.B. einen acht bis neun Wochen dauern<strong>de</strong>n<br />

Kurs <strong>für</strong> Hilfsschullehrer, einen vierzehntägigen Kurs <strong>für</strong> das Unterrichten<br />

von „laeseretar<strong>de</strong>re<strong>de</strong>“ Kin<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r einen sechstägigen Kurs <strong>für</strong> <strong>de</strong>n<br />

Unterricht von „svagtbegaeve<strong>de</strong> (schwachbegabten)“ Kin<strong>de</strong>rn innerhalb <strong>de</strong>s<br />

regulären Unterrichts. 98 In <strong>de</strong>mselben Jahr wur<strong>de</strong> an <strong>de</strong>r Universität<br />

Kopenhagen eine Ausbildung zum Psychologen eingerichtet, welche auch<br />

zu <strong>de</strong>r Arbeit <strong>de</strong>s schulpsychologischen Dienstes vorbereiten sollte. Dieser<br />

schulpsychologische Dienst begann 1934 in verschie<strong>de</strong>nen „kommunen“<br />

seine Arbeit und ist <strong>de</strong>r Vorläufer <strong>de</strong>s „Paedagogisk Psykologisk<br />

Raadgivning (PPR) (Pädagogisch Psychologische Beratung)“, welcher heute<br />

eine wichtige Rolle in verschie<strong>de</strong>nen Bereichen <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

hat. 99<br />

Wur<strong>de</strong>n bis zu dieser Zeit v.a. diejenigen unterrichtet, die <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />

in irgen<strong>de</strong>iner Weise „nutzen“ konnten, wur<strong>de</strong> dieser Zustand mit <strong>de</strong>r<br />

Menschenrechtserklärung von 1948 geän<strong>de</strong>rt, in<strong>de</strong>m je<strong>de</strong>m Menschen ein<br />

Recht auf Bildung und Unterricht zugesprochen wur<strong>de</strong>. 100 So kam es in <strong>de</strong>n<br />

fünfziger Jahren zu einer Reihe Sozialgesetzen <strong>für</strong> blin<strong>de</strong>, taube und<br />

geistigbehin<strong>de</strong>rter Menschen. 1959 wird beispielsweise die „un<strong>de</strong>rvisnings-<br />

96<br />

vgl.: wie 90, S. 312<br />

97<br />

vgl.: Hans Clausen, Specialun<strong>de</strong>rvisning – hvilken vej? In: Dansk paedagogisk Tidsskrift<br />

6/98, S. 4<br />

98<br />

vgl.: wie 93, S. 22<br />

99<br />

vgl.: wie 90, S. 312<br />

47


og oplaeringspligt (Unterrichts- und Anlernpflicht)“ <strong>für</strong> Geistigbehin<strong>de</strong>rte<br />

zwischen sieben und einundzwanzig Jahren eingeführt und es kommt zu <strong>de</strong>r<br />

Errichtung von Institutionen und <strong>Schule</strong>n <strong>für</strong> diese SchülerInnengruppe.<br />

Aufgrund <strong>de</strong>r Größe <strong>de</strong>r dänischen Bevölkerung gab es nicht sehr viele<br />

dieser Einrichtungen, weswegen diese in <strong>de</strong>r Regel Internate waren, wo die<br />

SchülerInnen <strong>de</strong>n Großteil <strong>de</strong>s Jahres wohnten. 101<br />

Auch die „saerklasser“ an <strong>de</strong>r „folkeskole“ entwickelten sich in dieser Zeit<br />

weiter und mit <strong>de</strong>m Gesetz zur „folkeskole“ von 1958 wur<strong>de</strong> die<br />

„folkeskole“ dazu verpflichtet „saerun<strong>de</strong>rvisning“ <strong>für</strong> Schüler aus <strong>de</strong>n<br />

Bereichen „svagt syn (schwache Augen)“, „svag hoerelse (schwaches<br />

Gehör)“, „talevanskelighe<strong>de</strong>r (Sprachschwierigkeiten)“, „smaa evner<br />

(kleine, geringe Fähigkeiten)“ und „laesevanskelighe<strong>de</strong>r<br />

(Leseschwierigkeiten)“ durchzuführen. 102 In <strong>de</strong>mselben Jahr wur<strong>de</strong> auch<br />

erstmals „specialun<strong>de</strong>rvisning“ als Wahlfach in <strong>de</strong>r Lehrerausbildung<br />

angeboten. 103<br />

Da viele von Behin<strong>de</strong>rung betroffene SchülerInnen in Institutionen und<br />

Internaten weit weg von ihrem Elternhaus untergebracht waren, kam es seit<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r fünfziger Jahre immer häufiger zu Elternprotesten, die for<strong>de</strong>rten,<br />

dass ihre Kin<strong>de</strong>r zu einer <strong>Schule</strong> in <strong>de</strong>r „kommune“ gehen konnten, damit<br />

diese die Möglichkeit hatten zuhause zu wohnen. 104<br />

Das hatte zur Folge, dass es bereits 1961 zu einem Versuch in Herning,<br />

einer Kleinstadt in Jütland, kam, wo an einer „folkeskole“ erstmals<br />

sogenannte „centerklasser“ eingerichtet wur<strong>de</strong>n. In diesen „centerklasser“<br />

wur<strong>de</strong>n behin<strong>de</strong>rte SchülerInnen aus <strong>de</strong>m Umkreis unterrichtet, welche<br />

vorher in Son<strong>de</strong>rinstitutionen o<strong>de</strong>r -internaten unterrichtet wor<strong>de</strong>n waren.<br />

100 vgl. wie 91, S. 32<br />

101 vgl.: wie 90, S. 312<br />

102 vgl.: wie 90, S. 312<br />

103 vgl.: wie 93, S. 22<br />

48


Diese „centreklasser“ waren zwar vom räumlichen in die „folkeskole“<br />

integriert, <strong>de</strong>ren SchülerInnen wur<strong>de</strong>n aber nur in diesen Klassen<br />

unterrichtet und nahmen nicht an <strong>de</strong>m regulären Unterricht <strong>de</strong>r „folkeskole“<br />

teil.<br />

Zusätzlich dazu wur<strong>de</strong> versucht einige behin<strong>de</strong>rte Kin<strong>de</strong>r, dabei vor <strong>alle</strong>m<br />

taube und blin<strong>de</strong> Kin<strong>de</strong>r, ganz in die Regelklassen <strong>de</strong>r „folkeskole“ zu<br />

integrieren. 105 Dieser Versuch fand großen Anklang und v.a. die<br />

„centerklasser“ als Alternative zu <strong>de</strong>n Son<strong>de</strong>rinstitutionen setzten sich<br />

immer mehr durch. Auch die Versuche, behin<strong>de</strong>rte Kin<strong>de</strong>r in die<br />

Regelklassen <strong>de</strong>r „folkeskole“ zu integrieren. nahmen ständig zu.<br />

<strong>Eine</strong> weitere Form <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“, welche sich in <strong>de</strong>n sechziger<br />

Jahren verbreitet, ist <strong>de</strong>r ergänzen<strong>de</strong> „specialun<strong>de</strong>rvisning“ in <strong>de</strong>n<br />

sogenannten Schulkliniken. In diesen Schulkliniken wur<strong>de</strong>n Gruppen von<br />

vier bis sechs SchülerInnen in <strong>de</strong>n Fächern, in <strong>de</strong>nen sie Probleme haben,<br />

unterrichtet. Der Bedarf <strong>für</strong> diesen ergänzen<strong>de</strong>n „specialun<strong>de</strong>rvisning“ war<br />

so groß, dass <strong>de</strong>r Prozentsatz <strong>de</strong>r SchülerInnen, die „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

erhielten von 3,5% 1952/53 auf 7,8% 1962/63 und 9,8% 1968/69 anstieg,<br />

wobei ein Großteil <strong>de</strong>s Anstiegs auf <strong>de</strong>n Zuwachs <strong>de</strong>s ergänzen<strong>de</strong>n<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ zurückzuführen war. 106<br />

Im Mai 1969 beschloß das „folketing“ ein neun – Punkte – Programm zur<br />

„folkeskole“, <strong>de</strong>ssen Zielsetzung die Schaffung einer „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ war.<br />

<strong>Eine</strong>s <strong>de</strong>r Punkte dieses Programms ist <strong>de</strong>r Unterricht behin<strong>de</strong>rter Kin<strong>de</strong>r in<br />

<strong>de</strong>m gewöhnlichen Schulmilieu <strong>de</strong>r „folkeskole“, so heißt es dort u.a.:<br />

„ that the instruction of handicapped pupils shall be exten<strong>de</strong>d in such a way<br />

that the children can recieve instruction in a normal school enviorment if<br />

104 vgl.: un<strong>de</strong>rvisningsministeriet: Integration of Handicapped Pupils in the Mainstream<br />

School System. Kopenhagen 1995. http://www.uvm.dk/eng/7handicap/handicap.htm<br />

105 vgl.: wie 93, S. 22<br />

106 vgl.: wie 1<br />

49


the parents so wish and can take care for the child at home, and if<br />

commitment to an institution is not a necessary part of the treatment“ 107 .<br />

Mit diesem Programm wur<strong>de</strong> die Integration behin<strong>de</strong>rter SchülerInnen in die<br />

„folkeskole“ zu einem wichtigen Ziel in <strong>de</strong>r Bildungspolitik und beson<strong>de</strong>rs<br />

in <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rpädagogik, wobei auch die Einflussmöglichkeiten <strong>de</strong>r Eltern<br />

gestärkt wur<strong>de</strong>n.<br />

Im Zuge dieses Programms entwickelte sich die Integration <strong>de</strong>s<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ in die „folkeskole“ in <strong>de</strong>n siebziger Jahren rasch<br />

weiter. Immer weniger SchülerInnen wur<strong>de</strong>n an „specialskoler<br />

(Son<strong>de</strong>rschulen)“ o<strong>de</strong>r Institutionen überwiesen, statt<strong>de</strong>ssen wur<strong>de</strong> versucht,<br />

so viele SchülerInnen wie möglich in Regelklassen zu unterrichten. Dazu<br />

wur<strong>de</strong>n lan<strong>de</strong>sweit Schulkliniken, an <strong>de</strong>nen v.a. Kin<strong>de</strong>r mit generellen<br />

Lernschwierigkeiten, Verhaltensauffälligkeiten o<strong>de</strong>r Schwierigkeiten in<br />

Mathematik o<strong>de</strong>r beim Lesenlernen ergänzen<strong>de</strong>n „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

erhielten, an „folkeskoler“ errichtet.<br />

Weiterhin wur<strong>de</strong>n „specialun<strong>de</strong>rvisnings“- LehrerInnen eingestellt, die die<br />

behin<strong>de</strong>rten Kin<strong>de</strong>r, die in <strong>de</strong>n Regelklassen integriert waren, unterstützen<br />

sollten. Zusätzlich dazu gab es bald an vielen <strong>Schule</strong>n „centerklasser“ <strong>für</strong><br />

die SchülerInnen, die nicht in die Regelklassen integriert wer<strong>de</strong>n können.<br />

Bei <strong>alle</strong>n diesen Organisationsformen <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ war es<br />

wichtig, dass die SchülerInnen nicht zu <strong>de</strong>n SpezialistInnen gebracht<br />

wur<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn dass jetzt umgekehrt die SpezialistInnen zu <strong>de</strong>n<br />

SchülerInnen kamen. 108<br />

Zur inhaltlichen Ausgestaltung <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ an <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Regierung in <strong>de</strong>n siebziger Jahren sieben<br />

107 Zitat: wie 104<br />

108 vgl.: Bjarne Nielsen, Specialun<strong>de</strong>rvisnings historie og udvikling. in Tidsskriftet KVAN.<br />

Aaarhus Dag- og Aftenseminarium, Aarhus 2000, S. 42<br />

50


Erlasse zu <strong>de</strong>n einzelnen Behin<strong>de</strong>rtenkategorien, Lese-, Verhaltens-, See-,<br />

Hör-, Bewegungs-, Sprach- und generellen Lernschwierigkeiten,<br />

herausgegeben. Der erste Erlass kam 1972 heraus und behan<strong>de</strong>lte <strong>de</strong>n<br />

Unterricht von verhaltensaufälligen SchülerInnen, wobei es das erste Mal<br />

war, dass „specialun<strong>de</strong>rvisning“ SchülerInnen mit Verhaltensaufälligkeiten<br />

umfasste, weswegen in dieser Zeit auch vermehrt „observationsklasser<br />

(Beobachtungsklassen)“ an <strong>de</strong>r „folkeskole“ <strong>für</strong> diese SchülerInnen errichtet<br />

wur<strong>de</strong>n. 109<br />

In dieser Zeit kam es auch zu <strong>de</strong>m Ausbau <strong>de</strong>s schulpsychologischen<br />

Dienstes, <strong>de</strong>r die „folkeskoler“ bei Fragen zum „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

beraten sollte. Insgesamt kann man sagen, dass in dieser Zeit<br />

Son<strong>de</strong>rpädagogik, „specialun<strong>de</strong>rvisning“ und die Integration von<br />

behin<strong>de</strong>rten Kin<strong>de</strong>rn ein Thema in Dänemark war, dass eine hohe Priorität<br />

und Prestige besaß. In dieser Zeit entwickelte <strong>de</strong>r „specialun<strong>de</strong>rvisning“ sein<br />

Profil. Dies zeigte sich auch darin, dass „specialun<strong>de</strong>rvisning“ das<br />

beliebteste Wahlfach in <strong>de</strong>r Lehrerausbildung war.<br />

1978 wur<strong>de</strong> dann, um die Qualität <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisnings“ zu sichern,<br />

ein 1 ½- jähriger Weiterbildungskurs zum „specialun<strong>de</strong>rvisnings“- Lehrer an<br />

„Danmarks Laererhoejskolen“ eingerichtet. Außer<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong> die<br />

Zusammenarbeit zwischen <strong>de</strong>n „specialun<strong>de</strong>rvisnings“- Lehrern und <strong>de</strong>m<br />

Schulpsychologischen Dienst verstärkt, was auch zur Qualitätssicherung <strong>de</strong>s<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ beitrug.<br />

Die Bemühungen und die Gel<strong>de</strong>r die in dieser Perio<strong>de</strong> in die Entwicklung<br />

<strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ an <strong>de</strong>r „folkeskole“ und die Integration von<br />

behin<strong>de</strong>rten SchülerInnen gesteckt wur<strong>de</strong>n, führten dazu, dass <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r<br />

109 vgl.: Bjarne Nielsen, Perspektiver paa folkeskolens specialun<strong>de</strong>rvisning. In:<br />

Specialun<strong>de</strong>rvisningshaandbog. Gyl<strong>de</strong>ndalsk Boghan<strong>de</strong>l. Kopenhagen 1999, S. 366<br />

51


SchülerInnen, welcher an Son<strong>de</strong>rschulen o<strong>de</strong>r Institutionen unterrichtet<br />

wur<strong>de</strong> von 2,5% auf 1,5% sank. 110<br />

Als dann das Gesetz zur „folkeskole“ von 1980 <strong>alle</strong> SchülerInnen umfasste<br />

und die „saerforsorg (Son<strong>de</strong>r<strong>für</strong>sorge)“ die Verantwortung <strong>für</strong> <strong>de</strong>n<br />

Unterricht von behin<strong>de</strong>rten SchülerInnen an „amter“ und „kommuner“<br />

abgab, wur<strong>de</strong> bereits <strong>de</strong>r größte Teil dieser SchülerInnen in „centerklasser“<br />

o<strong>de</strong>r integriert in <strong>de</strong>n Regelklassen an <strong>de</strong>r „folkeskole“ unterrichtet. Mit<br />

diesem Gesetz wur<strong>de</strong> auch <strong>de</strong>r Begriff „uun<strong>de</strong>rvislighed<br />

(Ununterrichtbarkeit)“ abgeschafft, wodurch einige Kin<strong>de</strong>r, die bislang<br />

keinen Unterricht erhalten hatten, auch unterrichtet wur<strong>de</strong>n. 111<br />

Das fortan das Gesetz zur „folkeskole“ <strong>für</strong> <strong>alle</strong> SchülerInnen galt, be<strong>de</strong>utet<br />

übrigens nicht, dass die Son<strong>de</strong>rschulen ganz abgeschafft wur<strong>de</strong>n. Zwar<br />

wur<strong>de</strong>n <strong>für</strong> die meisten von Behin<strong>de</strong>rung betroffenen SchülerInnen die<br />

integrieren<strong>de</strong>n Formen <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ weiterentwickelt, aber v.a.<br />

SchülerInnen mit Kommunikationsschwierigkeiten, wie z.B. taube,<br />

autistische und mehrfachbehin<strong>de</strong>rte Kin<strong>de</strong>r, wur<strong>de</strong>n meist weiterhin in<br />

segregieren<strong>de</strong>n Formen <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ unterrichtet, also in<br />

„special“- o<strong>de</strong>r „centerklasser“ o<strong>de</strong>r aber auch in Son<strong>de</strong>rschulen. Vor <strong>alle</strong>m<br />

geistigbehin<strong>de</strong>rte SchülerInnen wur<strong>de</strong>n, trotz einiger Versuche <strong>de</strong>r<br />

Integration in Regelklassen, hauptsächlich in <strong>de</strong>n segregieren<strong>de</strong>n Formen<br />

<strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ unterrichtet. 112<br />

International gesehen stellte das „dänische Mo<strong>de</strong>ll“ ein sehr fortschrittliches<br />

und flexibles System dar, dass 1981 anlässlich <strong>de</strong>s UN- Behin<strong>de</strong>rtenjahr<br />

vorgestellt wur<strong>de</strong>. 113<br />

110 vgl.: wie 109, S. 366 f<br />

111 vgl.: wie 108, S. 43<br />

112 vgl.: wie 97, S. 5<br />

113 vgl.: wie 90, S. 310<br />

52


Trotz, o<strong>de</strong>r vielleicht gera<strong>de</strong> wegen <strong>de</strong>r hohen Priorität und <strong>de</strong>s hohen<br />

Prestiges, die <strong>de</strong>m „specialun<strong>de</strong>rvisning“ in <strong>de</strong>n siebziger Jahren<br />

beigemessen wur<strong>de</strong>n, stand er in <strong>de</strong>n achtziger Jahren oft zur Diskussion. Es<br />

„breitete sich die Auffassung aus, dass <strong>de</strong>r „specialun<strong>de</strong>rvisning“ ohne<br />

Steuerung war in Verbindung damit, dass mehr und mehr SchülerInnen<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhielten und dieser teurer und teurer wur<strong>de</strong>.“ 114<br />

Obwohl sich in Untersuchungen zeigte, dass die Anzahl dieser SchülerInnen<br />

konstant bei 12-13% lag, wur<strong>de</strong> die Effizienz <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

angezweifelt und <strong>de</strong>ssen Ansehen sank. Es kam zu finanziellen Einschnitten,<br />

welche aber auch darauf zurückzuführen sind, dass in <strong>de</strong>n achtziger Jahren<br />

auf Grund <strong>de</strong>r schlechten ökonomischen Situation generell die finanziellen<br />

Mittel <strong>de</strong>r „folkeskole“ gekürzt wur<strong>de</strong>n. Teilweise wur<strong>de</strong>n die<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisnings“- Ressourcen <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Ausgleich <strong>de</strong>r Kürzungen im<br />

Regelschulbereich benutzt.<br />

1983 wur<strong>de</strong> dann auch die Möglichkeit abgeschafft, „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

in <strong>de</strong>r „folkeskole“- Lehrerausbildung als Wahlfach zu wählen, statt<strong>de</strong>ssen<br />

sollte in <strong>de</strong>m allgemeinen pädagogischen Teil Basiswissen über<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ vermittelt wer<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong>n die<br />

Weiterbildungskurse zur „specialun<strong>de</strong>rvisnings“- LehrerIn reduziert.<br />

Zusätzlich dazu wur<strong>de</strong> im Zuge <strong>de</strong>r Dezentralisierung <strong>de</strong>r<br />

schulpsychologische Dienst Aufgabe <strong>de</strong>r „kommuner“. Somit konnte die in<br />

diesem Bereich bestehen<strong>de</strong> Zusammenarbeit zwischen v.a. <strong>de</strong>n kleineren<br />

„kommuner“, welche gemeinsam schulpsychologische Beratungsbüros<br />

errichtet hatten, um dort mehr und ein fachlich breiter gefächertes Personal<br />

zu beschäftigen, nicht mehr stattfin<strong>de</strong>n. Diese Entwicklungen führten dazu,<br />

dass das fachliche Niveau <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ im Laufe <strong>de</strong>r achtziger<br />

Jahre sank. 115<br />

114 Zitat: wie 109, S. 367<br />

115 vgl.: wie 108, S. 43 f und 109, S. 367<br />

53


In dieser Zeit begann auch die Diskussion darüber, dass <strong>de</strong>r „normale“<br />

Unterricht <strong>de</strong>r „folkeskole“ so „rummelig (weit)“ wie möglich wer<strong>de</strong>n<br />

sollte, sodass auch <strong>de</strong>r Bedarf an „specialun<strong>de</strong>rvisning“ sinken wür<strong>de</strong>, da er<br />

in <strong>de</strong>n „normalen“ Unterricht mit einfließen wür<strong>de</strong>. 116<br />

Gleichzeitig dazu wird eine „Entkategorisierung“ im „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

diskutiert. Schon 1975 waren die Behin<strong>de</strong>rtenkategorien aus <strong>de</strong>m Gesetz zur<br />

„folkeskole“ entfernt und durch „hvis udvikling kraever en saerlig<br />

hensyntagen eller stoette (falls die Entwicklung beson<strong>de</strong>re Rücksichtnahme<br />

o<strong>de</strong>r Unterstützung erfor<strong>de</strong>rt)“ ersetzt wor<strong>de</strong>n. In einem Erlass im Jahre<br />

1990 wur<strong>de</strong>n die Behin<strong>de</strong>rtenkategorien auch aus <strong>de</strong>n Regeln zum<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ die Behin<strong>de</strong>rtenkategorien rausgenommen mit <strong>de</strong>m<br />

Ziel, das Kind in seiner Ganzheit, mit seinen Voraussetzungen und<br />

Bedürfnissen, zu sehen und <strong>de</strong>n „specialun<strong>de</strong>rvisning“ individuell auf diese<br />

zuzuschnei<strong>de</strong>n. 117<br />

In diesem Erlass wur<strong>de</strong> auch die Mitverantwortung <strong>de</strong>s<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ bei <strong>de</strong>r Schaffung einer „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“<br />

hervorgehoben, in<strong>de</strong>m mit Hilfe <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ <strong>de</strong>r<br />

Regelunterricht so weiterentwickelt wird, dass immer weniger SchülerInnen<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhalten müssen. Die Schulkliniken, welche bis dahin<br />

<strong>de</strong>n „specialun<strong>de</strong>rvisning“ organisiert hatten, wur<strong>de</strong>n mit diesem Erlass<br />

durch „specialcenter“ ersetzt, <strong>de</strong>ssen Team aus <strong>de</strong>r Schulleitung, Lehrern<br />

<strong>de</strong>s Regelunterrichts und <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ sowie Mitarbeitern <strong>de</strong>s<br />

„Paedagogisk Psykologisk Raadgivining (PPR)“ bestehen sollten. Das<br />

Mitarbeiten von Repräsentanten <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Gruppen in diesem Team<br />

soll dazu beitragen, dass <strong>de</strong>r „specialun<strong>de</strong>rvisning“ zur Aufgabe <strong>de</strong>r<br />

gesamten <strong>Schule</strong> wird.<br />

116 vgl..: wie 109, S. 367<br />

117 vgl.: Joergen Hansen, Regler for specialpaedagogisk bistand. In<br />

Specialun<strong>de</strong>rvisningshaandbog, Gyl<strong>de</strong>ndalsk Boghan<strong>de</strong>l. Kopenhagen 1999, S. 304<br />

54


1993 fin<strong>de</strong>n die Ziele dieses Erlasses, nämlich die Verbindung von<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ mit <strong>de</strong>m Regelunterricht und die damit einhergehen<strong>de</strong><br />

Erweiterung <strong>de</strong>s Regelunterrichts, Eingang in das Gesetz zur „folkeskole“.<br />

Dort wird explizit eine Differenzierung <strong>de</strong>s Unterrichts nach <strong>de</strong>n<br />

individuellen Voraussetzungen und Bedürfnissen <strong>de</strong>r SchülerInnen<br />

gefor<strong>de</strong>rt. 118<br />

Auch in <strong>de</strong>r Lehrerausbildung ist mit <strong>de</strong>m Gesetz von 1997 die Verbindung<br />

von Regelunterricht und „specialun<strong>de</strong>rvisning“ weiter fortgeschritten. Der<br />

Begriff „specialun<strong>de</strong>rvisning“ taucht in <strong>de</strong>m Gesetz gar nicht auf,<br />

statt<strong>de</strong>ssen sollen pädagogische und psychologische Aspekte bei <strong>de</strong>m<br />

Studium <strong>de</strong>r Unterrichtsfächer erlernt wer<strong>de</strong>n, wobei auch das<br />

Differenzieren <strong>de</strong>s Unterrichts nach <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s einzelnen<br />

Kin<strong>de</strong>s vermittelt wer<strong>de</strong>n soll. Außer<strong>de</strong>m wird <strong>de</strong>n „seminarirer“<br />

empfohlen, einen „specialun<strong>de</strong>rvisnings“- Kurs anzubieten, welcher<br />

<strong>alle</strong>rdings nicht obligatorisch ist. Ob diese Art <strong>de</strong>r Lehrerausbildung <strong>de</strong>r<br />

Schaffung einer „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“, in <strong>de</strong>r <strong>alle</strong> Kin<strong>de</strong>r nach ihren<br />

Bedürfnissen und Voraussetzungen geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, dienlich ist, ist<br />

<strong>alle</strong>rdings fraglich. 119<br />

Trotz dieser Bemühungen von staatlicher Seite, <strong>de</strong>n Regelunterricht so zu<br />

gestalten, dass <strong>de</strong>r „specialun<strong>de</strong>rvisning“ immer geringer und eventuell<br />

sogar überflüssig wird, sieht die Entwicklung <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ in<br />

<strong>de</strong>r Realität seit Mitte <strong>de</strong>r achtziger Jahre etwas an<strong>de</strong>rs aus. Dies sieht man<br />

beson<strong>de</strong>rs an <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>s „vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

(„weitgehen<strong>de</strong>r specialun<strong>de</strong>rvisning“, <strong>de</strong>r „specialun<strong>de</strong>rvisning“, <strong>de</strong>r wegen<br />

<strong>de</strong>r weitreichen<strong>de</strong>n Probleme und Bedürfnisse <strong>de</strong>r SchülerInnen viel Geld<br />

kostet und <strong>de</strong>r meist in segregieren<strong>de</strong>n Formen, z.B. in Son<strong>de</strong>rschulen,<br />

stattfin<strong>de</strong>t). Lag <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r SchülerInnen die „vidtgaaen<strong>de</strong><br />

118 vgl.: wie 108, S. 44<br />

119 vgl.: wie 93, S. 27<br />

55


specialun<strong>de</strong>rvisning erhalten 1985 mit 0,83% am niedrigsten, ist v.a. seit<br />

Beginn <strong>de</strong>r neunziger Jahre ein starker Anstieg in diesem Bereich zu<br />

verzeichnen. 1999 betrug <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r die „vidtgaaen<strong>de</strong><br />

specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhielten bereits 1,38%. 120<br />

Diese Kin<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n dabei häufig auf Son<strong>de</strong>rschulen geschickt, obwohl<br />

„vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning“ auch in verschie<strong>de</strong>nen Formen durch die<br />

„folkeskole“ erteilt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Die Grün<strong>de</strong> <strong>für</strong> diese Entwicklung sind unterschiedlich. Auf <strong>de</strong>r einen Seite<br />

setzte sich die Auffassung durch, dass nicht <strong>für</strong> <strong>alle</strong> SchülerInnen die<br />

Integration an <strong>de</strong>r Regelschule sinnvoll und vorteilhaft ist, v.a. wenn es<br />

große Probleme bei <strong>de</strong>r sozialen Integration in die Klasse gab. Auf <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>ren Seite gab es von <strong>de</strong>r Seite <strong>de</strong>r Eltern ein Misstrauen, ob in Zeiten<br />

<strong>de</strong>r finanziellen Einschränkungen bei <strong>de</strong>r „folkeskole“ die optimale<br />

För<strong>de</strong>rung ihres Kin<strong>de</strong>s gewährleistet wäre. Hinzu kommt, dass es Anfang<br />

<strong>de</strong>r neunziger Jahre zu neuen medizinischen Erkenntnissen im Bereich <strong>de</strong>r<br />

Gehirnfunktionsstörungen kam, was zu einer Diagnoseexplosion in diesem<br />

Bereich führte. Auch die Zahl <strong>de</strong>r Verhaltensauffälligen ist in Dänemark,<br />

ähnlich wie in an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn, in <strong>de</strong>m letzten Jahrzehnt <strong>de</strong>utlich<br />

angestiegen. Die steigen<strong>de</strong> Anzahl von Kin<strong>de</strong>rn mit<br />

Verhaltensauffälligkeiten ist auch <strong>de</strong>r Hauptfaktor <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Anstieg im<br />

„vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning“. 121<br />

Zusammenfassend kann man sagen, dass es schwer ist eine, einheitliche<br />

Entwicklung in <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rpädagogik und <strong>de</strong>m „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

auszumachen.<br />

120 vgl.: Folkeskolens vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning 1985-1999, Amtsraadsforeningen ,<br />

2000, http://www.kvalitet-visp.dk/statistik/forsi<strong>de</strong>.htm<br />

121 vgl.: wie 108, S. 44<br />

56


Von <strong>de</strong>n Anfängen <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rpädagogik im 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt bis zum En<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r fünfziger Jahre <strong>de</strong>s letzten Jahrhun<strong>de</strong>rts, kam es vor <strong>alle</strong>m zu <strong>de</strong>r<br />

Einrichtung und Entwicklung von Unterrichtsformen und Institutionen <strong>für</strong><br />

von Behin<strong>de</strong>rung betroffenen Menschen.<br />

Diese Institutionen, Son<strong>de</strong>rklassen und –schulen waren von Vorbil<strong>de</strong>rn aus<br />

<strong>de</strong>m Ausland beeinflusst. Es waren segregieren<strong>de</strong> Schul- und<br />

Unterrichtsformen, welche die behin<strong>de</strong>rten Kin<strong>de</strong>r kaum in <strong>de</strong>n Kontakt mit<br />

„normalen“ Kin<strong>de</strong>rn ihres Alters kommen ließen.<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r fünfziger Jahre kam es zu ersten Protesten von Eltern, die ihre<br />

Kin<strong>de</strong>r nicht in großen Institutionen weit weg von zu Hause, son<strong>de</strong>rn bei<br />

sich wohnen haben wollten. Sie wollten außer<strong>de</strong>m, dass ihre Kin<strong>de</strong>r mit<br />

gleichaltrigen Kin<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Nachbarschaft zusammen zur <strong>Schule</strong> gehen<br />

sollten.<br />

Als Folge dieser Proteste kam es in <strong>de</strong>n sechziger Jahren zu <strong>de</strong>r<br />

Entwicklung integrativer Konzepte und Unterrichtsformen <strong>für</strong> behin<strong>de</strong>rte<br />

Kin<strong>de</strong>r. Die Initiative <strong>für</strong> diese Entwicklung ging dabei meist von Eltern und<br />

Lehren aus, welche auf lokaler Ebene die Integration von behin<strong>de</strong>rten<br />

Kin<strong>de</strong>rn ausprobierten.<br />

Da diese Versuche erfolgreich waren, wur<strong>de</strong> die Integration von behin<strong>de</strong>rten<br />

Kin<strong>de</strong>rn in verschie<strong>de</strong>ne Gesetze mitaufgenommen und zu einem<br />

fundamentalen Prinzip <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rpädagogik in Dänemark.<br />

Der „specialun<strong>de</strong>rvisning“ genoss v.a. in <strong>de</strong>n siebziger Jahren ein hohes<br />

Ansehen und das Interesse an <strong>de</strong>m Thema war groß. Dies än<strong>de</strong>rte sich<br />

<strong>alle</strong>rdings in <strong>de</strong>n achtziger Jahren, in <strong>de</strong>r „specialun<strong>de</strong>rvisning“ v.a.<br />

aufgrund <strong>de</strong>r schwierigen finanziellen Lage oft zur Diskussion stand und es<br />

zu Kürzungen in diesen Bereich kam. Die Einschnitte im Bereich <strong>de</strong>r<br />

57


Lehrerausbildung und <strong>de</strong>s „Paedagogisk Psykologisk Raadgivning (PPR)“<br />

führten dazu, dass die Qualität <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisnings“ sank.<br />

Zusätzlich dazu war in <strong>de</strong>n achtziger Jahren <strong>de</strong>r Beginn einer zweigeteilten<br />

Entwicklung zu beobachten. Auf Gesetzesebene wird die I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>r<br />

Integration weiterentwickelt, was 1993 in <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Gesetzes zur<br />

„folkeskole“, nach Unterrichtsdifferenzierung und einer „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“<br />

<strong>de</strong>utlich wird. Zu <strong>de</strong>r gleichen Zeit ist aber ein Ansteigen im „vidtgaaen<strong>de</strong><br />

specialun<strong>de</strong>rvisning“ und in <strong>de</strong>r Anzahl <strong>de</strong>r Schüler, welche Son<strong>de</strong>rschulen<br />

besuchen zu verzeichnen.<br />

Der Grund <strong>für</strong> diese unterschiedlichen Entwicklungen ist schwer<br />

auszumachen. <strong>Eine</strong> mögliche Erklärung wäre, dass die Initiative <strong>für</strong> die<br />

Weiterentwicklung <strong>de</strong>r Integration in dieser Zeit vom Staat und Fachleuten<br />

von Hochschulen ausging. Waren die Anfänge <strong>de</strong>r Integration pragmatisch<br />

und „von unten“, also von Lehrern und Eltern, organisiert, erscheint die<br />

heutige Diskussion mehr i<strong>de</strong>ologisch und von internationalen diskutierten<br />

I<strong>de</strong>en, wie die <strong>de</strong>r „Inklusion“ geprägt.<br />

3.2 Vom „specialcenter“ bis zur „efterskole“ –<br />

son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung und<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ heute<br />

Da <strong>de</strong>r Begriff „specialun<strong>de</strong>rvisning“ ein sehr weiter Begriff ist und nicht<br />

dasselbe beinhaltet wie „son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung“, möchte ich in<br />

diesem Kapitel erst mal diesen Begriff, u.a. mit Hilfe von Gesetzestexten<br />

und <strong>de</strong>n dazugehörigen Bekanntmachungen, erläutern. Dabei wer<strong>de</strong>n auch<br />

die Ziele und Prinzipien genannt und dargestellt, welche SchülerInnen<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhalten. Danach wer<strong>de</strong>n die unterschiedlichen<br />

Formen, in <strong>de</strong>nen „specialun<strong>de</strong>rvisning“ stattfin<strong>de</strong>t, und die Institutionen,<br />

58


die an <strong>de</strong>ssen Umsetzung beteiligt sind, erläutert. Anschließend wer<strong>de</strong>n die<br />

son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rmöglichkeiten an <strong>de</strong>r „efterskole“ aufgezeigt.<br />

3.2.1 Was ist „specialun<strong>de</strong>rvisning“? – Gesetze und<br />

Definitionen<br />

In <strong>de</strong>r Bekanntmachung zu „folkeskolens specialun<strong>de</strong>rvisning og an<strong>de</strong>n<br />

specialpaedagogisk bistand (folkeskolens specialun<strong>de</strong>rvisning und an<strong>de</strong>re<br />

spezialpädagogische Hilfe)“ vom 10.6.1999 wird in <strong>de</strong>n ersten Paragrafen<br />

<strong>de</strong>finiert, was unter „specialun<strong>de</strong>rvisning“ zu verstehen ist und was <strong>de</strong>ssen<br />

Zielgruppe ist.<br />

„ §1, 1. Diese Bekanntmachung enthält genauere Bestimmungen über<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ und „an<strong>de</strong>n specialpaedagogisk bistand“ <strong>de</strong>r<br />

Kin<strong>de</strong>rgartenklasse und <strong>de</strong>r ersten bis zehnten Klasse <strong>de</strong>r „folkeskole“.<br />

„Specialun<strong>de</strong>rvisning“ und „an<strong>de</strong>n specialpaedagogisk bistand“ wird <strong>de</strong>n<br />

SchülerInnen erteilt, <strong>de</strong>ren Entwicklung einer beson<strong>de</strong>ren Rücksichtnahme<br />

und Stütze erfor<strong>de</strong>rt, welche nicht innerhalb <strong>de</strong>s Regelunterrichtes geleistet<br />

wer<strong>de</strong>n kann.<br />

§2 „Specialun<strong>de</strong>rvisning“ und „an<strong>de</strong>n specialpaedagogisk bistand“<br />

umfasst:<br />

1) Unterricht in <strong>de</strong>n Fächern und Fachbereichen <strong>de</strong>r „folkeskole“, <strong>de</strong>r<br />

unter <strong>de</strong>r Rücksichtnahme <strong>de</strong>r Lernvoraussetzungen <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n<br />

SchülerInnen zurechtgelegt ist.<br />

2) Unterricht und Training in Funktionsweisen und Arbeitsmetho<strong>de</strong>n,<br />

die darauf ausgerichtet sind die Folgen psychischer, physischer o<strong>de</strong>r<br />

sensorischer Funktionsschwierigkeiten zu beheben o<strong>de</strong>r zu<br />

begrenzen.<br />

59


3) Spezialpädagogische Beratung <strong>für</strong> Eltern, Lehrer o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />

Personen, <strong>de</strong>ren Einsatz <strong>für</strong> die Entwicklung <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r<br />

Schülerin eine Be<strong>de</strong>utung hat.<br />

4) Beson<strong>de</strong>re Unterrichtsmaterialien und technische Hilfsmittel, welche<br />

notwendig in Verbindung mit <strong>de</strong>m Unterricht <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r<br />

Schülerin sind.<br />

5) Persönliche Hilfe, die <strong>de</strong>m Schüler/ <strong>de</strong>r Schülerin bei <strong>de</strong>m<br />

Überwin<strong>de</strong>n praktischer Schwierigkeiten in Verbindung mit <strong>de</strong>m<br />

Schulbesuch helfen kann.<br />

6) Beson<strong>de</strong>rs zurechtgelegte Aktivitäten, die angeschlossen an <strong>de</strong>n<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ gegeben wer<strong>de</strong>n können. 122<br />

„Specialun<strong>de</strong>rvisning“ und „an<strong>de</strong>n specialpaedagogisk bistand“ ist also das<br />

Sicherheitsnetz <strong>für</strong> die SchülerInnen, <strong>de</strong>ren Bedürfnisse nicht o<strong>de</strong>r nur<br />

teilweise durch die Unterrichtsdifferenzierung <strong>de</strong>s Regelunterrichts <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ entsprochen wer<strong>de</strong>n kann. Mit Hilfe <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

und „an<strong>de</strong>n specialpaedagogisk bistand“ wird also versucht, diesen<br />

Bedürfnissen gerecht zu wer<strong>de</strong>n. 123<br />

„Specialun<strong>de</strong>rvisning“ kann dazu in verschie<strong>de</strong>nen Formen stattfin<strong>de</strong>n, die<br />

<strong>de</strong>n Schüler/ die Schülerin mehr o<strong>de</strong>r weniger von <strong>de</strong>m Unterricht <strong>de</strong>r<br />

Regelklasse abson<strong>de</strong>rt. Dabei kann man „specialun<strong>de</strong>rvisning“ in zwei<br />

Kategorien unterteilen. <strong>Eine</strong>rseits gibt es <strong>de</strong>n „specialun<strong>de</strong>rvisning“, <strong>de</strong>r<br />

qualitativ an<strong>de</strong>rs gestaltet ist als <strong>de</strong>r Regelunterricht, an<strong>de</strong>rerseits gibt es <strong>de</strong>n<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Regelunterricht ergänzt. 124 In <strong>de</strong>r<br />

Bekanntmachung zu „specialun<strong>de</strong>rvisning“ und „an<strong>de</strong>n specialpaedagogisk<br />

bistand“ sind dazu die folgen<strong>de</strong>n Möglichkeiten genannt:<br />

122 Zitat: Bekendtgoerelsen nr.448 af 10. juni 1999 om folkeskolens specialun<strong>de</strong>rvisning og<br />

an<strong>de</strong>n specialpaedagogisk bistand. In: John Ivarsen, Specialun<strong>de</strong>rvisning. Kroghs Forlag<br />

A/S, Vejle 1999, S. 30 ff<br />

123 vgl.: wie 117<br />

124 vgl.: Mogens Hansen und Poul Erik Pagaard, Almin<strong>de</strong>lig un<strong>de</strong>rvisning og<br />

specialun<strong>de</strong>rvisning. In: Specialun<strong>de</strong>rvisningshaandbog. Gyl<strong>de</strong>ndalsk Boghan<strong>de</strong>l.<br />

Kopenhagen 1999, S.151<br />

60


„ §7 Specialun<strong>de</strong>rvisning kann in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Arten erteilt wer<strong>de</strong>n:<br />

1) Der Schüler/ die Schülerin behält die Zugehörigkeit zu <strong>de</strong>r<br />

Regelklasse auf die Weise,<br />

a) dass <strong>de</strong>r Schüler/ die Schülerin „specialun<strong>de</strong>rvisning“ in<br />

einem o<strong>de</strong>r mehreren Fächern als Ergänzung erhält, o<strong>de</strong>r<br />

b) dass in einem o<strong>de</strong>r mehreren Fächern<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ an die Stelle <strong>de</strong>s Regelunterrichts<br />

tritt.<br />

2) Der Schüler/ die Schülerin gehört nicht mehr <strong>de</strong>r Regelklasse an und<br />

<strong>de</strong>r ganze Unterricht wird in einer „specialklasse“ erteilt. Die<br />

„specialklasse“ befin<strong>de</strong>t sich entwe<strong>de</strong>r an einer „folkeskole“ o<strong>de</strong>r<br />

an einer „specialskole“, welche auch ein Internat sein kann.<br />

3) Der Schüler/ die Schülerin gehört entwe<strong>de</strong>r einer „specialklasse“<br />

o<strong>de</strong>r einer Regelklasse an und wird in bei<strong>de</strong>n Klassenformen<br />

unterrichtet.“ 125<br />

Darüber hinaus wird „specialun<strong>de</strong>rvisning“ in „almin<strong>de</strong>lig (allgemeinen)“<br />

und „vidtgaaen<strong>de</strong> (weitgehen<strong>de</strong>n) specialun<strong>de</strong>rvisning“ unterschie<strong>de</strong>n,<br />

wobei <strong>de</strong>r „almin<strong>de</strong>lig specialun<strong>de</strong>rvisning“ von <strong>de</strong>r „kommune“ finanziert<br />

wird und <strong>de</strong>r „vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning“ vom „amt“. 126 Als<br />

„vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisnig“ ist dabei <strong>de</strong>r Unterricht gemeint, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

SchülerInnen erteilt wird, „<strong>de</strong>ren Entwicklung eine beson<strong>de</strong>rs weitgehen<strong>de</strong><br />

För<strong>de</strong>rung und Unterstützung erfor<strong>de</strong>rt.“ 127 In <strong>de</strong>r Praxis wird mit<br />

„vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning“ <strong>de</strong>r Unterricht bezeichnet, <strong>de</strong>r aufgrund<br />

<strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren För<strong>de</strong>rung und Unterstützung mehr als 162.000 DKK (ca.<br />

45.000 DM) im Jahr pro SchülerIn kostet, wobei nur <strong>de</strong>r Betrag, <strong>de</strong>r über<br />

125<br />

Zitat: wie 122<br />

126<br />

vgl.: wie 54, Chapter 3, 20. (1), (2)<br />

127<br />

Zitat wie 122<br />

61


dieser Summe liegt vom „amt“ gezahlt wird und <strong>de</strong>r Rest von <strong>de</strong>r<br />

„kommune“. 128<br />

Welche SchülerInnen im „vidtgaaen<strong>de</strong> speciaun<strong>de</strong>rvisning“ geför<strong>de</strong>rt<br />

wer<strong>de</strong>n, hängt auch davon ab, welches Angebot an „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

die jeweilige „kommune“ an ihren „folkeskoler“ bietet. Es kann durchaus<br />

vorkommen, dass SchülerInnen mit ähnlichen o<strong>de</strong>r gar i<strong>de</strong>ntischen<br />

Behin<strong>de</strong>rungen von unterschiedlichen Stellen, also „kommune“ o<strong>de</strong>r „amt“<br />

finanziert wer<strong>de</strong>n. 129<br />

3.2.2 Ziele und Prinzipien <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

In <strong>de</strong>r Bekanntmachung zum „specialun<strong>de</strong>rvisning“ und „an<strong>de</strong>n<br />

specialpaedagogisk bistand“ ist das Ziel <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ und<br />

„an<strong>de</strong>n specailpaedagogisk bistand“ wie folgt formuliert:<br />

„§1, 2. Das Ziel <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ und „an<strong>de</strong>n specialpaedagogisk<br />

bistand“ ist es, die Entwicklung <strong>de</strong>r SchülerInnen mit beson<strong>de</strong>ren<br />

Bedürfnissen, in Übereinstimmung mit <strong>de</strong>n Ansprüchen, die im Gesetz zur<br />

„folkeskole“ festgelegt sind, zu för<strong>de</strong>rn. Zu diesen Ansprüchen gehört, dass<br />

die SchülerInnen beim Verlassen <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> die Voraussetzung haben, eine<br />

Ausbildung durchzuführen, einer gewerbsmäßigen Beschäftigung o<strong>de</strong>r einer<br />

an<strong>de</strong>ren Beschäftigung nachzugehen.“ 130<br />

Darüber hinaus wird <strong>de</strong>r „specialun<strong>de</strong>rvisning“ von <strong>de</strong>n Prinzipien<br />

„Vorbeugung“, „Nähe“ und „kleinster Eingriff“ geprägt.<br />

128 vgl.: John Ivarsen, Specialun<strong>de</strong>rvisning. Kroghs Forlag A/S, Vejle 1999, S. 4 und 28<br />

129 vgl.: Bjoern Glaesel, Vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning. In:<br />

Specialun<strong>de</strong>rvisningshaandbog. Gyl<strong>de</strong>ndalsk Boghan<strong>de</strong>l. Kopenhagen 1999, S. 319<br />

130 Zitat wie 90<br />

62


Unter „Vorbeugung“ versteht man dabei, dass bereits die FachlehrerInnen<br />

im Regelunterricht versuchen, Lernschwierigkeiten zu beheben. Um dies zu<br />

verwirklichen, kann einE „specialun<strong>de</strong>rvisnings“- LehrerIn o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

„Paedagogisk Psykologisk Raadgivning (PPR)“ zu Rate gezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

Das Prinzip <strong>de</strong>r „Nähe“ be<strong>de</strong>utet, dass <strong>de</strong>r Schüler/ die Schülerin so nah wie<br />

möglich an seinem sozialen Umfeld geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n soll.<br />

Mit <strong>de</strong>m Prinzip <strong>de</strong>s „kleinsten Eingriff“ ist gemeint, dass versucht wer<strong>de</strong>n<br />

soll, <strong>de</strong>n beson<strong>de</strong>ren Bedürfnissen <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r Schülerin mit <strong>de</strong>m<br />

kleinst möglichen Eingriff in <strong>de</strong>n Regelunterricht gerecht zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Weitere Prinzipien <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r<br />

Schulkommission festgelegt und sind <strong>de</strong>swegen von <strong>Schule</strong> zu <strong>Schule</strong><br />

unterschiedlich. 131<br />

3.2.3 Welche SchülerInnen erhalten „specialun<strong>de</strong>rvisning“?<br />

Wie schon in <strong>de</strong>r geschichtlichen Entwicklung <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

erwähnt, wur<strong>de</strong>n im Zuge <strong>de</strong>r „Entkategorisierung“ 1990 <strong>alle</strong><br />

Behin<strong>de</strong>rtenkategorien aus <strong>de</strong>r Bekanntmachung zum „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

und „an<strong>de</strong>n specialpaedagogisk bistand“ gestrichen. In <strong>de</strong>r Erläuterung zur<br />

Bekanntmachung wer<strong>de</strong>n <strong>alle</strong>rdings vier Kategorien erwähnt, bei <strong>de</strong>ren<br />

Zutreffen „specialun<strong>de</strong>rvisning“ erteilt wird:<br />

„1) Die Lernvoraussetzung <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r Schülerin genügen nicht <strong>de</strong>n<br />

For<strong>de</strong>rungen und Erwartungen, die normalerweise in zentralen Fächern wie<br />

Dänisch, Mathematik und Englisch gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

63


2) Die fachlichen For<strong>de</strong>rungen, die in <strong>de</strong>n allgemeinen Fächern gestellt<br />

wer<strong>de</strong>n, übersteigen generell die Leistungsfähigkeit <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r<br />

Schülerin<br />

3) Die Organisation <strong>de</strong>s Schulunterrichts und <strong>de</strong>r ganze Schulbetrieb<br />

enthalten For<strong>de</strong>rungen an Verhalten und soziales Zusammenwirken, welche<br />

<strong>de</strong>r Schüler/ die Schülerin nicht erfüllen kann.<br />

4) SchülerInnen, die aufgrund spezifischer Funktionsbeeinträchtigungen in<br />

<strong>de</strong>n Bereichen Sehen, Hören, Sprechen o<strong>de</strong>r Motorik sich die<br />

Unterrichtsinhalte nicht durch die normalen Unterrichtsmetho<strong>de</strong>n aneignen<br />

können.“ 132<br />

Darüber hinaus fin<strong>de</strong>t man in <strong>de</strong>r Literatur noch weitere Kategorien wie,<br />

„blin<strong>de</strong> und schwachsehen<strong>de</strong> SchülerInnen“, „sprechbeeinträchtigte<br />

SchülerInnen“, „taube und hörbeeinträchtigte SchülerInnen“,<br />

„bewegungsbeeinträchtigte SchülerInnen“, „leseretardierte SchülerInnen“,<br />

„SchülerInnen mit generellen Lernschwierigkeiten“, „SchülerInnen mit<br />

Verhaltensproblemen und psychischen Lei<strong>de</strong>n“, „SchülerInnen mit DAMP“,<br />

„SchülerInnen mit Autismus“. 133<br />

Interessanterweise gibt es <strong>für</strong> die in Deutschland größte Gruppe im Bereich<br />

<strong>de</strong>r son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung, die „Lernbehin<strong>de</strong>rten“, im dänischen<br />

keine adäquate Übersetzung. Mit „SchülerInnen mit generellen<br />

Lernschwierigkeiten“ sind eher die SchülerInnen gemeint, die man im<br />

<strong>de</strong>utschen als „geistigbehin<strong>de</strong>rt“ bezeichnet. Bei „lernbehin<strong>de</strong>rten“<br />

SchülerInnen beschreibt man in Dänemark <strong>de</strong>ren genaue Schwierigkeiten,<br />

wie z.B. „SchülerInnen mit Lese-Rechtschreibschwäche“ o<strong>de</strong>r<br />

131 vgl.: wie 129, S. 7<br />

132 Zitat, wie 129, S. 6<br />

133 vgl.: wie 90, S. 321 f<br />

64


„mathematikschwache SchülerInnen“. 134 Da „lernbehin<strong>de</strong>rte“ Kin<strong>de</strong>r<br />

oftmals auch Probleme mit <strong>de</strong>m Sozialverhalten haben, wer<strong>de</strong>n sie auch<br />

teilweise unter die Gruppe <strong>de</strong>r SchülerInnen mit Verhaltensschwierigkeiten<br />

gefasst.<br />

Insgesamt kann man sagen, dass die Terminologien, die SchülerInnen <strong>de</strong>s<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ beschreiben, einen beschreiben<strong>de</strong>n Charakter haben.<br />

Wenn ein Schüler/ eine Schülerin „specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhalten soll,<br />

geschieht dass in <strong>de</strong>r Regel auf Veranlassung eines Lehrers, <strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>m<br />

Schüler/ <strong>de</strong>r Schülerin <strong>de</strong>n Bedarf nach Unterstützung feststellt. Daraufhin<br />

führt <strong>de</strong>r „PPR“ eine Untersuchung <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r Schülerin durch,<br />

aufgrund <strong>de</strong>rer ein Vorschlag ausgearbeitet wird. In diesem Vorschlag wird<br />

dann aufgezeigt, mit welcher Art von „specialun<strong>de</strong>rvisning“ auf <strong>de</strong>n<br />

beson<strong>de</strong>ren Bedarf eingegangen wer<strong>de</strong>n kann. Teil dieses Vorschlags ist ein<br />

För<strong>de</strong>rplan, <strong>de</strong>r die einzelnen Schritte und Ziele <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung enthält. Der<br />

<strong>Schule</strong>iter beschließt dann, ob <strong>de</strong>r Schüler/ die Schülerin<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhält, wobei die Eltern ebenfalls <strong>de</strong>m Vorschlag<br />

zustimmen müssen. Je<strong>de</strong>s Jahr fin<strong>de</strong>t dann eine neue Untersuchung statt, um<br />

festzustellen ob die För<strong>de</strong>rungsart noch zu <strong>de</strong>n Bedürfnissen <strong>de</strong>s Schülers/<br />

<strong>de</strong>r Schülerin passt und ob die Ziele <strong>de</strong>s För<strong>de</strong>rplans erreicht sind. 135<br />

Soll ein Schüler/ eine Schülerin „vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhalten,<br />

so entschei<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Rat <strong>de</strong>r „kommune“ ob ein Antrag dazu ans „amt“<br />

weitergereicht wird. Auf „amt“- Ebene wird dann beschlossen, ob diesem<br />

Antrag stattgegeben wird o<strong>de</strong>r nicht. 136<br />

134<br />

vgl.: Barbara Fronz-Joergensen, Schulische För<strong>de</strong>rung behin<strong>de</strong>rter Kin<strong>de</strong>r und<br />

Jugendlicher in Dänemark. In: Zeitschrift <strong>für</strong> Heilpädagogik. 45. Jahrgang 1994, Heft 7,<br />

S.467<br />

135<br />

vgl.: wie 123, S. 306<br />

136<br />

vgl.: wie 123, S. 306<br />

65


Momentan erhalten ungefähr 13% <strong>alle</strong>r SchülerInnen <strong>de</strong>r „folkeskole“<br />

„almin<strong>de</strong>lige specialun<strong>de</strong>rvisning“ 137 und 1,38 % „vidtgaaen<strong>de</strong><br />

specialun<strong>de</strong>rvisning“. 138 Ungefähr 15% <strong>alle</strong>r SchülerInnen <strong>de</strong>r „folkeskole“<br />

wer<strong>de</strong>n also in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Angeboten <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

betreut. Dies be<strong>de</strong>utet, dass ca. ein Viertel <strong>alle</strong>r SchülerInnen <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ während ihrer Schullaufbahn zu einem o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rem Zeitpunkt<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhalten. 139<br />

3.2.4 In welchen Formen wird „specialun<strong>de</strong>rvisning“ erteilt<br />

und wer ist an <strong>de</strong>ssen Umsetzung beteiligt?<br />

„PPR - Paedagogisk Psykologisk Raadgivning“<br />

Je<strong>de</strong> „kommune“ in Dänemark hat ein „PPR“- Büro, welches eine wichtige<br />

Funktion bei <strong>de</strong>r Erteilung von „specialun<strong>de</strong>rvisning“ inne hat. In diesem<br />

Zusammenhang obliegen <strong>de</strong>m „PPR“ viele verschie<strong>de</strong>ne Aufgaben, welche<br />

auch über <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ hinausreichen. 140<br />

Ein Teil <strong>de</strong>r Aufgaben <strong>de</strong>s „PPR“ liegt im Bereich <strong>de</strong>r allgemeinen<br />

Pädagogik. So wer<strong>de</strong>n beispielsweise die lokalen Lehrpläne in Hinblick auf<br />

Inhalt, Methodik und Materialauswahl analysiert und Kataloge mit<br />

Vorschläge zu Materialwahl in <strong>de</strong>n einzelnen Fächern, Einrichtung <strong>de</strong>r<br />

Klassenzimmer etc., herausgebracht. Es wer<strong>de</strong>n Kurse <strong>für</strong> LehrerInnen zu<br />

pädagogischen und psychologischen Themen angeboten und Berater <strong>für</strong><br />

generelle Entwicklungsprojekte gestellt. Der „PPR“ nimmt im Bereich <strong>de</strong>r<br />

allgemeinen Pädagogik eine Beraterfunktion in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />

fachlichen, pädagogischen und methodischen Gebieten war. Ziel dieser<br />

137<br />

vgl.: Jesper Holst, Specialpaedagogiske udviklinger og modsaetninger. In: Tidsskriftet<br />

KVAN. Aarhus Dag-og Aftensseminarium, Aarhus 2000, S. 10<br />

138<br />

vgl.: wie 120<br />

139<br />

vgl.: wie 90<br />

140<br />

vgl.: Per Kjeldsen, Paedagogisk-psykologisk radgivnings opgaver. In:<br />

Specialun<strong>de</strong>rvisningshaandbog. Gyl<strong>de</strong>ndalsk Boghan<strong>de</strong>l. Kopenhagen 1999, S. 100<br />

66


Aktivitäten ist u.a., die Qualität <strong>de</strong>s Regelunterrichts zu heben, um <strong>de</strong>n<br />

Bedarf an „specialun<strong>de</strong>rvisning“ in <strong>de</strong>r „folkeskole“ zu senken. 141<br />

<strong>Eine</strong> <strong>de</strong>r wichtigsten Aufgaben im Bereich <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ ist die<br />

Untersuchung von Kin<strong>de</strong>rn, die „specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhalten sollen und<br />

die Erarbeitung eines Vorschlags zu <strong>de</strong>ren För<strong>de</strong>rung. Die Grundlage dieser<br />

Untersuchungen sind die Beobachtung von einzelnen Kin<strong>de</strong>rn, Gruppen<br />

o<strong>de</strong>r Klassen, das Testen von kognitiven, sozialen und emotionalen<br />

Fähigkeiten, sowie Gespräche mit LehrerInnen, Eltern und an<strong>de</strong>ren<br />

Personen aus <strong>de</strong>m Umfeld <strong>de</strong>s zu untersuchen<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>s. 142<br />

Zusätzlich dazu ist es Aufgabe <strong>de</strong>s „PPR“ <strong>de</strong>n „specialun<strong>de</strong>rvisning <strong>de</strong>r<br />

„folkeskoler“ beratend zu begleiten und die generelle Entwicklung <strong>de</strong>s<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ zu för<strong>de</strong>rn. Dabei sollen sowohl Untersuchungen zu<br />

<strong>de</strong>n einzelnen Behin<strong>de</strong>rungsarten durchgeführt wer<strong>de</strong>n, wie neue<br />

Materialien, Metho<strong>de</strong>n und Organisationsformen entwickelt wer<strong>de</strong>n. 143<br />

Darüber hinaus ist es die Aufgabe <strong>de</strong>s „PPR“, <strong>de</strong>m „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

vorbeugen<strong>de</strong> Maßnahmen in Tageseinrichtungen, Institutionen <strong>für</strong><br />

Kleinkin<strong>de</strong>r, Kin<strong>de</strong>rgärten und <strong>de</strong>n ersten Klassen zu sorgen und eine offene<br />

spezialpädagogische Beratungsstelle <strong>für</strong> <strong>Schule</strong>n und Institutionen zu<br />

etablieren. Der „PPR“ ist somit auch die Einrichtung, welche <strong>de</strong>n Kontakt<br />

zu <strong>de</strong>n Institutionen hat, die mit <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s zu tun haben<br />

und mit diesen zusammenarbeitet. 144<br />

141 vgl.: wie 140, S. 100<br />

142 vgl.. wie 140, S. 101<br />

143 vgl.: wie 140, S. 101 f<br />

144 vgl.: wie 140, S. 101 f<br />

67


Der „PPR“ hat außer<strong>de</strong>m die Verpflichtung, die SchülerInnen bezüglich<br />

einer weiteren Ausbildung zu beraten, welche in <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> Probleme<br />

haben. 145<br />

Um diesen Verpflichtungen nachzukommen, haben die Mitarbeiter <strong>de</strong>s<br />

„PPR“ die unterschiedlichsten Qualifikationen. Im „PPR“ arbeiten<br />

Psychologen, wobei einige dieser Psychologen ausgebil<strong>de</strong>te Lehrer sind, die<br />

ein Psychologieaufbaustudium absolviert haben, Schulsozialberater, Physiound<br />

Ergotherapeuten, Sprech- und Hörpädagogen, sowie Berater <strong>für</strong><br />

verschie<strong>de</strong>ne Bereiche wie Sprech- und Hörunterricht, SchülerInnen mit<br />

Lese- und Schreibschwierigkeiten, „observationsun<strong>de</strong>rvisning<br />

(specialun<strong>de</strong>rvisning <strong>für</strong> verhaltensauffällige SchülerInnen)“ o<strong>de</strong>r<br />

„specialklasser“. Diese Berater sind meist LehrerInnen, die im<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ langjährige Erfahrung haben, und neben <strong>de</strong>r Tätigkeit<br />

als Berater noch im Schuldienst tätig sind. Wie groß ein „PPR“- Büro ist<br />

und wie viele Mitarbeiter dort tätig sind, hängt dabei von <strong>de</strong>r Größe <strong>de</strong>r<br />

„kommune“ ab. Die Leistungen, die von einem „PPR“- Büro erbracht<br />

wer<strong>de</strong>n, sind also von „kommune“ zu „kommune unterschiedlich. 146<br />

Der „PPR“ hat also eine große Verantwortung im „specialun<strong>de</strong>rvisning“ und<br />

spielt eine zentrale Rolle bei <strong>de</strong>ssen Form und Umfang.<br />

Das „specialcenter“ <strong>de</strong>r „folkeskole“<br />

An fast <strong>alle</strong>n „folkeskoler“ in Dänemark gibt es ein „specialcenter“. „Unter<br />

„specialcenter“ versteht man einen Ausschuss <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong>, welchem <strong>de</strong>r<br />

Schulleiter angehört und welcher Beschlüsse zu <strong>de</strong>r Verwirklichung von<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ und an<strong>de</strong>rer beson<strong>de</strong>rer Unterstützung trifft.“ 147<br />

Außer <strong>de</strong>m Schulleiter besteht das „specialcenter“ in <strong>de</strong>r Regel aus<br />

145<br />

vgl.: Henning W. Nielsen, Paedagogisk Psykologisk Raadgivning (PPR). In:<br />

Specialun<strong>de</strong>rvisningshaandbog. Gyl<strong>de</strong>ndalsk Boghan<strong>de</strong>l. Kopenhagen 1999, S. 336<br />

146<br />

vgl.: wie 145, S.336 f<br />

147<br />

Zitat wie 122<br />

68


LehrerInnen <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ und <strong>de</strong>s Regelunterrichts, sowie<br />

einem Mitarbeiter <strong>de</strong>s „PPR“. 148<br />

Aufgabe <strong>de</strong>s „specialcenter“ ist es, die Ressourcen, die <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>de</strong>n<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ zur Verfügung stehen, zweckmäßig zu verwalten und<br />

die verschie<strong>de</strong>nen Formen <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisnings“ zu gestalten und zu<br />

organisieren. Dazu wer<strong>de</strong>n die Probleme und die beson<strong>de</strong>ren Bedürfnisse<br />

<strong>de</strong>r einzelnen SchülerInnen erörtert und Maßnahmen erarbeitet, um diesen<br />

SchülerInnen zu helfen. Wichtig ist dabei, dass verschie<strong>de</strong>ne Möglichkeiten<br />

zur Durchführung von „specialun<strong>de</strong>rvisning“ zur Verfügung stehen. Um<br />

eine geeignete För<strong>de</strong>rmaßnahme zu erstellen, wird <strong>de</strong>r „PPR“ zu Rate<br />

gezogen und die Probleme <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r Schülerin wer<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m<br />

jeweiligen Klassenlehrer und <strong>de</strong>n Eltern besprochen. 149<br />

Ein weitere Aufgabe <strong>de</strong>s „specialcenter“ ist die Beratung von SchülerInnen<br />

und LehrerInnen in Hinblick auf „specialun<strong>de</strong>rvisning“. 150<br />

Da je<strong>de</strong> <strong>Schule</strong> unterschiedliche SchülerInnen hat und die Mitarbeiter <strong>de</strong>s<br />

„specialcenter“ unterschiedliche Vorstellungen von „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

an <strong>de</strong>r „folkeskole“ haben, ist das Angebot an „specialun<strong>de</strong>rvisning“ von<br />

„folkeskole“ zu „folkeskole“ verschie<strong>de</strong>n. 151 Trotz<strong>de</strong>m gibt es einige<br />

gängige Organisationsformen <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“, die ich in <strong>de</strong>m<br />

folgen<strong>de</strong>n darstellen möchte.<br />

„Specialun<strong>de</strong>rvisning“ in <strong>de</strong>r Regelklasse<br />

<strong>Eine</strong> mögliche Organisationsform <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ ist es, auf die<br />

beson<strong>de</strong>ren Bedürfnisse eines Schülers/ einer Schülerin innerhalb <strong>de</strong>s<br />

Regelunterrichts einzugehen. Dazu kommt einE „specialun<strong>de</strong>rvisnings“-<br />

LehrerIn in die Regelklasse, um <strong>de</strong>n jeweiligen Schüler/ die jeweilige<br />

148 vgl.: wie 129, S. 10<br />

149 vgl.: wie 128, S. 10 f<br />

150 vgl.: wie 128, S. 11<br />

151 vgl.: wie 128, S.10<br />

69


Schülerin dort zu unterstützen. Wie viele Stun<strong>de</strong>n dieser Lehrer/ diese<br />

Lehrerin in <strong>de</strong>r Klasse ist, hängt von <strong>de</strong>m För<strong>de</strong>rbedarf <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r<br />

Schülerin ab. 152<br />

Stützkurse<br />

Der Stützkurs ist eine sehr häufig angewen<strong>de</strong>te Organisationsform <strong>de</strong>s<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“. Diese Kurse können <strong>de</strong>n Regelunterricht ergänzen<br />

o<strong>de</strong>r ihn in bestimmten Fächern ersetzen und sollen bei größeren<br />

Schwierigkeiten eines Schülers/ einer Schülerin in einem o<strong>de</strong>r mehreren<br />

Fächern eingesetzt wer<strong>de</strong>n. Es besteht aber auch die Möglichkeit Stützkurse<br />

<strong>für</strong> SchülerInnen mit Verhaltensauffälligkeiten zu errichten. Wie lange <strong>de</strong>r<br />

Zeitraum ist, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Stützkurs stattfin<strong>de</strong>t, und wie häufig <strong>de</strong>r Schüler/<br />

die Schülerin an einem Stützkurs teilnimmt, hängt von <strong>de</strong>m Ausmaß <strong>de</strong>r<br />

Schwierigkeiten ab. Es besteht auch die Möglichkeit, dass ein Schüler/ eine<br />

Schülerin <strong>für</strong> <strong>de</strong>n größten Teils seiner Schullaufbahn an <strong>de</strong>m Unterricht<br />

eines Stützkurses in einem o<strong>de</strong>r mehreren Fächern teilnimmt. Außer<strong>de</strong>m<br />

hängt es von <strong>de</strong>n Schwierigkeiten <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r Schülerin ab, ob <strong>de</strong>r<br />

Intensivkurs als Einzelunterricht o<strong>de</strong>r als Unterricht in <strong>de</strong>r Kleingruppe<br />

durchgeführt wird. <strong>Eine</strong>n Großteil <strong>de</strong>r Stützkurse machen die Kurse aus, die<br />

SchülerInnen Unterstützung beim Lesenlernen geben. 153<br />

„Specialklasser“<br />

In „specialklasser“ wer<strong>de</strong>n die SchülerInnen unterrichtet, <strong>de</strong>ren<br />

För<strong>de</strong>rbedarf so groß ist, dass er nicht durch <strong>de</strong>n Regelunterricht und<br />

ergänzen<strong>de</strong> Stützkurse geleistet wer<strong>de</strong>n kann. Die specialklasser sind an<br />

eine „folkeskole“ angeglie<strong>de</strong>rt, so dass zumin<strong>de</strong>st eine räumliche Integration<br />

<strong>de</strong>r SchülerInnen gewährleistet ist. Ob und wie viele „specialklasser“ an <strong>de</strong>n<br />

einzelnen <strong>Schule</strong>n errichtet wer<strong>de</strong>n, entschei<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Rat <strong>de</strong>r „kommune“.<br />

Die „specialklasser“ haben in <strong>de</strong>r Regel beson<strong>de</strong>re Stun<strong>de</strong>n- und Lehrpläne.<br />

152 vgl.: Bjarne Nielsen, Specialun<strong>de</strong>rvisning for skoleelever. In:<br />

Specialun<strong>de</strong>rvisningshaandbog. Gyl<strong>de</strong>ndalsk Boghan<strong>de</strong>l. Kopenhagen 1999, S. 329<br />

153 vgl.: wie 128, S. 10<br />

70


Die meisten SchülerInnen erhalten nur Unterricht in <strong>de</strong>r „specialklasse“, es<br />

besteht aber auch die Möglichkeit, Unterricht sowohl in einer Regelklasse<br />

als auch in einer „specialklasse“ zu erhalten. Wichtig ist dabei auch, dass die<br />

„specialklasser“ als natürlicher Bestandteil <strong>de</strong>r „folkeskole“ aufgefaßt<br />

wer<strong>de</strong>n. Die meisten „specialklasser“ wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r „kommune“<br />

finanziert, wobei es auch „specialklasser“ gibt, welche vom „amt“ getragen<br />

wer<strong>de</strong>n, da <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rbedarf <strong>de</strong>r SchülerInnen so umfassend ist, dass <strong>de</strong>r<br />

Unterricht in diesen Klassen zu <strong>de</strong>m „vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

zählt. 154<br />

„Specialskoler“<br />

„Specialskoler“ sind <strong>Schule</strong>n, die vom „amt“ getragen wer<strong>de</strong>n, und an<br />

<strong>de</strong>nen „vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning“ an SchülerInnen mit umfassen<strong>de</strong>n<br />

För<strong>de</strong>rbedarf erteilt wird. Die Ausstattung dieser <strong>Schule</strong>n unterschei<strong>de</strong>t sich<br />

meist von <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Regelschulen. Einige <strong>Schule</strong>n haben eigene<br />

Schwimmbä<strong>de</strong>r und außer<strong>de</strong>m Möglichkeiten, verschie<strong>de</strong>ne Therapien<br />

durchzuführen. Zusätzlich dazu besteht an diesen <strong>Schule</strong>n eine an<strong>de</strong>re<br />

SchülerInnen – LehrerInnen – Relation als an <strong>de</strong>r „folkeskole“ und es sind<br />

neben Lehrern auch verschie<strong>de</strong>ne Therapeuten und Pädagogen beschäftigt.<br />

Welche SchülerInnen wer<strong>de</strong>n wo geför<strong>de</strong>rt?<br />

Bei all diesen unterschiedlichen Organisationsmöglichkeiten <strong>de</strong>s<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ ist es interessant zu sehen, welche<br />

SchülerInnengruppe in welche Formen <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

unterrichtet wer<strong>de</strong>n. Dabei ist <strong>alle</strong>rdings zu beachten, dass die<br />

Unterrichtsform nicht nur von <strong>de</strong>r Behin<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r Schülerin<br />

abhängt, son<strong>de</strong>rn von <strong>de</strong>n individuellen Voraussetzungen, die <strong>de</strong>r Schüler/<br />

die Schülerin mitbringt. <strong>Eine</strong> großen Einfluss haben dabei auch die Eltern,<br />

auf <strong>de</strong>ren Wünsche zur Art <strong>de</strong>r Beschulung ihres Kin<strong>de</strong>s so weit wie<br />

möglich Rücksicht genommen wer<strong>de</strong>n muss. Auch das unterschiedliche<br />

154 vgl.: wie 128, S. 26 ff und wie 152, S. 330<br />

71


„specialun<strong>de</strong>rvisnings“- Angebot <strong>de</strong>r einzelnen „folkeskoler“ und<br />

„kommuner“ spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle. Trotz<strong>de</strong>m kann<br />

festgestellt wer<strong>de</strong>n, in welchen Unterrichtsformen die unterschiedlichen<br />

SchülerInnengruppen vorwiegend unterrichtet wer<strong>de</strong>n.<br />

SchülerInnen mit Schwierigkeiten in einem o<strong>de</strong>r mehreren Fächern wer<strong>de</strong>n,<br />

wie schon beschrieben, meist durch Stützkurse, welche vom „specialcenter“<br />

<strong>de</strong>r „folkeskole“ organisiert wer<strong>de</strong>n, geför<strong>de</strong>rt. Dabei wer<strong>de</strong>n v.a. Kin<strong>de</strong>r<br />

mit Schwierigkeiten beim Lesenlernen mit einer Art Intensivkurs<br />

unterstützt. Dieser Intensivkurs dauert meist drei bis vier Wochen fin<strong>de</strong>t<br />

aber ziemlich häufig statt. Die SchülerInnen wer<strong>de</strong>n meist in Kleingruppen<br />

unterrichtet. Durch diese Intensivkurse erhofft man sich einen „Schub“ im<br />

Leselernprozess <strong>de</strong>r SchülerInnen.<br />

„Blin<strong>de</strong> und schwachsehen<strong>de</strong> SchülerInnen“ wer<strong>de</strong>n fast <strong>alle</strong> integriert in<br />

Regelklassen unterrichtet, wobei sie dort je nach Bedarf Unterstützung<br />

durch einen Stützlehrer/ eine Stützlehrerin erhalten. Außer<strong>de</strong>m wer<strong>de</strong>n<br />

benötigte Hilfsmittel durch das „specialcenter“ zur Verfügung gestellt.<br />

„Sprechbeeinträchtigte SchülerInnen“ wer<strong>de</strong>n auch größtenteils in<br />

Regelklassen mit <strong>de</strong>r Hilfe von Intensivkursen unterrichtet, wobei es auch<br />

einige SchülerInnen gibt, die in eine „specialklasse“ gehen. Die Anzahl <strong>de</strong>r<br />

Intensivkurs- Stun<strong>de</strong>n wird meist mit <strong>de</strong>r Zeit geringer, da die<br />

Beeinträchtigungen oftmals nach einiger Zeit geringer wer<strong>de</strong>n.<br />

„Taube und hörbeeinträchtigte SchülerInnen“ wer<strong>de</strong>n oft zu Anfang in <strong>de</strong>r<br />

Regelklasse mit einer relativ großen Unterstützung durch StützlehrerInnen<br />

und Intensivkurse unterstützt. Der Umfang <strong>de</strong>r Stützmaßnahmen nimmt<br />

meist während <strong>de</strong>r Schulzeit zu und ein Großteil <strong>de</strong>r SchülerInnen wechselt<br />

zwischen <strong>de</strong>r fünften und siebten Klasse in eine „specialklasse“ o<strong>de</strong>r<br />

„specialskole“. Der Hauptgrund da<strong>für</strong> ist, dass es aufgrund von<br />

72


Kommunikationsschwierigkeiten sehr schwierig ist, diese SchülerInnen in<br />

die Klassengemeinschaft zu integrieren.<br />

„Bewegungsbeeinträchtigte SchülerInnen“ wer<strong>de</strong>n fast <strong>alle</strong> in <strong>de</strong>r<br />

Regelklasse unterrichtet, wobei es meist keine größeren Probleme gibt.<br />

Zusätzlich zu <strong>de</strong>m Regelunterricht erhalten diese SchülerInnen oftmals<br />

Ergotherapie und Krankengymnastik.<br />

Bei „SchülerInnen mit generellen Lernschwierigkeiten“ hat die Erfahrung<br />

bei Integrationsversuchen gezeigt, dass es sehr schwierig ist, diese<br />

SchülerInnen in eine Regelklasse zu integrieren, wobei die Unterstützung<br />

durch Stützlehrer meist recht umfangreich ist. Einige dieser SchülerInnen<br />

wer<strong>de</strong>n daher in „specialklasser“ an <strong>de</strong>r „folkeskole“ unterrichtet und<br />

nehmen in einigen Stun<strong>de</strong>n als Gruppe an <strong>de</strong>m Unterricht einer regelklasse<br />

teil. Die meisten dieser SchülerInnen wer<strong>de</strong>n <strong>alle</strong>rdings an „specialskoler“<br />

unterrichtet.<br />

„SchülerInnen mit Verhaltensproblemen und psychischen Lei<strong>de</strong>n“ wer<strong>de</strong>n je<br />

nach Art <strong>de</strong>r Verhaltensprobleme in unterschiedlichen Organisationsformen<br />

<strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ unterrichtet. Einige SchülerInnen wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r<br />

Regelschule unterrichtet und nehmen an Stützkursen teil, die vom<br />

„specialcenter“ organisiert wer<strong>de</strong>n. Zusätzlich dazu gibt es einige<br />

„specialklasser“ <strong>für</strong> SchülerInnen mit Verhaltensproblemen, welche meist<br />

von <strong>de</strong>r „kommune“ finanziert wer<strong>de</strong>n. Einige SchülerInnen besuchen <strong>für</strong><br />

einen begrenzten Zeitraum (meist <strong>für</strong> drei bis acht Monate) sogenannte<br />

„observationsskoler“. Diese <strong>Schule</strong>n sind Internate, in <strong>de</strong>nen man versucht<br />

herauszufin<strong>de</strong>n, wo genau die Probleme dieser SchülerInnen liegen, um<br />

dann eine geeignete <strong>Schule</strong> zu fin<strong>de</strong>n. SchülerInnen mit schweren<br />

Verhaltensproblemen können <strong>für</strong> einen begrenzten Zeitraum auch<br />

Einzelunterricht erhalten, falls sie im Unterricht nicht mehr tragbar sind und<br />

erstmal keine alternative Beschulungsform sich anbietet.<br />

73


„SchülerInnen mit DAMP“ haben Schwierigkeiten bei <strong>de</strong>r Konzentration,<br />

Aufmerksamkeit, Motorik und Aufnahmefähigkeit. Da <strong>de</strong>r Unterricht dieser<br />

SchülerInnen eine ganze eigene Struktur braucht, wer<strong>de</strong>n diese meist in<br />

„specialklasser“ o<strong>de</strong>r vereinzelt auch an „specialskoler“ unterrichtet.<br />

„SchülerInnen mit Autismus“ wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Regel in „specialklasser“ o<strong>de</strong>r<br />

„specialskoler“ unterrichtet. Es ist <strong>alle</strong>rdings vereinzelt möglich,<br />

SchülerInnen mit „Asperger- Syndrom“ in Regelklassen zu integrieren. 155<br />

LehrerInnen im „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

Um im „specialun<strong>de</strong>rvisning“ zu unterrichten, braucht man formal keine<br />

an<strong>de</strong>ren Voraussetzungen zu erfüllen als eine abgeschlossene „folkeskole“-<br />

Lehreausbildung. Während dieser Ausbildung soll ein 40-stündiger<br />

„specialpaedagogik“- Kurs angeboten wer<strong>de</strong>n, um die zukünftigen<br />

LehreInnen auf ihre Aufgaben im „specialun<strong>de</strong>rvisning“ vorzubereiten.<br />

Zusätzlich dazu gibt es eine „specialun<strong>de</strong>rvisnings“- LehrerInnen-<br />

Ausbildung, welche in <strong>de</strong>r Form eines 1 ½-jährigen Aufbaustudium mit<br />

anschließen<strong>de</strong>m zweijährigen Praxisteil absolviert wer<strong>de</strong>n kann. In <strong>de</strong>m<br />

ersten Jahr dieser Ausbildung wer<strong>de</strong>n Grundlagen in Psychologie und<br />

„specialpaedagogik“ vermittelt. In <strong>de</strong>m darauffolgen<strong>de</strong>n halben Jahr wer<strong>de</strong>n<br />

zwei spezialpädagogische Bereiche vertieft studiert. Bereiche, die vertieft<br />

wer<strong>de</strong>n können, sind u.a.: „Sprech- und sprachbeeinträchtigte SchülerInnen<br />

und Erwachsene“, „Hörbeeinträchtigte SchülerInnen und Erwachsene“,<br />

SchülerInnen mit generellen Lernschwierigkeiten“, „SchülerInnen mit<br />

Verhaltensproblemen“, „Berufsberatung von SchülerInnen mit beson<strong>de</strong>ren<br />

Bedürfnissen“, „alternative Kommunikation“. 156<br />

155<br />

vgl.: (<strong>de</strong>r ganze Abschnitt „Welche SchülerInnen wer<strong>de</strong>n wo geför<strong>de</strong>rt?“) wie 129, S.<br />

321 f<br />

156<br />

vgl.: wie 1<br />

74


3.2.5 Vom kleinsten bis zum größten Eingriff<br />

<strong>Eine</strong>s <strong>de</strong>r Prinzipien <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ ist das Prinzip <strong>de</strong>s „kleinsten<br />

Eingriff“. Hierunter versteht man, dass auf die Bedürfnisse eines Schülers/<br />

einer Schülerin mit <strong>de</strong>m kleinstmöglichen Eingriff in <strong>de</strong>n Regelunterricht<br />

eingegangen wer<strong>de</strong>n soll. Welche Eingriffe –vom kleinsten bis zum<br />

größten- im dänischen Schulsystem möglich sind, möchte ich hier kurz<br />

aufzeigen.<br />

Grundsätzlich sind <strong>alle</strong> LehreInnen <strong>de</strong>r „folkeskole“ nach <strong>de</strong>m Gesetz zur<br />

„folkeskole“ dazu angehalten, ihren Unterricht so zu differenzieren, dass er<br />

<strong>de</strong>n Lernvoraussetzungen und –bedürfnisse <strong>de</strong>r SchülerInnen entspricht.<br />

Unterschei<strong>de</strong>n sich die Lernvoraussetzungen und –bedürfnisse eines<br />

Schülers/ einer Schülerin so von <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren SchülerInnen, dass<br />

ihnen durch die „normale Unterrichtsdifferenzierung“ nicht mehr<br />

entsprochen wer<strong>de</strong>n kann, so kann man sich als LehrerIn von<br />

MitarbeiterInnen <strong>de</strong>s „PPR“ o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s „specialcenter“ beraten lassen, wie<br />

man <strong>de</strong>n Unterricht differenzieren kann, sodass er <strong>de</strong>n Lernvoraussetzungen<br />

und –bedürfnissen <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r Schülerin entspricht.<br />

Reicht diese „spezielle Unterrichtsdifferenzierung“ nicht aus, gibt es dann<br />

verschie<strong>de</strong>ne Möglichkeiten, <strong>de</strong>n Schüler/ die Schülerin zu för<strong>de</strong>rn. Es gibt<br />

die Möglichkeit, <strong>de</strong>n Schüler/ die Schülerin zusätzlich zum Regelunterricht<br />

in Stützkursen zu för<strong>de</strong>rn. Sind die Schwierigkeiten in einem Fach<br />

beson<strong>de</strong>rs groß, so kann <strong>de</strong>r Unterricht in einem o<strong>de</strong>r auch mehreren<br />

Fächern durch <strong>de</strong>n Unterricht in einem Stützkurs ersetzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Abgesehen davon kann <strong>de</strong>r Schüler/ die Schülerin im Regelunterricht <strong>für</strong><br />

eine bestimmte Anzahl von Stun<strong>de</strong>n von einem Stützlehrer geför<strong>de</strong>rt<br />

wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r somit hilft, <strong>de</strong>n Unterricht zu differenzieren.<br />

75


Sind die Probleme <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r Schülerin so umfassend, dass eine<br />

entsprechen<strong>de</strong> För<strong>de</strong>rung durch diese Maßnahmen nicht gewährleistet ist, so<br />

wird <strong>de</strong>r Schüler/ die Schülerin in mehreren o<strong>de</strong>r <strong>alle</strong>n Fächern in einer<br />

„specialklasse“ unterrichtet, die an die „folkeskole“ angeglie<strong>de</strong>rt ist.<br />

Gibt es in <strong>de</strong>r „kommune“ keine „specialklasse“, die <strong>de</strong>n Problemen <strong>de</strong>s<br />

Schülers/ <strong>de</strong>r Schülerin gerecht wer<strong>de</strong>n kann, so wird dieseR auf eine<br />

„specialskole“ überwiesen. Ein an<strong>de</strong>rer Grund <strong>für</strong> die Überweisung eines<br />

Kin<strong>de</strong>s an eine „specialskole“ kann <strong>de</strong>r Wunsch <strong>de</strong>r Eltern sein, die <strong>de</strong>r<br />

Auffassung sind, dass ihr Kind an einer „specialskole“ besser geför<strong>de</strong>rt<br />

wird.<br />

3.2.6 Son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung an <strong>de</strong>r „efterskole“<br />

Auch an <strong>de</strong>n vielen privaten <strong>Schule</strong>n in Dänemark gibt es SchülerInnen,<br />

welche son<strong>de</strong>rpädagogisch geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Dabei sind es v.a.<br />

„efterskoler“, die teilweise ihren „eigenen“ „specialun<strong>de</strong>rvisning“ anbieten.<br />

Generell sind an vielen „efterskoler“ SchülerInnen, die eine Alternative zu<br />

<strong>de</strong>m meist recht theoretischen Unterricht <strong>de</strong>r „folkeskole“ suchen.<br />

Abgesehen davon wer<strong>de</strong>n Jugendliche, die aus sozial schwierigen<br />

Verhältnissen kommen, gelegentlich von <strong>de</strong>n Sozialbehör<strong>de</strong>n auf bestimmte<br />

„efterskoler“ überwiesen. Durch diese Maßnahme erlangen diese<br />

Jugendliche Abstand von ihrem Umfeld und <strong>de</strong>n familiären Verhältnissen,<br />

aus <strong>de</strong>nen sie stammen. Zusätzlich dazu können durch die zahlreichen<br />

Aktivitäten, die an <strong>de</strong>r „efterskole“ angeboten wer<strong>de</strong>n, die Jugendlichen auf<br />

einer erlebnispädagogischen Ebene erreicht wer<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m können die<br />

Jugendlichen dadurch dass „efterskoler“ Internatsschulen sind, umfassen<strong>de</strong>r<br />

pädagogisch betreut wer<strong>de</strong>n.<br />

76


Zusätzlich dazu gibt es eine Reihe von „efterskoler“, die sich „efterskoler“<br />

<strong>für</strong> „sent udvikle<strong>de</strong> unge (spät entwickelte Jugendliche)“ nennen. Die<br />

SchülerInnen dieser „efterskoler“ wür<strong>de</strong> man in Deutschland wahrscheinlich<br />

größtenteils als „lernbehin<strong>de</strong>rt“ bezeichnen. Die Schwierigkeiten dieser<br />

SchülerInnen liegen v.a. darin, dass sie mit <strong>de</strong>m theoretischen Unterricht <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ nicht gut zurechtgekommen sind. Die meisten dieser<br />

SchülerInnen haben große Probleme beim Lesen und Schreiben, und viele<br />

von ihnen haben Schwierigkeiten mit mathematischen Aufgaben.<br />

Die „efterskoler“ <strong>für</strong> „sent udvikle<strong>de</strong> unge“ haben sich <strong>de</strong>swegen zur<br />

Aufgabe gemacht, die Stärken dieser Jugendlichen herauszufin<strong>de</strong>n und zu<br />

unterstützen, anstatt sich auf <strong>de</strong>ren Schwächen zu konzentrieren. Der<br />

Unterricht an diesen <strong>Schule</strong>n ist sehr praktisch geprägt und fin<strong>de</strong>t<br />

größtenteils in verschie<strong>de</strong>nen Werkstätten statt. Daneben fin<strong>de</strong>t auch<br />

Unterricht in <strong>de</strong>n „theoretischen Fächern“ statt, <strong>alle</strong>rdings wird hierbei<br />

versucht, einen Bezug zu <strong>de</strong>r praktischen Arbeit in <strong>de</strong>n Werkstätten<br />

herzustellen. Außer<strong>de</strong>m wird an diesen <strong>Schule</strong>n versucht, <strong>de</strong>n SchülerInnen<br />

eine Zukunftsperspektive zu geben, in<strong>de</strong>m man gemeinsam mit <strong>de</strong>n<br />

SchülerInnen versucht herauszufin<strong>de</strong>n, welche Berufe sie mit ihren<br />

Fähigkeiten ausüben können.<br />

Diese „efterskoler“ wer<strong>de</strong>n, wie schon erwähnt, auch von <strong>de</strong>n staatlichen<br />

Behör<strong>de</strong>n als Alternative zum „specialun<strong>de</strong>rvisning“ <strong>de</strong>s öffentlichen<br />

Schulsystems genutzt. In diesen Fällen wird <strong>für</strong> die SchülerInnen, welche<br />

aus sozial schwachen Familien kommen, oftmals die Zahlung <strong>de</strong>s<br />

Schulgel<strong>de</strong>s übernommen.<br />

77


3.3 Resümee und aktuelle Diskussion<br />

Das dänische System <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ enthält viele verschie<strong>de</strong>ne<br />

Möglichkeiten, auf SchülerInnen mit beson<strong>de</strong>ren Lernvoraussetzungen und<br />

–bedürfnissen individuell einzugehen. Dabei ist die Integration dieser<br />

SchülerInnen in die Regelschule seit mehr als dreißig Jahren eins <strong>de</strong>r<br />

wichtigsten Ziele, welches bei einem Großteil <strong>de</strong>r SchülerInnen erreicht<br />

wor<strong>de</strong>n ist. Vor <strong>alle</strong>m <strong>de</strong>r „almin<strong>de</strong>lige specialun<strong>de</strong>rvisning“ ist ein Teil <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ gewor<strong>de</strong>n, aber auch fast 20% <strong>de</strong>r SchülerInnen <strong>de</strong>s<br />

„vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning“ sind in <strong>de</strong>r „folkeskole“ integriert. 157<br />

Den Erfolg <strong>de</strong>r Integration kann man sicherlich auch darauf zurückführen,<br />

dass pragmatisch an dieses Vorhaben herangegangen wor<strong>de</strong>n ist. Es wur<strong>de</strong><br />

viel ausprobiert und versucht, was dann, falls <strong>de</strong>r Versuch erfolgreich war,<br />

in Gesetze, Bekanntmachungen und Erlasse aufgenommen wur<strong>de</strong>. Wichtig<br />

<strong>für</strong> diese Entwicklung war auch, dass es immer Alternativen zur Integration<br />

gab und noch gibt.<br />

Ein wichtiger Aspekt, <strong>de</strong>r die flexible För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r einzelnen SchülerInnen<br />

möglich macht, ist, dass versucht wird, so wenig wie möglich mit<br />

Kategorien zu arbeiten, son<strong>de</strong>rn sich mit <strong>de</strong>n konkreten Problemen,<br />

individuellen Bedürfnissen und Voraussetzungen <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />

auseinan<strong>de</strong>rzusetzen.<br />

Bei <strong>de</strong>r Bewun<strong>de</strong>rung <strong>für</strong> die weitgehen<strong>de</strong> Integration <strong>de</strong>s<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ in die „folkeskole“ sollte man nicht vergessen, dass<br />

die „specialklasser“ <strong>de</strong>r „folkeskole“ keine weitgehen<strong>de</strong> Integration <strong>für</strong><br />

<strong>de</strong>ren SchülerInnen be<strong>de</strong>utet. Die SchülerInnen <strong>de</strong>r „specialklasser“<br />

befin<strong>de</strong>n sich zwar meist in <strong>de</strong>mselben Schulgebäu<strong>de</strong> wie ihren „normalen“<br />

Altersgenossen, dass es aber zwischen <strong>de</strong>n „normalen“ SchülerInnen und<br />

157 vgl.: wie 120<br />

78


<strong>de</strong>n „specialklasser“- SchülerInnen zu Freundschaften o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren sozialen<br />

Kontakten kommt, ist dadurch nicht gesichert.<br />

Interessant bei <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>r son<strong>de</strong>rpädagogischen<br />

För<strong>de</strong>rung im dänischen Schulsystem ist auch, dass <strong>de</strong>r Begriff<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ sehr weit ist. Dass 15% <strong>alle</strong>r SchülerInnen <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ „specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhalten, be<strong>de</strong>utet nicht zwangsläufig,<br />

dass <strong>de</strong>r son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rbedarf bei SchülerInnen in Dänemark<br />

größer ist als in Deutschland. Mit „specialun<strong>de</strong>rvisning“ wer<strong>de</strong>n auch<br />

Veranstaltungen bezeichnet, die in Deutschland an Regelschulen als<br />

„För<strong>de</strong>runterricht“ bezeichnet wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n. In Dänemark existiert auch<br />

nicht das in Deutschland so verbreitete System <strong>de</strong>r privaten Nachhilfe.<br />

Kostenlose Bildung wird in Dänemark so verstan<strong>de</strong>n, dass die <strong>Schule</strong> <strong>für</strong><br />

das Beheben von Schwierigkeiten im Unterricht zuständig ist und nicht die<br />

Eltern Geld da<strong>für</strong> an private Organisationen zahlen müssen.<br />

In <strong>de</strong>r aktuellen Diskussion in Fachpublikationen geht es v.a. um die weitere<br />

Entwicklung <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“. Durch die Verflechtung von<br />

Regelunterricht mit <strong>de</strong>m „specialun<strong>de</strong>rvisning“, in <strong>de</strong>m Sinne, dass <strong>de</strong>r<br />

Regelunterricht so „weit“ und differenziert wer<strong>de</strong>n soll, dass ein Großteil<br />

<strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ überflüssig wird, ist die Qualität <strong>de</strong>s<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ zurückgegangen. Vor <strong>alle</strong>m die Ausbildung<br />

qualifizierter LehrerInnen <strong>für</strong> <strong>de</strong>n „specialun<strong>de</strong>rvsining“ wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n<br />

letzten zwanzig Jahren beschnitten mit <strong>de</strong>r Begründung, dass die<br />

LehrerInnen <strong>de</strong>s Regelunterrichts so ausgebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, dass sie auch die<br />

SchülerInnen mit beson<strong>de</strong>ren Bedürfnissen und Lernvoraussetzungen<br />

unterrichten können.<br />

In <strong>de</strong>r aktuellen Diskussion geht es <strong>de</strong>swegen v.a. darum, ob <strong>de</strong>r Weg zu<br />

einer „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ weitergegangen wer<strong>de</strong>n soll, o<strong>de</strong>r ob man es bei <strong>de</strong>m<br />

status quo belassen soll und mehr Gewicht auf die Qualität <strong>de</strong>s<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ legen sollte. Nahrung erhält diese Diskussion auch<br />

79


durch die steigen<strong>de</strong>n SchülerInnenzahlen im „vidtgaaen<strong>de</strong><br />

specialun<strong>de</strong>rvisning“. Abgesehen davon kommen immer mehr Leute, die im<br />

Bereich <strong>de</strong>s specialun<strong>de</strong>rvisnig arbeiten, zu <strong>de</strong>r Auffassung, dass es nicht <strong>für</strong><br />

<strong>alle</strong> SchülerInnen ein erstrebenswertes Ziel ist, in <strong>de</strong>r „folkeskole“<br />

unterrichtet zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Diese Diskussion über die Weiterentwicklung <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

wird v.a. in Fachkreisen geführt. In <strong>de</strong>n Medien wer<strong>de</strong>n momentan eher<br />

an<strong>de</strong>re Probleme <strong>de</strong>r „folkeskole“ diskutiert. Waren in <strong>de</strong>n siebziger und am<br />

Anfang <strong>de</strong>r achtziger „specialun<strong>de</strong>rvisning“ und Integration Themen <strong>für</strong> die<br />

ein großes Interesse herrschte, kann man zur Zeit im Zusammenhang mit<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ am ehesten etwas über die wachsen<strong>de</strong> Anzahl von<br />

SchülerInnen mit Verhaltensauffälligkeiten und die Probleme von<br />

zweisprachigen SchülerInnen (SchülerInnen aus Einwan<strong>de</strong>rerfamilien)<br />

lesen. Es wird daher interessant sein, in welche Richtung sich <strong>de</strong>r<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ in Dänemark in <strong>de</strong>n nächsten Jahren entwickeln wird.<br />

80


4. Verhaltensauffällige SchülerInnen im<br />

dänischen Schulsystem<br />

4.1 Begriffsbestimmung: verhaltensauffällige Kin<strong>de</strong>r<br />

und Jugendliche in Dänemark<br />

Für die Gruppe <strong>de</strong>r verhaltensauffälligen Kin<strong>de</strong>r und Jugendlichen gab und<br />

gibt es in Dänemark die unterschiedlichsten Bezeichnungen: „uartige<br />

(ungezogene)“, „uopdrage (unerzogene)“, „fraekke (freche)“, „uefterrettlige<br />

(unzuverlässige/nachlässige)“, „adfaerdsvansklige (verhaltensschwierige)“,<br />

„karakterafvigen<strong>de</strong> (charakterabweichen<strong>de</strong>)“, „tilpasnigsvansklige<br />

(anpassungsschwierige)“, „samspilsramte (vom Zusammenspiel/<br />

Zusammenwirken getroffene), „urolige (unruhige)“, „socialt belaste<strong>de</strong>“<br />

Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche, sowie Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche mit „psykiske<br />

li<strong>de</strong>lser (psychischen Lei<strong>de</strong>n)“, „socio-emotinelle vansklighe<strong>de</strong>r (sozialemotinalen<br />

Schwierigkeiten)“, „personlighedsvanskelighe<strong>de</strong>r<br />

(Persönlichkeitsschwierigkeiten)“ o<strong>de</strong>r „adfaerdsforstyrrelser<br />

(Verhaltensstörungen)“. 158<br />

Diese Begriffe beschreiben nicht <strong>alle</strong> dieselbe Gruppe von SchülerInnen,<br />

zeigen aber die unterschiedlichen Sichtweisen und das unterschiedliche<br />

Verständnis von Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen mit Verhaltensauffälligkeiten. 159<br />

Dass so viele unterschiedliche Begriffe <strong>für</strong> diese Gruppe gebraucht wer<strong>de</strong>n,<br />

liegt auf <strong>de</strong>r einen Seite daran, dass diese Gruppe recht heterogen ist und auf<br />

<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite daran, dass in Dänemark versucht wird, die verschie<strong>de</strong>nen<br />

Schwierigkeiten <strong>de</strong>r SchülerInnen zu beschreiben anstelle Kategorien zu<br />

benützen.<br />

158<br />

vgl.: Grethe Persson, Udvikling i observationsun<strong>de</strong>rvisning. In: Specialpaedagogik 6/99,<br />

S.13 und un<strong>de</strong>rvisnigsministeriet: Adfaerd, kontakt og trivsel. Debatoplaeg 1998, S. 7<br />

159<br />

vgl.: Grethe Persson, Udvikling i observationsun<strong>de</strong>rvisning. In: Specialpaedagogik 6/99,<br />

S. 14<br />

81


Vom „un<strong>de</strong>rvisningsministerium“ wird momentan die Bezeichnung „Kin<strong>de</strong>r<br />

und Jugendliche mit beson<strong>de</strong>ren Bedürfnissen in <strong>de</strong>n Bereichen „adfaerd,<br />

kontakt, trivsel““ verwen<strong>de</strong>t.<br />

„Adfaerd“ ist dabei das dänische Wort <strong>für</strong> „Verhalten“. In <strong>de</strong>m Themenheft<br />

„adfaerd, kontakt og trivsel“ <strong>de</strong>s „un<strong>de</strong>rvisningsministerium“ steht dazu<br />

unter Begriffsklärung und –abgrenzung:<br />

„“Adfaerd“ ist ein Begriff, <strong>de</strong>r auf neutrale Weise die Handlungen und das<br />

Tun und Lassen <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s beschreibt. Im Zusammenhang mit <strong>Schule</strong> wird<br />

dieser Begriff u.a. in Verbindung mit <strong>de</strong>n Darbietungen, Fähigkeiten,<br />

Handlungsweisen, Benehmen und Aktivitäten <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s angewen<strong>de</strong>t. Der<br />

Verhaltensbegriff sagt nichts über die Ursachen aus, aber das Verhalten<br />

kann mehr o<strong>de</strong>r weniger verständlich, zusammenhängend, zweckmäßig<br />

sein.“ 160<br />

Zu <strong>de</strong>m Begriff „kontakt“ steht dort folgen<strong>de</strong>s:<br />

„Kontakt ist ein Begriff, <strong>de</strong>r das Kind in <strong>de</strong>r sozialen Beziehung beschreibt.<br />

In einem sozialen Netzwerk eines Schulkin<strong>de</strong>s sind Kontakt und Bindung<br />

sehr wesentliche pädagogische und entwicklungsför<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Faktoren. Diese<br />

gelten als Antrieb bei <strong>de</strong>r Etablierung von Gruppen, als Sicherheitsfaktor<br />

und als soziales Steuerungsinstrument im Verhältnis zu Normen und<br />

Normbildung. Schwierigkeiten in diesem Bereich zeigen sich u.a. bei<br />

Störungen in <strong>de</strong>r allgemeinen psychischen Entwicklung.“ 161<br />

Der Begriff „trivsel“ ist schwer zu übersetzen. Im Wörterbuch steht unter<br />

„trivsel“: „1. Wachstum, Aufschwung (z.B. das Wachstum/ <strong>de</strong>r Aufschwung<br />

<strong>de</strong>r Industrie); 2. (Pflanzen, Tiere, Menschen) Ge<strong>de</strong>ihen (z.B. ihm liegt das<br />

Ge<strong>de</strong>ihen seiner Kin<strong>de</strong>r sehr am Herzen); 3. (...) Arbeitsklima (z.B. das<br />

Arbeitsklima im Betrieb)“ 162 und unter „trivselsfremmen<strong>de</strong>“ - wobei<br />

160<br />

Zitat: un<strong>de</strong>rvisningsministeriet, Adfaerd kontakt og trivsel. Debatoplaeg 1998, S. 8<br />

161<br />

Zitat: wie 160, S. 8<br />

162<br />

Zitat: Egon Bork, Dansk-Tysk-Ordbog. Gyl<strong>de</strong>ndalske boghan<strong>de</strong>l, Nordisk Forlag A/S,<br />

10. Auflage, Kopenhagen 1996, S. 834<br />

82


„fremmen<strong>de</strong>“ för<strong>de</strong>rnd be<strong>de</strong>utet – „das Wohlbefin<strong>de</strong>n för<strong>de</strong>rnd ...“ 163 .<br />

Meines Erachtens ist dieser Begriff daher am ehesten mit „Wohlbefin<strong>de</strong>n im<br />

Schulklima“ zu übersetzen. Bei diesem Begriff spielt <strong>alle</strong>rdings auch<br />

„Wachstum“ und „Entwicklung“ eine Rolle.<br />

Zu <strong>de</strong>m Begriff „trivsel“ steht in <strong>de</strong>r Begriffsklärung und –abgrenzung <strong>de</strong>s<br />

Themenheftes folgen<strong>de</strong>s:<br />

„ „Trivsel“ ist ein Begriff <strong>de</strong>r die Qualität <strong>de</strong>s Verhaltens, <strong>de</strong>s Kontakts und<br />

<strong>de</strong>s Kontaktverhaltens <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s beschreibt. „Trivsel“ hat bei<strong>de</strong>s, eine<br />

subjektive Erlebnisdimension und eine objektive, von außen kommen<strong>de</strong><br />

Dimension. „Trivsel“ ist eine wesentliche Voraussetzung <strong>für</strong> Entwicklung<br />

und Lernen. Bei Schwierigkeiten sieht man hier Störungen beim<br />

Aufrechterhalten von situationsrelevanten und passen<strong>de</strong>n Gefühlen, hierbei<br />

auch <strong>de</strong>r Grundstimmung.“ 164<br />

In <strong>de</strong>m Themaheft „adfaerd, kontakt og trivsel“ wer<strong>de</strong>n die Kin<strong>de</strong>r und<br />

Jugendlichen, die Probleme in diesen Bereichen haben, als diejenigen<br />

beschrieben, welche Schwierigkeiten damit haben, sich an die<br />

Verhaltensregeln <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> anzupassen. Die For<strong>de</strong>rungen die an Disziplin,<br />

Konzentration und Kommunikation gestellt wer<strong>de</strong>n, übersteigen in <strong>de</strong>r<br />

Regel mehr o<strong>de</strong>r weniger die Fähigkeiten dieser Kin<strong>de</strong>r und<br />

Jugendlichen. 165<br />

Für die genaue Problemanalyse dieser Kin<strong>de</strong>r und Jugendlichen gibt es<br />

dabei zwei verschie<strong>de</strong>nen Betrachtungswinkel, einen „sozial und<br />

kontaktmässigen“ Betrachtungswinkel und einen neurologischen<br />

Betrachtungswinkel. Von diesen Betrachtungswinkeln aus wer<strong>de</strong>n vier<br />

verschie<strong>de</strong>ne Gruppen von Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen beschrieben, welche<br />

Probleme in <strong>de</strong>n Bereichen „adfaerd, kontakt, trivsel“ haben:<br />

163 Zitat: wie 162, S. 834<br />

164 Zitat: wie 160, S. 8<br />

165 vgl.: wie 160, S. 3<br />

83


- Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche mit neurologisch/ organisch bedingten<br />

Dysfunktionen, die Schwierigkeiten in <strong>de</strong>n Bereichen<br />

Aufmerksamkeit, Konzentration, Deutung und Verarbeitung von<br />

Sinneseindrückung und <strong>de</strong>r motorischen Kotrolle haben.<br />

- Unterstimulierte und vernachlässigte Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche,<br />

welche oftmals grundlegen<strong>de</strong> Regeln <strong>de</strong>s Verhaltens, <strong>de</strong>r<br />

Kommunikation und <strong>de</strong>r Konfliktlösung nicht erlernt haben. Diese<br />

Kin<strong>de</strong>r und Jugendlichen haben oft sprachliche Schwächen und sind<br />

schwer zu motivieren.<br />

- ambivalente und selbstunsichere Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche, welche<br />

häufig eine negative Einstellung haben und provozieren<strong>de</strong>s und<br />

grenzenüberschreiten<strong>de</strong>s Verhalten abwechselnd mit<br />

zuvorkommen<strong>de</strong>n Verhalten zeigen.<br />

- ängstliche und zarte Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche, welche sich in <strong>de</strong>r<br />

<strong>Schule</strong> sehr unwohl fühlen und die meistens sehr zurückhaltend sind.<br />

Bei diesen Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen kann es zu unvorhersehbaren<br />

Gewaltausbrüchen kommen. 166<br />

4.2 Zur geschichtlichen Entwicklung <strong>de</strong>s Unterrichts<br />

verhaltensauffälliger SchülerInnen in Dänemark<br />

Die Geschichte <strong>de</strong>s Unterrichts <strong>für</strong> verhaltensauffällige SchülerInnen<br />

beginnt eigentlich erst 1972. In diesem Jahr wur<strong>de</strong> vom<br />

„un<strong>de</strong>rvisningsministerium“ ein Erlass zum sogenannten<br />

„obseervationsun<strong>de</strong>rvisning“ verabschie<strong>de</strong>t, welcher sich mit <strong>de</strong>m<br />

Unterricht verhaltensauffälliger SchülerInnen befasste. Dies war das erste<br />

166 vgl.: wie 160, S. 19 ff<br />

84


Mal, dass <strong>de</strong>r Unterricht dieser SchülerInnen zum „specialun<strong>de</strong>rvsining“<br />

gezählt wur<strong>de</strong>. 167<br />

Bis zu diesem Zeitpunkt wur<strong>de</strong>n verhaltenauffällige SchülerInnen in<br />

Regelklassen unterrichtet o<strong>de</strong>r, in schweren Fällen, in Fürsorgeheimen o<strong>de</strong>r<br />

psychiatrischen Kliniken untergebracht, wo sie auch unterrichtet wur<strong>de</strong>n.<br />

Der Unterricht in diesen Institutionen wird nicht unter<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ gefasst, weil diese Institutionen <strong>de</strong>m Sozial- bzw.<br />

<strong>de</strong>m Gesundheitsministerium unterstehen.<br />

In <strong>de</strong>m Erlass von 1972 wird festgelegt, dass die Kin<strong>de</strong>r und Jugendlichen<br />

mit „adfaerdsproblemer og psykiske li<strong>de</strong>lser (Verhaltensprobleme und<br />

psychische Lei<strong>de</strong>n)“ „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ erhalten sollten. Als<br />

Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche mit „adfaerdsproblemer og psykiske li<strong>de</strong>lser“<br />

wer<strong>de</strong>n dabei diejenigen benannt, <strong>de</strong>ren „ ... Persönlichkeitsentwicklung in<br />

<strong>de</strong>m Maße geschädigt o<strong>de</strong>r bedroht ist, dass sie nicht mit ausreichen<strong>de</strong>m<br />

Gewinn <strong>de</strong>m Unterricht <strong>de</strong>r Regelklasse folgen können.“ 168<br />

Ein Schüler/ eine Schülerin sollte aber erst „observationsun<strong>de</strong>rvisning“<br />

erhalten, wenn <strong>alle</strong> Möglichkeiten ausgeschöpft wur<strong>de</strong>n, das<br />

„Wohlbefin<strong>de</strong>n“ <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r Schülerin in <strong>de</strong>r Regelklasse zu för<strong>de</strong>rn.<br />

Dies beinhaltet auch, etwas an <strong>de</strong>r äußeren Struktur, wie z.B. <strong>de</strong>n<br />

Unterrichtsmetho<strong>de</strong>n, zu än<strong>de</strong>rn. 169<br />

„Observationsun<strong>de</strong>rvisning“ kann seit<strong>de</strong>m in fünf verschie<strong>de</strong>nen<br />

Organisationsformen durchgeführt wer<strong>de</strong>n, mit Hilfe eines Stützlehrers in<br />

<strong>de</strong>r Regelklasse, in Form eines Stützkurses, in einer „specialklasse“ mit<br />

167 vgl.: wie 109, S. 366<br />

168 Zitat: wie 159, S. 14<br />

169 vgl.: wie 159, S. 14<br />

85


Ganztagsbetrieb, an einer „specialskole“ mit Ganztagsbetrieb o<strong>de</strong>r an einer<br />

„Observationsskole“, welche als Internat organisiert ist. 170<br />

An diesen Organisationsformen hat sich bis heute nichts geän<strong>de</strong>rt, weshalb<br />

es interessanter ist, das unterschiedliche Verständnis von<br />

Verhaltensauffälligkeiten und die daraus folgen<strong>de</strong>n unterschiedlichen<br />

Herangehensweisen im Unterricht zu betrachten.<br />

Die Sichtweise in <strong>de</strong>n siebziger Jahren war individuumsorientiert, d.h. die<br />

Ursache <strong>für</strong> das auffällige Verhalten lag in <strong>de</strong>m Kind selber. Im<br />

„observationsun<strong>de</strong>rvisning“ sollte das Kind erst beobachtet wer<strong>de</strong>n und<br />

daraufhin so behan<strong>de</strong>lt und unterrichtet wer<strong>de</strong>n, dass die<br />

Verhaltensprobleme mit <strong>de</strong>r Zeit verschwan<strong>de</strong>n und das Kind wie<strong>de</strong>r am<br />

Regelunterricht teilnehmen konnte. 171<br />

Bei <strong>de</strong>r konkreten Durchführung <strong>de</strong>s „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ waren die<br />

LehrerInnen sich selbst überlassen. Es waren in diesem Bereich noch keine<br />

speziellen Metho<strong>de</strong>n entwickelt wor<strong>de</strong>n und die LehrerInnen mussten ihre<br />

eigenen Erfahrungen sammeln. Auch in <strong>de</strong>n darauffolgen<strong>de</strong>n Jahren tat sich<br />

nicht sehr viel bei <strong>de</strong>m Entwickeln von Materialien und Metho<strong>de</strong>n <strong>für</strong> <strong>de</strong>n<br />

„observationsun<strong>de</strong>rvisning“. Deswegen war die Qualität <strong>de</strong>s<br />

„observationsun<strong>de</strong>rvisning“ in recht großem Maße von <strong>de</strong>n Kompetenzen<br />

<strong>de</strong>s Lehrers/ <strong>de</strong>r Lehrerin abhängig. 172<br />

In <strong>de</strong>n siebziger Jahren wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ in <strong>de</strong>n<br />

damaligen Schulkliniken und die Möglichkeit, Kin<strong>de</strong>r schnell dorthin<br />

überweisen zu können, oftmals auch ausgenutzt. Viele LehrerInnen nutzten<br />

<strong>de</strong>n „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ als Disziplinarmaßnahme, wohin<br />

170<br />

vgl.: Niels Dueholm, Adfaerd, kontakt og trivsel – boern og unge med trivselsproblemer<br />

i skolen, - eller skoler med trivselsskaben<strong>de</strong> problemer. In: Specialun<strong>de</strong>rvisningshaandbog.<br />

Gyl<strong>de</strong>ndalsk Boghan<strong>de</strong>l. Kopenhagen 1999, S. 193<br />

171<br />

vgl.: wie 159, S. 15<br />

172<br />

vgl.: wie 159, S. 15 ff<br />

86


SchülerInnen bei mehr o<strong>de</strong>r weniger großen Regelverstößen schicken<br />

konnten. 173<br />

In <strong>de</strong>n achtziger Jahren wur<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>r mit auffälligem Verhalten oft als<br />

„samspiltsramte“, also vom Zusammenspiel/Zusammenwirken getroffene,<br />

Kin<strong>de</strong>r bezeichnet. Darunter ist zu verstehen, dass das Zusammenspiel/<br />

Zusammenwirken in <strong>de</strong>r Familie o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Klasse das auffällige Verhalten<br />

<strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r Schülerin hervorruft. 174<br />

Auf das „Zusammenspiel“ in <strong>de</strong>r Familie einzuwirken, war weniger<br />

Aufgabe <strong>de</strong>r LehrerInnen als <strong>de</strong>r SchulpsychologInnen, welche dann<br />

verstärkt in diesem Bereich eingesetzt wur<strong>de</strong>n. Um auf das<br />

„Zusammenspiel“ in <strong>de</strong>r Klasse einwirken zu können, wur<strong>de</strong> versucht,<br />

SchülerInnen mit auffälligem Verhalten in <strong>de</strong>r Regelklasse zu unterrichten.<br />

Dabei wur<strong>de</strong> v.a. auf verhaltensmodifizieren<strong>de</strong> Metho<strong>de</strong>n zurückgegriffen.<br />

Oftmals wur<strong>de</strong> dabei in drei Schritten vorgegangen. Der erste Schritt<br />

bestand darin, dass das Problem beschrieben wur<strong>de</strong>, in<strong>de</strong>m SchülerInnen,<br />

Eltern und LehrerInnen dazu befragt wur<strong>de</strong>n. Im zweiten Schritt sollte <strong>de</strong>r<br />

Schüler/ die Schülerin mit Hilfe von Übungen und Spielen,<br />

Handlungsmuster und –möglichkeiten erlernen und trainieren. In einem<br />

letzten Schritt wur<strong>de</strong> dann evaluiert, ob sich etwas an <strong>de</strong>m Verhalten <strong>de</strong>s<br />

Schülers/ <strong>de</strong>r Schülerin geän<strong>de</strong>rt hatte. 175<br />

In <strong>de</strong>n achtziger Jahren gab es zwar auch weiterhin<br />

„observationsun<strong>de</strong>rvisning“ außerhalb <strong>de</strong>r Regelklasse, aber dieser wur<strong>de</strong><br />

nicht mehr wie in <strong>de</strong>n siebziger Jahren als Disziplinarmaßnahme genutzt.<br />

<strong>Eine</strong> Ausnahme war da <strong>alle</strong>rdings die „kommune“ Kopenhagen, wo<br />

sogenannte „perio<strong>de</strong>klasser“ entstan<strong>de</strong>n, in die sowohl SchülerInnen mit<br />

schweren Persönlichkeitsstörungen als auch SchülerInnen, die gegen Regeln<br />

173 vgl.: wie 159, S. 16<br />

174 vgl.: wie 159, S. 16<br />

175 vgl.: wie 159, S. 16 f<br />

87


wie das Ausspucken <strong>de</strong>s Kaugummis zu Beginn <strong>de</strong>s Unterrichts verstoßen<br />

hatten, überwiesen wur<strong>de</strong>n. 176<br />

In <strong>de</strong>n neunziger Jahren verabschie<strong>de</strong>te man sich von <strong>de</strong>r Auffassung, dass<br />

das auffällige Verhalten von Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen eine Ursache hat<br />

und dass, sobald diese Ursache entfernt sei, auch das auffällige Verhalten<br />

verschwin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Es setzte sich vielmehr die Theorie durch, dass das<br />

Verhalten von mehreren Faktoren beeinflußt wird und sich dabei auch<br />

weiterentwickelt. In diesem Mo<strong>de</strong>ll von Verhalten ist die Beziehung<br />

zwischen Ursache und Wirkung nicht mehr linear, son<strong>de</strong>rn zirkulär, was<br />

be<strong>de</strong>utet, dass das Verhalten von <strong>de</strong>m Umfeld beeinflußt ist, das Umfeld<br />

aber wie<strong>de</strong>rum auch von <strong>de</strong>m Verhalten. 177<br />

Als Folgerung aus dieser Theorie dreht sich <strong>de</strong>r „observationsun<strong>de</strong>rvisning“<br />

nicht mehr nur um das Kind, son<strong>de</strong>rn auch um die Beziehungen, die das<br />

Kind zu seiner Umwelt hat, <strong>de</strong>ren Teil auch die <strong>Schule</strong> und <strong>de</strong>r Unterricht<br />

sind. Es wird versucht, das positive Verhalten <strong>de</strong>r SchülerInnen<br />

hervorzuheben o<strong>de</strong>r Situationen zu vermei<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r zu verän<strong>de</strong>rn, in <strong>de</strong>nen<br />

das auffällige Verhalten auftritt. <strong>Eine</strong> weitere Strategie ist es, auch in <strong>de</strong>n<br />

Regelklassen mit sozialem- und emotionalem Lernen zu arbeiten. 178<br />

In dieser Zeit kam es außer<strong>de</strong>m zu <strong>de</strong>m Bekanntwer<strong>de</strong>n zahlreicher neuer<br />

neurologischer Diagnosen, welche <strong>für</strong> viele auffällige und „hyperaktive“<br />

Verhaltensweisen Erklärungen lieferten. Auf Grund dieser medizinischen<br />

Ursachen wur<strong>de</strong> bei diesen SchülerInnen oftmals eine För<strong>de</strong>rung außerhalb<br />

<strong>de</strong>r Regelklasse als geeignet betrachtet. 179<br />

Insgesamt gesehen hatte <strong>de</strong>r „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ in <strong>de</strong>n neunziger<br />

Jahren einen recht schweren Stand. Am Anfang dieses Jahrzehnts waren die<br />

176 vgl.: wie 159, S. 17<br />

177 vgl.: wie 159, S. 18 f<br />

178 vgl.: wie 159, S. 19 f<br />

179 vgl.: wie 159, S. 18<br />

88


gravieren<strong>de</strong>n Leseschwächen <strong>de</strong>r dänischen SchülerInnen bekannt<br />

gewor<strong>de</strong>n, weswegen die „specialun<strong>de</strong>rvisnings“- Ressourcen <strong>de</strong>r<br />

„kommuner“ v.a. <strong>für</strong> Stützkurse im Bereich Lesenlernen ausgegeben<br />

wur<strong>de</strong>n. An „folkeskoler“ angeschlossene „specialklasser“ gab es v.a. in <strong>de</strong>n<br />

„kommuner“, welche bereits seit längerem Projekte o<strong>de</strong>r „specialklasser“<br />

<strong>für</strong> verhaltensauffällige SchülerInnen hatten. Ansonsten wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Aufbau<br />

eines qualifizierten „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ hintenan gestellt. Die<br />

fehlen<strong>de</strong>n Maßnahmen in diesem Bereich sind vielleicht auch ein Grund,<br />

warum <strong>de</strong>r Anstieg im „vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning“ v.a. auf einen<br />

Anstieg in <strong>de</strong>m Bereich <strong>de</strong>r SchülerInnen mit auffälligen Verhalten<br />

zurückzuführen ist. 180<br />

Allerdings ist in <strong>de</strong>n letzten Jahren ein größeres Interesse an<br />

verhaltensauffälligen SchülerInnen zu verzeichnen. 1996 wur<strong>de</strong> eine<br />

Untersuchung über „unruhige“ SchülerInnen an <strong>de</strong>r „folkeskole“<br />

durchgeführt, <strong>de</strong>ren Ergebnisse auch im „folketing“ vorgestellt und<br />

diskutiert wur<strong>de</strong>n. Bei dieser Untersuchung stellt sich <strong>alle</strong>rdings heraus, dass<br />

es keinen Anstieg bei <strong>de</strong>r Zahl „unruhiger“ SchülerInnen innerhalb <strong>de</strong>s<br />

Regelunterricht <strong>de</strong>r „folkeskole“ gibt, son<strong>de</strong>rn dass die Zahlen früheren<br />

Untersuchungen entsprechen. 181 Auch im „almin<strong>de</strong>lige specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

<strong>de</strong>r „kommuner“ besteht wie<strong>de</strong>r ein vermehrtes Interesse daran, ein<br />

qualifiziertes Angebot <strong>für</strong> SchülerInnen mit Problemen in <strong>de</strong>n Bereichen<br />

„adfaerd, kontakt og trivsel“ zu schaffen. 182<br />

180 vgl.: wie 159, S. 18 und 108, S.45 f<br />

181 vgl.: un<strong>de</strong>rvisningsministeriet, Elever <strong>de</strong>r forstyrrer un<strong>de</strong>rvisning for sig selv eller<br />

an<strong>de</strong>re i folkeskolen. Re<strong>de</strong>goerelse til Folketinget 1997. Un<strong>de</strong>rvisningsministeriets forlag,<br />

Kopenhagen 1997, S. 5<br />

182 vgl.: wie 108<br />

89


4.3 Organisationsformen, Prinzipien und Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />

Unterrichts mit verhaltensauffälligen SchülerInnen<br />

4.3.1 Prinzipien und Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />

„observationsun<strong>de</strong>rvisning“<br />

Es ist schwierig, von übergeordneten Prinzipien und Metho<strong>de</strong>n im<br />

„observationsun<strong>de</strong>rvisning“ zu sprechen. Je<strong>de</strong> <strong>Schule</strong>, die<br />

„observationsun<strong>de</strong>rvisning“ o<strong>de</strong>r vorbeugen<strong>de</strong> Projekte <strong>für</strong> Kin<strong>de</strong>r mit<br />

Problemen in <strong>de</strong>m Bereich „adfaerd, kontakt og trivsel“ anbietet, entwickelt<br />

dabei ihr eigenes Konzept. Dieses Konzept ist auch von <strong>de</strong>n „pädagogischen<br />

Präferenzen“ <strong>de</strong>r involvierten LehrerInnen abhängig. In <strong>de</strong>m Themenheft<br />

„adfaerd, kontakt og trivsel“ sind aber doch einige Prinzipien und Metho<strong>de</strong>n<br />

genannt.<br />

Einige <strong>de</strong>r Grundlagen <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Unterrichts mit verhaltensauffälligen<br />

SchülerInnen sind im Gesetz zur „folkeskole“ zu fin<strong>de</strong>n. Zu <strong>de</strong>n dort<br />

genannten Zielen <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Unterricht an <strong>de</strong>r „folkeskole“ zählt u.a. die<br />

Entwicklung <strong>de</strong>r Persönlichkeit <strong>de</strong>r SchülerInnen zu för<strong>de</strong>rn. In diesem<br />

Bereich soll v.a. die För<strong>de</strong>rung verhaltensauffälliger SchülerInnen ansetzen,<br />

wobei Schwerpunkte auf die Beziehung zwischen SchülerIn und LehrerIn<br />

und die Entwicklung von einem positiven Selbstbild, Empathie und<br />

emotionaler Kontrolle gelegt wer<strong>de</strong>n. Wichtig ist dabei ein ganzheitlich<br />

orientierter Unterricht, <strong>de</strong>r viele praktisch- musische Aktivitäten enthält. 183<br />

Beim „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ ist es wichtig, <strong>de</strong>n SchülerInnen einen<br />

strukturierten, vorhersehbaren, klar umrissenen Schulalltag als<br />

Gegengewicht zu <strong>de</strong>m chaotischen Erleben ihrer Umwelt zu bieten. Dabei<br />

sollen die LehrerInnen <strong>de</strong>n SchülerInnen konkrete Handlungsanweisungen<br />

geben, Hilfe bei <strong>de</strong>m Lösen von Konflikten leisten und ein<strong>de</strong>utige, klare<br />

Anweisungen <strong>für</strong> alternative Handlungsweisen geben. Für die einzelnen<br />

90


SchülerInnen sollen individuelle Handlungspläne mit kurz- und<br />

längerfristigen Zielen erarbeitet wer<strong>de</strong>n, welche ständig evaluiert und<br />

gegebenenfalls an neue Situationen angepaßt wer<strong>de</strong>n sollen. 184<br />

Der pädagogische Einsatz, welcher durch „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ und<br />

daran angeschlossenen Aktivitäten geleistet wird, sollte darüber hinaus aus<br />

drei Teilen bestehen:<br />

- Unterricht und Lernen<br />

- Sozialpädagogik mit geplanten und sich entwickeln<strong>de</strong>n Aktivitäten<br />

- Behandlung in Form von Milieutherapie, eventuell in Kombination<br />

mit an<strong>de</strong>ren Therapieformen 185<br />

Da die pädagogische Praxis <strong>de</strong>s „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ nicht von<br />

einfachen pädagogischen Techniken, son<strong>de</strong>rn von <strong>de</strong>r Beziehung zwischen<br />

SchülerIn und LehrerIn geprägt ist, wird <strong>de</strong>n LehrerInnen empfohlen, über<br />

die folgen<strong>de</strong>n fünf verschie<strong>de</strong>ne Bereiche zu reflektieren:<br />

1. Selbstreflexion: Hierbei geht es um die Fragen, welchen Anteil man als<br />

LehrerIn an <strong>de</strong>r pädagogischen Situation hat, welche persönliche und<br />

fachliche Einstellung man zu <strong>de</strong>m Verhalten <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s hat, wie die<br />

aktuelle, persönliche Situation aussieht und ob man sich in seinem<br />

Verhalten als LehrerIn geän<strong>de</strong>rt hat, ob man <strong>de</strong>n einzelnen Kin<strong>de</strong>rn<br />

genügend Aufmerksamkeit zukommen läßt und welche persönlichen<br />

Eigenschaften man im Unterricht anwen<strong>de</strong>t und welchen Effekt sie<br />

haben. 186<br />

2. Überlegungen über <strong>de</strong>n Schüler/ die Schülerin: Hierbei geht es um die<br />

Fragen, wie <strong>de</strong>r Schüler/die Schülerin einen als LehrerIn auffaßt, welche<br />

Konzentrations- und Auffassungsgabe und welche Frustrationstoleranz<br />

183 vgl.: wie 160, S. 10 ff<br />

184 vgl.: wie 160, S. 28 f<br />

185 vgl.: wie 160, S. 30<br />

186 vgl.: wie 160, S. 32<br />

91


das Kind hat, was kann das Kind aus seinen Erfahrungen lernen, was<br />

kennzeichnet das Verhalten und die Reaktionsmuster <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s, wenn<br />

es unter Druck gerät, welche Situationen för<strong>de</strong>rn negatives, welche<br />

positives Verhalten, was sagt das Verhalten <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s mir. 187<br />

3. Pädagogische Überlegungen: Hierbei geht es um die Fragen: För<strong>de</strong>rt ob<br />

<strong>de</strong>r Unterricht das gewünschte Verhalten, sind die Erwartungen an das<br />

Kind <strong>de</strong>ssen Voraussetzungen angepasst, ist die Situation durch<br />

Toleranz gegenüber Unterschie<strong>de</strong>n geprägt, kann ich als Lehrer<br />

zwischen Beschreibungs-, Interpretations- und Bewertungsniveau<br />

unterschei<strong>de</strong>n, ist <strong>de</strong>r Unterricht brauchbar und sinnvoll, wie arbeitet<br />

man an <strong>de</strong>m sozialen Wohlbefin<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r gesamten Klasse, welche<br />

positiven und negativen Sanktionen sollen angewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, ist die<br />

Kommunikation offen, wie kann das selbstkontrollierte Verhalten <strong>de</strong>s<br />

Kin<strong>de</strong>s unterstützt wer<strong>de</strong>n, sind die SchülerInnen in das Aufstellen <strong>de</strong>r<br />

Regeln involviert, ist die Anzahl <strong>de</strong>r Regeln zweckmäßig, sind die<br />

Regeln zweckmäßig formuliert, sind die Regeln bis zu einem gewissen<br />

Grad flexibel? 188<br />

4. Pädagogisches Werkzeug: Hiebei geht es um Techniken wie, die<br />

Aufmerksamkeit von beispielsweise einer Konfrontation auf etwas<br />

neutrales zu lenken, die negative Betonung einer Situation in eine<br />

positive umzu<strong>de</strong>finieren, geplante physische Aktivitäten als Mittel zur<br />

Kanalisation von Unruhe und Rastlosigkeit anzuwen<strong>de</strong>n, bewußte<br />

Anwendung von physischer Nähe o<strong>de</strong>r Distanz, Anwendung von<br />

Struktur und Vorhersehbarkeit, um <strong>de</strong>n SchülerInnen Sicherheit zu<br />

geben, „feed-forward“ (konkrete Anweisungen <strong>für</strong> Verhalten in<br />

bestimmten, zukünftigen Situationen) geben, bewußtes Auswählen <strong>de</strong>s<br />

187 vgl.: wie 160, S. 33<br />

188 vgl.: wie 160, S. 33<br />

92


Zeitpunkts <strong>de</strong>r Intervention, in bestimmten Situationen Auswege ohne<br />

„Verlierer“ zu schaffen. 189<br />

5. Organisation von Unterricht und pädagogischen Aktivitäten: Hierbei<br />

geht es um die Fragen: wie man am besten die Pausen gestaltet, welche<br />

Gruppenstrukturen sind zweckmäßig, welche alternativen und för<strong>de</strong>rn<strong>de</strong><br />

Aktivitäten gibt es, welche Aktivitäten haben eine Wirkung entwickelt<br />

und können diese erweitert wer<strong>de</strong>n, wie kann <strong>de</strong>r Unterricht und die<br />

Klasse organisiert wer<strong>de</strong>n, so dass zweckmäßige Beziehungen entstehen,<br />

wie können die an<strong>de</strong>ren SchülerInnen einbezogen wer<strong>de</strong>n, um ein<br />

gewünschtes Verhalten zu erreichen. 190<br />

4.3.2 Die verschie<strong>de</strong>nen Organisationsformen<br />

Unterricht von verhaltensauffälligen SchülerInnen im Zusammenhang<br />

mit <strong>de</strong>r Regelklasse<br />

Es gibt viele verschie<strong>de</strong>ne Möglichkeiten, an <strong>de</strong>r „folkeskole“<br />

verhaltensauffällige SchülerInnen, welche in <strong>de</strong>r Regelklasse unterrichtet<br />

wer<strong>de</strong>n, zu unterstützen. Die wahrscheinlichst häufigste Form ist, dass durch<br />

das „specialcenter“ <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> ein Stützkurs <strong>für</strong> verhaltensauffällige<br />

SchülerInnen angeboten wird. In <strong>de</strong>r Regel wer<strong>de</strong>n in diesen Kursen vier bis<br />

acht SchülerInnen betreut. Die Dauer und die Häufigkeit <strong>de</strong>s Kurses hängt<br />

von <strong>de</strong>n Bedürfnissen <strong>de</strong>r SchülerInnen und <strong>de</strong>n Mitteln <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> ab. Es<br />

gibt dabei auch die Möglichkeit, einen Schüler/ eine Schülerin <strong>für</strong> nur eine<br />

Stun<strong>de</strong>, nach<strong>de</strong>m es zu einem Konflikt o<strong>de</strong>r Regelverstoß gekommen ist, zu<br />

einem Stützkurs zu überweisen. <strong>Eine</strong> weitere Möglichkeit ist es, dass ein<br />

189 vgl.: wie 160, S. 34<br />

190 vgl.: wie 160, S. 34<br />

93


„specialun<strong>de</strong>rvisnings“- Lehrer/ eine „specialun<strong>de</strong>rvisnings“- LehrerIn zur<br />

Unterstützung in die Regelklasse kommt. 191<br />

Es sind darüber hinaus an mehreren <strong>Schule</strong>n auch an<strong>de</strong>re Projekte<br />

entstan<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>nen versucht wird, auf die Probleme verhaltensauffälliger<br />

SchülerInnen einzugehen. So gibt es beispielsweise an einer <strong>Schule</strong> eine Art<br />

Cafe, wo SchülerInnen vor o<strong>de</strong>r während <strong>de</strong>s Unterrichts o<strong>de</strong>r auch während<br />

<strong>de</strong>r Pausen hingehen können. In dieses Cafe sollen SchülerInnen freiwillig<br />

kommen, um Situationen zu vermei<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>nen Probleme auftreten<br />

können. Wenn sie also merken, sie sind <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen, die <strong>de</strong>r<br />

Unterricht an sie stellt, in <strong>de</strong>m Moment nicht gewachsen, so können sie nach<br />

Absprache mit <strong>de</strong>m Lehrer/ <strong>de</strong>r Lehrerin in das Cafe gehen. Einige<br />

SchülerInnen kommen schon vor <strong>de</strong>m Unterricht, weil sie das Bedürfnis<br />

nach Unterhaltung haben o<strong>de</strong>r weil sie noch etwas essen wollen. In <strong>de</strong>m<br />

Cafe sind drei LehrerInnen beschäftigt, die die SchülerInnen in<br />

verschie<strong>de</strong>nen Dingen unterstützen. So haben die SchülerInnen die<br />

Möglichkeit, Hausaufgaben zu machen, sich zu unterhalten o<strong>de</strong>r über<br />

Probleme zu re<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m wird versucht, <strong>de</strong>n SchülerInnen in<br />

bestimmten Fächern Erfolgserlebnisse zu verschaffen. 192<br />

Solche Projekte sind aber lei<strong>de</strong>r eher die Ausnahme und es ist auch nicht an<br />

je<strong>de</strong>r „folkeskole“ üblich, etwas <strong>für</strong> SchülerInnen mit auffälligen Verhalten<br />

anzubieten. Es kommt daher auch sehr häufig vor, dass auffällige<br />

SchülerInnen einfach von <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> verwiesen wer<strong>de</strong>n. 193<br />

„Observationsun<strong>de</strong>rvisning“ in <strong>de</strong>r „specialklasse“<br />

„Specialklasser“, welche sich auf „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ spezialisiert<br />

haben, können von <strong>de</strong>r „kommune“ o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>m „amt“ bezahlt wer<strong>de</strong>n. In<br />

einer „specialklasse“ wer<strong>de</strong>n zwischen vier und acht SchülerInnen<br />

191 vgl.: wie 128, S. 75 f<br />

192 vgl.: wie 128, S. 81 ff<br />

193 vgl.: Luise Lückou Falhof, Barnet ingen vil have. Aktuelt 16. 12. 2000<br />

94


unterrichtet. „Specialklasser“ sind in <strong>de</strong>r Regel organisatorisch an eine<br />

bestimmte „folkeskole“ angeschlossen. Da aber nicht je<strong>de</strong> „folkeskole“ eine<br />

„specialklasse“ <strong>für</strong> verhaltensauffällige SchülerInnen anbietet, wer<strong>de</strong>n auch<br />

SchülerInnen von an<strong>de</strong>ren <strong>Schule</strong>n <strong>de</strong>r „kommune“ aufgenommen. Der<br />

Unterricht umfasst dabei die Fächer <strong>de</strong>r „folkeskole“. Viele „specialklasser“<br />

haben ein Freizeitangebot <strong>für</strong> die SchülerInnen, wo sie nachmittags von<br />

SozialpädagogInnen betreut wer<strong>de</strong>n. Da „specialklasser“ ein längerfristiges<br />

Angebot sind, müssen umfassen<strong>de</strong> Probleme in <strong>de</strong>n Bereichen „adfaerd,<br />

kontakt, trivsel“ vorliegen, um einen Schüler/ eine Schülerin in eine<br />

„specialklasse“ zu überweisen. Ziel <strong>de</strong>s Unterrichts ist es, die SchülerInnen<br />

so in ihrer Entwicklung zu unterstützen, dass sie nach einer gewissen Zeit<br />

wie<strong>de</strong>r in einer Regelklasse unterrichtet wer<strong>de</strong>n können. 194<br />

„Observationsun<strong>de</strong>rvisning“ an einer „specialskole“<br />

Die meisten „specialskoler“, die observationsun<strong>de</strong>rvisning“ anbieten, sind<br />

Ganztagsschulen, was be<strong>de</strong>utet, dass die <strong>Schule</strong> von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr<br />

geöffnet ist. Diese Ganztagsschulen sind nach <strong>de</strong>m Gesetz „folkeskoler“,<br />

welche sich ausschließlich mit Unterricht von SchülerInnen mit Problemen<br />

in <strong>de</strong>n Bereichen „adfaerd, kontakt, trivsel“ beschäftigen. Am Nachmittag<br />

fin<strong>de</strong>t in <strong>de</strong>r Regel kein Unterricht mehr statt, son<strong>de</strong>rn es wer<strong>de</strong>n<br />

sozialpädagogisch betreute Freizeitaktivitäten angeboten. Die SchülerInnen<br />

sind nach einer eingehen<strong>de</strong>n Untersuchung vom „PPR“ an diese Schulform<br />

überwiesen wor<strong>de</strong>n, wobei auch berücksichtigt wur<strong>de</strong>, ob die SchülerInnen<br />

von <strong>de</strong>r SchülerInnengruppe profitieren, in die sie hineinkommen, und ob<br />

umgekehrt die Gruppe von <strong>de</strong>r neuen Schülerin/ <strong>de</strong>m neuen Schüler<br />

profitiert. Ein wichtiger Aspekt bei <strong>de</strong>r Überweisung an eine<br />

Ganztagsschule ist auch, dass die Verbindung <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r Schülerin zu<br />

Familie und Umfeld erhalten bleibt. Obwohl <strong>de</strong>r Aufenthalt <strong>de</strong>r<br />

SchülerInnen an diesen <strong>Schule</strong>n längerfristig geplant ist, ist es Ziel <strong>de</strong>s<br />

Unterrichts, dass die SchülerInnen so in ihrer Entwicklung geför<strong>de</strong>rt<br />

194 vgl.: wie 160, S. 38 f<br />

95


wer<strong>de</strong>n, dass sie wie<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>m Regelunterricht <strong>de</strong>r „folkeskole“ teilnehmen<br />

können. 195<br />

„Observationsskole“ – „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ an einem Internat<br />

Die Internatsschulen mit „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ sind <strong>für</strong> einen<br />

mittelfristigen Aufenthalt von SchülerInnen mit auffälligen Verhalten<br />

gedacht. An diesen <strong>Schule</strong>n wohnen normalerweise zwischen sechzehn und<br />

vierundzwanzig SchülerInnen, wodurch diese Internate recht überschaubar<br />

<strong>für</strong> LehrerInnen und SchülerInnen bleiben. Die SchülerInnen dieser <strong>Schule</strong>n<br />

haben ernste Probleme in <strong>de</strong>n Bereichen „adfaerd, kontakt, trivsel“, wobei<br />

sie nicht zufrie<strong>de</strong>nstellend durch die Hilfsangebote <strong>de</strong>r „folkeskole“ bei<br />

ihren Problemen unterstützt wer<strong>de</strong>n konnten. Ziel <strong>de</strong>r „observationsskoler“<br />

ist es, die SchülerInnen außerhalb ihres normalen Umfelds zu beobachten,<br />

um so möglichst eine genaue Ursache <strong>für</strong> die Probleme herauszufin<strong>de</strong>n.<br />

Aufgrund dieser Beobachtungen soll ein geeigneter För<strong>de</strong>rort <strong>für</strong> die Kin<strong>de</strong>r<br />

und Jugendlichen gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n und diese sollen dann auf diesen<br />

För<strong>de</strong>rort vorbereitet wer<strong>de</strong>n. 196<br />

Einzelunterricht<br />

In beson<strong>de</strong>rs schwierigen Fällen kann es vorkommen, dass ein Schüler/ eine<br />

Schülerin Einzelunterricht <strong>für</strong> einen begrenzten Zeitraum erhält. Diese<br />

Unterrichtsform wird dann angewandt, wenn <strong>de</strong>r Schüler/ die Schülerin<br />

aufgrund einer Krisenreaktion o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rer schwerwiegen<strong>de</strong>r Probleme<br />

nicht in <strong>de</strong>r Lage ist, mit an<strong>de</strong>ren SchülerInnen zusammen zu sein. 197<br />

195 vgl.: wie 160, S. 39 f<br />

196 vgl.: wie 160, S. 40 f<br />

197 vgl.: wie 160, S. 39<br />

96


4.4 Resümee und aktuelle Diskussion<br />

Insgesamt gesehen gibt es in Dänemark zahlreiche Möglichkeiten,<br />

SchülerInnen mit auffälligen Verhalten innerhalb und außerhalb <strong>de</strong>s<br />

Regelunterrichts <strong>de</strong>r „folkeskole“ zu för<strong>de</strong>rn. Es ist dabei sehr interessant,<br />

dass nicht nur auf bestimmte Unterrichtsmetho<strong>de</strong>n zurückgegriffen wird,<br />

son<strong>de</strong>rn auch versucht wird, <strong>de</strong>n Freizeitbereich <strong>de</strong>r SchülerInnen<br />

mitzugestalten und mit sozialpädagogischen Metho<strong>de</strong>n auf die Bedürfnisse<br />

<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r und Jugendlichen einzugehen. V.a. die „observationsskole“ in<br />

Internatsform ist meines Erachtens eine gelungene Möglichkeit, die<br />

individuellen Probleme <strong>de</strong>r einzelnen SchülerInnen herauszufin<strong>de</strong>n, sich<br />

darauf einzustellen und geeingnete För<strong>de</strong>rorte zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Durch die starke Dezentralisierung <strong>de</strong>s dänischen Schulsystems und<br />

finanziellen Einschnitt im Bereich <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ wer<strong>de</strong>n die<br />

vielen Möglichkeiten <strong>de</strong>s „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ zu wenig<br />

ausgenutzt 198 . Es hängt stark von <strong>de</strong>m Engagement einzelner ab, ob und<br />

welche Projekte an <strong>de</strong>n einzelnen <strong>Schule</strong>n errichtet wer<strong>de</strong>n. Da viele<br />

<strong>Schule</strong>n keinerlei „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ anbieten, sind in <strong>de</strong>n letzten<br />

Jahren vermehrt SchülerInnen mit auffälligen Verhalten einfach <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong><br />

verwiesen wor<strong>de</strong>n. Dies liegt <strong>alle</strong>rdings nicht nur an <strong>de</strong>n mangeln<strong>de</strong>n<br />

För<strong>de</strong>rmöglichkeiten <strong>de</strong>r einzelnen <strong>Schule</strong>n, son<strong>de</strong>rn auch daran, dass die<br />

Wartezeit auf <strong>für</strong> eine Untersuchung durch <strong>de</strong>n „PPR“ in <strong>de</strong>n meisten<br />

„kommuner“ ein halbes bis ein ganzes Jahr beträgt 199 . Den meisten <strong>Schule</strong>n<br />

fällt es daher schwer, schwierige SchülerInnen über so einen langen<br />

Zeitraum an <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> zu halten, v.a. da in Zeiten <strong>de</strong>r freien Schulwahl um<br />

ihren guten Ruf <strong>für</strong>chten.<br />

Allerdings sind „unruhige“ SchülerInnen und Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche mit<br />

Problemen in <strong>de</strong>n Bereichen „adfaerd, kontakt, trivsel“ wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r<br />

198 vgl.: wie 181<br />

199 vgl.: wie 193<br />

97


Diskussion, welche immer noch stark von <strong>de</strong>m Niveauproblem <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ und <strong>de</strong>n SchülerInnen mit Leseproblemen dominiert wird.<br />

Aber <strong>de</strong>r Anstieg im Bereich <strong>de</strong>s „vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning“,<br />

welcher v.a. auf einen Anstieg <strong>de</strong>r Anzahl verhaltensauffälliger<br />

SchülerInnen zurückzuführen ist, hat einige Verantwortliche wachgerüttelt.<br />

Es sind vermehrt Bemühungen zu erkennen Projekte <strong>für</strong> verhaltensauffällige<br />

SchülerInnen zu errichten und zu för<strong>de</strong>rn und ich <strong>de</strong>nke, dass dieser Trend<br />

noch eine Weile anhalten wird.<br />

98


5. Erfahrungsberichte von verschie<strong>de</strong>nen<br />

<strong>Schule</strong>n<br />

Während meines Aufenthalts in Kopenhagen habe ich einige <strong>Schule</strong>n<br />

besucht, um mir ein lebendigeres Bild vom „specialun<strong>de</strong>rvisning“ zu<br />

verschaffen und um mir einen kleinen Einblick in die „Realität“ zu<br />

verschaffen. Mein Schwerpunkt war dabei, die verschie<strong>de</strong>nen<br />

Organisationsformen <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisnings“ zu erleben und das<br />

vorzugsweise im Zusammenhang mit verhaltensauffälligen SchülerInnen.<br />

Die meisten dieser <strong>Schule</strong>n besuchte ich einen Tag lang, wobei mir zumeist<br />

erst die <strong>Schule</strong> gezeigt wur<strong>de</strong> und das Konzept und die Arbeitsweise <strong>de</strong>r<br />

<strong>Schule</strong> erklärt wur<strong>de</strong>. Anschließend daran durfte ich einige<br />

Unterrichtsstun<strong>de</strong>n miterleben. In <strong>de</strong>n „specialklasser“ <strong>de</strong>s „Lille<br />

Tjoerngaard“ hatte ich sogar die Möglichkeit, ein zweiwöchiges Praktikum<br />

zu absolvieren. Die dabei gesammelten Eindrücke möchte ich in diesem<br />

Kapitel schil<strong>de</strong>rn.<br />

5.1 Das „specialcenter“ <strong>de</strong>r „Tjoerngaardsskolen“<br />

Die „Tjoerngaardsskole“ ist eine „folkeskole“, welche in Gentofte, einer<br />

„kommune“, die im Nor<strong>de</strong>n an Kopenhagen angrenzt, liegt. Während<br />

meines Besuches habe ich eine Lehrerin <strong>de</strong>s „specialcenter“ einen Tag lang<br />

begleitet. Diese Lehrerin hatte nicht die Ausbildung zur<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisnings“- Lehrerin absolviert, hatte aber einige<br />

Fortbildungskurse in diesem Bereich gemacht. Sie arbeitete nicht nur im<br />

„specialcenter“, son<strong>de</strong>rn unterrichtete auch Regelklassen in <strong>de</strong>m Fach<br />

Deutsch. Ich begleitete sie bei <strong>de</strong>r Erteilung von Stützkursen und bei <strong>de</strong>m<br />

Testen eines Jungen.<br />

99


100<br />

Die bei<strong>de</strong>n Stützkurse, bei <strong>de</strong>nen ich zugegen war, waren Kurse zur<br />

Unterstützung beim Lesenlernen. In einem Kurs waren zwei Schüler, <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>re Kurs war eine Einzelför<strong>de</strong>rung. Die Schüler wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Lehrerin<br />

in ihren Klassenzimmern abgeholt, um mit ihr in die Räume <strong>de</strong>s<br />

„specialcenter“ im dritten Stockwerk <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> zu gehen.<br />

Die einzelnen Räume <strong>de</strong>s „specialcenter“ sind nicht sehr groß, son<strong>de</strong>rn<br />

haben meist nur Platz <strong>für</strong> einen Tisch, an <strong>de</strong>m bis zu sechs Personen sitzen<br />

können, und <strong>für</strong> Regale mit Materialien <strong>für</strong> die Stützkurse. Die meisten<br />

Räume sind durch Türen miteinan<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>n. Die Materialien sind in <strong>de</strong>r<br />

Regel Bücher und Arbeitsblätter, die auf bestimmte Lernschwierigkeiten<br />

abgestimmt sind.<br />

Die meisten Kurse, die in <strong>de</strong>m „specialcenter“ durchgeführt wer<strong>de</strong>n, sind<br />

Stützkurse zum Lesen- und Schreibenlernen, sowie Dänischkurse <strong>für</strong> Kin<strong>de</strong>r<br />

aus Einwan<strong>de</strong>rerfamilien. Zusätzlich dazu gibt es Angebote <strong>für</strong><br />

SchülerInnen mit Schwierigkeiten in Mathematik und <strong>für</strong><br />

verhaltensauffällige Kin<strong>de</strong>r.<br />

In <strong>de</strong>n Kursen, wo ich zugegen war, bestand die Aufgabe <strong>de</strong>r Schüler v.a.<br />

darin, kurze Texte zu lesen, wobei sie von <strong>de</strong>r Lehrerin unterstützt wur<strong>de</strong>n.<br />

Meine Dänischkenntnisse waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht so weit, als<br />

dass ich <strong>alle</strong>s verstan<strong>de</strong>n hätte, was die Lehrerin <strong>de</strong>n Schülern sagte.<br />

Dadurch sind mir gewiss auch einige spezielle Anweisungen <strong>de</strong>r Lehrerin<br />

entgangen.<br />

Den Test, <strong>de</strong>n die Lehrerin mit einem Jungen <strong>de</strong>r dritten Klasse durchführte,<br />

war ein Test, mit <strong>de</strong>m man Leseschwierigkeiten feststellen konnte. Die<br />

Klassenlehrerin <strong>de</strong>s Schülers hatte <strong>de</strong>n Verdacht geäußert, dass dieser Junge<br />

Probleme in diesem Bereich hätte. Der etwa 30-minütige Test, <strong>de</strong>r<br />

durchgeführt wur<strong>de</strong>, sollte zeigen, ob dieser Verdacht berechtigt wäre o<strong>de</strong>r


101<br />

nicht, um dann eventuell weitere umfassen<strong>de</strong>re Untersuchungen in Gang zu<br />

setzen und <strong>de</strong>n „PPR“ zu benachrichtigen.<br />

Insgesamt hatte ich <strong>de</strong>n Eindruck eines recht gut funktionieren<strong>de</strong>n Systems,<br />

welches flexibel auf die Bedürfnisse <strong>de</strong>r SchülerInnen bis zu einem<br />

gewissen Grad einzugehen vermochte. Von <strong>de</strong>r Struktur und Arbeitsweise<br />

erinnerte mich das „specialcenter“ an die „special needs center“, welche ich<br />

an <strong>de</strong>n <strong>Schule</strong>n in Liverpool kennengelernt hatte, wobei das specialcenter“<br />

dieser <strong>Schule</strong> personell besser ausgestattet schien. Über die fachliche<br />

Kompetenz <strong>de</strong>r Lehrerin welche ich begleitete, möchte ich mir kein Urteil<br />

erlauben, v.a. da ich ja nur einen Tag zu Besuch war und ich auch nicht<br />

<strong>alle</strong>n Konversationen folgen konnte. Ich hatte <strong>alle</strong>rdings das Gefühl, dass sie<br />

teilweise etwas ungeschickt in <strong>de</strong>m Umgang mit <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn war.<br />

Abgesehen davon hatte sie mir erzählt, dass sie seit kurzem auch einen<br />

Jungen aus einer Einwan<strong>de</strong>rerfamilie unterrichten sollte, obwohl sie keine<br />

Ahnung davon hätte, wie man „Dänisch als Fremdsprache“ vermittelt.<br />

5.2 „Lille Tjoerngaard“ – zwei „specialklasser“ <strong>für</strong><br />

verhaltensauffällige SchülerInnen<br />

„Lille Tjoerngaard“ sind zwei „specialklasser“ <strong>für</strong> verhaltensauffällige<br />

SchülerInnen, welche organisatorisch zur Tjoerngaardsskolen gehören. Wie<br />

schon erwähnt habe ich in eine <strong>de</strong>r Klassen ein zweiwöchiges Praktikum<br />

gemacht. Vorher hatte ich zweimal <strong>de</strong>n Leiter von „Lille Tjoerngaard“<br />

getroffen, welcher mir ausführlich das Konzept, nach <strong>de</strong>m gearbeitet wird,<br />

beschrieben hat.<br />

„Lille Tjoerngaard“ ist 1994 entstan<strong>de</strong>n, da die „kommune“ Gentofte ein<br />

Ganztagsangebot <strong>für</strong> verhaltensauffällige SchülerInnen errichten wollte.


102<br />

„Lille Tjoerngaard“ sind aus organisatorischer Sicht zwar „specialklasser“<br />

<strong>de</strong>r „Tjoerngaardsskolen“, im Alltag funktionieren sie aber wie eine<br />

selbständige <strong>Schule</strong> mit einem eigenem Leiter und einem eigenen<br />

Kollegium. „Lille Tjoerngaard“ hat dreizehn Mitarbeiter, sechs LehrerInnen,<br />

sechs SozialpädagogInnen und eine Psychologin, und zwölf SchülerInnen,<br />

die nach Alter in zwei Klassen aufgeteilt sind.<br />

Die SchülerInnen <strong>de</strong>r Klassen sind zwischen sieben und zwölf Jahre alt. Die<br />

SchülerInnen sind normalbegabte Kin<strong>de</strong>r mit Verhaltensproblemen, <strong>de</strong>ren<br />

Persönlichkeitsentwicklung in <strong>de</strong>m Maße gestört ist, dass sie keinen<br />

ausreichen<strong>de</strong>n Nutzen aus <strong>de</strong>m Unterricht <strong>de</strong>r „folkeskole“ ziehen können.<br />

Dies bezieht sich sowohl auf die fachliche Seite als auch auf die <strong>de</strong>r<br />

Persönlichkeitsentwicklung, welche ja auch durch <strong>de</strong>n Unterricht <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n soll. Viele <strong>de</strong>r SchülerInnen <strong>de</strong>s „Lille<br />

Tjoerngaard“ wer<strong>de</strong>n als unsicher, unruhig und unkonzentriert beschrieben,<br />

mit Kontaktschwierigkeiten und gewalttätigen Affektausbrüchen. <strong>Eine</strong><br />

wichtige Voraussetzung <strong>für</strong> die Aufnahme in „Lille Tjoerngaard“ ist, dass<br />

die Kin<strong>de</strong>r „pädagogisch offen“ sind.<br />

Ziel <strong>de</strong>s Unterrichts an „Lille Tjoerngaard“ ist es, die SchülerInnen in ihrer<br />

sozial-emotionalen Entwicklung so zu för<strong>de</strong>rn, dass sie wie<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>m<br />

Unterricht <strong>de</strong>r Regelschule teilnehmen können. Dies soll durch eine<br />

ganzheitlich Arbeitsweise und einer intensive Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen mit<br />

<strong>de</strong>n Problemen <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r geschehen.<br />

Die SchülerInnen sind dazu in zwei Gruppen zu je sechs SchülerInnen<br />

unterteilt. Der Unterricht wird stark durchstrukturiert und enthält klare<br />

Anweisungen <strong>für</strong> die einzelnen SchülerInnen. Ein wichtiges Element <strong>de</strong>s<br />

Unterrichts ist außer<strong>de</strong>m die Vorhersehbarkeit. Die SchülerInnen sollen<br />

je<strong>de</strong>rzeit wissen, was sie in <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> erwartet. Dies wird u.a. dadurch<br />

gesichert, dass in <strong>de</strong>n Klassen <strong>für</strong> je<strong>de</strong>n Schüler/ je<strong>de</strong> Schülerin Pläne<br />

hängen, aus <strong>de</strong>nen erkennbar ist, was <strong>alle</strong>s an <strong>de</strong>m Tag passieren soll. Falls


103<br />

die SchülerInnen noch nicht schreiben können, wer<strong>de</strong>n die Aktivitäten durch<br />

Symbole dargestellt. Durch diese Art von Unterricht wird versucht, <strong>de</strong>n<br />

SchülerInnen zu Erfolgserlebnissen zu verhelfen und somit <strong>de</strong>ren<br />

Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen zu steigern. Dadurch soll die Energie<br />

freigesetzt wer<strong>de</strong>n, die das Kind <strong>für</strong> die Entwicklung seiner Persönlichkeit<br />

benötigt.<br />

Wichtig ist dabei auch, im Unterricht eine Atmosphäre zu schaffen, in <strong>de</strong>r<br />

die Kin<strong>de</strong>r mit ihren Beson<strong>de</strong>rheiten akzeptiert und respektiert wer<strong>de</strong>n und<br />

wo sie sich gegenseitig respektieren. Außer<strong>de</strong>m sollen die LehrerInnen die<br />

SchülerInnen darin unterstützen, ihre Gefühle zu beschreiben und ihnen<br />

einen angemessenen Ausdruck zu geben. Da die SchülerInnen sehr viel<br />

„Ich-Unterstützung“ benötigen, müssen die LehrerInnen darauf achten, eine<br />

angemessene Balance zwischen <strong>de</strong>n Bedürfnissen <strong>de</strong>s Einzelnen und <strong>de</strong>n<br />

Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Gruppe zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Um diesen Unterricht gewährleisten zu können, sind immer min<strong>de</strong>stens<br />

zwei LehrerInnen gleichzeitig in einer Klasse. In <strong>de</strong>r Nachmittagsbetreuung<br />

wer<strong>de</strong>n die Klassen auch jeweils von min<strong>de</strong>stens zwei SozialpädagogInnen<br />

betreut.<br />

Die Ansprüche, die <strong>de</strong>r Unterricht an die LehrerInnen und<br />

SozialpädagogInnen stellt, setzt eine enge Zusammenarbeit untereinan<strong>de</strong>r<br />

voraus. Deswegen fin<strong>de</strong>n einmal in <strong>de</strong>r Woche eine Teamsitzung und eine<br />

Konferenz statt. Zusätzlich dazu fin<strong>de</strong>n min<strong>de</strong>stens einmal im Monat eine<br />

Supervisionssitzung und ein sogenanntes pädagogisches Treffen statt. Bei<br />

diesen Treffen sollen Probleme erörtert wer<strong>de</strong>n und außer<strong>de</strong>m die<br />

Unterstützung untereinan<strong>de</strong>r geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n.<br />

Nach<strong>de</strong>m mir <strong>de</strong>r Leiter dieses Konzept <strong>de</strong>s „Lille Tjoerngaard“, von <strong>de</strong>m<br />

ich sehr beeindruckt war, vorgestellt hatte, war ich sehr gespannt darauf,<br />

<strong>de</strong>ssen Umsetzung in <strong>de</strong>r Praxis zu erleben. Ich sollte die zwei Wochen in


104<br />

<strong>de</strong>r Klasse mit <strong>de</strong>n älteren Schülern (welche zwischen neun und zwölf<br />

Jahren alt waren) hospitieren, wobei sich beson<strong>de</strong>rs ein Lehrer um mich<br />

kümmern sollte.<br />

Schon bei <strong>de</strong>m ersten Treffen mit diesem Lehrer wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>utlich, dass das<br />

Konzept <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> in <strong>de</strong>r Praxis nicht immer funktionierte. Der Lehrer<br />

erklärte mir nämlich, dass er mit einer <strong>de</strong>r LehrerInnen, die mit in <strong>de</strong>r Klasse<br />

unterrichten wür<strong>de</strong>n, nicht sehr gut zurechtkommen wür<strong>de</strong> und sie recht<br />

unterschiedliche pädagogische Auffassungen hätten. Deswegen hätten sie<br />

intern die Klasse noch einmal aufgeteilt und er wür<strong>de</strong> v.a. die bei<strong>de</strong>n<br />

ältesten Schülern <strong>de</strong>r Klasse unterrichten. Lediglich <strong>de</strong>n einmal wöchentlich<br />

stattfin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Hauswirtschaftsunterricht und einige Ausflüge und beson<strong>de</strong>re<br />

Aktivitäten wür<strong>de</strong>n gemeinsam gemacht.<br />

Es wur<strong>de</strong> dann in <strong>de</strong>r Klasse auch nach unterschiedlichen Metho<strong>de</strong>n<br />

unterrichtet. Während <strong>de</strong>r Lehrer, mit <strong>de</strong>m ich die meiste Zeit zusammen<br />

war, versuchte, über einen erlebnispädagogischen Ansatz mit <strong>de</strong>n Schülern<br />

zu arbeiten, hielt die an<strong>de</strong>re Lehrerin einen eher „klassischen“ Unterricht.<br />

Die dritte Lehrerin <strong>de</strong>r Klasse habe ich lei<strong>de</strong>r nicht kennen gelernt, da sie<br />

die ganzen zwei Wochen, in <strong>de</strong>nen ich in <strong>de</strong>r Klasse war, krank war. Nach<br />

einer Woche mel<strong>de</strong>te sich auch die an<strong>de</strong>re Lehrerin krank, so dass die<br />

unterschiedlichen Unterrichtsstile nicht mehr ins Gewicht fielen.<br />

Auch die Tagespläne, die <strong>de</strong>n Tag <strong>für</strong> die SchülerInnen vorhersehbar<br />

machen sollten, konnte ich nicht in <strong>de</strong>r Klasse ent<strong>de</strong>cken. Dadurch dass die<br />

LehrerInnen <strong>de</strong>r Klasse sich untereinan<strong>de</strong>r nicht so gut verstan<strong>de</strong>n, waren<br />

auch die gemeinsamen Aktivitäten oftmals etwas unstrukturiert. So en<strong>de</strong>te<br />

beispielsweise ein Hauswirtschaftstag, an <strong>de</strong>m eine Quiche gebacken und<br />

ein Salat gemacht wer<strong>de</strong>n sollte, im totalen Chaos und das obwohl zu <strong>de</strong>r<br />

Betreuung von fünf Kin<strong>de</strong>rn fünf (!) Erwachsene (zwei LehrerInnen, zwei<br />

SozialpädagogInnen und ich) zur Verfügungen stan<strong>de</strong>n. Aufgrund <strong>de</strong>r<br />

mangeln<strong>de</strong>n Absprache wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn keine ein<strong>de</strong>utigen


105<br />

Anweisungen gegeben, was im En<strong>de</strong>ffekt darauf hinauslief, dass die<br />

Erwachsenen das Essen machten und die Schüler durch die Klasse liefen<br />

und sich darüber stritten, wer als nächstes am Computer spielen durfte.<br />

Ich habe mich außer<strong>de</strong>m darüber gewun<strong>de</strong>rt, dass <strong>de</strong>r Computer von <strong>de</strong>n<br />

Kin<strong>de</strong>rn nur zum Spielen verwen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong> und dass keine Lernprogramme<br />

installiert waren. Als ich <strong>de</strong>n Lehrer fragte, warum dass so sei, antwortete<br />

dieser, dass das eigentlich eine gute I<strong>de</strong>e sei und dass bisher nie jemand auf<br />

<strong>de</strong>n Gedanken gekommen wäre. Er wollte aber auf meine Anregung sich an<br />

<strong>de</strong>r „Tjoerngaardsskolen“ nach Lernprogrammen erkundigen.<br />

Etwas, was ich als sehr positiv empfun<strong>de</strong>n habe, war, dass sehr viel mit <strong>de</strong>n<br />

SchülerInnen unternommen wur<strong>de</strong>. Allein in <strong>de</strong>n zwei Wochen, in <strong>de</strong>nen ich<br />

dort Praktikum machte, erlebte ich zwei Ausflüge. <strong>Eine</strong>r dieser Ausflüge,<br />

eine Bootstour nach Schwe<strong>de</strong>n, war als Projekt im Unterricht geplant<br />

wor<strong>de</strong>n. Dabei wur<strong>de</strong>n Zug- und Bootsfahrzeiten herausgefun<strong>de</strong>n, die Preise<br />

<strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Bootsunternehmen miteinan<strong>de</strong>r verglichen und die<br />

verschie<strong>de</strong>nen Beträge in die an<strong>de</strong>re Währung umgerechnet.<br />

Etwas das mich sehr verwun<strong>de</strong>rte war die Tatsache, dass es kein Programm<br />

gibt, das die SchülerInnen bei <strong>de</strong>m Übergang zum Regelunterricht begleitet.<br />

Zwar ist es ein erklärtes Ziel <strong>de</strong>s „Lille Tjoerngaard“, dass die SchülerInnen<br />

nach einer bestimmten Zeit wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Regelunterricht <strong>de</strong>r „folkeskole“<br />

zurückkehren sollen, es gibt aber keine Unterstützung <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Übergang,<br />

wie das Besuchen <strong>de</strong>r zukünftigen Klasse o<strong>de</strong>r die Hilfe durch einen<br />

Stützlehrer.<br />

Insgesamt gesehen, sehe ich „Lille Tjoerngaard“ mit gemischten Gefühlen.<br />

<strong>Eine</strong>rseits <strong>de</strong>nke ich, dass <strong>de</strong>n Klassen ein sehr gutes Konzept zu Grun<strong>de</strong><br />

liegt, auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite sieht <strong>de</strong>ren Umsetzung in <strong>de</strong>r Praxis nicht sehr<br />

überzeugend aus, wobei ich hier auch nur von <strong>de</strong>r Klasse sprechen kann, die<br />

ich gesehen habe.


5.3 „Terrasserne“ – eine „observationsskole“<br />

106<br />

„Terrasserne“ ist eine „observationsskole“ <strong>de</strong>r „kommune“ Kopenhagen,<br />

befin<strong>de</strong>t sich aber in <strong>de</strong>m Ort Fre<strong>de</strong>nsborg, welcher nördlich von<br />

Kopenhagen liegt. „Terrasserne“ ist, wie <strong>alle</strong> „observationsskoler“ eine<br />

Internatsschule <strong>für</strong> ca. 20 SchülerInnen. Die SchülerInnen sind zwischen<br />

acht und vierzehn Jahre alt und bleiben in <strong>de</strong>r Regel <strong>für</strong> drei bis acht Monate<br />

an <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong>. Alle SchülerInnen <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> sind freiwillig dort, d.h. dass<br />

<strong>de</strong>r „PPR“ die Maßnahme vorgeschlagen hat und die Eltern zusammen mit<br />

<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>m zugestimmt haben. Die SchülerInnen <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> sind<br />

zuvor von verschie<strong>de</strong>nen „folkeskoler“ auf Grund ihres Verhaltens<br />

verwiesen wor<strong>de</strong>n und nun soll herausgefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, welche <strong>Schule</strong> <strong>de</strong>r<br />

geeigneter För<strong>de</strong>rort <strong>für</strong> diese SchülerInnen ist.<br />

Um dies herauszufin<strong>de</strong>n, arbeiten an <strong>de</strong>r „Terrasserne“ 20 LehreInnen und<br />

eine Psychologin. Das beson<strong>de</strong>re an „Terrasserne“ ist, dass dort nur<br />

LehrerInnen arbeiten und keine SozialpädagogInnen im Freizeitbereich wie<br />

in an<strong>de</strong>ren vergleichbaren <strong>Schule</strong>n in Dänemark. Die LehrerInnen<br />

übernehmen die gesamte Betreuung. Vormittags und nachmittags sind<br />

jeweils vier LehrerInnen anwesend, abends drei und nachts eineR, wobei ein<br />

Lehrer/ eine Lehrerin Bereitschaftsdienst hat. An <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> gibt es drei<br />

Klassen, die von einem Lehrer/ einer Lehrerin geleitet wer<strong>de</strong>n. Der vierte<br />

Lehrer/ die vierte Lehrerin hat eine Springerfunktion und hilft bei Bedarf in<br />

<strong>de</strong>n Klassen aus, wobei täglich in einer Teamsitzung vor Schulbeginn<br />

bestimmt wird, welche Klasse <strong>de</strong>n größten Bedarf hat. Zusätzlich dazu<br />

betreut je<strong>de</strong>r Lehrer/ je<strong>de</strong> Lehrerin zwei SchülerInnen als KontaktlehrerIn.<br />

Die SchülerInnen sind in Zwei- o<strong>de</strong>r Dreibettzimmern untergebracht und<br />

dürfen <strong>alle</strong> zwei Wochenen<strong>de</strong>n nach Hause. Zu <strong>de</strong>n Regeln dieser<br />

„observationsskole“ gehört es auch, dass die SchülerInnen reihum in <strong>de</strong>r<br />

Küche und bei <strong>de</strong>n Putzarbeiten helfen müssen. Ansonsten haben die


107<br />

SchülerInnen von 8.30 bis 14.00 <strong>Schule</strong>, danach beginnt das<br />

Freizeitprogramm.<br />

Ein Großteil <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> und auch die Zimmer <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r befin<strong>de</strong>n sich in<br />

einem alten Haus aus <strong>de</strong>m Jahre 1855. In einem weiteren Haus sind noch<br />

zusätzliche Klassenräume untergebracht. Das Haus befin<strong>de</strong>t sich auf einem<br />

weitläufigen Gelän<strong>de</strong>, wo es Möglichkeiten zum Klettern, Skateboard und<br />

Rollerbla<strong>de</strong> fahren, Basketballspielen und Herumtoben gibt. Auch im<br />

großen Aufenthalts- und Gemeinschaftsraum <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> sind zahlreiche<br />

Spiel- und Beschäftigungsmöglichkeiten gegeben. Außer<strong>de</strong>m liegt in <strong>de</strong>r<br />

Nähe <strong>de</strong>s Gebäu<strong>de</strong>s ein Wald mit einem See, zu <strong>de</strong>m oftmals Ausflüge mit<br />

<strong>de</strong>r ganzen <strong>Schule</strong> unternommen wer<strong>de</strong>n.<br />

Ein typischer Tagesablauf an einem Werktag sieht in „Terrasserne“ wie<br />

folgt aus:<br />

7.30 Uhr die SchülerInnen wer<strong>de</strong>n geweckt<br />

8.00 Uhr Frühstück<br />

8.30 Uhr <strong>de</strong>r Unterricht beginnt mit <strong>de</strong>r Versammlung <strong>alle</strong>r<br />

9.00 Uhr die SchülerInnen gehen in die Klassen<br />

10.30 Uhr Pause<br />

11.00 Uhr die SchülerInnen gehen in die Klassen<br />

12.00 Uhr Mittagessen<br />

12.30 Uhr die SchülerInnen gehen in die Klassen<br />

14.00 Uhr Schulschluss, Zeit zur freien Gestaltung<br />

15.00 Uhr organisierte Aktivitäten, wie Schwimmen, Fahrradtouren etc.<br />

17.30 Uhr Aben<strong>de</strong>ssen<br />

18.00 Uhr Abend- „hygge“<br />

20.15 Uhr die SchülerInnen machen sich bettfertig<br />

21.00 Uhr <strong>alle</strong> SchülerInnen liegen im Bett<br />

Nach <strong>de</strong>r Aussage <strong>de</strong>s Schulleiters wird an <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> nach keinem<br />

speziellen pädagogischen Konzept gearbeitet, aber man hat sich schon an


108<br />

„progressiven pädagogischen Theorien“ orientiert. Die wichtigste Aufgabe<br />

ist es, die Kin<strong>de</strong>r ganzheitlich kennenzulernen. Die Grundprinzipien sind<br />

dabei Nähe und ein fester Rahmen. Es wird versucht, eine familiäre und<br />

warme Atmosphäre zu schaffen, wo aber auch ein festes Regelwerk einen<br />

Bestandteil hat. Ihre Hauptaufgabe sehen die MitarbeiterInnen in <strong>de</strong>r<br />

Beobachter- und Beraterrolle.<br />

Ich hatte während meines Besuchs <strong>de</strong>r „Terrasserne“ die Möglichkeit, mit<br />

einem Schüler zu sprechen, <strong>de</strong>ssen Mutter Dänin und <strong>de</strong>ssen Vater<br />

Deutscher war. Die Eltern lebten voneinan<strong>de</strong>r getrennt und <strong>de</strong>r Junge hatte<br />

einige Zeit bei seinem Vater in Deutschland gelebt und war dort zeitweise<br />

auch in einem Heim untergebracht gewesen. Ich nutzte die Gelegenheit, ihn<br />

zu fragen, ob er Unterschie<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>m Heim und <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> in<br />

Deutschland erlebt hatte und wo er sich wohler fühlen wür<strong>de</strong>. Er antwortete<br />

mir, dass er sich in Dänemark wohler fühlen wür<strong>de</strong>. Er meinte, dass <strong>de</strong>r<br />

Druck und <strong>de</strong>r Konkurrenzkampf an <strong>de</strong>n <strong>Schule</strong>n in Deutschland viel größer<br />

wäre, v.a. in <strong>de</strong>r vierten Klasse. Auch in „Terrasserne“ gefiel es ihm besser<br />

als in <strong>de</strong>m Heim in Deutschland. „Terrasserne“ sei wesentlich kleiner und<br />

übersichtlicher, außer<strong>de</strong>m seien dort nicht so viele Mädchen wie in <strong>de</strong>m<br />

<strong>de</strong>utschen Heim. Er wür<strong>de</strong> sich in „Terrasserne“ beschützt fühlen und die<br />

LehrerInnen<br />

kennenlernen.<br />

wür<strong>de</strong>n einen durch das Betreuungssystem besser<br />

Insgesamt hat die „observationsskole“ „Terrasserne“ einen sehr guten<br />

Eindruck auf mich gemacht. Als beson<strong>de</strong>rs interessant empfand ich das<br />

Konzept, dass die Betreuung <strong>de</strong>r SchülerInnen fast ausschließlich durch<br />

LehrerInnen geschieht. Die enge Zusammenarbeit zwischen <strong>de</strong>n<br />

LehrerInnen, die dieses Konzept erfor<strong>de</strong>rt, schien in <strong>de</strong>m Kollegium gut zu<br />

funktionieren und <strong>de</strong>m Schulleiter merkte man seine langjährig Erfahrung<br />

im „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ an. Man konnte sehen, dass die „kommune“<br />

Kopenhagen mal nicht an Ressourcen gespart hatte, so dass eine Insitution<br />

entstan<strong>de</strong>n ist, die <strong>de</strong>n SchülerInnen effektiv und flexibel helfen kann.


109<br />

5.4 „Skolen ved Kaeret“ – eine „specialskole“ <strong>für</strong><br />

SchülerInnen mit „generellen Lernschwierigkeiten“<br />

Die <strong>Schule</strong> „Skolen ved Kaeret“ liegt in <strong>de</strong>r Stadt Fre<strong>de</strong>riksund auf <strong>de</strong>r Insel<br />

Seeland und ist eine <strong>de</strong>r vier „specialskoler“ <strong>de</strong>s „amt“ Fre<strong>de</strong>rigsborg.<br />

„Skolen ved Kaeret“ ist dabei eine „specialskole“ <strong>für</strong> SchülerInnen mit<br />

generellen Lernschwierigkeiten. Wie weit die Kategorie „generelle<br />

Lernschwierigkeiten“ ist, wur<strong>de</strong> mir an dieser <strong>Schule</strong> bewußt. Gemeinsam<br />

war <strong>de</strong>n Schülern dieser <strong>Schule</strong> nur, dass sie <strong>alle</strong> eine mehr o<strong>de</strong>r weniger<br />

gravieren<strong>de</strong> Gehirnfunktionsstörung hatten. An dieser <strong>Schule</strong> wur<strong>de</strong>n<br />

SchülerInnen mit <strong>de</strong>n Diagnosen DAMP, Autismus, Down Syndrom<br />

genauso wie schwerstmehrfachbehin<strong>de</strong>rte Kin<strong>de</strong>r unterrichtet. Außer<strong>de</strong>m<br />

gehören zu dieser <strong>Schule</strong> zwei Schüler, welche schwer verhaltensauffällig<br />

sind, die in einem Extragebäu<strong>de</strong> außerhalb <strong>de</strong>r Stadt von zwei Lehrern<br />

betreut wer<strong>de</strong>n. Aufgrund ihres Verhaltens konnten sie nicht an <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong><br />

selber betreut wer<strong>de</strong>n. Ich habe <strong>alle</strong>rdings nicht verstan<strong>de</strong>n, ob bei diesen<br />

bei<strong>de</strong>n Schülern auch eine Gehirnfunktionsstörung vorhan<strong>de</strong>n war o<strong>de</strong>r<br />

nicht.<br />

Die <strong>Schule</strong> war vor einigen Jahren noch von <strong>de</strong>r Schließung bedroht, da<br />

viele Eltern ihre Kin<strong>de</strong>r lieber in die „folkeskole“ o<strong>de</strong>r in die<br />

„specialklasser“ <strong>de</strong>r „folkeskole“ schickten und die <strong>Schule</strong> nicht mehr<br />

genügend SchülerInnen hatte. Momentan kann sich die <strong>Schule</strong> nicht über<br />

mangeln<strong>de</strong>n Zulauf beklagen und die Zukunft <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> scheint erst einmal<br />

gesichert zu sein.<br />

In direkter Nachbarschaft zur <strong>Schule</strong> liegt ein Kin<strong>de</strong>rgarten, ein Kin<strong>de</strong>rheim<br />

und eine Freizeiteinrichtung <strong>für</strong> Jugendliche. Zu <strong>de</strong>m Kin<strong>de</strong>rheim besteht<br />

ein guter Kontakt und es wer<strong>de</strong>n häufig gemeinsame Aktivitäten organisiert.<br />

Zu <strong>de</strong>r Freizeiteinrichtung besteht überhaupt kein Kontakt, da diese auf<br />

keine <strong>de</strong>r Einladungen <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> reagierte. „Skolen ved Kaeret“ versucht<br />

auch immer wie<strong>de</strong>r auf verschie<strong>de</strong>ne „folkeskoler“ zuzugehen um


110<br />

gemeinsame Aktivitäten zu veranstalten. Zu einigen „folkeskoler“ ist<br />

dadurch ein recht guter Kontakt entstan<strong>de</strong>n, wobei ein Problem ist, dass die<br />

Initiative immer von „Skolen ved Kaeret“ ausgeht.<br />

Der Unterricht beginnt morgens um 8.00 Uhr, wobei <strong>de</strong>r Tag mit<br />

gemeinsamen Singen begonnen wird, und en<strong>de</strong>t um 12.30 Uhr, wonach es<br />

<strong>alle</strong>rdings noch ein Freizeitangebot <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Nachmittag gibt. Die<br />

Klassenstärke liegt meist bei acht bis zehn SchülerInnen, wobei eine Klasse<br />

meist von drei LehrerInnen betreut wird. Die Klassen sind dabei nicht nach<br />

Leistungsvermögen, son<strong>de</strong>rn nach <strong>de</strong>m Alter <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r aufgeteilt. Die drei<br />

LehrerInnen einer Klasse erteilen <strong>de</strong>n Großteil <strong>de</strong>s Unterrichts daher in<br />

Kleingrupen.<br />

Die SchülerInnen dieser <strong>Schule</strong> sollen „<strong>alle</strong>s das lernen, was sie lernen<br />

können“, wobei ein Schwerpunkt auf lebenspraktischen Dingen liegt. Feste<br />

Unterrichtsfächer sind Dänisch, Mathematik, Kunst, Sport und Kochen,<br />

wozu auch das Einkaufen <strong>de</strong>r Zutaten gehört. Auch das Essen und die<br />

Toilettengänge sind Teil <strong>de</strong>s Unterrichts, da auch hier lebenspraktische<br />

Dinge wie Hygineerziehung vermittelt wer<strong>de</strong>n. Deswegen wer<strong>de</strong>n diese<br />

Aufgaben ausschließlich von LehrerInnen übernommen, wohingegen<br />

beispielsweise in Deutschland Toilettengänge an <strong>Schule</strong>n <strong>für</strong><br />

Körperbehin<strong>de</strong>rte, welche auch manchmal das Wickeln von Kin<strong>de</strong>rn<br />

beinhalten, die Aufgabe von Krankenschwestern und Zivildienstleisten<strong>de</strong>n<br />

ist. Ein wichtiges Prinzip <strong>de</strong>s Unterrichts dieser <strong>Schule</strong> ist auch, dass <strong>de</strong>r<br />

Unterricht nicht nur im Schulgebäu<strong>de</strong> stattfin<strong>de</strong>t, son<strong>de</strong>rn dass auch viele<br />

Ausflüge und Spaziergänge unternommen wer<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m fin<strong>de</strong>t einmal<br />

im Jahr eine Klassenfahrt statt.<br />

Die LehrerInnen <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> sind fast <strong>alle</strong> „folkeskole“- LehrerInnen, nur<br />

wenige haben die „specialun<strong>de</strong>rvisnings“- LehrerIn- Ausbildung absolviert,<br />

aber viele versuchen, sie nebenberuflich nachzuholen. Außer <strong>de</strong>n<br />

LehrerInnen und <strong>de</strong>n PädagogInnen, welche die Kin<strong>de</strong>r am Nachmittag


111<br />

betreuen, sind noch zwei Krankengymnasten und eine Ergotherapeutin an<br />

<strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> angestellt. Zusätzlich dazu kommen Sprachtherapeuten von<br />

außen an die <strong>Schule</strong>, um Sprachtherapie zu erteilen. Zu Therapie- und<br />

Sportzwecken hat die <strong>Schule</strong> ein eigenes kleines Schwimmbad. Außer<strong>de</strong>m<br />

gehört zu <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> ein großes Gelän<strong>de</strong>, auf <strong>de</strong>m zahlreiche Spielgeräte,<br />

Sandkästen, Spielplätze etc. vorhan<strong>de</strong>n sind.<br />

In <strong>de</strong>r Klasse, <strong>de</strong>ren Unterricht ich beobachten durfte, waren acht<br />

SchülerInnen mit <strong>de</strong>n unterschiedlichsten Behin<strong>de</strong>rungen, u.a. ein<br />

autistischer Junge, welcher intellektuell normal begabt war und zwei<br />

schwerstmehrfachbehin<strong>de</strong>rte SchülerInnen, welche im Rollstuhl saßen. In<br />

<strong>de</strong>m Klassenraum waren neben <strong>de</strong>n Schülertischen eine Spielecke, wo auch<br />

<strong>de</strong>r Computer stand, eine Küchenzeile und Regale mit verschie<strong>de</strong>nen<br />

Unterrichtsmaterialien. Insgesamt empfand ich <strong>de</strong>n Raum als ziemlich klein.<br />

Es war kein extra Esstisch vorhan<strong>de</strong>n, statt<strong>de</strong>ssen wur<strong>de</strong> an <strong>de</strong>n<br />

Arbeitstischen gegessen. Mir fiel außer<strong>de</strong>m auf, dass <strong>für</strong> die<br />

Computertastatur nicht <strong>de</strong>r Plastikaufsatz vorhan<strong>de</strong>n war, <strong>de</strong>n ich von<br />

<strong>Schule</strong>n <strong>für</strong> Körperbehin<strong>de</strong>rte kenne, <strong>de</strong>r SchülerInnen mit spastischen<br />

Lähmungen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Bewegungseinschränkungen erleichtert, die<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Tasten <strong>de</strong>s Computers zu drücken. Auch das<br />

Lernprogramm, mit <strong>de</strong>m ein Schüler arbeitete, schien nicht an <strong>de</strong>ssen<br />

Lernvoraussetzungen angepasst zu sein.<br />

Etwas, was mich auch etwas verwun<strong>de</strong>rte, war, dass sich während <strong>de</strong>s<br />

Unterrichts kaum jemand um <strong>de</strong>n autistischen und <strong>de</strong>n<br />

schwerstmehrfachbehin<strong>de</strong>rten Jungen kümmerte. Der autistische Junge saß<br />

in einem Teil <strong>de</strong>r Klasse, <strong>de</strong>r durch ein Regal von <strong>de</strong>m Rest <strong>de</strong>r Klasse<br />

getrennt war, und arbeitete an Arbeitsblättern o<strong>de</strong>r malte. Der<br />

schwerstmehrfachbehin<strong>de</strong>rte Junge saß eine ganze Schulstun<strong>de</strong> vor einer Art<br />

Mobile, an <strong>de</strong>m die verschie<strong>de</strong>nsten Sachen angebracht waren. Er sollte<br />

diese Sachen wohl anfassen und befühlen, auf mich wirkte es mehr, als<br />

wür<strong>de</strong> er etwas unmotiviert daran herumspielen. Während dieser ganzen


112<br />

Zeit kümmerte sich auch keine <strong>de</strong>r drei LehrerInnen um ihn. Der Rest <strong>de</strong>r<br />

Klasse war in Gruppen aufgeteilt, die an unterschiedlichen Aufgaben<br />

arbeiteten. Ich empfand es auch als merkwürdig, dass ich auf <strong>de</strong>m<br />

Stun<strong>de</strong>nplan keine Stun<strong>de</strong> fand, die die gesamte Klasse gemeinsam hatte.<br />

<strong>Eine</strong> Sache, die ich als sehr positiv empfand, war, dass an <strong>de</strong>r Wand ein<br />

Tagesplan <strong>für</strong> je<strong>de</strong>n Schüler/ je<strong>de</strong> Schülerin hing, wo man mit Hilfe von<br />

Symbolen erkennen konnte, welche Aktivitäten an <strong>de</strong>m Tag anstan<strong>de</strong>n.<br />

Nach <strong>de</strong>m Mittagessen war ich noch <strong>für</strong> eine Stun<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>m<br />

Nachmittagsprogramm dabei. Ein Teil <strong>de</strong>r SchülerInnen war bereits zu<br />

Hause und die restlichen SchülerInnen wur<strong>de</strong>n in Gruppen aufgeteilt und<br />

von PädagogInnen betreut. Auch hier fiel mir erneut auf, dass die<br />

schwerstmehrfachbehin<strong>de</strong>rten Kin<strong>de</strong>r, die im Rollstuhl saßen, wenig in die<br />

Aktivitäten integriert waren, son<strong>de</strong>rn einfach nur dabei saßen.<br />

Insgesamt erinnerte mich „Skolen ved Kaeret“ an die <strong>Schule</strong>n <strong>für</strong><br />

Körperbehin<strong>de</strong>rte, welche ich kenne. Allerdings ist diese <strong>Schule</strong> wesentlich<br />

kleiner. Außer<strong>de</strong>m scheint mir an dieser <strong>Schule</strong> in Vergleich zu <strong>de</strong>utschen<br />

<strong>Schule</strong>n mehr Personal und weniger Unterrichts- und För<strong>de</strong>rmaterial zu<br />

geben.<br />

5.5 „Blykobbe Efterskole“ – eine „efterskole“ mit<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

Die „Blykobbe Efterskole“ ist eine „efterskole“ die in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>r Stadt<br />

Roenne auf <strong>de</strong>r Insel Bornholm liegt. Die <strong>Schule</strong>, ein schönes altes<br />

Gebäu<strong>de</strong>, befin<strong>de</strong>t sich in einem Waldgebiet, 200 m vom Meer entfernt. Zu<br />

<strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> gehört ein großes Gelän<strong>de</strong>, mit einem Fußballplatz, einem


113<br />

Abenteuerspielplatz und einer Feuerstelle. Außer<strong>de</strong>m gehört zu <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong><br />

eine Hütte, welche sich in einem an<strong>de</strong>rem Wald auf <strong>de</strong>r Insel befin<strong>de</strong>t und<br />

zu <strong>de</strong>r regelmäßig Wochenendtouren unternommen wer<strong>de</strong>n.<br />

„Blykobbe Efterskole“ wur<strong>de</strong> von einer Gewerkschaftsorganisation<br />

gegrün<strong>de</strong>t, was be<strong>de</strong>utet, dass die <strong>Schule</strong> mit <strong>de</strong>n Gewerkschaften und <strong>de</strong>r<br />

sozial<strong>de</strong>mokratischen Partei von Bornholm zusammenarbeitet. Außer<strong>de</strong>m<br />

besteht die Schulleitung aus engagierten Mitglie<strong>de</strong>rn dieser Organisationen.<br />

Die SchülerInnen, <strong>de</strong>ren Eltern Gewerkschaftsmitglie<strong>de</strong>r sind, können einen<br />

Taschengeldzuschuss bei <strong>de</strong>n jeweiligen Gewerkschaften beantragen.<br />

Die <strong>Schule</strong> hat 56 SchülerInnen <strong>de</strong>r achten und neunten Klasse, wobei diese<br />

zu gleichen Teilen Jungen und Mädchen sein sollen. Die meisten<br />

SchülerInnen <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> sind normalbegabt, sind aber in ihrer sozialen und<br />

emotionalen Entwicklung zurück. <strong>Eine</strong> Voraussetzung, um auf die <strong>Schule</strong><br />

aufgenommen zu wer<strong>de</strong>n, ist <strong>alle</strong>rdings, dass die SchülerInnen in ihrer<br />

Entwicklung in diesen Bereichen offen sind. Sind nach einem gewissen<br />

Zeitraum keine Fortschritte in <strong>de</strong>r Entwicklung zu erkennen, wird <strong>de</strong>r<br />

Schüler/ die Schülerin von <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> verwiesen. Viele <strong>de</strong>r SchülerInnen<br />

sind von <strong>de</strong>n Sozialbehör<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m „PPR“ auf die <strong>Schule</strong> überwiesen<br />

wor<strong>de</strong>n, um die Jugendlichen aus ihrem sozialen Umfeld, d.h. Familie und/<br />

o<strong>de</strong>r Freun<strong>de</strong>skreis, herauszuholen. Einige SchülerInnen sind bereits von<br />

mehreren „folkeskoler“ verwiesen wor<strong>de</strong>n. Nach <strong>de</strong>r Aussage <strong>de</strong>s Lehrers,<br />

<strong>de</strong>r mir die <strong>Schule</strong> zeigte und erklärte, hätten viel SchülerInnen <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong><br />

vor zehn Jahren noch Platz an <strong>de</strong>r „folkeskole“ gehabt. Heute wür<strong>de</strong>n die<br />

Ressourcen aber eher <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Unterricht von zweisprachigen<br />

Einwan<strong>de</strong>rerkin<strong>de</strong>rn benutzt, anstelle diese <strong>für</strong> die För<strong>de</strong>rung dieser<br />

SchülerInnen zu gebrauchen.<br />

Ziele <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> sind außer <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r sozial-emotionalen<br />

Entwicklung, die SchülerInnen in ihrer Selbständigkeit zu för<strong>de</strong>rn und die


114<br />

SchülerInnen dahingehend zu för<strong>de</strong>rn, dass sie in einer Gemeinschaft leben<br />

können und Verantwortung <strong>für</strong> ihre Situation übernehmen können.<br />

Der Unterricht ist in drei Zweige unterteilt: Natur- und Freiluftzweig, Kunstund<br />

Handwerkszweig, Informatik- und Gemeinschaftskun<strong>de</strong>zweig. Die<br />

SchülerInnen können einen dieser Zweige pro Halbjahr wählen. Der größte<br />

Teil <strong>de</strong>s Unterrichts fin<strong>de</strong>t innerhalb dieses Zweiges statt. Es gibt <strong>alle</strong>rdings<br />

acht Themawochen und drei Wochen mit Projektarbeit. Außer<strong>de</strong>m gibt es<br />

<strong>für</strong> SchülerInnen mit Lese-Rechtschreibschwäche geson<strong>de</strong>rte Kurse. Die<br />

SchülerInnen, die in diesem Bereich Probleme haben, nehmen zusammen<br />

mit <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren SchülerInnen an <strong>de</strong>n praktisch-kreativen Unterrichtsstun<strong>de</strong>n<br />

ihres Zweigs teil. In <strong>de</strong>n theoretischen Unterrichtsstun<strong>de</strong>n erhalten sie in<br />

Kleingruppen Unterricht, <strong>de</strong>r speziell auf SchülerInnen mit Lese-<br />

Rechtschreibschwäche zugeschnitten ist. Es besteht <strong>für</strong> <strong>alle</strong> SchülerInnen<br />

die Möglichkeit, in <strong>de</strong>n Fächern Dänisch, Mathematik und Englisch die<br />

„folkeskolens afgangsproeve“ zu absolvieren.<br />

Im Freizeitbereich wer<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>ne Aktivitäten angeboten. Viele davon<br />

fin<strong>de</strong>n draußen statt und beziehen die Umgebung ein, so besteht<br />

beispielsweise die Möglichkeit fischen zu gehen. Falls die SchülerInnen das<br />

<strong>Schule</strong>gelän<strong>de</strong> in ihrer Freizeit verlassen möchten, müssen sie sich<br />

abmel<strong>de</strong>n. <strong>Eine</strong> Vielzahl <strong>de</strong>r SchülerInnen tut dies, um in <strong>de</strong>m nahe<br />

gelegenen Roenne in <strong>de</strong>n dortigen Jugendclub zu gehen. Außer<strong>de</strong>m sind<br />

viele SchüleInnen Mitglied in <strong>de</strong>n Sportvereinen <strong>de</strong>r Insel.<br />

An <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> wird viel Wert auf gemeinschaftliche Aktivitäten gelegt.<br />

Je<strong>de</strong>r Tag beginnt mit <strong>de</strong>r Morgenversammlung, welche im Sommer an <strong>de</strong>r<br />

Feuerstelle <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> stattfin<strong>de</strong>t. Bei dieser Morgenversammlung können<br />

auch Probleme angesprochen wer<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m fährt die ganze <strong>Schule</strong> im<br />

Frühjahr <strong>für</strong> eine Woche nach Schwe<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Norwegen zum Skifahren.<br />

Zusätzlich dazu wer<strong>de</strong>n regelmäßig kurze Touren zu <strong>de</strong>r Hütte <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong><br />

gemacht, wo Aktivitäten wie Nachtwan<strong>de</strong>rungen stattfin<strong>de</strong>n.


115<br />

Die SchülerInnen wohnen in <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> jeweils zu zweit auf einem Zimmer.<br />

Darüber hinaus sind die Jugendlichen in Kontaktgruppen von jeweils acht<br />

SchülerInnen unterteilt, welche jeweils von einem Lehrer/ einer Lehrerin<br />

betreut wer<strong>de</strong>n. In dieser Kontaktgruppe wer<strong>de</strong>n einmal wöchentlich<br />

Probleme besprochen, praktische Aufgaben verteilt etc.<br />

Zu <strong>de</strong>m Erziehen zur Selbständigkeit gehört an dieser <strong>Schule</strong> auch dazu,<br />

dass die SchülerInnen ihre Zimmer selber in Ordnung halten und auch beim<br />

Sauberhalten von <strong>de</strong>m Gebäu<strong>de</strong> und <strong>de</strong>m Gelän<strong>de</strong> miteinbezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

Außer<strong>de</strong>m müssen die SchülerInnen reihum in <strong>de</strong>r Küche bei <strong>de</strong>r<br />

Essenszubereitung helfen. Hierbei sollen die SchülerInnen etwas über<br />

Ernährung, Hygiene und die Arbeit in einer Küche lernen.<br />

Die LehrerInnen <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> treffen sich einmal in <strong>de</strong>r Woche zur<br />

Teamsitzung. Dort wer<strong>de</strong>n Probleme mit einzelnen SchülerInnen<br />

besprochen und außer<strong>de</strong>m die Wochenplanung gemacht. Außer<strong>de</strong>m wird <strong>de</strong>r<br />

Plan <strong>für</strong> die Nachtwachen erstellt, die jeweils von einem Lehrer/ einer<br />

Lehrerin übernommen wird, während zwei weitere LehrerInnen<br />

Bereitschaftsdienst haben.<br />

Die „Blykobbe Efterskole“ hat einen guten Eindruck auf mich gemacht. Die<br />

SchülerInnen schienen sich wohl zu fühlen und es gab ein interessantes<br />

Angebot an Fächern und Projekten. Sie schien mir eine gute Alternative <strong>für</strong><br />

SchülerInnen zu sein, die mit <strong>de</strong>r Struktur <strong>de</strong>r „folkeskole“ nicht<br />

zurechtkommen und die ein wenig Abstand zu ihrem sozialen Umfeld<br />

brauchen.


116<br />

5.6 „Efterskole Dueod<strong>de</strong>“ – eine „efterskole“ <strong>für</strong> „sent<br />

udvikle<strong>de</strong> unge“<br />

Die „Efterskole Dueod<strong>de</strong>“ ist eine „efterskole“ <strong>für</strong> „sent udvikle<strong>de</strong> unge“<br />

und liegt an <strong>de</strong>r Südspitze <strong>de</strong>r Insel Bornholm. Die <strong>Schule</strong> liegt in einem<br />

ländlichen Gebiet und hat somit mehrere Bauernhöfe in <strong>de</strong>r Nachbarschaft.<br />

Zu <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> gehören mehrere Gebäu<strong>de</strong>, wo Klassenräume, die Zimmer<br />

<strong>de</strong>r SchülerInnen, Gemeinschaftsräume und Küche, ein Gewächshaus, ein<br />

Stall <strong>für</strong> verschie<strong>de</strong>ne Tiere, eine Holz- und eine Metallwerkstatt<br />

untergebracht sind. Außer<strong>de</strong>m gehören zu <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> ein Haus, wo ein<br />

„Wohntraining“ stattfin<strong>de</strong>t. Auf <strong>de</strong>m Gelän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> befin<strong>de</strong>t sich<br />

neben einem Gemüsegarten auch ein Fußballplatz.<br />

Die SchülerInnen <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> haben <strong>alle</strong> Schwierigkeiten mit <strong>de</strong>m<br />

theoretisch ausgerichteten Unterricht <strong>de</strong>r „folkeskole“, weswegen sie an <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ „specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhielten. Viele von ihnen sind<br />

schulmü<strong>de</strong> und haben ein geringes Selbstbewusstsein, da sie in <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ ständig mit ihren Schwächen im theoretischen Unterricht<br />

konfrontiert wur<strong>de</strong>n. Wegen ihrer Lernschwierigkeiten sind sie außer<strong>de</strong>m<br />

häufig von ihren MitschülerInnen gehänselt wor<strong>de</strong>n. Ein Großteil <strong>de</strong>r<br />

SchülerInnen kommt aus sozialschwachen Verhältnissen, weswegen das<br />

Schulgeld meist komplett vom Staat übernommen wird. Sie haben die<br />

Möglichkeit, bis zu vier Jahren an <strong>de</strong>r „Dueod<strong>de</strong> Efterskole“ zu bleiben.<br />

Ziel <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> ist es, über praktischen Unterricht einen an<strong>de</strong>ren Zugang zu<br />

<strong>de</strong>n SchülerInnen zu bekommen, ihr Selbstbewusstsein aufzubauen, ihre<br />

Stärken zu fin<strong>de</strong>n und auf ein selbständiges Leben außerhalb <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong><br />

vorzubereiten. Außer<strong>de</strong>m wird durch die Verknüpfung von praktischem und<br />

theoretischem Unterricht versucht, <strong>de</strong>n SchülerInnen <strong>de</strong>n theoretischen<br />

Unterricht zu erleichtern.


117<br />

Der praktische Unterricht wird an zwei Tagen in <strong>de</strong>r Woche in Werkstätten<br />

erteilt, dabei muss je<strong>de</strong>r Schüler/ je<strong>de</strong> Schülerin je<strong>de</strong> Werkstatt einmal<br />

durchlaufen. Nach jeweils drei Monaten in einer Werkstatt wird die<br />

Werksatt gewechselt. Es gibt eine „grüne“ Werkstatt, eine Metallwerkstatt,<br />

eine Holzwerkstatt, eine Küchenwerkstatt und eine Kreativwerkstatt.<br />

In <strong>de</strong>r grünen Werkstatt wer<strong>de</strong>n im Gewächshaus o<strong>de</strong>r im Garten Pflanzen,<br />

Gemüse und Blumen gepflanzt und gepflegt. Außer<strong>de</strong>m müssen<br />

verschie<strong>de</strong>ne Tiere wie Hühner, Schweine, Schafe, Pfer<strong>de</strong> und Kaninchen<br />

versorgt wer<strong>de</strong>n.<br />

In <strong>de</strong>r Metallwerkstatt wer<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>ne Dinge aus Metall hergestellt.<br />

Während meines Besuches wur<strong>de</strong> gera<strong>de</strong> ein alter Bus<br />

auseinan<strong>de</strong>rgenommen und geschaut, wo<strong>für</strong> man die einzelnen Elemente<br />

gebrauchen könnte. <strong>Eine</strong> weitere Aufgabe <strong>de</strong>r Metallwerkstatt ist das<br />

Reparieren von Fahrrä<strong>de</strong>rn und Mofas. Es wer<strong>de</strong>n außer<strong>de</strong>m nützliche<br />

Dinge <strong>für</strong> die <strong>Schule</strong> hergestellt.<br />

In <strong>de</strong>r Holzwerkstatt wird mit „normalem“ Werkzeug und mit<br />

professionellen Maschinen Holz verarbeitet. Es wer<strong>de</strong>n Tische, Schränke,<br />

Stühle, Spiele und an<strong>de</strong>re Dinge <strong>für</strong> die <strong>Schule</strong> hergestellt o<strong>de</strong>r, falls<br />

notwendig, wie<strong>de</strong>r repariert.<br />

In <strong>de</strong>r Küchenwerkstatt wird nicht nur das Essen <strong>für</strong> <strong>alle</strong> gekocht, son<strong>de</strong>rn<br />

auch Brot und Kuchen gebacken. Zu <strong>de</strong>n Aufgaben in <strong>de</strong>r Küchenwerkstatt<br />

gehört zu <strong>de</strong>r Essenszubereitung auch die Planung, das Einkaufen, das<br />

Servieren <strong>de</strong>r Mahlzeiten und das Aufräumen und Saubermachen.<br />

In <strong>de</strong>r Kreativwerkstatt gibt es zahlreiche Möglichkeiten seiner Kreativität<br />

freien Lauf zu lassen. Es sind ein Brennofen <strong>für</strong> Ton vorhan<strong>de</strong>n,<br />

Vergrößerer <strong>für</strong> das Entwickeln von Fotos, eine digitale Kamera,<br />

Nähmaschinen, um mit Stoff zu arbeiten. Außer<strong>de</strong>m gibt es die Möglichkeit,


118<br />

mit Glas zu arbeiten, zu zeichnen und zu malen. Alle SchülerInnen in <strong>de</strong>r<br />

Kreativwerkstatt sollen einmal ausprobiert haben zu zeichnen, zu nähen und<br />

mit Ton und Glas zu arbeiten. Danach dürfen sie sich aussuchen, womit sie<br />

arbeiten möchten.<br />

Die meisten LehrerInnen, die im Werkstattunterricht unterrichten, sind in<br />

<strong>de</strong>r Regel keine ausgebil<strong>de</strong>ten LehrerInnen, son<strong>de</strong>rn sie haben lange in<br />

Berufen gearbeitet, die mit <strong>de</strong>n Werkstätten zu tun haben wie Schreiner o<strong>de</strong>r<br />

Schlosser. Der Lehrer <strong>de</strong>r Kreativwerkstatt war sogar ein Autodidakt.<br />

In <strong>de</strong>m theoretischen Unterricht wird versucht, die Arbeit in <strong>de</strong>n<br />

Werkstätten mit einzubauen. So wur<strong>de</strong> beispielweise errechnet, ab wie viel<br />

Eiern sich die Investition in die Anschaffung eines Huhns <strong>für</strong> die <strong>Schule</strong><br />

gelohnt hat. Neben <strong>de</strong>n Fächern Mathematik und Dänisch können die<br />

SchülerInnen ein Wahlfach wählen, in welchem an einem Tag in <strong>de</strong>r Woche<br />

gearbeitet wird. Welche Fächer zustan<strong>de</strong> kommen, hängt von <strong>de</strong>m Interesse<br />

<strong>de</strong>r SchülerInnen und <strong>de</strong>r Jahreszeit ab. Angeboten wer<strong>de</strong>n z.B. Fischen (auf<br />

<strong>de</strong>m Boot o<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r Küste), Reiten , Kochen, Natur/ „Leben im Freien“,<br />

Fremdsprache, Musik. Zusätzlich dazu gibt es sogenannte<br />

Gemeinschaftsstun<strong>de</strong>n, wo über aktuelle Themen, das Leben in an<strong>de</strong>ren<br />

Län<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r politische Themen berichtet und diskutiert wird, Geschichten<br />

erzählt wer<strong>de</strong>n, Probleme besprochen wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Spiele gespielt wer<strong>de</strong>n.<br />

Da die SchülerInnen in <strong>de</strong>n theoretischen Fächern sehr schwach sind,<br />

besteht an dieser <strong>Schule</strong> nicht die Möglichkeit, die „folkeskolens<br />

afgangsproeve“ zu machen. Statt<strong>de</strong>ssen wird versucht herauszufin<strong>de</strong>n,<br />

welche Berufe die SchülerInnen erlernen können, um ihnen dann eine Arbeit<br />

o<strong>de</strong>r Ausbildung in <strong>de</strong>m Bereich zu vermitteln. Zu diesem Zweck machen<br />

die SchülerInnen zwei Praktika pro Schuljahr.


119<br />

Ein normaler Wochentag an <strong>de</strong>r „Dueod<strong>de</strong> Efterskole“ sieht wie folgt aus:<br />

7.00 Uhr „ein neuer, wun<strong>de</strong>rbarer Tag beginnt“<br />

7.15 Uhr Frühstück<br />

7.45 Uhr Morgengymnastik<br />

8.25 Uhr Morgenversammlung<br />

9.00 Uhr die Zimmer wer<strong>de</strong>n aufgeräumt und die Gänge gefegt<br />

9.30 Uhr Werkstattunterricht o<strong>de</strong>r theoretischer Unterricht<br />

12.00 Uhr Mittagessen<br />

13.00 Uhr Werkstattunterricht o<strong>de</strong>r theoretischer Unterricht<br />

15.30 Uhr Freizeit o<strong>de</strong>r Aktivitäten<br />

18.45 Uhr Ruhezeit<br />

19.30 Uhr Freizeit o<strong>de</strong>r Aktivitäten<br />

22.00 Uhr die SchülerInnen sollen auf ihren Zimmern sein<br />

22.30 Uhr herrscht Ruhe auf <strong>de</strong>n Zimmern und das Licht wird gelöscht<br />

Für die SchülerInnen, die schon mehr als zwei Jahre an <strong>de</strong>r „Dueod<strong>de</strong><br />

Efterskole“ sind und die noch weiterhin Unterstützung beim „selbständig<br />

wer<strong>de</strong>n“ brauchen, gibt es ein spezielles „Wohntraining“. In einem Haus<br />

etwas abseits von <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Gebäu<strong>de</strong>n wohnen acht SchülerInnen, die<br />

nicht mehr an <strong>de</strong>m Unterricht <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> teilnehmen, son<strong>de</strong>rn statt<strong>de</strong>ssen<br />

lernen selbständig zu leben. Sie müssen dazu selber Essen kochen, das Haus<br />

und das dazugehörige Gelän<strong>de</strong> in Ordnung halten und die Haushaltskasse<br />

verwalten. Auch im „Wohntraining“ wer<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>ne Praktika von <strong>de</strong>n<br />

SchülerInnen absolviert. Außer<strong>de</strong>m wer<strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong>n wie das Arbeitsamt<br />

besucht, damit die SchülerInnen lernen, wie sie von diesen Institutionen<br />

Hilfe erhalten können. Weitere Ziele dieser Wohngruppe sind es, <strong>de</strong>n<br />

SchülerInnen die Funktionsweise und die Normen <strong>de</strong>r Gesellschaft zu<br />

vermitteln, das Selbstwertgefühl und das Selbstvertrauen <strong>de</strong>r SchülerInnen<br />

zu stärken und ihnen dabei zu helfen, ihre I<strong>de</strong>ntität zu entwickeln.<br />

Insgesamt gesehen fin<strong>de</strong> ich das Konzept dieser <strong>Schule</strong> sehr interessant und<br />

sinnvoll. Meiner Meinung nach ist es ein gelungener Versuch, <strong>für</strong> diese


120<br />

SchülerInnen, die man in Deutschland wahrscheinlich als „lernbehin<strong>de</strong>rt“<br />

bezeichnen wür<strong>de</strong>, einen Platz in <strong>de</strong>r Gesellschaft zu fin<strong>de</strong>n. Ich hatte<br />

<strong>alle</strong>rdings nicht immer as Gefühl, dass die SchülerInnen <strong>für</strong> die Angebote<br />

offen sind. Viele nutzten die Zeit in <strong>de</strong>n Werkstätten, um „abzuhängen“ und<br />

so wenig wie möglich zu tun. In <strong>de</strong>r grünen Werkstatt erledigte<br />

beispielsweise <strong>de</strong>r Lehrer <strong>de</strong>n Großteil <strong>de</strong>r Arbeit.


6. Die „folkeskole“ – eine <strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>?<br />

121<br />

<strong>Eine</strong>s <strong>de</strong>r Hauptziele <strong>de</strong>r dänischen „folkeskole“ ist es, eine „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>alle</strong>“ zu sein. Meines Erachtens ist das ein sehr hoher Anspruch, <strong>de</strong>r damit<br />

an die „folkeskole“ gestellt wird. Ich möchte daher in diesem Kapitel<br />

diskutieren, beson<strong>de</strong>rs in Bezug auf die son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung und<br />

verhaltensauffällige SchülerInnen, ob die „folkeskole“ diesem Anspruch<br />

gerecht wird.<br />

Betrachtet man das Gesetz zur „folkeskole“ und die Statistiken zu <strong>de</strong>n<br />

SchülerInnen, die außerhalb <strong>de</strong>s Regelunterrichts <strong>de</strong>r „folkeskole“ geför<strong>de</strong>rt<br />

wer<strong>de</strong>n, so muß man die Frage, ob die „folkeskole“ eine „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“<br />

sei, mit „ja“ beantworten. In <strong>de</strong>m Gesetz zur „folkeskole“ ist festgelegt, dass<br />

<strong>de</strong>r Unterricht so differenziert wer<strong>de</strong>n soll, dass er <strong>de</strong>n individuellen<br />

Lernvoraussetzungen und Lernbedürfnissen <strong>de</strong>r einzelnen SchülerInnen<br />

entspricht. Vom Gesetz her sind also recht optimale Bedingungen <strong>für</strong> die<br />

Schaffung einer <strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong> gegeben.<br />

Der Anteil <strong>de</strong>r SchülerInnen, die außerhalb <strong>de</strong>s Regelunterrichts geför<strong>de</strong>rt<br />

wer<strong>de</strong>n, ist einer <strong>de</strong>r niedrigsten in Europa. Allerdings ergibt sich bei <strong>de</strong>n<br />

konkreten Zahlen dazu ein Problem. Ich habe zwar in mehreren Texten<br />

übereinstimmend gelesen, dass dieser Anteil sehr niedrig ist, die Zahlen, die<br />

dazu angegeben sind, unterschei<strong>de</strong>n sich aber <strong>de</strong>utlich. So habe ich<br />

beispielsweise in einem Text die Zahl 0.5% 200 gefun<strong>de</strong>n, in einem an<strong>de</strong>ren<br />

die Zahl 1,25% 201 . Diese unterschiedlichen Zahlen kommen meines<br />

Erachtens daher, dass es schwierig ist ein<strong>de</strong>utig zu bestimmen, welches die<br />

SchülerInnengruppe ist, die außerhalb – ja außerhalb von was eigentlich, <strong>de</strong>s<br />

200 vgl.: wie 104<br />

201 vgl.: wie 1


122<br />

Regelunterrichts o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r „folkeskole“? – unterrichtet wird. Schließlich<br />

zählt ja auch <strong>de</strong>r „specialun<strong>de</strong>rvisning“ per Gesetz zu <strong>de</strong>m Unterricht <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“.<br />

Die meisten Zahlen gehen daher oftmals auf <strong>de</strong>n Anteil <strong>de</strong>r SchülerInnen<br />

zurück, die „vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhalten. An<strong>de</strong>re Zahlen<br />

beziehen sich auf die SchülerInnen, die Unterricht ohne Verbindung zu <strong>de</strong>m<br />

Regelunterricht <strong>de</strong>r „folkeskole“, also in „specialklasser“ o<strong>de</strong>r<br />

„specialskoler“ erhalten. Es ist also auch eine Frage <strong>de</strong>r Definition, was man<br />

als „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ bezeichnet. Man könnte auch sehr überspitzt und<br />

zynisch behaupten, dass in Dänemark die Integration von Behin<strong>de</strong>rung<br />

betroffener SchülerInnen v.a. dadurch stattgefun<strong>de</strong>n hat, dass seit 1980 <strong>alle</strong><br />

Veranstaltungen <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ als Unterricht <strong>de</strong>r „folkeskole“<br />

bezeichnet wer<strong>de</strong>n.<br />

Versteht man eine „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ <strong>alle</strong>rdings so, dass <strong>de</strong>r Unterricht in <strong>de</strong>n<br />

Regelklassen <strong>de</strong>r „folkeskole“ so weit ist, dass <strong>alle</strong> SchülerInnen dort<br />

entsprechend ihrer Fähigkeiten unterrichtet wer<strong>de</strong>n können, o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st<br />

so, dass <strong>alle</strong> SchülerInnen <strong>de</strong>n Großteil ihrer Schulzeit in einer Regelklasse<br />

verbringen, so ist die dänische „folkeskole“ noch ein ganzes Stück davon<br />

entfernt, eine „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ zu sein. Zwar fin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Hauptteil <strong>de</strong>s<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ in Verbindung mit <strong>de</strong>m Unterricht <strong>de</strong>r Regelklasse<br />

statt, es gibt aber an <strong>de</strong>n „folkeskoler“ noch zahlreiche „specialklasser“, die<br />

vielleicht organisatorisch in die „folkeskole“ integriert sind, <strong>de</strong>ren<br />

Unterricht aber klar außerhalb <strong>de</strong>r „folkeskole“ stattfin<strong>de</strong>t. Zusätzlich dazu<br />

ist seit Jahren ein Trend dahingehend zu verzeichnen, dass immer mehr von<br />

Behin<strong>de</strong>rung betroffene SchülerInnen von ihren Eltern auf „specialskoler“<br />

geschickt wer<strong>de</strong>n.<br />

Hinzu kommt, dass die Anzahl <strong>de</strong>r SchülerInnen, die in irgen<strong>de</strong>iner Form<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhalten, ziemlich hoch ist. Kann man eine<br />

Schulform, an <strong>de</strong>r 15% <strong>alle</strong>r SchülerInnen beson<strong>de</strong>re Unterstützung


123<br />

erhalten, da sie in <strong>de</strong>m „normalen“ Unterricht Probleme haben als, „<strong>Schule</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ bezeichnen?<br />

Viele dieser SchülerInnen haben große Probleme mit <strong>de</strong>m theorielastigen<br />

Unterricht <strong>de</strong>r „folkeskole“. Diese SchülerInnen arbeiten einen Großteil<br />

ihrer Schulzeit an ihren Schwächen im theoretischen und im sprachlichen<br />

Bereich. Die Stärken dieser Schüler, die meist im Praktischen o<strong>de</strong>r teilweise<br />

auch in einem sehr gutem bildlichen Gedächtnis liegen, wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Praxis<br />

an <strong>de</strong>r „folkeskole“ selten beachtet o<strong>de</strong>r geför<strong>de</strong>rt.<br />

Diese Vorgehensweise hat oftmals einen negativen Einfluss auf das<br />

Selbstwertgefühl und das Selbstbewußtsein dieser SchülerInnen. Hinzu<br />

kommt außer<strong>de</strong>m auch, dass ein Großteil dieser SchülerInnen wegen ihrer<br />

Schwächen gehänselt wer<strong>de</strong>n.<br />

Dass die „folkeskole“ in dieser Hinsicht die umfassen<strong>de</strong> Entwicklung <strong>de</strong>r<br />

Persönlichkeit <strong>alle</strong>r SchülerInnen, auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r Unterstützung <strong>de</strong>r<br />

SchülerInnen in ihren individuellen Fähigkeiten und<br />

Ausdrucksmöglichkeiten för<strong>de</strong>rt, ist somit nicht ausreichend gegeben. Dies<br />

ist aber meines Erachtens ein wichtiges Ziel einer „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“, wie sie<br />

im Gesetz zur „folkeskole“ beschrieben wird.<br />

Da die aktuelle Diskussion sich momentan darum dreht, dass das fachliche<br />

Niveau <strong>de</strong>r „folkeskole“ zu niedrig ist und angehoben wer<strong>de</strong>n soll, sieht es<br />

nicht so aus, dass an <strong>de</strong>r v.a. theoretischen Ausrichtung <strong>de</strong>r „folkeskole“<br />

etwas geän<strong>de</strong>rt wird. Da sich die „folkeskoler“ aufgrund <strong>de</strong>r freien<br />

Schulwahl und <strong>de</strong>r steigen<strong>de</strong>n Anzahl von SchülerInnen, die eine<br />

Privatschule besuchen, unter einem großen Konkurrenzdruck befin<strong>de</strong>n,<br />

wer<strong>de</strong>n die Möglichkeiten einer angemessen För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r SchülerInnen,<br />

<strong>de</strong>ren Stärken eher in <strong>de</strong>r praktischen Intelligenz liegen, geringer wer<strong>de</strong>n.


124<br />

Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang ist, dass die LehrerInnen<br />

nicht ausreichend auf ihre Aufgabe an einer „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ vorbereitet<br />

wer<strong>de</strong>n. Die Vermittlung von Techniken zur Unterrichtsdifferenzierung<br />

sollen zwar in <strong>de</strong>r LehrerInnen- Ausbildung vermittelt wer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>r Praxis<br />

lernen jedoch die wenigsten darüber etwas am „seminarium“.<br />

Verhaltensauffällige SchülerInnen sitzen in diesem System oft zwischen <strong>de</strong>n<br />

Stühlen. Auf <strong>de</strong>r einen Seite sind viele Angebote <strong>de</strong>r „kommuner“ <strong>für</strong><br />

verhaltensauffällige SchülerInnen seit En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r achtziger Jahre gestrichen<br />

wor<strong>de</strong>n, da man <strong>de</strong>r Auffassung war, dass diese SchülerInnen in <strong>de</strong>r „<strong>Schule</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ unterrichtet wer<strong>de</strong>n könnten. Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite wur<strong>de</strong> nur<br />

wenig an <strong>de</strong>r Struktur <strong>de</strong>r „folkeskole“ geän<strong>de</strong>rt, damit sie auf die<br />

spezifischen Probleme verhaltensauffälligen SchülerInnen eingehen könnte.<br />

Es gibt in diesem Bereich nur wenige <strong>Schule</strong>n, die beson<strong>de</strong>re Projekte <strong>für</strong><br />

diese SchülerInnen errichtet haben. Vielmehr ist es eine gängige Praxis<br />

gewor<strong>de</strong>n, schwierige SchülerInnen von <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> zu verweisen. Viele<br />

dieser SchülerInnen sind früher o<strong>de</strong>r später außerhalb <strong>de</strong>r „folkeskole“ zu<br />

fin<strong>de</strong>n, auf privaten „efterskoler“ o<strong>de</strong>r in „specialskoler“ <strong>de</strong>s „vidtgaaen<strong>de</strong><br />

specialun<strong>de</strong>rvisning“.<br />

Der Leistungsdruck welcher momentan auf <strong>de</strong>n „folkeskoler“ liegt, wird<br />

sich auch in diesem Bereich nicht beson<strong>de</strong>rs positiv auswirken. Es ist kaum<br />

zu erwarten, dass die <strong>Schule</strong>n im Zuge <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rung nach besseren<br />

fachlichen Leistungen sich verstärkt um die soziale und emotionale<br />

Entwicklung ihrer SchülerInnen kümmern, obwohl sich die For<strong>de</strong>rung nach<br />

besseren fachlichen Leistungen <strong>de</strong>r SchülerInnen und die verstärkte<br />

Unterstützung <strong>de</strong>r sozial-emotionalen Entwicklung nicht unbedingt<br />

ausschließt. Ob sich die <strong>Schule</strong>n <strong>de</strong>ssen bewußt sind und v.a. ob sich die<br />

Eltern <strong>de</strong>ssen bewußt sind, ist fraglich.<br />

Trotz all dieser Kritikpunkte möchte ich nicht abstreiten, dass die dänische<br />

„folkeskole“ <strong>de</strong>m I<strong>de</strong>al einer „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ schon recht nahe gekommen


125<br />

ist. Schließlich gibt es in Dänemark an<strong>de</strong>rs als in Deutschland kein nach<br />

Leistung geteiltes Schulsystem. Auch dass es bis zum achten Schuljahr<br />

keine Noten gibt und die SchülerInnen nicht sitzenbleiben können, trägt<br />

dazu bei, dass die schwachen SchülerInnen keinem so großen Druck<br />

ausgesetzt sind wie in Deutschland. Außer<strong>de</strong>m sind durch das Gesetz zur<br />

„folkeskole“ meines Erachtens optimale Bedingungen geschaffen wor<strong>de</strong>n,<br />

zumin<strong>de</strong>st vom organisatorischen Standpunkt aus eine „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ zu<br />

schaffen.<br />

Im Hinblick auf son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung und verhaltensauffällige<br />

SchülerInnen kann man meines Erachtens aufgrund <strong>de</strong>r oben genannten<br />

Kritikpunkte noch nicht von einer „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ sprechen. Zwar ist die<br />

Integration behin<strong>de</strong>rter SchülerInnen in die „folkeskole“ recht weit<br />

fortgeschritten, es ist aber in <strong>de</strong>n letzten Jahren ein rückläufiger Trend<br />

bezüglich <strong>de</strong>r Integration zu verzeichnen. Ob sich <strong>de</strong>r Trend wie<strong>de</strong>r<br />

umkehren wird und Dänemark <strong>de</strong>n Weg zur „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ weiter<br />

beschreiten wird, wird sich meines Erachtens in <strong>de</strong>n nächsten Jahren zeigen.


7. Schlussresümee<br />

126<br />

In diesem Schlussresümee möchte ich mich mit <strong>de</strong>n Fragen<br />

auseinan<strong>de</strong>rsetzen, welche Chancen und welche Probleme ich in <strong>de</strong>r<br />

son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung und <strong>de</strong>r Situation verhaltensauffälliger<br />

SchülerInnen im dänischen Schulsystem sehe. Außer<strong>de</strong>m möchte ich die<br />

Frage aufgreifen, wie die Erfahrungen Dänemarks in Deutschland, v.a. auf<br />

die Frage <strong>de</strong>r Integration behin<strong>de</strong>rter SchülerInnen in die Regelschule,<br />

genutzt wer<strong>de</strong>n können.<br />

<strong>Eine</strong> Sache, die mich an <strong>de</strong>r son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung in Dänemark<br />

sehr fasziniert hat, war die Flexibilität und die vielen Möglichkeiten, die es<br />

in diesem Bereich gibt. Von einem Stützlehrer/ einer Stützlehrerin in <strong>de</strong>r<br />

Regelklasse über verschie<strong>de</strong>n lange Stützkurse bis hin zur „specialskole“<br />

gibt es zahlreich Möglichkeiten, individuell auf die spezifischen Probleme<br />

<strong>de</strong>r SchülerInnen einzugehen. Außer<strong>de</strong>m sind durch die „efterskoler“ auch<br />

interessante Möglichkeiten <strong>de</strong>r son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung außerhalb<br />

<strong>de</strong>s staatlichen Schulsystems gegeben, die aber durchaus auch von <strong>de</strong>n<br />

staatlichen Stellen genutzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Auch bei <strong>de</strong>r Arbeit mit verhaltensauffälligen SchülerInnen gibt es<br />

unterschiedliche Möglichkeiten <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung. Beson<strong>de</strong>rs positiv habe ich<br />

dabei die „observationsskoler“ erlebt, die versuchen, die SchülerInnen mit<br />

ihren Stärken und Problemen ganzheitlich zu erfassen, um dann einen<br />

geeigneten För<strong>de</strong>rort <strong>für</strong> die SchülerInnen zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Die Flexibilität im dänischen Schulsystem hat aber nicht nur positive Seiten.<br />

Durch die Dezentralisierung im dänischen Schulsystem ist es je<strong>de</strong>r <strong>Schule</strong><br />

und je<strong>de</strong>r „kommune“ selbst überlassen, <strong>für</strong> eine ausreichen<strong>de</strong><br />

son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung zu sorgen. Die Schwerpunkte in diesem


127<br />

Bereich sind von „kommune“ zu „kommune“ und von <strong>Schule</strong> zu <strong>Schule</strong><br />

unterschiedlich, was dazu führt, dass das „specialun<strong>de</strong>rvisnings“- Angebot<br />

an <strong>de</strong>n einzelnen <strong>Schule</strong>n und <strong>de</strong>n einzelnen „kommuner“ verschie<strong>de</strong>n ist.<br />

Erhält ein Kind an einer <strong>Schule</strong> „specialun<strong>de</strong>rvisning“ mit <strong>de</strong>r es gut<br />

zurechtkommt, ist diese optimale För<strong>de</strong>rung nicht gesichert, wenn die<br />

Familie in eine an<strong>de</strong>re „kommune“ umzieht.<br />

So erzählte mir z.B. ein Familienvater, dass seine Tochter an <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ ihres früheren Wohnorts Sprachtherapie erhalten hätte und sie<br />

mit dieser För<strong>de</strong>rung sehr zufrie<strong>de</strong>n gewesen wären. Bei ihrem Umzug in<br />

die „kommune“ Gentofte hätten sie diese För<strong>de</strong>rung gerne beibehalten, doch<br />

statt<strong>de</strong>ssen wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Eltern vorgeschlagen, ihre Tochter in die<br />

„specialklasser“ <strong>de</strong>s „Lille Tjoerngaard“ zu schicken, da sie dort am besten<br />

geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Es waren einige Anstrengungen <strong>de</strong>r Eltern von<br />

Nöten, die <strong>Schule</strong> und <strong>de</strong>n „PPR“ davon zu überzeugen, dass ihre Tochter<br />

am besten durch eine „Sprachtherapie“ geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong> und nicht<br />

von <strong>de</strong>m Unterricht in „Lille Tjoerngaard“ profitieren wür<strong>de</strong>. Hierbei drängt<br />

sich dann auch <strong>de</strong>r Verdacht auf, dass <strong>für</strong> einige Projekte die SchülerInnen<br />

gesucht wer<strong>de</strong>n, anstatt ein Projekt <strong>für</strong> die SchülerInnen zu suchen.<br />

<strong>Eine</strong> weitere Sache, die mir positiv aufgef<strong>alle</strong>n ist, ist die gute<br />

Personalsituation im „specialun<strong>de</strong>rvsining“. Die Klassen sind in <strong>de</strong>r Regel<br />

sehr klein (zwischen vier und acht SchülerInnen) und es sind meist<br />

min<strong>de</strong>stens zwei LehrerInnen in einer Klasse. Es besteht sogar in<br />

beson<strong>de</strong>ren Fällen die Möglichkeit, dass ein Schüler/ eine Schülerin <strong>für</strong><br />

einen begrenzten Zeitraum Einzelunterricht erhalten kann.<br />

Die gute Personalsituation kann aber nicht immer die meist nur<br />

unzureichen<strong>de</strong> Ausbildung eines Großteils <strong>de</strong>r LehrerInnen im<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ ausgleichen. Hier liegt meines Erachtens einer <strong>de</strong>r<br />

Schwachpunkte <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ in Dänemark. In <strong>de</strong>r Ausbildung<br />

zum „folkeskole“- Lehrer/ zur „folkeskole“- Lehrerin macht <strong>de</strong>r


128<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ nur einen kleinen, freiwilligen Teil aus. Ein Großteil<br />

<strong>de</strong>r „folkeskole“- LehrerInnen hat sich während <strong>de</strong>r Ausbildung nicht mit<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ beschäftigt. Trotz<strong>de</strong>m haben viele LehrerInnen, die<br />

im „specialun<strong>de</strong>rvisning“ arbeiten nur die Ausbildung zur „folkeskole“-<br />

LehrerIn absolviert und keine Zusatzausbildung <strong>für</strong> <strong>de</strong>n<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“. Somit haben also viele LehrerInnen, die im<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ arbeiten sich nicht theoretisch mit <strong>de</strong>m<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ auseinan<strong>de</strong>rgesetzt.<br />

Etwas, was mir bei <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung verhaltensauffälliger SchülerInnen sehr<br />

gut gef<strong>alle</strong>n hat, war, dass versucht wird auch die Freizeit <strong>de</strong>r SchülerInnen<br />

zu gestalten. Oftmals sind zu diesem Zweck SozialpädagogInnen an <strong>de</strong>n<br />

<strong>Schule</strong>n eingestellt. Dabei wer<strong>de</strong>n die Bereiche Unterricht und<br />

sozialpädagogische Betreuung in <strong>de</strong>r Regel nicht strikt voneinan<strong>de</strong>r<br />

getrennt. In <strong>de</strong>n Unterricht fließen häufig sozialpädagogische Elemente mit<br />

ein. Außer<strong>de</strong>m wer<strong>de</strong>n an vielen <strong>Schule</strong>n SozialpädagogInnen zur<br />

Unterstützung im Unterricht eingesetzt und umgekehrt arbeiten die<br />

LehrerInnen auch bei <strong>de</strong>r Freizeitbetreuung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r mit.<br />

Durch diese Vorgehensweise wird auf <strong>de</strong>r einen Seite die Zusammenarbeit<br />

<strong>de</strong>r MitarbeiterInnen untereinan<strong>de</strong>r verstärkt. Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite besteht<br />

somit auch die Möglichkeit, das Kind in einem an<strong>de</strong>rem Zusammenhang<br />

kennenzulernen und einen intensiveren Kontakt aufzubauen.<br />

<strong>Eine</strong> gute Einrichtung ist nach meiner Auffassung auch <strong>de</strong>r „PPR“, <strong>de</strong>r eine<br />

Beraterfunktion übernimmt, die im <strong>de</strong>utschen System noch fehlt. Außer<strong>de</strong>m<br />

empfin<strong>de</strong> ich es als vorteilhaft, dass die Untersuchungen <strong>de</strong>r SchülerInnen,<br />

die „specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhalten sollen, von einer Institutionen<br />

übernommen wer<strong>de</strong>n, die sich außerhalb <strong>de</strong>s Systems <strong>Schule</strong> befin<strong>de</strong>t und<br />

dadurch eventuell einen objektiveren Blickwinkel hat. Da viele <strong>de</strong>r<br />

PsychologInnen <strong>de</strong>s „PPR“ früher LehrerInnen waren, ist trotz<strong>de</strong>m ein<br />

Bezug zum Schulalltag gesichert.


129<br />

Ein Problem <strong>de</strong>s „PPR“ ist <strong>alle</strong>rdings, dass er ein ziemlich breites<br />

Aufgabenfeld hat. Gera<strong>de</strong> in kleinen „kommuner“, die über ein<br />

verhältnismäßig kleines „PPR“- Büro verfügen, können einige <strong>de</strong>r Aufgaben<br />

nicht ausreichend erledigt wer<strong>de</strong>n. <strong>Eine</strong> Überlastung <strong>de</strong>s „PPR“ zeigt sich<br />

auch daran, dass die Wartezeiten auf eine Untersuchung eines Schülers/<br />

einer Schülerin ein halbes bis ein ganzes Jahr beträgt.<br />

Ein Grund <strong>für</strong> die Probleme, die <strong>de</strong>r „specialun<strong>de</strong>rvisning“ hat, ist<br />

sicherlich, dass im „specialun<strong>de</strong>rvisning“ seit Mitte <strong>de</strong>r achtziger Jahre<br />

finanzielle Kürzungen vorgenommen wor<strong>de</strong>n sind. Ein weiteres Problem ist<br />

sicherlich auch, dass durch die Bemühungen, eine „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ zu<br />

schaffen, <strong>de</strong>r „specialun<strong>de</strong>rvisning“ hintenan gestellt wur<strong>de</strong>. Da in <strong>de</strong>r<br />

theoretischen Vorstellungeiner „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ <strong>de</strong>r Regelunterricht so weit<br />

ist, dass <strong>de</strong>r Bedarf an „specialun<strong>de</strong>rvisning“ zurückgehen wür<strong>de</strong>, wur<strong>de</strong>n<br />

mehr Energie in die Entwicklung <strong>de</strong>s Regelunterrichts gesteckt.<br />

Da die Umsetzung einer „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ in <strong>de</strong>r Praxis sich als schwieriger<br />

herausgestellt hat als erwartet, ist die Anzahl <strong>de</strong>r SchülerInnen die<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhalten nicht zurückgegangen und man steht jetzt<br />

vor <strong>de</strong>m Problem, diesen SchülerInnen ein angemessenes Angebot an<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ zu bieten. Dass dies v.a. von <strong>de</strong>n „kommuner“ nicht<br />

mehr in <strong>de</strong>m Umfang wie früher geleistet wer<strong>de</strong>n kann, erkennt man auch an<br />

<strong>de</strong>m Anstieg <strong>de</strong>s vom „amt“ bezahlten „vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning“.<br />

Mir ist bei <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>m Thema klar gewor<strong>de</strong>n, dass<br />

man das dänisch System <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ nicht einfach nach<br />

Deutschland übertragen kann. Die Grundlagen, die u.a. durch die<br />

Gesellschaft, die Größe <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s und das Schulsystem gegeben sind, sind<br />

zu unterschiedlich.


130<br />

Trotz<strong>de</strong>m kann man einiges aus <strong>de</strong>r Erfahrung <strong>de</strong>r DänInnen bei <strong>de</strong>m<br />

Versuch, eine „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ zu schaffen, lernen. Ein Grund da<strong>für</strong>, dass<br />

die DänInnen <strong>de</strong>m Ziel, eine „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ zu schaffen, so nah<br />

gekommen sind, liegt u.a. daran, dass sehr pragmatisch an dieses<br />

Unterfangen herangegangen wur<strong>de</strong>. Es war immer das Bewußtsein da<strong>für</strong> da,<br />

dass es nicht gelingen wür<strong>de</strong>, <strong>alle</strong> SchülerInnen in <strong>de</strong>n Regelunterricht zu<br />

integrieren. Es wur<strong>de</strong> aber trotz<strong>de</strong>m versucht, die Möglichkeiten zu<br />

schaffen, dass so viele SchülerInnen wie möglich integriert wer<strong>de</strong>n.<br />

Außer<strong>de</strong>m sollte darauf geachtet wer<strong>de</strong>n, dass die Qualität <strong>de</strong>r<br />

son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung nicht unter <strong>de</strong>n Bemühungen SchülerInnen<br />

in <strong>de</strong>n Regelunterricht zu integrieren, lei<strong>de</strong>t. Dies ist nur möglich, wenn <strong>für</strong><br />

die Integration behin<strong>de</strong>rter SchülerInnen ausreichen<strong>de</strong> finanzielle Mittel zur<br />

Verfügung stehen.<br />

Insgesamt gesehen habe ich von <strong>de</strong>r son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung in<br />

Dänemark ein positives Bild gewonnen. Ich mußte zwar feststellen, dass<br />

sich einige meiner positiven Vorurteile nicht bestätigten und dass auch in so<br />

unterschiedlichen Schulsystemen wie <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen und <strong>de</strong>m dänischen<br />

mit ähnlichen Problemen gekämpft wird. Trotz<strong>de</strong>m bin ich von <strong>de</strong>n vielen<br />

verschie<strong>de</strong>nen Möglichkeiten, die es in Dänemark zur son<strong>de</strong>rpädagogischen<br />

För<strong>de</strong>rung, auch von verhaltensauffälligen SchülerInnen, gibt, beeindruckt.<br />

Dies beeindruckt mich umso mehr vor <strong>de</strong>m Hintergrund, dass diese Vielfalt<br />

in einem Land existiert, in <strong>de</strong>m weniger Menschen leben als im Ruhrgebiet,<br />

wo ich aufgewachsen bin.


Literaturverzeichnis<br />

131<br />

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Un<strong>de</strong>rvisningsministeriets Forlag,<br />

• Lan<strong>de</strong>szentrale <strong>für</strong> politische Bildung (Hrsg.): Dir Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r. 50<br />

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133<br />

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In: Specialun<strong>de</strong>rvisningshaandbog. Gyl<strong>de</strong>ndalsk Boghan<strong>de</strong>l.<br />

Kopenhagen 1999<br />

• Nielsen, Bjarne: Specialun<strong>de</strong>rvisning for skoleelever. In:<br />

Specialun<strong>de</strong>rvisningshaandbog.<br />

Kopenhagen 1999<br />

Gyl<strong>de</strong>ndalsk Boghan<strong>de</strong>l.<br />

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Tidsskriftet KVAN, Aarhus Dag- og Aftensseminarium. Aarhus<br />

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http://www.uvm.dk/eng/publications/laws/actonthe.htm<br />

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selv og andre i folkeskolen. Re<strong>de</strong>goerelsen til Folketinget.<br />

Un<strong>de</strong>rvisningsministeriets Forlag. Kopenhagen 1997<br />

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134<br />

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• Winter- Jensen, Thyge: Dansk uddannelsespoolitik og reformarbej<strong>de</strong><br />

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135


Glossar<br />

136<br />

almin<strong>de</strong>lig specialun<strong>de</strong>rvisning – allgemeiner „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

amt - Bezirk<br />

an<strong>de</strong>n specialpaedagogisk bistand – an<strong>de</strong>re spezialpädagogische Hilfe<br />

boernehaveklasse - Kin<strong>de</strong>rgartenklasse<br />

efterskole – Nachschule, Privatschule in Internatsform <strong>für</strong> 14 – 18-jährige<br />

SchülerInnen<br />

folkehoejskole – Volkshochschule<br />

folkelig - volkstümlich<br />

folkeskole – Volksschule, neunjährige Einheitsschule<br />

folkeskolens afgangsproeve – Abschlussprüfung <strong>de</strong>r „folkeskole“<br />

folkeskolens udvi<strong>de</strong><strong>de</strong> afgangsproeve – erweiterte Abschlussprüfung <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“<br />

folketing – dänisches Parlament<br />

fri skoler – freie <strong>Schule</strong>n, Privatschulen<br />

hyggelig – gemütlich<br />

hygge - Gemütlichkeit<br />

kommune - Gemein<strong>de</strong><br />

laererhoejskole - Lehrerhochschule<br />

observationsklasse – Beobachtungsklasse, Klasse <strong>für</strong> verhaltensauffällige<br />

SchülerInnen<br />

observationsskole – Beobachtungsschule, Internat <strong>für</strong> verhaltensauffällige<br />

SchülerInnen<br />

observationsun<strong>de</strong>rvisning – Beobachtungsunterricht, „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

<strong>für</strong> verhaltensauffällige SchülerInnen<br />

PPR Psykologisk Paedagogisk Raadgivning – Pädagogisch Psychologische<br />

Beratung<br />

rummelig – weit


137<br />

seminarium/ seminarer – Hochschule zur „folkeskole“ –<br />

LehrerInnenausbildung<br />

sent udvikle<strong>de</strong> unge – spät entwickelte Jugendliche<br />

skole – <strong>Schule</strong><br />

skolebestyrelse – Schulgremium<br />

skolekommision - Schulgremium<br />

specialskole – Son<strong>de</strong>rschule<br />

specialun<strong>de</strong>rvisning – Spezialunterricht, son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung<br />

stu<strong>de</strong>ntereksamen – dänisches Abitur<br />

uddannelse – Ausbildung<br />

un<strong>de</strong>rvisning – Unterricht<br />

Venstre – Links , liberale Partei in Dänemark<br />

vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning – weitgehen<strong>de</strong>r „specialun<strong>de</strong>rvisning“


138<br />

Ich versichere, dass ich die schriftliche Hausarbeit – einschlißlich<br />

beigefügter Zeichnungen, Karteskizzen und Darstellungen – selbständig<br />

verfasst und keine an<strong>de</strong>ren als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel<br />

benutzt habe. Alle Stellen <strong>de</strong>r Arbeit, die <strong>de</strong>m Wortlaut o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Sinn nach<br />

an<strong>de</strong>ren Werken entnommen sind, habe ich in je<strong>de</strong>m Fall unter Angabe <strong>de</strong>r<br />

Quelle <strong>de</strong>utlich als Entlehnung kenntlich gemacht.

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