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62 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen auch hinsichtlich dieser Hoffnungen überprüft werden, ob und inwiefern sie tatsächlich erfüllt werden, um das ihnen innewohnende Potenzial fachgerecht einschätzen zu können. Einen umfassenden Einblick in die von den amerikanischen Strafverfolgungsbehörden verfolgten Zielsetzungen bietet das U.S. amerikanische Justizministerium in seinem „Guide for Sharing Crime Maps and Spatial Data“ (Wartell & McEwen 2001, S.5-6). Auch in Großbritannien werden mit der Plattform police.uk vergleichbare Ziele verfolgt, was Spencer Chainey und Lisa Tompson in einem diesbezüglichen Artikel eingehend darlegen (Chainey & Tompson 2012, S.2-4). Zusammenfassend können im englischsprachigen Raum die folgenden Thesen/ Ziele/ Hoffnungen festgestellt werden: (1) Bürger werden besser über Umfang und Entwicklung von Kriminalität informiert, was Fehleinschätzungen und Kriminalitätsangst mindert und weiteren Arbeitsaufwand reduziert. (2) Die Veröffentlichung von Kriminalitätsdaten mit Raumbezug erhöht das Vertrauen in die Polizeiarbeit und sorgt somit für Transparenz. (3) Die Bindung der Bewohner zum eigenen Quartier und zur lokalen Polizei wird erhöht, was zu besserer Zusammenarbeit und effektiverer Polizeiarbeit führt. (4) Bewohner werden befähigt, eigenständig präventive Maßnahmen zu ergreifen. (5) Kriminalität kann infolge der voranstehenden Punkte verhindert und somit verringert werden. Beginnen wir nun die schrittweise Betrachtung dieser fünf Thesen mit der erstgenannten besseren Information der Bürger über Ausmaß und Trends von Kriminalität (1). Dass von Seiten der Bevölkerung ein gewisses Interesse über die kriminelle Lage des eigenen Wohnquartiers und potenzieller zukünftiger Wohnorte besteht, wird sowohl von englischsprachigen als auch deutschsprachigen Polizeidienststellen bestätigt. So wurde im Rahmen eines Experteninterviews mit einem Kriminalstatistiker des saarländischen Landeskriminalamts darauf hingewiesen, dass diesbezügliche Anfragen aus der Bevölkerung durchaus häufig eingehen (Exner & Wendt 24.08.2012). So berichtet auch die Tageszeitung taz, in einem Beitrag aus dem März 2011, dass in der Startphase der britischen Plattform police.uk stündlich mehrere Millionen Seitenaufrufe vorgenommen wurden, was die Seite zwischenzeitlich sogar überlastete (Diebel 2011). Dieser Nutzeransturm trifft offenbar auch auf die mobilen Applikationen zu. So berichtet der Betreiber der Plattform crimereports.com (namentlich: PublicEngines, Inc.) von über 100.000 heruntergeladenen I-Phone Apps mit mehr als 8 Millionen Suchanfragen in nur 30 Tagen nach Veröffentlichung der Anwendung (Gunter 2010a). Außerdem scheinen große Teile der Nutzer auch langfristig an den Informationen Interesse zu zeigen. Laut Eigenaussage von crimereports.com steige der Datenaustausch in den vergangenen Jahren kontinuierlich und es lägen mehr als 100.000 Nutzer vor, die tägliche, wöchentliche und monatliche Kriminalitätsupdates abonniert hätten. Darüber hinaus deutet auch die steigende Anzahl der durch die Plattform betreuten Polizeidienststellen auf eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit hin. Mittlerweile zählen weltweit mehr als 1.000 Dienststellen zu den Kunden von crimereports.com (ebenda). Das U.S. Justizministerium stellt außerdem fest, dass diese Informationen sowohl die Wohnortwahl, als auch die Schulwahl von Eltern für ihre Kinder stark beeinflussen (Wartell & McEwen 2001, S.2). Die im Saarland feststellbaren, spezifischen Rückfragen bezüglich des Kriminalitätsaufkommens bestimmter Räume, verdeutlichen aber nicht nur, dass Interesse an diesen Informationen besteht,

Plattformen digitaler Kriminalitätsverortung Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung sondern auch, dass die derzeit zur Verfügung gestellten Informationen in Form von Berichten und statistischen Auswertungen größerer Geltungsbereiche, den Bedürfnissen der Bevölkerung nicht vollends gerecht werden. Im konkreten Fall des Saarlandes lassen die finanziellen Mittel eine detailliertere und somit eventuell kleinräumig ausdifferenzierte, statistische Auswertung allerdings auch gar nicht zu. Fragen Bürger spezifische Informationen ab, werden diese vielmehr „mundgerecht“ zugeschnitten und weitergereicht (Exner & Wendt 24.08.2012), was im Sinne eines kostensparenden Personalaufwandes allerdings auch nicht als Ideallösung betrachtet werden kann. Bereits hier zeigt sich, dass die halbautomatische Kartenerstellung der Crime- Mapping- Plattformen zu einer umfangreicheren und den Bedürfnissen der Bürger entsprechenden Information beitragen könnte. Außerdem werden die Kriminalitätsstatistiken grundsätzlich in bestimmten, zuvor festgelegten, zeitlichen Rhythmen veröffentlicht, die in der Regel nicht auf das eigentliche Kriminalitätsaufkommen abgestimmt sind. Beispielsweise veröffentlicht das saarländische Landeskriminalamt einmal jährlich in der zweiten Jahreshälfte eine Kriminalstatistik des vorangegangen Jahres. Damit werden kurzfristige Trends und Entwicklungen für den Bürger nicht oder nur sehr zeitversetzt wahrnehmbar. Da die interaktiven online Crime- Mapping- Plattformen aber nahezu in Echtzeit angepasst werden können, erlauben sie eine zeitnahe Information der Bürger, was die in den Systemen zur Verfügung gestellten Informationen gegenüber den üblichen Statistiken abermals deutlich aufwertet. Darüber hinaus wird die Wirkung von reinen Kriminalitätsstatistiken derzeit von vielen Untersuchungen stark hinterfragt. So wurde für Großbritannien festgestellt, dass die Bevölkerung nicht dazu in der Lage gewesen sei, die früher von der Polizei veröffentlichten Kriminalitätsstatistiken, aufgrund ihrer Beschaffenheit, richtig zu interpretieren bzw. zu verstehen (Chainey & Tompson 2012, S.3). Eine experimentelle Studie von Groff et al., die verschiedene Darstellungstypen von Kriminalität (Statistiken, graduierte Symbole und Dichtekarten) auf ihre Wirkung hin untersucht, konnte zwar keine bessere Verständlichkeit der Karten gegenüber Statistiken feststellen, verweist aber auf ein höheres Risiko von Statistiken, Angst zu erzeugen (Groff et al. 2005, S.87). Welche Bedeutung dem Aspekt der Angsterzeugung zukommt und welche Risiken damit verbunden sind, wird in Kapitel 3.2.4.näher behandelt. Die Dienststellen erhoffen sich, dass anders als bei traditionellen Kriminalitätsstatistiken, durch aktuelle, raumbezogene Daten in Form von digitalen Karten eine bessere Information der Bevölkerung erzielt werden kann, die diese dazu befähigt, Kriminalität besser einschätzen zu können. Hiervon verspricht sich die Polizei außerdem eine deutliche Verringerung des allgemeinen Arbeitsaufwandes hinsichtlich der Beantwortung von Bewohneranfragen (Wartell & McEwen 2001, S.5). Dabei erscheint der erwartete Rückgang einerseits recht nachvollziehbar, da Bewohner dank der Plattformen raumspezifische Deliktinformationen nicht mehr bei der Polizei anfordern müssten, weil sie im Internet frei zugänglich wären. Andererseits ist nicht faktisch belegbar, inwiefern das Verständnis der Bevölkerung hinsichtlich krimineller Handlungen tatsächlich so stark verbessert wird, dass mit weniger Rückfragen mehr oder minder „verängstigter bzw. beunruhigter“ Bewohner gerechnet werden kann. Da sich der zusätzliche Arbeitsaufwand zur Datengenerierung für die Plattformen aufgrund weitreichender Automatisierung allerdings in Grenzen hält, kann die Polizei nach einer recht arbeitsintensiven Einarbeitungsphase aber durchaus mit merklichen Aufwandseinsparungen rechnen. 63

<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

sondern auch, dass die derzeit zur Verfügung gestellten Informationen in Form von Berichten und<br />

statistischen Auswertungen größerer Geltungsbereiche, den Bedürfnissen der Bevölkerung nicht<br />

vollends gerecht werden. Im konkreten Fall des Saarlandes lassen die finanziellen Mittel eine<br />

detailliertere und somit eventuell kleinräumig ausdifferenzierte, statistische Auswertung allerdings<br />

auch gar nicht zu. Fragen Bürger spezifische Informationen ab, werden diese vielmehr<br />

„mundgerecht“ zugeschnitten und weitergereicht (Exner & Wendt 24.08.2012), was im Sinne eines<br />

kostensparenden Personalaufwandes allerdings auch nicht als Ideallösung betrachtet werden kann.<br />

Bereits hier zeigt sich, dass die halbautomatische Kartenerstellung der Crime- Mapping-<br />

<strong>Plattformen</strong> zu einer umfangreicheren und den Bedürfnissen der Bürger entsprechenden<br />

Information beitragen könnte.<br />

Außerdem werden die Kriminalitätsstatistiken grundsätzlich in bestimmten, zuvor festgelegten,<br />

zeitlichen Rhythmen veröffentlicht, die in der Regel nicht auf das eigentliche<br />

Kriminalitätsaufkommen abgestimmt sind. Beispielsweise veröffentlicht das saarländische<br />

Landeskriminalamt einmal jährlich in der zweiten Jahreshälfte eine Kriminalstatistik des<br />

vorangegangen Jahres. Damit werden kurzfristige Trends und Entwicklungen für den Bürger nicht<br />

oder nur sehr zeitversetzt wahrnehmbar. Da die interaktiven online Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong><br />

aber nahezu in Echtzeit angepasst werden können, erlauben sie eine zeitnahe Information der<br />

Bürger, was die in den Systemen zur Verfügung gestellten Informationen gegenüber den üblichen<br />

Statistiken abermals deutlich aufwertet.<br />

Darüber hinaus wird die Wirkung von reinen Kriminalitätsstatistiken derzeit von vielen<br />

Untersuchungen stark hinterfragt. So wurde für Großbritannien festgestellt, dass die Bevölkerung<br />

nicht dazu in der Lage gewesen sei, die früher von der Polizei veröffentlichten<br />

Kriminalitätsstatistiken, aufgrund ihrer Beschaffenheit, richtig zu interpretieren bzw. zu verstehen<br />

(Chainey & Tompson 2012, S.3). Eine experimentelle Studie von Groff et al., die verschiedene<br />

Darstellungstypen von Kriminalität (Statistiken, graduierte Symbole und Dichtekarten) auf ihre<br />

Wirkung hin untersucht, konnte zwar keine bessere Verständlichkeit der Karten gegenüber<br />

Statistiken feststellen, verweist aber auf ein höheres Risiko von Statistiken, Angst zu erzeugen<br />

(Groff et al. 2005, S.87). Welche Bedeutung dem Aspekt der Angsterzeugung zukommt und welche<br />

Risiken damit verbunden sind, wird in Kapitel 3.2.4.näher behandelt.<br />

Die Dienststellen erhoffen sich, dass anders als bei traditionellen Kriminalitätsstatistiken, durch<br />

aktuelle, raumbezogene Daten in Form von digitalen Karten eine bessere Information der<br />

Bevölkerung erzielt werden kann, die diese dazu befähigt, Kriminalität besser einschätzen zu<br />

können. Hiervon verspricht sich die Polizei außerdem eine deutliche Verringerung des allgemeinen<br />

Arbeitsaufwandes hinsichtlich der Beantwortung von Bewohneranfragen (Wartell & McEwen 2001,<br />

S.5). Dabei erscheint der erwartete Rückgang einerseits recht nachvollziehbar, da Bewohner dank<br />

der <strong>Plattformen</strong> raumspezifische Deliktinformationen nicht mehr bei der Polizei anfordern<br />

müssten, weil sie im Internet frei zugänglich wären. Andererseits ist nicht faktisch belegbar,<br />

inwiefern das Verständnis der Bevölkerung hinsichtlich krimineller Handlungen tatsächlich so stark<br />

verbessert wird, dass mit weniger Rückfragen mehr oder minder „verängstigter bzw. beunruhigter“<br />

Bewohner gerechnet werden kann. Da sich der zusätzliche Arbeitsaufwand zur Datengenerierung<br />

für die <strong>Plattformen</strong> aufgrund weitreichender Automatisierung allerdings in Grenzen hält, kann die<br />

Polizei nach einer recht arbeitsintensiven Einarbeitungsphase aber durchaus mit merklichen<br />

Aufwandseinsparungen rechnen.<br />

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