Plattformen digitaler Kriminalitätsverortung - cpe - Universität ...

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78 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen 3.2. Befürchtete Wirkungen | Bedenken & Risiken Der zweite Abschnitt, der sich mit Thesen zu Wirkungen der interaktiven Crime- Mapping- Plattformen beschäftigt, setzt sich anschließend mit möglichen negativen Folgen auseinander. Dabei wird gegebenenfalls auf die zuvor dargestellten erwünschten Wirkungen eingegangen, insofern thematische Überschneidungen vorliegen. Dementsprechend sollen diese Ausführungen eine grundsätzliche Abwägung möglichen Nutzens und zu befürchtender Risiken ermöglichen, um abschließend eine Einschätzung hinsichtlich der Notwendigkeit der Einführung solcher Systeme abgeben zu können. Methodisch werden dabei zunächst alle Thesen untersucht, die im Zusammenhang mit Fehlinterpretationen durch Nutzer stehen. Diese Betrachtung ist für den weiteren Verlauf der Arbeit von zentraler Bedeutung, da eine Vielzahl von Bedenken durch fehlerhafte Interpretation der Systeme überhaupt erst verursacht oder zumindest begünstigt werden. So stellen auch die beiden darauf folgenden Kapitel, die sich mit Manipulationsmöglichkeiten und Kriminalitätsfurcht beschäftigen, Zusammenhänge zur fehlerhaften Systeminterpretation dar. Abschließend werden Thesen hinsichtlich der Stigmatisierung von Räumen und seiner Bewohner, zur Datenschutzproblematik und bezüglich des Nutzens für Kriminelle benannt und analysiert. 3.2.1. Fehlinterpretationen Dieses Kapitel beschäftigt sich ausführlich mit dem Thema fehlerhafter Interpretationen der Crime- Mapping- Plattformen durch deren Nutzer. Diese Fragestellung ist dahingehend von Bedeutung, als dass die bereits in Kapitel 3.1. beschriebenen Hoffnungen nur dann erreichbar sind, wenn die angebotenen Informationen und Karten durch die Nutzer einwandfrei nachvollzogen bzw. verstanden werden können. Grundlegend stützen sich dabei alle erhofften Wirkungen auf eine bessere Information der Nutzer zum Thema Kriminalität. Allerdings ist genau dieses Kriminalitätsverständnis für Fehler hinsichtlich der Datenaufbereitung und ihrer Interpretation besonders anfällig. Ausschlaggebend ist dabei die Tatsache, dass alle Menschen Karten entsprechend ihrer Vorkenntnisse unterschiedlich interpretieren (Groff et al. 2005; S.93). Da es sich bei den meisten Plattformnutzern um Laien handelt, die nicht das Hintergrundwissen wie Polizeibeamte oder andere fachliche Experten aufweisen, müssen die Veröffentlichungen einerseits einfach nachvollziehbar sein und andererseits besonders auf eine Minimierung des Potenzials für Fehlinterpretationen achten. Die Erfüllung dieser Kriterien erscheint vor dem Hintergrund der Komplexität und Vielschichtigkeit des Phänomens Kriminalität jedoch äußerst problematisch, woraus folgende These abgeleitet werden kann: Crime- Mapping- Plattformen können das Phänomen Kriminalität nicht sachgerecht und leicht verständlich abbilden, wodurch Fehlinterpretationen der Nutzer begünstigt werden. Eine mögliche Folge dieser Fehlinterpretationen ist in der bereits genannten Beeinträchtigung positiver Wirkungen zu sehen, da Kriminalität über- oder unterschätzt werden kann oder gar falschen Orten zugerechnet wird. Außerdem werden hierdurch zahlreiche negative Wirkungen, wie das Schüren von Angst, Stigmatisierung oder Manipulationen begünstigt, die in den folgenden Kapiteln vertieft untersucht werden. Daher ist es notwendig zu untersuchen, ob und inwiefern die Plattformen Fehlinterpretationen begünstigen oder aber verhindern.

Plattformen digitaler Kriminalitätsverortung Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung Aus Sicht der Plattformen können in diesem Zusammenhang zwei zentrale Faktoren ausgemacht werden, die Missdeutungen von Kriminalität hervorrufen können: (1) Fehlerhafte Erfassung von Daten und damit verbundene fehlerhafte Datengrundlage. (2) Mangelhafte Datenaufbereitung bzw. –präsentation. Betrachtet man in diesem Zusammenhang zunächst die fehlerhafte Erfassung von kriminellen Handlungen (1), gilt es einerseits auf die bereits in Kapitel 2.1.3. dargelegte Problemhaftigkeit polizeilicher Erfassung von Kriminalität hinzuweisen und andererseits auch die nutzergenerierten Systeme hinsichtlich dieses Aspektes zu untersuchen. Im angeführten Kapitel 2.1.3. wird polizeilich erfassten Statistiken und daraus hergestellten Karten, unter anderem aufgrund des großen Dunkelfeldes unbekannter Kriminalität, Problemen der Verortung krimineller Handlungen sowie ihrer Abhängigkeit von Anzeigeverhalten sowie polizeilicher Praxis, abgesprochen, ein wirklichkeitsgetreues Bild der Kriminalität abzubilden. Dabei werden auch zahlreiche Beispiele dargelegt, die bei einer kartografischen Darstellung auf einer Crime- Mapping- Plattform zu Fehlinterpretationen führen können. Es sei erneut auf das angeblich in Deutschland feststellbare sogenannte Nord- Süd- Gefälle der Kriminalität hingewiesen, welches sich eigentlich aus unterschiedlichen Polizeipraxen ergibt. Eine kartografische Darstellung aller Delikte in Deutschland würde dementsprechend eine höhere Kriminalität für den Norden feststellen, obwohl dies hinsichtlich der tatsächlich erfolgten kriminellen Handlungen eigentlich nicht der Realität entspräche. Auch die Bundesministerien des Innern und der Justiz teilen in ihren Ausführungen des „Zweiten periodischen Sicherheitsberichts“ die Auffassung der unrealistischen Abbildung der Kriminalität durch Polizeistatistiken. Ein weiteres Problem offenbart sich bei detaillierter Betrachtung der auf den vorhandenen Plattformen abgebildeten Delikte. Denn in der Regel werden nicht alle erfassten Delikte verzeichnet, sondern diverse Einzelvorfälle ausgelassen. Zum Beispiel führt die Plattform crimereports.com in einem recht versteckt liegenden Teil der Webpage an, dass viele kooperierende Polizeidienststellen bestimmte Delikttypen aufgrund des Opferschutzes nicht veröffentlichen wollen und außerdem „manche“ (wörtlich „some“) noch laufende Fälle aufgrund polizeitaktischer Gründe nicht aufgeführt werden 4 . Die Karten büßen auf diese Weise noch stärker an Realitätsnähe ein. Wenn beispielsweise die Dienstelle Berlin- Wedding beschließt, alle Fälle „sexueller Übergriffe“ zu veröffentlichen und die Dienststelle Berlin- Tempelhof entscheidet sich dagegen, würde eine Plattform logischerweise ein völlig unterschiedliches Bild der Kriminalität in beiden Bezirken zeichnen, was ihre Vergleichbarkeit innerhalb eines Crime- Mapping- Systems deutlich einschränken würde. Auch Systeme die nutzergenerierte Datensätze publik machen, lassen problematische Wirkungen hinsichtlich der Datenerfassung befürchten, die sich teilweise mit denen von Plattformen, die auf polizeiliche Datensätze zurückgreifen, vergleichen lassen. So erfolgt die Delikterfassung bei nutzergenerierten Systemen, ähnlich der Anzeigebereitschaft bei Polizeidaten, in Abhängigkeit von einer Art Aufzeigebereitschaft der Nutzer. Diese Bereitschaft ist vor allem bezüglich weniger schwerer Straftaten durch eine viel geringere Hemmschwelle gekennzeichnet. Beispielsweise erscheint es den meisten Bürgern unnötig, kleinere Verunreinigungen öffentlicher Anlagen der 4 vgl. hierzu https://www.crimereports.com/faq/US/mapping_errors 79

78 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

3.2. Befürchtete Wirkungen | Bedenken & Risiken<br />

Der zweite Abschnitt, der sich mit Thesen zu Wirkungen der interaktiven Crime- Mapping-<br />

<strong>Plattformen</strong> beschäftigt, setzt sich anschließend mit möglichen negativen Folgen auseinander.<br />

Dabei wird gegebenenfalls auf die zuvor dargestellten erwünschten Wirkungen eingegangen,<br />

insofern thematische Überschneidungen vorliegen. Dementsprechend sollen diese Ausführungen<br />

eine grundsätzliche Abwägung möglichen Nutzens und zu befürchtender Risiken ermöglichen, um<br />

abschließend eine Einschätzung hinsichtlich der Notwendigkeit der Einführung solcher Systeme<br />

abgeben zu können.<br />

Methodisch werden dabei zunächst alle Thesen untersucht, die im Zusammenhang mit<br />

Fehlinterpretationen durch Nutzer stehen. Diese Betrachtung ist für den weiteren Verlauf der<br />

Arbeit von zentraler Bedeutung, da eine Vielzahl von Bedenken durch fehlerhafte Interpretation<br />

der Systeme überhaupt erst verursacht oder zumindest begünstigt werden. So stellen auch die<br />

beiden darauf folgenden Kapitel, die sich mit Manipulationsmöglichkeiten und Kriminalitätsfurcht<br />

beschäftigen, Zusammenhänge zur fehlerhaften Systeminterpretation dar. Abschließend werden<br />

Thesen hinsichtlich der Stigmatisierung von Räumen und seiner Bewohner, zur<br />

Datenschutzproblematik und bezüglich des Nutzens für Kriminelle benannt und analysiert.<br />

3.2.1. Fehlinterpretationen<br />

Dieses Kapitel beschäftigt sich ausführlich mit dem Thema fehlerhafter Interpretationen der Crime-<br />

Mapping- <strong>Plattformen</strong> durch deren Nutzer. Diese Fragestellung ist dahingehend von Bedeutung, als<br />

dass die bereits in Kapitel 3.1. beschriebenen Hoffnungen nur dann erreichbar sind, wenn die<br />

angebotenen Informationen und Karten durch die Nutzer einwandfrei nachvollzogen bzw.<br />

verstanden werden können. Grundlegend stützen sich dabei alle erhofften Wirkungen auf eine<br />

bessere Information der Nutzer zum Thema Kriminalität. Allerdings ist genau dieses<br />

Kriminalitätsverständnis für Fehler hinsichtlich der Datenaufbereitung und ihrer Interpretation<br />

besonders anfällig.<br />

Ausschlaggebend ist dabei die Tatsache, dass alle Menschen Karten entsprechend ihrer<br />

Vorkenntnisse unterschiedlich interpretieren (Groff et al. 2005; S.93). Da es sich bei den meisten<br />

Plattformnutzern um Laien handelt, die nicht das Hintergrundwissen wie Polizeibeamte oder<br />

andere fachliche Experten aufweisen, müssen die Veröffentlichungen einerseits einfach<br />

nachvollziehbar sein und andererseits besonders auf eine Minimierung des Potenzials für<br />

Fehlinterpretationen achten. Die Erfüllung dieser Kriterien erscheint vor dem Hintergrund der<br />

Komplexität und Vielschichtigkeit des Phänomens Kriminalität jedoch äußerst problematisch,<br />

woraus folgende These abgeleitet werden kann:<br />

Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> können das Phänomen Kriminalität nicht sachgerecht und leicht<br />

verständlich abbilden, wodurch Fehlinterpretationen der Nutzer begünstigt werden.<br />

Eine mögliche Folge dieser Fehlinterpretationen ist in der bereits genannten Beeinträchtigung<br />

positiver Wirkungen zu sehen, da Kriminalität über- oder unterschätzt werden kann oder gar<br />

falschen Orten zugerechnet wird. Außerdem werden hierdurch zahlreiche negative Wirkungen, wie<br />

das Schüren von Angst, Stigmatisierung oder Manipulationen begünstigt, die in den folgenden<br />

Kapiteln vertieft untersucht werden. Daher ist es notwendig zu untersuchen, ob und inwiefern die<br />

<strong>Plattformen</strong> Fehlinterpretationen begünstigen oder aber verhindern.

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