Siegfried Prokop • Die Berliner Mauer

am 28. November ein Zehnpunkte-Programm vor, das auf die
Wiedergewinnung der staatlichen Einheit Deutschlands zielte.
Mit Demonstrationen verlieh eine Mehrheit der DDR-Bürger
ihrem Wunsch nach Herstellung der Einheit Ausdruck. Neuen
Sozialismus-Experimenten wurde eine Absage erteilt.
Der am 12. September 1990 unterzeichnete 2-plus-4-Vertrag
regelte die äußeren Fragen der deutschen Wiedervereinigung.
Der von der Volkskammer und dem Bundestag verabschiedete
Einigungsvertrag ebnete den Weg zum Beitritt der DDR zur
Bundesrepublik am 3. Oktober 1990. Nach Ratifizierung des
2-plus-4-Vertrages durch die jeweiligen Parlamente erlangte
Deutschland am 15. März 1991 die volle Souveränität.
Die deutsche Einheit wurde in allzu großer Hast hergestellt.
Die Transformation der Wirtschaft der Ex-DDR in
die Marktwirtschaft der Bundesrepublik verlief nicht so erfolgreich,
wie sich das Millionen Ostdeutsche erhofft hatten.
Kanzler Kohls Vision von den „blühenden Landschaften“
blieb eine Illusion. Die Niederlage der DDR bewirkte in der
Bundesrepublik eine Störung im Verhältnis von Kapital und
Arbeit. Im wiedervereinigten Deutschland entstand so eine Art
umgekehrte Mauer bzw. ein schwer überbrückbarer Canyon:
Es klafft eine für Millionen Deutsche in Ost und West immer
spürbarere Gerechtigkeitslücke zwischen unten und oben.