Plattformen digitaler Kriminalitätsverortung - cpe - Universität ...
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14 Grundlagen<br />
Der Zweite durch den Sicherheitsbericht angesprochene Problembereich für polizeiliche<br />
Kriminalstatistiken bezieht sich auf die Aussagekraft der erstellten Datensätze. Demzufolge können<br />
sie lediglich als Verdachtsstatistiken angesehen werden (BMI & BMJ 2006; S. 3). Das Problem<br />
besteht darin, dass polizeiliche Statistiken „Taten“ aufzeigen ohne Strafverfolgungsstatistiken zu<br />
berücksichtigen. Es kann bei einem begründeten Verdacht einer Straftat von der Polizei eine<br />
Anzeige, beispielsweise wegen leichter Körperverletzung, aufgenommen werden, die dann in die<br />
polizeilichen Kriminalstatistiken einfließt. Wenn sich daraufhin jedoch in einem gerichtlichem<br />
Verfahren herausstellt, dass es sich um eine Fehleinschätzung und damit um keine kriminelle Tat<br />
handelte, so resultiert hieraus eine fehlerhafte polizeiliche Statistik. Ein Vergleich von Kriminal- und<br />
Strafverfolgungsstatistik, so wie er auch im bereits angeführten Sicherheitsbericht dargestellt wird,<br />
kann dabei Hinweise für das Ausmaß dieser Problematik liefern. Demnach wurden im Jahr 2004 nur<br />
40% der strafmündigen Tatverdächtigen abgeurteilt. Zwar kann auf Aburteilungen auch verzichtet<br />
werden, wenn kriminelle Handlungen vorliegen – bestes Beispiel ist der bereits angesprochene<br />
Besitz geringer Mengen Marihuana – aber dennoch wird deutlich, dass die Gesamtheit der<br />
Tatverdachtsfälle, die durch die Kriminalitätsstatistiken suggeriert werden, nicht der tatsächlichen<br />
Zahl krimineller Handlungen entsprechen (ebenda S.10).<br />
Diese Problematik kommt besonders auch bei Delikten zum Tragen, die direkt von der Polizei und<br />
nicht von Betroffenen zur Anzeige gebracht werden. Wieder kann der Verstoß gegen das<br />
Betäubungsmittelgesetz als Beispiel herhalten, da hier in der Regel keine direkt betroffenen<br />
Personen bzw. Opfer vorliegen. Die Tateinschätzung erfolgt in diesem Fall in aller erster Linie durch<br />
die Polizei, die gemäß Hans- Dieter Schwind (ein deutschlandweit anerkannter<br />
Rechtswissenschaftler und Kriminologe) eine „Überbewertungstendenz“ erkennen lässt (Schwind<br />
2010; S.23). Da die eigentliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Tat letztendlich erst<br />
von einem Gericht entschieden wird, muss die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die<br />
polizeiliche Statistik in sehr starkem Maß von der polizeilichen Praxis im Umgang mit potenziellen<br />
Straftätern abhängt (Dollinger 2010; S.43). Ein aussagekräftiges Beispiel, welches darlegt, dass<br />
polizeiliche Praxis äußerst stark differiert, bietet der Politikwissenschaftler und Kriminologe Lars<br />
Ostermeier in seiner Untersuchung lokaler polizeilicher Kontrollkulturen. Demnach sieht es die<br />
Münchner Polizei auf der einen Seite als „Mittel des Erfolgs“ kleinere Delikte wie zum Beispiel<br />
„Raufereien“ nicht zu dramatisieren. Auf der anderen Seite vertritt die Stadt Hamburg die Strategie<br />
des „harten Durchgreifens“ (Ostermeier 2008, S.113-115). Vergleicht man anschließend die<br />
Kriminalitätsstatistiken der beiden Städte, stellt sich Hamburg natürlich als die „kriminellere“ Stadt<br />
heraus, wobei sich dieser statistische Wert allerdings eher durch die polizeiliche Praxis als durch die<br />
tatsächliche Kriminalität erklärt (Belina 2011a; 119-123). Ein weiteres Problem deutet Belina im<br />
Hinblick auf eine amerikanische Studie an, die untersuchte, ob in besonders „kriminell“ geltenden<br />
städtischen Gebieten Washington D.C.s andere polizeiliche Praxen vorherrschen. Das Ergebnis<br />
verstärkt die Zweifel an der Aussagekraft von Kriminalitätsstatistiken nochmals. In „gefährlichen“<br />
Gebieten liege die Kontrolldichte seitens der Polizei sehr viel höher, als in den sicheren Gebieten<br />
der Stadt, was dazu führt, dass dort natürlich auch eine höhere Kriminalität erfasst wird (Belina<br />
2011b; S.93-94). Zwar könnte es durchaus sein, dass auch andere Gebiete höhere<br />
Kriminalitätsbelastungen aufweisen, allerdings führt die geringere Kontrolle in diesen Gebieten zu<br />
einer schwächeren Aufdeckung. Besonders problematisch wird diese Sachlage angesichts der<br />
Tatsache, dass die Polizei ihre Einsatzgebiete ebenfalls aus den Kriminalitätsstatistiken heraus