Plattformen digitaler Kriminalitätsverortung - cpe - Universität ...

90 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen
Ein zweites etwas schwerwiegenderes Problem soll am Beispiel der Immobilienwirtschaft dargelegt
werden. So stelle man sich eine Immobilienfirma vor, deren Ziel es ist, Gebäude in einem
bestimmten städtischen Raum zu erwerben um dort ein Großprojekt durchzuführen. Da ihr die
Bodenpreise allerdings zu hoch erscheinen, heuert sie Sprayer an, die an verschiedenen Gebäuden
im Gebiet Graffitis hinterlassen. Hierbei können sowohl ausschließlich eigene Gebäude, als auch
fremde Gebäude betroffen sein. Der Unterschied zwischen beiden Formen bestünde darin, dass
das beschädigen fremder Gebäude nicht nur direkt ihren Wert schmälern, sondern auch eine
Straftat darstellen würde. Auch durch den erstgenannten legalen Weg könnte man das Ziel der
Minderung des Preisniveaus im gesamten Gebiet erreichen, wenn man die Verschmutzungen nur
möglichst wirksam öffentlich kundtut. Genau diese Aufgabe übernimmt dann die Crime- Mapping-
Plattform für die Immobilienfirma. Sobald sich in Hausbesitzer- und Hauskäuferkreisen
herumgesprochen hat, dass das Gebiet sehr stark von Sprayern frequentiert wird, werden nicht nur
Nachfrage sondern auch Preise sinken.
Bezieht man das zweite Beispiel darüber hinaus noch auf nutzergenerierte Plattformen, ist die
Immobilienfirma nicht einmal dazu gezwungen tatsächlich Graffitis anbringen zu lassen. Vielmehr
würden Fotos von solchen reichen, die dann auf eine entsprechende Plattform hochgeladen
werden könnten. Informiert sich ein potenzieller Hauskäufer nun auf einem solchen Portal über die
Gegend, wird er wahrscheinlich durch eine hohe Zahl von Schmierereien von einem Kauf im
betreffenden Gebiet absehen.
In beiden Fällen gilt anzumerken, dass Unternehmen die Crime- Mapping- Plattformen nicht nur
durch Manipulationen für ihre Zwecke nutzen können, sondern diese auch allgemein heranziehen
können, um gewisse Informationen wie zum Beispiel über potenzielle Kunden zu erhalten.
Diesbezüglich werden im folgenden Kapitel 3.2.3. eingehende Untersuchungen vorgenommen.
Es wird deutlich, dass vor allem privatwirtschaftliche Interessen dazu geeignet erscheinen
Manipulationen am Datenmaterial vorzunehmen. Die künstliche Erhöhung der Deliktzahlen muss
dabei wie dargelegt, nicht einmal mit der Ausübung von Delikten einhergehen, sondern kann auch
durch erhöhtes Anzeigeverhalten dieser oder die Beschädigung des eigenen Besitzes erzielt
werden. Unabhängig vom Vorgehen, können auf Grundlage der manipulierten Daten fehlerhafte
Darstellungen erzeugt werden, die dem Nutzer letztendlich ein falsches Abbild der Kriminalität
vermitteln.
Darüber hinaus können Fehlinterpretationen auch durch Crime- Mapping- Plattformen selbst (2)
gefördert werden. Diesbezüglich ist eine Vielzahl sehr gegensätzlicher Beispiele denkbar. So würde
eine Stadt, mit einer von ihr betriebenen Plattform, sicherlich auf eine Darstellungsweise
zurückgreifen, die sie weniger kriminell erscheinen lässt, um für interessierte Gewerbetreibende
und Bewohner möglichst sicher und somit attraktiv zu wirken. Auf der anderen Seite ist von einer
Plattform, die von einem Medienunternehmen betrieben wird, nicht zu erwarten, dass sie Delikte
verharmlost. Vielmehr nennt auch der periodische Sicherheitsbericht die mediale Berichterstattung
krimineller Sachverhalte dramatisierend (BMJ & BMZ 2006, S.60-61). Es wird deutlich, dass
hinsichtlich der Manipulation durch Plattformen, die jeweiligen Betreiber und ihre Zielsetzungen
von entscheidender Bedeutung sind.
Aber auch von der Polizei betriebene Systeme können Darstellungen enthalten, die die
Wahrnehmung der Nutzer in ganz bestimmte Richtungen lenken sollen. Diesbezüglich sei auf die in