Siegfried Prokop • Die Berliner Mauer
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geführt. Er warb dafür, im Vertrauen darauf, dass die westliche<br />
Welt die in friedlichem Sinne bessere sei, die bisherigen<br />
Befreiungsvorstellungen zurückzustellen. Bahr sagte: „Wir<br />
haben gesagt, dass die <strong>Mauer</strong> ein Zeichen der Schwäche ist.<br />
Man könnte auch sagen, sie war ein Zeichen der Angst und<br />
des Selbsterhaltungstriebs des kommunistischen Regimes. <strong>Die</strong><br />
Frage ist, ob es nicht Möglichkeiten gibt, diese durchaus berechtigten<br />
Sorgen dem Regime graduell zu nehmen, dass auch<br />
die Auflockerung der Grenzen und der <strong>Mauer</strong> praktikabel wird,<br />
weil das Risiko erträglich ist. Das ist eine Politik, die man auf<br />
die Formel bringen könnte: Wandel durch Annäherung.“<br />
Bahrs Konzept „Wandel durch Annäherung“ hatte es anfangs<br />
auch in der SPD schwer. Zu stark waren Denkklischees<br />
des Kalten Krieges in den Köpfen vieler Zeitgenossen verankert.<br />
Bahr fand aber die Unterstützung durch Willy Brandt,<br />
der im Februar 1964 Parteivorsitzender der SPD wurde. Auch<br />
im konservativen Lager kam es zu Auseinandersetzungen über<br />
die weitere Politik gegenüber dem Osten. Nach dem Rücktritt<br />
Adenauers, der das endgültige Ende der Ära Adenauer besiegelte,<br />
übernahm Mitte Oktober 1963 Ludwig Erhard die Regierung.<br />
Der neue Kanzler hatte zwar in seiner Regierungserklärung eine<br />
„Politik der Mitte und der Verständigung“ versprochen, war jedoch<br />
nicht die starke Politiker-Persönlichkeit, die einer neuen<br />
Politik zum Durchbruch hätte verhelfen können. Bestenfalls<br />
ein kleiner Schritt war denkbar. Für Berlin zeigte sich schließlich<br />
ein Lichtblick mit dem Passierscheinabkommen vom 17.<br />
Dezember 1963 zwischen dem Westberliner Senat und der<br />
DDR-Regierung, das – unterhalb der Anerkennungsschwelle<br />
abgeschlossen – Hunderttausenden Westberlinern erlaubte,<br />
über die Feiertage ihre Verwandten, Freunde und Bekannten<br />
zu besuchen. Das Abkommen bewies, dass humanitäre<br />
Regelungen möglich waren.<br />
<strong>Die</strong> DDR-Regierung gab auf ihre Weise zu verstehen,<br />
dass sie ohne völkerrechtliche Anerkennung zu weitgehenden<br />
Maßnahmen nicht bereit war. Sie verfügte am 2. Dezember<br />
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