Plattformen digitaler Kriminalitätsverortung - cpe - Universität ...
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2 Grundlagen<br />
Aus diesen Definitionen ergeben sich bezüglich des Begriffes „Norm“ jedoch einige<br />
Fragestellungen. Zentrale Bedeutung kommt dabei den Folgenden zu:<br />
Wer legt die Normen fest, bei deren Missachtung von deviantem oder gar kriminellem<br />
Verhalten gesprochen wird?<br />
Wie werden die Normen gesellschaftlich verankert?<br />
Wer sorgt für die Einhaltung der Normen?<br />
Wie verändern sich diese Normen?<br />
Warum übertreten Menschen Normen bzw. warum begehen sie kriminelle Handlungen?<br />
Diese Fragen werden von den Soziologen und Kriminalitätsforschern Oberwittler und Reinecke im<br />
Sinne zweier unterschiedlicher Perspektiven der Untersuchung von Kriminalität zusammengefasst<br />
(Oberwittler & Reinecke 2009; S.49):<br />
(1) Perspektive der Entstehung und Durchsetzung von Normen<br />
(2) Perspektive der Ursachen strafbaren Handelns<br />
Geht man zunächst der ersten Perspektive (1) und dem mit ihr verbundenen Fragenkatalog nach,<br />
wird erneut sehr schnell deutlich, wie komplex und divergent das Konstrukt gesellschaftlicher bzw.<br />
staatlicher Normen ist. So benennt auch der Soziologe Prof. Dr. Jens Lüdtke in seiner Definition<br />
abweichenden Verhaltens das Grundproblem damit, dass keine objektiv eindeutigen<br />
Bestimmungen möglich seien, da diese immer von (sozial-)räumlichen und zeitlichen Faktoren<br />
abhängen würden (Luedtke 208; S.185-186).<br />
Zwei Beispiele sollen an dieser Stelle die Abhängigkeit von Normen zu Raum und Zeit<br />
verdeutlichen. Bereits das zuvor angebrachte Beispiel des Konsums der weichen Droge Marihuana<br />
kann die Bedeutung veranschaulichen, die Raum und Zeit für das Entstehen und die Durchsetzung<br />
gesellschaftlicher Normen besitzen. Zum einen veränderte sich in Deutschland innerhalb des<br />
letzten Jahrzehnts die gesellschaftliche Ansicht, Marihuana sei eine Droge, deren Gebrauch durch<br />
Gesetze strafrechtlich verboten werden müsse. Beispielsweise spricht Luedtke von einer „materiell-<br />
rechtlichen Entkriminalisierung, bei der die Straftat zur Ordnungswidrigkeit wird“ (Luedtke 2008;<br />
S.198). Schien diese Entwicklung vor 30 Jahren noch undenkbar, so könnte der Konsum in nicht<br />
allzu ferner Zukunft genauso legal sein, wie der der in Deutschland gesellschaftlich akzeptierten<br />
Droge Alkohol. Richtet man den Blick nun auf unser Nachbarland Niederlande, wird<br />
bekanntermaßen erkennbar, das sich gesellschaftliche Ansichten unterschiedlicher Räume<br />
hinsichtlich des Marihuanakonsums deutlich unterscheiden. Entfernt man sich räumlich noch ein<br />
wenig weiter und untersucht die Drogenhandhabung im arabischen Raum, kann man gar eine<br />
komplett umgekehrte gesellschaftliche Ansicht feststellen. Hier wird nämlich der Konsum von<br />
Marihuana toleriert und im Gegensatz dazu ist das Trinken von Alkohol verboten. Als Grund hierfür<br />
können zwischen den angeführten Räumen unterschiedliche gesellschaftliche Entwicklungen über<br />
einen Jahrhunderte währenden Zeitraum hinweg ausgemacht werden.<br />
Ein zweites Beispiel soll aufzeigen, wie stark auch sozialer Wandel über längere Zeiträume<br />
gesellschaftliche Normen verändern kann. War die Kindeszüchtigung in der Nachkriegszeit noch ein<br />
gesellschaftlich akzeptiertes Mittel der Kindeserziehung, so veränderte sich diese Ansicht im Laufe<br />
der letzten Jahrzehnte. Zunächst änderte sich die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber dieser<br />
Form der Bestrafung von Kindern in verschiedenen Teilen der Gesellschaft und wurde bei der