Plattformen digitaler Kriminalitätsverortung - cpe - Universität ...
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12 Grundlagen<br />
2.1.3. Erfassung von Kriminalität<br />
Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit sind interaktive Kriminalitätskarten, die von der<br />
Bevölkerung frei im Internet abgerufen werden können. Auf diesen Karten wird versucht, zuvor<br />
erfasste Kriminalität in ihren räumlichen Ausprägungen grafisch darzustellen. Um in den folgenden<br />
Kapiteln die Anwendungsmöglichkeiten sowie –risiken dieser Karten in ihrer Gänze einschätzen zu<br />
können, muss jedoch zunächst untersucht werden, wie die den Karten zu Grunde liegende<br />
Datenbasis in der Praxis generiert wird. Dementsprechend soll in diesem Kapitel die statistische<br />
Erfassung krimineller Handlungen näher untersucht werden.<br />
Einen Einblick in die Schwierigkeiten, den die statistische Erfassung von Kriminalität birgt, legt der<br />
zweite periodische Sicherheitsbericht der Bundesministerien des Innern und der Justiz bereits in<br />
seinem ersten Übersichtskapitel dar. Demzufolge bilden amtliche Polizeistatistiken, wie die<br />
deutsche „Polizeiliche Kriminalstatistik“ (kurz: PKS), die tatsächliche Kriminalitätslage nicht<br />
wirklichkeitsgetreu ab (BMI & BMJ 2006; S. 1). Zudem werden im Sicherheitsbericht zwei zentrale<br />
Gründe für diese Unzulänglichkeit benannt, die anschließend näher untersucht werden.<br />
Das erste angesprochene Manko der kriminalstatistischen Datensätze bezieht sich auf die<br />
Unvollständigkeit der erfassten Kriminalität. In amtlichen Kriminalstatistiken werden nämlich nur<br />
Taten erfasst, die offiziell als solche angezeigt wurden. Das hierbei eine Vielzahl krimineller<br />
Handlungen unentdeckt bleiben oder zumindest nicht zur Anzeige gebracht werden, steht außer<br />
Frage. Verschiedene Studien versuchen dieses sogenannte Dunkelfeld der Kriminalität mithilfe von<br />
umfangreichen Täter- und Opferbefragungen näher zu durchleuchten und seinen Umfang<br />
abzuschätzen. Diese Untersuchungen konzentrieren sich derzeit vor allem auf Vermögens- und<br />
Eigentumsdelikte, da auch Dunkelfeldstudien bestimmte Arten von Kriminalität kaum offen legen<br />
können. Hierzu zählen entsprechend des zweiten Sicherheitsberichtes besonders solche<br />
kriminellen Handlungen die im Wohnbereich der betreffenden Personen stattfinden, wie z.B.<br />
familiäre Gewalt (ebenda lang; S 17). Auch Dunkelfeldstudien können folglich keinen umfassenden<br />
Einblick in die Gesamtheit kriminellen Verhaltens bieten, aber sie liefern einen wichtigen Beitrag<br />
zur Interpretation der vorhandenen Kriminalitätsstatistiken.<br />
Ein dem Sicherheitsbericht entnehmbares Schaubild legt beispielsweise offen, wie hoch die<br />
Anzeigeraten im Bezug zu unterschiedlichen Kriminalitätsarten ausfallen. Diese Zahlen wurden<br />
ebenfalls mithilfe von Dunkelfeldstudien ermittelt und belegen, dass ein sehr großer Anteil<br />
begangener Taten nicht zur Anzeige gebracht wird. Dabei liegt die Anzeigerate beispielsweise bei<br />
sexuellen Belästigungen, Betrug oder tätlichen Angriffen jeweils bei deutlich unter 40% (BMI/ BMJ,<br />
S.19). Wie wichtig die Dunkelfelddaten zur Einschätzung des tatsächlichen Kriminalitätsumfanges<br />
sind, wird in den folgenden Ausführungen des zweiten Sicherheitsberichtes erkennbar. Demnach<br />
hat sich die Zahl angezeigter Fälle von Körperverletzungen in Bochum in den Jahren von 1986 bis<br />
1998 verdoppelt (1986: 990 Fälle | 1998: 1.976 Fälle), wohingegen der Anstieg im Dunkelfeld mit<br />
lediglich 20% beziffert wurde (ebenda; S.20). In diesem konkreten Beispiel relativiert die<br />
Dunkelfelduntersuchung nicht nur die extremen Zuwächse in der polizeilichen Statistik, sondern sie<br />
hilft auch, diese sehr hohen Zahlen besser zu verstehen. Demzufolge hat sich in der Stadt Bochum<br />
vor allem die Anzeigebereitschaft gegenüber Delikten der Körperverletzung in diesem Zeitraum<br />
deutlich erhöht. Der Sicherheitsbericht benennt genau diese Entwicklung auch auf<br />
gesamtgesellschaftlicher Ebene als Grund für die erhöhte Anzeigebereitschaft gegenüber<br />
Gewaltdelikten, indem er von einem „Klima“ spricht, indem „eine erhöhte Aufmerksamkeit für