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Siegfried Prokop • Die Berliner Mauer

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Kommuniqué gefunden hatte. Für den erfahrenen Diplomaten<br />

Grewe war das gleichbedeutend damit, dass zwar die Rechte<br />

der Westmächte geschützt wurden, jedoch die Freizügigkeit der<br />

West-<strong>Berliner</strong> in Gesamtberlin zur Disposition stand. Einem<br />

Bericht von Heinrich Albertz zufolge lief Egon Bahr mit dem<br />

Text des Kommuniqués zum Regierenden Bürgermeister Willy<br />

Brandt und sagte: „Das ist fast wie eine Einladung für die<br />

Sowjets, mit dem Ostsektor zu machen, was sie wollen.“ Egon<br />

Bahr bestätigte diese Darstellung in seinen Memoiren ausdrücklich:<br />

„Aufgeschreckt wurde ich erst durch das Kommuniqué<br />

der NATO-Ratssitzung in Oslo am 10. Mai. Da wurden drei<br />

Eckpunkte garantiert, nämlich Zugang, Anwesenheit der<br />

Westmächte und Lebensfähigkeit der Westsektoren. Von Vier-<br />

Mächte-Status war nicht mehr die Rede. Wirklich erregt stürmte<br />

ich zum Chef und legte die Meldung der Nachrichtenagentur<br />

auf den Tisch: ‚Das ist schrecklich, im Grunde eine Einladung<br />

an die Sowjets, dass sie mit ihrem Sektor machen können, was<br />

sie wollen.’ Unmittelbar vorher (muss eigentlich „nachher“<br />

heißen – d. Vf.) hatten Kennedy und Chruschtschow in Wien<br />

einander Maß genommen und einen Monat später erklärte der<br />

neue Präsident die Entschlossenheit der USA, Westberlin zu<br />

verteidigen. Das beruhigte die West-<strong>Berliner</strong>, die Menschen<br />

östlich des Brandenburger Tores nicht.“<br />

Das Gipfeltreffen zwischen dem amerikanischen Präsidenten<br />

John F. Kennedy und dem sowjetischen Ministerpräsidenten<br />

Nikita S. Chruschtschow am 3. und 4. Juni 1961 in Wien<br />

führte nicht zur Beilegung der akuten Spannungen in der<br />

Berlin-Frage. <strong>Die</strong> Wiener Begegnung wurde gelegentlich als<br />

„Weichenstellung zum <strong>Mauer</strong>bau“ überbewertet. Das würde<br />

den Blick für die eigentliche Dramatik des Geschehens im<br />

„heißen Sommer“ 1961 verstellen.<br />

Chruschtschow hatte Kennedy am 4. Juni 1961 nach<br />

Abschluss der Gespräche mit einem Memorandum überrascht,<br />

das die Berlin-Krise nach Wien erneut anheizte. Das<br />

Memorandum, das wieder mit einer Sechsmonatefrist als<br />

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