Plattformen digitaler Kriminalitätsverortung - cpe - Universität ...

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15.07.2013 Aufrufe

26 Grundlagen Zwar werden auch in Deutschland bei Notrufzentralen eingegangene Anrufe statistisch erfasst, aber sie fließen in der Regel nicht in die amtlichen Kriminalitätsdatensätze ein. Viele US- Amerikanische Crime- Mapping- Plattformen, wie beispielsweise crimemapping.com oder crimereports.com nutzen diese Daten allerdings als Grundlage für ihre Kriminalitätskartierungen (vgl. Abbildung 9). Abbildung 9: Datengrundlage "Calls for Service" der Plattform crimemapping.com Die sogenannten „Calls for Service“ verschärfen allerdings den bereits angesprochenen Problembereich der zu Unrecht als Tat erfassten Verdachtsfälle. Denn wenn, wie in Kapitel 2.1.3. dargelegt, sogar die Polizei nicht einwandfrei abschätzen kann, ob es sich bei bestimmten Handlungen um eine kriminelle Tat handelt oder nicht, wie soll dies durch den Bürger sichergestellt werden, der den betreffenden Vorfall der Polizei telefonisch meldet. Fehleinschätzungen bezüglich solcher Situationen fließen dann fälschlicherweise als krimineller Vorfall in die Karten ein! Außerdem liegt die Hemmschwelle, die Polizei bezüglich bestimmter Vorfälle anzurufen, wesentlich niedriger, als wenn tatsächlich eine Anzeige aufgegeben werden muss. Dementsprechend sind die Karten auch viel stärker von den Lebensgewohnheiten und Ansichten der Bewohner abhängig. In manchen städtischen Räumen wird die Polizei beispielsweise schneller gerufen als in anderen, wenn auf der Straße laute Musik gespielt wird. In diesem Fall führt die Zugrundelegung der Anrufdaten dazu, dass das Delikt direkt beispielsweise als „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ registriert würde, auch wenn die Polizei bei Eintreffen feststellt, dass es sich um einen Fall handelt, der nicht polizeilich aufgenommen werden muss. Auf diesem Weg finden demnach einfache Ordnungswidrigkeiten und vor allem auch Störungen oder Beeinträchtigungen persönlicher Normen einen Platz in den Kriminalitätskartierungen der Plattformen. Der betreffende Raum wird bei Häufung solcher Fälle, auf der Karte krimineller erscheinen, als er entsprechend der strafrechtlichen Auslegungen eigentlich ist. Rein theoretisch wäre es natürlich auch möglich, dass die Plattformen mehrere der angesprochenen Datengrundlagen nutzen. Wenn man beispielsweise zwischen polizeilich aufgenommenen und telefonisch eingegangenen Daten hin- und herschalten könnte, wären Analysen hinsichtlich des Verhältnisses zwischen den beiden Datensätzen möglich. Man könnte

Plattformen digitaler Kriminalitätsverortung Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung also feststellen, mit welcher Häufigkeit von Bürgern gemeldete Delikte auch tatsächlich polizeilich aufgenommen und weiterverfolgt werden. Die britische Plattform police.uk ist derweil die einzige, die verschiedene Datengrundlagen kombiniert heranzieht, indem sie polizeilich gemeldete Delikte um die Ergebnisse der polizeilichen Verfahren ergänzt. Wie die folgende Abbildung (vgl. Abbildung 10) verdeutlicht, können hierdurch nicht nur aufgeklärte, sondern auch zu Unrecht angezeigte Delikte gesondert angezeigt werden, was die Aussagekraft der Kriminalitätskarten dieses Systems deutlich verbessert. Abbildung 10: Visualisierung zu Unrecht Beschuldigter (Plattform: police.uk) Richtet man die Aufmerksamkeit nun auf die den Polizeidaten gegenüberstehenden nutzergenerierten Daten, muss festgestellt werden, dass die Hemmschwelle, Meldungen bezüglich bestimmter Handlungen abzugeben, noch geringer ausfällt. Vielmehr steht den Nutzern hier die Möglichkeit offen, alle die persönliche Wahrnehmung störenden Handlungen und Sachverhalte im Internet kundzutun, ob nun tatsächlich kriminell oder nicht. Eine diesbezügliche Überprüfung erfolgt in aller Regel nicht, sondern die Nutzermeldungen werden direkt visualisiert. Somit bilden Plattformen, die diesen Datentyp als Grundlage ihrer Kartierungen nutzen, eigentlich nicht Kriminalität ab, sondern sie sind als Spiegelbild des Rechts- bzw. Unrechtsempfindens der jeweiligen Anwohnerschaft zu verstehen. Diese Problemlage erklärt auch, warum sich polizeiliche Plattformen bis jetzt nicht mit dieser Art von Datengrundlagen beschäftigen. Auch wenn verschiedene Plattformen, die auf polizeiliche Datensätze zurückgreifen, Nutzern die Möglichkeit geben, Meldungen an das System zu übermitteln (vgl. Abbildung 11), werden diese nie direkt kartographiert, sondern sie werden an die betreffenden Polizeidienststellen übermittelt, die dann wiederum überprüfen, ob tatsächlich kriminelle Handlungen vorliegen oder nicht. Demnach kann diese Funktion eher als online getätigter „Notruf“ verstanden werden. 27

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Zwar werden auch in Deutschland bei Notrufzentralen eingegangene Anrufe statistisch erfasst,<br />

aber sie fließen in der Regel nicht in die amtlichen Kriminalitätsdatensätze ein. Viele US-<br />

Amerikanische Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong>, wie beispielsweise crimemapping.com oder<br />

crimereports.com nutzen diese Daten allerdings als Grundlage für ihre Kriminalitätskartierungen<br />

(vgl. Abbildung 9).<br />

Abbildung 9: Datengrundlage "Calls for Service" der Plattform crimemapping.com<br />

Die sogenannten „Calls for Service“ verschärfen allerdings den bereits angesprochenen<br />

Problembereich der zu Unrecht als Tat erfassten Verdachtsfälle. Denn wenn, wie in Kapitel 2.1.3.<br />

dargelegt, sogar die Polizei nicht einwandfrei abschätzen kann, ob es sich bei bestimmten<br />

Handlungen um eine kriminelle Tat handelt oder nicht, wie soll dies durch den Bürger sichergestellt<br />

werden, der den betreffenden Vorfall der Polizei telefonisch meldet. Fehleinschätzungen bezüglich<br />

solcher Situationen fließen dann fälschlicherweise als krimineller Vorfall in die Karten ein!<br />

Außerdem liegt die Hemmschwelle, die Polizei bezüglich bestimmter Vorfälle anzurufen, wesentlich<br />

niedriger, als wenn tatsächlich eine Anzeige aufgegeben werden muss. Dementsprechend sind die<br />

Karten auch viel stärker von den Lebensgewohnheiten und Ansichten der Bewohner abhängig. In<br />

manchen städtischen Räumen wird die Polizei beispielsweise schneller gerufen als in anderen,<br />

wenn auf der Straße laute Musik gespielt wird. In diesem Fall führt die Zugrundelegung der<br />

Anrufdaten dazu, dass das Delikt direkt beispielsweise als „Erregung öffentlichen Ärgernisses“<br />

registriert würde, auch wenn die Polizei bei Eintreffen feststellt, dass es sich um einen Fall handelt,<br />

der nicht polizeilich aufgenommen werden muss. Auf diesem Weg finden demnach einfache<br />

Ordnungswidrigkeiten und vor allem auch Störungen oder Beeinträchtigungen persönlicher<br />

Normen einen Platz in den Kriminalitätskartierungen der <strong>Plattformen</strong>. Der betreffende Raum wird<br />

bei Häufung solcher Fälle, auf der Karte krimineller erscheinen, als er entsprechend der<br />

strafrechtlichen Auslegungen eigentlich ist.<br />

Rein theoretisch wäre es natürlich auch möglich, dass die <strong>Plattformen</strong> mehrere der<br />

angesprochenen Datengrundlagen nutzen. Wenn man beispielsweise zwischen polizeilich<br />

aufgenommenen und telefonisch eingegangenen Daten hin- und herschalten könnte, wären<br />

Analysen hinsichtlich des Verhältnisses zwischen den beiden Datensätzen möglich. Man könnte

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