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Plattformen digitaler Kriminalitätsverortung - cpe - Universität ...

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<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Diplomarbeit am<br />

Fachgebiet Computergestützte Planungs- und Entwurfsmethoden<br />

Fachbereich Raum- und Umweltplanung<br />

Technische <strong>Universität</strong> Kaiserslautern<br />

Willi Wendt<br />

<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Aufgabenstellung und Betreuung:<br />

Prof. Dr.-Ing. Bernd Streich<br />

Betreuung:<br />

Dipl.-Ing. Jan-Philipp Exner<br />

Abgabedatum:<br />

Wintersemester, November 2012


Versicherung der selbständigen Anfertigung der<br />

Diplomarbeit<br />

<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Hiermit versichere ich, dass ich die beiliegende Abschlussarbeit selbstständig verfasst und<br />

keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.<br />

……………………………………………………, den……………….. …………………………………………………………..<br />

Willi Wendt


Danksagung<br />

<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Ich möchte mich an dieser Stelle bei alle jenen Menschen Bedanken, die mich bei der Erstellung<br />

dieser Diplomarbeit mit Rat und Tat unterstützt haben. Dabei gilt mein besonderer Dank meinem<br />

Betreuer Herrn Prof. Dr.-Ing. Bernd Streich, der sich dazu bereit erklärt hat, dieses durchaus<br />

brisante Thema zu betreuen und mir durch konstruktive Kritik dabei half, die Arbeit zielführend zu<br />

strukturieren. Ebenfalls zu großem Dank bin ich meinem zweiten Betreuer Dipl.-Ing. Jan-Philipp<br />

Exner verpflichtet, der mir in fachlichen und organisatorischen Fragen stets beratend zu Seite stand<br />

und mich darüber hinaus immer wieder auf themenbezogene Neuerscheinungen aufmerksam<br />

gemacht hat. Ebenso möchte ich Dr. Dipl.-Ing. Peter Zeile meinen Dank aussprechen, da er zur<br />

grundlegenden Gliederung dieser Abhandlung entscheidende Hinweise beigetragen hat.<br />

Zudem gilt auch Herrn Reiner Enderlein mein Dank, da er mir in seiner Funktion als Statistiker des<br />

Landeskriminalamtes des Saarlandes im Rahmen eines Experteninterviews einen umfangreichen<br />

Einblick in die polizeiliche Perspektive gewährt hat.<br />

Außerdem möchte ich meiner Mutter Birgit Wendt herzlich danken, die zahlreiche Arbeitsstunden<br />

in die Korrektur dieser Arbeit gesteckt hat. Sie hat dabei vor allem für deren Anschaulichkeit und<br />

allgemeine Verständlichkeit Sorge getragen.<br />

Darüber hinaus gilt mein Dank all meinen Freunden und Bekannten, die mir in gemeinsamen<br />

Gesprächen neue Perspektiven auf unterschiedliche thematische und strukturelle Fragestellungen<br />

aufgezeigt haben und mich moralisch stützten.<br />

Vielen Dank für all eure Geduld und Mühe!


Kurzfassung<br />

<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Die vorliegende Diplomarbeit beschäftigt sich mit den Chancen und Risiken interaktiver Crime-<br />

Mapping- Systeme, die sich aus Sicht der Raumplanung ergeben. Diese online frei verfügbaren<br />

<strong>Plattformen</strong> verorten und visualisieren kriminelle Delikte auf Karten und gewannen in den<br />

vergangenen Jahren im englischsprachigen Raum bei Polizei und Bevölkerung ungemein an<br />

Popularität.<br />

Die Abhandlung untersucht hierzu das Phänomen der Kriminalität und geht detailliert auf Probleme<br />

bei ihrer Erfassung ein. Außerdem wird dargestellt, wie wichtig kriminelle Sachverhalte auch für<br />

städtische Räume und die Bevölkerung sind, woraus sich Handlungsbedarf für die Raumplanung<br />

ableitet. Grundlegend wird des Weiteren die historische Entwicklung skizziert, die in den hier<br />

besprochenen Systemen mündete. Die <strong>Plattformen</strong> werden darüber hinaus, anhand dreier<br />

Charakteristika eingehend analysiert: Datengrundlage, Funktionalität und Visualisierungstyp.<br />

Im Zentrum der Untersuchung stehen aber die befürchteten bzw. erhofften Auswirkungen der<br />

<strong>Plattformen</strong> auf städtische Räume, Bevölkerung, lokale Akteure und Raumplaner im speziellen.<br />

Hierzu werden Thesen zu Chancen und Risiken formuliert, die anschließend auf ihre Gültigkeit hin<br />

überprüft werden. Die abschließende Abwägung möglicher Auswirkungen legt nahe, dass<br />

vollkommen frei verfügbare Systeme, aufgrund vieler kaum abschätzbarer Risiken nicht die<br />

versprochenen Erwartungen erfüllen können. Ein Ausblick auf das mögliche Anwendungspotenzial<br />

aus raumplanerischer Sicht wird aber darlegen, dass eine Beschränkung des Zugriffs für städtische<br />

Akteure Risiken, wie Fehlinterpretationen, Manipulationen oder Kriminalitätsfurcht minimieren<br />

könnte und somit eine Entfaltung der erhofften Potenziale möglich erscheint.<br />

Die Abhandlung stellt demnach zusammenfassend fest, dass positive Wirkungen der <strong>Plattformen</strong><br />

nur unter Berücksichtigung zahlreicher komplexer Faktoren wie der Datenschutzproblematik oder<br />

der Kriminalitätsfurcht erzielt werden können, was in ihrer jetzigen Form jedoch noch nicht der Fall<br />

ist.


Abstract<br />

<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Interactive Crime Mapping Systems - Opportunities and risks from the point of spatial planning<br />

This thesis deals with the opportunities and risks of Interactive Crime Mapping Systems from the<br />

point of spatial planning. These online platforms visualize criminal events on maps and become<br />

more and more popular for normal citizens looking to evaluate the area of town they live or work<br />

in.<br />

In this paper the phenomenon of crime is examined and the problems of data collection are<br />

described in detail. The thesis also shows the impact of crime on urban areas and their population,<br />

which leads to the need for urban planning. Furthermore the basic historical development, which<br />

resulted in the discussed crime mapping systems, is outlined. These systems will be analyzed in<br />

detail on the basis of the following three characteristics: data set, functionality and type of<br />

visualization.<br />

The main contribution of this thesis is an investigation on the feared and hoped effects of these<br />

systems on urban areas, their population, local players and in particular urban planners. As part of<br />

this investigation, theses regarding the opportunities and risks are formulated and checked. The<br />

result of weighing up the possible effects suggests that systems with public access can not meet<br />

the promised expectations, due to a large amount of only poorly assessable risks. But it can be<br />

shown that limiting the access to local urban players could minimize the risks of misinterpretation,<br />

manipulation and unfounded fear of crime. This approach might allow the desired effects to be<br />

reached.<br />

The conclusion of this thesis is, that the positive effects of crime mapping systems can only be<br />

achieved, if various complex factors like data privacy protection or fear of crime are considered,<br />

which is not the case for any of the available systems.


Inhaltsverzeichnis<br />

<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Inhaltsverzeichnis I<br />

1. Einleitung III<br />

1.1. Problemstellung III<br />

1.2. Zielsetzung V<br />

1.3. Untersuchungsleitende Fragen V<br />

1.4. Methodik & Vorgehensweise V<br />

2. Grundlagen 1<br />

2.1. Theoretische Grundlagen 1<br />

2.1.1. Definition Kriminalität 1<br />

2.1.2. Kriminalität im Kontext von Stadt- und Raumplanung 8<br />

2.1.3. Erfassung von Kriminalität 12<br />

2.1.4. Historische Entwicklung von Kriminalitätskartierungen 18<br />

2.2. Technische Grundlagen | Interaktive Crime- Mapping <strong>Plattformen</strong> 24<br />

2.2.1. Datengrundlagen 24<br />

2.2.2. Funktionalität 33<br />

2.2.3. Visualisierungstypen 42<br />

2.3. Zusammenfassung der theoretischen und technischen Grundlagen 56<br />

3. Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen 57<br />

3.1. Erhoffte Wirkungen | Chancen & Potenziale 57<br />

3.1.1. Erhoffte polizeiinterner Wirkungen 58<br />

3.1.2. Erhoffte Wirkungen der Polizei 61<br />

3.1.3. Erhoffte Wirkungen aus raumplanerischer Sicht 70<br />

3.2. Befürchtete Wirkungen | Bedenken & Risiken 78<br />

3.2.1. Fehlinterpretationen 78<br />

3.2.2. Manipulationsmöglichkeiten 89<br />

3.2.3. Privatwirtschaftliche Nutzung 93<br />

3.2.4. Crime- Mapping- Systeme als Quelle von Kriminalitätsangst und -furcht 95<br />

3.2.5. Stigmatisierung von Räumen und Bewohnern 100<br />

3.2.6. Datenschutzproblematik 102<br />

3.2.7. Verdrängung & Nutzen für Kriminelle 106<br />

3.3 Schlussfolgerung | Abwägung der Chancen & Risiken 110<br />

I


II Inhaltsverzeichnis<br />

4. Fazit und Ausblick 115<br />

4.1. Fazit | Planerisches Anwendungspotenzial 115<br />

4.2. Ausblick | Mögliche Entwicklungen 118<br />

Literaturverzeichnis i<br />

Abbildungsverzeichnis vii<br />

Anhang x


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

1. Einleitung<br />

Die folgende Einleitung soll dem Leser in einem ersten Schritt verdeutlichen, aufgrund welcher<br />

Problemlage interaktive Crime- Mapping- Systeme einer eingehenden Untersuchung bedürfen. Im<br />

Anschluss daran wird die mit der Abhandlung verfolgte Zielsetzung definiert, woraufhin die<br />

untersuchungsleitenden Fragen benannt werden, die zur Erreichung dieses Zieles beitragen sollen.<br />

Die Einleitung wird darauf folgend mit einer Darstellung der Vorgehensweise beschlossen. All diese<br />

Schritte sollen es dem Leser außerdem ermöglichen, einen ersten Überblick über die<br />

Argumentationsstruktur der Abhandlung zu gewinnen.<br />

1.1. Problemstellung<br />

Kriminalitätskartierungen werden bereits seit Beginn des 19. Jahrhunderts angefertigt. In den<br />

folgenden 150 Jahren waren diese Karten zunächst einem Fachpublikum aus Kriminologen,<br />

Rechtwissenschaftlern, Soziologen und Stadtplanern vorbehalten. In den vergangenen zwei<br />

Jahrzehnten wurden Karten kriminologischer Sachverhalte allerdings immer stärker an die<br />

Öffentlichkeit herangetragen, was auf neuartige Strategien polizeilicher Praxis, z.B. des Community<br />

Policing, zurückzuführen ist (vgl. Kapitel 2.1.4.). Die aktuellste Ausprägung dieser stärkeren<br />

Einbeziehung der Bevölkerung in Prozesse der Kriminalitätsbekämpfung ist in <strong>Plattformen</strong> zu<br />

sehen, die interaktive Kriminalitätskartierungen und -Statistiken frei im Internet verfügbar machen.<br />

Diese <strong>Plattformen</strong> stellen mithilfe von Symbolen oder Einfärbungen kriminelle Vorfälle auf digitalen<br />

Grundlagenkarten (z.B. Google Maps oder Bing) dar. Dabei können im englischsprachigen Raum<br />

eine Vielzahl von <strong>Plattformen</strong> ausgemacht werden, die sich hinsichtlich ihrer Optik, des verfügbar<br />

gemachten Informationsgehalts, ihrer Handhabung und auch in Bezug zur betreibenden Institution<br />

stark voneinander abheben. Die folgende Abbildung 1 verdeutlicht diese Vielfältigkeit anhand der<br />

vier Beispielsysteme crimes.latimes.com, police.uk, crimemapping.com und citysourced.com.<br />

Abbildung 1: Beispiele interaktiver Crime- Mapping- Systeme<br />

III


IV Einleitung<br />

Die Polizei verspricht sich von diesen Systemen eine stärkere Bindung zur Bevölkerung, um das<br />

Vertrauen in die polizeiliche Praxis sowie polizeiliche Statistiken zu erhöhen und sie zur Mitwirkung<br />

an der Kriminalitätsbekämpfung durch gemeinschaftliche Strategieentwicklung oder<br />

Selbsthilfemaßnahmen zu animieren (Chainey & Thompson 2012, S.4).<br />

Bis zum heutigen Zeitpunkt haben sich aber nur sehr wenige Forscher mit möglichen<br />

Konsequenzen, beschäftigt, die mit diesen offenen <strong>Plattformen</strong> für städtische Räume samt ihrer<br />

Bewohner einhergehen. So befassen sich amerikanische Untersuchungen hauptsächlich mit der<br />

Frage, ob die in den Systemen zur Verfügung gestellten Deliktinformationen sachgerecht<br />

georeferenziert wurden und somit das „wahre“ Bild der Kriminalität abgebildet wird (irevolution<br />

2012). In Großbritannien sind die <strong>Plattformen</strong> zwar noch etwas jüngeren Datums, jedoch wird<br />

wesentlich kritischer mit ihnen umgegangen. Die dort durchgeführten Analysen versuchen zu<br />

erörtern, inwiefern die von der Polizei anvisierten Zielstellungen tatsächlich erreicht werden und<br />

wie sie gegebenenfalls verbessert werden könnten (Chainey & Thompson 2012). Demnach stehen<br />

im englischsprachigen Raum eher Fragen der Umsetzung und Darstellung der <strong>Plattformen</strong> im<br />

Vordergrund und ihre Existenz wird grundsätzlich nicht hinterfragt.<br />

Da diese <strong>Plattformen</strong> aber weitreichende Informationen zum komplexen Themengebiet der<br />

Kriminalität an die gesamte Bevölkerung und damit einem großen Publikum aus Laien weitergeben,<br />

sollte eine sachgerechte Analyse der interaktiven Crime- Mapping- Systeme nicht nur die von der<br />

Polizei angesprochenen Potenziale untersuchen, sondern vor allem auch die damit einhergehenden<br />

Risiken ins Zentrum der Beobachtung stellen. So drängen sich aus stadt- und raumplanerischer<br />

Sicht Aspekte bezüglich der Wirkung der Karten auf städtische Räume und ihre Bevölkerung<br />

einerseits und auf die Nutzer der betreffenden <strong>Plattformen</strong> andererseits auf. Werden<br />

beispielsweise unnötigerweise Ängste bei den Nutzern geschürt oder ganze Räume samt ihrer<br />

Bewohnerschaft als kriminell stigmatisiert, ist dringender Untersuchungsbedarf angezeigt.<br />

Des Weiteren sind bis zum jetzigen Zeitpunkt keine Untersuchungen angestellt worden, inwiefern<br />

Raum- und Umweltplaner die durch die Systeme zur Verfügung gestellten Informationen nutzen<br />

könnten. Doch gerade angesichts des offensichtlichen Bedarfs an einer fachgerechten Abwägung<br />

des Nutzens und der Risiken der <strong>Plattformen</strong> für alle städtischen Akteure, wurde die<br />

stadtplanerische Perspektive bei den Betrachtungen bisher sträflich vernachlässigt.<br />

Nichtsdestotrotz wurden im Jahr 2007 für die USA bereits 125 Web- Sites gezählt, die<br />

Kartenmaterial zum Thema Kriminalität frei zur Verfügung gestellt haben. Diese Entwicklung hielt<br />

im Jahr 2008 auch in Großbritannien Einzug. Seitdem können über die Plattform police.uk<br />

Kriminalitätskarten für alle Städte des Vereinigten Königreiches abgerufen werden, was von Seiten<br />

der Bevölkerung seitdem auch mit regem Interesse getan wird (Diebel 2011). In Anbetracht dieser<br />

Entwicklung zeichnet sich ab, dass auf lange Sicht auch in Deutschland eine Einführung dieser<br />

Systeme zumindest nicht unwahrscheinlich ist. Daher ist es unabdingbar, die zuvor angedeuteten<br />

Fragestellungen eingehend zu behandeln, um mögliche, negative Konsequenzen abschätzen zu<br />

können und gegebenenfalls vorbeugende Maßnahmen einzuleiten.


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

1.2. Zielsetzung<br />

Die zuvor dargelegte Problemstellung deutet bereits an, welches Ziel mit der vorliegenden<br />

Abhandlung verfolgt wird. Dennoch muss an dieser Stelle eine klare Definition erfolgen, um der<br />

Arbeit nicht nur einen gewissen Kurs vorzugeben, sondern um sie auch nachvollziehbar zu machen.<br />

Infolgedessen ist es Ziel dieser Arbeit, das Nutzen- Risiken- Verhältnis interaktiver Crime- Mapping<br />

Systeme aus raumplanerischer Sicht zu analysieren. Das Ergebnis soll eine fachgerechte Abwägung<br />

sein, die eine Einschätzung hinsichtlich der Nutzbarkeit sowie Anwendbarkeit der <strong>Plattformen</strong> aus<br />

Sicht eines Raumplaners ermöglicht. Idealerweise sollte sich hieraus auch ableiten, ob und unter<br />

welchen Bedingungen eine Einführung dieser Art von Systemen auch in Deutschland zu begrüßen<br />

wäre.<br />

Dabei ist es zwingend erforderlich, die Interessen aller Nutzer- bzw. Zielgruppen sowie<br />

anderweitiger Betroffener in die Betrachtungen einzubeziehen. Denn nur wenn die Perspektiven<br />

von Polizei, Tätern, Opfern und Programmnutzern, die sowohl aus einfacher Bevölkerung als auch<br />

aus städtischen Akteuren (z.B. Stadtplaner oder Mitarbeiter von Sozial- und Jugendämtern)<br />

bestehen können, erfasst wurden, ist es möglich die gesamte Bandbreite von Potenzialen und<br />

Risiken abzuschätzen. Da Stadtplaner in vielerlei Hinsicht als Bindeglied zwischen den<br />

unterschiedlichen städtischen Akteuren betrachtet werden können, erscheint die stadtplanerische<br />

Perspektive im Sinne einer möglichst qualifizierten und sachgerechten Einschätzung als besonders<br />

geeignet.<br />

1.3. Untersuchungsleitende Fragen<br />

Um der Abhandlung eine zielführende Struktur zu geben, wurden forschungsleitende Fragen<br />

formuliert, die im weiteren Verlauf der Arbeit chronologisch beantwortet werden. Dabei handelt es<br />

sich um die folgenden:<br />

Was ist Kriminalität, wie wird sie erfasst und welche Auswirkungen hat sie für den Raum<br />

und seine Bewohner?<br />

Wie sind interaktive Crime- Mapping- Systeme entstanden und wie sehen sie aus?<br />

Welche Risiken gehen mit den <strong>Plattformen</strong> aus stadtplanerischer Sicht einher?<br />

Welche Chancen ergeben sich in diesem Sinne aus ihnen?<br />

Wie stellt sich das Verhältnis von Chancen zu Risiken dar?<br />

Ist eine Einführung der Systeme vor dem Hintergrund der Erkenntnisse der<br />

voranstehenden Fragestellungen auch in Deutschland zu befürworten bzw. ist sie zu<br />

erwarten? Wenn ja, welche Konditionen müssten beachtet bzw. eingehalten werden?<br />

1.4. Methodik & Vorgehensweise<br />

Bereits aus den dargelegten forschungsleitenden Fragen lassen sich erste Rückschlüsse auf die<br />

gewählte Vorgehensweise ziehen. Dennoch wird anschließend näher dargestellt, welche<br />

Arbeitsschritte in welcher Abfolge durchgeführt werden, um dem Leser den inhaltlichen Einstieg in<br />

die Abhandlung zu erleichtern und ihm einen Überblick über die gewählten Methoden zu<br />

vermitteln.<br />

Das folgende zweite Kapitel beschäftigt sich in zwei Teilen mit den theoretischen und technischen<br />

Grundlagen der zu untersuchenden interaktiven Crime- Mapping- Systeme. Hierzu wird im<br />

V


VI Einleitung<br />

theoretischen Grundlagenteil zunächst der Begriff der Kriminalität definiert, da es zum Verständnis<br />

der vorliegenden Arbeit notwendig ist, das Phänomen Kriminalität samt seiner äußeren<br />

Bedingungen zumindest in seinen Grundzügen zu verstehen. Darauf aufbauend erfolgen<br />

Ausführungen bezüglich der Bedeutung krimineller Handlungen für Städte, ihre Bewohner und den<br />

sich daraus ergebenden Handlungsfeldern für Stadt- und Raumplanung. Im dritten Unterkapitel<br />

wird auf die Probleme bei der Erfassung von Kriminalität eingegangen, die vor allem hinsichtlich<br />

der Validität der veröffentlichten Daten eine entscheidende Rolle spielt. Die dort aufgeführten<br />

Fakten sollten eigentlich jedem Nutzer von Crime- Mapping- Systemen in aller Deutlichkeit<br />

aufgezeigt werden, weil sie die auf den <strong>Plattformen</strong> veröffentlichten Informationen in einen<br />

veränderten, der Realität näheren Bezug setzen. Des Weiteren wird der Fragestellung<br />

nachgegangen, wie sich Kriminalitätskartierungen historisch bis hin zum heutigen Typ der<br />

interaktiven, online Crime- Mapping- Systeme entwickelt haben. Der zweite Teil des Kapitels<br />

beschäftigt sich mit den technischen Grundlagen der <strong>Plattformen</strong>. Hierzu werden die<br />

Datengrundlagen und Betreiberformen dargelegt, um anschließend auf die Funktionsweisen und<br />

diversen Visualisierungstypen der verschiedenen <strong>Plattformen</strong> einzugehen. Mit diesen<br />

Informationen sollte der Leser einerseits die Begriffe Kriminalität, Kriminalitätsstatistik und -<br />

kartierung verstehen und einordnen können und andererseits einen Überblick über die<br />

vorhandenen Systemtypen und ihre Funktionsweise erhalten haben.<br />

Im daran anschließenden dritten Kapitel „Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen“ werden<br />

zunächst die polizeiinternen Nutzen des Crime- Mapping und die von ihr erhofften Wirkungen im<br />

Bezug zu frei verfügbaren interaktiven <strong>Plattformen</strong> dargelegt, da diese Hoffnungen als Grund für<br />

die Einführung der <strong>Plattformen</strong> betrachtet werden können. In einem zweiten Schritt werden dann<br />

jene Wirkungen aufgezeigt, die aus raumplanerischer Sicht mit den Systemen einhergehen<br />

könnten. Diese Überlegungen schließen dabei neben möglichen Potenzialen für raumplanerische<br />

Prozesse, außerdem solche für Räume, Bewohner sowie andere städtische Akteure ein.<br />

Im Anschluss an die Ausführungen zu den erhofften Wirkungen erfolgt eine Betrachtung der<br />

befürchteten Wirkungen. Hier wird mit einer umfassenden Untersuchung möglicher<br />

Fehlinterpretationen begonnen, da diese entscheidende Folgen für alle weiteren Auswirkungen der<br />

<strong>Plattformen</strong> haben können. Daraufhin erfolgt eine schrittweise Untersuchung folgender<br />

risikobehafteter Aspekte aus raumplanerischer Sicht: Manipulationsmöglichkeiten der <strong>Plattformen</strong>,<br />

Privatwirtschaftliche Nutzung der <strong>Plattformen</strong>, Kriminalitätsfurcht erzeugende Wirkungen von<br />

<strong>Plattformen</strong>, Stigmatisierungen von Räumen und Bewohnern, Datenschutzprobleme und<br />

Verdrängung von Kriminalität samt krimineller Nutzen.<br />

Abschließend erfolgt eine Zusammenfassung hinsichtlich der Gültigkeit der zuvor formulierten<br />

Thesen mit dem Ziel, eine qualifizierte Einschätzung abzugeben, wie sich das Nutzen- Risiko-<br />

Verhältnis interaktiver Crime- Mapping- Systeme darstellt und unter welchen Bedingungen eine<br />

Einführung dieser <strong>Plattformen</strong> denkbar ist.<br />

Der Titel des beschließenden Kapitels „Fazit und Ausblick“ beschreibt bereits seine inhaltliche<br />

Ausrichtung sowie zweiteilige Gliederung. Der erste Teil – das Fazit – beschäftigt sich<br />

zusammenfassend mit den Potenzialen und Risiken der <strong>Plattformen</strong>, aus der Perspektive der<br />

raumplanerischen Anwendung. Dabei sollen auch Bedingungen aufgezeigt werden, die bei einer<br />

Einführung aus planerischer Sicht berücksichtigt werden müssten. Der Ausblick umfasst eine


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Einschätzung über die Wahrscheinlichkeit der Einführung der Systeme in Deutschland, wozu auch<br />

kriminalpolitische Tendenzen auf politischer sowie polizeilicher Ebene in die Überlegungen<br />

einbezogen werden. Die darauf folgenden Ausführungen zum Thema möglicher<br />

Weiterentwicklungen der Crime- Mapping- Systeme, behandeln sowohl sich abzeichnenden als<br />

auch „nur“ vorstellbare Entwicklungsmöglichkeiten. Dabei werden konkret technische<br />

Weiterentwicklungen, neuartige Visualisierungstypen und die Verbreitung der <strong>Plattformen</strong> in<br />

weniger stark entwickelte Teile der Welt untersucht.<br />

Den Schluss der Arbeit bildet eine kurze Beurteilung des Nutzen – Risiko- Verhältnisses und der<br />

damit verbundenen Einsatzchancen von Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> in Deutschland, unter<br />

Berücksichtigung der angesprochenen Entwicklungspotenziale.<br />

VII


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

2. Grundlagen<br />

Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit den theoretischen Grundlagen der Begriffe Kriminalität<br />

und Kriminalitätskartierung, sowie den technischen Voraussetzungen der interaktiven Crime-<br />

Mapping- Systeme. Bei der dabei gewählten Vorgehensweise bildet das Kapitel 2.1.4 der<br />

historischen Entwicklung der Kriminalitätskartierung das Bindeglied zwischen theoretischen und<br />

technischen Bedingungen, da es herleitet, wie sich aus Kriminalität, ihrer Kartierung und der<br />

polizeilichen Methodik, die heutzutage angewandten und hier untersuchten Crime- Mapping-<br />

Systeme entwickelt haben.<br />

2.1. Theoretische Grundlagen<br />

Wie bereits der Methodik entnommen werden kann, werden anschließend zunächst die<br />

theoretischen Grundlagen bezüglich des Phänomens Kriminalität behandelt. Hierzu wird der Begriff<br />

definiert und anschließend hinsichtlich seiner Rolle in der Raum- und Stadtplanung eingeschätzt.<br />

Außerdem wird die polizeiliche Erfassung von Kriminalität dargelegt und es erfolgt ein Überblick<br />

über die Geschichte der Kartierung von Kriminalität. Diese theoretische Grundlagenbildung ist zum<br />

Verständnis der interaktiven Crime- Mapping- Systeme und vor allem hinsichtlich der mit Ihnen<br />

einhergehenden Chancen und Risiken zwingend erforderlich.<br />

2.1.1. Definition Kriminalität<br />

Zunächst soll der Fragestellung nachgegangen werden, wie sich der Begriff „Kriminalität“<br />

definieren lässt. Innerhalb der Kriminal- und Sozialwissenschaften wird Kriminalität<br />

übereinstimmend als eine Form devianten – also von Normen abweichenden 1 – Verhaltens<br />

bezeichnet. Verfolgt man diese Grundannahme jedoch tiefergehend, wird erkennbar, dass eben<br />

jene Abgrenzung von kriminellen bzw. devianten Verhaltensweisen nicht eindeutig ist. Der<br />

Sozialpädagoge Dollinger verdeutlicht in seiner Darstellung der „Devianzarten und -felder“ die<br />

verschwommenen Überschneidungsbereiche zwischen verschiedenen Devianzarten (Dollinger<br />

2006, S.13). Darin führt er das Beispiel der weichen Drogen, wie etwa Marihuana an, deren Konsum<br />

unter Jugendlichen nicht einmal mehr als Fehlverhalten angesehen wird. Bei kleineren Verstößen,<br />

wie dem Besitz geringer Mengen Marihuana, rückte in den letzten Jahren sogar der Gesetzgeber<br />

von der Ansicht ab, Sanktionen aussprechen zu müssen. Handelt es sich beim Konsum weicher<br />

Drogen also um Kriminalität, problematische und damit zumindest gesellschaftlich sanktionierte<br />

Devianz oder definiert man ihn gar als normkonform? Natürlich ist dies eine gewagte und eher<br />

hypothetische Fragestellung, aber es wird deutlich, dass eine exakte gemeingültige Zuordnung<br />

nicht zweifelsfrei möglich ist.<br />

Nichtsdestotrotz wird Kriminalität, als „spezielle Form von Devianz“ (Belina 2011b, S.12), im<br />

deutschsprachigen Raum einheitlich definiert. Es handelt sich um solche abweichenden<br />

Handlungen, die rechtstaatlich festgelegte Normen übertreten und bei Missachtung vom Staat<br />

sanktioniert werden können. Auch Dollinger schließt sich dieser Begriffsbestimmung an und trifft<br />

die Aussage, dass deviantes Verhalten dann kriminell ist, wenn Rechtnormen dies festschreiben<br />

(ebenda).<br />

1 Deviant = lat. für (von der Norm) abweichend (Lexikon der Fremdwörter S.78)<br />

1


2 Grundlagen<br />

Aus diesen Definitionen ergeben sich bezüglich des Begriffes „Norm“ jedoch einige<br />

Fragestellungen. Zentrale Bedeutung kommt dabei den Folgenden zu:<br />

Wer legt die Normen fest, bei deren Missachtung von deviantem oder gar kriminellem<br />

Verhalten gesprochen wird?<br />

Wie werden die Normen gesellschaftlich verankert?<br />

Wer sorgt für die Einhaltung der Normen?<br />

Wie verändern sich diese Normen?<br />

Warum übertreten Menschen Normen bzw. warum begehen sie kriminelle Handlungen?<br />

Diese Fragen werden von den Soziologen und Kriminalitätsforschern Oberwittler und Reinecke im<br />

Sinne zweier unterschiedlicher Perspektiven der Untersuchung von Kriminalität zusammengefasst<br />

(Oberwittler & Reinecke 2009; S.49):<br />

(1) Perspektive der Entstehung und Durchsetzung von Normen<br />

(2) Perspektive der Ursachen strafbaren Handelns<br />

Geht man zunächst der ersten Perspektive (1) und dem mit ihr verbundenen Fragenkatalog nach,<br />

wird erneut sehr schnell deutlich, wie komplex und divergent das Konstrukt gesellschaftlicher bzw.<br />

staatlicher Normen ist. So benennt auch der Soziologe Prof. Dr. Jens Lüdtke in seiner Definition<br />

abweichenden Verhaltens das Grundproblem damit, dass keine objektiv eindeutigen<br />

Bestimmungen möglich seien, da diese immer von (sozial-)räumlichen und zeitlichen Faktoren<br />

abhängen würden (Luedtke 208; S.185-186).<br />

Zwei Beispiele sollen an dieser Stelle die Abhängigkeit von Normen zu Raum und Zeit<br />

verdeutlichen. Bereits das zuvor angebrachte Beispiel des Konsums der weichen Droge Marihuana<br />

kann die Bedeutung veranschaulichen, die Raum und Zeit für das Entstehen und die Durchsetzung<br />

gesellschaftlicher Normen besitzen. Zum einen veränderte sich in Deutschland innerhalb des<br />

letzten Jahrzehnts die gesellschaftliche Ansicht, Marihuana sei eine Droge, deren Gebrauch durch<br />

Gesetze strafrechtlich verboten werden müsse. Beispielsweise spricht Luedtke von einer „materiell-<br />

rechtlichen Entkriminalisierung, bei der die Straftat zur Ordnungswidrigkeit wird“ (Luedtke 2008;<br />

S.198). Schien diese Entwicklung vor 30 Jahren noch undenkbar, so könnte der Konsum in nicht<br />

allzu ferner Zukunft genauso legal sein, wie der der in Deutschland gesellschaftlich akzeptierten<br />

Droge Alkohol. Richtet man den Blick nun auf unser Nachbarland Niederlande, wird<br />

bekanntermaßen erkennbar, das sich gesellschaftliche Ansichten unterschiedlicher Räume<br />

hinsichtlich des Marihuanakonsums deutlich unterscheiden. Entfernt man sich räumlich noch ein<br />

wenig weiter und untersucht die Drogenhandhabung im arabischen Raum, kann man gar eine<br />

komplett umgekehrte gesellschaftliche Ansicht feststellen. Hier wird nämlich der Konsum von<br />

Marihuana toleriert und im Gegensatz dazu ist das Trinken von Alkohol verboten. Als Grund hierfür<br />

können zwischen den angeführten Räumen unterschiedliche gesellschaftliche Entwicklungen über<br />

einen Jahrhunderte währenden Zeitraum hinweg ausgemacht werden.<br />

Ein zweites Beispiel soll aufzeigen, wie stark auch sozialer Wandel über längere Zeiträume<br />

gesellschaftliche Normen verändern kann. War die Kindeszüchtigung in der Nachkriegszeit noch ein<br />

gesellschaftlich akzeptiertes Mittel der Kindeserziehung, so veränderte sich diese Ansicht im Laufe<br />

der letzten Jahrzehnte. Zunächst änderte sich die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber dieser<br />

Form der Bestrafung von Kindern in verschiedenen Teilen der Gesellschaft und wurde bei der


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Erziehung der eigenen Kinder abgelehnt. Diese Entwicklung führte letztendlich sogar soweit, dass<br />

die breite Mehrheit der deutschen Gesellschaft heutzutage die Kindeszüchtigung missbilligt und<br />

diese auch strafrechtlich verboten ist (Luedtke 2008; S192).<br />

Betrachtet man dieses Phänomen der Wandelbarkeit von Normen darüber hinaus innerhalb der so<br />

vielfältigen städtischen Gesellschaft, wird schnell deutlich, dass zwischen Jung und Alt, Arm und<br />

Reich oder Familiär und Alleinlebend und vieler weiterer unterschiedlicher Lebensbedingungen<br />

differenzierte Ansichten bezüglich von Normen und ihrer Durchsetzung bestehen. Da die<br />

vorherrschenden gesetzlichen Normen aber aus einem Gebilde etablierter gesellschaftlicher<br />

Ansichten konstruiert werden, wird es immer Gruppen von Menschen geben, die sich gegen diese<br />

Regeln durch Aussagen oder Taten auflehnen. Allerdings verbleibt die Frage, ob eine von Teilen<br />

der Gesellschaft bewusst oder unbewusst angestrebte Veränderung der Normen tatsächlich als<br />

kriminell betrachtet werden muss. So stellt auch der bedeutende französische Soziologe Emile<br />

Durkheim die Frage: „Wie oft das Verbrechen wirklich bloß eine Antizipation der zukünftigen<br />

Moral, der erste Schritt zu dem, was sein wird?“ (Durkheim 1961, S.160). Mit anderen Worten<br />

können gewisse abweichende Verhaltensformen von heute als gesellschaftliche<br />

Weiterentwicklungen im Sinne des sozialen Wandels verstanden werden. So spricht auch Luedtke<br />

im Bezug zu Dürkheim von den „Abweichlern von heute“ die zu den „moralischen Innovatoren von<br />

morgen werden“ (Luedkte 2008, S.191). Wenn also Angehörige bestimmter kreativer Milieus oder<br />

Zuwanderergruppen relativ häufig für bestimmte Normabweichungen belangt werden, heißt das<br />

nicht zwangsläufig, dass es sich um besonders kriminelle Individuen oder Gruppen handelt.<br />

Vielmehr müssen rechtliche Normen als Werkzeuge verstanden werden, welche die etablierten<br />

gesellschaftlichen Verhältnisse und Ansichten bewahren sollen und aufgrund dessen eine<br />

„Verurteilung“ der Abweichler erfolgt. Durch diese Gedankenfolge sollte deutlich werden, dass<br />

auch unsere heutigen Vorstellungen von Normen keineswegs als abschließendes Konstrukt<br />

gesehen werden können, sondern viele Handlungen die wir heutzutage noch als kriminell<br />

einstufen, in Zukunft als normal und erwünscht gelten können.<br />

Ob eine Handlung kriminell ist oder nicht ist also immer davon abhängig zu welchem Zeitpunkt und<br />

an welchem Ort – also wann und wo – sie ausgeführt wird. Die Entscheidung darüber, welches<br />

Verhalten kriminell ist und welches nicht, wird durch das staatliche Strafrecht bestimmt, dass auf<br />

gesellschaftlich anerkannten Normen beruht, die dem sozialen Wandel unterliegen. Auf diese<br />

Weise werden normabweichenden Handlungen aber in erster Linie durch den Staat kriminalisiert.<br />

Zusammenfassend geht es bei der Kriminalisierung also darum, von gesellschaftlichen Normen<br />

abweichende Handlungen zu identifizieren, zu verhindern und zu bestrafen, weswegen der<br />

deutsche Humangeograph Belina diesen Prozess als „soziale Kontrolle“ und Kriminalpolitik als<br />

„Kontrollpolitik“ bezeichnet (Belina 2007; S.225).<br />

Nach der ausführlichen Betrachtung dieser Sichtweise soll nun die zweite Perspektive (2) der<br />

Ursachen strafbaren Handelns untersucht werden. Bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts<br />

werden sogenannte „Theorien abweichenden Verhaltens“ postuliert, die den Anspruch erheben,<br />

die Entstehung von Kriminalität erklären zu können. Seitdem sind zahlreiche, höchst<br />

unterschiedliche Theorien entstanden, die die Gründe für das abweichende Verhalten auf<br />

verschiedenen Ebenen ausmachen. Dabei handelt es sich um die Folgenden:<br />

(1) Mikroebene –Ebene des „Abweichlers“<br />

3


4 Grundlagen<br />

(2) Mesoebene – Ebene des sozialen Umfeldes des „Abweichlers“<br />

(3) Makroebene – gesamtgesellschaftliche Ebene<br />

So sah die erste kriminologische Theorienbildung der „italienische Schule“ die Gründe für das<br />

abweichende Verhalten in der Physis des Menschen. Demnach seien bestimmte Menschentypen,<br />

die man auch äußerlich an bestimmten Merkmalen erkennen könne, triebhaft kriminell (Dollinger<br />

2010; S.45). Diesen ersten Ansätzen der Theorienbildung auf Mikroebene (1) sollten im 20.<br />

Jahrhundert zahlreiche folgen. Beispielhaft seien an dieser Stelle die General Theorie of Crime (im<br />

Folgenden als GTOC bezeichnet) und die bis heute oftmals angewandte Rational Choice Theorie<br />

angesprochen. Dabei stellt erstere die persönliche Fähigkeit zur Selbstkontrolle in den Mittelpunkt<br />

ihrer Untersuchungen. Ihr zufolge böten kriminelle Handlungen in der Regel zwar unmittelbare<br />

Bedürfnisbefriedigung, allerdings würde die Selbstkontrolle einen Großteil der Bevölkerung davon<br />

abhalten, solche Taten tatsächlich zu begehen. Der Grund hierfür läge gemäß der Theorie in der<br />

Fähigkeit der Menschen, der ersten Versuchung eine Tat zu begehen, wiederstehen zu können, um<br />

anschließend die möglichen langfristigen Folgen bei Entdeckung zu verhindern. Abweichendes<br />

Verhalten geht demnach von Menschen aus, die eine solch geringe Selbstkontrolle haben, dass sie<br />

über die angesprochenen Konsequenzen gar nicht erst nachdenken. Die Fähigkeit zur<br />

Selbstkontrolle wird entsprechend der GTOC in der Sozialisationsphase erworben (Mehlkop 2011;<br />

S.35-36). Auch die zweite Theorie des sogenannten Rational Choice Ansatzes sieht den Moment<br />

der Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Handlung als zentralen Ausgangspunkt seiner<br />

Untersuchung. Demnach wägt jeder Mensch all seine Handlungen nach dem Prinzip der Kosten-<br />

Nutzen- Überlegung ab, da er dem Prinzip des Homo Oeconomicus folgt. Eine Entscheidung<br />

darüber ob legale oder kriminelle Handlungen zur Zielerreichung ergriffen werden, hängt in diesem<br />

Falle aber nicht nur vom zu erwartenden Aufwand ab, sondern auch vom Gewicht möglicher<br />

Konsequenzen bei Entdeckung (Dollinger 2006, S.53-54). Dieses Model der „rationalen Wahl“<br />

(Übersetzung rational choice) wurde von verschiedenen Wissenschaftlern wie zum Beispiel dem<br />

Sozialpsychologen Icek Ajzen in seiner Theory of Planned Behaviour weiter ausdifferenziert und<br />

konkretisiert. Darüber hinaus sind viele weitere Theorien auf der Ebene der Einzelperson – also der<br />

Mikroebene – entwickelt worden, deren ausführliche Betrachtung an dieser Stelle zu weit führen<br />

würde. Einen kurzen Überblick über weitere Erklärungsätze auf dieser Ebene bietet Tabelle 1.<br />

Die Erklärungsansätze auf der Mesoebene (2) sehen die Ursachen für abweichendes Verhalten<br />

weder auf rein persönlicher noch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene. Diese Theorien definieren<br />

vielmehr das persönliche Umfeld bzw. die Umwelt der betreffenden Personen als Auslöser für<br />

kriminelle Handlungen. So führt die sogenannte Subkulturtheorie kriminelle Handlungen auf die<br />

Zugehörigkeit der Täter zu bestimmten abgegrenzten Teilgruppen der Gesellschaft zurück. Da sich<br />

diese Subkulturen durch andere Wertvorstellungen und Normen vom gesellschaftlichen<br />

Establishment abheben, werden ihre Gruppenmitglieder mit hoher Wahrscheinlichkeit kriminelle<br />

oder zumindest stark abweichende Verhaltensweisen an den Tag legen. Mit dieser Theorie wird<br />

oftmals versucht, Bandenkriminalität von Jugendgangs zu erklären (Dollinger 2006; S.85-86). Der<br />

Peer- Group- Ansatz lokalisiert das soziale Umfeld von Heranwachsenden als mögliche Ursache<br />

abweichenden Verhaltens. Da der Mensch in dieser Lebensphase persönliche Werte und<br />

Einstellungen zu Normen entwickelt, sei hiernach das soziale Umfeld in dieser Phase der<br />

Sozialisation von entscheidender Bedeutung. Werden einem Jugendlichen durch wichtige<br />

Personen, wie enge Freunde oder Verwandte, kriminalitätsbefürwortende Einstellung vermittelt,


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

würde sich gemäß der Theorie die Chance für späteres abweichendes Verhalten erhöhen (Dollinger<br />

2006; 92- 94).<br />

Gesondert soll nun der stark kritisierte Broken- Windows- Ansatz diskutiert werden, da er vor allem<br />

das räumliche und städtische Umfeld als Auslöser für kriminelles Verhalten ausmacht. Dieser<br />

Ansatz geht davon aus, dass eine gewisse Unordentlichkeit eines städtischen Raumes zu höherer<br />

Kriminalitätsbelastung führe. Der Grund für die höhere Belastung entstünde demnach dadurch,<br />

dass ein unordentliches äußeres Erscheinungsbild eines Viertels kriminellen Individuen suggeriere,<br />

dass die soziale Kontrolle an diesem Ort eher gering und damit auch das Aufdeckungsrisiko für<br />

kriminelle Handlungen minimal sei. Der Name der These weist schon darauf hin, dass<br />

eingeschlagene Scheiben (engl. Broken Windows) ein erstes deutliches Anzeichen für diesen relativ<br />

breit auslegbaren Begriff der Unordnung darstellen sollen. Versucht man den Begriff der<br />

Unordnung im städtischen Kontext aber klar zu definieren, stößt man allerdings auf erhebliche<br />

Schwierigkeiten. Denn was als unordentlich gilt und was nicht, ist ebenso sehr stark von den<br />

gesellschaftlichen Normen abhängig. Müssen also tatsächlich Scheiben eingeschlagen worden sein<br />

oder reicht es, dass die Straßen nicht geputzt werden und Müll herumliegt? Welche zentrale Rolle<br />

das Normverständnis hier spielt, verdeutlicht auch die Auslegung der Autoren der Theorie James Q.<br />

Wilson und George L. Kelling. Ihrer Meinung nach, zeige sich der soziale Zerfall schon durch<br />

Obdachlose, die im öffentlichen Raum sichtbar werden. Demnach ist die bloße Anwesenheit<br />

bestimmter Personengruppen bereits ein Zeichen für sozialen Zerfall und städtische Unordnung,<br />

der dann auch noch als Auslöser für Kriminalität gelten soll. Verbindet man diesen theoretischen<br />

Ansatz mit der ebenfalls ausgesprochenen Forderung nach striktem Vorgehen gegen diese<br />

„Unordnung“, kommt es zu einer Kriminalisierung von Verhaltensweisen die strafrechtlich gesehen<br />

nicht kriminell sind. Vor allem in den USA fand dieser Ansatz trotz der umfangreichen<br />

sozialwissenschaftlichen Kritik sehr großen Anklang. So wird die verbesserte Kriminalitätslage New<br />

Yorks zum Ende der 90er Jahre bis heute von konservativen Politikern als Beispiel der Gültigkeit der<br />

Broken- Windows These angeführt, da die Stadt auf Grundlage dieser These Polizeiarbeit betrieben<br />

hatte. Allerdings setzte sich in den letzten Jahren die Ansicht durch, dass die verbesserte<br />

Kriminalitätsstatistik vielmehr auf eine veränderte polizeiliche Erfassungsmethodik zurückzuführen<br />

sei (vgl. auch Kapitel 1.2) (Belina 2011b; S. 134- 195).<br />

Auch auf der Makroebene (3) liegen Theorien vor, die das Entstehen von kriminellen Handlungen<br />

unter anderem räumlichen Faktoren zuschreiben. So gliedern die von Dollinger in einem<br />

Theorienkomplex zusammengefassten Ansätze der Sozialräume, Milieus und Lebensstile die<br />

Gesellschaft in verschiedene Gruppen, von denen einige mehr und andere weniger zu Kriminalität<br />

neigen. Beispielsweise macht der sozialräumliche Ansatz Lebensräume für die Neigung zu<br />

Kriminalität und abweichendem Verhalten verantwortlich. Ihm zufolge sei der Lebensraum Stadt,<br />

im Vergleich zu ländlichen Räumen, eher dazu geeignet kriminelle Verhaltensformen zu generieren<br />

bzw. in sich zu bergen. Innerhalb der Stadt seien wiederrum die Viertel stärker betroffen, deren<br />

Einwohner geringen sozialen Status aufweisen. Allerdings werden diese Ansätze mittlerweile sehr<br />

kritisch betrachtet, da sie die sehr komplexen Wirkungszusammenhänge kriminellen Verhaltens<br />

nur vereinfacht darstellen und damit jeglichen Anspruch verlieren, die Realität abzubilden<br />

(Dollinger 2006; S.117-122).<br />

Die vom weltweit anerkannten Soziologen Robert K. Merton entwickelte Anomietheorie erklärt<br />

abweichendes Verhalten damit, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen mit den ihnen zur<br />

5


6 Grundlagen<br />

Verfügung stehenden Mitteln nicht dazu in der Lage seien, gesellschaftlich etablierte Ziele zu<br />

erreichen. Dies führe dazu, dass sich gewisse Teile dieser Gruppen dazu entschlössen, die Ziele mit<br />

von der Norm abweichenden und auch kriminellen Methoden zu erlangen. Hierbei handelt es sich<br />

aber auch um einen Ansatz der die gesellschaftliche Normdefinition hinterfragt. Denn Normen<br />

werden als Teil einer „egalitären Ideologie“ angesehen, die von gesellschaftlich etablierten<br />

Gruppen zum Schutze ihres Lebensstandards aufgestellt und praktiziert werden, aufgrund derer<br />

sozial schlechter gestellte Gesellschaftsgruppen erst gar keine Möglichkeit hätten die Ziele zu<br />

erlangen (Mehlkop 2011; S.25-27).<br />

Einen gänzlich anderen Untersuchungsansatz bieten die Theorien der makrostrukturellen<br />

Etikettierung. Diese versuchen nicht die Ursachen von Kriminalität oder abweichenden Verhaltens<br />

zu erklären, sondern sie stellen den Kriminalisierungsvorgang in den Fokus der Untersuchung. Es<br />

wird also der Frage nachgegangen, wer Handlungen auf Grundlage welcher Norm als kriminell<br />

definiert. Der deutsche Soziologe und Kriminologe Fritz Sack forcierte dies mit dem sogenannten<br />

labeling approach gar noch weiter. In diesem Ansatz wird davon ausgegangen, dass Verhalten von<br />

sich aus nicht kriminell sein kann, sondern nur von außen als kriminell definiert wird (Sack 1972;<br />

S13). Edwin M. Lemert, ein weiterer amerikanischer Soziologe und Kriminologe, radikalisiert die<br />

auch als Etikettierungsansatz bezeichnete Idee gar noch, indem er die sogenannte „primäre<br />

Devianz“, die Handlungen von außen als Kriminell definiert, um das Konzept einer „sekundären<br />

Devianz“ erweitert. Diese wiederholte Etikettierung von Personen führe ursächlich dazu, dass diese<br />

das kriminalisierte Verhalten tatsächlich an den Tag legen. Demnach wird geschlussfolgert, dass<br />

bestimmte Bevölkerungsgruppen sehr häufig auch zu Unrecht kriminalisiert und dadurch<br />

gesellschaftlich in eine kriminelle Rolle hineingedrängt werden würden. Hierdurch stünden den<br />

Betroffenen immer weniger akzeptierte Handlungsmöglichkeiten offen, wodurch sie schlussendlich<br />

kriminelle Aktivitäten zur Sicherstellung des Lebensunterhalts durchführen müssten. (Dollinger<br />

2010; S.57).<br />

Die abschließende Tabelle (Tabelle 1) bietet einen Überblick über die Vielzahl von Theorien, welche<br />

versuchen abweichendes Verhalten zu erklären. Dabei wurden die Theorien den jeweils<br />

grundlegenden Untersuchungsebenen zugeordnet.<br />

Tabelle 1: Theorien abweichenden Verhaltens nach Ebenen<br />

Mikroebene Mesoebene Makroebene<br />

Italienische<br />

2010; S.50)<br />

Schule (Dollinger Subkulturtheorie Anomietheorien<br />

Theorien<br />

Lernens<br />

des differentiellen Peer- Group Ansatz Desintegrationstheorien<br />

General Theorie of Crime Broken Windows Ansatz Theorien des Sozialraums, von<br />

(Mehlkop 2011; S.35)<br />

Lebensstile und Milieus<br />

Rational Choice Makrostrukturelle Etikettierung<br />

(wie z.B. der labeling Approach)<br />

Stresstheorien<br />

Interpersonelle Etikettierung<br />

Quelle: eigene Darstellung; Datenquellen: Belina 2011b, Dollinger 2006 & 2010; Mehlkop 2011, Sack 1972<br />

Auch wenn einzelne der genannten Theorien in konkreten Situationen durchaus Anwendung finden<br />

könnten, kann keiner der Ansätze Allgemeingültigkeit für sich beanspruchen. So können die<br />

Theorien auf der Makro- und Mesoebene nicht erklären, warum sich letztendlich einzelne


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Individuen für oder gegen abweichende Verhaltensformen entscheiden, denn nur die<br />

Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder die potenzielle Unerreichbarkeit bestimmter Ziele<br />

verursachen nicht automatisch Unmengen kriminell handelnder Personen. Auch auf Mikroebene<br />

kann nicht genau geklärt werden, weshalb sich einige Personen in Abwägungsprozessen für<br />

kriminelle Handlungen entscheiden und andere Menschen unter gleichen Voraussetzungen<br />

dagegen. Die Erklärungsansätze scheinen vielmehr von der jeweiligen Profession und der damit<br />

verbundenen Blickrichtung der Autoren abhängig zu sein. Beispielsweise waren die Autoren der<br />

„italienischen Schule“ Biologen, was ihr rein auf physiologische Merkmale beschränktes<br />

Herangehen an die Fragestellung, wie kriminelle Personen identifiziert werden können, zumindest<br />

ein wenig erklären kann. Dementgegen waren die Urheber des Rational Choice Ansatzes<br />

Ökonomen, was die Grundannahme des Menschen als stets rational entscheidenden Homo<br />

Oeconomicus deutlich belegt (Dollinger 2010, S.51).<br />

Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass sich Kriminalität weder abschließend von<br />

anderen Handlungsformen abgrenzen lässt, noch theoretische Erklärungsansätze vorliegen, die das<br />

eigentliche Entstehen abweichender Handlungen in seiner Gänze erklären können. Dennoch<br />

müssen durch staatliche Institutionen Normen vorgegeben und durchgesetzt werden, um ein<br />

gewisses Maß an sozialer Ordnung zu erhalten. Diese vom Staat festgelegten Normen werden im<br />

Regelfall von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung getragen. So fördert der deutsche Staat<br />

heutzutage, anstelle rein repressiver Maßnahmen zur Bestrafung von Tätern, eine Vielzahl<br />

unterschiedlicher Projekte zur Prävention kriminellen Verhaltens. Dies ist ein Beleg dafür, dass<br />

auch auf politischer Ebene die Erkenntnis eingetreten ist, dass Kriminalität ein sehr komplexes<br />

Problemfeld ist, welches nicht durch besonders strikte Handhabung von Ver- und Geboten<br />

bewältigt werden kann.<br />

Da dieses Kapitel zum grundsätzlichen Verständnis der vorliegenden Abhandlung von zentraler<br />

Bedeutung ist, sollen die dargelegten Kernelemente der erfolgten Definition von Kriminalität in der<br />

folgenden Abbildung (vgl. Abbildung 2) noch einmal resümierend skizziert werden.<br />

7


8 Grundlagen<br />

Abbildung 2: Kernelemente Kapitel 2.1.1. – Definition von Kriminalität<br />

(1) Bei Kriminalität handelt es sich um eine spezielle Form von Devianz, wobei<br />

klare Abgrenzungen zu anderen Formen abweichenden Verhaltens nicht<br />

zweifelsfrei möglich sind.<br />

(2) Strafrechtlich sind Handlungen kriminell, die rechtsstaatlich festgesetzte<br />

Normen überschreiten.<br />

(3) Diese Normen können und müssen jedoch aus 2 verschiedenen Perspektiven<br />

heraus hinterfragt werden:<br />

a. Perspektive der Entstehung und Durchsetzung von Normen<br />

b. Perspektive der Ursachen strafbaren Handelns<br />

(4) Die Entstehung und Durchsetzung von Normen ist sehr stark von Raum- und<br />

Zeit abhängig. Wobei die rechtskräftige Kriminalisierung von staatlichen<br />

Institutionen durchgeführt wird.<br />

(5) Eine Vielzahl von Theorien versuchen die Entstehung kriminellen Verhaltens<br />

zu erklären, wobei es keiner gelingt, dieses komplexe Wirkungsgefüge in<br />

seiner Gesamtheit zu ergründen.<br />

2.1.2. Kriminalität im Kontext von Stadt- und Raumplanung<br />

Die Bedeutung die „Raum“ für die Untersuchung des Phänomens Kriminalität hat, wurde im<br />

voranstehenden Kapitel bereits eingehend behandelt. Ebenfalls wurde verdeutlicht, inwiefern<br />

durch Theorien abweichenden Verhaltens versucht wurde, die Wechselwirkungen zwischen<br />

verschiedenen vor allem städtischen Teilräumen und der Entstehung von Kriminalität aufzuzeigen<br />

(z.B. Broken Windows These oder Sozialraumansatz). Im folgenden Abschnitt soll nun dargestellt<br />

werden, welche Anforderungen sich aus diesem Themenkomplex für die Stadt- und Raumplanung<br />

ergeben und wie dementsprechend mit Kriminalität umgegangen wird.<br />

Kriminelle Handlungen werden zu nicht unerheblichen Teilen in öffentlichen Räumen begangen.<br />

Beispielhaft können Taschendiebstähle in Einkaufsstraßen, Straßenschlägereien, Autodiebstähle<br />

oder sexuelle Übergriffe an wenig frequentierten Freiflächen angeführt werden. Außerdem sind<br />

auch solche Straftaten, die auf privaten Flächen stattfinden, in ein Geflecht öffentlicher Flächen<br />

eingebunden. So müssen Täter wenn es sich zum Beispiel um einen Wohnungseinbruch handelt,<br />

ebenfalls über öffentliche Wege zum Tatort gelangen und ihn gegebenenfalls zuvor über einen<br />

gewissen Zeitraum von öffentlichen Räumen aus observieren. Da Städte und ländliche Regionen<br />

natürlich auch von Betroffenen bzw. potenziellen Opfern sowie Tätern bewohnt werden, wird<br />

deutlich, dass sich die Stadt-und Raumplanung zwingend mit dem Problem der Kriminalität<br />

beschäftigen muss. Für Kommunen bieten sich verschiedene Ansätze, kriminellen Problemen zu<br />

begegnen. In den diesbezüglichen Untersuchungen des Politik- und Sozialwissenschaftlers<br />

Bernhard Frevels, der von der Organisation des „deutschen Präventionstages“ auch als Experte für<br />

Kriminalprävention bezeichnet wird, lassen sich beispielsweise folgende<br />

Haupteingriffsmöglichkeiten ausmachen (Frevel 2011):


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

städtebauliche Ansätze, durch:<br />

o Gestaltung sicherer Freiräume<br />

o Sicherheitserhöhung bestimmter Räume durch technische Hilfsmittel, wie zum<br />

Beispiel durch Überwachungskameras<br />

raumordnerische Ansätze, durch:<br />

o die räumliche Funktionszuweisung aus kriminologischen Gesichtspunkten<br />

stadtsoziologische Ansätze, durch:<br />

o das Aufspüren und Beheben von Gründen für abweichendes Verhalten innerhalb<br />

der Bewohnerschaft<br />

o soziale Projekte der Jugendarbeit oder zur Gewaltprävention<br />

Ansätze polizeilicher Arbeitsweise, durch:<br />

o die Entwicklung von problemorientierten Strategien der Kriminalitätsbekämpfung<br />

wie beispielsweise Sensibilisierungskampagnen bezüglich bestimmter<br />

Kriminalitätsarten oder gefährdeter Räume<br />

o die Einführung lokaler Polizeistrategien, wie dem Community Policing (vgl. auch<br />

unter polizeiinterner Nutzen in Kapitel 3.1.1.)<br />

Bei all diesen der Stadt- und Raumplanung zur Verfügung stehenden Methoden, handelt es sich um<br />

Handlungsansätze der Kriminalprävention. Dementsprechend sind es in aller Regel<br />

Vorbeugemaßnahmen, deren Ziel es ist, kriminelle Handlungen bereits im Vorfeld zu verhindern.<br />

Die beiden Kriminalpolizisten Helmut Wälter und Frank Pannenbäcker legen in ihrer<br />

kriminologischen Regionalanalyse der Stadt Essen eine andere Kategorisierung der<br />

Handlungsansätze zur Prävention von Kriminalität vor. Dabei unterscheiden sie drei Dimensionen,<br />

die sich hauptsächlich durch den Ansatzpunkt der Präventionsarbeit unterscheiden. Während in<br />

der sogenannten „Kriminalprävention“ vor allem der potenzielle Täter im Vordergrund steht,<br />

beschäftigt sich die „Situative Kriminalprävention“ hauptsächlich mit Tatort- sowie<br />

Tatgelegenheitsminimierung. Dementsprechend wird erstere hauptsächlich mit soziologischen<br />

Lösungsansätzen bearbeitet, wohingegen die situative Prävention eher durch polizeiliche<br />

Strategien oder bauliche Maßnahmen erfolgt. Die Dritte und letzte Dimension der<br />

Kriminalprävention wird als „Gemeinwesenbezogene Prävention“ bezeichnet. Da sie den<br />

Zusammenhalt und die Zusammenarbeit innerhalb einer Gemeinschaft als langfristige Lösung<br />

anstrebt, kommt hier eine kombinierte Anwendung aller Arten von Eingriffsmöglichkeiten zum<br />

Tragen (Wälter & Pannenbäcker 1996).<br />

Allerdings übersteigen die Aufgabenbereiche der Städte und Gemeinden die reine Vorbeugung<br />

potenzieller krimineller Handlungen. Städte konkurrieren im nationalen sowie internationalen<br />

Wettbewerb um Unternehmen und hochqualifizierte Fachkräfte. In diesem Zusammenhang<br />

werden weiche Standortfaktoren immer wichtiger, wobei subjektive Faktoren wie das<br />

Sicherheitsgefühl oder auch Kriminalitätsfurcht sehr gewichtig sein können. Eine hohe<br />

Lebensqualität an einem Ort kann nur dann erreicht werden, wenn sich die Bevölkerung sicher<br />

fühlt (Floeting & Seidel Schulze; S.1). Da die von der Bevölkerung wahrgenommenen Bedrohungen<br />

allerdings nicht mit der tatsächlichen Kriminalitätsentwicklung übereinstimmen, sondern in sehr<br />

9


10 Grundlagen<br />

starkem Maße von den medialen Berichterstattungen abhängen (Bundesministerium des Innern &<br />

Bundesministerium der Justiz 2006; S.513-517), steigen die Anforderungen an städtische<br />

Sicherheitsstrategien. So wird dieser Sachverhalt auch von dem an der TU Berlin beschäftigten<br />

Stadt- und Regionalplaner Jan Abt in einem Beitrag der Fachzeitschrift PLANERIN mit den Worten<br />

„der Schutz vor Kriminalität ist nicht gleichbedeutend mit dem Schutz vor der Furcht vor<br />

Kriminalität“ zusammengefasst. Für ihn ist die Minimierung von Kriminalitätsfurcht „eine Aufgabe<br />

der Stadtplanung“, da sie das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung beeinflussen könne (Abt 2007).<br />

Welche Folgen Kriminalitätsfurcht für städtische Räume und seine Bewohner haben kann, wird<br />

außerdem ausführlich in Kapitel 3.2.4. dargestellt.<br />

Der Urbanist Holger Floeting und die Sozialwissenschaftlerin Antje Seidel- Schulze stellen in ihrem<br />

Beitrag zur Tagung REAL CORP 2012 dahingehend die Akteure urbaner Sicherheit dar. Ihre<br />

Ausführungen machen deutlich, dass sich bis zum jetzigen Zeitpunkt zu Sicherheitsfragen keine<br />

einheitlichen Strategien im deutschsprachigen Raum entwickelt haben. Zwar käme dem Thema<br />

Sicherheit in nahezu allen planerischen Dokumenten ein „gewisse Bedeutung“ zu, aber spezielle<br />

Konzepte zum Thema seien eher die Seltenheit. Häufig seien Aussagen mit Sicherheitsbezug in<br />

integrierten Stadtentwicklungskonzepten vorzufinden und konkrete Konzepte wären zumeist auf<br />

kleinräumige Ansätze ausgelegt, was ein Blick auf die Handlungsräume der in Deutschland recht<br />

verbreiteten kriminalpräventiven Räte belegt. Vor allem wird aber deutlich, dass Kooperationen<br />

mit anderen öffentlichen Einrichtungen und Partnern zur Kriminalitätsbekämpfung beitragen<br />

sollen. So geben mehr als 90% der befragten Stadtplanungsämter und Ordnungsämter an, im<br />

Themenfeld Sicherheit mit der Polizei und dem zuständigen Jugendamt zu kooperieren. Allerdings<br />

scheint im Rahmen dieser Kooperationen keine gemeinsame strukturierte Strategieentwicklung zu<br />

erfolgen, sondern es handelt sich eher um eine unterstützende Beratungsfunktion von Seiten der<br />

jeweiligen Planungsämter (Floeting & Seidel- Schulze 2012). An dieser Schnittstelle setzt auch Jan<br />

Abt mit seiner Forderung an, dass „kommunale Planung Kriminalität und die Furcht vor ihr … als<br />

fachübergreifendes Problemfeld des lokalen Raums“ verstehen muss und nicht als bloßes<br />

Spezialthema der Polizei (Abt 2007, S.7).<br />

Erste Ansätze die das Thema Sicherheit in fachübergreifende Konzeptionen einbinden, werden in<br />

verschiedenen deutschen Städten erprobt. So wurde das Thema Sicherheit in Baden- Württemberg<br />

beispielsweise in Konzeptionen zu Projekten der Sozialen Stadt integriert (Steffen 2007; S.16). Ein<br />

anderes Beispiel liefert die Stadt Hannover, die zur Neuplanung des Stadtviertels Hannover- Linden<br />

eine Sicherheitsanalyse mit ausführlichen Präventionsvorschlägen erarbeiten ließ. Hierzu wurde ein<br />

fachübergreifendes Team gebildet, welches die Analyse und spätere Umsetzung betreute (Pfeiffer<br />

2007, S.18-19).Diese beiden Ansätze verdeutlichen allerdings die zuvor bereits angesprochene<br />

recht lokal ausgerichtete Strategieentwicklung, die vor allem dann zum Einsatz kommt, wenn es<br />

sich um bereits bekannte Problemgebiete handelt.<br />

Eine etwas großräumigere Ausrichtung wurde durch den kriminalpräventiven Rat Düsseldorfs<br />

angestoßen. Hier wurde im Jahr 2001 der Grundsatzbeschluss getroffen, dass für alle<br />

Stadtplanungsprozesse zwingend kriminalpräventive Erkenntnisse einbezogen werden müssen. Die<br />

Kriminalpolizei soll dabei in Kooperations- und Beratungsfunktion zur Seite stehen und vor allem in<br />

umfangreichem Maß Informationen zur Verfügung stellen. Die Informationen und Beiträge sollen<br />

dann bei Auswahlverfahren städtebaulicher Wettbewerbe, innerhalb der Planungsphasen und<br />

beim Belegungsmanagement einfließen (Leonhardt 2007). Inwiefern die kriminalpräventiven


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Aspekte hier aber tatsächlich Beachtung finden und wie sie städtebauliche Prozesse prägen ist<br />

nicht erwiesen.<br />

Betrachtet man diese beispielhaft aufgeführten Ansätze integrativer Einbeziehung<br />

kriminalpolitischer Fragestellungen in Prozesse der Stadtplanung und –entwicklung, wird<br />

erkennbar, dass interaktive Crime- Mapping- Systeme einen bedeutenden Beitrag für dieses neue<br />

Arbeitsfeld leisten könnten. Beispielhaft sei an dieser Stelle nur auf die Möglichkeit hingewiesen,<br />

dass solche Informationen wie sie von der Polizei in Düsseldorf oder in Hannover zur Verfügung<br />

gestellt oder gar gezielt erarbeitet werden müssen, über solche Systeme automatisch an die<br />

betreffenden Akteure wie Stadtplaner weitergegeben werden könnten. Für tiefergreifende<br />

Informationen hinsichtlich des Nutzens der <strong>Plattformen</strong> innerhalb von Planungsprozessen sei an<br />

dieser Stelle jedoch auf Kapitel 3.1.3. verwiesen.<br />

In Anbetracht des Bedürfnisses des Menschen nach Sicherheit – vor allem im näheren Wohnumfeld<br />

– und der bisherigen Handhabung innerhalb stadtplanerischer Prozesse, muss an dieser Stelle aber<br />

nochmals deutlich auf die Notwendigkeit integrierter Konzeptionen zur Einbindung<br />

kriminalpolitischer Fragestellungen hingewiesen werden. Mit Hilfe einer bundesweit einheitlichen<br />

Strategie könnte man dem menschlichen Bedürfnis nach Sicherheit besser gerecht werden.<br />

Abbildung 3: Kernelemente Kapitel 2.1.2. – Kriminalität im Kontext von Stadt- und Raumplanung<br />

(1) Kriminalität wird in nicht unerheblichem Maß in öffentlichen Räumen<br />

ausgeübt.<br />

(2) Kriminalitätsfurcht ist ein Indikator für Lebensqualität.<br />

(3) Maßnahmen zum Schutz vor Kriminalität fallen in den Aufgabenbereich der<br />

Stadt- und Raumplanung, da:<br />

a. Bewohnerschaft und Besucher vor kriminellem Verhalten in<br />

öffentlichen Räumen geschützt werden müssen<br />

b. Da das Sicherheitsgefühl im Standortwettbewerb zwischen Städten ein<br />

wichtiger Faktor ist.<br />

(4) Die Eingriffsmöglichkeiten der Stadt- und Raumplanung sind vielfältig und<br />

können städtebauliche, raumordnerische, stadtsoziologische und polizeiliche<br />

Maßnahmen beinhalten.<br />

(5) Präventionsmaßnahmen können sich auf Täter, Tatort bzw. Tatzeitpunkt<br />

oder das Gemeinwesen beziehen.<br />

(6) Zwar wird Kriminalität in der deutschen Stadt- und Raumplanung eine<br />

„gewisse“ Bedeutung zugemessen, jedoch ist die gemeinschaftliche<br />

Strategieentwicklung mit adäquaten gesellschaftlichen Akteuren, wie z.B.<br />

Polizei oder Jugendämtern, noch nicht stark genug ausgeprägt.<br />

11


12 Grundlagen<br />

2.1.3. Erfassung von Kriminalität<br />

Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit sind interaktive Kriminalitätskarten, die von der<br />

Bevölkerung frei im Internet abgerufen werden können. Auf diesen Karten wird versucht, zuvor<br />

erfasste Kriminalität in ihren räumlichen Ausprägungen grafisch darzustellen. Um in den folgenden<br />

Kapiteln die Anwendungsmöglichkeiten sowie –risiken dieser Karten in ihrer Gänze einschätzen zu<br />

können, muss jedoch zunächst untersucht werden, wie die den Karten zu Grunde liegende<br />

Datenbasis in der Praxis generiert wird. Dementsprechend soll in diesem Kapitel die statistische<br />

Erfassung krimineller Handlungen näher untersucht werden.<br />

Einen Einblick in die Schwierigkeiten, den die statistische Erfassung von Kriminalität birgt, legt der<br />

zweite periodische Sicherheitsbericht der Bundesministerien des Innern und der Justiz bereits in<br />

seinem ersten Übersichtskapitel dar. Demzufolge bilden amtliche Polizeistatistiken, wie die<br />

deutsche „Polizeiliche Kriminalstatistik“ (kurz: PKS), die tatsächliche Kriminalitätslage nicht<br />

wirklichkeitsgetreu ab (BMI & BMJ 2006; S. 1). Zudem werden im Sicherheitsbericht zwei zentrale<br />

Gründe für diese Unzulänglichkeit benannt, die anschließend näher untersucht werden.<br />

Das erste angesprochene Manko der kriminalstatistischen Datensätze bezieht sich auf die<br />

Unvollständigkeit der erfassten Kriminalität. In amtlichen Kriminalstatistiken werden nämlich nur<br />

Taten erfasst, die offiziell als solche angezeigt wurden. Das hierbei eine Vielzahl krimineller<br />

Handlungen unentdeckt bleiben oder zumindest nicht zur Anzeige gebracht werden, steht außer<br />

Frage. Verschiedene Studien versuchen dieses sogenannte Dunkelfeld der Kriminalität mithilfe von<br />

umfangreichen Täter- und Opferbefragungen näher zu durchleuchten und seinen Umfang<br />

abzuschätzen. Diese Untersuchungen konzentrieren sich derzeit vor allem auf Vermögens- und<br />

Eigentumsdelikte, da auch Dunkelfeldstudien bestimmte Arten von Kriminalität kaum offen legen<br />

können. Hierzu zählen entsprechend des zweiten Sicherheitsberichtes besonders solche<br />

kriminellen Handlungen die im Wohnbereich der betreffenden Personen stattfinden, wie z.B.<br />

familiäre Gewalt (ebenda lang; S 17). Auch Dunkelfeldstudien können folglich keinen umfassenden<br />

Einblick in die Gesamtheit kriminellen Verhaltens bieten, aber sie liefern einen wichtigen Beitrag<br />

zur Interpretation der vorhandenen Kriminalitätsstatistiken.<br />

Ein dem Sicherheitsbericht entnehmbares Schaubild legt beispielsweise offen, wie hoch die<br />

Anzeigeraten im Bezug zu unterschiedlichen Kriminalitätsarten ausfallen. Diese Zahlen wurden<br />

ebenfalls mithilfe von Dunkelfeldstudien ermittelt und belegen, dass ein sehr großer Anteil<br />

begangener Taten nicht zur Anzeige gebracht wird. Dabei liegt die Anzeigerate beispielsweise bei<br />

sexuellen Belästigungen, Betrug oder tätlichen Angriffen jeweils bei deutlich unter 40% (BMI/ BMJ,<br />

S.19). Wie wichtig die Dunkelfelddaten zur Einschätzung des tatsächlichen Kriminalitätsumfanges<br />

sind, wird in den folgenden Ausführungen des zweiten Sicherheitsberichtes erkennbar. Demnach<br />

hat sich die Zahl angezeigter Fälle von Körperverletzungen in Bochum in den Jahren von 1986 bis<br />

1998 verdoppelt (1986: 990 Fälle | 1998: 1.976 Fälle), wohingegen der Anstieg im Dunkelfeld mit<br />

lediglich 20% beziffert wurde (ebenda; S.20). In diesem konkreten Beispiel relativiert die<br />

Dunkelfelduntersuchung nicht nur die extremen Zuwächse in der polizeilichen Statistik, sondern sie<br />

hilft auch, diese sehr hohen Zahlen besser zu verstehen. Demzufolge hat sich in der Stadt Bochum<br />

vor allem die Anzeigebereitschaft gegenüber Delikten der Körperverletzung in diesem Zeitraum<br />

deutlich erhöht. Der Sicherheitsbericht benennt genau diese Entwicklung auch auf<br />

gesamtgesellschaftlicher Ebene als Grund für die erhöhte Anzeigebereitschaft gegenüber<br />

Gewaltdelikten, indem er von einem „Klima“ spricht, indem „eine erhöhte Aufmerksamkeit für


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Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

derartige Phänomene“ herrsche (ebenda; S.400). So folgert auch der<br />

Kommunikationswissenschaftler Hans Mathias Kepplinger in seinem Beitrag im Internationalen<br />

Handbuch für Gewaltforschung, dass die Anzeigehäufigkeit bestimmter Delikttypen wie zum<br />

Beispiel Gewalt oder Jugendkriminalität durch mediale Sensibilisierung gesteigert werden kann<br />

(Kepplinger 2002; S.1427).<br />

Welche Delikte in die polizeiliche Kriminalstatistik einfließen, und welche nicht, ist also stark von<br />

der Anzeigebereitschaft der Bevölkerung abhängig. Diese Bereitschaft variiert wiederum sehr stark<br />

hinsichtlich verschiedener Opfer- bzw. Tätergruppen. Anschließend soll ein Beispiel angeführt<br />

werden, welches die Selektivität des Anzeigeverhaltens verdeutlicht.<br />

Zum Verständnis dieses Beispiels, stelle man sich zunächst eine Situation vor, in der ein junger<br />

türkischstämmiger Jugendlicher an der Kasse eines Supermarktes mit einer Tafel Schokolade in<br />

seiner Tasche aufgegriffen wird. Der Umgang mit dem Jugendlichen bei dieser Sachlage ist<br />

sicherlich ein deutlich anderer, als wenn die „Tat“ von einer älteren Dame deutscher Herkunft<br />

begangen würde. Denn die Absichtlichkeit würde an dieser Stelle vor allem dem Jugendlichen<br />

unterstellt werden, der dann auch nur schwerlich beweisen könnte, dass es sich um einen<br />

unbeabsichtigten Fehler handelte. Bei einer älteren Dame würde man dagegen sicherlich viel eher<br />

von unabsichtlichem Verhalten ausgehen. Hierbei würde sehr wahrscheinlich angenommen, dass<br />

die Dame die Tafel einfach in ihrer Tasche vergessen hat, auch wenn sie sie absichtlich dort<br />

verborgen hätte. Es handelt sich also um eine Art von Voreingenommenheit, die dazu führt, dass<br />

gewisse Bevölkerungsteile eher angezeigt werden und damit auch überproportional in polizeilichen<br />

Statistiken vertreten sind. Besonders betroffen sind hierbei Jugendliche und Bevölkerungsteile mit<br />

Migrationshintergrund. So werden zum Beispiel nach Luedtke Jugendliche „als soziale Fremde<br />

wahrgenommen, deren (abweichendes) Handeln als besonders illegitim wahrgenommen wird“<br />

(Luedtke 2008; S.204). Bezüglich der erhöhten Anzeigebereitschaft gegenüber Migranten legt der<br />

zweite Sicherheitsbericht sogar konkrete Zahlen dar und spricht von einer um 18% höheren<br />

Anzeigequote bei Bagatelldelikten im Vergleich von nichtdeutschen zu deutschen Tätern.<br />

Geschuldet sei dies einer besonders aufmerksamen Beobachtung dieser Bevölkerungsgruppe durch<br />

Polizei und deutsche Bevölkerung (BMI & BMJ 2006; S.408-439). Auch der Wohnort beeinflusst den<br />

Umgang mit spezifischen Arten von Kriminalität. So werden beispielsweise Graffitis in jugendlichen<br />

Szenebezirken eher geduldet und in geringerem Maße zur Anzeige gebracht als in bürgerlichen<br />

Wohngebieten.<br />

Das Anzeigeverhalten ist also von einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren abhängig, die im<br />

Einzelnen nicht in der Kriminalstatistik auftauchen, sie aber dennoch sehr stark beeinflussen<br />

können. Dabei handelt sich unter anderem um folgende Faktoren:<br />

Unterschiedliche Kriminalitätstypen weisen unterschiedliche Anzeigeraten auf.<br />

Voreingenommenheit führt zu erhöhtem Anzeigeverhalten gegenüber bestimmten<br />

Bevölkerungsgruppen.<br />

Sensibilisierung für bestimmte Themenbereiche führt zu höherem Anzeigeverhalten.<br />

Die Bevölkerung unterschiedlicher Wohnorte bewertet bestimmte Delikte unterschiedlich<br />

stark.<br />

13


14 Grundlagen<br />

Der Zweite durch den Sicherheitsbericht angesprochene Problembereich für polizeiliche<br />

Kriminalstatistiken bezieht sich auf die Aussagekraft der erstellten Datensätze. Demzufolge können<br />

sie lediglich als Verdachtsstatistiken angesehen werden (BMI & BMJ 2006; S. 3). Das Problem<br />

besteht darin, dass polizeiliche Statistiken „Taten“ aufzeigen ohne Strafverfolgungsstatistiken zu<br />

berücksichtigen. Es kann bei einem begründeten Verdacht einer Straftat von der Polizei eine<br />

Anzeige, beispielsweise wegen leichter Körperverletzung, aufgenommen werden, die dann in die<br />

polizeilichen Kriminalstatistiken einfließt. Wenn sich daraufhin jedoch in einem gerichtlichem<br />

Verfahren herausstellt, dass es sich um eine Fehleinschätzung und damit um keine kriminelle Tat<br />

handelte, so resultiert hieraus eine fehlerhafte polizeiliche Statistik. Ein Vergleich von Kriminal- und<br />

Strafverfolgungsstatistik, so wie er auch im bereits angeführten Sicherheitsbericht dargestellt wird,<br />

kann dabei Hinweise für das Ausmaß dieser Problematik liefern. Demnach wurden im Jahr 2004 nur<br />

40% der strafmündigen Tatverdächtigen abgeurteilt. Zwar kann auf Aburteilungen auch verzichtet<br />

werden, wenn kriminelle Handlungen vorliegen – bestes Beispiel ist der bereits angesprochene<br />

Besitz geringer Mengen Marihuana – aber dennoch wird deutlich, dass die Gesamtheit der<br />

Tatverdachtsfälle, die durch die Kriminalitätsstatistiken suggeriert werden, nicht der tatsächlichen<br />

Zahl krimineller Handlungen entsprechen (ebenda S.10).<br />

Diese Problematik kommt besonders auch bei Delikten zum Tragen, die direkt von der Polizei und<br />

nicht von Betroffenen zur Anzeige gebracht werden. Wieder kann der Verstoß gegen das<br />

Betäubungsmittelgesetz als Beispiel herhalten, da hier in der Regel keine direkt betroffenen<br />

Personen bzw. Opfer vorliegen. Die Tateinschätzung erfolgt in diesem Fall in aller erster Linie durch<br />

die Polizei, die gemäß Hans- Dieter Schwind (ein deutschlandweit anerkannter<br />

Rechtswissenschaftler und Kriminologe) eine „Überbewertungstendenz“ erkennen lässt (Schwind<br />

2010; S.23). Da die eigentliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Tat letztendlich erst<br />

von einem Gericht entschieden wird, muss die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die<br />

polizeiliche Statistik in sehr starkem Maß von der polizeilichen Praxis im Umgang mit potenziellen<br />

Straftätern abhängt (Dollinger 2010; S.43). Ein aussagekräftiges Beispiel, welches darlegt, dass<br />

polizeiliche Praxis äußerst stark differiert, bietet der Politikwissenschaftler und Kriminologe Lars<br />

Ostermeier in seiner Untersuchung lokaler polizeilicher Kontrollkulturen. Demnach sieht es die<br />

Münchner Polizei auf der einen Seite als „Mittel des Erfolgs“ kleinere Delikte wie zum Beispiel<br />

„Raufereien“ nicht zu dramatisieren. Auf der anderen Seite vertritt die Stadt Hamburg die Strategie<br />

des „harten Durchgreifens“ (Ostermeier 2008, S.113-115). Vergleicht man anschließend die<br />

Kriminalitätsstatistiken der beiden Städte, stellt sich Hamburg natürlich als die „kriminellere“ Stadt<br />

heraus, wobei sich dieser statistische Wert allerdings eher durch die polizeiliche Praxis als durch die<br />

tatsächliche Kriminalität erklärt (Belina 2011a; 119-123). Ein weiteres Problem deutet Belina im<br />

Hinblick auf eine amerikanische Studie an, die untersuchte, ob in besonders „kriminell“ geltenden<br />

städtischen Gebieten Washington D.C.s andere polizeiliche Praxen vorherrschen. Das Ergebnis<br />

verstärkt die Zweifel an der Aussagekraft von Kriminalitätsstatistiken nochmals. In „gefährlichen“<br />

Gebieten liege die Kontrolldichte seitens der Polizei sehr viel höher, als in den sicheren Gebieten<br />

der Stadt, was dazu führt, dass dort natürlich auch eine höhere Kriminalität erfasst wird (Belina<br />

2011b; S.93-94). Zwar könnte es durchaus sein, dass auch andere Gebiete höhere<br />

Kriminalitätsbelastungen aufweisen, allerdings führt die geringere Kontrolle in diesen Gebieten zu<br />

einer schwächeren Aufdeckung. Besonders problematisch wird diese Sachlage angesichts der<br />

Tatsache, dass die Polizei ihre Einsatzgebiete ebenfalls aus den Kriminalitätsstatistiken heraus


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Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

ableitet (vgl. Kapitel 3.1.1.). Auf diese Weise entsteht ein Kreislauf aus hoher Kriminalitätsbelastung<br />

und verstärkter Kontrolle, die dann wiederum zu hohen statistischen Werten führt.<br />

Als abschließendes Beispiel soll nochmals die Stadt New York samt des hier praktizierten Broken-<br />

Window- Ansatzes angesprochen werden. Der Erfolg, der dem Ansatz beigemessen wird, ist<br />

nämlich keineswegs in dem besonders harten Durchgreifen der Polizei (Stichwort: „Zero<br />

Tolerance“) zu sehen, welches daraufhin zu einer geringeren Kriminalitätsbelastung geführt haben<br />

soll. Auch kommt der Schaffung einer „ordentlichen“ Umwelt nur ein sehr geringes Gewicht im<br />

Hinblick auf die Kriminalitätsstatistiken zu. Vielmehr lägen die Gründe für die „geringere“ kriminelle<br />

Belastung in einer Vielzahl äußerer Einwirkungen, die in keiner Beziehung zu der verfolgten<br />

Strategie stünden, wie zum Beispiel der demographischen Bevölkerungsentwicklung. Der<br />

Hauptgrund für den Rückgang der statistisch sichtbaren Kriminalität sei aber vor allem in der<br />

Manipulation der Statistiken durch die Polizei bzw. in der Bagatellisierung einiger Straftaten zu<br />

sehen. Da Polizeichefs dazu angehalten wurden die Kriminalität in ihren Bezirken zu senken,<br />

schönten sie die Statistiken indem sie bestimmte Straftaten anders kategorisierten (z.B. als<br />

Ordnungswidrigkeit) was damit auch die Kriminalstatistik „verbesserte“. Darüber hinaus wurde<br />

eine „Strategie des Abwimmelns“ im Hinblick auf einige Deliktarten, wie beispielsweise bei Fällen<br />

von sexueller Belästigung, verfolgt (Belina 2011b, S.164- 170). Dementsprechend legen die Zahlen,<br />

die in diesem Fall der Kriminalstatistik zu entnehmen sind, in keiner Weise die tatsächlichen<br />

Entwicklungen offen.<br />

All diese Ausführungen demonstrieren sehr deutlich, wie stark Kriminalitätsstatistiken von der<br />

Interpretation des Betrachters abhängen. Statistiken, die eine hohe Kriminalitätsbelastung<br />

aufweisen, können als Zeichen hoher Kriminalität eingeschätzt werden, oder ein Hinweis auf eine<br />

äußerst effektive Polizeiarbeit sein. Dementgegen können geringe Belastungen als Zeichen geringer<br />

Kriminalität oder besonders hoher Dunkelfeldzahlen ausgelegt werden. Diese widersprüchlichen<br />

Interpretationsmöglichkeiten statistischer Kriminalitätsraten werden in der anschließenden<br />

Abbildung nochmals grafisch demonstriert (vgl. Abbildung 4).<br />

Abbildung 4: Interpretationsmöglichkeiten "guter" und "schlechter" Polizeiarbeit<br />

Hohe Kriminalität bedeutet,<br />

dass die Polizei sehr umfassend<br />

gegen Kriminalität vorgeht!<br />

„Gute“<br />

Polizeiarbeit<br />

Hohe Kriminalität niedrige Kriminalität<br />

Hohe Kriminalität bedeutet,<br />

dass die Polizeistrategien<br />

Kriminalität nicht verhindern!<br />

„schlechte“<br />

Polizeiarbeit<br />

Niedrige Kriminalität bedeutet,<br />

dass keine Kriminalität vorliegt!<br />

Niedrige Kriminalität bedeutet,<br />

dass die Polizei Taten nicht<br />

effektiv aufdeckt!<br />

Quelle: eigene Darstellung<br />

15


16 Grundlagen<br />

Neben diesen, bereits vom zweiten Sicherheitsbericht angedeuteten, komplexen Problemfeldern<br />

lassen sich jedoch weitere Komplikationen bei der Erfassung von Kriminalität ausmachen. Ein von<br />

Lüdtke angesprochenes Phänomen beschäftigt sich beispielsweise mit der Übererfassung von<br />

Delikten, aufgrund des sogenannten Straftatensplittings. Hierbei werden einzelne Handlungen in<br />

mehrere Straftaten zerteilt. Demnach würde bei einem Einbruchsdiebstahl auch der Tatbestand<br />

des Hausfriedensbruches erfüllt und somit statistisch erfasst. Da wie bereits dargelegt, die<br />

Ergebnisse des gerichtlichen Verfahrens, welches in diesem Falle beispielsweise in Deutschland im<br />

Sinne der Tateinheit gemäß §52 StGB nur das schwerwiegendste Delikt bestrafen würde, nicht in<br />

die polizeiliche Kriminalstatistik einfließen, verbleibt die zu hohe statistische Erfassung von zwei<br />

Straftaten in den Datensätzen (Luedtke 2008; S.201).<br />

Außerdem existieren Erfassungsprobleme die für die Polizeiarbeit von besonderer Bedeutung sind.<br />

Dabei können Schwierigkeiten bei der Erfassung selbst, als auch beim Umgang mit erfassten Daten<br />

ausgemacht werden. Wendet man sich zunächst den Problemen des Prozesses der Erfassung von<br />

Kriminalität zu, können allgemeine Problemfelder ausgemacht werden, die immer dann auftreten<br />

wenn große Datenmengen erfasst und verwaltet werden müssen. Bis in die neunziger Jahre hinein<br />

war der Arbeitsaufwand für die Datenerfassung und vor allem statistische Aufbereitung enorm<br />

hoch, was sich erst mit dem Aufkommen finanzierbarer Computersysteme änderte.<br />

Nichtsdestotrotz müssen fallspezifische Daten bis heute in die vorhandenen Datenbanksysteme<br />

eingepflegt werden. Auch was die geografische Verortung von Delikten betrifft, wurde eine<br />

Reduzierung des umfangreichen Arbeitsaufwandes erst im vergangenen Jahrzehnt durch<br />

technische Hilfsmittel wie GPS- Systeme möglich. Da die Polizei auf Grundlage von statistischen<br />

Daten kurzfristige Strategien entwickelt, um bestimmte Problemsituationen zu lösen, wird deutlich<br />

wie wichtig die Faktoren Arbeitsaufwand und -zeit im Rahmen der Erfassung sind. Denn wenn der<br />

Erfassungsprozess zu viel Zeit beansprucht, sind kurzfristige Analysen nicht mehr sinnvoll bzw.<br />

zielführend.<br />

Ein großer problembehafteter Themenkomplex wurde mit der Verortung von kriminellen<br />

Handlungen bereits zuvor angedeutet. Da aber gerade dieser Aspekt im Rahmen der vorliegenden<br />

Abhandlung eine zentrale Rolle spielt, sollen anschließend jene Probleme erörtert werden, die sich<br />

bei der statistischen Erfassung des geografischen Ortes einer Tat ergeben. In aller erster Linie<br />

werden Tatorte erfasst, was natürlich solche Orte kriminell erscheinen lässt, an denen sich nicht<br />

etwa besonders viele Kriminelle Personen aufhalten, sondern bei denen eine hohe Opferzahl<br />

vorliegt (Lüdtke 2008; S.201). So kann beispielsweise ein Stadtviertel sehr hohe kriminelle<br />

Belastung aufgrund von Einbruchskriminalität aufweisen und statistisch gesehen als<br />

„Problemviertel“ gelten, obwohl hier keinerlei gefährliche Handlungen im öffentlichen Raum zu<br />

befürchten sind. Dieses Beispiel verdeutlicht abermals, wie wichtig eine exakte Analyse der<br />

Kriminalitätsstatistiken ist, um drohende Fehlinterpretationen zu vermeiden. Wie einfach man<br />

einer fehlerhaften Einschätzung polizeilicher Statistiken unterliegen kann, zeigt auch Belina in<br />

seiner Bewertung verschiedener Kriminalitätskarten des „Zeit Magazins“, die auf den amtlichen<br />

Polizeistatistiken beruhen. In einer dieser Karten zeigt die „Zeit“ die Anzahl von Taten der<br />

Gemengelage „Straßenkriminalität“ in verschiedenen Städten Deutschlands und druckt anbei ein<br />

Bild ab, auf dem ein am Boden liegender Mensch von mehreren Tätern zusammengetreten wird.<br />

Die veröffentlichten Zahlen vermitteln den Eindruck, im Norden laufe man eher Gefahr Opfer eines<br />

solchen Übergriffes zu werden als im Süden, da die Zahlen dort zum Teil deutlich niedriger<br />

ausfallen. Allerdings wird hier ein vollkommen falsches Bild vermittelt, da keine nähere Erklärung


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

zum Begriff der Straßenkriminalität erfolgte. Zwar mögen die Zahlen gemäß der polizeilichen<br />

Statistiken korrekt sein, aber es wird an keiner Stelle erläutert, dass unter den Begriff der<br />

Straßenkriminalität neben den suggerierten Fällen schwerer Körperverletzung auch<br />

vergleichsweise harmlose Straftaten wie Fahraddiebstähle fallen. Dass aufgrund dieses<br />

Sachverhalts die auch als Fahrradhauptstadt Deutschlands bezeichnete Stadt Münster natürlich an<br />

erster Stelle des Straßenkriminalitätsrankings steht, ist hinsichtlich des besonders hohen<br />

Opferpotenziales daher keine Überraschung (Belina 2011a; S.119-124). Dieses Beispiel verdeutlicht<br />

zum einen, dass die Interpretation polizeilicher Kriminalstatistiken mit höchster Sorgfalt erfolgen<br />

muss, aber zum andern auch bei der Erstellung und Deutung von weiterführenden Materialien, wie<br />

beispielsweise den hier besprochenen Kriminalitätskartierungen, sehr gründlich überprüft werden<br />

muss, welche Datengrundlagen einbezogen werden.<br />

Auf ein weiteres Problem verweisen die portugiesischen Sozialwissenschaftler und Raumplaner<br />

Ferreira, Joao und Martins in einer Untersuchung zur räumlichen Erfassung und Analyse von<br />

Kriminalität in Lissabon. Zwar können die meisten kriminellen Handlungen wie<br />

Wohnungseinbrüche, Überfälle oder Ladendiebstähle vergleichsweise problemlos verortet werden,<br />

es verbleibt jedoch eine Gruppe, deren räumliche Zuordnung nahezu unmöglich erscheint. Die<br />

angesprochene Untersuchung nennt hier Taschendiebstähle in öffentlichen Verkehrsmitteln als<br />

zentrales Beispiel, da diese in der Stadt Lissabon einen relativ großen Anteil an Diebstählen<br />

ausmachen (Ferreira, Joao & Martins 2012). Auch die Crime- Mapping- Plattform police.uk versucht<br />

mit dieser Problemlage umzugehen, indem alle Delikte die in öffentlichen Verkehrsmitteln<br />

begangen wurden und nicht klar zu verorten sind, an den Endhaltestellen der jeweiligen Linie<br />

registriert werden 2 . Dies führt allerdings dazu, dass der Ort der Endhaltestelle ungerechtfertigt<br />

krimineller dargestellt wird als er eigentlich ist. Außerdem können Taschendiebstähle<br />

grundsätzlich schwerer bestimmten Tatorten zugeordnet werden, da sie zumeist erfolgen, während<br />

sich Menschen bewegen und erst mit zeitlicher Verzögerung entdeckt werden. All dies schränkt die<br />

Möglichkeiten polizeilicher Erfassung stark ein und mindert die Aussagekraft polizeilicher<br />

Statistiken hinsichtlich räumlicher Ausprägungen von Kriminalität. Ebenfalls können auch nicht<br />

bekannte Tatzeiträume die Qualität statistischer Erhebungen einschränken, da diese Information<br />

für mögliche polizeiliche Strategien zur Bekämpfung des betreffenden kriminellen Verhaltens von<br />

hoher Wichtigkeit sein kann.<br />

Abschließend sollen die Erkenntnisse des Kriminologen und Rechtswissenschaftlers Karl Ludwig<br />

Kunz dargelegt werden, da dieser versucht die Unzulänglichkeiten statistischer Erhebungen von<br />

Kriminalität auf einer eher theoretischen Ebene zu erklären. Seiner Einschätzung nach sind solche<br />

Erhebungen durch die Art und Weise ihrer Erstellung grundsätzlich immer von einer gewissen Form<br />

von Vorverurteilung betroffen, da grundsätzlich jede statistisch erhobene „Beobachtung<br />

theoriebeladen ist“ (Kunz 2008; S.47). Selbst ein möglichst objektives Erhebungsdesign kann gemäß<br />

seiner Ausführungen nie komplett unbefangen sein (ebenda; S.49-50).<br />

Zusammenfassend wird deutlich, dass Kriminalstatistiken allein die tatsächliche Kriminalität<br />

aufgrund der angesprochenen Problemlagen nicht wirklichkeitsgetreu abbilden können, da sie zu<br />

stark von Faktoren wie Anzeigebereitschaft oder polizeilicher Praxis abhängig sind. Für ein<br />

umfassendes Verständnis von Kriminalität können sie aber als Datengrundlage für vergleichende<br />

2 einsehbar unter: http://crimemaps.btp.police.uk/about/<br />

17


18 Grundlagen<br />

Untersuchungen z.B. mit Daten aus Dunkelfeldstudien oder Informationen zu polizeilichen<br />

Praktiken herhalten. Allerdings ist damit noch nicht geklärt, wie die in der vorliegenden Arbeit<br />

untersuchten interaktiven Crime- Maps mit den ermittelten Daten umgehen. Denn rein theoretisch<br />

sind höchst unterschiedliche Darstellungsarten möglich, die von bloßer Darstellung von Tatorten<br />

ohne weitere Erläuterungen (z.B. reine Stecknadelkarten) bis hin zur Visualisierung von<br />

umfassenden Kriminalitätsanalysen (z.B. durch Deliktspezifische Dichtekarten/ Heatmaps) reichen<br />

können. Deshalb muss bei einer Untersuchung interaktiver Crime- Mapping- Systeme folgender<br />

Frage besondere Beachtung geschenkt werden:<br />

Welche statistischen Daten liegen der jeweiligen interaktiven Crime- Map<br />

zugrunde und wie wird mit diesen Daten umgegangen?<br />

Wie bereits zuvor, werden auch in diesem Kapitel, die zentralen Erkenntnisse in einer<br />

abschließenden Abbildung zusammengefasst (vgl. Abbildung 5).<br />

Abbildung 5: Kernelemente Kapitel 2.1.3. – Erfassung von Kriminalität<br />

Polizeiliche Kriminalstatistiken können die tatsächliche Kriminalität nicht<br />

wirklichkeitsgetreu abbilden, da:<br />

a. das Dunkelfeld nicht angezeigter krimineller Handlungen zu groß ist<br />

b. eine zu große Abhängigkeit zu Anzeigeverhalten und polizeilicher Praxis<br />

besteht<br />

c. Polizeistatistiken nur Verdachtsstatistiken sind, die eine<br />

Überbewertungstendenz ausweisen<br />

d. widersprüchliche Interpretationen der Statistiken möglich sind<br />

e. beim Erfassungsprozess zahlreiche Problemlagen vorliegen, vor allem<br />

hinsichtlich der räumlichen Erfassung<br />

Dennoch sind polizeiliche Kriminalstatistiken zur Interpretationen<br />

tatsächlicher Kriminalität von hoher Bedeutung, insofern sachgerecht mit<br />

den Datensätzen umgegangen wird.<br />

2.1.4. Historische Entwicklung von Kriminalitätskartierungen<br />

Aufbauend auf die voranstehende Definition von Kriminalität, soll nun der dieser Arbeit zugrunde<br />

liegende Begriff des Crime- Mapping näher untersucht werden.<br />

Betrachtet man zunächst die bloße Übersetzung ins Deutsche, so handelt es sich um Kriminalitäts-<br />

Kartierung/Kartographie. Da bereits im ersten Kapitel ein Versuch unternommen wurde, den<br />

komplexen Begriff der Kriminalität (Crime) zu erschließen, gilt es nun, auf den zweiten Teil des<br />

Begriffes – die Kartierung/ Kartographie (Mapping) – einzugehen. Der Brockhaus definiert<br />

Kartographie als die „Wissenschaft und Technik von der Herstellung von Land- und Seekarten.“<br />

(Band 2, S.335). Demnach werden bei der Kartographie geografische Sachverhalte in Form von<br />

Karten visualisiert.


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Setzt man die beiden Begriffe der Kriminalität bzw. der Kartierung/Kartographie nun in einen<br />

sachlichen Zusammenhang, handelt es sich bei der Kriminalitätskartierung (Crime- Mapping) um<br />

die kartografische Darstellung von Kriminalität. Wobei sich die Frage stellt, inwiefern Kriminalität<br />

kartografisch dargestellt werden kann und welchem Zweck eine solche Kartierung dienen könnte.<br />

Zur Beantwortung dieser Fragestellungen wird anschließend ein chronologischer Überblick über die<br />

Entwicklung des Crime- Mapping vorgelegt.<br />

Die ersten Kriminalitätskarten werden dem französischen Rechtswissenschaftler André Michel<br />

Guerry und dem italienischen Geographen Adriano Balbi zugerechnet. Dabei ging bereits dieser<br />

Ansatz von Kriminalitätskartierung über die bloße Darstellung von Orten, an denen kriminelle<br />

Handlungen ausgeführt wurden, hinaus. Vielmehr verglichen sie bereits im Jahre 1829 die<br />

räumliche Verteilung von Eigentumsdelikten und Vergehen gegen Personen mit dem Bildungsstand<br />

verschiedener Regionen Frankreichs. Diese Karten versuchen also Zusammenhänge zwischen dem<br />

Auftreten krimineller Handlungen und soziostrukturellen Merkmalen zu ziehen. Auf diese Weise<br />

sollte aufgezeigt werden, unter welchen sozialen Rahmenbedingungen bestimmte Formen von<br />

Kriminalität besonders häufig auftreten. Dabei lokalisierten sie einerseits Zusammenhänge<br />

zwischen höherem Bildungsstand und Eigentumskriminalität und andererseits Beziehungen von<br />

Gewaltdelikten und geringerem Bildungsniveau. Auch der belgische Astronom und Statistiker<br />

Adolphe Quetelet untersuchte und visualisierte zu dieser Zeit die Beziehungen zwischen<br />

Kriminalität und den soziodemographischen Eigenheiten bestimmter Räume (Boba Santos 2011;<br />

S.7-12). Die Bedeutung, die Kriminalitätskartierungen beigemessen werden kann, wird bereits<br />

durch diese ersten bekannten Anwendungen deutlich. Karten, die die räumliche Ausprägung von<br />

Kriminalität darstellen, müssen nicht nur bloßen Darstellungszwecken für bestimmte Zielgruppen,<br />

wie Politik oder Bevölkerung dienen, sondern sie können ein wichtiges Mittel für die Analyse<br />

krimineller Handlungen darstellen.<br />

Die nächsten einflussreichen kartografischen Kriminalitätsbetrachtungen wurden erst gut ein<br />

Jahrhundert später von Robert E. Park und seiner Forschungsgruppe an der <strong>Universität</strong> von Chicago<br />

durchgeführt. Die sogenannte Chicagoer Schule untersuchte die Wechselbeziehungen zwischen<br />

Bevölkerung und ihrer sozialen Umwelt und deklarierte diesen Ansatz als „Sozialökologie“.<br />

Diesbezüglich wurde natürlich auch untersucht, inwiefern Zusammenhänge zwischen städtischen<br />

Strukturen und dem Kriminalitätsverhalten der Bevölkerung bestehen. Zu diesem Zweck wurden<br />

Kriminalitätsstatistiken herangezogen und anschließend mit sozidemografischen Informationen<br />

verknüpft. Die erarbeiten Ergebnisse wurden in kartografischer Form visualisiert und können<br />

ebenso wie die zuvor angesprochenen Karten von Guerry, Balbi und Quetelet als Ergebnisse<br />

eingehender Analysen von Kriminalität und möglicher Einflussfaktoren betrachtet werden (Vogt<br />

2001, S. 11-12).<br />

Als Ausgangspunkt dieser stadtsozilogischen und damit auch stadtplanerischen Untersuchungen<br />

der University of Chicago dienten jedoch Entwicklungen, die bereits seit der Jahrhundertwende in<br />

der Polizeiarbeit Einzug hielten. Mit dem Ziel der verbesserten Verbrechensbekämpfung<br />

implementierte die amerikanische Polizei verschiedene neue Techniken in die Praxis, wozu neben<br />

dem polizeilichen Funkverkehr und Fingerabdruckentnahme an Tatorten, auch die Anfertigung von<br />

„Pin- Maps“ (Stecknadelkarten) der Verbrechensstandorte zählte (Boba Santos 2011; S.7-15).<br />

Damit wurde ein neuer Nutzen von Kriminalitätskarten erkannt, der entscheidenden Einfluss auf<br />

die weiteren Entwicklungen hatte. Karten, die Orte krimineller Handlungen abbilden, werden<br />

19


20 Grundlagen<br />

seitdem in polizeiinternen Prozessen zu verschiedensten Zwecken eingesetzt, was die folgenden<br />

Ausführungen ebenfalls deutlich illustrieren sollten. Das durch die Polizei erzeugte Kartenmaterial<br />

erlaubte es anderen Wissenschaftlern und Organisationen, hierauf aufbauende, tiefergehende<br />

Analysen durchzuführen, wie auch im angesprochenen Beispiel der Untersuchungen der University<br />

of Chicago. Die so entstehenden Wechselwirkungen zwischen polizeilichen Methoden und<br />

wissenschaftlichen Analysen haben die Kriminalitätskartografie in den letzten Jahrzehnten stark<br />

geprägt.<br />

Der nächste entscheidende Schritt in Richtung computerbasierter Crime Maps war am Ende der<br />

sechziger Jahre zu verzeichnen. In dieser Zeit wurden die ersten Kriminalitätskarten mithilfe von<br />

Computern erstellt. Diese damals unter sehr großem Aufwand erstellten Karten boten jedoch ein<br />

sehr geringes Detailniveau (Paynich 2010; S.12). So handelte es sich häufig lediglich um<br />

Darstellungen von Tatorten, die beispielsweise auf überdimensionalen Karten durch kleine<br />

Lämpchen angezeigt wurden (automatisierte Stecknadelkarten), und nicht um Ergebnisse<br />

analytischer Betrachtungen des Kriminalitätsverhaltens. Aufgrund dieses Sachverhaltes waren jene<br />

ersten Ansätze für den polizeilichen Alltag zwar kaum nutzbar, ihre Rolle als notwendige<br />

Entwicklungsstufe der computergestützten Kriminalitätskartierung und –analyse ist aber dennoch<br />

von unschätzbarem Wert.<br />

Auf Grundlage der immer stärker auch auf räumliche Aspekte ausgelegten Erfassung von Delikten<br />

fand in den achtziger Jahren in der Polizeiarbeit eine Art Paradigmenwechsel der<br />

Kriminalitätsanalyse statt. Der Fokus verlagerte sich von den bereits beschriebenen Verknüpfungen<br />

soziodemografischer Charakteristika und der Kriminalität von Räumen hin zur Analyse der<br />

konkreten „Tat“ samt aller äußeren Bedingungen (Boba Santos 2011; S.12-13). Fragen bezüglich<br />

des Kriminalitätsniveaus bestimmter Bevölkerungsgruppen rückten also eher in den Hintergrund<br />

und die Konzentration verlagerte sich auf Fragen, wie zum Beispiel wo und wann bestimmte<br />

Delikttypen begangen wurden. Dieser Ansatz ermöglichte es der Polizei, besser gegen Kriminalität<br />

vorzugehen und präventive Maßnahmen zu ergreifen, da Informationen über Tatzeiten, Tatabläufe<br />

und Tatorte bzw. potenzielle Tatorte für polizeiliche Ermittlungsverfahren einen höheren Wert<br />

besitzen. Dementsprechend wurde die Kriminalitätskartierung ein zentraler Bestandteil der<br />

polizeiinternen Kriminalitätsanalyse.<br />

Die Rolle des Crime- Mapping im Rahmen polizeiinterner Methoden vergrößerte sich aufgrund der<br />

Entwicklungen der Computertechnologien in den neunziger Jahren erheblich. Die gesteigerten<br />

Rechenleistungen ermöglichten zunehmend umfangreichere statistische Auswertungen und<br />

komplexere Darstellungen. Außerdem sank der Preis von Personal Computern in solchem Maß,<br />

dass sich auch kleinste Polizeistationen die Anschaffung eines Gerätes leisten konnten. Mit diesen<br />

Veränderungen ging auch eine starke Weiterentwicklung von Computersoftware einher, was auch<br />

Software für polizeiliche Kriminalitätsanalyse sowie –darstellung einschloss. Dadurch hielt die<br />

Kriminalitätskartierung Einzug in nahezu alle Bereiche der Polizeiarbeit und spielte vor allem im<br />

Rahmen der Kriminalitätsanalyse eine immer größere Rolle. Außerdem erlaubte die Entwicklung<br />

des universal nutzbaren Internets den Echtzeitaustausch von Informationen zwischen Dienststellen<br />

und förderte auf diese Weise die raumübergreifende Kooperation bei der<br />

Kriminalitätsbekämpfung. Tiefergehende Ausführungen hinsichtlich des Nutzens von Crime-<br />

Mapping im Rahmen polizeiinterner Prozesse können auch Kapitel 3.1.1. entnommen werden.


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Dennoch unterscheiden sich die in dieser Arbeit untersuchten, im Internet frei zugänglichen<br />

Kriminalitätskarten vor allem im Hinblick auf ihre Ziel- bzw. Nutzergruppe von dem bisher<br />

besprochenen Kartenmaterial. Bei den frühen Crime- Maps handelte es sich zum einen um<br />

theoretische Abhandlungen mit einem relativ kleinen wissenschaftlichen Adressatenkreis und zum<br />

anderen um polizeiinternes Kartenmaterial. Zwar wurde letztgenanntes gegebenenfalls auch<br />

außenstehenden Entscheidungsträgern zur Verfügung gestellt, insofern ihre Rolle eine enge<br />

Zusammenarbeit mit dem Polizeiapparat erforderte und sie ein gewisses themenbezogenes<br />

Vorwissen besaßen, dennoch kann diese Verfügbarmachung nicht mit den öffentlichen Online-<br />

Systemen verglichen werden, die heutzutage der gesamten Bevölkerung den Zugriff auf<br />

umfangreiche Kriminalitätsstatistiken sowie –karten ermöglichen.<br />

Als entscheidender Zwischenschritt hin zu interaktiven Crime- Maps kann die Polizeistrategie des in<br />

den Vereinigten Staaten entwickelten Community Policing betrachtet werden. Diese<br />

Vorgehensweise sieht eine stärkere Zusammenarbeit der Polizei mit der lokalen Bevölkerung vor.<br />

Erreicht werden soll dies vornehmlich durch eine Dezentralisierung der polizeilichen<br />

Organisationsstrukturen. Polizeieinheiten die für kleinere städtische Teilbereiche zuständig sind,<br />

könnten so besser auf die Probleme der Bevölkerung vor Ort eingehen und gemeinschaftliche<br />

Lösungsstrategien entwickeln. Dabei ist es notwendig einen steten Informationsaustausch<br />

zwischen Anwohnern und lokaler Polizei zu etablieren. Um diese Interaktion von Bevölkerung und<br />

Polizei jedoch nicht lediglich auf Bürgertreffen zu beschränken, wurden von Seiten der Polizei<br />

verschiedene <strong>Plattformen</strong> entwickelt, welche die lokalen Akteure über die erfassten kriminellen<br />

Handlungen mit Hilfe von Statistiken und Karten informieren sollten. Damit können sich die<br />

Beteiligten in Versammlungen auf die Entwicklung gemeinschaftlicher Lösungsansätze<br />

konzentrieren, da die nötigen Basisinformationen zu kriminellen Handlungen bereits im Vorfeld<br />

kommuniziert worden sind (Vogt 2001; S.17-19). Wurden die Informationen in der Anfangsphase<br />

des Community Policings noch per Datenträger an die beteiligten Akteure weitergeleitet, so führte<br />

die Entwicklung des Internets zum Aufbau von Online- <strong>Plattformen</strong> über die berechtigte Personen<br />

entweder vorgefertigte Informationen abrufen oder gar eigene Analysen auf Grundlage von<br />

erfassten Taten erstellen konnten. Eines der ersten Systeme dieser Art trug den Namen ICAM<br />

(Information Collection for Automated Mapping) und wurde von der Polizei von Chicago bereits im<br />

Jahre 1993 eingeführt (ebenda; S.17-26).<br />

Der hier eingeschlagene Weg wird durch die anschließend diskutierten interaktiven Crime-<br />

Mapping- Systeme noch einen Schritt weiter begangen. So machen in den Vereinigten Staaten<br />

(crimemapping.com oder raidsonline.com) und auch in England (police.uk) eine Vielzahl von<br />

<strong>Plattformen</strong> Deliktinformationen für jeden Interessierten frei zugänglich. Die Polizei erhofft sich auf<br />

Grundlage dieser Veröffentlichungsstrategie allerdings nicht nur eine verbesserte Information der<br />

Kooperationspartner. Idealerweise soll die Bevölkerung hierdurch befähigt werden, selbstständig<br />

kriminellen Handlungen vorzubeugen, indem sie entweder eigenständig Lösungsstrategien<br />

entwickelt, wie zum Beispiel durch die Schaffung von Nachbarschaftswachen, oder potenzielle<br />

Risikosituationen vermeidet (Boba Santos 2009; S.40-41).<br />

Die Polizei verfolgt durch die uneingeschränkte Veröffentlichung eine Vielzahl weiterer Interessen,<br />

was auch den Ausführungen des Kapitels 3.1. entnommen werden kann, welches den potenziellen<br />

Nutzen bzw. sich ergebende Chancen von interaktiven Crime- Maps beleuchtet. Allerdings können<br />

die Entwicklungen nicht gänzlich positiv bewertet werden. Die plötzliche freie Verfügbarkeit von<br />

21


22 Grundlagen<br />

Informationen dieser Art birgt aus raumplanerischer Sicht eine Vielzahl von Risiken für Städte und<br />

ihre Bewohner, welche in Kapitel 3.2. detailliert untersucht werden.<br />

Auch ein Blick auf die derzeitige Nutzung von Kriminalitätskarten in Deutschland belegt, dass<br />

hinsichtlich der uneingeschränkten Informationsweitergabe bezüglich krimineller Handlungen<br />

zahlreiche Einwände bzw. Risikofaktoren bestehen. Der Politikwissenschaftler Eric Töpfer stellt<br />

diesbezüglich in verschiedenen Abhandlungen zum Themenkomplex von Karten in der Polizeiarbeit<br />

dar, wie groß in Deutschland die „Sorgen um die Stigmatisierung von bestimmten Quartieren“<br />

sind, wenn es um die kartografische Darstellung von Kriminalität geht. In diesem Zusammenhang<br />

bezieht er sich noch nicht einmal auf im Internet abrufbare Karten, sondern auf Darstellungen in<br />

sogenannten Kriminalitätsatlanten (z.B. Kriminalitätsatlas der Stadt Heidelberg). So habe bereits<br />

eine Veröffentlichung eines DIN A3 Blattes durch den Berliner Innensenator im Jahr 2004 für<br />

„erheblichen Ärger gesorgt“, da hier die neun Problemkieze der Stadt Berlin verzeichnet worden<br />

waren (Töpfer 2008, S.66-67). Nichtsdestotrotz weist auch Töpfer darauf hin, dass vor allem<br />

hinsichtlich des polizeiinternen Nutzens Kriminalitätskarten auch von der deutschen Polizei in<br />

umfangreichem Maß genutzt werden. So wurden seit der Jahrtausendwende zahlreiche<br />

Informations- und Kommunikationssysteme wie beispielsweise GLADIS (Bayern) oder GISPOL<br />

(Hamburg) in den Ländern eingeführt (ebenda; S.68-72). Demnach wird Kriminalitätskarten in<br />

Deutschland nicht allgemein jeglicher Nutzen aberkannt, sondern es ist lediglich unklar, inwiefern<br />

eine Weitergabe von Daten an die Bevölkerung sinnvoll bzw. risikobehaftet ist. Die vorliegende<br />

Arbeit versucht an genau dieser Schnittstelle anzusetzen, indem sie sowohl potenzielle<br />

Nutzungsmöglichkeiten und Chancen, als auch etwaige Probleme bzw. Risiken, die damit<br />

einhergehen können, aufzeigt.<br />

Im Anschluss an die folgende Abbildung 6, die einen Überblick über die Kernaussagen des Kapitels<br />

gibt, erfolgt eine Einführung in die verschiedenen Formen vorhandener interaktiver Crime-<br />

Mapping- Systeme. Dieser Einblick in die Systemvielfalt bildet die Grundlage für die darauf folgende<br />

Betrachtung der mit den Systemen verbundenen Hoffnungen sowie Bedenken.


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Abbildung 6: Kernelemente Kapitel 2.1.4. – Historische Entwicklung von Kriminalitätskartierungen<br />

(1) Crime- Mapping bedeutet übersetzt Kriminalitätskartierung/ -kartographie<br />

und beinhaltet in semantischer Hinsicht die grafische Darstellung von<br />

Kriminalität in Form von Karten<br />

(2) Historische Entwicklung von Crime- Mapping<br />

a. 1829 – Erste Kriminalitätskarten zur Analyse von Zusammenhängen<br />

zwischen soziodemografischen Charakteristika und kriminellem<br />

Verhalten durch Guerry, Balbi und Quetelet.<br />

b. Beginn 1900 Jahrhundert – Polizeiinterne Tatorterfassung in Form von<br />

Stecknadelkarten<br />

c. 1920/30 Jahre – Kriminalitätskarten der Chicago School<br />

d. 1960er Jahre – Erste Ansätze computergestützter<br />

Kriminalitätskartierung<br />

e. 1980er Jahre – Paradigmenwechsel: Tat und Tatort rücken in den<br />

Mittelpunkt polizeilicher Analyse<br />

f. 1990er Jahre – Computertechnologie ermöglicht Verbreitung und<br />

umfassende Anwendung <strong>digitaler</strong> Kriminalitätsanalyse und –kartierung<br />

g. Auf Grundlage dieser Entwicklung und des Ansatzes des Community<br />

Policing entstehen im Internet frei verfügbare Systeme der<br />

Kriminalitätskartierung<br />

(3) Auch die deutsche Polizei nutzt die umfangreichen Möglichkeiten des Crime-<br />

Mapping, wobei die Veröffentlichung ausführlicher Kriminalitätskarten in<br />

Deutschland kritisch gesehen wird.<br />

(4) Eine weitläufige uneingeschränkte Veröffentlichung von Informationen<br />

bezüglich Kriminalität via Kriminalitätskarten bietet Chancen und birgt<br />

Risiken!<br />

23


24 Grundlagen<br />

2.2. Technische Grundlagen | Interaktive Crime- Mapping <strong>Plattformen</strong><br />

Das folgende Kapitel soll einen ersten Überblick über die existierenden Crime- Mapping- Systeme<br />

vermitteln. Dazu werden Datenbasis, Funktionalität und Aussehen der <strong>Plattformen</strong> in ihren<br />

Grundzügen dargestellt. Da mehr als einhundert verschiedene Systeme im Internet verfügbar sind,<br />

kann zwar nur eine grundsätzliche Einführung erfolgen, dennoch ist es von entscheidender<br />

Bedeutung, ein gewisses Grundwissen bezüglich der interaktiven Crime- Mapping- Systeme<br />

aufzubauen. Denn nur mit diesen Kenntnissen können die im anschließenden Kapitel. diskutierten<br />

Hoffnungen und Bedenken, die mit den <strong>Plattformen</strong> einhergehen, sachgerecht abgeschätzt und<br />

bewertet werden (vgl. Kapitel 3).<br />

Ein Überblick über die in dieser Abhandlung berücksichtigten Systeme kann der im Anhang<br />

einsehbaren Übersichtstabelle (vgl. Anlage A 2) entnommen werden.<br />

2.2.1. Datengrundlagen<br />

Wie bereits dargelegt, wird zunächst eine Einführung bezüglich der von den <strong>Plattformen</strong> genutzten<br />

Datengrundlagen vorgelegt, da es für das Verständnis der digitalen Kriminalitätskartierungen<br />

unabdingbar ist, zu wissen, welche Typen von Daten eigentlich visualisiert werden und welche<br />

Folgen mit der Wahl des jeweiligen Datentyps einhergehen.<br />

Grundsätzlich können dabei von der Polizei ermittelte Daten und nutzergenerierte Inhalte (engl.:<br />

user-generated content) unterschieden werden. Allerdings müssen darüber hinaus eine Vielzahl<br />

weiterer Ausdifferenzierungen, vor allem hinsichtlich der polizeilichen Datenbasis, vorgenommen<br />

werden. Die folgende Abbildung 7 soll diesbezüglich einen ersten Überblick vermitteln und kann<br />

damit als bildlicher Einstieg der anschließenden textlichen Ausführung verstanden werden.<br />

Abbildung 7: Verschiedene Formen von Datengrundlagen der Crime- Mapping- Systeme<br />

Von der Polizei<br />

betriebene Systeme<br />

Polizeiliche Daten<br />

(1) Abgeschlossene Fälle<br />

(2) Polizeilich aufgenommene oder<br />

angezeigte Fälle<br />

(3) Eingegangene Not- bzw.<br />

Beschwerdeanrufe<br />

Systeme die im<br />

Auftrag der Polizei<br />

betrieben werden<br />

Eigenständige externe<br />

Systeme, die auf<br />

Polizeidaten zugreifen<br />

Nutzergenerierte Daten<br />

Alle Daten, die gemäß der<br />

Plattform durch die Nutzer<br />

gesammelt werden sollen.<br />

Unabhängige Systeme<br />

die eigene Inhalte<br />

generieren<br />

Quelle: eigene Darstellung<br />

Beginnt man die Betrachtung mit dem ersten Themenkomplex der polizeilichen Daten, so kann<br />

zunächst festgehalten werden, dass die Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> nicht einen einzelnen Typ


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

von Polizeidaten darstellen, sondern auf verschiedene zurückgreifen. Die drei angesprochenen<br />

Datentypen sollten dabei vor dem Hintergrund der bereits in Kapitel 2.1.3. untersuchten<br />

Problematiken hinsichtlich der polizeilichen Erfassung von Kriminalität betrachtet werden. In<br />

diesem Zusammenhang würde Datentyp (1), der lediglich bereits abgeschlossene Fälle visualisiert,<br />

fehlerhafte Verdachtsfälle nicht visualisieren und polizeiliche Überbewertungstendenzen würden<br />

eine wesentlich geringere Rolle spielen. Ein Nachteil dieser Art von Daten ist darin zu sehen, dass<br />

eine Visualisierung der Taten nur stark zeitversetzt zur eigentlichen Tatbegehung möglich wäre,<br />

was Nutzern nicht wirklich dabei helfen würde, sich gegen aktuelle Problemsituationen zu schützen<br />

bzw. Präventionsmaßnahmen zu ergreifen. In diesem Zusammenhang wären dementgegen nämlich<br />

genau solche Delikte von Interesse, die noch nicht aufgeklärt sind, da in diesem Fall der Täter unter<br />

Umständen noch im selben Raum aktiv ist und Präventionsmaßnahmen besonders angebracht<br />

wären. Das sind wohl auch die Gründe dafür, dass sich bis zum jetzigen Zeitpunkt keine Plattform<br />

mit ihren Darstellungen auf diesen Datentyp stützt. Nichtsdestotrotz wird er von verschiedenen<br />

Untersuchungen, wie beispielsweise in der Abhandlung der Kriminalitätsforscherin Rachel Boba<br />

Santos „Crime analysis with crime mapping“ als mögliche Basis für Kriminalitätskartierungen<br />

betrachtet (vgl. Boba Santos 2009, S.69- 75). Auch hinsichtlich einer möglichen Einführung von<br />

Crime- Mapping- Systemen in Deutschland könnte diese Form von Kriminalitätsdaten stärker ins<br />

Blickfeld geraten, da die Polizei aus ermittlungstechnischen Gründen grundsätzlich keine<br />

Informationen zu laufenden Ermittlungen an die Öffentlichkeit weitergibt (Exner & Wendt<br />

24.08.2012).<br />

Generell werden von den meisten <strong>Plattformen</strong> die beiden letztgenannten Datentypen (2) und (3)<br />

zur Kriminalitätskartierung herangezogen. Für die polizeilich aufgenommenen bzw. angezeigten<br />

Fälle treffen die in Kapitel 2.1.3. angesprochenen Sachverhalte zur Erfassung von Kriminalität in<br />

voller Gänze zu, da es sich dabei um genau die Art von Kriminalitätsdaten handelt, die auch in der<br />

amtlichen, polizeilichen Kriminalstatistik erfasst werden. Als ein Beispiel eines Systems das mit<br />

diesem Datentyp arbeitet, kann die Plattform raidsonline.com genannt werden (vgl. Abbildung 8).<br />

Abbildung 8: Beispiel einer Plattform die polizeilich gemeldete Delikte visualisiert (Plattform: raidsonline.com)<br />

25


26 Grundlagen<br />

Zwar werden auch in Deutschland bei Notrufzentralen eingegangene Anrufe statistisch erfasst,<br />

aber sie fließen in der Regel nicht in die amtlichen Kriminalitätsdatensätze ein. Viele US-<br />

Amerikanische Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong>, wie beispielsweise crimemapping.com oder<br />

crimereports.com nutzen diese Daten allerdings als Grundlage für ihre Kriminalitätskartierungen<br />

(vgl. Abbildung 9).<br />

Abbildung 9: Datengrundlage "Calls for Service" der Plattform crimemapping.com<br />

Die sogenannten „Calls for Service“ verschärfen allerdings den bereits angesprochenen<br />

Problembereich der zu Unrecht als Tat erfassten Verdachtsfälle. Denn wenn, wie in Kapitel 2.1.3.<br />

dargelegt, sogar die Polizei nicht einwandfrei abschätzen kann, ob es sich bei bestimmten<br />

Handlungen um eine kriminelle Tat handelt oder nicht, wie soll dies durch den Bürger sichergestellt<br />

werden, der den betreffenden Vorfall der Polizei telefonisch meldet. Fehleinschätzungen bezüglich<br />

solcher Situationen fließen dann fälschlicherweise als krimineller Vorfall in die Karten ein!<br />

Außerdem liegt die Hemmschwelle, die Polizei bezüglich bestimmter Vorfälle anzurufen, wesentlich<br />

niedriger, als wenn tatsächlich eine Anzeige aufgegeben werden muss. Dementsprechend sind die<br />

Karten auch viel stärker von den Lebensgewohnheiten und Ansichten der Bewohner abhängig. In<br />

manchen städtischen Räumen wird die Polizei beispielsweise schneller gerufen als in anderen,<br />

wenn auf der Straße laute Musik gespielt wird. In diesem Fall führt die Zugrundelegung der<br />

Anrufdaten dazu, dass das Delikt direkt beispielsweise als „Erregung öffentlichen Ärgernisses“<br />

registriert würde, auch wenn die Polizei bei Eintreffen feststellt, dass es sich um einen Fall handelt,<br />

der nicht polizeilich aufgenommen werden muss. Auf diesem Weg finden demnach einfache<br />

Ordnungswidrigkeiten und vor allem auch Störungen oder Beeinträchtigungen persönlicher<br />

Normen einen Platz in den Kriminalitätskartierungen der <strong>Plattformen</strong>. Der betreffende Raum wird<br />

bei Häufung solcher Fälle, auf der Karte krimineller erscheinen, als er entsprechend der<br />

strafrechtlichen Auslegungen eigentlich ist.<br />

Rein theoretisch wäre es natürlich auch möglich, dass die <strong>Plattformen</strong> mehrere der<br />

angesprochenen Datengrundlagen nutzen. Wenn man beispielsweise zwischen polizeilich<br />

aufgenommenen und telefonisch eingegangenen Daten hin- und herschalten könnte, wären<br />

Analysen hinsichtlich des Verhältnisses zwischen den beiden Datensätzen möglich. Man könnte


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

also feststellen, mit welcher Häufigkeit von Bürgern gemeldete Delikte auch tatsächlich polizeilich<br />

aufgenommen und weiterverfolgt werden. Die britische Plattform police.uk ist derweil die einzige,<br />

die verschiedene Datengrundlagen kombiniert heranzieht, indem sie polizeilich gemeldete Delikte<br />

um die Ergebnisse der polizeilichen Verfahren ergänzt. Wie die folgende Abbildung (vgl. Abbildung<br />

10) verdeutlicht, können hierdurch nicht nur aufgeklärte, sondern auch zu Unrecht angezeigte<br />

Delikte gesondert angezeigt werden, was die Aussagekraft der Kriminalitätskarten dieses Systems<br />

deutlich verbessert.<br />

Abbildung 10: Visualisierung zu Unrecht Beschuldigter (Plattform: police.uk)<br />

Richtet man die Aufmerksamkeit nun auf die den Polizeidaten gegenüberstehenden<br />

nutzergenerierten Daten, muss festgestellt werden, dass die Hemmschwelle, Meldungen bezüglich<br />

bestimmter Handlungen abzugeben, noch geringer ausfällt. Vielmehr steht den Nutzern hier die<br />

Möglichkeit offen, alle die persönliche Wahrnehmung störenden Handlungen und Sachverhalte im<br />

Internet kundzutun, ob nun tatsächlich kriminell oder nicht. Eine diesbezügliche Überprüfung<br />

erfolgt in aller Regel nicht, sondern die Nutzermeldungen werden direkt visualisiert. Somit bilden<br />

<strong>Plattformen</strong>, die diesen Datentyp als Grundlage ihrer Kartierungen nutzen, eigentlich nicht<br />

Kriminalität ab, sondern sie sind als Spiegelbild des Rechts- bzw. Unrechtsempfindens der<br />

jeweiligen Anwohnerschaft zu verstehen.<br />

Diese Problemlage erklärt auch, warum sich polizeiliche <strong>Plattformen</strong> bis jetzt nicht mit dieser Art<br />

von Datengrundlagen beschäftigen. Auch wenn verschiedene <strong>Plattformen</strong>, die auf polizeiliche<br />

Datensätze zurückgreifen, Nutzern die Möglichkeit geben, Meldungen an das System zu<br />

übermitteln (vgl. Abbildung 11), werden diese nie direkt kartographiert, sondern sie werden an die<br />

betreffenden Polizeidienststellen übermittelt, die dann wiederum überprüfen, ob tatsächlich<br />

kriminelle Handlungen vorliegen oder nicht. Demnach kann diese Funktion eher als online<br />

getätigter „Notruf“ verstanden werden.<br />

27


28 Grundlagen<br />

Abbildung 11: Deliktmeldung auf einer Plattform die Polizeidaten nutzt (Plattform: crimereports.com)<br />

Aus diesen Ausführungen geht bereits deutlich hervor, dass der Frage nach den Betreibern der<br />

betreffenden <strong>Plattformen</strong> zentrale Bedeutung zukommt. Denn diese bestimmen einerseits welcher<br />

Datentyp als Grundlage herangezogen werden soll und andererseits auch welche Informationen,<br />

Funktionalitäten und Visualisierungsmethoden auf den <strong>Plattformen</strong> offeriert werden. Dabei treffen<br />

die Plattformbetreiber ihre Auswahl entsprechend der verfolgten Zielsetzungen, die sie mit der<br />

Veröffentlichung der Daten zu erreichen gedenken. Allerdings sind diese Zielsetzungen bei<br />

<strong>Plattformen</strong>, die nicht in Kooperation mit der Polizei betrieben werden, nicht immer mit absoluter<br />

Sicherheit bestimmbar.<br />

Wie auch der einführenden Abbildung entnommen werden kann (vgl. Abbildung 7), lassen sich die<br />

folgenden vier Betreiberformen unterscheiden:<br />

(1) Polizeisysteme (z.B. Austin Police Crime Viewer, Baltimore Crime Map und police.uk)<br />

(2) Systeme die von Dienstleistern im Auftrag der Polizei betrieben werden<br />

(z.B.crimemapping.com oder crimereports.com)<br />

(3) Von der Polizei Unabhängige Systembetreiber, die dennoch auf die polizeiliche<br />

Datengrundlage zurückgreifen (z.B. LA Times Crime Map oder WKTV)<br />

(4) Unabhängige <strong>Plattformen</strong> die eigene Inhalte generieren (z.B. citysourced.com)<br />

Systeme die von polizeilichen Dienststellen (1) bzw. in ihrem Auftrag betrieben werden, gleichen<br />

sich dabei hinsichtlich ihrer Zielsetzung sowie der dargestellten Delikttypen. Der Grund hierfür ist<br />

natürlich darin zu sehen, dass in beiden Fällen die Initiative zur Veröffentlichung der Daten von den<br />

Polizeidienststellen selbst ausgeht. Diese hegen die Hoffnung, dass durch die digitalen sowie<br />

interaktiven Bekanntmachungen der Daten im Internet, die Bindung zwischen Bevölkerung und<br />

lokalen Polizeieinheiten verstärkt, die Transparenz gegenüber polizeilicher Maßnahmen erhöht, ein<br />

Bewusstsein für die kriminelle Entwicklung geschaffen und vor allem auch Hilfe zur Selbsthilfe<br />

initiiert wird. Nähere Schilderungen zu diesen umfangreichen von der Polizei erhofften Wirkungen<br />

interaktiver Crime- Mapping- Systeme können auch Kapitel 3.1.1. entnommen werden.<br />

Diese Zielsetzungen haben maßgebenden Einfluss auf die Wahl der Daten und Delikttypen die in<br />

den Systemen dargestellt werden sollen. So sind in Anbetracht der Unterstützung der Bevölkerung<br />

hinsichtlich der Ergreifung von Selbstschutzmaßnahmen natürlich solche Informationen von<br />

Interesse, die Räume aufzeigen, wo für die Nutzer eine gewisse Gefahr besteht, Opfer eines<br />

Deliktes zu werden. Delikttypen wie Wirtschaftskriminalität, Internetkriminalität oder häusliche


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Gewalt spielen demnach keine Rolle und werden nicht auf den <strong>Plattformen</strong> visualisiert, da sie<br />

entweder nicht räumlich zugeordnet werden können oder für die Allgemeinheit keine direkte<br />

Gefahr darstellen. Es verbleibt jedoch eine recht umfangreiche Gruppe an Delikttypen, die von den<br />

<strong>Plattformen</strong> dargestellt werden, wobei die folgende Gruppe von allen abgebildet wird:<br />

Arson – Brandlegung bzw. –stiftung.<br />

Assault – Körperverletzungen, tätliche Übergriffe und auch Beleidigungen. Leider kann auf<br />

den <strong>Plattformen</strong> kaum unterschieden werden, um welche Form es sich im konkreten Fall<br />

tatsächlich handelt!<br />

Burglary (Residential or Commercial)- Einbruchdiebstähle, die sehr häufig in private und<br />

gewerbliche Einbrüche unterschieden werden.<br />

Disturbing the Peace/ public disorder – Öffentliche Ruhestörungen, wie beispielsweise<br />

Urinieren in der Öffentlichkeit oder zu laute Musik.<br />

Drugs – Drogenvergehen, wie Handel mit Drogen oder Drogenbesitz.<br />

Fraud – Betrug, wobei es hier um Fälle geht, die für die Nutzer der <strong>Plattformen</strong> von<br />

Bedeutung sein könnten (z.B. In einem Geschäft werden Kreditkarteninformationen kopiert<br />

oder gefälschte Waren verkauft).<br />

Homocide – Mord, wobei nur in seltenen Fällen eine Unterscheidung in Mordversuche und<br />

verübte Morde erfolgt.<br />

Motor Vehicle Theft – Diebstahl von motorisierten Fahrzeugen wie Autos oder<br />

Motorrädern.<br />

Robbery (Commercial or Individual) – Raub, wobei von vielen <strong>Plattformen</strong> in Überfälle auf<br />

Menschen und auf Ladengeschäfte unterschieden wird.<br />

Sex Crimes – Sexuelle Übergriffe wie Vergewaltigungen und sexuelle Nötigungen.<br />

Theft – Diebstahl, hier finden zumeist noch diverse Differenzierungen wie z.B. in<br />

Ladendiebstahl und andere Diebstähle statt.<br />

Vandalism – Vandalismus im Sinne der mutwilligen Zerstörung fremden Eigentums<br />

(hierunter fallen auch Graffitis)<br />

Vehicle Break in and Theft out of Vehicle – Diebstähle aus Autos heraus (z.B. von<br />

Briefbörsen oder auch Autoradios)<br />

Weapons Violations – Hierunter fallen alle Waffenbezogenen Delikte bei denen nicht<br />

geschossen wurde, also beispielsweise Waffenhandel oder unerlaubter Waffenbesitz.<br />

Es muss angemerkt werden, dass es sich hierbei nicht um eine abschließende Liste handelt.<br />

Einzelne <strong>Plattformen</strong> bieten Daten zu weiteren Delikttypen an und viele andere differenzieren<br />

einzelne Deliktgruppen weiter aus. Dennoch kann diese Liste als Grundgerüst aller auf polizeilichen<br />

Daten beruhenden Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> angesehen werden. Da es den Nutzern durch<br />

Weitergabe dieser Daten ermöglicht werden soll, gewissen kriminellen Entwicklungen selbstständig<br />

entgegenzuwirken, müssen sie auch eine gewisse Aktualität besitzen, weswegen normalerweise<br />

nicht auf Daten aus bereits abgeschlossenen Fällen zurückgegriffen wird, sondern Informationen zu<br />

polizeilich aufgenommen Fällen oder „Calls for Service“ visualisiert werden.<br />

Da in den letzten Jahren eine Vielzahl von Dienstleistungsunternehmen (2) in den Markt der<br />

digitalen Geovisualisierung eingestiegen sind (Beispiel im Bereich Kriminalitätskartierung: The<br />

Omega Group), zeigt sich zunehmend ein Trend der Ausgliederung der Kriminalitätskartierungen<br />

29


30 Grundlagen<br />

aus dem Leistungsbereich der Polizei. Für kleinere Beträge von unter 500,- US- Dollar monatlich 3 ,<br />

können Dienststellen die Basisdaten an diese Dienstleistungsunternehmen abgeben, deren<br />

Aufgabe dann die eigenständige Visualisierung der Daten ist. So wurden in den vergangenen Jahren<br />

zahlreiche eigenständige <strong>Plattformen</strong> einzelner Dienststellen geschlossen. Ein Beispiel hierfür ist<br />

Stadt San Diego, die ihr eigenes System zugunsten der Plattform crimereports.com des Betreibers<br />

PublicEngines Inc. einstellte.<br />

Diese beiden Betreiberformen sollten aber keinesfalls miteinander gleichgesetzt werden, da die<br />

Polizei im Falle der Abgabe der Daten an externe Dienstleister keinen direkten Einfluss auf Wahl<br />

und Darstellungsform der Delikttypen hat. Vielmehr akzeptieren sie durch Vertragsabschluss und<br />

Datenweitergabe die von den Dienstleistern gewählten Darstellungsformen. Dadurch stellt sich<br />

unter anderem die Frage, welche Auswirkungen das Zwischenschalten eines externen<br />

Dienstleisters auf das Vertrauen der Bürger in die Polizeiarbeit sowie in die <strong>Plattformen</strong> haben<br />

wird. Außerdem ist nicht klar, wer für die Überprüfung der Richtigkeit der durch die <strong>Plattformen</strong><br />

dargebotenen Kriminalitätskartierungen zuständig ist und wer im Falle fehlerhafter Darstellungen<br />

zur Rechenschaft gezogen wird. Denn einerseits wird die Polizei zwar zum Kunden von<br />

Dienstleistern, aber andererseits hat sie die Verantwortung für einen adäquaten Umgang mit den<br />

Daten. Dementsprechend müsste die Polizei bei dieser Betreiberform eine regelmäßige oder gar<br />

dauerhafte Überprüfung der veröffentlichten Daten durchführen, wenn sie ihre Ziele und<br />

Grundsätze auch auf diesem Wege verwirklicht sehen will. Auf der anderen Seite müssen die<br />

Dienstleister natürlich auch den Ansprüchen der Polizeidienststellen gerecht werden, da sich diese<br />

sonst zurückziehen oder auf andere <strong>Plattformen</strong> ausweichen würden.<br />

Bei der dritten existierenden Form handelt es sich unabhängige Betreiber (3), die eigenständig<br />

<strong>Plattformen</strong> unterhalten, allerdings auf polizeiliche Datengrundlagen zurückgreifen. Das Wort<br />

unabhängig ist hier entscheidend, da die Betreiber dieser <strong>Plattformen</strong> gegenüber der Polizei keine<br />

Verpflichtungen haben. Natürlich verbliebe der Polizei als Notfallmaßnahme die Möglichkeit die<br />

Informationsbereitstellung zu stoppen, wenn durch eine Plattform falsche und unsachgemäße<br />

Informationen an die Öffentlichkeit weitergegeben werden. Es stellt sich aber die Frage, welche Art<br />

von Institution bzw. Unternehmen ein Interesse daran hat, eine eigenständige interaktive Crime-<br />

Mapping- Plattform zu betreiben und gleichzeitig dazu geeignet erscheint mit solch sensiblen<br />

Daten umgehen zu können. Diese Frage sollte dementsprechend auch von Seiten der Polizei geklärt<br />

werden, bevor der umfassende Informationsfluss eingeleitet wird. Dass dies in der Regel auch<br />

geschieht, zeigt der Blick auf die vorhandenen Beispiele dieser Betreiberform. Es handelt sich dabei<br />

nämlich hauptsächlich um Unternehmen der Medienbranche wie zum Beispiel Zeitungen (z.B.: die<br />

LA Times Crime Map oder der Blaulichtkurier des Berliner Kuriers) oder Fernsehstationen (z.B. der<br />

amerikanische lokale Nachrichtensender WKTV), die grundsätzlich sowieso Polizeimeldungen<br />

erhalten und diese auch schon zuvor in Form von Meldungen und Artikeln veröffentlicht haben. Im<br />

konkreten Fall des Berliner Blaulichtkuriers handelt es sich sogar lediglich um die Veröffentlichung<br />

der öffentlichen Polizeimeldungen und nicht um alle polizeilich erfassten Delikte.<br />

Es bleibt offen, welche Interessen diese Betreiber mit ihren <strong>Plattformen</strong> verfolgen. So wird auch im<br />

periodischen Sicherheitsbericht der Bundesregierung aufgezeigt, dass durch Medien ein<br />

fehlerhaftes Bild von Kriminalität vermittelt wird, dass sich durch eine deutliche Überzeichnung<br />

3 Beispiel: die Plattform crimemapping.com erhebt eine Gebühr zwischen 100,- und 200,- Dollar je nach Größe der Dienststelle, vgl.<br />

unter: http://www.crimemapping.com/help/faq.aspx#cost


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

schwerer Delikte kennzeichnet (BMJ & BMZ 2006, S.60-61). Denn in aller erster Linie sollen<br />

Zeitungen verkauft und Fernsehsendungen gesehen werden. Ob es also das Ziel der <strong>Plattformen</strong><br />

und ihrer Betreiber ist, lediglich über kriminelle Handlungen zu informieren, oder ob doch<br />

möglichst hohe Besucherzahlen angelockt werden sollen, um möglichst hohe Werbeeinnahmen zu<br />

erzielen, kann nicht abschließend geklärt werden. An dieser Stelle sei außerdem erneut auf die in<br />

Kapitel 3.2. dargelegten Bedenken hingewiesen, die sich ausführlich mit möglichen Risiken<br />

beschäftigen, die von den verschiedenen Typen von <strong>Plattformen</strong> ausgehen können.<br />

Abschließend müssen natürlich die Betreiber von <strong>Plattformen</strong> betrachtet werden die auf<br />

nutzergenerierte Daten (4) zurückgreifen. Gerade hinsichtlich der Zielsetzung sind dabei kaum<br />

pauschale Aussagen möglich, da im Prinzip jede Person eine solche Plattform erstellen könnte, um<br />

ihre eigenen Ziele zu verfolgen. Allerdings sind diese <strong>Plattformen</strong> vor allem von den Nutzern<br />

abhängig, die die Daten erzeugen. Denn auch diese verfolgen mit der Veröffentlichung bestimmter<br />

Delikte eigene Ziele. Wenn also beispielsweise ein Nutzer innerhalb seines Quartiers eine Vielzahl<br />

zerstörter Telefonzellen verzeichnet, möchte er damit auf eine gewisse Problemlage aufmerksam<br />

machen, der seiner Meinung nach höhere Aufmerksamkeit geschenkt werden müsste.<br />

Dementsprechend sind die Betreiber in diesem Fall zwar davon befreit, die Darstellungen<br />

entsprechend der Anforderungen der Polizei zu gestalten, allerdings müssen sie den Erwartungen<br />

der Nutzer und Datenproduzenten entsprechen, um auch möglichst breite Nutzergruppen für sich<br />

zu gewinnen. Passenderweise verfolgt die einzige Plattform, die auf diese Weise auch Daten zu<br />

kriminellen Handlungen sammelt – citysourced.com, das Ziel, städtisches bzw. bürgerschaftliches<br />

Engagement zu fördern. In Anbetracht dieser Zielsetzung erscheint es begreiflich, dass Nutzern die<br />

Möglichkeit gegeben werden soll, sie störende Sachverhalte öffentlich anzumahnen.<br />

Dementsprechend werden durch das System andere Delikttypen aufgezeigt, als bei auf<br />

Polizeidaten basierenden <strong>Plattformen</strong>. Zu den hier typischerweise verzeichneten Delikten gehören<br />

unter anderem Graffitis, zerstörte öffentliche Anlagen und Geräte wie Bänke, Mülleimer oder<br />

Lampen, Erregungen öffentlichen Ärgernisses oder auch illegale Müllentsorgung (vgl. Abbildung<br />

12).<br />

Abbildung 12: Delikttypen der nutzergenerierten Plattform citysourced.com<br />

31


32 Grundlagen<br />

Gewissermaßen handelt es sich also um Meldungen, die von der Bewohnerschaft zwar bemängelt<br />

werden, aber nicht als schwerwiegend genug betrachtet werden, als dass die Polizei gerufen<br />

werden müsste. Problematisch wird es demnach, sobald diese Kartierungen als Abbild städtischer<br />

Kriminalität verstanden werden. Denn es werden zwar bestimmte Formen von Delikten erfasst,<br />

diese sind jedoch auf eine ganz bestimmte Gruppe zugeschnitten (zum Problem der<br />

Fehlinterpretationen vgl. Kapitel 3.2.1.). An dieser Stelle sei die Anmerkung erlaubt, dass es zu<br />

begrüßen ist, dass schwerwiegende Delikte bis zum jetzigen Zeitpunkt ausschließlich auf<br />

Polizeiplattformen visualisiert werden, denn so ist auch sichergestellt, dass sie auch polizeilich<br />

untersucht werden.<br />

Eine Frage bleibt bezüglich dieser Datengrundlage allerdings unbeantwortet: Wer überprüft die<br />

von den Nutzern selbst erstellten Inhalte auf ihre Richtigkeit? Denn je umfangreicher die<br />

gesammelten Daten werden, desto weniger ist eine Überprüfung durch die Plattformbetreiber<br />

selbst möglich. Zwar sind auf der im Beispiel angeführten Plattform nur Einträge erlaubt, die auch<br />

via Video oder Foto festgehalten wurden, was zumindest als eine Art Beweis betrachtet werden<br />

kann. Dennoch besteht hinsichtlich dieser Fotos keinerlei Garantie für ihre Richtige Verortung. Ob<br />

auch durch die Nutzer selbst ausführliche Überprüfungen des Datenmaterials erfolgen, ist dabei<br />

zwar nicht ersichtlich, allerdings liegt zumindest eine Kommentarfunktion vor mit Hilfe derer<br />

Fehleinträge gekennzeichnet werden könnten.<br />

In Anbetracht der Vielfalt möglicher Datengrundlagen muss an dieser Stelle die klare Forderung<br />

ausgesprochen werden, dass Crime- Mapping- Systeme die zugrunde liegende Datenbasis für den<br />

Nutzer möglichst deutlich sichtbar offenlegen müssen, was in der Regel zumindest am Rande<br />

geschieht. Außerdem sollten aber vor allem, die damit verbundenen Probleme aufgezeigt werden,<br />

die bereits in diesem Kapitel in Ansätzen angesprochen wurden und nochmals ausführlich in Kapitel<br />

3.2. dargelegt werden.<br />

Abbildung 13: Kernelemente Kapitel 2.2.1. – Datengrundlagen<br />

(1) Grundlegende Unterscheidung der Datengrundlagen in:<br />

a. Von der Polizei erfasste Daten<br />

b. Nutzergenerierte Daten<br />

(2) Die polizeilichen Daten können nochmals in abgeschlossene Fälle, polizeilich<br />

aufgenommene/ angezeigte Fälle und Notrufe unterschieden werden.<br />

(3) Es existieren vier grundlegende Betreiberformen die eigene Zielsetzungen<br />

mit der Veröffentlichung der Daten verfolgen:<br />

a. Polizeieigene <strong>Plattformen</strong><br />

b. Im Auftrag der Polizei betriebene <strong>Plattformen</strong><br />

c. Unabhängige <strong>Plattformen</strong> die auf Polizeidaten zurückgreifen<br />

d. Unabhängige <strong>Plattformen</strong> die eigene Daten generieren<br />

(nutzergenerierte Datenbasis)<br />

(4) In Abhängigkeit zur verfolgten Zielsetzung werden unterschiedliche<br />

Delikttypen dargestellt, wobei bei Polizeidaten ein Datenstamm von circa 12<br />

Delikttypen feststellbar ist und nutzergenerierte Daten eine Tendenz zu<br />

minderschweren Delikten aufweisen.<br />

(5) Forderung: Datengrundlage und damit verbundene Konsequenzen müssen<br />

von den <strong>Plattformen</strong> deutlich hervorgehoben werden.


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

2.2.2. Funktionalität<br />

Da nun ausführlich dargelegt wurde, welche Daten den <strong>Plattformen</strong> zugrunde liegen, soll<br />

anschließend eine kurze Darstellung der Funktionalität der <strong>Plattformen</strong> erfolgen. Dabei wird<br />

chronologisch, entsprechend der Herangehensweise eines potenziellen Nutzers vorgegangen.<br />

Darauf folgt eine das Kapitel beschließende Darstellung der Funktionen mobiler Crime- Mapping-<br />

Anwendungen.<br />

Die Eröffnungsseiten der <strong>Plattformen</strong> sind somit der erste zu untersuchende Systembestandteil.<br />

Wie auch die folgende Abbildung (vgl. Abbildung 14) verdeutlicht, lassen sich bereits an dieser<br />

Startseite erhebliche Unterschiede zwischen den <strong>Plattformen</strong> ausmachen. So eröffnen manche<br />

Systeme direkt mit zufällig ausgewählten kleinräumigen Kartenausschnitten, andere beginnen mit<br />

Übersichtskarten noch ohne deliktspezifische Informationen und wieder andere verlangen<br />

zunächst um die Eingabe gewisser Suchkriterien, wie beispielsweise des anzuzeigenden Zielorts<br />

oder den anzuzeigenden Kriminalitätstypen.<br />

Abbildung 14: Beispiele von Startseiten verschiedener Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong><br />

33


34 Grundlagen<br />

Eine weitere Gruppe von <strong>Plattformen</strong> entspricht den Empfehlungen des U.S. Departements of<br />

Justice (Wartell & McEwen 2001; S.11) und fordert den Nutzer zunächst auf, sich mit<br />

Nutzungshinweisen zu beschäftigen (vgl. Abbildung 15). Allerdings können diese Meldungen<br />

ausnahmslos mit einem einzigen Klick akzeptiert werden, was Zweifel an der tatsächlichen Wirkung<br />

der Hinweise aufkommen lässt. Diese Problematik wird auch im „Guide for Sharing Crime Maps“<br />

des bereits angesprochenen U.S. Departments mit den Worten kommentiert, dass Nutzer lediglich<br />

„vortäuschen müssten“, die Hinweise gelesen zu haben (ebenda).<br />

Abbildung 15: Startseite mit "Disclaimer" der Plattform raidsonline.com<br />

Werden die ersten Hinweise überwunden bzw. die gewünschten Suchkriterien eingestellt, wird<br />

man in aller Regel direkt auf die Kriminalitätskarten weitergeleitet. Alle <strong>Plattformen</strong> weisen dabei<br />

eine nahezu identische Bildschirmaufteilung auf. Beherrscht wird das Bild durch die Karte und in<br />

den Randbereichen links, rechts oder oben sind Legenden angebracht die teilweise auch ein- bzw.<br />

ausgeblendet werden können.<br />

Allerdings handelt es sich hierbei gemeinhin nicht um bloße statische Karten mit Legenden,<br />

vielmehr können Nutzer die gewünschten Kartenausschnitte und zu visualisierenden Delikttypen<br />

sowie –informationen selbst bestimmen. Die Kartenausschnitte zeigen dabei die Delikte zumeist<br />

auf der Grundlage von bekannten online Mapping- Systemen wie Google Maps oder Bing Maps.<br />

Dementsprechend können auch die Funktionalitäten, die in diesen Systemen verfügbar sind, in den<br />

Crime- Mapping- Systemen genutzt werden. So ist es beispielsweise möglich, stufenweise herein-<br />

und heraus zu zoomen, was sowohl das Anzeigen von Übersichtskarten zur städtischen<br />

Kriminalitätslage als auch sehr kleinräumige Analysen ermöglicht. Viele <strong>Plattformen</strong> bieten<br />

außerdem unterschiedliche Grundlagenkarten an. In diesen Fällen kann dann beispielsweise<br />

einfach von der klassischen Straßenkartenansicht auf eine Satellitengrundlage gewechselt werden.<br />

Auch die Legenden sind weniger als Erklärungen der Karten, sondern eher als interaktive<br />

Schaltflächen zu verstehen. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, gezielte deliktspezifische Abfragen<br />

durchzuführen, die dann wiederum direkt auf den Karten visualisiert werden. Diesbezüglich bieten<br />

beispielsweise alle <strong>Plattformen</strong> eine Differenzierung nach Delikttypen an, wobei in der jeweiligen<br />

Legende nur jene Typen ausgewählt werden müssen, die angezeigt werden sollen. Auf den Karten<br />

erscheinen dann plattformabhängig entweder alle gewählten Delikttypen oder es werden<br />

Darstellungen erzeugt, die nur den benannten Delikttyp visualisieren. Die folgende Abbildung 16<br />

verdeutlicht dies anhand zweier Beispiele, wobei die erste Beispielplattform crimemapping.com<br />

mehrere ausgewählte Delikttypen (im Beispiel: „Assault“, „Burglary“ und „Robbery“) darstellt,


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

wohingegen das zweite Beispiel police.uk nur die Anzeige aller Delikte oder eines einzelnen<br />

Delikttyps zulässt (Im Beispiel: „Robbery“).<br />

Abbildung 16: Verschiedene Formen der deliktspezifischen Abfrage<br />

Die verschiedenen <strong>Plattformen</strong> geben den Nutzern neben dem zuvor abgebildeten Beispiel eine<br />

Vielzahl weiterer unterschiedlicher Abfragemöglichkeiten an die Hand, um die Kriminalitätsdaten<br />

differenziert darstellen und analysieren zu können, wobei manche deutlich häufiger Anwendung<br />

finden als andere. In einigen Fällen können auch zusätzliche Informationen wie Quartiersgrenzen<br />

oder polizeiliche Distriktgrenzen angezeigt werden. Die folgende nicht abschließende Auflistung<br />

soll nur einen kurzen Überblick über die von <strong>Plattformen</strong> angebotenen Abfrage- und<br />

Analysemethoden geben:<br />

Gebräuchliche Methoden (von einem Großteil der <strong>Plattformen</strong> angeboten)<br />

o Zeitraum der Deliktbegehung – Es werden nur Delikte im angegebenen Zeitraum<br />

visualisiert.<br />

o Adresse – Hier werden alle Delikte im Radius der genannten Adresse angezeigt,<br />

was vor allem eine die Suche nach spezifischen Punkten auf der Karte vereinfacht.<br />

35


36 Grundlagen<br />

o Polizeidistrikte – Die Grenzen der unterschiedlichen Distrikte werden in der Karte<br />

verzeichnet.<br />

o Stadtteile oder Nachbarschaften – Stadtteilgrenzen bzw. Nachbarschaftsgrenzen<br />

werden dargestellt.<br />

o Schulstandorte – Schulstandorte werden in die Karte übernommen.<br />

Seltene Methoden (nur vereinzelt angeboten)<br />

o Differenzierung nach Stand der polizeilichen Ermittlung (Plattform: police.uk) – Hier<br />

können alle Delikte entsprechend des polizeilichen Ermittlungsstandes angezeigt<br />

werden. Es kann zum Beispiel visualisiert werden, welche Taten bereits aufgeklärt<br />

sind, bei welchen der Täter noch ermittelt wird und welche Vorfälle unaufgeklärt<br />

fallengelassen wurden.<br />

o Verknüpfung mit soziodemographischen Informationen (Plattform:<br />

raidsonline.com) – Hier können die Karten mit soziodemographischen<br />

Informationen, wie zum Beispiel hinsichtlich der Bevölkerungsdichte, des<br />

Altersschnittes oder der Arbeitslosenquote hinterlegt werden.<br />

o Abfrage nach Tatzeitraum (<strong>Plattformen</strong> der Städte Oakland und San Francisco der<br />

Designgruppe Stamen) – Es können Taten angezeigt werden, die sich in einem<br />

konkreten Tatzeitraum abgespielt haben, wie zum Beispiel während der<br />

Arbeitszeiten oder in den Nachtstunden.<br />

Ein Beispiel soll an dieser Stelle verdeutlichen, welche Analysemöglichkeiten bereits durch die<br />

gebräuchlichen Abfragemethoden entstehen können. Zu diesem Zweck wurden auf der Plattform<br />

crimemapping.com Raubüberfälle und Diebstähle aus PKW für ein Teilgebiet der Stadt San<br />

Francisco visualisiert (vgl. Abbildung 17). Die Karte verdeutlicht, dass Diebstähle aus Autos vor<br />

allem entlang der großen Hauptverkehrsstraßen und den zugehörigen Seitenstraßen im Osten und<br />

Westen des Kartenauszuges vorgefallen sind, wo vermutlich auch eine große Anzahl parkende<br />

Autos zu finden ist. Demgegenüber fanden die meisten Überfälle im weniger stark frequentierten<br />

Zentrum des Ausschnittes statt. Daraus ließe sich für die Nutzer beispielsweise ableiten, an<br />

welchen Orten das Parken des privaten PKWs entweder vermieden werden sollte oder wo<br />

zumindest auf verschlossene Türen und Fenster geachtet werden muss.<br />

Abbildung 17: Beispielshafte Analyse von Diebstählen aus PKW und Überfällen (Plattform crimemapping.com)


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Außerdem soll anschließend konkret auf die tatzeitspezifischen Abfragemethoden der <strong>Plattformen</strong><br />

der Stamen Design Studios eingegangen werden (San Francisco & Oakland crimespotting). Die hier<br />

offerierte Möglichkeit, bestimmte Delikttypen hinsichtlich des Wochentages und der Tatzeit<br />

abzufragen bzw. anzeigen zu lassen, erscheint vor allem hinsichtlich der Ergreifung möglicher<br />

Meidungs- und Präventionsmaßnahmen durch die Bevölkerung sehr nützlich. So könnten Nutzer<br />

unter anderem gezielt nach Räumen suchen, die sie in den Nachtstunden besser meiden sollten.<br />

Die folgende Abbildung 18 zeigt für San Francisco zwei unterschiedliche Abfragen. In beiden Fällen<br />

werden Delikte desselben Typs angezeigt, wobei das erste Beispiel alle werktags zwischen 9 und 15<br />

Uhr begangenen Delikte darstellt und beim zweiten der Tatzeitraum „Nightlife“ für die Tage<br />

Donnerstag bis Sonntag ausgewählt wurde. Es kann festgestellt werden, dass sich die rot gefärbten<br />

Delikte, die Übergriffe gegen das leibliche Wohl darstellen, in den Nachtstunden an bestimmten<br />

Orten deutlich konzentrieren.<br />

Abbildung 18: Beispiele möglicher Tatzeitabfragen der Plattform San Francisco crimespotting<br />

37


38 Grundlagen<br />

Darüber hinaus werden von den <strong>Plattformen</strong> deliktspezifische Informationen offeriert, die in der<br />

Regel nach dem Anklicken einer Tatsymbols auf der Karte, in einem erscheinenden Extrafenster<br />

angezeigt werden. Auch hierbei lässt sich eine Gruppe von Informationen ausmachen, die von<br />

nahezu allen <strong>Plattformen</strong> auf diesem Wege veröffentlicht wird. Es handelt sich neben Delikttyp,<br />

Tatort und Tatzeit (od. Zeitpunkt der Tatmeldung), häufig auch um die polizeiinterne Fallnummer<br />

und die zuständige Polizeibehörde. Einzelne <strong>Plattformen</strong>, wie zum Beispiel police.uk,<br />

veröffentlichen sogar noch umfangreichere Informationen. So werden durch die britische Polizei<br />

auf dieser Plattform einzelne polizeiliche Ermittlungsschritte publik gemacht, wohingegen andere<br />

Systeme wie crimemapping.com oder crimereports.com ausweisen wie die Polizei mit<br />

eingegangenen Meldung umgegangen ist (vgl. Abbildung 19).<br />

Abbildung 19: Beispiele verschiedenartiger Deliktinformationen<br />

Außerdem bieten die meisten <strong>Plattformen</strong> eine Auflistung der einzelnen auf der Karte angezeigten<br />

Delikte samt ihrer spezifischen Informationen, oft auch in Kombination mit kleineren weniger<br />

komplexen statistischen Auswertungen, an. Diese werden häufig auf anzuwählenden Extraseiten<br />

angezeigt, was Vergleiche von Karte und Statistik leider ein wenig behindert. Allerdings liegen auch<br />

Ansätze vor, die die Listen direkt unter oder neben den Karten einblenden, und durch einen Klick<br />

auf eine Tat diese auch direkt in der Karte verorten. Die folgende Abbildung 20 bildet beispielhaft<br />

beide Typen ab.<br />

Abbildung 20: Beispiele von Tatauflistungen<br />

Im Bezug zu den offerierten Analysen handelt es sich zumeist um Tortendiagramme, die die Anteile<br />

verschiedener Delikttypen darstellen und um Grafiken, die diese Anteile nochmals nach Wochentag<br />

ausdifferenzieren, so wie beispielsweise im unten einsehbaren Beispiel in Form eines


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Balkendiagrams. Dieses Beispiel der Plattform raidsonline.com weist aber im Vergleich zu anderen<br />

Systemen bereits sehr umfangreiche Auswertungen auf. Besonderes Augenmerk sei hier auf die<br />

unten rechts einsehbare Grafik gelegt, die die Delikthäufigkeit im Bezug zur Tatzeit offenlegt (vgl.<br />

Abbildung 21).<br />

Abbildung 21: Beispiel einer vergleichsweise detaillierten Deliktanalyse (Plattform: raidsonline.com)<br />

Diese Analysen helfen einerseits dabei, Umfang und Art der kartierten Kriminalität korrekt<br />

einzuschätzen, andererseits können sie gegebenenfalls tiefergehende Einblicke in verschiedene<br />

Delikttypen zulassen, was wiederum zur Ergreifung adäquater Lösungswege beitragen würde.<br />

Gänzlich anders ist die Funktionalität der Crime- Mapping- Systeme einzuschätzen, die den<br />

Visualisierungstyp der Heat- Maps nutzen, der im folgenden Kapitel auch hinsichtlich seines<br />

äußeren Erscheinungsbildes näher untersucht wird. Da Delikte hierbei in der Regel nicht punktuell<br />

abgebildet werden, sind auch konkrete Deliktinformationen nicht abrufbar. Die dem Nutzer zur<br />

Verfügung stehenden Analysemöglichkeiten beschränken sich zumeist auf die Auswahl<br />

verschiedener Delikttypen und des darzustellenden Kartenausschnittes. In manchen Fällen, wie<br />

zum Beispiel auf der Plattform oobrien.com, kann sogar bestimmt werden, mit welcher Intensität<br />

die Delikte dargestellt werden sollen, was erheblichen Einfluss auf die ausgegebene<br />

Kriminalitätskarte hat.<br />

Es gilt außerdem anzumerken, dass die meisten <strong>Plattformen</strong> in den vergangenen Jahren auch<br />

mobile Anwendungen entwickelt haben. Diese teilweise kostenpflichtigen Applikationen für<br />

Smartphones und Pads sind dabei in aller Regel den ursprünglichen online- Systemen<br />

nachempfunden und zeigen, insofern eine Netzwerk- oder GPS- Verbindung zum Endgerät besteht,<br />

auch direkt jene Delikte an, die in der näheren Umgebung des aktuellen Aufenthaltsbereiches des<br />

Nutzers verzeichnet wurden. Allerdings müssen zumeist gewisse Einschränkungen hinsichtlich der<br />

Analyseoptionen gemacht werden, die sich, entsprechend der technischen Möglichkeiten auf<br />

mobilen Endgeräten, häufig auf Kriminalitätstypen beschränken (vgl. Abbildung 22).<br />

39


40 Grundlagen<br />

Abbildung 22: Beispielhafte Applikation der etablierten Plattform crimemapping.com<br />

Bildquelle: theomegagroup.com/press/releases/crimemapping_goes_mobile_2011.pdf<br />

Außerdem liegt eine Vielzahl von Applikationen vor, welche nicht nur einzelne Aspekte der<br />

Kriminalität untersuchen, sondern durch eine individuelle Darstellungsart ganz spezifische<br />

Zielsetzungen verfolgen. Die folgende Abbildung 23 zeigt dahingehend zwei Beispiele, die diese<br />

spezielle Ausrichtung verdeutlichen. Die erste Anwendung mit dem Namen „Crime Finder“<br />

visualisiert die kriminellen Vorfälle nicht in Form von Karten, sondern stellt sie im Sinne der<br />

Augmented Reality mit Hilfe von 360° Panoramabildern in der 3- Dimensionalen Umgebung des<br />

Nutzers dar. Dies ermöglicht es Nutzern laut Hersteller, ein visuelles Verständnis für die kriminellen<br />

Vorfälle in der näheren Umgebung zu erlangen. Die zweite abgebildete Applikation „FINDaPAD“<br />

soll dem Nutzer in erster Linie bei der Häuser- bzw. Wohnungssuche helfen. Hierzu werden ihm alle<br />

Angebote von Wohnungsvermittlern in der gewünschten Umgebung angezeigt. Darüber hinaus<br />

wird es dem Nutzer aber auch ermöglicht, auf die lokalen Kriminalitätsdaten und einige andere<br />

Informationen zurückzugreifen, um mit Hilfe dieser Informationen eine Entscheidung bezüglich des<br />

Hauskaufs treffen zu können. Die Beschränkung mobiler Kriminalitätsapplikationen auf konkrete<br />

Aussagen ist dabei auf die begrenzten Visualisierungs- und Übertragungsraten der Endgeräte<br />

zurückzuführen. Dennoch scheinen neuartige Ideen hinsichtlich der Aufbereitung, Visualisierung<br />

und Nutzung der Kriminalitätsdaten derzeit hauptsächlich von solchen mobilen Anwendungen<br />

auszugehen, was auch die angesprochenen Beispiele der folgenden Abbildung belegen (vgl.<br />

Abbildung 23).


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Abbildung 23: Beispiele mobiler Crime- Applikationen mit spezifischer Ausrichtung bzw. Zielsetzung<br />

Bildquelle: http://www.police.uk/apps?q=London,%20Vereinigtes%20K%C3%B6nigreich<br />

Eine besonders schwerwiegende Bedeutung kommt dem Einsatz mobiler Endgeräte außerdem bei<br />

<strong>Plattformen</strong> zu, die User- Generated- Content nutzen. Die Nutzer rufen hier nicht nur Daten über<br />

die Systeme, sondern sollen solchen vor allem auch generieren. Die Datenerzeugung wird in<br />

diesem Fall idealerweise ebenfalls über die entsprechenden mobilen Applikationen abgewickelt,<br />

weil hier in der Regel, Dank weit fortgeschrittener GPS- Technologien, eine automatische<br />

Verortung der registrierten Delikte erfolgt. So muss auf dem in der folgenden Abbildung 24<br />

linkerhand abgebildeten Startbildschirm nur der Button „Submit a Report“ angeklickt werden,<br />

woraufhin alle notwenigen Deliktinforationen abgefragt werden und der „Tatort“ automatisch<br />

erfasst wird.<br />

Abbildung 24: Beispiel einer mobilen Applikation zur Erstellung Nutzergenerierten Contents<br />

Bildquelle: eigene Darstellung; Rohdaten: https://play.google.com/store/apps/details?id=com.citysourced<br />

An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass es sich bei der vorliegenden Einführung<br />

lediglich um eine Beschreibung der Funktionalität und des Aufbaus der <strong>Plattformen</strong> sowie der<br />

mobilen Anwendungen handelt und nicht um eine qualitative Bewertung. Über potenzielle<br />

41


42 Grundlagen<br />

Chancen und Risiken, die mit der Veröffentlichung gewisser Informationen und ihrer Aufbereitung<br />

einhergehen können, wird in Kapitel 3 detailliert eingegangen.<br />

Abbildung 25: Kernelemente Kapitel 2.2.2. – Funktionalität<br />

(1) Die <strong>Plattformen</strong> weisen verschiedenartige Startseiten auf, wobei nur die<br />

wenigsten zu beachtende Nutzungshinweisen einblenden.<br />

(2) Die interaktiven Legenden bieten eine Vielzahl an Abfrage- /<br />

Analysemöglichkeiten, z.B. hinsichtlich:<br />

a. der Delikttypen<br />

b. des Tatzeitraumes (Tag, Woche, Monat, Jahr)<br />

c. des Tatortes, auch in Bezug zu Polizeidienststellen und<br />

Schulstandorten<br />

d. vereinzelt auch zum polizeilichen Ermittlungsstand<br />

e. in zwei Fällen auch zur konkreten Tatzeit<br />

f. in einem Beispiel können soziodemographische Sachverhalte<br />

einbezogen werden<br />

(3) Auch die deliktspezifischen Informationen und teilweise angebotenen<br />

statistischen Auswertungen differieren zwischen den Systemen. Sie können<br />

aber zum verbesserten Verständnis beitragen.<br />

(4) Systeme die Heat- Maps visualisieren sind nur eingeschränkt interaktiv.<br />

(5) Crime- Mapping- Systeme sind zunehmend auch für mobile Endgeräte<br />

verfügbar, wobei hier zumeist nur eingeschränkte Analysemethoden zur<br />

Verfügung stehen.<br />

(6) Mobile Applikationen sind häufig stark auf einen bestimmten Zweck<br />

ausgerichtet, so auch bei nutzergenerierten <strong>Plattformen</strong>.<br />

2.2.3. Visualisierungstypen<br />

Betrachtet man die verschiedenen Formen von Karten, werden auf den ersten Blick viele, äußerst<br />

unterschiedliche bildliche Aufbereitungen von Kriminalität erkennbar, die sich in Form, Symbolik<br />

und Farbe unterscheiden. Bei genauerer Untersuchung wird aber deutlich, dass der Vielzahl an<br />

Darstellungsformen lediglich drei Visualisierungstypen zugrunde liegen, die von den<br />

Plattformbetreibern entsprechend der eigenen Vorstellungen optisch angepasst werden. Diese drei<br />

Typen sind:<br />

(1) Symbol Maps – Symbolkarten<br />

(2) Graduated Symbol Maps – graduierte/ abgestufte Symbol Karten<br />

(3) Heat Maps – Wärmekarten<br />

Obwohl die Wahrnehmung der Nutzer in entscheidendem Maß von der Art der Visualisierung<br />

abhängig ist, müssen tiefergehende Fragestellungen hinsichtlich der Anfälligkeit verschiedener<br />

Visualisierungsformen für Fehlinterpretationen oder Manipulationen hinten angestellt und in den<br />

betreffenden Kapiteln näher ergründet werden (vgl. Kapitel 3.2.1. und 3.2.2.).


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Bei den sogenannten Symbol- Maps (1) handelt es sich um Karten, die Tatorte krimineller<br />

Handlungen mit Hilfe von Symbolen darstellen. Das Aussehen der gewählten Symbole zur<br />

Markierung einzelner Tatorte ist das Hauptunterscheidungskriterium zwischen den verschiedenen<br />

Systemen die diese Darstellungsform nutzen. Als einfachste Darstellungsmöglichkeit kann die reine<br />

Punktdarstellung angesehen werden, bei der jeder Tatort durch einen farbigen Punkt signalisiert<br />

wird. Dabei werden in der Regel unterschiedliche Punktfarben für unterschiedliche Delikttypen<br />

gewählt. Im Prinzip ist diese Art der Visualisierung mit den klassischen haptischen<br />

Kriminalitätskarten vergleichbar, da auch die bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts eingesetzten<br />

„Stecknadelkarten“ Orte krimineller Handlungen mit den Stecknadelköpfen punktuell abbildeten.<br />

Die folgende Abbildung (vgl. Abbildung 26) zeigt eine solche rein punktuelle Deliktdarstellung für<br />

einen Teilraum der amerikanischen Stadt San Francisco, wobei die Markierungen sogar kleinen<br />

Stecknadeln nachempfunden sind (Plattform: crimemapping.com).<br />

Abbildung 26: Symbol- Map im Stecknadelstil der Plattform crimemapping.com<br />

Allerdings kann es sich bei den gewählten Symbolen auch um repräsentative Zeichen handeln, die<br />

die verschiedenen Delikttypen kennzeichnen. So wird auch diese Darstellungsform vom bereits<br />

angeführte System crimemapping.com angeboten und sie kann über den im linken oberen<br />

Karteneck anwählbaren Punkt „Use Large Icons“ abgerufen werden. Die folgende Abbildung zeigt<br />

den gleichen Kartenausschnitt samt krimineller Vorkommnisse unter Verwendung solcher<br />

verschiedenartiger Symbole (vgl. Abbildung 27). Beispielsweise werden Überfälle mit einer Maske<br />

auf blauen Grund und gewalttätige Übergriffe bzw. Körperverletzungen mit einer Faust auf rotem<br />

Grund dargestellt.<br />

43


44 Grundlagen<br />

Abbildung 27: Symbol- Map mit differenzierten Symbolen der Plattform crimemapping.com<br />

Der Vorteil dieser zweiten Möglichkeit der Symboldarstellung liegt darin, dass bereits ein Blick auf<br />

die Karte genügt, um verschiedene Delikttypen unterscheiden und ungefähr zuordnen zu können.<br />

So wird beispielsweise durch die Abbildung eines Autos auf schwarzem Grund direkt deutlich, dass<br />

es sich um ein Delikt im Zusammenhang mit Autos, im konkreten den Diebstahl aus PKWs, handelt.<br />

Im erstgenannten Stecknadelkopfbeispiel lassen sich verschiedene Diebstahltypen dementgegen<br />

nicht voneinander unterscheiden, da die Darstellungsmöglichkeiten sehr begrenzt sind. Dort<br />

werden alle Delikte des Typs Diebstahl mit schwarz/grauen Stecknadeln gekennzeichnet. Auch bei<br />

den differenzierten Symbolen des zweiten Beispiels weisen alle Diebstahltypen einen schwarzen<br />

Grund auf, aber anhand einer kleinen Abbildung wird die Ausdifferenzierung direkt ersichtlich.<br />

Bei dem Versuch einen Überblick über die kriminellen Handlungen größerer Gebiete zu erhalten,<br />

offenbart sich jedoch eine Schwachstelle der Symboldarstellung. Die folgende Abbildung zeigt<br />

hierzu erneut einen Kartenausschnitt San Franciscos, der allerdings einen größeren Teil des<br />

Stadtgebiets abbildet (vgl. Abbildung 28). Es liegt eine so hohe Deliktanzahl vor, dass die<br />

Visualisierung einzelner Tatorte leider nur ein sehr unübersichtliches Ergebnis erzeugt. Eine<br />

Differenzierung konkreter Taten oder Delikttypen ist an Punkten hoher Konzentration nicht mehr<br />

möglich. Außerdem stößt sogar das Mapping- System hier an seine Grenzen, was auch das sehr<br />

ungleich verteilte Kriminalitätsaufkommen der Abbildung erklärt. Die Rote Anzeige im oberen<br />

Bereich der Karte stellt klar, dass im hier angezeigten Zeitraum mehr als die maximal darstellbaren<br />

800 Delikte erfasst wurden. Die Übersichtlichkeit ist dabei natürlich sehr stark von der Größe der<br />

gewählten Symbole abhängig. Wenn die Ansicht also wieder auf kleinere Stecknadelsymbole<br />

umgestellt wird, erhält man eine etwas übersichtlichere Karte, die dennoch nicht als optimales<br />

Ergebnis angesehen werden kann.


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Abbildung 28: Unübersichtliche Darstellung von Symbol- Maps bei großem Maßstab (Plattform: crimemapping.com)<br />

Bei dem vorgestellten System wird auch der Versuch unternommen, eine höhere Anzahl von<br />

solchen Delikten darzustellen, die sich innerhalb engerer Aktionsradien abgespielt haben. Hierzu<br />

wurde ein schwarzes Symbol eingeführt, das mit „2 + “ beschriftet wurde. Hiermit werden also Orte<br />

gekennzeichnet an denen 2 Taten oder gar mehr registriert wurden. Die folgende Abbildung (vgl.<br />

Abbildung 29) zeigt ein Beispiel von 6 Taten an exakt einem Standort, was entsprechend mit „6 + “<br />

gekennzeichnet wurde.<br />

Abbildung 29: Darstellungsform bei Delikthäufung an einzelnen Tatorten der Plattform crimemapping.com<br />

Allerdings werden hohe Häufungen krimineller Handlungen an bestimmten Orten auf diese Weise<br />

nicht direkt kenntlich gemacht. So würden sechs nebeneinander liegende Symbole die<br />

Konzentration kriminellen Verhaltens viel besser verdeutlichen, was aber wiederum die<br />

Übersichtlichkeit einschränken würde. Da hier verschiedene Delikttypen zu einem Symbol<br />

zusammengefasst werden, hat auch die schwarze Grundfarbe keinen direkten Bezug zum Delikttyp,<br />

wie es bei den übrigen Deliktspezifischen Symbolen der Fall ist.<br />

Abschließend soll nochmals auf darauf hingewiesen werden, dass der Visualisierungstyp der<br />

Symbol- Maps von vielen Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> genutzt wird, die sich dennoch optisch stark<br />

voneinander abheben. Die folgende Abbildung verdeutlicht dies anhand verschiedener<br />

45


46 Grundlagen<br />

<strong>Plattformen</strong>. Das System crimereports.com bietet beispielsweise Karten für die USA, Kanada und<br />

auch Großbritannien an und stellt Tatorte mit kleinen eckigen Sprechblasen dar, die eine<br />

Deliktspezifische Kennzeichnung aufweisen. Außerdem greift ein großer Teil der <strong>Plattformen</strong>, die<br />

von Polizeidienststellen selbst betrieben werden, auf diesen Visualisierungstyp zurück, was durch<br />

die abgebildete CPS Crimes Web Mapping Application der Stadt Calgary dokumentiert wird.<br />

Abbildung 30: Weitere Beispiele des Visualisierungstyps Symbol- Map<br />

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass bei dieser Form der Visualisierung ein recht einfach<br />

zugänglicher Ansatz verfolgt wird. Jeder Tatort wird mit einem Symbol auf der Karte dargestellt,


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

insofern dies aufgrund der räumlichen Verteilung der Taten möglich ist. Dementsprechend handelt<br />

es sich um eine Darstellungsart die beim Nutzer nicht den Eindruck erweckt, Informationen oder<br />

gar einzelne Taten zu verbergen oder verschleiert darzustellen. Mithilfe dieses Kartentyps können<br />

von Nutzern Analysen hinsichtlich des kriminellen Verhaltens innerhalb kleinerer Räume<br />

durchgeführt werden, um beispielsweise festzustellen, welche Delikttypen sich an welchen Orten<br />

häufen. Zur großräumigen Analyse eignet sich der Visualisierungstyp aufgrund seiner<br />

Unübersichtlichkeit bei großen Maßstäben allerdings nur in begrenztem Maß.<br />

Auch bei Systemen deren Darstellung auf Graduated Symbol Maps (2) beruht, werden kriminelle<br />

Handlungen mit Hilfe von Symbolen visualisiert. Allerdings deutet bereits die Übersetzung des<br />

Wortes graduated – abgestuft oder graduiert – an, dass es sich um eine etwas andere Form von<br />

Symbolen handelt, als im zuvor besprochenen Kapitel.<br />

Zum Vergleich der beiden Visualisierungstypen kann ein von der Stadt San Francisco betriebenes<br />

interaktives Crime- Mapping- System herhalten (San Francisco map: crime incidents), da es beide<br />

Darstellungsformen nutzt. Bei Ansichten kleinerer städtischer Ausschnitte wird das bereits<br />

beschriebene Symbol- Mapping genutzt, indem jede Straftat durch einen kleinen blauen Punkt<br />

gekennzeichnet wird (vgl. Abbildung 31). Auf diese Weise wird jeder Tatort exakt verortet und kann<br />

samt Hintergrundinformationen abgerufen werden.<br />

Abbildung 31: Symbol- Map bei kleinem Kartenausschnitt (Plattform: crime incidents San Francisco)<br />

Vergrößert man nun aber den Kartenausschnitt, werden nicht nur größere Mengen von Punkten<br />

visualisiert, was teilweise relativ unübersichtliche Ergebnisse hervorruft, sondern es wird eine<br />

andere Form von Symbolen zur Darstellung krimineller Handlungen verwendet. Alle Taten, die<br />

innerhalb eines bestimmten Radius erfasst wurden, werden aufaddiert und mit einem einzigen<br />

Symbol, hier einem Kreis, visualisiert. Dabei verändert sich das Symbol im angeführten Beispiel (vgl.<br />

Abbildung 32) je nach Anzahl der Erfassten Taten farblich und in seiner Größe. Kleinere Häufungen<br />

krimineller Handlungen werden hier gelb und mit kleinen Kreisen und größere orange (mit großen<br />

Kreisen) dargestellt, wobei bei der Wahl eines noch größeren Kartenausschnittes eine weitere<br />

dritte rote gefärbte Kategorie hinzukommt. Wie viele Delikte dabei zu einem gemeinsamen Symbol<br />

47


48 Grundlagen<br />

zusammengefasst werden, passt sich der im gesamten Kartenausschnitt abgebildeten Menge an<br />

Taten an. So werden im unten abgebildeten Kartenausschnitt alle Orte mit weniger als 100 Taten<br />

gelb markiert und alle die über diesem Wert liegen orange. Bei größeren Ausschnitten können auch<br />

Orte mit 200 Taten noch mit gelben Symbolen gekennzeichnet sein, insofern andere Orte mit<br />

deutlich höheren Konzentrationen vorliegen (z.B. mit 1000 und mehr Taten). Im vorliegenden<br />

Beispiel kann auch das Einzugsgebiet angezeigt werden, dessen kriminelle Handlungen zur<br />

Berechnung der Tatanzahl und somit zur Festlegung des entsprechenden Symbols herangezogen<br />

werden. Hierzu muss nur die Maus über den betreffenden Kreis bewegt werden und das Gebiet<br />

wird mit einem blauen Rahmen gekennzeichnet (vgl. Abbildung 32).<br />

Abbildung 32: Darstellungstyp der Graduated Symbol Map (Plattform: criminal incidents San Francisco)<br />

Ein großer Vorteil dieser Darstellungsform liegt augenscheinlich in der Überwindung der<br />

unübersichtlichen Visualisierung größerer räumlicher Ausschnitte. Aber auch hohe<br />

Konzentrationen von Kriminalität können auf diesem Weg besser verdeutlicht werden, da<br />

beispielsweise ein dunkelrot verfärbter Kreis direkt Problembereiche signalisiert, wohingegen gelb<br />

gefärbte Kreise nur relativ wenig Aufmerksamkeit auf sich ziehen.<br />

Auch andere nicht auf Kriminalität ausgerichtete webbasierte Systeme, die große Mengen<br />

raumbezogener Informationen visualisieren, greifen aufgrund dieser Vorzüge auf Graduated-<br />

Symbol- Maps zurück. Als Beispiel hierfür kann die Plattform des Projektes RADAR: Sensing genannt<br />

werden (Karte verfügbar unter: http://sensing.radar-project.de/AloeView/action/mapSearch), bei<br />

der Nutzer die Qualität von Räumen anhand von verschiedenen Kriterien bewerten können. Dabei<br />

erfolgt die kartografische Darstellung der nutzergenerierten Daten ebenfalls mit Hilfe von<br />

unterschiedlich großen Kreisen, die sich je nach Menge der Nennungen ändern (vgl. Abbildung 33).


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Abbildung 33: Anwendungsbeispiel von Graduated- Symbol- Maps der Plattform RADAR- Sensing<br />

Andererseits werden auch verschiedene Problemstellungen aufgeworfen, die sich dem<br />

interessierten Nutzer aufdrängen. Wesentlich ist dabei das Problem der nicht vorhandenen<br />

Differenzierung verschiedener Delikttypen. Denn es wird, wie auch die zuvor eingebrachten<br />

Abbildungen zeigen, bei der Darstellung via graduated Symbols die Gesamtheit aller ausgewählten<br />

Kriminalitätstypen dargestellt. Als Erklärungsbeispiel wird folgend die britische Plattform police.uk<br />

angeführt.<br />

Die diesem System entnommene Abbildung 34 veranschaulicht, dass die auf der rechts<br />

befindlichen Karte dargestellten Symbole keine Differenzierung zwischen Delikttypen vornehmen,<br />

obwohl diese linkerhand in der Legende klar getrennt voneinander abgebildet werden. Das heißt,<br />

dass auf der Karte nicht ersichtlich ist, welche Arten von Kriminalität den einzelnen Kreissymbolen<br />

zugerechnet werden können. Bei der von dieser Plattform gewählten Darstellung der Graduierung<br />

wurde, anders als beim Beispiel der Crime Map San Franciscos (vgl. Abbildung 32), auf<br />

unterschiedliche Einfärbung der Kreise verzichtet, da diese den verschiedenen Delikttypen<br />

vorbehalten wurden. Das heißt, dass sich die Symbole hier nur hinsichtlich Ihrer Größe voneinander<br />

abheben.<br />

49


50 Grundlagen<br />

Abbildung 34: Fehlende Deliktdifferenzierung der Plattform police.uk<br />

Bis zum jetzigen Zeitpunkt hat sich noch keine Crime- Mapping- Plattform dieses Problems<br />

angenommen und eine nach Kriminalitätstypen differenzierte graduated- Symbol Visualisierung<br />

entwickelt. Mögliche hieraus resultierende Probleme, wie Fehlinterpretationen, werden samt<br />

denkbarer Lösungsansätze in Kapitel 3.2.1. näher beleuchtet. Ebenso verhält es sich mit der<br />

Problematik des fehlenden Zusammenhanges zwischen einzelnen Taten und den genutzten<br />

übergeordneten Symbolen, die verschiedene Gebiete repräsentieren. Da viele Systeme nicht<br />

deutlich machen, welche Taten im Geltungsbereich welches Symbols erfolgt sind, ergeben sich<br />

zahlreiche Bedenken, die im bereits genannten Kapitel untersucht werden.<br />

Bei der Graduated- Symbol- Visualisierung handelt es sich somit um eine Darstellungsform, die<br />

versucht verschiedene Problembereiche der einfachen Symbol- Darstellung zu lösen. Zwar gelingt<br />

dies hinsichtlich einer verbesserten Übersichtlichkeit bei hohen Konzentrationen von Kriminalität<br />

und bei großflächigen Untersuchungen, allerdings müssen auch Abstriche hinsichtlich<br />

Deliktdifferenzierung und Nachvollziehbarkeit der dargelegten Informationen hingenommen<br />

werden.<br />

Eine noch stärkere Konzentration auf die Darstellung der räumlichen Verteilung von Kriminalität in<br />

größeren Räumen erfolgt durch den Visualisierungstyp der sogenannten Heat- Maps (3). Durch<br />

diese Karten werden in aller Regel gar keine einzelnen Delikte mehr abgebildet, sondern lediglich<br />

deren Dichte. Die folgende Abbildung 35 zeigt zwei solcher Systeme, wobei die obere Oakland<br />

Crime Spotting Heat Map nicht interaktiv ist und dem Nutzer somit lediglich eine zuvor erstellte<br />

Karte aller erfassten Delikttypen präsentiert. Das zweite System (oobrien.com) präsentiert eine<br />

Heat Map der Stadt London, wobei im betreffenden Fall der Delikttyp der Überfälle ausgewählt<br />

wurde.


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Abbildung 35: Beispiele von <strong>Plattformen</strong> die den Visualisierungstyp der Heat Maps nutzen<br />

In aller Regel werden bei diesem Visualisierungstyp Einfärbungen entsprechend der<br />

wahrnehmungspsychologischen Logik vorgenommen, was bedeutet, dass Räume mit geringer<br />

Deliktdichte grün gekennzeichnet werden und über das Farbenspektrum gelb, orange bis hin zu rot<br />

eine Steigerung der Deliktdichte festzustellen ist. Dass der hier fehlenden Darstellung einzelner<br />

Delikte dabei besondere Brisanz innewohnt, wird in verschiedenen Beispielen auch in Kapitel 3.2.<br />

verdeutlicht (vgl. dort Abbildung 55).<br />

Darüber hinaus bestehen auch vereinzelte Crime- Mapping- Systeme die verschiedene<br />

Visualisierungstypen anbieten oder gar die Kombination verschiedener Visualisierungstypen<br />

zulassen. So nutzt das Crime- Mapping-System der Stadt San Francisco, wie bereits angesprochen,<br />

auf der kleinsten Maßstabsebene eine Symbol- Map und in den darüber liegenden Ebenen werden<br />

graduierte Symbole genutzt. Hierbei handelt es sich um eine nicht ungewöhnliche Kombination von<br />

Visualisierungsmethoden. Viele <strong>Plattformen</strong>, die auf die Graduated- Symbol- Darstellung<br />

zurückgreifen, stellen Delikte nämlich dann allein dar, wenn sie nur vereinzelt auftreten. Die<br />

angesprochene Plattform bietet allerdings zusätzlich noch die Möglichkeit, anstelle einer Punkt<br />

bzw. graduierten Punktdarstellung eine Heat- Map zu erzeugen. Hierzu muss über den Menüpunkt<br />

„Visualize“ lediglich der „Plot Stil“ Heat Map angewählt werden, woraufhin der neue<br />

Visualisierungstyp den alten ersetzt (vgl. Abbildung 36)<br />

51


52 Grundlagen<br />

Abbildung 36: Beispielplattform die verschiedene Visualisierungstypen anbietet – Map: Crime Incidents San Francisco<br />

Da allerdings immer nur einer der genannten Visualisierungstypen angezeigt werden kann, sind<br />

auch die jeweils damit verbundenen Nachteile weiterhin vorhanden. Betrachtet man jedoch die<br />

Plattform raidsonline.com, stellt man fest, dass die hier erzeugte Heat- Map samt der ihr zugrunde<br />

liegenden punktuellen Deliktinformationen visualisiert wird. Wie die folgende Abbildung<br />

verdeutlicht, wird die Heat- Map direkt aus den angezeigten Deliktpunkten errechnet und<br />

anschließend visuell hinterlegt. Im ersten in der Abbildung einsehbaren Beispiel wurden<br />

verschiedene Delikttypen angezeigt, zu denen dann eine Heat- Map generiert wurde, wohingegen<br />

beim zweiten Beispiel lediglich der Delikttyp „Überfälle“ gewählt wurde, um hieraus eine Heat-<br />

Map zu erzeugen (vgl. Abbildung 37)


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Abbildung 37: Beispiel der Kombination verschiedener Visualisierungstypen (Plattform: raidsonline.com)<br />

Durch die kombinierte Anwendung dieser zwei Visualisierungsmethoden gelingt es der Plattform,<br />

verschiedene Probleme zu überwinden, die den Darstellungsformen bei alleiniger Anwendung<br />

anhaften würden. Beispielsweise kann auf diesem Weg die Unübersichtlichkeit reiner<br />

Punktdarstellungen auf größeren Ebenen überwunden werden und auch der mangelnde<br />

Zusammenhang zwischen spezifischen Tatorten und den Heat- Map- Darstellungen wird behoben.<br />

Dass sich durch solch komplexe Karten allerdings auch zahlreiche Fehlerquellen hinsichtlich der<br />

Interpretation durch die Nutzer ergeben können, muss mit Hinweis auf Kapitel 3.2.1. aber auch an<br />

dieser Stelle bereits angemahnt werden.<br />

Bei dieser Gelegenheit sollte außerdem kurz auf den Faktor der Tatzeit eingegangen werden, da sie<br />

im Hinblick auf nahezu alle Delikttypen eine wichtige Rolle spielt. Es stellt sich die Frage, wie die<br />

Crime- Mapping- Systeme mit diesem Aspekt umgehen bzw. wie sie ihn visualisieren.<br />

Zusammenfassend muss diesbezüglich konstatiert werden, dass bis auf zwei Ausnahmen keine<br />

Tatzeitvisualisierung erfolgt und die Tatzeiten in der Regel einzeln zu jedem Delikt einzeln<br />

abgerufen werden müssen. Eine Ausnahme bildet dabei die von der Zeitung LA Times betriebene<br />

Crime- Mapping- Plattform, die mit Hilfe einer unter der Karte eingeblendeten Zeitleiste, die auf<br />

der Karte visualisierten Taten den jeweiligen Tagen und Tageszeiten zuordnet. Hierdurch kann der<br />

Nutzer besser einschätzen, zu welcher Zeit tatsächlich Gefahren lauern. Außerdem kann die<br />

Zeitleiste in den gewünschten Zeitraum verschoben werden, wodurch auch die auf der Karte<br />

verzeichneten Delikte angepasst werden (vgl. Abbildung 38).<br />

53


54 Grundlagen<br />

Abbildung 38: Beispiel der Visualisierung des Faktors Zeit (Plattform: LA Times Crime Map)<br />

Auch jene, durch die von Stamen Design entwickelten <strong>Plattformen</strong> der Städte Oakland und San<br />

Francisco, ermöglichen eine gezielte Abschätzung der Gefahren zu verschiedenen Tageszeiten.<br />

Allerdings unterscheidet sich die Deliktdarstellung hier nicht von gewöhnlichen<br />

Visualisierungsformen, da die Darstellung anhand einer Abfrage erfolgt. Es werden also immer die<br />

Delikte angezeigt, welche selektiert bzw. im gewählten Zeitraum erfasst wurden. Der einzige<br />

visuelle Unterschied dieses Plattformtyps ist das im linken unteren Kartenabschnitt erkennbare<br />

Tatzeit- Abfragefeld, welches eine Uhr und Wochentage abbildet, die entsprechend der<br />

gewünschten Informationen angewählt werden können (vgl. Abbildung 39).<br />

Abbildung 39: Legendendarstellung zur Tatzeitabfrage der Plattform San Francisco crimespotting


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Zum Thema dreidimensionaler Kriminalitätsvisualisierungen sei an dieser Stelle angemerkt, dass<br />

verschiedene Forschungsgruppen bereits erste, teilweise durchaus dienlich erscheinende Ansätze<br />

entwickelt haben, die aber innerhalb von Crime- Mapping- Systemen noch keine Anwendung<br />

finden. Hingewiesen werden sollte diesbezüglich auf die Abhandlungen und Visualisierungen der<br />

beiden Geoinformatiker Markus Wolff und Hartmut Asche die an der <strong>Universität</strong> Potsdam sehr<br />

umfangreiche Studien zu diesem Themenkomplex betrieben haben (vgl. Literaturverzeichnis). Da<br />

allerdings keine Plattform auf diese Art der Visualisierung zurückgreift und auch keine Tendenzen<br />

in diese Richtung erkennbar sind, kann an dieser Stelle auf eine ausführliche Analyse verzichtet<br />

werden.<br />

Abbildung 40: Kernelemente Kapitel 2.2.3. – Visualisierungstypen<br />

(1) Die optisch äußerst unterschiedlichen Visualisierungstypen lassen sich in 3<br />

Hauptkategorien unterscheiden:<br />

a. Symbol Maps<br />

b. Graduated Symbol Maps<br />

c. Heat Maps<br />

(2) Symbol Maps bilden jede Tat durch ein entsprechendes Symbol ab. Sie sind<br />

daher nachvollziehbar, aber bei zu großen Kartenausschnitten sehr<br />

unübersichtlich.<br />

(3) Graduated Symbol Maps addieren die Taten die sich innerhalb eines<br />

gewissen Radius ereignet haben und generieren entsprechend der Häufung<br />

ein Symbol. Sie sind daher bei größeren Räumen übersichtlich, aber nicht<br />

hundertprozentig nachvollziehbar.<br />

(4) Heat Maps visualisieren keine Tatorte, sondern die Dichte ihres Auftretens.<br />

Sie sind sehr anschaulich aber kaum nachvollziehbar.<br />

(5) Eine Kombination der Visualisierungstypen erscheint vielversprechend.<br />

(6) Tatzeitvisualisierung und 3D- Modellierung finden trotz möglichen Nutzens<br />

bis zum jetzigen Zeitpunkt kaum Anwendung.<br />

55


56 Grundlagen<br />

2.3. Zusammenfassung der theoretischen und technischen Grundlagen<br />

Die vorangegangenen Betrachtungen verdeutlichen die Vielfalt vorhandener interaktiver Crime-<br />

Mapping- Systeme, die das äußerst komplexe Phänomen der Kriminalität einem breiten Publikum<br />

zu erklären versuchen. Die Skizzierung der geschichtlichen Entwicklung zeigte, dass sowohl Umfang<br />

als auch Ziel- und Nutzergruppen krimineller Kartierungen seit ihren Anfängen zu Beginn des 19.<br />

Jahrhunderts stets zunahmen. In Anbetracht der dargestellten Problemhaftigkeit der Erfassung<br />

krimineller Daten, stellte sich aber vor allem die Frage, wie die <strong>Plattformen</strong> mit den Daten<br />

umgehen und sie den Nutzern zugänglich machen. Daher wurden die <strong>Plattformen</strong> hinsichtlich ihrer<br />

Datengrundlagen, Funktionsweisen und Visualisierungsmethoden näher untersucht.<br />

Dabei stellte sich heraus, dass die von den Betreibern verfolgten Zielsetzungen für die Auswahl der<br />

spezifischen Charakteristika von zentraler Bedeutung sind. Denn diese Vorstellungen veranlassen<br />

sie nicht nur zur Veröffentlichung der Kriminalitätsdaten, sondern sie geben demnach auch vor,<br />

welche Analysemöglichkeiten dem Nutzer zur Verfügung gestellt werden, um kriminelle<br />

Sachverhalte und Entwicklungen nachvollziehen zu können.<br />

Dementsprechend wurden bis hierhin die untersuchungsleitenden Fragestellungen bezüglich der<br />

Definition und Erfassung von Kriminalität, der Auswirkungen auf den Raum und seine Bewohner<br />

sowie der Entstehung und des Aufbaus der Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> untersucht und dargelegt.<br />

Zusammenfassend muss anerkannt werden, dass es den Plattformnutzern grundsätzlich ermöglicht<br />

wird, zumindest einen gewissen Überblick über das Themengebiet der Kriminalität im öffentlichen<br />

Raum zu erlangen. Außerdem ergeben sich aus der Nutzerperspektive des Raumplaners<br />

verschiedenste Fragestellungen, die mit Hilfe dieser Systeme untersucht werden könnten, wobei<br />

die Spannweite dabei als äußerst umfangreich bezeichnet werden kann. So können<br />

Zusammenhänge zwischen stadtsoziologischen, ökonomischen oder städtebaulichen Sachverhalten<br />

und dem Kriminalitätsaufkommen untersucht und gegebenenfalls aufgezeigt werden.<br />

Da allerdings nicht nur Raumplaner zu den Nutzern der Crime- Mapping- Systeme gehören,<br />

sondern prinzipiell durch jede Person Informationen abgerufen werden können, existieren darüber<br />

hinaus zahlreiche Chancen sowie Risiken für die Nutzer und Betreiber der <strong>Plattformen</strong>.<br />

Beispielsweise könnten Nutzer gewisse Räume in den Abendstunden meiden, wenn die von der<br />

Plattform offerierten Daten zeigen, dass dort ein erhöhtes Risiko besteht, Opfer eines Überfalls zu<br />

werden.<br />

Von solchen positiven wie negativen Wirkungen lassen sich aus stadtplanerischer Sicht jedoch<br />

weitere Konsequenzen ableiten. So würde, hinsichtlich des oben angeführten Beispiels, durch die<br />

Meidung der betreffenden Räume, das tatsächliche Risiko der Opferwerdung an diesen Orten<br />

dennoch steigen. Denn je unbelebter ein Raum ist, desto attraktiver wird er für bestimmte Täter.<br />

Dieses Beispiel soll allerdings lediglich den möglichen Umfang von Auswirkungen der Crime-<br />

Mapping- <strong>Plattformen</strong> wiederspiegeln.<br />

Im folgenden Kapitel werden deshalb, erhoffte und befürchtete Wirkungen benannt und<br />

ausführlich hinsichtlich ihrer Wirksamkeit auf das System Stadt untersucht. Erst auf Grundlage<br />

dieser Analyse kann dann eine Einschätzung über die Nutzbarkeit von Crime- Mapping- Systemen<br />

aus stadtplanerischer Sicht erfolgen.


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

3. Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

Das folgende Kapitel widmet sich wie bereits angesprochen mit den erhofften und befürchteten<br />

Wirkungen (Hoffnungen und Bedenken), die mit den frei online verfügbaren interaktiven Crime-<br />

Mapping- Systemen verbunden werden können. Zu diesem Zweck werden Thesen formuliert,<br />

deren Gültigkeit später anhand der existierenden Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> überprüft wird. Es<br />

soll der Frage nachgegangen werden, ob Hoffnungen tatsächlich als Chancen und Bedenken<br />

wirklich als Risiken betrachtet werden können bzw. müssen.<br />

Dabei wird, wie bereits angemerkt, die raumplanerische Perspektive eingenommen. Das bedeutet,<br />

dass die Einschätzung der Hoffnungen und Bedenken auf Grundlage folgender<br />

Beurteilungskriterien erfolgen wird:<br />

Welche Konsequenzen (Chancen und Risiken) ergeben sich für die verschiedenen Nutzer<br />

der <strong>Plattformen</strong>?:<br />

o Nutzer im Sinne städtischer Bevölkerung<br />

o Nutzer im Sinne der Polizei<br />

o Nutzer im Sinne städtischer Akteure im Allgemeinen<br />

o Nutzer im Sinne von Raum- und Umweltplanern im Speziellen<br />

Welche Folgen sind für städtische Räume und ihre Bewohner feststellbar?<br />

Außerdem wird bei der Beurteilung ein nachhaltiger Ansatz verfolgt, der sowohl soziale als auch<br />

ökonomische und ökologische Zusammenhänge in die Untersuchung einbezieht. Die gewählte<br />

Vorgehensweise sieht dabei im folgenden Kapitel zunächst eine gebündelte Abhandlung der<br />

Hoffnungen vor, woraufhin die Bedenken im daran anschließenden Kapitel gesondert betrachtet<br />

werden.<br />

3.1. Erhoffte Wirkungen | Chancen & Potenziale<br />

Zunächst werden die Systeme dahingehend untersucht, inwiefern die gehegten Hoffnungen<br />

tatsächlich Wirkung entfalten. Dabei können diese Hoffnungen einerseits mit den Zielsetzungen<br />

der Plattformbetreiber gleichgesetzt werden und andererseits ergibt sich ein weiterer Katalog an<br />

Erwartungen bzw. möglichen Chancen aus der raumplanerischen Betrachtungsperspektive.<br />

Die Vorgehensweise entspricht dabei dieser Zweiteilung, indem zunächst die von der Polizei<br />

verfolgten Ziele und damit auch die von ihr erhofften Chancen der <strong>Plattformen</strong> dargelegt werden.<br />

Hierzu wird eingangs ein Überblick über den polizeiinternen Einsatz von Crime- Mapping- Systemen<br />

dargelegt, da diese als Grundlage für die frei zugänglichen <strong>Plattformen</strong> verstanden werden können.<br />

Darauf aufbauend erfolgt die Darlegung der konkreten von der Polizei verfolgten Ziele.<br />

Im nächsten Schritt werden dann jene Hoffnungen behandelt, die sich aus Sicht eines Raum- und<br />

Stadtplaners ergeben könnten. An dieser Stelle werden die Systeme, wie bereits dargelegt,<br />

allerdings nicht ausschließlich hinsichtlich ihrer Einsatzmöglichkeiten für raumplanerische Prozesse<br />

untersucht, sondern es erfolgt darüber hinaus eine Darlegung des Potenzials für städtische Räume,<br />

Akteure und Bewohner.<br />

Es muss angemerkt werden, dass an dieser Stelle nur Thesen im Sinne von Hoffnungen besprochen<br />

werden. Insofern gegenläufige Bedenken bzw. Risiken zu einzelnen Thesen vorliegen, wird in<br />

57


58 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

diesem Kapitel zwar auf sie hingewiesen, eine detaillierte Betrachtung erfolgt aber erst im darauf<br />

folgenden Abschnitt 3.2.<br />

3.1.1. Erhoffte polizeiinterner Wirkungen<br />

Die Polizei nutzt den hier untersuchten <strong>Plattformen</strong> ähnelnde Systeme bereits seit längerer Zeit im<br />

Rahmen polizeiinterner Prozesse. Natürlich werden auch auf diesem Wege bestimmte Ziele<br />

verfolgt, die allerdings weniger als Hoffnungen, sondern vielmehr als konkreter Nutzen betrachtet<br />

werden können. Dieser wurde in vielerlei Hinsicht bereits klar belegt und dokumentiert. Es ist<br />

dennoch von Bedeutung die verschiedenen Verwendungen von Crime- Mapping- Systemen<br />

innerhalb polizeilicher Prozesse aufzuzeigen, da sie nicht nur die Ausgangslage der frei<br />

zugänglichen <strong>Plattformen</strong> darstellen, sondern da hierdurch darüber hinaus aufgezeigt werden<br />

kann, wie sich die Systeme in den Themenkomplex der polizeilichen Kriminalitätsanalyse bzw. –<br />

kartierung einordnen lassen.<br />

Die polizeiliche Kartierung von Kriminalität wird heutzutage als fester Bestandteil der<br />

Kriminalitätsanalyse betrachtet. Dabei wird diese polizeiliche Analyse von englischsprachigen<br />

Kriminalitätswissenschaftlern grundsätzlich in drei Hauptbestandteile gegliedert wird (Paynich &<br />

Hill 2010, S.11; Boba Santos 2011, S.62-67):<br />

(1) Tactical crime analysis – Taktische Kriminalitätsanalyse<br />

(2) Strategic crime analysis – Strategische Kriminalitätsanalyse<br />

(3) Administrative crime analysis – Administrative Kriminalitätsanalyse<br />

Diese drei Ausrichtungen unterscheiden sich sowohl hinsichtlich ihres Untersuchungsgegenstandes,<br />

als auch in Bezug auf die durch sie verfolgten Ziele. Um verstehen zu können, welche Rolle Crime-<br />

Mapping innerhalb der jeweiligen Analyseart spielt, ist es entscheidend, diese Differenzen exakt<br />

nachzuvollziehen. Dementsprechend werden die drei Analysetechniken im Folgenden hinsichtlich<br />

dieser Charakteristika untersucht.<br />

Bei der Tactical crime analysis (1) geht es vordergründig um die Analyse kurzfristiger Trends des<br />

Kriminalitätsverhaltens. Hierzu werden erfasste Delikte analysiert, die innerhalb eines kurzen<br />

Zeitraumes zuvor begangen wurden. Ziel ist es dabei, Muster zu erkennen, die es Polizisten im<br />

Einsatz erlauben, gezielter vorzugehen. Wenn es beispielsweise in einem bestimmten städtischen<br />

Gebiet an Wochentagen tagsüber überdurchschnittlich viele Hauseinbrüche gibt, kann die Polizei<br />

kurzfristig die Polizeipräsenz in diesem Gebiet erhöhen um den oder die Täter zu stellen oder<br />

zumindest abzuschrecken. Hierbei kommt der Kriminalitätskartierung eine zentrale Rolle zu. Denn<br />

eine räumliche Konzentration bestimmter Delikttypen kann nur dann festgestellt werden, wenn<br />

auch räumliche Analysen durchgeführt werden. Auf Grundlage der kartografischen Darstellung von<br />

Tatorten und weiteren tatspezifischen Charakteristika können räumliche Korrelationen zwischen<br />

einzelnen Taten ermittelt werden. Auf diese Weise kann es unter anderem gelingen, Serientäter zu<br />

ergreifen oder bisher ungeklärte Fälle einer Serie von Delikten mit ähnlichen Spezifika zuzuweisen<br />

und somit aufzuklären. Da die Ergebnisse solcher Kriminalitätsanalysen den im Einsatz befindlichen<br />

Polizisten übermittelt werden müssen, spielt die Kriminalitätskartierung erneut eine entscheidende<br />

Rolle (Boba Santos 2011, S.63-64).<br />

Wie umfangreich dieser Ansatz der Kriminalitätsanalyse und damit auch der Kriminalitätskarten vor<br />

allem im englischsprachigen Raum bereits genutzt wird, zeigt auch ein Beitrag des Fernseh-


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Wissensmagazins Planetopia mit dem Titel „Verbrecherjagd mit mathematischer Formel – Wie<br />

Polizisten Diebstähle voraussehen“ (Sat.1 18.06.2012). Hier wird am Beispiel der amerikanischen<br />

Stadt Santa Cruz gezeigt, dass Polizisten die Routen ihrer Streifenfahrten auf Grundlage der<br />

Berechnungen einer „mysteriös“ dargestellten Formel auswählen. Dabei handelt es sich um eine<br />

Berechnung, die kurzfristig aufgetretene kriminelle Vorkommnisse analysiert und Vorhersagen<br />

trifft, in welchen Gebieten mit erhöhtem Kriminalitätsaufkommen zu rechnen ist. Diese Ergebnisse<br />

werden den Polizisten dann in Form von Karten übermittelt. Hierdurch sei es ihnen möglich,<br />

effektiver Kriminalität zu bekämpfen und durch ihre Anwesenheit auch zu verhindern. Kurz gesagt<br />

handelt es sich um automatisierte taktische Kriminalitätsanalyse.<br />

Die Strategic Crime Analysis (2) beschäftigt sich zwar ebenfalls mit den Mustern krimineller<br />

Handlungen, jedoch wird hierbei eher das langfristige Kriminalitätsaufkommen analysiert. Auf<br />

Grundlage des zumeist sehr umfangreichen Datenmaterials, sollen dabei dauerhafte Probleme und<br />

Trends krimineller Art aufgedeckt werden, was zur Entwicklung von langfristigen Lösungsstrategien<br />

beitragen soll. Auch bei diesem Typus der Kriminalitätsanalyse kommt Crime- Mapping eine<br />

zentrale Rolle in zweierlei Hinsicht zu. Einerseits sind Karten entscheidender Bestandteil der<br />

Analyse der kriminellen Muster, z.B. wenn einige Delikttypen in bestimmten städtischen<br />

Teilräumen besonders häufig stattfinden. Andererseits müssen die Ergebnisse so aufbereitet<br />

werden, dass polizeiliche Entscheidungsträger zur Strategieentwicklung möglichst übersichtlich und<br />

umfassend über die kriminellen Entwicklungen informiert werden (Boba Santos 2011, S.64).<br />

Mit der Administrativ Crime Analysis (3) wird in der Regel nicht versucht kriminelles Verhalten<br />

genauer zu analysieren, vielmehr es handelt es sich um ein rein auf die Darstellung und<br />

Präsentation ausgelegtes Werkzeug. Das Hauptaugenmerk liegt also auf der Visualisierung von<br />

Sachverhalten im Kontext von Kriminalität. Dennoch kommt dem Baustein eine analytische<br />

Bedeutung zu, da die Entscheidung darüber, welche Informationen in was für einer Art und Weise<br />

dargestellt werden sollen, äußerst sensibel ist. Zur Klärung der letztgenannten Fragestellung ist die<br />

Zielgruppe von zentraler Bedeutung, da die Nutzer nicht nur unterschiedliche Daten erwarten,<br />

sondern diese auch sehr differenziert wahrnehmen (Paynich & Hill 2010, S.421). So müssen<br />

beispielsweise die Daten für politische Entscheidungsprozesse so zugeschnitten sein, dass auf ihrer<br />

Grundlage auch tatsächlich Beschlüsse erfolgen können. Dabei können die bereitgestellten<br />

Informationen nicht nur sehr spezifisch auf bestimmte Fragestellungen zugeschnitten, sondern gar<br />

äußerst komplex sein, insofern die Entscheidungsträger im betreffenden Feld hohe Kompetenz<br />

besitzen. Werden bestimmte Informationen aber an die gesamte Öffentlichkeit weitergegeben, so<br />

muss die Komplexität der dargestellten Sachverhalte im Sinne der allgemeinen Verständlichkeit<br />

deutlich reduziert werden. Außerdem sind auch nicht alle Informationen bezüglich krimineller<br />

Entwicklungen für die Öffentlichkeit bestimmt. So stellt Rachel Boba Santos in ihren Ausführungen<br />

fest, dass es sich bei den darzustellenden Informationen meistens lediglich „um die Spitze des<br />

Eisbergs“ der Datenbasis handelt, was nochmals verdeutlicht wie stark die Daten subsumiert<br />

werden müssen (ebenda S.65).<br />

Dass Crime- Maps im Rahmen der Präsentation und Darstellung krimineller Entwicklungen eine<br />

entscheidende Bedeutung zukommt, sollte wohl kaum angezweifelt werden. Diesem Teilbereich<br />

der Kriminalitätsanalyse kommt aber im Hinblick auf die vorliegende Untersuchung eine besondere<br />

Bedeutung zu, da die untersuchten, frei im Internet zugänglichen Crime- Mapping- Systeme der<br />

administrativen Kriminalitätsanalyse hinzugerechnet werden können. Wie kompliziert und<br />

59


60 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

problembehaftet dabei eine adäquate sowie nutzerorientierte Darstellung sein kann, ist auch<br />

Kapitel 3.2. zu entnehmen, welches die mit den Systemen verbundenen Bedenken untersucht und<br />

hinsichtlich ihres Risikopotenziales einschätzt.<br />

Tabelle 2: Übersicht über die drei Hauptbestandteile polizeilicher Kriminalitätsanalyse<br />

Ziel<br />

Untersuchungs-<br />

gegenstand<br />

Rolle des<br />

Crimemapping<br />

Taktisch Strategisch Administrativ<br />

Aufdecken von Mustern<br />

krimineller Handlungen zur<br />

gezielten Steuerung von<br />

Polizisten im Einsatz und zur<br />

Aufklärung konkreter Delikte<br />

Kurzfristiges<br />

Kriminalitätsverhalten<br />

Mittel zur Aufdeckung<br />

räumlicher Zusammenhänge<br />

von Straftaten<br />

Ergebnisdarstellung für<br />

Polizisten im Einsatz und für<br />

Einsatzleitung<br />

Aufdecken von Mustern<br />

krimineller Handlungen zur<br />

Entwicklung langfristig<br />

angelegter<br />

Lösungsstrategien<br />

Langfristiges<br />

Kriminalitätsverhalten<br />

Mittel zur Aufdeckung<br />

räumlicher<br />

Zusammenhänge von<br />

Straftaten<br />

Ergebnisdarstellung für<br />

polizeiliche<br />

Entscheidungsträger<br />

langfristiger<br />

Polizeistrategien<br />

Gezielte Information<br />

von Nutzergruppe<br />

hinsichtlich<br />

krimineller<br />

Entwicklungen<br />

Nutzergruppe der zu<br />

erstellenden Daten<br />

Ergebnisdarstellung<br />

für politische<br />

Entscheidungsträger<br />

und gesamte<br />

Öffentlichkeit<br />

Ein gesonderter Bestandteil der Kriminalitätsanalyse beschäftigt sich ebenfalls mit administrativen<br />

Aspekten der Polizeiarbeit. Bei der sogenannten „Police Operational Analysis“ oder auch<br />

„Operations Analysis“ versucht die Polizei die Effektivität der eigenen Arbeit zu überprüfen.<br />

Typische Indikatoren für die Analyse dieses Sachverhaltes sind unter anderem:<br />

• Benötigte Zeit zum Erreichen des Einsatzortes nach Eingang eines Notrufes – gibt<br />

Auskunft über ausreichende Anzahl an Personal und Radien polizeilicher<br />

Einsatzzentralen<br />

• Anzahl der Überstunden der beschäftigten Polizisten – ermöglicht Einschätzung<br />

bezüglich der Unter- oder Überbesetzung einzelner Polizeidienststellen<br />

Dass auch hier der Kartierung eine wichtige Rolle zukommt, ist angesichts der Abhängigkeit des<br />

erstgenannten Indikators von räumlicher und verkehrlicher Ausstattung offensichtlich. Dennoch<br />

wird diese Art der Kriminalitätsanalyse separat betrachtet und nicht der administrativen<br />

Kriminalitätsanalyse zugerechnet, da es nicht darum geht Kriminalität zu bekämpfen oder zu<br />

verhindern, sondern lediglich der Effektivität der Polizeiarbeit Beachtung geschenkt wird.<br />

Weitere Anwendungsmöglichkeiten von Crime- Maps im Rahmen der analytischen Polizeiarbeit, die<br />

ebenso wenig den Hauptrichtungen zugerechnet werden, sind die „Intelligence Analysis“ und<br />

„Criminal Investigative Analysis“. Bei Ersterer geht es darum, kriminelle Netzwerke wie zum<br />

Beispiel Ringe von Autoschiebern oder Hehlern zu identifizieren, um sie anschließend effektiv<br />

bekämpfen zu können. Hierbei wird also in der Regel organisierter Kriminalität begegnet, indem<br />

Verdächtige mit Taten und Tatorten verknüpft werden, was unter anderem mithilfe von<br />

Kartierungen geschieht. Bei der zweiten genannten Anwendung geht es um die konkrete<br />

Täterfindung im Bereich der Kriminalität gegen Personen wie Vergewaltigung oder Mord. Dabei<br />

werden tatspezifische Charakteristika analysiert um ein Profil des Täters zu erstellen. Das


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

kartografische „geographic profiling“ wird dabei als spezifisches Teilgebiet genutzt, um entweder<br />

zukünftige Tatorte oder gar den Wohnort eines Täters zu ermitteln (Boba Santos 2011; S.62-63).<br />

Auffällig ist, dass diese Formen der Anwendung sehr spezifische Delikttypen Untersuchen und<br />

damit kaum für die Darstellung frei zugänglicher Crime- Maps zu gebrauchen sind. Bei beiden Arten<br />

werden außerdem Informationen einbezogen, welche nicht direkt etwas mit Kriminalität zu tun<br />

haben. So kann beispielsweise das Reise- und Aufenthaltsverhalten von Personen in diese<br />

Untersuchungen einbezogen werden, um herauszufinden, ob sie für bestimmte Delikte als Täter in<br />

Frage kommen oder ob sie sich als Teil der organisierten Kriminalität an der Tatausführung<br />

beteiligen. Dass Informationen über Tatverdächtige nicht an die Bevölkerung weitergegeben<br />

werden, ist in vielerlei Hinsicht nachvollziehbar (Datenschutz, Unschuldsannahme bis zum Beweis<br />

der Schuld, Polizeitaktische Nachteile).<br />

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Crime- Mapping die Polizeiarbeit in zweierlei<br />

Hinsicht bereichert. Zum einen kommt der Kartierung von Kriminalität eine entscheidende Rolle im<br />

Rahmen der Kriminalitätsanalyse zu und zum anderen ist sie das zentrale Werkzeug bei der<br />

Darstellung der ermittelten Ergebnisse für verschiedene Nutzergruppen. Crime- Mapping ist also<br />

sowohl Mittel der Polizeiarbeit als auch Kommunikationsinstrument.<br />

Die in der vorliegenden Arbeit untersuchten interaktiven online Crime- Mapping- Systeme können<br />

demzufolge als Kommunikationsinstrument der administrativen Kriminalitätsanalyse eingeordnet<br />

werden.<br />

Abbildung 41: Kernelemente Kapitel 3.1.1. – Erhoffte polizeiinterner Wirkungen<br />

(1) Polizeiintern werden interaktive Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> bereits seit<br />

vielen Jahren umfangreich eingesetzt.<br />

(2) Sie sind dabei Bestandteil aller polizeilichen Schritte der Kriminalitätsanalyse,<br />

wobei es sich um die folgenden handelt:<br />

a. Tactical crime analysis – Taktische Kriminalitätsanalyse<br />

b. Strategic crime analysis – Strategische Kriminalitätsanalyse<br />

c. Administrative crime analysis – Administrative Kriminalitäsanalyse<br />

(3) Die Kriminalitätskartierung wird hierbei analytisch zum Aufzeigen von<br />

räumlichen Mustern kriminellen Verhaltens und deskriptiv zur Darstellung<br />

dieser Muster eingesetzt<br />

(4) Die hier untersuchten, frei im Internet zugänglichen Crime- Mapping-<br />

<strong>Plattformen</strong> sind in diesem Sinne als Kommunikationsinstrument der<br />

administrativen Kriminalitätsanalyse zu betrachten.<br />

3.1.2. Erhoffte Wirkungen der Polizei<br />

Den Einstieg in die mit den interaktiven Crime- Mapping- Systemen verbundenen Hoffnungen<br />

sollen nun die von der Polizei verfolgten Zielsetzungen bilden, da sie als der eigentliche Grund für<br />

ihre Einführung verstanden werden können. Denn wenn sich die Polizei keinerlei Effekte von den<br />

Systemen versprechen würde, wäre die Einführung der Systeme im englischsprachigen Raum<br />

sicherlich nicht oder zumindest nur in begrenztem Maß erfolgt. Nichtsdestotrotz muss natürlich<br />

61


62 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

auch hinsichtlich dieser Hoffnungen überprüft werden, ob und inwiefern sie tatsächlich erfüllt<br />

werden, um das ihnen innewohnende Potenzial fachgerecht einschätzen zu können.<br />

Einen umfassenden Einblick in die von den amerikanischen Strafverfolgungsbehörden verfolgten<br />

Zielsetzungen bietet das U.S. amerikanische Justizministerium in seinem „Guide for Sharing Crime<br />

Maps and Spatial Data“ (Wartell & McEwen 2001, S.5-6). Auch in Großbritannien werden mit der<br />

Plattform police.uk vergleichbare Ziele verfolgt, was Spencer Chainey und Lisa Tompson in einem<br />

diesbezüglichen Artikel eingehend darlegen (Chainey & Tompson 2012, S.2-4). Zusammenfassend<br />

können im englischsprachigen Raum die folgenden Thesen/ Ziele/ Hoffnungen festgestellt werden:<br />

(1) Bürger werden besser über Umfang und Entwicklung von Kriminalität informiert, was<br />

Fehleinschätzungen und Kriminalitätsangst mindert und weiteren Arbeitsaufwand<br />

reduziert.<br />

(2) Die Veröffentlichung von Kriminalitätsdaten mit Raumbezug erhöht das Vertrauen in die<br />

Polizeiarbeit und sorgt somit für Transparenz.<br />

(3) Die Bindung der Bewohner zum eigenen Quartier und zur lokalen Polizei wird erhöht, was zu<br />

besserer Zusammenarbeit und effektiverer Polizeiarbeit führt.<br />

(4) Bewohner werden befähigt, eigenständig präventive Maßnahmen zu ergreifen.<br />

(5) Kriminalität kann infolge der voranstehenden Punkte verhindert und somit verringert<br />

werden.<br />

Beginnen wir nun die schrittweise Betrachtung dieser fünf Thesen mit der erstgenannten besseren<br />

Information der Bürger über Ausmaß und Trends von Kriminalität (1). Dass von Seiten der<br />

Bevölkerung ein gewisses Interesse über die kriminelle Lage des eigenen Wohnquartiers und<br />

potenzieller zukünftiger Wohnorte besteht, wird sowohl von englischsprachigen als auch<br />

deutschsprachigen Polizeidienststellen bestätigt. So wurde im Rahmen eines Experteninterviews<br />

mit einem Kriminalstatistiker des saarländischen Landeskriminalamts darauf hingewiesen, dass<br />

diesbezügliche Anfragen aus der Bevölkerung durchaus häufig eingehen (Exner & Wendt<br />

24.08.2012). So berichtet auch die Tageszeitung taz, in einem Beitrag aus dem März 2011, dass in<br />

der Startphase der britischen Plattform police.uk stündlich mehrere Millionen Seitenaufrufe<br />

vorgenommen wurden, was die Seite zwischenzeitlich sogar überlastete (Diebel 2011). Dieser<br />

Nutzeransturm trifft offenbar auch auf die mobilen Applikationen zu. So berichtet der Betreiber der<br />

Plattform crimereports.com (namentlich: PublicEngines, Inc.) von über 100.000 heruntergeladenen<br />

I-Phone Apps mit mehr als 8 Millionen Suchanfragen in nur 30 Tagen nach Veröffentlichung der<br />

Anwendung (Gunter 2010a). Außerdem scheinen große Teile der Nutzer auch langfristig an den<br />

Informationen Interesse zu zeigen. Laut Eigenaussage von crimereports.com steige der<br />

Datenaustausch in den vergangenen Jahren kontinuierlich und es lägen mehr als 100.000 Nutzer<br />

vor, die tägliche, wöchentliche und monatliche Kriminalitätsupdates abonniert hätten. Darüber<br />

hinaus deutet auch die steigende Anzahl der durch die Plattform betreuten Polizeidienststellen auf<br />

eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit hin. Mittlerweile zählen weltweit mehr als 1.000<br />

Dienststellen zu den Kunden von crimereports.com (ebenda). Das U.S. Justizministerium stellt<br />

außerdem fest, dass diese Informationen sowohl die Wohnortwahl, als auch die Schulwahl von<br />

Eltern für ihre Kinder stark beeinflussen (Wartell & McEwen 2001, S.2).<br />

Die im Saarland feststellbaren, spezifischen Rückfragen bezüglich des Kriminalitätsaufkommens<br />

bestimmter Räume, verdeutlichen aber nicht nur, dass Interesse an diesen Informationen besteht,


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

sondern auch, dass die derzeit zur Verfügung gestellten Informationen in Form von Berichten und<br />

statistischen Auswertungen größerer Geltungsbereiche, den Bedürfnissen der Bevölkerung nicht<br />

vollends gerecht werden. Im konkreten Fall des Saarlandes lassen die finanziellen Mittel eine<br />

detailliertere und somit eventuell kleinräumig ausdifferenzierte, statistische Auswertung allerdings<br />

auch gar nicht zu. Fragen Bürger spezifische Informationen ab, werden diese vielmehr<br />

„mundgerecht“ zugeschnitten und weitergereicht (Exner & Wendt 24.08.2012), was im Sinne eines<br />

kostensparenden Personalaufwandes allerdings auch nicht als Ideallösung betrachtet werden kann.<br />

Bereits hier zeigt sich, dass die halbautomatische Kartenerstellung der Crime- Mapping-<br />

<strong>Plattformen</strong> zu einer umfangreicheren und den Bedürfnissen der Bürger entsprechenden<br />

Information beitragen könnte.<br />

Außerdem werden die Kriminalitätsstatistiken grundsätzlich in bestimmten, zuvor festgelegten,<br />

zeitlichen Rhythmen veröffentlicht, die in der Regel nicht auf das eigentliche<br />

Kriminalitätsaufkommen abgestimmt sind. Beispielsweise veröffentlicht das saarländische<br />

Landeskriminalamt einmal jährlich in der zweiten Jahreshälfte eine Kriminalstatistik des<br />

vorangegangen Jahres. Damit werden kurzfristige Trends und Entwicklungen für den Bürger nicht<br />

oder nur sehr zeitversetzt wahrnehmbar. Da die interaktiven online Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong><br />

aber nahezu in Echtzeit angepasst werden können, erlauben sie eine zeitnahe Information der<br />

Bürger, was die in den Systemen zur Verfügung gestellten Informationen gegenüber den üblichen<br />

Statistiken abermals deutlich aufwertet.<br />

Darüber hinaus wird die Wirkung von reinen Kriminalitätsstatistiken derzeit von vielen<br />

Untersuchungen stark hinterfragt. So wurde für Großbritannien festgestellt, dass die Bevölkerung<br />

nicht dazu in der Lage gewesen sei, die früher von der Polizei veröffentlichten<br />

Kriminalitätsstatistiken, aufgrund ihrer Beschaffenheit, richtig zu interpretieren bzw. zu verstehen<br />

(Chainey & Tompson 2012, S.3). Eine experimentelle Studie von Groff et al., die verschiedene<br />

Darstellungstypen von Kriminalität (Statistiken, graduierte Symbole und Dichtekarten) auf ihre<br />

Wirkung hin untersucht, konnte zwar keine bessere Verständlichkeit der Karten gegenüber<br />

Statistiken feststellen, verweist aber auf ein höheres Risiko von Statistiken, Angst zu erzeugen<br />

(Groff et al. 2005, S.87). Welche Bedeutung dem Aspekt der Angsterzeugung zukommt und welche<br />

Risiken damit verbunden sind, wird in Kapitel 3.2.4.näher behandelt.<br />

Die Dienststellen erhoffen sich, dass anders als bei traditionellen Kriminalitätsstatistiken, durch<br />

aktuelle, raumbezogene Daten in Form von digitalen Karten eine bessere Information der<br />

Bevölkerung erzielt werden kann, die diese dazu befähigt, Kriminalität besser einschätzen zu<br />

können. Hiervon verspricht sich die Polizei außerdem eine deutliche Verringerung des allgemeinen<br />

Arbeitsaufwandes hinsichtlich der Beantwortung von Bewohneranfragen (Wartell & McEwen 2001,<br />

S.5). Dabei erscheint der erwartete Rückgang einerseits recht nachvollziehbar, da Bewohner dank<br />

der <strong>Plattformen</strong> raumspezifische Deliktinformationen nicht mehr bei der Polizei anfordern<br />

müssten, weil sie im Internet frei zugänglich wären. Andererseits ist nicht faktisch belegbar,<br />

inwiefern das Verständnis der Bevölkerung hinsichtlich krimineller Handlungen tatsächlich so stark<br />

verbessert wird, dass mit weniger Rückfragen mehr oder minder „verängstigter bzw. beunruhigter“<br />

Bewohner gerechnet werden kann. Da sich der zusätzliche Arbeitsaufwand zur Datengenerierung<br />

für die <strong>Plattformen</strong> aufgrund weitreichender Automatisierung allerdings in Grenzen hält, kann die<br />

Polizei nach einer recht arbeitsintensiven Einarbeitungsphase aber durchaus mit merklichen<br />

Aufwandseinsparungen rechnen.<br />

63


64 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

Diese Einschätzung erfolgt indessen unter dem Vorbehalt, dass etwaige positive Auswirkungen nur<br />

dann zutage treten können, insofern das auf den <strong>Plattformen</strong> veröffentlichte Kartenmaterial die<br />

Kriminalität sach- und fachgerecht abbildet. Denn wenn beispielsweise eine mangelhafte<br />

Visualisierung der kriminellen Handlungen Fehlinterpretationen auslöst, so ist zu vermuten, dass<br />

sich gegenläufige Effekte zeigen werden (z.B. häufige Nachfragen oder Beschwerdeanrufe). Daher<br />

können diese Hoffnungen nur dann auch als Chancen verstanden werden, wenn die in Kapitel 3.2.<br />

dargestellten Bedenken beachtet und vermieden werden.<br />

Die zweite von der Polizei erhoffte Wirkung der interaktiven online Crime- Mapping- Systeme<br />

bezieht sich auf die Vertrauensbildung der Bevölkerung gegenüber der Polizeiarbeit (2).<br />

Diesbezüglich bieten die Erkenntnisse der bereits angeführten Abhandlung von Spencer Chainey<br />

und Lisa Tompson „Engagement, Empowerment and Transparency: Publishing Crime Statistics<br />

using Online Crime Mapping“ einen detaillierten Einblick in die Entwicklung des Vertrauens der<br />

Bevölkerung in Kriminalstatistiken in Großbritannien und die sich daraus ergebenden erhofften<br />

Wirkungen der online Crime-Mapping - <strong>Plattformen</strong>.<br />

So wird hier dargelegt, dass vor der Einführung der nationalen Crime- Mapping- Plattform<br />

police.uk, verschiedene Studien mangelndes Vertrauen der Bevölkerung gegenüber polizeilicher<br />

Kriminalstatistiken feststellten. Die Gründe hierfür sind durchaus vielfältig und sind nicht<br />

ausnahmslos der Polizei zuzurechnen. Grundsätzlich liegt die Einschätzung vor, dass die Statistiken<br />

nicht hundertprozentig nachvollziehbar waren und ein Großteil der Bevölkerung ihr<br />

Zustandekommen nicht einschätzen konnte (vgl. hierzu auch Kapitel 2.1.3.). Darüber hinaus wird<br />

auch die Verbreitung der Informationen durch die einbezogenen Studien sehr deutlich hinterfragt.<br />

Denn die Kriminalitätsstatistiken wurden nicht so aufbereitet und verfügbar gemacht, als dass sich<br />

ein breiter Teil der Öffentlichkeit dafür interessiert bzw. darauf Zugriff gehabt hätte. Als Folge<br />

gelangten natürlich vor allem jene Informationen aus den Statistiken an die Öffentlichkeit, die<br />

durch andere Personen herausgefiltert wurden. Chainey und Tompson formulieren dies mit den<br />

Worten, dass Journalisten und Politiker genau die „Rosinen“ – also Zahlen und Grafiken – aus den<br />

Statistiken „herauspickten“, die ihre Argumente am besten stützten (Chainey & Tompson 2012;<br />

S.3). Wie bereits in Kapitel 2.1.3. dargelegt, lassen dieselben Zahlen allerdings äußerst<br />

unterschiedliche Interpretationsansätze zu, was auch in Großbritannien für ausreichend<br />

Diskussionsstoff sorgte. Letztendlich kamen die von der Polizei veröffentlichten Statistiken, die<br />

rückläufigen Zahlen der Kriminalitätsbelastung belegen konnten, nicht gegen die wenigen von<br />

Medien angeheizten zumeist höchst konfliktiven Informationen an, was zu einer Fehleinschätzung<br />

der Bevölkerung bezüglich der wahren kriminellen Belastung führen musste.<br />

Angesichts dieser Sachlage scheint die Skepsis der Bevölkerung gegenüber polizeilichen Statistiken<br />

durchaus nachvollziehbar. Genau dieser Argwohn soll aber mit den interaktiven frei verfügbaren<br />

<strong>Plattformen</strong> behoben werden, da die Bevölkerung auf diesem Weg befähigt wird, sich selbst ein<br />

Bild von der tatschlichen Kriminalität zu machen und nicht mehr auf die Berichterstattung dritter<br />

angewiesen ist. Außerdem kann auch die Nachvollziehbarkeit der Datensätze für die Bevölkerung<br />

erhöht werden, da jedes Delikt nicht nur abstrakt als Zahl in einer Statistik auftaucht, sondern<br />

räumlich zuordenbar gekennzeichnet ist. Hieraus erhofft sich die britische Polizei nicht nur ein<br />

erhöhtes Vertrauen gegenüber den polizeilichen Statistiken, sondern gar gegenüber der<br />

Polizeiarbeit im Allgemeinen.


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Es ist augenscheinlich, dass zur Erreichung dieses Zieles ganz konkrete Informationen veröffentlicht<br />

werden müssen, die Erkenntnisse hinsichtlich der polizeilichen Praxis zulassen. Wie bereits in<br />

Kapitel 2.2.2. dargelegt, versucht die britische Polizei diesem Ziel durch die Offenlegung aller<br />

gemeldeten Delikte samt des jeweiligen polizeilichen Ermittlungsstandes gerecht zu werden. Eine<br />

bloße Verortung von gemeldeten Delikten, wie sie von vielen anderen <strong>Plattformen</strong> durchgeführt<br />

wird, erscheint dementgegen nicht unmittelbar die Chance einer transparenten und besser<br />

nachvollziehbaren Polizeiarbeit zu erhöhen. Vielmehr weisen fast alle interaktiven online Crime-<br />

Mapping- Systeme gewisse Unklarheiten bzw. Ungenauigkeiten auf, die dem betreffenden Nutzer<br />

ein Gefühl der Intransparenz und mangelnden Nachvollziehbarkeit vermitteln. Dieses Problemfeld<br />

wird in Kapitel 3.2. eingehend behandelt und außerdem hinsichtlich der bereits angesprochenen<br />

unterschiedlichen Visualisierungstypen differenziert. Denn jede Visualisierungsart nimmt<br />

bestimmte Kategorisierungen bzw. Abstraktionen vor, die nur dann keine negativen Effekte haben,<br />

wenn sie durch die <strong>Plattformen</strong> klar einsehbar dargestellt und eingestanden werden. In diesem<br />

Sinne sollten auch die in Kapitel 2.1.3 betrachteten Probleme und Mängel polizeilicher Erfassung<br />

veranschaulicht werden.<br />

Demnach kann die Hoffnung, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei steigt und das die<br />

Polizeiarbeit transparenter von statten geht, nur dann Wirklichkeit werden, wenn die <strong>Plattformen</strong><br />

den angeführten Risiken gerecht werden.<br />

Auch die Hoffnung der Schaffung einer erhöhten Bindung zwischen Bewohnern, ihren<br />

Wohnquartieren und der lokalen Polizei (3) durch Crime- Mapping- Systeme zielt zum Teil auf eine<br />

Stärkung des Vertrauens der Bevölkerung gegenüber der Polizei ab. Ausgangspunkt dieser<br />

Hoffnung ist die Vermutung, dass die Nutzer der <strong>Plattformen</strong> vordergründig das<br />

Kriminalitätsverhalten im eigenen Wohnquartier untersuchen und auf diesem Wege für Probleme<br />

innerhalb der eigenen Nachbarschaft sensibilisiert werden. Hieraus entstünde ein stärkeres<br />

nachbarschaftliches Engagement, da sich die Bewohner zunehmend mit ihren Nachbarschaften<br />

identifizieren würden. So würde dem Thema Kriminalität eine breite Aufmerksamkeit zuteilwerden,<br />

die sich unter Umständen sogar in der Initiierung gemeinschaftlicher Vereine zum Schutz und zur<br />

Vorbeugung vor Kriminalität äußern könnte (z.B. Nachbarschaftswachen). Tatsächlich wurde das<br />

Interesse von Plattformnutzern am eigenen Wohn- und Arbeitsumfeld im Rahmen einer Evaluation<br />

einer der ersten Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> (Plattform: ARJIS der Stadt San Diego) ebenfalls<br />

bestätigt. Nahezu die Hälfte aller Nutzer gab hier an, dass für sie vornehmlich die kriminelle<br />

Situation jener Quartiere von Interesse ist, in denen sie wohnen oder arbeiten. Nennenswerte<br />

Anteile verfielen in dieser Befragung lediglich noch auf Personen, die sich aufgrund eines<br />

bevorstehenden Umzugs über mögliche neue Wohnquartiere erkundigen wollten (Wartell 2001;<br />

S.3).<br />

Da die lokalen Polizeidienststellen die Systeme mit den betreffenden Daten füllen und gezielte<br />

Hinweise zu bestimmten Sachverhalten an die Nutzer versenden, soll auch eine Erhöhung der<br />

Bindung zwischen Bevölkerung und lokaler Polizei erreicht werden. Wenn sich bereits<br />

Nachbarschaftsgruppen gebildet haben, ist es für die Polizei sogar noch einfacher, mit ihnen Dialog<br />

zu treten, als wenn es sich ausschließlich um Einzelpersonen handelt. Dennoch können die<br />

<strong>Plattformen</strong> als erster möglicher Kontaktpunkt zwischen interessierten Bürgern und<br />

kooperationswilliger Polizei verstanden werden.<br />

65


66 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

Die interaktiven online Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> können demnach als ein wichtiges Werkzeug<br />

im Rahmen der Polizeistrategie des Community Policing verstanden werden (vgl. Kapitel 2.1.4), die<br />

ebenfalls eine engere Zusammenarbeit mit der ansässigen Wohnbevölkerung vorsieht.<br />

Dementsprechend verfolgt die Polizei auch mit den <strong>Plattformen</strong> das Ziel, dass ein steter<br />

Informationsaustausch zwischen Bürgern und Polizeidienststellen angeregt wird. Denn einerseits<br />

fließen Informationen über gemeldete bzw. aufgenommene Delikte an die Bevölkerung, die<br />

ihrerseits eventuell Informationen zur Aufklärung ungelöster Delikte beitragen kann. Außerdem<br />

verspricht sich die Polizei zudem Meldungen noch nicht bekannter Taten und Hinweise zu<br />

möglichweise aufkommender Problemlagen. Die <strong>Plattformen</strong> können außerdem dahingehend als<br />

Bindeglied wirken, als dass Nutzer gezielt zu polizeilichen Informations- und Werkstattabenden<br />

eingeladen werden könnten, um dort auf Grundlage der in den <strong>Plattformen</strong> zusammengetragenen<br />

Ergebnisse, gemeinsame Lösungsstrategien und präventive Maßnahmen zu entwickeln. Dass sich<br />

diese Ansätze durchaus Vertrauensfördernd auswirken können, sollte unbestritten sein.<br />

Die vierte von der Polizei mit den interaktiven Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> in Verbindung<br />

gebrachte Hoffnung, steht in direktem Zusammenhang zu den zuvor angesprochenen Punkten.<br />

Man geht von Seiten der Strafverfolgungsbehörden davon aus, dass die Bevölkerung aufgrund Ihres<br />

aufgebauten Wissens um kriminelle Vorgänge und des erhöhten Nachbarschaftsbewusstseins<br />

eigenständig präventive Maßnahmen ergreifen könne (4). Dabei kann es sich einerseits um reine<br />

Meidungsmaßnahmen und andererseits um konkrete Schutzmaßnahmen handeln, die<br />

anschließend anhand von Beispielen näher erläutert werden.<br />

Meidungsmaßnahmen sind die einfachste und direkteste Reaktion auf potenziell gefährlich<br />

wirkende Räume. Städtische Räume, die durch eine Crime- Mapping- Plattform als besonders<br />

gefährlich gekennzeichnet werden (z.B. hinsichtlich von Raubüberfällen oder Drogenhandel)<br />

können durch die Nutzer der <strong>Plattformen</strong> einfach gemieden bzw. umgangen werden. Zeigt eine<br />

solche digitale Kartierung andererseits ein hohes Aufkommen an sexuellen Übergriffen in<br />

bestimmten Regionen, so werden Frauen in den Abendstunden andere Wege wählen oder nur in<br />

Begleitung unterwegs sein. <strong>Plattformen</strong> die Abfragemöglichkeiten hinsichtlich der jeweiligen<br />

Tatzeiten anbieten, können bei diesem konkreten Beispiel natürlich von besonderem Nutzen sein.<br />

Die folgende Abbildung 42 zeigt diesbezüglich eine Darstellung der Plattform San Francisco<br />

crimespotting, bei der alle, in den Nachtstunden verübten, gegen das leibliche Wohl von Personen<br />

gerichteten Übergriffe, für einen Teilbereich der Stadt San Francisco abgerufen bzw. dargestellt<br />

wurden. Es wird eine deutliche Anhäufung von Delikten im westlichen Teilbereich des<br />

Kartenausschnittes ersichtlich. Plattformnutzer können anhand dieser Information die betroffenen<br />

Räume meiden, wenn sie in den Abendstunden unterwegs sind.


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Abbildung 42: Darstellung von in den Nachtstunden verübten Delikten (Plattform: San Francisco crimespotting)<br />

An dieser Stelle wird auch die Nützlichkeit mobiler Crime- Mapping- Systeme ersichtlich. Wenn<br />

man sich in einem unbekannten Gebiet einer Stadt bewegt und nicht sicher ist, welchen Weg man<br />

bis zum gewünschten Ziel einschlagen soll, kann man mit Hilfe der mobilen Applikation zumindest<br />

solche Orte meiden, die in der Vergangenheit durch hohe Übergriffzahlen auffällig geworden sind.<br />

Der Grund für die Meidung von bestimmten Räumen ist dabei nicht zwingend in einer rationalen<br />

Wahlhandlung zu sehen, sondern er kann unter Umständen auch ausschließlich in mehr oder<br />

minder gerechtfertigten Angstgefühlen seine Ursache haben. Weitere Ausführungen hinsichtlich<br />

der durch die Crime- Mapping- Systeme verursachten Ängste werden in Kapitel 3.2.4.<br />

vorgenommen. Dennoch sollte bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die<br />

betroffenen Räume durch zunehmende Meidung noch anfälliger für gewisse Deliktarten werden<br />

können, da sie dann noch unbelebter werden und somit noch attraktiver für Täter erscheinen.<br />

Die Dimensionen möglicher, ergreifbarer Schutzmaßnahmen durch die Nutzer sind demgegenüber<br />

jedoch sehr weit gefächert und können von vergleichsweise einfachen Vorkehrungen auf<br />

persönlicher Ebene bis hin zu komplexen Gegenmaßnahmen reichen, die von größeren<br />

Bevölkerungsgruppen und anderen Akteuren gemeinschaftlich durchgeführt werden. Ein Beispiel<br />

soll anschließend darstellen, wie unterschiedlich die Maßnahmen dabei ausfallen können. Wenn<br />

die Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> beispielsweise hohe Deliktzahlen für Diebstähle aus PKW in<br />

einem Einzelhandelsgebiet aufzeigen (vgl. Abbildung 43), so können PKW- Besitzer verstärkt darauf<br />

achten, dass ihre Fahrzeuge komplett verschlossen sind und keine Wertgegenstände offen<br />

ersichtlich herumliegen. Auf diese Weise könnte die Viktimisierung durch Verringerung der<br />

Tatgelegenheiten durchaus vermindert werden. Allerdings ist auch denkbar, dass Betreiber der<br />

Einzelhandelsbetriebe durch die <strong>Plattformen</strong> auf die Problemlage aufmerksam werden und zum<br />

Schutz ihrer Kunden Schutzmaßnahmen ergreifen (z.B. durch Installation von<br />

Überwachungskameras an Parkplätzen oder den Einsatz privater Sicherheitsunternehmen). In<br />

diesem Falle würde man das Entdeckungsrisiko für Täter erhöhen und somit eventuell eine<br />

Reduzierung der Einbrüche erreichen.<br />

67


68 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

Abbildung 43: Beispiel der Häufung von Diebstählen aus Autos im Umkreis eines Einkaufszentrums<br />

Entsprechend hohe Bedeutung kommt bei dieser Hoffnung natürlich auch der Aktualität der Daten<br />

zu, denn räumliche Muster hinsichtlich bestimmter Delikte sind zumeist nur über begrenzte<br />

Zeiträume vorhanden. So wird ein Dieb sein Unwesen nicht dauerhaft am selben Ort treiben, da er<br />

sonst Gefahr läuft, doch entdeckt zu werden. Daher muss die bereits unter Punkt (1)<br />

angesprochene Echtzeitinformation als sehr große Stärke und Chance interaktiver online Crime-<br />

Mapping- Systeme betrachtet werden.<br />

Nichtsdestotrotz müssen auch hier erste Bedenken angebracht werden, die in den letzten Jahren in<br />

vielerlei Hinsicht international Beachtung fanden. Denn gerade in Bezug auf Maßnahmen, die<br />

aufgrund vermeintlich hoher bzw. steigender Kriminalität, zu verstärkter Überwachung bestimmter<br />

Räume und Bewaffnung von Privatpersonen führten, waren zuletzt viele kritische Stimmen zu<br />

hören. Es sei an dieser Stelle auf den Fall des im Februar 2012 erschossenen schwarzen<br />

Jugendlichen Trayvon Martin hingewiesen, für den ein Bürgerwehrmitglied rechtlich fast nicht<br />

verfolgt wurde, was weltweit Proteste auslöste. Außerdem scheint sich bis auf wenige Ausnahmen<br />

die Meinung durchgesetzt zu haben, dass es sich bei Kameraüberwachungssystemen (CCTV) eher<br />

um eine Methode staatlicher Überwachung und Kontrolle, als um ein geeignetes Mittel zur<br />

Verbrechenbekämpfung handelt (vgl. Wehrheim 2002, S.81-82, 91-95). Auch hier muss erneut auf<br />

die tiefergehenden Ausführungen im Kapitel 3.2. verwiesen werden.<br />

Die fünfte und letzte von der Polizei erhoffte Wirkung interaktiver online Crime- Mapping- Systeme<br />

kann als Folge und Zusammenfassung der zuvor angesprochenen Hoffnungen betrachtet werden.<br />

Durch verbesserte Kenntnis der Bevölkerung um kriminelle Sachverhalte, vertiefte<br />

Zusammenarbeit zwischen ihr und lokalen Polizeidienststellen, sowie präventive<br />

Selbstschutzmaßnahmen soll das allgemeine Kriminalitätsaufkommen sinken (5), da einerseits die<br />

Tatgelegenheiten zurückgehen sollten, und andererseits das Entdeckungsrisiko erhöht wird.<br />

Darüber hinaus verspricht sich die Polizei natürlich auch die frühzeitige Verhinderung einer Vielzahl<br />

möglicher Delikte aufgrund der kooperativen Zusammenarbeit mit der Bevölkerung. In Summa<br />

erwartet die Polizei vor allem einen Rückgang im polizeilichen Arbeitsaufwand, der in besserer


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Kriminalitätsvorbeugung sowie automatisierter Information und Hilfestellung für die Bürger<br />

begründet wird.<br />

Dass sich dieser Rückgang aber immer nur auf jene Teilräume beziehen kann, an denen konkrete<br />

Maßnahmen zur Verringerung und Vermeidung von Kriminalität erfolgen, muss ebenfalls beachtet<br />

werden. Es ist also nicht ausreichend, lediglich Deliktinformationen über die <strong>Plattformen</strong> zu<br />

veröffentlichen und auf Reaktionen der Bevölkerung zu hoffen, sondern es müssen darüber hinaus<br />

gemeinschaftliche Wechselbeziehungen initiiert werden. Außerdem muss auf das Problem des<br />

sogenannten „Discplacement“ hingewiesen werden, welches auch in Kapitel 3.2.7. näher<br />

beleuchtet wird. Hier wird der Frage nachgegangen, inwiefern das Verhindern und Vorbeugen von<br />

Kriminalität nur eine Verdrängung von Taten in andere Räume verursacht und damit nicht zu einem<br />

Rückgang der Kriminalität im Allgemeinen führt.<br />

Zusammenfassend kann es mit den Worten Chaineys und Tompsons beschrieben werden, die die<br />

voranstehende Argumentation der Strafverfolgungsbehörden für einen Einsatz der interaktiven<br />

online Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> zwar durchaus nachvollziehen können, ihnen aber nur<br />

Gültigkeit zusprechen, insofern die Bevölkerung durch die Systeme tatsächlich besser informiert<br />

und befähigt wird, Kriminalität zu verstehen und mit ihr umzugehen. Dabei zweifeln sie an, das die<br />

vorhandenen Systeme dieser Anforderung bis zum jetzigen Zeitpunkt gerecht werden (Chainey &<br />

Tompson 2012; S.4). Zwar soll in der vorliegenden Abhandlung erst nach Darlegung aller<br />

Hoffnungen und Bedenken eine abwägende Einschätzung des Nutzen- Risiken Verhältnisses von<br />

Crime- Mapping- Systemen erfolgen, dennoch muss bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen<br />

werden, dass sich die hier dargestellten Hoffnungen nur unter Berücksichtigung der in Kapitel 3.2.<br />

dargestellten Bedenken in vollem Umfang entfalten können.<br />

Abbildung 44: Kernelemente Kapitel 3.1.2. – Erhoffte Wirkungen der Polizei<br />

(1) Die Strafverfolgungsbehörden sehen in interaktiven online Crime- Mapping-<br />

<strong>Plattformen</strong> ein wichtiges Werkzeug der Polizeiarbeit, da sie sich folgende<br />

Wirkungen dieser <strong>Plattformen</strong> erhoffen:<br />

a. umfassendere und bedürfnisgerechtere Information der Bürger über<br />

Ausmaß und Trends von Kriminalität<br />

b. bessere Bindung zur Bevölkerung und stärkere Kooperation<br />

c. Erhöhung des Vertrauens der Bevölkerung in Polizeiarbeit sowie<br />

Verbesserung der Transparenz von polizeilichen Methoden<br />

d. Initiierung von Selbsthilfemaßnahmen der Bevölkerung (Meidung- und<br />

Schutzmaßnahmen), auch durch den Einsatz mobiler Lösungen<br />

e. Reduzierung des polizeilichen Arbeitsaufwandes durch Verringerung der<br />

Rückfragen aus der Bevölkerung und Vermeidung von Straftaten<br />

(2) Letztendlich erhofft sich die Polizei hierdurch einen Rückgang des Ausmaßes<br />

krimineller Handlungen.<br />

(3) Jedwede Hoffnung kann nur dann auch Wirkung zeigen, wenn mögliche<br />

Bedenken bzw. Risiken beachtet und weitgehend ausgeschlossen werden.<br />

69


70 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

3.1.3. Erhoffte Wirkungen aus raumplanerischer Sicht<br />

Im Folgenden werden nun die möglichen Potenziale dargelegt, die unter gewissen Bedingungen<br />

von den interaktiven online Crime- Mapping- Systemen aus raumplanerischer Sicht ausgehen<br />

könnten. Wie schon durch den Konjunktiv deutlich wird, handelt es sich also zunächst „nur“ um<br />

Hoffnungen, die im weiteren Verlauf der Arbeit auf ihren wirklichen Nutzen hin überprüft werden<br />

sollen. Es müssen diesbezüglich verschiedene Betrachtungsperspektiven eingenommen werden,<br />

bei denen sich um die folgenden handelt:<br />

(1) Nutzen im Rahmen von Prozessen der Stadt- und Raumplanung, wie beispielsweise bei der<br />

Erstellung von Entwicklungskonzepten oder der Gestaltung öffentlicher Freiflächen.<br />

(2) Chancen, die sich auch für andere städtische Akteure, wie beispielsweise Angestellte<br />

sozialer Dienste, ergeben könnten.<br />

(3) Potenziale die sich durch die kontinuierliche Überwachung des Kriminalitätsniveaus eines<br />

Raumes (Kriminalitätsmonitoring) für die Bevölkerung und alle städtischen Akteure<br />

ergeben.<br />

(4) Hoffnungen, die sich für die Bevölkerung ergeben, wobei hier nochmals in<br />

Bevölkerungsgruppen unterschieden werden muss, die entweder selbst Nutzer der<br />

<strong>Plattformen</strong> sind, oder nur indirekt von der Nutzung der <strong>Plattformen</strong> durch Andere<br />

profitieren.<br />

(5) In enger Verknüpfung mit der vorherigen Perspektive Nummer drei, soll auch eine<br />

Einschätzung über erhoffte Wirkungen für städtische Räume erfolgen.<br />

Diese fünf Perspektiven werden anschließend aufeinander folgend dargestellt, wobei schon an<br />

dieser Stelle auf die starken Wechselwirkungen zwischen ihnen hingewiesen werden muss. So<br />

haben zum Beispiel positive Entwicklungen für städtische Teilräume häufig auch direkte<br />

Auswirkungen auf die Lebensqualität der Bewohner. Dennoch soll eine dezente Trennung erfolgen,<br />

um eine bessere Übersichtlichkeit zu gewährleisten.<br />

Hinsichtlich der Anwendung der Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> im Rahmen stadt- und<br />

raumplanerischer Prozesse (1) sollte zunächst auf die in Kapitel 2.1.2. dargelegte Erfordernis der<br />

Berücksichtigung kriminologischer Sachverhalte in planerischen Konzeptionen hingewiesen<br />

werden. Denn, dass diese Aspekte mit Blick auf das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung und die<br />

Bedeutung der Kriminalitätsangst für städtische Entwicklungen zweifelsohne eine wichtigere Rolle<br />

in stadtplanerischen Prozessen spielen sollten, hat nicht erst Jan Abt in seinen Ausführungen<br />

gefordert.<br />

Grundsätzlich wurden mit städtebaulichen, raumordnerischen und stadtsoziologischen Ansätzen im<br />

angesprochenen Kapitel ja bereits diverse Handlungsmöglichkeiten angegeben. In diesem Sinne<br />

stellt sich nun also die Frage, welchen Beitrag die <strong>Plattformen</strong> leisten können, um diese<br />

Handlungsoptionen fachgerecht bearbeiten zu können.<br />

Ihr Hauptnutzen kann dahingehend in der Identifikation von Räumen gesehen werden, die mit<br />

hohen Kriminalitätsbelastungen im Allgemeinen und mit ganz bestimmten Delikttypen im<br />

Speziellen zu kämpfen haben. Stadtplaner könnten dank der Systeme ganz gezielt nach betroffenen<br />

Räumen suchen und diese dann hinsichtlich möglicher Gründe für die Kriminalitätsbelastung<br />

analysieren. Die folgende Abbildung zeigt diesbezüglich zwei Kartenausschnitte der Stadt San<br />

Francisco, bei denen die Delikttypen „Assault“, „Drugs“, „Homocide“, „Robbery“, „Sex Crimes“ und


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

„Weapons“ gewählt wurden (vgl. Abbildung 45). Der erste Ausschnitt zeigt einen größeren Teil des<br />

Stadtgebiets mit einer Vielzahl öffentlicher Freiflächen, wobei im äußersten Osten eine dieser<br />

Freiräume mit 7 registrierten Delikten besonders hervorsticht. Bei einer kleinräumigeren<br />

Betrachtung wird deutlich, dass sich der Raum aus einem größeren Platz und einem Spielplatz<br />

zusammensetzt. Ein Blick auf die zugrunde liegenden Daten macht außerdem klar, dass sich die<br />

Delikte aus schweren Körperverletzungen, Drogenkonsum und sexuellen Übergriffen<br />

zusammensetzen. Aus planerischer Hinsicht ergeben sich hier beispielsweise die Fragestellungen,<br />

ob Gestaltungselemente dieses Freiraums die Übergriffe fördern, indem sie unter anderem<br />

uneinsichtige Teilräume entstehen lassen, in deren Schutz die kriminellen Übergriffe stattfinden,<br />

oder ob in der städtischen Umgebung größere Anteile besonders benachteiligter<br />

Bevölkerungsgruppen vorliegen, die hier ihre Freizeit unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen<br />

verbringen. Die genaue Klärung der Sachlage obliegt dann zwar tiefergreifenden Untersuchungen,<br />

aber in beiden Fällen hätte die Kriminalitätskartierung einen ersten Hinweis auf die<br />

Problemsituation geliefert.<br />

Abbildung 45: Beispiel raumplanerischer Suche nach "Problembereichen"<br />

71


72 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

Darüber hinaus könnten Systeme, die es dem Planer ermöglichen, weiterführende Analysen auf<br />

Grundlage zusätzlicher Informationen durchzuführen (z.B. Verknüpfung mit soziodemographischen<br />

Charakteristika auf der Plattform raidsonline.com), sogar Gründe für manche kriminelle Anhäufung<br />

liefern. Auch umgekehrt könnten Deliktinformationen zur Erklärung bestimmter städtischer<br />

Entwicklungen beitragen. So wäre denkbar, dass hohe Fortzugszahlen aus bestimmten städtischen<br />

Gebieten auch in Verbindung mit wachsender Kriminalität stehen könnten. Die folgende Abbildung<br />

überprüft diesen Zusammenhang und stellt dementsprechend neben den Delikten, farblich<br />

abgehoben die Bevölkerungsentwicklung bestimmter Räume dar (vgl. Abbildung 46). Dieses<br />

Beispiel der Stadt Chicago zeigt dabei, dass die Räume hoher krimineller Belastung im Nordwesten<br />

und Zentrum des Kartenausschnittes hauptsächlich mit Bevölkerungsrückgang (rot und gelb<br />

gekennzeichnet) zu kämpfen haben und dass die im Südosten befindlichen Gebiete, mit geringerer<br />

Kriminalität, starke Bevölkerungszuwächse (grün gekennzeichnet) aufweisen. Für die<br />

Entwicklungen im konkreten Beispiel können natürlich auch ganz andere Gründe vorliegen,<br />

dennoch offenbart es die Möglichkeiten des analytischen Einsatzes der Crime- Mapping-<br />

<strong>Plattformen</strong> zur Erklärung städtischer Entwicklungsprozesse.<br />

Abbildung 46: Beispielhafte Darstellung der Beziehung von Delikten der Bevölkerungsentwicklung (Plattform:<br />

raidsonline.com)<br />

Dementsprechend müssen die, via Crime- Mapping- Plattform erzeugten Karten, immer auch<br />

hinsichtlich ihres wahren Bedeutungszusammenhanges mit städtischen Vorgängen überprüft<br />

werden. Zusammenfassend können die <strong>Plattformen</strong> also sowohl Hilfestellung bei der Analyse<br />

städtischer Entwicklung bieten und vor allem auch Problemräume identifizieren und aufzeigen.<br />

Es muss allerdings die Frage erlaubt sein, ob diese beiden konkreten Nutzen tatsächlich durch die<br />

Crime- Mapping – <strong>Plattformen</strong> erzeugt werden, oder ob sie auch ohne die Einführung dieser Art<br />

von Systemen erzielt werden könnten. Der augenscheinliche Vorteil der <strong>Plattformen</strong> ergibt sich<br />

hierbei daraus, dass die Deliktinformationen nicht mehr nur der Polizei zur Verfügung stehen<br />

sondern auch Stadt- und Raumplaner nach möglichen Mustern und Auffälligkeiten suchen können.<br />

Auf diese Weise werden die Daten nicht nur aus einer anderen Perspektive als der polizeilichen<br />

betrachtet, sondern die Polizei kann auch entlastet werden. Denn wenn die Daten nicht in Form


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

interaktiver Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> bereitgestellt werden, müssen die Informationen wenn<br />

sie von der Stadtplanung benötigt werden, durch die Polizei entsprechend der Anforderungen<br />

aufbereitet, visualisiert und weitergeleitet werden. Die <strong>Plattformen</strong> befreien die<br />

Polizeidienststellen also zumindest in gewissem Maß von der (Pflicht der) Aufbereitung der<br />

Informationen für stadtplanerische Prozesse. Beispielhaft sollen hier zwei, auch in Kapitel 2.1.2.<br />

angesprochene, konkrete Planungsfälle herangezogen werden. Dabei handelt es sich zum einen,<br />

um das in Hannover- Linden durchgeführte Pilotprojekt, bei welchem eine räumliche<br />

Sicherheitsanalyse samt Präventionsvorschlägen im Rahmen einer städtebaulichen<br />

Innenentwicklung vorgenommen wurde (vgl. Pfeiffer 2005) und zum anderen um den Beschluss der<br />

Stadt Düsseldorf, dass kriminalpräventive Erkenntnisse in alle Stadt- und Verkehrsplanungen<br />

einbezogen werden müssen (vgl. Leonhardt 2005). Wenn die zuständigen Planungsträger in diesen<br />

beiden Fällen Zugriff auf vergleichbare Systeme gehabt hätten, wäre eine Reduktion der zusätzlich<br />

notwendigen polizeilichen Hilfestellung möglich gewesen.<br />

Diese Anwendung der Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> durch Stadt- und Raumplaner muss sich aber<br />

nicht auf städtebauliche Fragestellungen beschränken. Vielmehr können Informationen auch im<br />

Rahmen von städtischen Entwicklungskonzepten oder Raumordnungsprozessen einbezogen<br />

werden.<br />

Gesondert seien an dieser Stelle auch die <strong>Plattformen</strong> angesprochen, die auf nutzergenerierte<br />

Daten zurückgreifen. Wie bereits angemerkt, visualisieren diese <strong>Plattformen</strong> zwar so gut wie nie<br />

schwere Delikttypen (vgl. Kap. 2.2.1.), aber dennoch können die Deliktmeldungen aus<br />

raumplanerischer Sicht Aufschlüsse über städtebauliche Qualitäten oder Probleme zulassen. So<br />

könnte beispielsweise eine häufige Meldung unrechtmäßiger Müllentsorgung darauf hindeuten,<br />

dass geeignete Müllentsorgungsanlagen fehlen und in näherer Umgebung eingerichtet werden<br />

müssen. In diesem Sinne ist dieser Plattformtyp also nicht unbedingt als „Kriminalitätskartierung“<br />

zu verstehen, aber er kann dem Planer durch themenbezogene und sachgerechte Analyse<br />

informative Erkenntnisse hinsichtlich planerischer Handlungsbedarfe liefern.<br />

Auch wenn die vier im Folgenden untersuchten Perspektiven nicht direkt mit den planerischen<br />

Prozessen in Verbindung gebracht werden können, so bilden sie dennoch die raumplanerische<br />

Sichtweise ab, da Planer zum Verständnis der komplexen städtischen Prozesse eine Vielzahl von<br />

Ansichten in ihre Überlegungen einbeziehen müssen. Die folgenden Aspekte betreffen daher vor<br />

allem den im Zentrum planerischer Handlungen stehenden Raum samt seiner Wechselbeziehungen<br />

zu seinen Bewohnern und den ihn gestaltenden Akteuren.<br />

Wie bereits zuvor geschildert, offerieren die <strong>Plattformen</strong> polizeiexternen Nutzern die Möglichkeit<br />

Problemräume zu identifizieren und Sachverhalte mit räumlichem Bezug auf ihre Wechselwirkung<br />

mit Kriminalität hin zu untersuchen. Diese Möglichkeiten stehen natürlich nicht nur Raum- und<br />

Umweltplanern sondern auch anderen städtische Akteuren sozialer, wirtschaftlicher und<br />

ökologischer Einrichtungen (2) zur Verfügung, ob es sich dabei nun um Jugendämter,<br />

Drogenberatungsstellen, Quartiermanagementbüros, Wohnungsbaugesellschaften oder auch<br />

Grünflächenämter handelt. Sie alle könnten die Informationen der Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong><br />

für ihre Planungen wie dargestellt nutzen. So würde das Grünflächenamt, im Falle des zuvor<br />

angeführten Beispiels einer Freifläche mit hoher Deliktzahl, auf den möglichen Handlungsbedarf<br />

am betreffenden Ort hingewiesen werden und auch ein Büro des Quartiermanagements könnte<br />

73


74 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

diese Information nutzen, um bewohnerschaftliche Prozesse zur Prävention, auch in<br />

Zusammenarbeit mit der Polizei, zu initiieren.<br />

In enger Verknüpfung hierzu kann auch die dritte von planerischer Seite erhoffte Wirkung von<br />

Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> betrachtet werden. Beim Kriminalitätsmonitoring (3) handelt es sich<br />

um eine langfristige Überwachung bzw. Kontrolle des Kriminalitätsniveaus, die von allen Nutzern<br />

der Crime- Mapping- Systeme vorgenommen werden kann, was auch städtische Akteure<br />

einschließt. Hieraus lassen sich zwei zentrale Hoffnungen für alle Beteiligten ableiten.<br />

Einerseits ist es möglich, aufkommende negative Entwicklungen frühzeitig zu erkennen, wodurch<br />

lokale Akteure rechtzeitig präventive Gegenmaßnahmen einleiten könnten. So würde zum Beispiel<br />

eine kontinuierliche Überwachung des Kriminalitätsniveaus durch ein Unternehmen der<br />

Immobilienbranche zunächst aus reinem Eigeninteresse Sinn ergeben, da ansteigende Deliktzahlen<br />

im Umfeld der eigenen Immobilien sinkende Mietpreise und Immobilienwerte zur Folge hätten<br />

(vgl. Kapitel 3.2.3.). Das Unternehmen würde sich aber auf Grundlage der Erkenntnisse der Crime-<br />

Mapping- <strong>Plattformen</strong> mit anderen betroffenen lokalen Akteuren zusammenschließen, um<br />

gemeinschaftlich Lösungsstrategien zu entwickeln, wovon der gesamte Raum profitieren würde.<br />

Andererseits wären kontinuierliche Analysen des Materials dazu nutzbar, Quartiere zu<br />

identifizieren, bei denen positive sowie negative Kriminalitätsentwicklungen vorliegen. Diese Daten<br />

könnten Hinweise liefern, welche Konzepte bzw. Lösungsstrategien zur Verbesserung der<br />

Kriminalitätslage in sogenannten „Problemgebieten“ geführt haben. Dementgegen können<br />

eventuell auch Entwicklungen ausgemacht werden, die ursprünglich zur Kriminalitätserhöhung in<br />

solchen Vierteln geführt haben, die eigentlich als weniger kriminell gelten.<br />

Der Vorteil der interaktiven online Crime- Mapping- Systeme ist beim Beispiel des Monitorings<br />

wiederum darin zu sehen, dass nicht nur die Polizei nach Veränderungen und Trends im<br />

Kriminalitätsverhalten suchen muss, sondern auch alle anderen interessierten Nutzer ihre<br />

Sichtweise in die Überwachung einbringen. Wenn Stadtplaner also beispielsweise feststellen<br />

würden, dass bestimmte Ausstattungsmerkmale öffentlicher Räume starke Rückgänge im<br />

Kriminalitätsaufkommen mit sich bringen, so würden sie diese Erfahrung einerseits mit anderen<br />

Akteuren wie der Polizei teilen und bei zukünftigen Planungen gegebenenfalls auf diese<br />

Maßnahmen zurückgreifen. Ein weiteres Beispiel könnte im Rahmen stadtsoziologischer<br />

Untersuchungen ermittelt werden. Zeigen sich in mehreren Langzeitstudien bestimmte<br />

Veränderungen der Bewohnerzusammensetzung, infolge derer das Kriminalitätsniveau deutlich<br />

ansteigt, so können auf dieser Grundlage Strategien entwickelt werden, die der entsprechenden<br />

Entwicklung entgegenwirken.<br />

Eine solche Art Kriminalitätsmonitoring aller fachnahen städtischen Akteure sowie der Bevölkerung<br />

wäre ohne Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> nicht umsetzbar. Hierzu müsste die Polizei, wenn sie dies<br />

auf anderem Wege erreichen wöllte, ständige Updates zum Kriminalitätsniveau (zumindest im<br />

wöchentlichen Rhythmus) veröffentlichen, was in Anbetracht des zu erwartenden<br />

Arbeitsaufwandes als unrealistisch eingeschätzt werden muss.<br />

Der Hauptvorteil des Monitorings krimineller Sachverhalte mit Hilfe der <strong>Plattformen</strong> ist<br />

zusammenfassend darin zu sehen, dass jeder Plattformnutzer auf Grundlage seines eigenen<br />

Fachwissens mit einer spezifischen Perspektive an das Datenmaterial herangeht. Dementsprechend


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

wird der Untersuchungshorizont beim Kriminalitätsmonitoring durch die <strong>Plattformen</strong> ungemein<br />

erweitert.<br />

Die vierte Perspektive bezieht sich auf die Hoffnungen die sich aus Sicht des Raumplaners für die<br />

Bevölkerung ergeben (4). Dabei können auch die Ausführungen zum Themenbereich der von der<br />

Polizei erhofften Ausführungen (vgl. 3.1.2.) teilweise in diese Betrachtung einfließen, da auch sie<br />

für die Bevölkerung klare positive Tendenzen aufweisen. An dieser Stelle sei dahingehend<br />

nochmals auf die bessere Information über Kriminalität, die erhöhte Bindung zu lokalen<br />

Polizeidienststellen und die Befähigung zur eigenständigen Ergreifung präventiver Maßnahmen<br />

hingewiesen. Diese Ausführungen bezogen sich bis jetzt aber vor allem auf die Nutzer der<br />

betreffenden <strong>Plattformen</strong>. Allerdings profitieren nicht nur sie von den Systemen, sondern indirekt<br />

auch jene Bevölkerungsteile die in Quartieren wohnen und arbeiten, in denen verschiedene<br />

Gruppen die Systeme aktiv nutzen. Denn der rege Umgang von Teilen der Bevölkerung und<br />

städtischen Akteuren mit den Systemen und die daraus entstehende Zusammenarbeit mit der<br />

Polizei soll langfristig vor allem auch eine Verringerung der Kriminalität zur Folge haben, wovon<br />

natürlich alle ansässigen Bewohner und Arbeitgeber profitieren würden.<br />

Darüber hinaus könnten die frei zugänglichen online Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> der Bevölkerung<br />

aber noch weitere Chancen bieten, die von Seiten der Polizei nicht direkt angestrebt wurden. Einen<br />

dieser Aspekte deutet das U.S. Justizministerium in seinem „Guide for Sharing Crime Maps and<br />

Spatial Data“ zwar bereits leise an, seine Bedeutung soll an dieser Stelle aber deutlich<br />

hervorgehoben werden. So würden einige Bewohner die erhöhte Aufmerksamkeit, die durch die<br />

<strong>Plattformen</strong> hinsichtlich bestimmter Problemlagen erzeugt wird, sehr begrüßen (Wartell &<br />

McEwen 2001; S.5-6). Allerdings können die <strong>Plattformen</strong> nicht nur die Aufmerksamkeit bezüglich<br />

dieser Probleme erhöhen, sondern sie können den Bürgern darüber hinaus auch als Beleg für die<br />

tatsächliche Sachlage dienen. Sie stellen in diesem Sinne eine Art Druckmittel dar, mit dem die<br />

Bevölkerung bereits länger bekannte Probleme anhand von polizeilich dokumentierten Zahlen<br />

gegenüber der Stadt aufzeigen kann, um konkrete Maßnahmen zur Lösung einzufordern.<br />

Außerdem haben die Bürger nun nicht nur Belege für ihre Ängste und Ansichten, sondern sie<br />

können die Probleme über die <strong>Plattformen</strong> zumeist auch anonym kundtun, da den Nutzern oftmals<br />

die Möglichkeit gegeben wird Deliktmeldungen aufzugeben (vgl. Abbildung 11). <strong>Plattformen</strong> die<br />

nutzergenerierte Daten zugrunde legen und diese visualisieren, wie zum Beispiel citysourced.com,<br />

zielen häufig sogar vorwiegend darauf ab, bürgerliche Interessen aufzuzeigen und öffentlich zu<br />

artikulieren. Damit stellen die Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> sowohl Sprachrohr als auch<br />

Argumentationsgrundlage der Bevölkerung dar. Mit Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> stünde der<br />

Bevölkerung demnach ein Werkzeug zur Verfügung, welches positive Auswirkungen auf<br />

bürgerschaftliches Engagement erwarten lassen würde, da dem Bürger das Gefühl vermittelt wird,<br />

dass seine Ansichten wahrgenommen und berücksichtigt werden.<br />

Wie schon zu Beginn des Kapitels angedeutet, sind die Konsequenzen für städtische Räume (5) eng<br />

mit den zuvor behandelten Perspektiven verknüpft. Dabei können Wirkungen für die betreffenden<br />

Räume sozialer, wirtschaftlicher und auch ökologischer Natur sein. Deswegen soll an dieser Stelle<br />

beispielhaft eine mögliche Wirkungskette dargelegt werden, die die umfassenden<br />

Wechselwirkungen der zuvor angesprochenen Hoffnungen untereinander und ihrer Auswirkungen<br />

auf den Raum verdeutlicht.<br />

75


76 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

Hierzu stelle man sich ein städtisches Quartier vor, welches an zwei Grünflächen im öffentlichen<br />

Raum Probleme mit verstärktem Drogenkonsum und entsprechender Beschaffungskriminalität<br />

aufweist (zur Vereinfachung folgend mit Punkt A und Punkt B bezeichnet). Einige Anwohner der<br />

näheren Umgebung von Punkt A, betrachten die Situation schon seit längerem als Problem und<br />

finden ihre Vermutung mit Hilfe eines Crime- Mapping- Systems bestätigt. Mit diesen<br />

Erkenntnissen wenden sie sich an den lokalen Quartiermanager, der die Situation ebenfalls<br />

überprüft und einige weitere tiefergehende Analyseschritte unternimmt. Dabei stellt er fest, dass<br />

neben Punkt A auch Punkt B stark von Delikten im Zusammenhang mit Drogenkonsum betroffen<br />

ist. Daraufhin nimmt er Kontakt zur lokalen Polizei auf und initiiert in Zusammenarbeit mit dieser<br />

eine themenbezogene Veranstaltung mit den betroffenen Anwohnern, Gewerbetreibenden und<br />

weiteren zuständigen lokalen Institutionen, wie der örtlichen Drogenberatungsstelle und dem<br />

ansässigen Jugendamt. Auf Grundlage der für alle einsehbaren Informationen wird bei der Sitzung<br />

klar, dass es sich in beiden Fällen zumeist um die gleichen Personengruppen handelt, die über<br />

einen gewissen Zeitraum an Punkt A verweilen, bis sie von diesem durch Anwohner oder<br />

herbeigerufene Polizeieinheiten vertrieben werden, um daraufhin an Punkt B auszuweichen (vgl.<br />

hierzu Verdrängungseffekt unter Kapitel 3.2.7.). Nachdem eine gewisse Zeitspanne verstrichen ist,<br />

kehren sie dann an Punkt A zurück bis sie wieder ausweichen müssen. Bei genauerer Analyse der<br />

einzelnen Örtlichkeiten wird deutlich, dass beide Orte durch sehr dichten Bewuchs relativ<br />

uneinsichtig sind und Punkt A wohl deswegen von den Drogenkonsumenten präferiert wird, weil<br />

dieser etwas zentraler liegt und somit schnelleren Zugang zu Alkohol und Drogen verspricht.<br />

In Zusammenarbeit mit allen Akteuren wird daraufhin beschlossen, dass die Grünflächen von Punkt<br />

B insoweit beschnitten werden sollen, dass keine uneinsichtigen Ecken mehr bestehen. An Punkt A<br />

soll der gesamte Platz unter Berücksichtigung kriminalpräventiver Charakteristika umgestaltet<br />

werden, was aus städtebaulicher und ökologischer Hinsicht eine Aufwertung beider Räume<br />

bedeutet. Außerdem soll durch die Stadt an einem weniger frequentierten Ort im Quartier ein<br />

Drogenkonsumraum mit ausgebildeten Drogenberatern eingerichtet werden, was auch hinsichtlich<br />

der sozialen Komponente für das Quartier viele Vorteile mit sich bringt. Die letztendlich erhoffte<br />

geringere Präsenz von Drogenkonsumenten im öffentlichen Raum, würde die Lebens- und<br />

Aufenthaltsqualität deutlich steigern und somit auf längere Sicht auch höhere Einnahmen für den<br />

örtlichen Einzelhandel versprechen.<br />

Dieses Beispiel verdeutlicht die mögliche Wirkungsbreite, die durch Crime- Mapping- Systeme<br />

idealerweise erzielt werden könnte. Prinzipiell können problematische Situationen von allen<br />

Akteuren aufgezeigt werden. Insofern daraufhin die Einleitung geeigneter Maßnahmen zur<br />

Problemlösung erfolgt, sind auch für städtische Räume erhebliche positive Wirkungen zu erwarten.<br />

Die <strong>Plattformen</strong> können auch positive Auswirkungen haben, die die Räume direkt beeinflussen. Sie<br />

kennzeichnen nämlich nicht nur Räume hoher Kriminalitätsdichte, sondern auch jene, die sich<br />

durch geringe Belastung auszeichnen. Wird also das Sicherheitsgefühl der Bewohner durch die<br />

<strong>Plattformen</strong> gestärkt, so erhöht sich die Lebensqualität in diesen Räumen. Dementsprechend<br />

haben Räume, die geringe Deliktzahlen vorweisen können, deutliche Standortvorteile gegenüber<br />

den gefährlich erscheinenden. Dass dieser Vorteil natürlich auch eine andere Seite hat und<br />

eminente Nachteile für Räume hoher Kriminalitätsbelastung mit sich bringen kann, wird in Kapitel<br />

3.2. unter anderem mit Blick auf Stigmatisierung und Verurteilung von Räumen und seinen<br />

Bewohnern ausführlich untersucht.


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Auch mit Blick auf solche Räume, denen gegenüber bereits Vorurteile hinsichtlich hoher<br />

Kriminalitätsbelastung bestehen, könnten die Crime- Mapping- Systeme positive Effekte entfalten.<br />

Denn wenn die Systeme für solche Räume geringe Deliktzahlen aufdecken, könnte auf Grundlage<br />

der Zahlen Informationsarbeit zur Aufwertung des Images des Stadtteiles erfolgen. Außerdem<br />

könnten eingehende Analysen das Kriminalitätsniveau bestimmter, als sehr kriminell geltender<br />

Gegenden deutlich relativieren. Wenn sich zum Beispiel sehr hohe Anteile von Bagatelldelikten<br />

oder Störungen öffentlicher Ordnung feststellen lassen, sind Gefahren für Leib und Leben in den<br />

betreffenden Gebieten eher nicht zu erwarten, auch wenn die allgemeinen Daten und<br />

Informationen dies vermuten lassen würden. Auch in diesem Fall können die Zahlen dahingehend<br />

aufklärend eingesetzt werden, um die Voreingenommenheit gegenüber dem Quartier zu mindern.<br />

Es kann zusammenfassend festgehalten werden, dass sich aus Sicht eines Planers eine Vielzahl von<br />

Wirkungen für die Stadt, ihre Bewohner sowie die städtischen Akteure ausmachen lassen, die sich<br />

aus der Anwendung von interaktiven Crime- Maping- <strong>Plattformen</strong> ergeben könnten und mehr oder<br />

minder wünschenswert wären. Wie bereits häufiger angesprochen, müssen diese erhofften<br />

Wirkungen allerdings immer unter Berücksichtigung der im Kapitel 3.2. angeführten Bedenken<br />

betrachtet werden. So wäre beispielsweise eine Nutzung der Plattform zum Abbau von Vorurteilen<br />

gegenüber bestimmter städtischer Quartiere nicht denkbar, wenn die auf den <strong>Plattformen</strong><br />

dargestellten Informationen Fehlinterpretationen hinsichtlich des tatsächlichen<br />

Kriminalitätsniveaus verursachen würden.<br />

Abbildung 47: Kernelemente Kapitel 3.1.3. – Erhoffte Wirkungen aus raumplanerischer Sicht<br />

(1) Aus stadtplanerischer Sicht könnten sich folgende Wirkungen durch die<br />

Anwendung von interaktiven online Crime- Mapping- Systemen entfalten,<br />

insofern den zu erwartenden Risiken entsprochen wird:<br />

a. Problemräume könnten bereits frühzeitig identifiziert werden (für alle<br />

Nutzergruppen)<br />

b. Interpretationshilfe bei der Analyse städtischer Entwicklungen (für<br />

Planer)<br />

c. Hilfestellung bei städtischen Planungen, die kriminelle und präventive<br />

Sachverhalte berücksichtigen (für Planer)<br />

d. Hilfestellung bei der Entwicklung themenspezifischer Lösungsstrategien<br />

städtischer Akteure und Institutionen<br />

e. Identifikationshilfe erfolgreicher Lösungsansätze und von Auslösern<br />

krimineller Entwicklungen durch Kriminalitätsmonitoring<br />

f. entsprechend der polizeilichen Hoffnungen bessere Information, erhöhte<br />

Bindung und Initiierung präventiver Maßnahmen der Bevölkerung<br />

g. Systeme als Sprachrohr und Druckmittel der Bevölkerung<br />

h. Imageaufwertung von Räumen durch geringe Deliktzahlen<br />

i. Räume können im Ergebnis in sozialer, ökonomischer und ökologischer<br />

Hinsicht von den <strong>Plattformen</strong> profitieren.<br />

77


78 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

3.2. Befürchtete Wirkungen | Bedenken & Risiken<br />

Der zweite Abschnitt, der sich mit Thesen zu Wirkungen der interaktiven Crime- Mapping-<br />

<strong>Plattformen</strong> beschäftigt, setzt sich anschließend mit möglichen negativen Folgen auseinander.<br />

Dabei wird gegebenenfalls auf die zuvor dargestellten erwünschten Wirkungen eingegangen,<br />

insofern thematische Überschneidungen vorliegen. Dementsprechend sollen diese Ausführungen<br />

eine grundsätzliche Abwägung möglichen Nutzens und zu befürchtender Risiken ermöglichen, um<br />

abschließend eine Einschätzung hinsichtlich der Notwendigkeit der Einführung solcher Systeme<br />

abgeben zu können.<br />

Methodisch werden dabei zunächst alle Thesen untersucht, die im Zusammenhang mit<br />

Fehlinterpretationen durch Nutzer stehen. Diese Betrachtung ist für den weiteren Verlauf der<br />

Arbeit von zentraler Bedeutung, da eine Vielzahl von Bedenken durch fehlerhafte Interpretation<br />

der Systeme überhaupt erst verursacht oder zumindest begünstigt werden. So stellen auch die<br />

beiden darauf folgenden Kapitel, die sich mit Manipulationsmöglichkeiten und Kriminalitätsfurcht<br />

beschäftigen, Zusammenhänge zur fehlerhaften Systeminterpretation dar. Abschließend werden<br />

Thesen hinsichtlich der Stigmatisierung von Räumen und seiner Bewohner, zur<br />

Datenschutzproblematik und bezüglich des Nutzens für Kriminelle benannt und analysiert.<br />

3.2.1. Fehlinterpretationen<br />

Dieses Kapitel beschäftigt sich ausführlich mit dem Thema fehlerhafter Interpretationen der Crime-<br />

Mapping- <strong>Plattformen</strong> durch deren Nutzer. Diese Fragestellung ist dahingehend von Bedeutung, als<br />

dass die bereits in Kapitel 3.1. beschriebenen Hoffnungen nur dann erreichbar sind, wenn die<br />

angebotenen Informationen und Karten durch die Nutzer einwandfrei nachvollzogen bzw.<br />

verstanden werden können. Grundlegend stützen sich dabei alle erhofften Wirkungen auf eine<br />

bessere Information der Nutzer zum Thema Kriminalität. Allerdings ist genau dieses<br />

Kriminalitätsverständnis für Fehler hinsichtlich der Datenaufbereitung und ihrer Interpretation<br />

besonders anfällig.<br />

Ausschlaggebend ist dabei die Tatsache, dass alle Menschen Karten entsprechend ihrer<br />

Vorkenntnisse unterschiedlich interpretieren (Groff et al. 2005; S.93). Da es sich bei den meisten<br />

Plattformnutzern um Laien handelt, die nicht das Hintergrundwissen wie Polizeibeamte oder<br />

andere fachliche Experten aufweisen, müssen die Veröffentlichungen einerseits einfach<br />

nachvollziehbar sein und andererseits besonders auf eine Minimierung des Potenzials für<br />

Fehlinterpretationen achten. Die Erfüllung dieser Kriterien erscheint vor dem Hintergrund der<br />

Komplexität und Vielschichtigkeit des Phänomens Kriminalität jedoch äußerst problematisch,<br />

woraus folgende These abgeleitet werden kann:<br />

Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> können das Phänomen Kriminalität nicht sachgerecht und leicht<br />

verständlich abbilden, wodurch Fehlinterpretationen der Nutzer begünstigt werden.<br />

Eine mögliche Folge dieser Fehlinterpretationen ist in der bereits genannten Beeinträchtigung<br />

positiver Wirkungen zu sehen, da Kriminalität über- oder unterschätzt werden kann oder gar<br />

falschen Orten zugerechnet wird. Außerdem werden hierdurch zahlreiche negative Wirkungen, wie<br />

das Schüren von Angst, Stigmatisierung oder Manipulationen begünstigt, die in den folgenden<br />

Kapiteln vertieft untersucht werden. Daher ist es notwendig zu untersuchen, ob und inwiefern die<br />

<strong>Plattformen</strong> Fehlinterpretationen begünstigen oder aber verhindern.


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Aus Sicht der <strong>Plattformen</strong> können in diesem Zusammenhang zwei zentrale Faktoren ausgemacht<br />

werden, die Missdeutungen von Kriminalität hervorrufen können:<br />

(1) Fehlerhafte Erfassung von Daten und damit verbundene fehlerhafte Datengrundlage.<br />

(2) Mangelhafte Datenaufbereitung bzw. –präsentation.<br />

Betrachtet man in diesem Zusammenhang zunächst die fehlerhafte Erfassung von kriminellen<br />

Handlungen (1), gilt es einerseits auf die bereits in Kapitel 2.1.3. dargelegte Problemhaftigkeit<br />

polizeilicher Erfassung von Kriminalität hinzuweisen und andererseits auch die nutzergenerierten<br />

Systeme hinsichtlich dieses Aspektes zu untersuchen.<br />

Im angeführten Kapitel 2.1.3. wird polizeilich erfassten Statistiken und daraus hergestellten Karten,<br />

unter anderem aufgrund des großen Dunkelfeldes unbekannter Kriminalität, Problemen der<br />

Verortung krimineller Handlungen sowie ihrer Abhängigkeit von Anzeigeverhalten sowie<br />

polizeilicher Praxis, abgesprochen, ein wirklichkeitsgetreues Bild der Kriminalität abzubilden. Dabei<br />

werden auch zahlreiche Beispiele dargelegt, die bei einer kartografischen Darstellung auf einer<br />

Crime- Mapping- Plattform zu Fehlinterpretationen führen können. Es sei erneut auf das angeblich<br />

in Deutschland feststellbare sogenannte Nord- Süd- Gefälle der Kriminalität hingewiesen, welches<br />

sich eigentlich aus unterschiedlichen Polizeipraxen ergibt. Eine kartografische Darstellung aller<br />

Delikte in Deutschland würde dementsprechend eine höhere Kriminalität für den Norden<br />

feststellen, obwohl dies hinsichtlich der tatsächlich erfolgten kriminellen Handlungen eigentlich<br />

nicht der Realität entspräche. Auch die Bundesministerien des Innern und der Justiz teilen in ihren<br />

Ausführungen des „Zweiten periodischen Sicherheitsberichts“ die Auffassung der unrealistischen<br />

Abbildung der Kriminalität durch Polizeistatistiken.<br />

Ein weiteres Problem offenbart sich bei detaillierter Betrachtung der auf den vorhandenen<br />

<strong>Plattformen</strong> abgebildeten Delikte. Denn in der Regel werden nicht alle erfassten Delikte<br />

verzeichnet, sondern diverse Einzelvorfälle ausgelassen. Zum Beispiel führt die Plattform<br />

crimereports.com in einem recht versteckt liegenden Teil der Webpage an, dass viele<br />

kooperierende Polizeidienststellen bestimmte Delikttypen aufgrund des Opferschutzes nicht<br />

veröffentlichen wollen und außerdem „manche“ (wörtlich „some“) noch laufende Fälle aufgrund<br />

polizeitaktischer Gründe nicht aufgeführt werden 4 . Die Karten büßen auf diese Weise noch stärker<br />

an Realitätsnähe ein. Wenn beispielsweise die Dienstelle Berlin- Wedding beschließt, alle Fälle<br />

„sexueller Übergriffe“ zu veröffentlichen und die Dienststelle Berlin- Tempelhof entscheidet sich<br />

dagegen, würde eine Plattform logischerweise ein völlig unterschiedliches Bild der Kriminalität in<br />

beiden Bezirken zeichnen, was ihre Vergleichbarkeit innerhalb eines Crime- Mapping- Systems<br />

deutlich einschränken würde.<br />

Auch Systeme die nutzergenerierte Datensätze publik machen, lassen problematische Wirkungen<br />

hinsichtlich der Datenerfassung befürchten, die sich teilweise mit denen von <strong>Plattformen</strong>, die auf<br />

polizeiliche Datensätze zurückgreifen, vergleichen lassen. So erfolgt die Delikterfassung bei<br />

nutzergenerierten Systemen, ähnlich der Anzeigebereitschaft bei Polizeidaten, in Abhängigkeit von<br />

einer Art Aufzeigebereitschaft der Nutzer. Diese Bereitschaft ist vor allem bezüglich weniger<br />

schwerer Straftaten durch eine viel geringere Hemmschwelle gekennzeichnet. Beispielsweise<br />

erscheint es den meisten Bürgern unnötig, kleinere Verunreinigungen öffentlicher Anlagen der<br />

4 vgl. hierzu https://www.crimereports.com/faq/US/mapping_errors<br />

79


80 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

Polizei zu melden, was sie allerdings nicht daran hindern muss, diese auf einer nutzergenerierten<br />

Plattform aufzuzeigen. Ein Vergleich der <strong>Plattformen</strong> citysourced.com und crimemapping.com<br />

belegt diese These für ein Teilgebiet der Stadt San Francisco (vgl. Abbildung 48).<br />

Abbildung 48: Vergleichende Deliktdarstellung nutzergenerierter und polizeilicher Datengrundlagen<br />

Diese geringere Hemmschwelle der Aufzeigebereitschaft hat allerdings auch zur Folge, dass viele<br />

Sachverhalte gemeldet werden, die nach der Auffassung manch anderen Bewohners nicht erfasst<br />

werden müssten. Dementsprechend handelt es sich bei den hier erfassten Delikten zumeist um<br />

kleinere Vergehen im Bereich der unzulässigen Müllentsorgung oder Zerstörungen von öffentlichen<br />

bzw. privaten Anlagen durch Graffitis (vgl. Kapitel 2.2.1).<br />

Bei der kartografischen Aufbereitung durch die <strong>Plattformen</strong> kann hierdurch der Trugschluss<br />

entstehen, dass bestimmte Quartiere schwerer von den angesprochenen Delikten betroffen sind<br />

als andere, obwohl das nicht der Fall ist. Denn die Erfassungsraten hängen, bei dieser Form von<br />

<strong>Plattformen</strong>, in viel stärkerem Maß von den persönlichen Norm- und Wertevorstellungen der<br />

Bewohner ab, als bei polizeilichen <strong>Plattformen</strong>, bei denen die zwischengeschaltete polizeiliche<br />

Instanz entscheidet, ob ein Fall gemeldet werden muss oder nicht.<br />

Mit der mangelhaften Datenüberprüfbarkeit wurde bereits in Kapitel 2.2.1. ein weiteres Problem<br />

angesprochen, welches negative Auswirkungen mit sich bringen kann. Da die Plattformbetreiber<br />

nutzergenerierter Systeme keine allumfassende Überprüfung der gemeldeten Delikte leisten<br />

können, versuchen sie sich durch die Forderung abzusichern, dass jeder Nutzer Bildmaterial zu den<br />

Meldungen bereitstellen muss. Allerdings kann auch hierdurch keine Sicherheit hinsichtlich eines<br />

wirklich vorliegenden Tatortes erreicht werden, denn ob ein Bild tatsächlich am angegebenen Ort<br />

aufgenommen wurde oder nicht, ist nicht feststellbar. Vor allem hinsichtlich der auch im Kapitel<br />

3.2.3. angesprochenen Manipulationsmöglichkeiten ist dies kritisch zu bewerten, denn insofern<br />

eine Person ein Quartier schlecht darstellen will, kann sie dies durch fälschliche Eintragung relativ<br />

problemlos erreichen. Auch diesbezüglich erscheinen die polizeilichen Datengrundlagen, trotz ihrer<br />

Abhängigkeit zu lokalen Praxen, aufgrund der zwischengeschalteten Überprüfung der Sachlage von<br />

Vorteil.<br />

Wie ebenfalls in der theoretischen Einführung angemerkt, ist es bei allen Einschränkungen<br />

hinsichtlich der realitätsnahen Abbildung der Kriminalität vor allem wichtig, möglichst klar<br />

darzustellen, wie die publizierten Informationen entstehen und welche Einschränkungen<br />

hinsichtlich ihrer Interpretation gemacht werden müssen, ob es sich dabei nun um klassische<br />

polizeiliche oder auch um nutzergenerierte <strong>Plattformen</strong> handelt. Diesbezüglich ist es von<br />

besonderer Bedeutung, darauf hinzuweisen, dass es sich bei den Darstellungen nutzergenerierter


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

<strong>Plattformen</strong> nicht um Kriminalitätsvisualisierungen im klassischen Sinne handelt, sondern dass sie<br />

hauptsächlich Ordnungswidrigkeiten abbilden. Der Begriff „Kriminalität“ suggeriert dem<br />

unerfahrenen Plattformbesucher unnötigerweise eine gewisse Deliktschwere, die auch Ängste<br />

erzeugen könnte, die weder angebracht, noch von den Plattformbetreibern erwünscht sind (vgl.<br />

hierzu Kapitel 3.2.4.).<br />

Um dieser Notwendigkeit zu entsprechen, verweisen einzelne <strong>Plattformen</strong> (dabei mehrheitlich<br />

reine Polizeiplattformen sowie die Plattform raidsonline.org) bereits auf ihrer Startseite mit Hilfe<br />

von zu lesenden bzw. „nur“ zu markierenden Nutzungshinweisen auf verschiedenen Problemlagen<br />

hinsichtlich der Datengrundlagen sowie –darstellung (vgl. Kap. 2.2.2.). Der Großteil der <strong>Plattformen</strong><br />

verlangt allerdings keinerlei Vorinformation seiner Nutzer und macht diesbezügliche Angaben nur<br />

am Rande ersichtlich. So geben die drei wohl am stärksten genutzten Systeme crimereports.com,<br />

crimemapping.com und police.uk, lediglich unter dem jeweils relativ versteckten Menüpunkt F.A.Q.<br />

(frequenly asked Questions – Häufig gestellte Fragen) sehr kurze und wenig hinreichende<br />

Antworten zu verschiedenen Fragstellungen. Besonders hinsichtlich der Fehlerhaftigkeit der<br />

Darstellungen scheinen die <strong>Plattformen</strong> kaum Aufklärungsbedarf zu sehen. Am stärksten wird<br />

dabei noch von crimereports.com informiert, wobei sich auch deren Ausführungen auf wenige<br />

Zeilen beschränken (vgl. Abbildung 49). Einzig die Herkunft der Daten wird von allen <strong>Plattformen</strong><br />

zumeist sogar im direkten Umfeld der Karten angegeben.<br />

Abbildung 49: Ausführungen zum Thema möglicher Fehler der Plattform crimereports.com<br />

Diese relativ mangelhafte Aufklärung bezüglich der zugrunde liegenden Daten bzw. möglicher<br />

Probleme bei ihrer Erfassung, wirkt sich vor allem negativ auf die Hoffnung der Polizei aus, die<br />

Transparenz der eigenen Arbeit und damit auch das Vertrauen der Bürger in die Polizei zu erhöhen.<br />

Der zweite Themenkomplex fehlerhafter Interpretationen beschäftigt sich mit der grafischen<br />

Aufbereitung und Präsentation (2) der Crime- Mapping- Systeme. Dieser Aspekt ist in Anbetracht<br />

der Abhängigkeit der Nutzerwahrnehmung von der visuellen Aufbereitung der Kriminalität als<br />

besonders schwerwiegend zu betrachten. Grundsätzlich muss dabei zunächst festgehalten werden,<br />

dass die Komplexität der Kriminalität nicht in ihrer Gänze grafisch dargestellt werden kann bzw.<br />

eine zu vielschichtige Visualisierung für unerfahrene Nutzer kaum verständlich sein wird. In diesem<br />

Sinne sind die Darstellung interaktiver Crime- Mapping- Systeme von starken Abstraktionen und<br />

Vereinfachungen geprägt. Die Problemhaftigkeit solch schematischer Darstellungen kann ein<br />

81


82 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

erneuter Blick auf das von Belinas angeführte Beispiel der „Straßenkriminalität“ verdeutlichen<br />

(vgl. Kap.2.1.3.). In der Karte des „Zeit- Magazins“ werden dabei verschiedene Delikttypen zum<br />

Begriff der Straßenkriminalität zusammengefasst und samt einer recht brutalen Abbildung eines<br />

gewalttätigen Übergriffes abgedruckt. Hierdurch werden ganz unterschiedliche Delikttypen in eine<br />

einzige Kategorie abstrahiert, egal ob es sich um minderschwere oder höchst brutale Vorfälle<br />

handelt. Die Karte vermittelt dementsprechend ein fehlerhaftes Bild der erfassten Delikte. Der<br />

Betrachter muss hieraus den Schluss ziehen, dass sich in bestimmten Räumen viele Fälle sehr<br />

gefährlicher „Straßenkriminalität“ ereignen. Dass die Zahlen aber auch minderschwere Vorfälle,<br />

wie etwa Fahrraddiebstähle beinhalten, wird durch den hohen Abstraktionsgrad nicht deutlich. So<br />

ergäbe eine differenzierte Darstellung der Straßenkriminalität in gewalttätige Übergriffe und<br />

einfache Diebstähle vielleicht ein gänzlich anderes Bild. Eine zu starke Differenzierung könnte<br />

andererseits wieder die Lesbarkeit der Karte deutlich einschränken.<br />

Mit exakt dieser Problemlage müssen sich auch die Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong><br />

auseinandersetzen, da sie Kategorien von Delikttypen bilden müssen, um ein gewisses Maß an<br />

Verständlichkeit der Karten zu gewährleisten. Als Beispiel hierfür kann die häufig gewählte<br />

Deliktgruppe der „Assaults“ herhalten. Der Begriff steht stellvertretend für alle Arten von<br />

Körperverletzungen, was eine Ohrfeige genauso einschließt wie einen Angriff mit einer tödlichen<br />

Waffe. Einige <strong>Plattformen</strong> visualisieren nichtsdestotrotz alle „Assaults“ abstrakt zu einer Kategorie<br />

zusammengefasst, wohingegen andere eine Differenzierung hinsichtlich „Aggravated Assaults“ also<br />

schwerer Körperverletzungen und minderschwerer vornehmen. Aber auch im zweitgenannten Fall<br />

ist nicht genau klar, welche Übergriffe in welche Kategorie überführt werden. Letztendlich ist diese<br />

Zuweisung abermals von der jeweiligen polizeilichen Praxis abhängig, wobei wiederum auf die<br />

tendenziell feststellbare polizeiliche Überbewertungstendenz hingewiesen werden muss (vgl. Kap.<br />

2.1.3.).<br />

Demnach können die <strong>Plattformen</strong> Kriminalität nicht fehlerfrei abbilden. Vielmehr müssen die<br />

Betreiber einen sachgerechten und verständlichen Kompromiss aus Lesbarkeit und Abstraktion bei<br />

der Wahl der zu visualisierenden Delikttypen und der Form ihrer Visualisierung finden.<br />

Diesbezüglich können, wie bereits in Kapitel 2.2.3. dargestellt, grundsätzlich drei verschiedene<br />

Visualisierungstypen ausgemacht werden, die von Plattformbetreibern zur Darstellung der<br />

Informationen gewählt werden:<br />

(a) Symbol- Maps<br />

(b) Graduated- Symbol- Maps<br />

(c) Heat- Maps<br />

Im Folgenden werden diese drei Formen hinsichtlich ihrer jeweiligen möglichen negativen<br />

Auswirkungen auf das Verständnis krimineller Sachverhalte der Nutzer näher untersucht. Daraufhin<br />

werden mögliche Konsequenzen von Systemen überprüft, die verschiedene Visualisierungstypen<br />

kombinieren bzw. die grafische Überlagerung zusätzlicher Informationen ermöglichen.<br />

Zu den Symbol- Maps (a) wurde im angesprochenen Kapitel bereits angemerkt, dass durch die<br />

Darstellung aller Delikte mit je einem entsprechenden Symbol, Karten entstehen, die für den<br />

Nutzer durchaus nachvollziehbar sind. Allerdings zeigen sich deutliche Schwächen bei der<br />

Visualisierung größerer räumlicher Teilbereiche. Die unüberschaubare Menge an Symbolen, vor


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

allem insofern sie recht groß sind, könnte bei Nutzern höchstens zur Überschätzung des<br />

tatsächlichen Kriminalitätsaufkommens führen (vgl. Abbildung 28).<br />

Im Zentrum der Betrachtung der interaktiven Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong>, die auf Symbol- Maps<br />

zurückgreifen, stehen verständlicherweise die Symbole die zur Repräsentation bestimmter<br />

Delikttypen gewählten wurden. Wie ebenfalls schon zuvor ausgeführt, können Symbol- Maps<br />

nochmals in reine Punkt oder Stecknadelkarten unterschiedlicher Einfärbung und solche Karten<br />

unterschieden werden, die kleine Zeichnungen bzw. Bilder zur Symbolisierung der Tatorte<br />

verwenden. Einfache eingefärbte Punktkarten sind als Ursprungsform auf den ersten Blick zwar<br />

relativ leicht verständlich, allerdings können auch sie diverse Fehlinterpretationen hervorrufen.<br />

Die Punkte und Stecknadeln sind in aller Regel möglichst klein gehalten, um den wahren Tatort<br />

abzubilden und nicht nur den ungefähren Raum, an dem ein Delikt stattfand. Außerdem kann<br />

durch kleine Deliktsymbole die Überschneidung verschiedener Tatorte vermieden werden. Wenn<br />

allerdings die übliche Deliktkategorisierung von rund einem Dutzend Typen auf diese<br />

Darstellungsform angewandt wird, offenbart sich ein zentrales Problem mit folgenschwerer<br />

Wirkung. Kleine Symbole die sich farblich nur sehr geringfügig voneinander abheben, lassen sich<br />

auf den Karten nur sehr schlecht bzw. teilweise überhaupt nicht voneinander unterscheiden. Die<br />

folgende Abbildung 50 spiegelt die wahre Punktgröße der <strong>Plattformen</strong> sehr gut wieder und<br />

verdeutlicht daher diese Problemlage mit Nachdruck. So können bereits in der Legende weder die<br />

drei grau noch die drei rötlich- orange gefärbten Kategorien klar voneinander unterschieden<br />

werden. Das diese Einfärbungen bei allen Nutzern und im speziellen bei Farbenblinden fehlerhafte<br />

Interpretationen hervorrufen können ist augenscheinlich. Die Karte, die lediglich die grau gefärbten<br />

Delikte anzeigt (also Einbrüche, Diebstähle und Diebstähle aus PKW) belegt diese These durch ihre<br />

recht schwach ausmachbare Unterscheidbarkeit der verschiedenen Delikttypen.<br />

Abbildung 50: Farbauswahl der Punktdarstellung (Plattform: crimemapping.com)<br />

83


84 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

Wenn jedoch für jeden Delikttyp eigene Symbole gewählt werden, kann dieses spezielle Problem<br />

behoben werden. Nichtsdestotrotz zeigen sich auch bei spezifischen Symbolen mögliche Probleme,<br />

die Missverständnisse hervorrufen können. Denn wenn die gewählten Symbole keine oder gar<br />

falsche Rückschlüsse auf das entsprechende Delikt verursachen, können sie weitreichende<br />

Fehleinschätzungen bewirken. So zeigt die folgend einsehbare Legende (vgl. Abbildung 51) ein<br />

gelbes Symbol mit Ausrufezeichen, was in keinerlei Beziehung zum symbolisierten Delikttyp der<br />

„Erregung öffentlichen Ärgernisses“ steht. Fehlerhafte Interpretationen sind außerdem bei dem<br />

pink hinterlegten Symbol mit einer Spritze und dem schwarzen „zer- bzw. gebrochenen“ Auto<br />

auszumachen. So suggeriert das zweitgenannte nicht unbedingt Einbrüche in PKW, sondern für<br />

manchen Nutzer sicherlich eher Autounfälle. Das erstgenannte Beispiel der „pinken Spritze“ soll<br />

allerdings die mögliche Wirkungstiefe falsch gewählter Symbole verdeutlichen. Mit diesem Symbol<br />

wird ein potenzieller Plattformnutzer hauptsächlich Delikte assoziieren, die in Verbindung mit<br />

harten Drogen wie Heroin und entsprechender Beschaffungskriminalität stehen. Dementsprechend<br />

wird ein Raum, der viele dieser Symbole aufweist, in einen Zusammenhang mit der aktiven<br />

Drogenszene gebracht. Allerdings umfasst dieses Symbol nicht nur Delikte, die mit Drogen im<br />

klassischen Sinne in Verbindung stehen, sondern es schließt auch Delikte im Zusammenhang mit<br />

Alkohol ein, wozu beispielsweise der unerlaubte Kauf und Verkauf von alkoholischen Getränken<br />

geführt wird 5 . Werden beispielsweise in einer amerikanischen Bar zehn 20-jährige Personen mit<br />

alkoholischen Getränken aufgegriffen und den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend<br />

polizeilich erfasst, zeigt die Karte in diesem Fall einen Tatort mit zehn „pinken Spritzen“. Es wird<br />

deutlich, wie stark die Interpretation, der durch die <strong>Plattformen</strong> angebotenen Karten, von den<br />

gewählten Symbolen abhängig ist.<br />

Abbildung 51: Auswahl von deliktspezifischen Symbolen (Plattform crimemapping.com)<br />

Auch Graduated- Symbol- Maps (b) können durch ihre Symbolwahl Fehlinterpretationen der<br />

Nutzer verursachen. Diese Karten visualisieren nicht jedes Delikt durch ein einzelnes Symbol,<br />

sondern aggregieren alle Symbole eines bestimmten Einzugsgebietes und zeichnen entsprechend<br />

ihrer Menge farblich und nach Größe abgestufte Symbole. Hierbei können hinsichtlich der<br />

Förderung fehlerhafter Informationen zwei zentrale Probleme ausgemacht die werden.<br />

Das erste Problem, was diesbezüglich angesprochen werden muss, beinhalten zwar alle Systeme,<br />

die Graduated- Symbol- Maps nutzen, es kann allerdings am Beispiel der Plattform der Stadt San<br />

Francisco besonders gut dargestellt werden. Hierbei handelt es sich um die Fragestellung, wie das<br />

Gebiet bestimmt wird, dessen Taten zu einem Symbol zusammengefasst werden. Viele Graduated-<br />

Symbol- Systeme, wie zum Beispiel die später noch zu untersuchende Plattform police.uk, stellen<br />

lediglich die Symbole dar und geben keinerlei Auskunft darüber, in welchem Raum die angezeigten<br />

Delikte vorgefallen sind. Dadurch wirkt die Darstellung aber weniger glaubhaft und<br />

5 Vgl. hierzu http://www.crimemapping.com/help/help.aspx#legend


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

wirklichkeitsgetreu, da kein Bezug zwischen den einzelnen Taten und den visualisierenden<br />

Symbolen hergestellt werden kann. Zum Beispiel kann nicht nachvollzogen werden, ob mehrfache<br />

Zuweisungen von einzelnen Taten zu verschiedenen Symbolen erfolgt sind und sich demnach die<br />

Einzugsgebiete der Symbole überschneiden. Außerdem könnten durch den Zuschnitt der Gebiete<br />

absichtlich oder unabsichtlich erhebliche Verzerrungen erzeugt werden.<br />

Bei der zuvor angesprochenen, von der Stadt San Francisco betriebenen Plattform werden die<br />

zugehörigen Gebiete zwar mit einem blauen Rahmen angezeigt, insofern dies gewünscht ist,<br />

allerdings bewahrheiten sich die zuvor angesprochenen Befürchtungen teilweise. Die folgende<br />

Abbildung 52 zeigt drei benachbarte Gebiete samt ihrer kriminalitätsbezogenen Symbole und der<br />

Einzugsgebiete der kriminellen Handlungen. Durch die Symbole und die durch sie vermittelte<br />

Anzahl krimineller Handlungen wird der Eindruck erweckt, dass im zentral gelegenen Gebiet die<br />

wenigsten kriminellen Handlungen erfolgen. Betrachtet man demgegenüber die Gebietszuschnitte,<br />

wird deutlich, dass dieses Gebiet, vor allem im Vergleich zum östlich gelegenen, viel kleiner ist. Die<br />

Kriminalität fällt dort, gemessen in Proportion zur Gebietsgröße also wesentlich geringer aus.<br />

Demgegenüber ist das Ausmaß an Kriminalität im westlichen Gebiet in Anbetracht der kleinen<br />

Größe enorm hoch einzuschätzen. Wenn man Flächen gleicher Größe vergleichen möchte, könnte<br />

man die beiden westlichen Gebiete sogar zusammenziehen, was zu einem Kriminalitätsverhältnis<br />

von 292 im westlichen Gebiet zu 101 im östlichen Gebiet führen würde (vgl. Abbildung 52). Auf<br />

diese Weise würde ein Gebiet als viel krimineller gelten, wohingegen das Kriminalitätsverhalten<br />

des anderen deutlich relativiert worden wäre. Es wird augenscheinlich, wie stark der<br />

Gebietszuschnitt die Ergebnisse und damit die Visualisierung der Graduated- Symbol- Maps<br />

beeinflussen kann. So lange nicht ersichtlich ist, dass die Gebietszuweisung zu Symbolen aufgrund<br />

„gerechter“ Methoden erfolgt, sind die Ergebnisse höchst strittig. Das eine solche Zuweisung<br />

sicherlich möglich ist, steht dabei nicht zur Diskussion, beispielsweise könnten Distrikte mit gleich<br />

hoher Bewohnerschaft gebildet werden. Wenn die betreffenden <strong>Plattformen</strong> ihre Darstellungen<br />

transparent und nachvollziehbar gestalten wollen, müssen sie Informationen über die Methoden<br />

bei der Gebietszuweisung demnach deutlich kundtun. Da dies zum jetzigen Zeitpunkt in der Regel<br />

noch nicht der Fall ist, sind die <strong>Plattformen</strong> angreifbar für Kritik und erscheinen in hohem Maße<br />

dazu geeignet Fehlinformationen an die Bevölkerung heranzutragen.<br />

Abbildung 52: Unterschiedlicher Gebietszuschnitt zur Ermittlung der Kriminalitätsbelastung bei Graduated- Symbol-<br />

Maps (Plattform: map: crime incidents San Francisco)<br />

Ein weiteres Problem wird folgend anhand der von der britischen Polizei betriebenen Plattform<br />

police.uk dargelegt. Wie bereits in Kapitel 2.2.3. verdeutlicht, verzichten <strong>Plattformen</strong> der<br />

Graduated- Symbol- Maps bei den Symbolen nämlich auf eine Differenzierung einzelner<br />

85


86 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

Delikttypen. Dies bedeutet, dass die Karten immer die Gesamtheit aller gewählten<br />

Kriminalitätstypen mit demselben abgestuften Symbol abbilden.<br />

Die Problemhaftigkeit dieses Sachverhaltes wird mit Blick auf die folgende Abbildung deutlich (vgl.<br />

Abbildung 53). Bei der ersten Karte erscheint vor allem der direkt nördlich an die Themse<br />

grenzende Raum als kriminell sehr stark belastetet. Allerdings wird schon durch die zweite Karte<br />

deutlich, dass es sich vergleichsweise selten um schwere und tatsächlich gefährliche Straftaten wie<br />

beispielsweise Raub handelt. Nach Abruf der einzelnen Deliktkarten, kommt man zum dem<br />

Ergebnis, dass in diesem Raum relativ häufig die sogenannte „Anti- Social- Behaviour“ (vgl.<br />

Beispielkarte 3) registriert wurde. Da dies gemäß der Definition der britischen Polizei „Delikte“ wie<br />

Trinken von Alkohol auf der Straße oder Betteln einschließt 6 , stellt sich die Frage, wie kriminell der<br />

anfangs so bedrohlich wirkende Stadtteil wirklich ist und ob die hohe Deliktzahl hier nicht eher für<br />

eine erhöhte Anzeigebereitschaft der Anwohner spricht. Da dieser Visualisierungstyp also keine<br />

Differenzierung zwischen Delikttypen vornimmt, ist er für fehlerhafte Interpretationen von<br />

Kriminalität besonders anfällig.<br />

Abbildung 53: Problem der fehlenden Deliktdifferenzierung von Graduated- Symbol- Maps (Plattform: police.uk)<br />

Diesem Problem könnte aber zumindest in gewissem Maß begegnet werden. Die selbst erstellte<br />

Abbildung 54 stellt zumindest oberflächlich dar, welchen Anteil die verschiedenen Delikttypen an<br />

der Gesamtzahl krimineller Handlungen haben. Im Prinzip werden die einfachen Kreissymbole<br />

größerer Konzentrationen von Kriminalität hierbei lediglich durch Tortendiagramme ersetzt. Dabei<br />

wäre es durchaus denkbar, dass eine solche Anzeige zusätzlich an- oder abgeschaltet werden<br />

könnte, je nachdem ob die Information gewünscht ist oder nicht.<br />

Abbildung 54: Eigene graduierte Darstellung mit deliktspezifischer Differenzierung (Kartenbasis: police.uk)<br />

6 Vgl. hierzu auch: http://www.antisocialbehaviour.org.uk/behaviour_types/index.php


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Der dritte Visualisierungstyp der Heat- Maps (c) geht hinsichtlich seiner Ausrichtung, wie schon<br />

angesprochen, noch weiter in Richtung einer Optimierung der Anschaulichkeit, wodurch er deutlich<br />

an Nachvollziehbarkeit einbüßt. Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass durch die Wärmekarten<br />

nur noch die Dichte krimineller Vorfälle visualisiert wird und die einzelnen zugrunde liegenden<br />

Delikte nicht mehr auftauchen. Da Nutzer somit nicht wissen, aus welchem Datenmaterial die<br />

Heat- Maps erzeugt werden, sind die Karten weder nachvollziehbar noch vertrauensfördernd.<br />

Die Crime- Heat- Map der Plattfrom oobrien.com demonstriert diese zu erwartende negative<br />

Wirkung nachdrücklich, indem sie dem Nutzer alle zu befürchtenden Darstellungstricks der Heat-<br />

Maps frei verfügbar macht. Wie die folgende Abbildung 55 verdeutlicht, können die Nutzer mit<br />

Hilfe zweier Schieberegler einfach selbst bestimmen wie „kriminell“ die Stadt London ist. Es muss<br />

angemerkt werden, dass tatsächlich allen drei Karten dieselben Datensätze zugrunde legen. Das<br />

Problem besteht hierbei also darin, dass die Nutzer der <strong>Plattformen</strong> niemals wissen können, wie<br />

stark einzelne Delikte in den Heat- Maps dargestellt werden. Wenn also beispielsweise eine Stadt<br />

eine Heat- Map zur Eigenwerbung im Internet verfügbar macht, wird sie einzelnen Delikten<br />

sicherlich geringeres Gewicht beimessen, als wenn die Polizei mittels dieses Kartentyps mehr<br />

öffentliche Gelder akquirieren will. In beiden Fällen wird das Gewicht des Einzelfalls durch den<br />

Betreiber der Plattform entsprechend der bezweckten Aussage abgewandelt. Das soll zwar nicht<br />

bedeuten, dass alle <strong>Plattformen</strong> dieser Art absichtlich die Fehlinformation der Nutzer forcieren,<br />

aber dennoch wird ihnen unter den jetzigen Umständen immer eine gewisse negative Konnotation<br />

innewohnen.<br />

Abbildung 55: Problem des ungewissen Gewichts von Delikten bei Heat- Maps (Plattform: oobrien.com)<br />

Systeme, die verschiedene Visualisierungstypen kombinieren, können nur dann von der<br />

Kombination profitieren, insofern diese auch auf einer Karte erfolgt. Wenn also eine Heat- Map<br />

erzeugt wird und die entsprechende Symbol- Map verschwindet, sind Vorteile und Nachteile<br />

gleichermaßen hinfällig. Die Plattform raidsonline.com kombiniert aber beispielsweise tatsächlich<br />

zwei Darstellungstypen auf einer Karte. Dabei lässt sich aus den visualisierten Punkten der Symbol-<br />

Map eine Heat- Map erzeugen, die dann unter den Symbolen angezeigt wird. Auf diese Weise<br />

können zumindest die den Heat- Maps entgegengebrachten Zweifel zerstreut werden.<br />

Eine sehr umfangreiche Menge zur Verfügung gestellter Informationen kann aber auch zur<br />

Überforderung der Nutzer führen, da es sich zumeist nicht um Fachleute sondern um absolute<br />

Laien auf dem Gebiet der Kriminalität handelt. Dies gilt im Besonderen auch für die von der soeben<br />

genannten Plattform angebotenen Informationen bezüglich anderweitiger Sachverhalte, wie<br />

beispielsweise stadtsoziologischer Charakteristika. Das fehlende Fachwissen vieler Nutzer könnte<br />

87


88 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

außerdem falsche Rückschlüsse bezüglich bestimmter Wechselwirkungen aufgrund von<br />

Scheinkorrelationen verursachen.<br />

Werden zum Beispiel alle Delikte in Zusammenhang mit der Bevölkerungsdichte dargestellt und<br />

mehrere kaum belebte Orte erscheinen als Hot Spots kriminellen Verhaltens, wäre dies für einen<br />

unerfahrenen Nutzer sicherlich ein seltsamer Zusammenhang, welcher ihn entweder an den Daten<br />

zweifeln lassen oder dazu veranlassen würde, eine eigene Theorie zu diesem Sachstand<br />

aufzustellen. Von Seiten eines Experten wären dahingegen weitergehende Analysen zu erwarten,<br />

mit Hilfe derer er das angesprochene Phänomen erklären könnte. Bündelt sich beispielsweise die<br />

Kaufkraft in einem dieser kriminellen Zentren und ist dort vor allem die Zahl der Taschendiebstähle<br />

hoch, so kann der Sachverhalt dadurch erklärt werden, dass es sich wohl um eine stark<br />

frequentierte Einkaufpassage handelt, die gerade für Taschendiebe eine hohe Opferzahl verspricht.<br />

Zusammenfassend kann im Bezug zur anfänglich aufgestellten These festgehalten werden, dass die<br />

Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> unabhängig von der gewählten Visualisierungsform<br />

Fehlinterpretationen bei den Nutzern hervorrufen können, die sich nicht wirklich vermeiden lassen.<br />

Die Gründe hierfür sind darin zu sehen, dass weder die Erfassung der Kriminalität, noch die<br />

Visualisierung Fehler ausschließen können. Vielmehr scheinen durch bestimmte<br />

Darstellungsformen gewisse Fehlinterpretationen sogar gefördert bzw. initiiert zu werden.<br />

Außerdem werden hierdurch zahlreiche negative Wirkungen begünstigt, die in den folgenden<br />

Kapiteln dargelegt werden.<br />

Abbildung 56: Kernelemente Kapitel 3.2.1. – Fehlinterpretationen<br />

(1) Fehlinterpretationen der <strong>Plattformen</strong> durch ihre Nutzer schränken mögliche<br />

positive Wirkungen ein und ziehen zahlreiche negative Konsequenzen nach<br />

sich.<br />

(2) Ursachen für die Fehlinterpretationen lassen sich, neben dem fehlenden<br />

Fachwissen der Nutzer, auf den Ebenen der Datenerfassung bzw. –grundlage<br />

und der Datenvisualisierung ausmachen.<br />

(3) Die Datenerfassung kann aufgrund folgender Faktoren Verständnisprobleme<br />

verursachen:<br />

a. Probleme bei der polizeilichen Erfassung und statistischen Erhebung<br />

b. Nutzergenerierter <strong>Plattformen</strong> sind von der Aufzeigebereitschaft<br />

abhängig und ihre Daten können nur mangelhaft überprüft werden.<br />

c. Eine klare Kennzeichnung aller zugrunde liegenden Daten, samt der<br />

damit verbundenen Probleme, ist derzeit nicht Standard und muss mit<br />

Nachdruck gefordert werden.<br />

(4) Die Datenaufbereitung ist für das Kriminalitätsverständnis von zentraler<br />

Bedeutung und birgt folgende Potenziale für Fehlinterpretationen:<br />

a. Zu kleine oder inadäquate Symbolwahl bei Symbol- Maps<br />

b. Mangelhafte Nachvollziehbarkeit und fehlende Deliktspezifizierung bei<br />

Graduated Symbol- Maps<br />

c. Nicht nachvollziehbare Tatgewichtung bei Heat- Maps<br />

(5) Die Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> müssen einen Mittelweg aus<br />

Nachvollziehbarkeit, Verständlichkeit und Informationstiefe finden.


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

3.2.2. Manipulationsmöglichkeiten<br />

Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit der Fragestellung, wie mit Hilfe von Crime- Mapping-<br />

<strong>Plattformen</strong> Manipulationen der Wahrnehmung von Kriminalität erfolgen können. Dabei muss<br />

zunächst auf die starke Überschneidung zu dem zuvor genannten Sachverhalt fehlerhafter<br />

Interpretation von Kriminalitätskarten hingewiesen werden. Denn Manipulationen der<br />

dargestellten Daten sind nur dann realisierbar, wenn die Wahrnehmungen der Nutzer gezielt<br />

fehlgeleitet werden können. Da die Anfälligkeit der Systeme für Fehlinterpretationen bereits belegt<br />

wurde, kann folgende These aufgestellt werden, die im weiteren Verlauf des Kapitels auf ihre<br />

Gültigkeit hin überprüft wird:<br />

Mit Hilfe der <strong>Plattformen</strong> kann die Wahrnehmung der Nutzer bezüglich der räumlichen Verteilung<br />

und des Ausmaßes von Kriminalität manipuliert werden.<br />

Grundsätzlich ist die Kriminalitätswahrnehmung der Nutzer von den Datengrundgrundlagen, den<br />

gewählten Visualisierungstypen und den individuellen Interpretationsfähigkeiten abhängig. Genau<br />

an diesen drei Punkten können auch Manipulationen ansetzen, um Einschätzungen hinsichtlich der<br />

Verteilung und der Größenordnung von Kriminalität zu verfälschen. Entsprechend der obigen<br />

Reihenfolge des Aufbaus der wahrnehmungsbildenden Informationen, handelt es sich also um die<br />

folgenden drei Ansatzpunkte:<br />

(1) Manipulationen der Datengrundlagen von <strong>Plattformen</strong>, wodurch wiederum<br />

Visualisierungen und Interpretationen fehlgeleitet werden<br />

(2) Manipulationen durch die Art der Visualisierung der <strong>Plattformen</strong>, auf Grundlage sachlich<br />

korrekter Daten. Auch hierdurch wird die Wahrnehmung der Nutzer manipuliert<br />

(3) Erzeugung manipulativer Analysen und Darstellungen mit Hilfe der <strong>Plattformen</strong>, die direkt<br />

bei der Nutzerwahrnehmung ansetzen<br />

Beginnt man nun auf der untersten Ebene mit der Manipulation der Datengrundlagen (1), stellt<br />

sich zu allererst die Frage, wie die Datensätze überhaupt manipuliert werden können. Zwar wurde<br />

auf die besondere Anfälligkeit nutzergenerierter Datensätze aufgrund problembehafteter<br />

Überprüfbarkeit der Daten in Kapitel 3.2.1. hingewiesen, allerdings kann eine Beeinflussung<br />

polizeilicher Datensätze eigentlich nur durch absichtlich ausgeübte Delikte oder erhöhte<br />

Deliktmeldung erfolgen. Der hierzu erforderliche Aufwand und das mögliche Entdeckungsrisiko<br />

drängen demnach die Frage in den Vordergrund, zu welchem Zweck bestimmte Personen<br />

überhaupt eine solche Manipulation anstreben. Im Folgenden sollen zwei hypothetische Beispiele<br />

mögliche Gründe und Vorgehensweisen skizzieren.<br />

Das erste Beispiel bezieht sich auf eine private Sicherheitsfirma, die ihre Dienste gern in einem<br />

innerstädtischen Quartier anbieten möchte, allerdings kaum Kundschaft findet. Daraufhin<br />

veranlasst sie die eigenen Mitarbeiter, die im entsprechenden Quartier wohnen, verstärkt auf<br />

Delikte zu achten und diese auch polizeilich zu melden. Die hierdurch steigenden gemeldeten<br />

Deliktzahlen, die auf den <strong>Plattformen</strong> ersichtlich werden, dienen der Firma dann als Grundlage für<br />

die eigenen Werbestrategien. Außerdem können solche Sicherheitsfirmen allein durch ihre Präsenz<br />

in Form von Sicherheitspersonal und Kameras eine höhere Aufzeigerate von Delikten verursachen,<br />

wodurch ebenfalls die Notwendigkeit der eigenen Existenz durch die <strong>Plattformen</strong> belegt werden<br />

würde.<br />

89


90 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

Ein zweites etwas schwerwiegenderes Problem soll am Beispiel der Immobilienwirtschaft dargelegt<br />

werden. So stelle man sich eine Immobilienfirma vor, deren Ziel es ist, Gebäude in einem<br />

bestimmten städtischen Raum zu erwerben um dort ein Großprojekt durchzuführen. Da ihr die<br />

Bodenpreise allerdings zu hoch erscheinen, heuert sie Sprayer an, die an verschiedenen Gebäuden<br />

im Gebiet Graffitis hinterlassen. Hierbei können sowohl ausschließlich eigene Gebäude, als auch<br />

fremde Gebäude betroffen sein. Der Unterschied zwischen beiden Formen bestünde darin, dass<br />

das beschädigen fremder Gebäude nicht nur direkt ihren Wert schmälern, sondern auch eine<br />

Straftat darstellen würde. Auch durch den erstgenannten legalen Weg könnte man das Ziel der<br />

Minderung des Preisniveaus im gesamten Gebiet erreichen, wenn man die Verschmutzungen nur<br />

möglichst wirksam öffentlich kundtut. Genau diese Aufgabe übernimmt dann die Crime- Mapping-<br />

Plattform für die Immobilienfirma. Sobald sich in Hausbesitzer- und Hauskäuferkreisen<br />

herumgesprochen hat, dass das Gebiet sehr stark von Sprayern frequentiert wird, werden nicht nur<br />

Nachfrage sondern auch Preise sinken.<br />

Bezieht man das zweite Beispiel darüber hinaus noch auf nutzergenerierte <strong>Plattformen</strong>, ist die<br />

Immobilienfirma nicht einmal dazu gezwungen tatsächlich Graffitis anbringen zu lassen. Vielmehr<br />

würden Fotos von solchen reichen, die dann auf eine entsprechende Plattform hochgeladen<br />

werden könnten. Informiert sich ein potenzieller Hauskäufer nun auf einem solchen Portal über die<br />

Gegend, wird er wahrscheinlich durch eine hohe Zahl von Schmierereien von einem Kauf im<br />

betreffenden Gebiet absehen.<br />

In beiden Fällen gilt anzumerken, dass Unternehmen die Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> nicht nur<br />

durch Manipulationen für ihre Zwecke nutzen können, sondern diese auch allgemein heranziehen<br />

können, um gewisse Informationen wie zum Beispiel über potenzielle Kunden zu erhalten.<br />

Diesbezüglich werden im folgenden Kapitel 3.2.3. eingehende Untersuchungen vorgenommen.<br />

Es wird deutlich, dass vor allem privatwirtschaftliche Interessen dazu geeignet erscheinen<br />

Manipulationen am Datenmaterial vorzunehmen. Die künstliche Erhöhung der Deliktzahlen muss<br />

dabei wie dargelegt, nicht einmal mit der Ausübung von Delikten einhergehen, sondern kann auch<br />

durch erhöhtes Anzeigeverhalten dieser oder die Beschädigung des eigenen Besitzes erzielt<br />

werden. Unabhängig vom Vorgehen, können auf Grundlage der manipulierten Daten fehlerhafte<br />

Darstellungen erzeugt werden, die dem Nutzer letztendlich ein falsches Abbild der Kriminalität<br />

vermitteln.<br />

Darüber hinaus können Fehlinterpretationen auch durch Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> selbst (2)<br />

gefördert werden. Diesbezüglich ist eine Vielzahl sehr gegensätzlicher Beispiele denkbar. So würde<br />

eine Stadt, mit einer von ihr betriebenen Plattform, sicherlich auf eine Darstellungsweise<br />

zurückgreifen, die sie weniger kriminell erscheinen lässt, um für interessierte Gewerbetreibende<br />

und Bewohner möglichst sicher und somit attraktiv zu wirken. Auf der anderen Seite ist von einer<br />

Plattform, die von einem Medienunternehmen betrieben wird, nicht zu erwarten, dass sie Delikte<br />

verharmlost. Vielmehr nennt auch der periodische Sicherheitsbericht die mediale Berichterstattung<br />

krimineller Sachverhalte dramatisierend (BMJ & BMZ 2006, S.60-61). Es wird deutlich, dass<br />

hinsichtlich der Manipulation durch <strong>Plattformen</strong>, die jeweiligen Betreiber und ihre Zielsetzungen<br />

von entscheidender Bedeutung sind.<br />

Aber auch von der Polizei betriebene Systeme können Darstellungen enthalten, die die<br />

Wahrnehmung der Nutzer in ganz bestimmte Richtungen lenken sollen. Diesbezüglich sei auf die in


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Kapitel 2.1.3. offerierte Abbildung 4 hingewiesen, die gegensätzliche Interpretationsansätze<br />

polizeilicher Statistiken aufdeckt. Danach können Polizeiplattformen Darstellungen bevorzugen, die<br />

wenige Delikte suggerieren, da so ein geringes Kriminalitätsniveau als Zeichen erfolgreicher<br />

Polizeiarbeit gesehen würde. Andererseits könnten sehr hohe Deliktzahlen und sehr aufrüttelnde<br />

Darstellungen nicht nur belegen, dass die Polizei stark gegen Kriminalität vorgeht, sondern sie<br />

würden auch für stärkere finanzielle Zuwendungen für die Polizeiarbeit sprechen. Allein der durch<br />

die Plattform crimereports.com angegebene Sachverhalt, dass manche Polizeidienststellen auf die<br />

Angabe bestimmter Delikttypen verzichten (vgl. hierzu Fußnote 4), verdeutlicht die<br />

unterschiedliche Ausrichtung der durch die Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> verfolgten Aussagen. Die<br />

folgende Abbildung 57 zeigt in diesem Zusammenhang die Darstellungsformen zweier<br />

unterschiedlicher <strong>Plattformen</strong>, wobei in beiden Fällen der Delikttyp „Robbery“ in der Stadt London<br />

visualisiert wird. Diese Darstellungsarten verdeutlichen, wie stark <strong>Plattformen</strong> die Wahrnehmung<br />

der Nutzer gegenüber der Kriminalität beeinflussen bzw. manipulieren können.<br />

Abbildung 57: Vergleich manipulativer Wirkungen verschiedener Darstellungsarten<br />

91


92 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

Als letzter möglicher Ansatzpunkt für Manipulationen der Wahrnehmung durch Crime- Mapping-<br />

<strong>Plattformen</strong> werden anschließend manipulative Analysen und Darstellungen (3) behandelt, die<br />

mit den <strong>Plattformen</strong> erzeugt werden können. Zwar handelt es sich hierbei nicht um direkte<br />

Wahrnehmungsbeeinflussungen der <strong>Plattformen</strong> an sich, aber dennoch werden sie erst durch die<br />

von den Systemen angebotenen Möglichkeiten der Kartenerzeugung und -Analyse realisierbar. Das<br />

Hauptproblem ist dabei darin zu sehen, dass Nutzer die von den <strong>Plattformen</strong> verfügbar gemachten<br />

Daten häufig so individuell darstellen und ausgeben können, dass vor allem die von ihnen<br />

erwünschten Aussagen unterstrichen werden. In Bezug auf die von Chainey und Tompson<br />

angeführte „Rosinenpickerei“ bei der Auswahl von Kriminalitätsstatistiken durch Politiker und<br />

Medienvertreter muss also angemerkt werden, dass die Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> keineswegs<br />

eine große Verbesserung darstellen. Die folgende Abbildung verdeutlicht diesen Sachverhalt erneut<br />

am Beispiel der Heat- Map der Stadt London (vgl. Abbildung 58). Beide Karten zeigen denselben<br />

Kartenausschnitt auf der gleichen Plattform und erzeugen dennoch ein völlig unterschiedliches Bild<br />

der Kriminalität.<br />

Abbildung 58: Beispiel divergenter bzw. manipulativer Ausgabemöglichkeiten<br />

Vor allem hinsichtlich der Kombination der Kriminalitätskartierungen mit anderweitigen<br />

Informationen, können anhand von Präsentationen von Scheinkorrelationen die Wahrnehmungen<br />

der Nutzer fehlerhaft beeinflusst werden. Wenn beispielsweise eine kombinierte Darstellung<br />

krimineller Vorfälle mit der ethnischen Zusammensetzung von Räumen erfolgt, könnte das<br />

Ergebnis für rassistische Zwecke missbraucht werden, insofern es Zusammenhänge zwischen<br />

hohen Ausländerzahlen und hoher Kriminalität darstellt. Dass „höhere“ Deliktzahlen von<br />

Ausländern allerdings auf ganz andere Faktoren zurückzuführen sind und eigentlich nichts mit ihrer<br />

Ethnie zu tun haben, bliebe im Falle böswilliger Absichten außer Acht.<br />

Zusammenfassend muss festgehalten werden, dass die Nutzer durch die aufgeführten<br />

Manipulationsmöglichkeiten absichtlich fehlerhaft über Kriminalität informiert werden können,<br />

was wiederum zahlreiche Folgewirkungen wie beispielsweise die Stigmatisierung von Räumen und<br />

seiner Bewohner oder das unnötige Schüren von Ängsten mit sich bringen würde. Über das<br />

tatsächliche Ausmaß der Manipulationen können zwar derzeit keine Aussagen gemacht werden,<br />

aber die Vielfalt aufgezeigter Möglichkeiten sollte demonstrieren, wie anfällig Plattformnutzer für<br />

absichtlich verbreitete Fehlinformationen – also Manipulationen – sind.


Abbildung 59: Kernelemente Kapitel 3.2.2. – Manipulationsmöglichkeiten<br />

<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

(1) Mit Hilfe der Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> können die Kriminalitäts-<br />

wahrnehmung von Systemnutzern und Bevölkerung manipuliert werden.<br />

(2) Dabei können die Manipulationen an drei Ansatzpunkten ausgemacht werden:<br />

a. Manipulationen der Datengrundlagen<br />

b. Manipulationen durch die <strong>Plattformen</strong><br />

c. Manipulationen durch Analysen und Abfragen auf den <strong>Plattformen</strong><br />

(3) Bei letztgenannten können Fehlkorrelationen mit Zusatzinformationen<br />

manipulativ eingesetzt werden.<br />

3.2.3. Privatwirtschaftliche Nutzung<br />

Bereits im vorangehenden Kapitel wurde auf den möglichen privatwirtschaftlichen Nutzen der<br />

Crime- Mapping- Systeme eingegangen. Allerdings bezogen sich die dort dargelegten Beispiele<br />

ausschließlich auf manipulative Vorgehensweisen von Unternehmen. Dieses Kapitel beschäftigt<br />

sich dementgegen aber nicht mit Manipulationen der <strong>Plattformen</strong>, sondern mit legalen Methoden<br />

der Plattformnutzung, die Unternehmen zur Zielerreichung einsetzen können. Theoretisch<br />

erscheint das Einsatzspektrum der durch die <strong>Plattformen</strong> bereitgestellten Informationen für<br />

wirtschaftliche Zwecke dabei immens, da teilweise tiefgreifende Analysen hinsichtlich der<br />

räumlichen Verteilung von Kunden, Klienten, Konkurrenten und Geschäftspartnern angestellt<br />

werden können. Daher wird die folgende These im Anschluss, unter Einbeziehung möglicher<br />

negativer Konsequenzen, anhand verschiedener beispielhafter Nutzungen untersucht:<br />

Die von den <strong>Plattformen</strong> zur Verfügung gestellten Informationen können für privatwirtschaftliche<br />

Zwecke genutzt/ missbraucht werden.<br />

Das amerikanische Justizministerium benennt diesbezüglich in seinem bereits erwähnten Bericht<br />

aus dem Jahr 2001 mögliche privatwirtschaftliche Vorteile, die mit den Crime- Mapping-<br />

<strong>Plattformen</strong> verfolgt werden können, und führt diese explizit als nachteilige Wirkung frei<br />

verfügbarer Systeme auf. So werden beispielhaft Nutzungen von Sicherheits-, Versicherungs- und<br />

Dienstleistungsunternehmen aufgeführt (Wartell & McEwen 2001; S.6). Auch Rebecca Paynich und<br />

Brian Hill führen in ihrem Buch „Fundamentals of Crime Mapping“ solche Unternehmenstypen als<br />

Nutznießer der <strong>Plattformen</strong> an, die durch die Art und Weise, wie sie mit den Daten umgehen,<br />

weitere negative Konsequenzen für betroffene Räume erzeugen (Paynich & Hill 2010; S.244).<br />

Private Sicherheitsunternehmen können die Daten dabei in zweierlei Hinsicht für ihre Zwecke<br />

nutzen. Einerseits können sie wie auch schon in Kapitel 3.2.2. dargestellt, hohe Deliktzahlen in<br />

Räumen dazu verwenden, die Notwendigkeit der eigenen Arbeit werbewirksam hervorzuheben.<br />

Allerdings sind auch viel aggressivere Vorgehensweisen seitens der Sicherheitsunternehmen<br />

denkbar. So wäre es ihnen beispielsweise anhand der Daten möglich, in von hohen Deliktzahlen<br />

betroffenen Gebieten oder gar bei konkreten Opfern gezielt ihre Dienste bzw. Produkte zu<br />

bewerben. Zwar mag dies aus der Perspektive des Sicherheitsunternehmens sehr plausibel<br />

erscheinen, allerdings sollten Opfer, angesichts der Situation in der sie sich befinden, nicht<br />

unnötigerweise mit Angeboten bedrängt werden, die sie eventuell vor dem ersten Übergriff hätten<br />

93


94 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

schützen können. Es ist davon auszugehen, dass sich Opfer, insofern sie es wollen, eigenständig um<br />

Maßnahmen zur Risikominderung zukünftiger Übergriffe informieren, sobald sie die betreffende<br />

Tat verarbeitet haben. Sicherlich ist es nicht wünschenswert, dass Opfer noch während des<br />

Verarbeitungsprozesses mit werbenden Telefonanrufen oder flächendeckenden Flugblättern<br />

belästigt werden. Diesem Aspekt kommt auch im Zusammenhang mit dem Opferschutz eine<br />

gewisse Rolle zu, der ausführlich im Rahmen der Datenschutzproblematik in Kapitel 3.2.6.<br />

behandelt wird.<br />

Eine zweite, sich stark negativ auswirkende, privatwirtschaftliche Nutzung der Crime- Mapping-<br />

Systeme wird im sogenannten Redlining gesehen. Dabei handelt es sich um eine von vielen<br />

Dienstleistungs- und Versicherungsunternehmen verfolgte Praxis, Räume und Städte in Zonen<br />

einzuteilen, anhand derer unterschiedliche Leistungen oder Beitragssätze festgemacht werden<br />

(Klawitter 2010, S.41; Wartell & McEwen 2001, S.18). So weisen Paynich und Hill darauf hin, dass<br />

Versicherungsunternehmen in besonders kriminellen Gegenden höhere Beiträge fordern oder<br />

Banken die Kreditvergabe verweigern (Paynich & Hill 2010; S.244). Wenn allerdings die Bewohner<br />

von Gebieten hoher krimineller Belastung auf diesem Weg zusätzlich finanziell belastet und<br />

diskriminiert werden, ist dies weder gerecht noch wünschenswert. Allein die Tatsache, dass die<br />

Gebietszuschnitte dazu führen können, dass zwei gegenüberliegende Straßenseiten unterschiedlich<br />

hohe Versicherungsbeiträge zahlen müssen, da die trennende Straße die Gebietsgrenze darstellt,<br />

macht die Abwegigkeit solcher Regelungen deutlich. Dass den Unternehmen, die solche<br />

Handlungsweisen anwenden, mit den interaktiven online Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> allerdings<br />

ein perfektes Werkzeug an die Hand gegeben wird, um genau diese Art von Gebietszuweisungen<br />

vorzunehmen, ist angesichts der veröffentlichten Informationen selbstverständlich.<br />

Wie bereits angesprochen, kann die Veröffentlichung von Deliktzahlen auf den <strong>Plattformen</strong> auch<br />

negative Auswirkungen auf den Immobilienmarkt stark betroffener Gebiete haben. Dabei ist diese<br />

Entwicklung nicht auf die Einflussnahme von Immobilienunternehmen zurückzuführen, sondern<br />

liegt eher in der negativen Beeinflussung von Zuwanderern und der bestehenden Anwohnerschaft<br />

begründet. Große Teile der Plattformnutzer wollen sich nämlich hauptsächlich über das eigene<br />

Wohnquartier oder mögliche neue Wohnstandorte informieren. Wenn die <strong>Plattformen</strong> also hohe<br />

Kriminalitätsraten für einen Raum offenlegen, werden die Nutzer dazu tendieren nicht in das<br />

Gebiet zu ziehen bzw. davon wegzuziehen. Die dadurch entstehenden Leerstandszahlen werden<br />

nicht nur die Mietpreise in den betreffenden Gebieten sinken lassen, sondern auf Dauer auch den<br />

Wert der Immobilien negativ beeinflussen. Außerdem wird auch die Investitionsbereitschaft der<br />

Hausbesitzer sinken, wenn die Gebäude, aufgrund niedrigerer Mieterzahlen, weniger Rendite<br />

abwerfen. Folglich wird auch der bauliche Zustand nach einer gewissen Zeit deutlich an Qualität<br />

einbüßen, was wiederum problematische Auswirkungen auf die Miet- und Immobilienpreise haben<br />

dürfte. Dementsprechend sollten Immobilienunternehmen die <strong>Plattformen</strong> im Sinne des in Kapitel<br />

3.1.3. dargestellten Monitorings von Kriminalität nutzen und steigende Deliktzahlen im Quartier als<br />

Anlass nehmen, gemeinsam mit lokalen Akteuren Strategien zur Kriminalitätsprävention zu<br />

entwickeln.<br />

Es wird ersichtlich, dass die Darstellungen der Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> einerseits negative<br />

Konsequenzen für Unternehmen haben können und andererseits durch privatwirtschaftliche<br />

Nutzung der Systeme negative Auswirkungen für städtische Räume und seine Bewohner erwartet<br />

werden müssen! In diesem Sinne muss die aufgestellte These leider bestätigt werden.


Abbildung 60: Kernelemente Kapitel 3.2.3. – Privatwirtschaftliche Nutzung<br />

<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

(1) Die von den <strong>Plattformen</strong> bereitgestellten Informationen können von der<br />

Privatwirtschaft beispielsweise zu Werbezwecken oder zur Bestimmung von<br />

Preisen und Beiträgen genutzt werden.<br />

(2) Diese privatwirtschaftlichen Nutzungen der <strong>Plattformen</strong> sind höchst konfliktiv<br />

und können zahlreiche negative Auswirkungen für Räume und Bewohner<br />

hervorrufen!<br />

(3) Die <strong>Plattformen</strong> enthalten aber auch Informationen, die für Unternehmen<br />

schädlich sein können (z.B. Unternehmen der Immobilienbranche)<br />

3.2.4. Crime- Mapping- Systeme als Quelle von Kriminalitätsangst und -furcht<br />

An dieser Stelle sollen die Zusammenhänge von Kriminalitätsangst und-furcht und den interaktiven<br />

online Crime- Mapping- Systemen untersucht werden. Dabei muss zunächst geklärt werden, was<br />

Kriminalitätsfurcht ist, in welchen Formen sie auftritt und welche Folgen sie mit sich bringen kann.<br />

Zur Klärung dieser Fragestellungen dienen dabei die detaillierten Ausführungen, die durch den<br />

zweiten periodischen Sicherheitsbericht der Bundesregierung zum Thema Kriminalitätsfurcht<br />

gemacht wurden (BMJ & BMZ 2006; S.485- 533).<br />

Bei der Kriminalitätsfurcht handelt es sich demnach kurz gesagt um Ängste der Bevölkerung, die<br />

sich entweder auf das Kriminalitätsniveau in der Gesellschaft im Allgemeinen oder auf die<br />

persönliche Bedrohung des Einzelnen beziehen. Von zentraler Bedeutung ist bei beiden Formen die<br />

Tatsache, dass die jeweilige Furcht nicht von tatsächlichen Bedrohungssituationen abhängig ist,<br />

sondern vor allem durch die Wahrnehmung der Bevölkerung hinsichtlich bekannter Fälle von<br />

Kriminalität gesteuert wird. Diese Empfindung ist dabei nur in den seltensten Fällen von eigenen<br />

Opfererfahrungen geprägt, sondert basiert hauptsächlich auf Meldungen aus den Medien oder<br />

bekanntgewordenen Ereignissen aus dem näheren Wohnumfeld über Mund zu Mund Propaganda.<br />

Es zeigt sich, dass die Kriminalitätsfurcht besonders vor gewalttätigen Übergriffen bei den Personen<br />

besonders hoch ist, die denken, sich nicht gegen solche Angriffe wehren zu können, was vor allem<br />

für ältere Menschen und junge Frauen zutrifft. Dementgegen weist aber die Gruppe der jungen<br />

Männer die höchsten Opferzahlen in dieser Kategorie auf. Demnach ist Kriminalitätsfurcht in den<br />

meisten Fällen zwar unbegründet, sie kann im Einzelfall aber trotzdem zur Verhinderung einzelner<br />

Delikte führen.<br />

Da interaktive online Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> Daten zum Ausmaß und zur räumlichen<br />

Verteilung von Kriminalität publik machen und dadurch entscheidend zur Wahrnehmung der<br />

Kriminalität durch die Bevölkerung beitragen, muss folgende These im weiteren Verlauf dieses<br />

Kapitels näher untersucht werden:<br />

Interaktive online Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> schüren als digitales Massenmedium die<br />

Kriminalitätsangst bzw. –furcht.<br />

Allerdings müssen auch die möglichen Konsequenzen von Kriminalitätsfurcht in die Betrachtungen<br />

einfließen, da auch sie gegebenenfalls durch die Crime- Mapping- Systeme hervorgerufen werden<br />

können. Diesbezüglich gilt es anzumerken, dass Menschen ganz unterschiedlich mit der Furcht vor<br />

95


96 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

kriminellen Übergriffen umgehen. So werden durch den Sicherheitsbericht die Meidung<br />

bestimmter als kriminell geltender Räume und der Rückzug in den eigenen Wohnraum als typische<br />

registrierbare Reaktionen genannt. Bezieht man die Meidung bestimmter Räume nun auf die<br />

Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> und die durch sie verfolgten Ziele, wird man durchaus<br />

Zusammenhänge feststellen. So erhofft sich die Polizei, wie auch in Kapitel 3.1.2. dargestellt, dass<br />

sich Plattformnutzer über Gefahrensituationen informieren und betreffende Räume gegebenenfalls<br />

meiden. Dementsprechend ist die Erzeugung gewisser Ängste durch <strong>Plattformen</strong> teilweise sogar<br />

beabsichtig, zumindest aber erwünscht. Dies kann als Beleg dafür verstanden werden, dass auch<br />

die Polizei um die Konsequenzen weiß, welche durch die erzeugte Kriminalitätsfurcht<br />

hervorgerufen werden können.<br />

Aus stadt- und raumplanerischer Sicht gilt es nun, die unerwünschten Konsequenzen der<br />

Kriminalitätsfurcht für städtische Räume und Bewohner kritisch zu hinterfragen bzw. offenzulegen.<br />

In diesem Sinne wird im Anschluss an die Klärung der Fragestellung, ob Crime- Mapping-<br />

<strong>Plattformen</strong> die Kriminalitätsfurcht schüren, folgende These untersucht:<br />

Kriminalitätsangst / -furcht hat auf städtische Räume und seine Bewohner erhebliche negative<br />

Auswirkungen und fördert teilweise sogar den Anstieg von Kriminalität.<br />

Die Beweisführung bei dieser Annahme ist nicht vom Ergebnis der erstgenannten These abhängig.<br />

Vielmehr wird durch die Klärung dieser zweiten Fragestellung, die Bedeutung der Crime- Mapping-<br />

<strong>Plattformen</strong>, entweder als Mittel der Furchtvermeidung oder aber als Ursache für Angst, immens<br />

verstärkt.<br />

In Anbetracht, der in Kapitel 3.1.2. dargelegten, von der Polizei erhofften Wirkungen der<br />

<strong>Plattformen</strong>, erscheint die erste These – Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> schüren Kriminalitätsangst –<br />

recht befremdlich. So verspricht sich beispielsweise die britische Polizei durch die Veröffentlichung<br />

der Kriminalitätsdaten via Crime- Mapping- Plattform, die Ängste der Bevölkerung zu vermindern,<br />

indem man die Wissenslücken hinsichtlich tatsächlicher krimineller Entwicklungen schließt<br />

(Chainey & Thompson 2012, S.2-3). Darüber hinaus ist man von Seiten der Polizei und Justiz der<br />

Meinung, dass die Medien ein falsches, zu Übertreibungen und Dramatisierungen neigendes Bild<br />

der Kriminalität zeichnen, was durch die <strong>Plattformen</strong> behoben werden könne (ebenda; BMS & BMJ<br />

2006, S.).<br />

In diesem Zusammenhang sei allerdings die Frage gestattet, inwiefern interaktive, frei zugängliche<br />

online Crime- Mapping- Systeme nicht auch als Teil der Massenmedien verstanden müssen. Auch<br />

sie veröffentlichen Kriminalitätsdaten in einer bestimmten Art und Weise und erzeugen damit<br />

Wahrnehmungen bei den Nutzern, die genauso Ängste schüren können, wie die Darstellungen<br />

anderer Medien. Dementsprechend muss der Frage nachgegangen werden, inwiefern die<br />

<strong>Plattformen</strong> dazu geeignet erscheinen in einem geringeren Maß Kriminalitätsangst zu erzeugen.<br />

Zur Beantwortung dieser Frage kann eine experimentelle Studie der amerikanischen<br />

Kriminalitätsforscherin Elizabeth Groff und ihrer Mitarbeiter zu Rate gezogen werden. Sie<br />

untersucht, ob Kriminalitätskarten mehr Angst hervorrufen als Kriminalitätsstatistiken. Dabei<br />

werden sogar die Auswirkungen von Dichtekarten/ Wärmekarten und graduierten Karten getrennt<br />

voneinander untersucht. Im Ergebnis zeigte sich hier, dass durch die graduierten Karten tatsächlich<br />

weniger Angst erzeugt wurde als durch Statistiken und Heat- Maps. Allerdings scheinen die beiden


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

letztgenannten im gleichen Maß Ängste bei den Lesern zu erzeugen (Groff et. al. 2005, S.101).<br />

Interessanterweise wird durch die Studie aber auch festgestellt, dass die geringere Angsterzeugung<br />

keineswegs auf eine bessere Information der Probanden zurückzuführen ist. So wird im Fall der<br />

genutzten Kriminalitätskartierungen und –Statistiken sogar die „allgemeinen Annahme wiederlegt,<br />

dass Karten Informationen klarer als Statistiken kommunizieren“(ebenda, S.103). Demnach muss<br />

den Karten abgesprochen werden, dass sie grundsätzlich immer besser informieren als Statistiken.<br />

Vielmehr sind eine bessere Information der Bürger und eine Verringerung ihrer Ängste bezüglich<br />

der Kriminalität von der Beschaffenheit der Deliktdarstellung abhängig.<br />

Grundsätzlich scheinen sich englisch- und deutschsprachige Polizeidienststellen aber der möglichen<br />

angsterzeugenden Wirkungen ihrer Veröffentlichungen bewusst und sind bestrebt, diese so gering<br />

wie möglich zu gestalten. So wurde durch den Experten des Saarländischen Landeskriminalamts<br />

mehrfach auf die Verantwortung der Polizei hingewiesen, durch Veröffentlichungen keine Ängste<br />

in der Bevölkerung zu schüren (Exner & Wendt 2012). Dementsprechend kann also davon<br />

ausgegangen werden, dass sich <strong>Plattformen</strong>, die durch oder in Zusammenarbeit mit<br />

Polizeidienststellen betrieben werden, der Problemstellung der Angstminimierung annehmen.<br />

Allerdings stellt sich auch hier die Frage, ob solche Systeme, die von anderen Institutionen oder<br />

Unternehmen betrieben werden, ebenfalls eine möglichst angstvermeidende Darstellung<br />

anstreben. Es sei nochmals auf die Tatsache hingewiesen dass Unternehmen der<br />

Kommunikationsbranche im allgemeinen besonders starke und teils auch beängstigende<br />

Darstellungen einsetzen, um möglichst hohe Aufmerksamkeit für ihr Medium zu erzielen.<br />

Von zentraler Bedeutung hinsichtlich der Erzeugung von Kriminalitätsängsten sind aber vor allem<br />

die in Kapitel 3.2.1. dargelegten Probleme von Fehlinterpretationen. Hier wird aufgezeigt, dass<br />

Nutzer aufgrund fehlenden Fachwissens und mangelhafter Information über Datengrundlagen<br />

sowie missverständlicher Darstellungsformen der <strong>Plattformen</strong>, das wahre Ausmaß der Kriminalität<br />

häufig nur fehlerhaft erfassen können. Die Ausführungen des Kapitels machen außerdem deutlich,<br />

dass auch polizeiliche <strong>Plattformen</strong> Darstellungen anbieten, die zahlreiche Fehlinterpretationen<br />

hervorrufen können. Vielmehr wird durch Groff. et. al. mit Hilfe des Vergleichs von Graduated<br />

Maps und Heat- Maps die Abhängigkeit zwischen Angsterzeugung und den gewählten<br />

Darstellungsformen aufgezeigt. So haben Farb- und Symbolwahl nicht nur entscheidenden Einfluss<br />

auf Fehlinterpretationen sondern auch auf die Erzeugung von Angst bzw. Furcht beim Nutzer (Groff<br />

et. al. 2005, S.103-105). Die folgende Abbildung 61 zeigt die bereits mehrfach angesprochene Heat-<br />

Map- Darstellung der Stadt London und offenbart, welches Gefahrenbild die <strong>Plattformen</strong> für<br />

unbedarfte Nutzer zeichnen können.<br />

97


98 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

Abbildung 61: Beispiel potenziell angsterzeugender Darstellung (Plattform: oobrien.com)<br />

Die zu Beginn des Kapitels benannte These, die Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> als geeignet<br />

betrachtete, Ängste bei den Nutzern zu schüren, muss also bestätigt werden. Es gilt nun, diese<br />

Erkenntnis bei der Überprüfung der zweiten These – Kriminalitätsfurcht hat auf städtische Räume<br />

und seine Bewohner negative Auswirkungen und fördert den Anstieg von Kriminalität – zu<br />

berücksichtigen.<br />

Wie bereits angesprochen, äußert sich Kriminalitätsfurcht zunächst einmal auf persönlicher Ebene,<br />

indem Menschen beispielsweise Räume meiden, bei denen sie Angst haben Opfer eines<br />

Verbrechens zu werden. Dieser, von der Polizei durchaus erwünschte Effekt, kann aber auch<br />

negative Konsequenzen für den betreffenden Raum haben. Wenn Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong><br />

beispielsweise einen städtischen Freiraum als besonders kriminell kennzeichnen und dadurch<br />

größere Teile der Bevölkerung diesen aus Angst meiden, wird der Ort durch die immer geringere<br />

Frequentierung noch stärker für kriminelle Übergriffe anfällig (selbsterfüllende Prophezeiung). Der<br />

periodische Sicherheitsbericht spricht in diesem Fall von der Schaffung von „no- go- areas“<br />

aufgrund von Kriminalitätsangst, die tatsächlich für kriminelle Aktivitäten interessant werden (BMZ<br />

& BMJ 2006, S. 486).<br />

Was passiert aber, wenn keine Freiräume, sondern bewohnte Räume als besonders kriminell in den<br />

Systemen verzeichnet werden. Hier spricht der Sicherheitsbericht vom Rückzug der Bevölkerung in<br />

den eigenen Wohnraum, was zu einer Vernachlässigung des öffentlichen Raums und der<br />

Ortsansässigen Einzelhandelsbetriebe führen würde. Außerdem ist davon auszugehen, dass Räume<br />

wachsender Kriminalität mit einem zunehmendem Wegzug der Mittelschicht und junger Familien<br />

zu kämpfen haben werden, die ihre Kinder und ihr Eigentum schützen wollen. Außerdem ist auch<br />

mit einem Rückgang der Zuzüge zu rechnen. Dass sich hieraus möglichweise ergebende<br />

Wirkungsgefüge, welches bis hin zum Verfall des gesamten städtischen Quartiers führen kann, soll<br />

aber noch nicht an dieser Stelle durchgespielt werden, da hier eine Vielzahl anderer zu<br />

befürchtender Wirkungen einbezogen werden müssen. Dementsprechend erfolgt eine solche<br />

hypothetische Darstellung im zusammenfassenden Kapitel 3.3.<br />

Außerdem soll abschließend noch auf eine dritte Form von Kriminalitätsfurcht hingewiesen<br />

werden, die speziell mit Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> einhergeht. Es handelt sich dabei um die<br />

Angst von Opfern, erneut Ziel eines Übergriffes zu werden, weil sie mit Hilfe der <strong>Plattformen</strong> für<br />

Täter als potenziell einfaches Ziel ausgemacht werden können (Pattavina 2005a; S.161). Inwiefern


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

diese Angst begründet ist oder nicht, spielt im Sinne der Definition der Kriminalitätsfurcht dabei<br />

keine Rolle. Die Furcht vor kriminellen Übergriffen, begründet oder unbegründet, beeinflusst die<br />

Lebensqualität erheblich (vgl. Kap. 2.1.2.) und wenn sie wie in diesem Fall, schon durch bloße<br />

Nichtberücksichtigung auf den <strong>Plattformen</strong> positiv beeinflusst werden kann, sollte man dem<br />

gerecht werden. Allerdings würde man durch die zu erwartende große Menge an<br />

Ausnahmeregelungen erheblichen Einfluss auf die Datengrundlage nehmen und diese eventuell<br />

sogar so stark verändern, dass man unweigerlich Fehlaussagen der <strong>Plattformen</strong> hervorrufen würde.<br />

Dieser Sachverhalt wird aus etwas anderen Perspektiven nochmals in den Kapiteln 3.2.6. und 3.2.7.<br />

behandelt, die sich mit den Aspekten der Datenschutzproblematik und des Nutzens der<br />

<strong>Plattformen</strong> für Kriminelle beschäftigen.<br />

Besonders bedenklich sind diese Problemlagen hinsichtlich der Tatsache, dass Crime- Mapping-<br />

<strong>Plattformen</strong> nicht nur Kriminalitätsängste verstärken können, sondern dass durch<br />

Fehlinterpretationen oder gar Manipulationen, unbegründete Ängste gegenüber völlig sicheren<br />

Räumen entstehen können (vgl. Kap. 3.2.1. und 3.2.2.).<br />

Abbildung 62: Kernelemente Kapitel 3.2.4. – Crime- Mapping- Systeme als Quelle für Kriminalitätsfurcht<br />

(1) Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> sind als Massenmedium dazu geeignet<br />

Kriminalitätsfurcht in der Bevölkerung zu schüren, da:<br />

a. gewisse Angstreaktionen auch von der Polizei erwünscht sind –<br />

Stichwort: Meidung gefährlicher Räume.<br />

b. Kriminalitätskarten nachweisbar in Abhängigkeit zur Art der Darstellung<br />

Angst erzeugen können.<br />

c. das polizeiliche Bestreben unnötige Ängste zu vermeiden, durch die<br />

<strong>Plattformen</strong> unterlaufen wird – Stichworte: Massenmedium,<br />

Fehlinterpretationen und Manipulationen.<br />

(2) Diese Kriminalitätsfurcht beeinträchtigt die Lebensqualität von Menschen und<br />

hat schwerwiegende Auswirkungen auf städtische Räume, wie z.B.:<br />

a. Schaffung von „no go areas“ und Kriminalitätssteigerung durch Meidung<br />

b. Rückzug und Wegzug der Bevölkerung betroffener Räume und damit<br />

einhergehende Konsequenzen<br />

99


100 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

3.2.5. Stigmatisierung von Räumen und Bewohnern<br />

In der Soziologie wird Stigmatisierung als die Zuweisung bestimmter, in der Regel negativer<br />

Charakteristika gegenüber Individuen bezeichnet, die ihnen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu<br />

gewissen Gruppen zugeschrieben werden. Wenn es sich dabei tatsächlich um negative<br />

Stigmatisierungen handelt, können sie auch als Diskriminierung bezeichnet werden. Die Zuweisung<br />

der Eigenschaften erfolgt allerdings nicht nur aufgrund bestimmter Gruppenzugehörigkeiten,<br />

sondern auch durch die Übertragung der Vorurteile gegenüber der jeweiligen Wohngebiete auf<br />

seine Bewohner (Farwick 2011, S.393-394). Vor diesem Hintergrund müssen Crime- Mapping-<br />

<strong>Plattformen</strong> hinsichtlich ihres Potenziales hinterfragt werden, Vorurteile im Bezug zur Kriminalität<br />

von Räumen und Bewohnern zu generieren. In diesem Sinne gilt es, folgende These zu<br />

untersuchen:<br />

Crime- Mapping- Systeme fördern und verursachen die Stigmatisierung von Räumen und deren<br />

Bewohnern als „kriminell“.<br />

Grundsätzlich zeigen die <strong>Plattformen</strong> registrierte Delikte für größere Räume auf und erscheinen<br />

hierdurch durchaus dazu geeignet, Stigmata gegenüber stark betroffenen Teilgebieten zu fördern.<br />

So werden den Plattformnutzern Informationen über kriminelle Sachverhalte an die Hand gegeben,<br />

die ihre Meinung bezüglich der Teilräume stark beeinflussen können und wie im vorherigen Kapitel<br />

dargestellt, auch Ängste entstehen lassen. Diese werden dann auf die dort wohnende Bevölkerung<br />

projiziert. In zweifacher Hinsicht ist dies nicht nur als problematisch, sondern vor allem als<br />

fehlerhaft einzuschätzen. Einerseits sind natürlich nicht alle Menschen, die in Räumen leben, wo<br />

auch eine größere Anzahl Täter wohnt, direkt kriminell. Dies kann vielmehr als typisches Beispiel<br />

von Diskriminierung verstanden werden. Andererseits ist aber vor allem die Annahme fehlerhaft,<br />

dass es sich bei den Gebieten um die Wohnräume von Tätern und Kriminellen handelt. Denn hohe<br />

Deliktzahlen in Räumen mögen zwar für ein erhöhtes Risiko sprechen, dort Opfer eines Übergriffes<br />

zu werden, aber unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Täter nur in den seltensten Fällen Taten<br />

im näheren Umfeld des eigenen Wohnraumes durchführen, ist die Einschätzung, die Bewohner<br />

seien kriminell, als komplett fehlerhaft einzuschätzen. Die Räume hoher Deliktdichte sind lediglich<br />

als Tatorte und nicht als Wohnräume von Tätern zu verstehen (vgl. Kap. 2.1.3.). Da diese Tatsache<br />

allerdings durch die <strong>Plattformen</strong> nicht vermittelt wird, erzeugen sie Stigmatisierungen und<br />

Diskriminierungen.<br />

Auch diese Problemlage wird hinsichtlich möglicher Fehlinterpretationen und Manipulationen von<br />

Crime- Mapping- Systemen verschärft. Denn hierdurch kann Bewohnern und Räumen sogar dann<br />

das Stigma Kriminalität aufgeladen werden, wenn sie nicht einmal besonders kriminell sind,<br />

sondern dieser Eindruck nur durch die <strong>Plattformen</strong> vermittelt wird. So zeigt die folgende Abbildung<br />

63 zwei Kartenausschnitte des Liverpooler Stadtzentrums der Plattform police.uk, wobei auf der<br />

linken Karte für den südlichen Teilraum allgemein eine sehr hohe Deliktdichte ausgemacht werden<br />

kann. Allerdings belegt die genauere Deliktauswertung der rechten Karte, dass es sich zu sehr<br />

großen Teilen um Bagatelldelikte der Öffentlichen Ruhestörung oder Erregung öffentlichen<br />

Ärgernisses handelt. Die Plattform fördert demnach eine fehlerhafte Stigmatisierung des Stadtteils.


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Abbildung 63: Beispiel fehlerhafter, Stigmatisierungen fördernder Darstellung (Plattform: police.uk)<br />

Doch welche Folgen gehen mit Stigmatisierungen von Räumen und seinen Bewohnern einher?<br />

Diesbezüglich muss zunächst auf die, bereits im Kapitel 3.2.4. dargelegten Folgen, in Bezug zur<br />

Kriminalitätsfurcht, hingewiesen werden. Denn mit der Stigmatisierung eines Raumes als kriminell,<br />

wird auch die Angst ihm gegenüber steigen. Es muss also ebenfalls von einer starken Meidung der<br />

„kriminellen“ Gebiete ausgegangen werden, die bis hin zu Kriminalitätssteigerungen im Sinne von<br />

selbsterfüllenden Prophezeiungen führen kann.<br />

Außerdem kann der angesprochene Prozess dazu führen, dass die als „kriminell“ geltenden<br />

Bewohner der betroffenen Quartiere ausgegrenzt werden (Müller 2011, S. 428- 431). Dabei wird<br />

unter Umständen bereits der Wohnort als Ausschlusskriterium für gesellschaftliche Teilhabe der<br />

Bewohner ausreichen, da sie ihm und seinem Stigma zu- bzw. untergeordnet werden (Belina<br />

2010b; S.122-132). Als Folge hiervon werden sich diese Bevölkerungsteile noch stärker<br />

zurückziehen und segregieren. Entsprechend des Theorems des Etikettierungsansatzes und der<br />

Anomietheorie könnte dieser Mangel an gesellschaftlicher Partizipation und steter Stigmatisierung<br />

dazu führen, dass die entsprechenden Gruppen nach gewisser Zeit, tatsächlich zu kriminellen<br />

Handlungen greifen werden, um einerseits dem ihnen zugewiesenen Bild zu entsprechen und<br />

andererseits die Ziele zu verwirklichen, die auf legalem Wege nicht mehr zu erreichen sind.<br />

Eine weitere Verstärkung der Problemlage erfolgt, sobald gewisse Bevölkerungsgruppen und<br />

Räume tatsächlich als kriminell etikettiert werden. Denn dann werden sie von Polizei und<br />

Außenstehenden noch viel stärker auf Abweichungen hin überprüft, was natürlich auch dazu führt,<br />

dass Delikte mit viel höherer Wahrscheinlichkeit aufgedeckt werden, als wenn eine „normale“<br />

zyklische Überprüfung stattfindet (Belina 2011b, S.93-94). Hierdurch wird das Stigma künstlich<br />

weiter verstärkt.<br />

Die <strong>Plattformen</strong> können also tatsächlich Stigmatisierungen von Räumen und ihren Bewohnern<br />

forcieren, ganz egal ob es sich dabei tatsächlich um kriminelle Räume handelt oder nicht.<br />

Rückwirkend betrachtet, erzeugen die Stigmatisierungen dabei eine Erhöhung der Deliktzahlen, da<br />

sich manche Bewohner einerseits dazu gezwungen sehen könnten, tatsächlich Delikte ausüben zu<br />

müssen und andererseits eine erhöhte Überwachung höhere Aufzeigeraten verursachen würde.<br />

101


102 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

Abbildung 64: Kernelemente Kapitel 3.2.5. – Stigmatisierung von Räumen und Bewohnern<br />

(1) Durch Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> können Räume und Bewohner als<br />

kriminell stigmatisiert werden.<br />

(2) Fehlinterpretationen sowie Manipulationen der <strong>Plattformen</strong> können<br />

ungefährliche Räume fälschlicherweise mit dem Stigma des Problemgebiets<br />

belegen.<br />

(3) Stigmatisierungen können zu gesellschaftlicher Ausgrenzung der Anwohner<br />

und Erhöhung der Kriminalität in den betroffenen Räumen führen.<br />

(4) Die Deliktrate wird vor allem aufgrund höherer Aufmerksamkeit und<br />

Anzeigebereitschaft gegenüber „krimineller“ Gruppen und Räume künstlich<br />

erhöht.<br />

3.2.6. Datenschutzproblematik<br />

Die „Verknüpfung von personenbezogenen Daten mit geografischen Angaben“ wird durch den<br />

Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar als Traum von Marketingstrategen und Alptraum von<br />

Datenschützern bezeichnet (Klawitter 2010; S.41). Auch Prof. Dr. Bernd Streich, Leiter des<br />

Lehrgebietes für computergestützter Planungs- und Entwurfsmethoden der Technischen <strong>Universität</strong><br />

Kaiserslautern, weist in seinem Buch „Stadtplanung in der Wissensgesellschaft“ mit Nachdruck auf<br />

die zunehmend aufkommenden Konfliktsituationen ethischer Fragestellungen im Zusammenhang<br />

mit dem Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien hin. Dabei steht hier vor<br />

allem die Fragestellung im Vordergrund, welche Daten im Sinne der informationellen<br />

Selbstbestimmung des Individuums veröffentlicht werden dürfen und welchen Umfang sie dennoch<br />

einnehmen müssen, um informationelle Grundversorgung und Chancengleichheit zu gewährleisten<br />

(Streich 2011, S.113-115). In diesem Zusammenhang wird durch kritische Stimmen gegenüber den<br />

<strong>Plattformen</strong> immer wieder folgende These aufgestellt:<br />

Durch frei verfügbare Crime- Mapping- Systeme werden Täter- und Opferschutz zugunsten des<br />

Rechts auf Informationsfreiheit ad acta gelegt.<br />

Grundsätzlich muss darauf hingewiesen werden, dass die Rechtslage bezüglich der Abwägung<br />

dieser zwei Aspekte in allen Ländern der Welt anders gehandhabt wird. So scheint man zum Schutz<br />

vor Kriminalität und Terrorismus in den USA und England durchaus dazu gewillt,<br />

Persönlichkeitsrechte einzuschränken (Wartell & McEwen 2001, S.2), wohingegen diese<br />

Beschränkungen in Europa verstärkt auf Kritik und Widerstand stoßen. Als Beispiel hierfür kann das<br />

kürzlich, aufgrund von umfangreichen Protesten in Europa, nicht ratifizierte Anti-Counterfeiting<br />

Trade Agreement (kurz: ACTA), angeführt werden, welches zum Beispiel von den USA oder<br />

Australien längst unterzeichnet wurde.<br />

In Deutschland muss eine Entscheidung für oder gegen die Veröffentlichung von Kriminalitätsdaten<br />

per Crime- Mapping- Plattform das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) berücksichtigen, was den<br />

Bürgern zwar das Recht auf freien Zugang zu allen amtlich vorliegenden Informationen zuspricht,<br />

aber andererseits gemäß §5 personenbezogene Daten schützt und somit von der Herausgabe<br />

ausschließt. Außerdem verbietet das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) grundsätzlich jedwede<br />

Form von Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von personenbezogenen Daten, außer sie ist


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

ausdrücklich durch das Gesetz gestattet bzw. durch den Nutzer genehmigt. Gemäß §3a sollen<br />

personenbezogene Daten so anonym wie möglich verarbeitet und gespeichert werden. In diesem<br />

Sinne müssen polizeiliche Statistiken oder Karten zum Kriminalitätsaufkommen in Deutschland<br />

immer anonymisiert veröffentlicht werden.<br />

Diese Rechtslage spräche jedoch gegen die Veröffentlichung von Deliktinformationen auf Crime-<br />

Mapping- <strong>Plattformen</strong>, da hier Tatorte veröffentlicht werden, was im Falle bestimmter Delikttypen<br />

Rückschlüsse auf die Wohnorte der Opfer zuließe. Betrachtet man das konkrete Beispiel der<br />

häuslichen Gewalt, kann ein auf einer Karte verzeichneter Tatort sogar Täter und Opferidentität<br />

preisgeben. Zwar versuchen einzelne <strong>Plattformen</strong> dies durch auf Wohnblöcke gerundete<br />

Deliktverortungen zu vermeiden (z.B. crimereports.com), allerdings wird hierdurch eine<br />

Verfälschung der Darstellungen erzeugt, die wiederum Fehlinterpretationen zur Folge haben<br />

könnte. Auch die <strong>Plattformen</strong> die auf den Visualisierungstyp der Graduated- Symbol- Maps<br />

zurückgreifen, können in der Regel hiervon nicht ausgenommen werden, da die Tatorte hier, in den<br />

deliktspezifischen Informationen abgerufen werden können.<br />

Die Notwendigkeit von Täter- und Opferschutz steht im deutschen Strafrecht aber außer Frage, da<br />

einerseits Übergriffe im Sinne von Selbstjustiz gegenüber wiedereingegliederter ehemaliger<br />

Straftäter verhindert und andererseits dem Wunsch der meisten Opfer nach Anonymität<br />

entsprochen werden soll. In diesem Sinne wären die <strong>Plattformen</strong> entsprechend der zuvor<br />

dargelegten Problemstellung, nicht in dieser Form in Deutschland anwendbar. Zwei Beispiele sollen<br />

folgend belegen, wie unterschiedlich die amerikanische Gesellschaft mit dieser Fragestellung<br />

umgeht.<br />

Das erste Beispiel, welches Abbildung 65 entnommen werden kann, zeigt die Namen von im<br />

Kartenausschnitt wohnenden Sexualstraftätern samt ihrer Wohnorte. Dabei wird diese Information<br />

sogar durch das FBI herausgegeben, welches eine nationale Sexualstraftäterdatenbank verwaltet.<br />

Ein Beitrag der Betreiberfirma der Plattform crimereports.com offenbart dabei aber auch mögliche<br />

Gefahren solcher Erfassungen bzw. Veröffentlichungen. Wenn ein 18- jähriger junger Mann mit<br />

seiner 16- jährigen Freundin sexuellen Kontakt hat und die Eltern des Mädchens ihn anzeigen, kann<br />

auch er in diese Statistiken aufgenommen werden (Gunter 2010b). Wird sein Name dann auf einer<br />

Crime- Mapping- Plattform im Zusammenhang mit Sexualstraftaten genannt, wird der Betroffene<br />

für den Rest seines Lebens mit ungerechtfertigten Diskriminierungen zu kämpfen haben. Gerade<br />

die Frage nach einer Veröffentlichung personenbezogener Daten von Sexualstraftätern wurde auch<br />

in Deutschland rege diskutiert. So forderte der Bundesvorsitzende der deutschen<br />

Polizeigewerkschaft Rainer Wendt im Jahr 2010 eben jene Veröffentlichung, woraufhin sowohl<br />

durch Datenschutzbeauftragte, als auch die Bundesministerien des Innern und der Justiz klare<br />

Absagen an diese Forderung erteilt wurden (www.datenschutzbeauftragter-info.de 2010).<br />

103


104 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

Abbildung 65: Beispielhafte Offenlegung der Wohnorte von registrierten Sexualstraftätern (Plattform:<br />

crimereports.com)<br />

Auch der Schutz von Opfern und deren Familien wird in den USA gänzlich anders gehandhabt. So<br />

bildet die folgende Abbildung 66 zwei Beispielplattformen ab, die Namen, Alter, Todestage und<br />

entsprechende Tatorte von Mordopfern frei zugänglich veröffentlichen. So wird in Beispiel 1 zwar<br />

davon gesprochen, dass man der Mordopfer in der Stadt Washington D.C. gedenken will, wobei<br />

sich dennoch die Frage stellt, ob die betroffenen Familien die dadurch erzeugte Aufmerksamkeit<br />

tatsächlich wollen. Die zweite Plattform der Zeitschrift LA Times muss sich darüber hinaus den<br />

Vorwurf gefallen lassen, diese Abbildungen aus dem Bedürfnis heraus zu betreiben, möglichst hohe<br />

Beachtung zu erhaschen.


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Abbildung 66: Beispielhafte Darstellungen von Mordopfern US- amerikanischer <strong>Plattformen</strong><br />

Diese Beispiele zeigen, wie in den USA der Täter- bzw. Opferschutz gehandhabt wird.<br />

Dementsprechend müssen auch die anderen Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> immer vor dem<br />

Hintergrund anderer gesetzlicher und gesellschaftlicher Grundbedingungen als der in Deutschland<br />

betrachtet werden. Denn grundsätzlich wird auf staatlicher Ebene entschieden, welchem Recht<br />

mehr Gewicht beigemessen wird, dem Recht auf Datenschutz für Täter und Opfer oder dem Recht<br />

des Einzelnen auf freie Information.<br />

In Deutschland ist eine so grundlegende Diskussion dieses Themas noch nicht erfolgt. Sie ist aber zu<br />

erwarten, insofern tatsächlich Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> ihren Weg nach Deutschland finden.<br />

105


106 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

Abbildung 67: Kernelemente Kapitel 3.2.6. – Datenschutzproblematik<br />

(1) Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> unterstehen der ethischen Konfliktsituation der<br />

informationellen Selbstbestimmung des Individuums und des Rechts auf<br />

informationellen Grundversorgung und Chancengleichheit.<br />

(2) Die amerikanischen <strong>Plattformen</strong> haben diese Abwägung zu Gunsten der<br />

öffentlichen Information entschieden, da:<br />

a. Informationen über Tatorte Auskunft über Opfer und gegebenenfalls auch<br />

Täter erlauben.<br />

b. Sexualstraftäter und Mordopfer samt personenbezogener Informationen<br />

veröffentlicht werden.<br />

(3) In Deutschland ist eine umfangreiche und konfliktreiche Diskussion zu<br />

erwarten, sollten vergleichbare <strong>Plattformen</strong> vor ihrer Einführung stehen.<br />

3.2.7. Verdrängung & Nutzen für Kriminelle<br />

Abschließend soll der Fragestellung nachgegangen werden, welche direkten Auswirkungen die<br />

<strong>Plattformen</strong> auf das Verhalten krimineller Individuen haben. Dabei ergeben sich zwei konkrete<br />

Untersuchungsrichtungen. Einerseits muss untersucht werden, ob die Crime- Mapping-<br />

<strong>Plattformen</strong> tatsächlich die Ausübung krimineller Handlungen, wie erhofft, verhindern können und<br />

andererseits sollten auch solche Wirkungen angesprochen werden, die Kriminellen bei der<br />

Verübung von Delikten helfen könnten. Diesbezüglich wurden die folgenden zwei Thesen<br />

aufgestellt:<br />

I. Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> verhindern keine Kriminalität sondern sie verdrängen sie nur.<br />

II. Kriminelle können die <strong>Plattformen</strong> für ihre Zwecke nutzen.<br />

Bereits die Formulierung der erstgenannten These macht deutlich, welche Folgen verschiedene<br />

Forscher gegenüber dem Crime- Mapping befürchten oder zumindest einräumen. So weisen<br />

sowohl Rebecca Paynich und Bryan Hill (Paynich & Hill 2010; S.115-117) als auch Rachel Boba<br />

Santos Santos (Boba Santos Santos 2009, S.34-35) in ihren Abhandlungen auf die verschiedenen<br />

Formen von Verdrängungen hin. Die hier genannten Haupttypen von Verlagerungen sind:<br />

Spatial Displacement - räumliche Verdrängung<br />

Temporal Displacement – zeitliche Verdrängung<br />

Target Displacement – veränderte Opferwahl<br />

Tactical Displacement – veränderte Taktik<br />

Dabei erscheinen besonders räumliche und zeitliche Verdrängung, aber unter Umständen auch<br />

veränderte Opferwahl bzw. Taktik dazu geeignet, durch die interaktive Crime- Mapping-<br />

<strong>Plattformen</strong> begünstigt zu werden. Denn grundsätzlich muss davon ausgegangen werden, dass<br />

auch Personen die <strong>Plattformen</strong> verwenden, die schlechte bzw. kriminelle Absichten mit der<br />

Nutzung verfolgen. Greifen potenzielle Straftäter nun auf die, durch die <strong>Plattformen</strong> offerierten<br />

Inhalte zurück, können sie, wie alle anderen Nutzer, die aktuellsten Trends krimineller<br />

Entwicklungen einsehen und auf polizeiliche Hinweise zurückgreifen.


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Kennzeichnet eine Plattform also verschiedene Teilräume hinsichtlich bestimmter Delikttypen, wird<br />

ein potenzieller Täter davon ausgehen, dass in den betreffenden Gebieten eine erhöhte<br />

Aufmerksamkeit gegenüber diesen Taten vorherrschen wird. In diesem Sinne wird er seine<br />

Aktivitäten in andere Räume verlagern (Spatial Displacement). Außerdem könnte er auch die<br />

Tatzeit verändern, wenn beispielsweise eine Einbruchserie in den Vormittagsstunden an<br />

Werktagen vorliegt, um das Risiko erhöhter Polizeipräsenz in dieser Zeit zu umgehen (Temporal<br />

Displacement). Insofern durch die Polizei, mit Hilfe der <strong>Plattformen</strong> Sicherheitshinweise an die<br />

Nutzer weitergegeben werden, könnten Täter sogar ihr Vorgehen entsprechend der Meldungen<br />

anpassen (Tactical Displacement). Betrachtet man diesbezüglich beispielsweise den Delikttyp der<br />

Raubüberfälle, muss auf eine besondere möglicherweise entstehende Gefahrensituation<br />

hingewiesen werden. Wird den Plattformnutzern nahe gelegt, bestimmte Räume zu meiden bzw.<br />

nur mit Selbstschutzmitteln zu betreten, werden Täter möglicherweise noch brutaler und<br />

gefährlicher vorgehen, zum Beispiel durch den Einsatz von Waffen.<br />

Insgesamt muss festgestellt werden, dass auch kriminelle Individuen die <strong>Plattformen</strong> zu ihren<br />

Gunsten nutzen können, indem sie Gebiete ausschließen, in denen das Entdeckungsrisiko zu hoch<br />

ist oder nach einfacheren Zielen suchen. Wie bereits in Kapitel 3.2.5. dargestellt, drückt sich hierin<br />

auch ein zentraler Einflussfaktor für Kriminalitätsfurcht aus. Personen die bereits Opfer eines<br />

Übergriffes geworden sind, befürchten durch <strong>Plattformen</strong> als einfaches Ziel erneuter Delikte<br />

präsentiert zu werden (Pattavina 2005a; S.161).<br />

Die Plattform der amerikanische Stadt Tulsa muss dahingehend als besonders informativ für<br />

Kriminelle eingeschätzt werden. Wie die folgende Abbildung 68 zeigt, können potenzielle Diebe<br />

hier nicht nur sehen, wann und wo Einbrüche bzw. Diebstähle schon einmal gelungen sind, sondern<br />

auch welche Summen jeweils erbeutet wurden. Die Daten werden sicherlich veröffentlicht, um<br />

dem Nutzer eine Unterscheidung schwerer und minderschwerer Diebstähle zu verdeutlichen, aber<br />

dies erscheint in Anbetracht des möglichen Nutzens für Kriminelle doch sehr fragwürdig.<br />

Abbildung 68: Beispiel der Polizeiplattform der Stadt Tulsa<br />

107


108 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

Außerdem können die <strong>Plattformen</strong> Tätern auch dazu dienen, in Erfahrung zu bringen, ob von Ihnen<br />

durchgeführte Delikte bereits entdeckt wurden. Insofern die <strong>Plattformen</strong> Informationen zum<br />

polizeilichen Ermittlungstand veröffentlichen, könnten Kriminelle sogar noch mehr von den<br />

Informationen profitieren. Zwar werden in der Regel keine allzu genauen Angaben hierzu gemacht,<br />

aber beispielsweise veröffentlicht die britische Polizei über die Plattform police.uk Informationen<br />

darüber, ob bereits ein Verdächtiger verhaftet wurde, oder sogar schon eine Verurteilung<br />

stattgefunden hat. Diese Information kann unbekannten Komplizen oder Hehlern<br />

selbstverständlich von großem Nutzen sein. Die folgende Abbildung 69 zeigt in diesem Sinne alle<br />

Delikte an, bei denen ein Täter zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde.<br />

Abbildung 69: Beispielhafte Abbildung zu Gefängnisstrafen Verurteilter (Plattform: police.uk)<br />

Bei all diesen Ausführungen wurde Kriminalität stets als geplante und organisierte Handlung<br />

betrachtet. Allerdings können kriminelle Handlungen auch spontaner Natur sein, wenn etwa einer<br />

zu kriminellen Handlungen neigenden Person, ungeplant die Möglichkeit eröffnet wird, etwas zu<br />

stehlen. Diese Art von Delikten wird durch die <strong>Plattformen</strong> natürlich nicht begünstigt, sondern,<br />

entsprechend der polizeilichen Hoffnungen, durch eine erhöhte Sensibilisierung tendenziell eher<br />

vermieden.<br />

Abschließend muss aber dennoch angemerkt werden, dass die <strong>Plattformen</strong> allein, nicht dazu<br />

geeignet sein können, Kriminalität zu vermeiden. Denn rein theoretisch betrachtet, stellen sie<br />

lediglich bereits begangene Delikte dar und geben keine Gründe für das Entstehen des<br />

delinquenten Verhaltens an. Eine wirkliche Vermeidung krimineller Handlungen muss aber an<br />

diesem Punkt ansetzen und den Gründen für die Deliktbegehung entgegenwirken. Die Minderung<br />

der Kriminalität kann also nur für jene städtische Teilbereiche eintreten, in denen Bewohner und<br />

lokale Akteure auf Grundlage der Plattforminformationen gemeinsam gegen Kriminalität vorgehen.<br />

Andere Räume haben hiervon keinen Nutzen, sondern werden aufgrund der Verdrängung aus<br />

diesen Quartieren tendenziell stärker von Kriminalität betroffen sein. Außerdem muss betont<br />

werden, dass Kriminelle die Informationen in vielerlei Hinsicht für ihre Zwecke missbrauchen<br />

können.


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Abbildung 70: Kernelemente Kapitel 3.2.7. – Verdrängung & Nutzen für Kriminelle<br />

(1) Da auch kriminelle Individuen die Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> für ihre<br />

Zwecke nutzen können, ist davon auszugehen, dass geplante kriminelle<br />

Handlungen nicht verschwinden werden, sondern lediglich räumlich oder<br />

zeitlich verdrängt werden.<br />

(2) Darüber hinaus können Kriminelle anhand der Daten mögliche Ziele<br />

lokalisieren und Informationen über den polizeilichen Ermittlungsstand bereits<br />

begangener Delikte einholen.<br />

109


110 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

3.3 Schlussfolgerung | Abwägung der Chancen & Risiken<br />

Das folgende Kapitel beschäftigt sich zusammenfassend mit den zuvor dargelegten erhofften und<br />

befürchteten Wirkungen interaktiver Crime- Mapping- Systeme. Dabei besteht die Hauptaufgabe<br />

darin, abwägend zu untersuchen, welche dieser Hoffnungen tatsächlich als Chancen und welche<br />

Bedenken als Risiken verstanden werden können bzw. müssen. Zu diesem Zweck wurde eine<br />

Übersichtstabelle angefertigt, welche sich tangierende erhoffte und befürchtete Auswirkungen<br />

gegenüberstellt. Diese Tabelle kann Anlage A 1 im Anhang entnommen werden.<br />

Zunächst sei der Blick auf die mit den <strong>Plattformen</strong> verbundenen Hoffnungen gerichtet, die sich aus<br />

polizeilicher und raumplanerischer Perspektive ergeben. Hierbei handelt es sich um die Folgenden:<br />

Bessere Information der Bürger, wodurch Kriminalitätsangst und polizeilicher<br />

Arbeitsaufwand gesenkt werden sollen.<br />

Erhöhte Transparenz und Vertrauen in Polizeiarbeit<br />

Die Bindung zwischen Bürgern und lokalen Polizeidienststellen wird erhöht wodurch auch<br />

ihre Zusammenarbeit gestärkt wird.<br />

Bewohner werden befähigt, eigenständig präventive Maßnahmen zu ergreifen (Meidungs-<br />

und Präventionsmaßnahmen).<br />

Nutzen im Rahmen von Prozessen der Stadt- und Raumplanung, z.B. bei der Erstellung von<br />

Entwicklungskonzepten<br />

Nutzen für andere städtische Akteure durch Aufdeckung von Entwicklungstrends und<br />

Problemlagen<br />

Nutzen für Plattformnutzer und die gesamte Bevölkerung als Sprachrohr und Druckmittel<br />

Imageförderung für kaum von Kriminalität betroffene Gebiete<br />

Monitoring dient allen Akteuren zur frühzeitigen Trenderfassung und es kann der Nutzen<br />

von Maßnahmen zur Kriminalitätsminderung überprüft werden.<br />

All diese positiven Auswirkungen sollen letztendlich zur Minderung des Kriminalitätsaufkommens<br />

führen. Werden in diese Betrachtungen allerdings auch die möglichen negativen Effekte<br />

einbezogen, zeigen sich viele gegenläufige Problemstellungen. Folgende problematische<br />

Wirkungen müssen dementsprechend Beachtung finden:<br />

Fehlinterpretationen durch Nutzer, aufgrund fehlenden Fachwissens, mangelnder<br />

Information zu den veröffentlichten Daten und Fehldeutungen fördernder Darstellungen<br />

Manipulationsmöglichkeiten der von den <strong>Plattformen</strong> vermittelten Informationen durch<br />

Außenstehende und Betreiber, insbesondere bei nutzergenerierten Datensätzen<br />

Privatwirtschaftliche Nutzung der <strong>Plattformen</strong>, samt äußerst problematischer<br />

Konsequenzen (Beispiel: Redlining)<br />

Kriminalitätsangst und –furcht schürende Wirkung von Crime- Mapping- Systemen<br />

Crime- Mapping- Systeme fördern die Stigmatisierung von Räumen und Bewohnern.<br />

Die <strong>Plattformen</strong> verletzen das Recht des Individuums auf informationelle<br />

Selbstbestimmung zugunsten des Sicherheitsgedankens und des Rechts auf<br />

Informationsfreiheit.<br />

Kriminalität geht nicht zurück, sondern sie wird nur an andere Orte verdrängt.<br />

Auch Kriminelle können Daten zur Tatort- bzw. Opferfindung sowie Strategieentwicklung<br />

nutzen und sich über den polizeilichen Sachstand bereits begangener Taten informieren.


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Bis auf zwei Ausnahmen gehen mit allen erhofften Wirkungen äußerst problematisch<br />

einzuschätzende negative Wirkungen einher. Teilweise müssen bei einzelnen Hoffnungen sogar<br />

mehrere konträre Auswirkungen eingestanden werden (vgl. Anlage A 1).<br />

Bereits in Kapitel 3.1.3. wurde eine Wirkungskette dargestellt, die gewisser Maßen dem Idealbild<br />

des Nutzens der Crime- Mapping- Systeme aus planerischer Sicht entsprach. An dieser Stelle soll<br />

deshalb nun ein Fallbeispiel abgebildet werden, welches die zu befürchtenden Wirkungen samt<br />

ihrer Relationen und Konsequenzen darstellt.<br />

Den Ausgangspunkt dieses Beispiels bildet ein städtischer Raum, der in Crime- Mapping-<br />

<strong>Plattformen</strong> durch steigende Deliktzahlen gekennzeichnet wird. Hieraus entstehen zunächst bei<br />

Ortsfremden Ängste, die dazu führen, dass sie den Raum meiden. Zwar haben die Anwohner zu<br />

diesem Zeitpunkt noch keine erhöhte Furcht, da sie die wirkliche Situation durch die räumliche<br />

Nähe besser einschätzen können, allerdings führt die zunehmende Meidung ortsfremder Personen<br />

dazu, dass der Raum für Kriminelle interessanter wird, wodurch das Kriminalitätsniveau weiter<br />

ansteigt. Aufgrund dieses Prozesses fürchten sich nach und nach auch die Anwohner, die sich<br />

regelmäßig mit Hilfe der <strong>Plattformen</strong> über das kriminelle Ausmaß informieren. Dies führt, wie auch<br />

schon in Kapitel 3.2.5. angedeutet, zu einem zunehmenden Rückzug und Wegzug der Bevölkerung.<br />

Es muss außerdem damit gerechnet werden, dass auch die Zuzugszahlen stark zurückgehen<br />

werden. Auf diese Weise werden Immobilienmarkt und Einzelhandel im betreffenden Gebiet stark<br />

geschwächt. Die abnehmenden Bevölkerungszahlen und damit verbundenen Leerstände werden<br />

Mietpreise sinken lassen und den Zuzug einkommensschwächerer Klientel antreiben. Infolge<br />

dessen ist mit Einnahmeeinbußen für Immobilienbesitzer und Einzelhändler zu rechnen, was<br />

fehlende Investitionsbereitschaft und Schließungen zur Folge hätte. Das Quartier wird bereits zu<br />

diesem Zeitpunkt mit baulichem Verfall, mangelnder Attraktivität und sinkendem<br />

bewohnerschaftlichem Engagement zu kämpfen haben.<br />

Das nun deutlich überdurchschnittliche Kriminalitätsniveau führt außerdem dazu, dass<br />

Plattformnutzer gegenüber dem Quartier und seinen Bewohnern kriminelle Vorurteile bzw.<br />

Stigmata entwickeln. Die Betroffenen werden darüber hinaus noch von Versicherungen und<br />

Banken benachteiligt, weil diese anhand der <strong>Plattformen</strong> höhere Beitragsätze festsetzen bzw. die<br />

Kreditvergabe verweigern. Die Investitionsmöglichkeiten sinken dadurch noch weiter, was den<br />

baulichen Verfall weiter beschleunigt. Daraufhin von der Polizei ergriffene Maßnahmen, wie z.B.<br />

die Benachrichtigung der Bewohner bestimmter Räume über bestimmte kurzfristige Trends und<br />

Lösungsansätze, werden von Kriminellen genutzt und sie weichen auf nicht so stark im Fokus<br />

stehende Teilräume des Quartiers aus, wodurch auch diese Teile des Gebiets in den geschilderten<br />

negativen Wirkungskreislauf eingesogen werden.<br />

Dieses sehr pessimistisch gezeichnete Bild ist zwar nicht als zwingende Ereignisabfolge zu<br />

verstehen, da es unter anderem die positiven Wirkungsmöglichkeiten der <strong>Plattformen</strong> nicht in die<br />

Betrachtungen einschließt, aber es soll dazu dienen, die möglichen komplexen sich verstärkenden<br />

Zusammenhänge negativer Auswirkungen zu erkennen. Die Risiken, die erwartet werden müssen,<br />

wenn sich die Befürchtungen bewahrheiten, sind demnach äußerst schwerwiegend und können<br />

sogar die Kriminalität steigern. In diesem Sinne können die mit <strong>Plattformen</strong> verbundenen<br />

Hoffnungen natürlich nur dann als Chancen begriffen werden, wenn eine Vermeidung der Risiken<br />

gelingt.<br />

111


112 Thesen erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

Die einzigen Aspekte bei denen keine kontraproduktiven bzw. risikoreichen Auswirkungen<br />

ausgemacht wurden, sind in der Nutzung der <strong>Plattformen</strong> im Rahmen stadt- und raumplanerischer<br />

Prozesse sowie ihrer Nutzung durch andere städtische Akteure, die in themenbezogenen<br />

Einrichtungen bzw. Institutionen tätig sind, zu sehen (in Abbildung A1 grün gekennzeichnet). Beide<br />

sind dabei auf eine ganz gezielte Nutzergruppe zugeschnitten, was ihre Anfälligkeit hinsichtlich<br />

fehlenden Verständnisses und möglicher inadäquater Anwendung minimiert. Hierdurch drängt sich<br />

die Frage auf, welche Wirkungen durch eine grundsätzliche Zugangsbeschränkung der <strong>Plattformen</strong><br />

für diese Nutzergruppe entstehen würden.<br />

Es ist davon auszugehen, dass verschiedene befürchtete Auswirkungen der <strong>Plattformen</strong> nicht zu<br />

erwarten sind, wenn nicht die gesamte Bevölkerung Zugriff auf sie hätte. So könnten beispielsweise<br />

die Folgenden vermieden werden:<br />

Stigmatisierungen und Angsterzeugung<br />

Manipulationen (zumindest könnten diese durchschaut werden) und privatwirtschaftliche<br />

Nutzung<br />

problembehaftete Präventivmaßnahmen<br />

Datenschutzproblematik wird zumindest abgeschwächt.<br />

Kriminelle können die <strong>Plattformen</strong> nicht mehr für ihre Zwecke missbrauchen.<br />

Wenn diese Fogen tatsächlich umgangen werden können und somit kontraproduktive Wirkungen<br />

minimiert werden, ist auch davon auszugehen, dass manch gehegte Hoffnung tatsächlich als<br />

Chance begriffen werden kann, so z.B.:<br />

Da die Polizei den betreffenden Akteuren nicht immer wieder die Informationen neu<br />

aufbereiten muss, wird ihr Arbeitsaufwand durch die <strong>Plattformen</strong> deutlich reduziert.<br />

Bewohner können durch Akteure auf neu in Erscheinung getretene Entwicklungen<br />

hingewiesen werden, woraufhin gemeinschaftliche Strategien entwickelt werden können.<br />

Präventive Maßnahmen sind auf diesem Weg auch nicht mit so starkem Risiko behaftet wie<br />

zuvor. Die Ergebnisse können in diesem Zusammenhang ebenfalls ein Druckmittel für<br />

Bürger und Akteure gegenüber Politik und Polizei darstellen.<br />

Ein gezielter Einsatz der Plattforminformationen zur Imageförderung ist möglich und<br />

Stigmatisierungen aufgrund hoher Deliktdichte können vermieden werden.<br />

Die Akteure können Kriminalitätsmonitoring durchführen.<br />

Zwar stellt sich diesbezüglich die Frage, inwiefern die informationelle Chancengleichheit hierdurch<br />

beeinträchtigt werden würde, die Bevölkerung hätte aber nach wie vor die Möglichkeit die Daten<br />

bei den entsprechenden Institutionen abzufragen. Wobei die Gruppe der Akteure die hierzu<br />

Auskunft geben könnten, deutlich erhöht wird. Demnach böten die <strong>Plattformen</strong> bei<br />

eingeschränkten Nutzergruppen vielleicht nicht im selben Maß informationelle Chancengleichheit<br />

wie bei völlig freiem Zugang, allerdings könnten sie im Vergleich zur aktuell bestehenden<br />

Informationslage immer noch als eine deutliche Steigerung gesehen werden.<br />

Schwierigkeiten sind in diesem Zusammenhang von der Fragestellung zu erwarten, welche Akteure<br />

Zugriff auf die <strong>Plattformen</strong> erhalten sollten. Denn, dass nicht alle Akteure Zugriff haben können und<br />

sollen, ist in Anbetracht der geschilderten Konfliktsituationen des freien Zugangs zwar<br />

einleuchtend, aber im Sinne der gleichberechtigten Information wiederum nicht ganz konfliktfrei.


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Der Zugang könnte dabei möglicherweise an die Teilnahme an einer erklärenden<br />

Einführungsveranstaltung gekoppelt werden. Durch eine solche Veranstaltung könnten die Akteure<br />

nochmals gezielt darin geschult werden, die Karten in Anbetracht der möglichen fehlerbehafteten<br />

Darstellungen richtig zu interpretieren. Des Weiteren wären auch Schulungen ganz gezielter<br />

Akteursgruppen denkbar, um diese über das gesamte Analysepotenzial der <strong>Plattformen</strong><br />

aufzuklären, welches ihnen zur jeweiligen Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung steht.<br />

Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass das Nutzen- Risiko- Verhältnis bei vollkommen<br />

freier Verfügbarkeit, wie sie durch die untersuchten interaktiven online Crime- Mapping-<br />

<strong>Plattformen</strong> gewährt wird, eine Einführung der Systeme nicht rechtfertigen würde. Beschränkt man<br />

den Zugriff jedoch auf die angesprochenen Nutzergruppen, verändert sich das Verhältnis stark<br />

zugunsten der Chancen und Potenziale, da Risiken minimiert und Chancen gezielt ergriffen werden<br />

können.<br />

Diese Ausführungen beantworten auch die drei zu Beginn dieser Abhandlung formulierten<br />

untersuchungsleitenden Fragen bezüglich der mit den <strong>Plattformen</strong> einhergehenden Chancen und<br />

Risiken sowie ihres Verhältnisses zueinander.<br />

Abbildung 71: Kernelemente Kapitel 3.3. – Schlussfolgerungen | Abwägung der Chancen & Risiken<br />

(1) Der großen Anzahl aus polizeilicher und planerischer Sicht erhofften<br />

Wirkungen der Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong>, steht eine mindestens ebenso<br />

große Anzahl zu befürchtender kontraproduktiver Konsequenzen gegenüber.<br />

(2) Das Verhältnis möglichen Nutzens und denkbaren Risiken frei online<br />

zugänglicher <strong>Plattformen</strong> schlägt klar in Richtung höherer Gefahren aus.<br />

(3) Eine Beschränkung des Zugangs auf städtische Akteure, wie z.B. Raumplaner<br />

oder Sozialarbeiter des städtischen Jugendamtes, würde zahlreiche Nachteile<br />

verhindern und so die Nützlichkeit der <strong>Plattformen</strong> deutlich erhöhen.<br />

(4) Im Falle von Beschränkungen gilt es Zugangsbedingungen zu klären.<br />

113


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

4. Fazit und Ausblick<br />

Dieses abschließende Kapitel beschäftigt sich zunächst zusammenfassend mit der Fragestellung,<br />

inwiefern Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> im Rahmen planerischer Prozesse Anwendung finden<br />

könnten. Es gilt diesbezüglich außerdem zu klären, ob aus planerischer Sicht der potenzielle Nutzen<br />

ausreicht, um die möglichen negativen Auswirkungen zu kompensieren.<br />

In einem zweiten Schritt soll ein Ausblick auf mögliche zukünftige Entwicklungen im Feld der<br />

interaktiven Crime- Mapping- Systeme gewährt werden. Dabei werden mögliche technische<br />

Veränderungen bzw. Verbesserungen und Ausweitungen der Wirkungsräume in Entwicklungs- bzw.<br />

Krisengebieten behandelt. Außerdem soll eine Einschätzung hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit der<br />

Einführung der <strong>Plattformen</strong> in Deutschland abgegeben werden.<br />

4.1. Fazit | Planerisches Anwendungspotenzial<br />

An dieser Stelle soll ein Fazit hinsichtlich des Anwendungspotenziales der <strong>Plattformen</strong> aus<br />

planerischer Sicht erfolgen. Dahingehend müssen rückblickend drei zentrale Fragen geklärt<br />

werden:<br />

(1) Welche Aufgaben stellen Kriminalität und Kriminalitätsfurcht an die Stadt- und<br />

Raumplanung?<br />

(2) Wie können Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> zur Wahrnehmung dieser Aufgaben beitragen?<br />

(3) Welche Risiken sprechen gegen den (planerischen) Einsatz der <strong>Plattformen</strong>?<br />

Wie Kapitel 2.1.2. entnommen werden kann, müssen Maßnahmen zur Vermeidung von Kriminalität<br />

und Kriminalitätsfurcht verstärkt in Stadt- und raumplanerische Prozesse einbezogen werden, da<br />

die Lebensqualität in erheblichen Maß hiervon abhängt. Das vielfältige Spektrum möglicher<br />

planerischer Eingriffsmöglichkeiten auf raumordnerischer, städtebaulicher und stadtsoziologischer<br />

Ebene wird dabei bis zum jetzigen Zeitpunkt nur in ersten Pilotprojekten erprobt. Dennoch deutet<br />

die Tendenz darauf hin, dass kriminologische Sachverhalte zukünftig verstärkt in planerische<br />

Prozesse einbezogen werden.<br />

Bereits bei Betrachtung der existierenden Pilotprojekte in Hannover- Linden und Düsseldorf wird<br />

deutlich, welche Rolle die <strong>Plattformen</strong> im Rahmen der Planungen einnehmen können. In allen<br />

Fällen wird die Polizei in die Pflicht genommen, den Planungsträgern Informationen zum<br />

kriminellen Sachstand zur Verfügung zu stellen und ihnen die Informationen teilweise sogar auf die<br />

konkrete Planungssituation hin zuzuschneiden. Interaktive Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> können in<br />

diesem Zusammenhang als Schnittstelle des Informationsaustauschs zwischen Polizei und<br />

Planungsträgern verstanden werden. Die Polizei könnte auf diese Weise deutliche<br />

Aufwandsreduzierungen erzielen, da sie die Informationen nur noch in das jeweilige System<br />

einpflegen müsste, was in Anbetracht weitreichender Automatisierung auch nicht zu hohe Kosten<br />

verursachen dürfte. Die projektbezogene Auswertung der Kriminalitätsinformationen kann dann<br />

von Seiten der Planer erfolgen und gezielt auf die benötigten Informationen beschränkt werden.<br />

Zwar wird durch diese Erweiterung des planerischen Aufgabenspektrums eine zusätzliche<br />

Belastung für die Planer erzeugt, aber sie müssen diese hinsichtlich ihrer Verantwortung gegenüber<br />

dem Wohl der Allgemeinheit annehmen. In diesem Sinne erscheinen die <strong>Plattformen</strong> sogar als der<br />

einfachste und schnellste Weg, Informationen zu kriminellen Entwicklungen abzurufen und zu<br />

115


116 Fazit und Ausblick<br />

analysieren. Von besonderer Bedeutung ist dabei auch die Hoffnung, dass Planer und andere<br />

städtische Akteure durch kontinuierliche Beobachtung des Kriminalitätsniveaus frühzeitig auf<br />

mögliche Entwicklungen reagieren könnten, was ohne die <strong>Plattformen</strong> nicht denkbar wäre (vgl.<br />

Kap.3.1.3.).<br />

Betrachtet man diesbezüglich auch die bis zum jetzigen Zeitpunkt verfügbaren <strong>Plattformen</strong><br />

nutzergenerierter Inhalte (Bsp.: citysourced.com), kann festgehalten werden, dass auch sie<br />

durchaus Nutzen für planerische Prozesse aufweisen können. Allerdings sollten sie in Anbetracht<br />

der dort verzeichneten „Delikte“, bei denen es sich zumeist um minderschwere<br />

Sachbeschädigungen oder um Verschmutzungen handelt, nicht als Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> im<br />

traditionellen Sinne verstanden werden. Vielmehr können Planer und Städte diese Informationen<br />

nutzen, um einerseits auf Räume aufmerksam zu werden, an denen bestimmte Missstände<br />

vorherrschen und um andererseits einen Einblick in die Ansichten und Empfindungen der<br />

Bevölkerung zu gewinnen. Die in den <strong>Plattformen</strong> ermittelten Delikttypen könnten auch in<br />

hierzulande bereits vorhandene Systeme integriert werden, die sich mit den Qualitäten städtischer<br />

Räume beschäftigen. So wäre eine Erweiterung der Plattform Radar: Sensing um konkrete<br />

Deliktmeldungen denkbar. Denn wenn bestimmte negative Bewertungen einzelner Räume mit<br />

konkreten Deliktmeldungen verknüpft werden, wären Einschätzungen darüber möglich, ob<br />

betroffene Räume grundlegende qualitative Mängel aufweisen oder ob es sich um anderweitige<br />

Problemlagen handelt.<br />

Dass die benannten Potenziale aus planerischer Sicht aber nur dann volle Wirkung entfalten<br />

können, wenn der Zugriff auf die Systeme auf Planungsträger und im Themenkomplex arbeitende<br />

städtische Akteure einschränkt wird, wurde schon im vorherigen Kapitel 3.3. ausführlich dargelegt.<br />

Nochmals sei auf die Problemfelder der Fehlinterpretationen, Manipulationsmöglichkeiten,<br />

Kriminalitätsängste und privatwirtschaftlicher bzw. krimineller Nutzungen der <strong>Plattformen</strong><br />

hingewiesen, die umfangreiche negative Konsequenzen befürchten lassen und hierdurch den<br />

Nutzen deutlich einschränken würden. Solange die Systeme also diese Bedenken nicht ausräumen<br />

können, sollte von Seiten der Stadt- und Raumplanung daraufhin gewirkt werden, den Zugriff auf<br />

die Systeme auf städtische Akteure und Entscheidungsträger zu beschränken.<br />

Auch die von Prof. Dr. Bernd Streich formulierte Schlussfolgerung, dass für Planungswissenschaften<br />

hergeleitet werden kann, „dass es erstens Zugriffsmöglichkeiten auf planungsrelevante<br />

Informationen im Sinne einer informationellen Grundversorgung und zweitens eine informationelle<br />

Chancengleichheit unter den Handlungsakteuren der Planung geben muss“, wird hiervon nicht<br />

zwangsläufig beeinträchtigt (Streich 2011, S.115). Denn der erste Aspekt, des freien Zugriffs auf<br />

Planungen tangierende Informationen, kann nach wie vor problemlos im Rahmen der<br />

Planungsprozesse erzielt werden, vielmehr werden durch die Zugangsbeschränkung solche<br />

Informationen vorenthalten, die keine Relevanz besitzen oder fehlerhaft sind. Bezüglich des<br />

zweiten Aspekts, können die <strong>Plattformen</strong> sogar als Werkzeug zur Sicherstellung und Herstellung<br />

der Chancengleichheit zwischen den an Planungen beteiligten Akteuren verstanden werden. Denn<br />

sie alle hätten durch Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> Zugriff auf die gleichen Informationen.<br />

Der in dieser Arbeit behandelte Themenkomplex skizziert allerdings auch die Bedeutung einer noch<br />

viel grundlegenderen Fragestellung, mit der Raum- und Stadtplanung zukünftig konfrontiert<br />

werden. So führen Entwicklung und Verbreitung der Informations- und


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Kommunikationstechnologien zunehmend zur Sammlung von räumlichen und personenbezogenen<br />

Daten, was mit zahlreichen, teilweise auch in dieser Arbeit dargestellten, Folgen für den Raum<br />

verbunden sein kann. Es stellt sich dabei die Frage, wer im Rahmen dieser Entwicklungen<br />

sicherstellt, dass die Auswirkungen auf Räume und Bevölkerung berücksichtigt werden. In diesem<br />

Zusammenhang wird der Planer zunehmend zum Verwalter sensibler Daten, da er in seiner<br />

Tätigkeit an der Schnittstelle zwischen allen städtischen Akteuren agiert und ihm daher am ehesten<br />

die Fähigkeit zugerechnet werden kann, den möglichen Wirkungsumfang auf alle räumlichen<br />

Teilbereiche abschätzen zu können.<br />

Diesem ersten allgemeinen Ausblick auf potenzielle Entwicklungen raumplanerischer<br />

Anwendungen, folgt anschließend ein Überblick über zukünftige Entwicklungen von Crime-<br />

Mapping- Systemen im Speziellen.<br />

117


118 Fazit und Ausblick<br />

4.2. Ausblick | Mögliche Entwicklungen<br />

Dieses Kapitel beschäftigt sich einerseits mit sich abzeichnenden Entwicklungen von Crime-<br />

Mapping- <strong>Plattformen</strong> und andererseits mit solchen Entwicklungen, die zwar nicht unmittelbar<br />

absehbar sind, aber dennoch denkbar und vor allem hilfreich erscheinen. Dabei wird die<br />

Abhandlung hinsichtlich dreier Aspekte gegliedert:<br />

(1) Technische Entwicklungen von Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong><br />

(2) Anwendung der <strong>Plattformen</strong> in Krisenregionen und unterentwickelten Räumen<br />

(3) Anwendungswahrscheinlichkeit in Deutschland<br />

Aus Sicht potenzieller technischer Entwicklungen (1), sollen natürlich vornehmlich sich bereits<br />

abzeichnende Veränderungen betrachtet werden, da der rasante Fortschritt der letzten Jahre<br />

nahelegt, dass eine vollständige Abschätzung kommender Entwicklungen nicht möglich ist.<br />

Grundlegend können in technischer Hinsicht vor allem Entwicklungen im Bereich der<br />

Visualisierungstypen erwartet werden. Dies kann sich sowohl in <strong>Plattformen</strong> äußern, die auf 3D-<br />

Visualisierungen zurückgreifen, als auch zu Verbesserungen der bestehenden Visualisierungstypen<br />

führen. Dass der zweitgenannten Verbesserung vorhandener Visualisierungstypen, in Anbetracht<br />

der derzeit vorliegenden negativen Auswirkungen, dabei eine besonders gewichtige Bedeutung<br />

zukommt, ist augenscheinlich. Ein beispielhafter Verbesserungsvorschlag der Graduated- Symbol-<br />

Maps wurde bereits in Kapitel 3.2.1. vorgelegt und kann Abbildung 54 entnommen werden.<br />

Allerdings ist davon auszugehen, dass auch die angesprochenen 3D- Visualisierungen in näherer<br />

Zukunft Anwendung finden könnten. So zeigt die folgende Abbildung 72 zwei beispielhafte<br />

dreidimensionale Darstellungen des Kriminalitätsniveaus der Stadt Köln, die auch in allgemein<br />

zugänglichen Programmen wie beispielsweise Google Maps oder Google Earth implementierbar<br />

wären.<br />

Abbildung 72:Beispiele dreidimensionaler Darstellungen des Kriminalitätsniveaus


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Außerdem wäre auch eine Einbindung der Deliktdaten in allgemeine Informationssysteme denkbar.<br />

Zwar stellen einige Systeme ihren Darstellungen auch anderweitige Informationen beiseite, so zum<br />

Beispiel die Plattform raidsonline.com, aber der inhaltliche Schwerpunkt liegt zumeist auf der<br />

Darstellung von Delikten. Einen anderen Ansatz- und Schwerpunkt würde man aber verfolgen,<br />

wenn allgemeine Informationssysteme um den Aspekt krimineller Vorkommnisse erweitert<br />

würden. So könnte zum Beispiel der sogenannte „Bremer Ortsteilatlas“, der Informationen zu<br />

verschiedenen Themenbereichen wie Demographie, Migration, Verkehr oder auch Politik<br />

bereithält, ebenfalls Kriminalitätsinformationen einbinden (vgl. Abbildung 73).<br />

Abbildung 73: Beispiel der Informationsplattform „Bremer Ortsteilatlas" 7<br />

Grundsätzlich ist ebenfalls vorstellbar, dass Crime- Mapping <strong>Plattformen</strong> zukünftig<br />

zielgruppenspezifische Darstellungen anbieten werden. So könnten weniger umfangreiche<br />

Deliktinformationen frei zugänglich gemacht werden und in einem passwortgeschützten Bereich<br />

könnten zugriffsberechtigte Gruppen detailliertere Informationen erhalten. Auf diesem Wege wäre<br />

es eventuell möglich, Fehlinterpretationen der Bevölkerung zu vermeiden und den städtischen<br />

Akteuren dennoch ein umfassendes Analysewerkzeug anzubieten. Genauso ließen sich diese<br />

Informationen auch in das oben abgebildete Beispiel der Stadt Bremen einbinden.<br />

Eine letzte technische Entwicklung kann vor allem auf dem Markt mobiler Endgeräte erwartet<br />

werden, da hier in den vergangenen 5 Jahren umfangreiche Neuerungen in Erscheinung getreten<br />

sind, die in kürzester Zeit allgemeine Anwendung in der Bevölkerung gefunden haben.<br />

Grundsätzlich sind hierbei stete Weiterentwicklungen hinsichtlich der grafischen<br />

Darstellungsmöglichkeiten, der Anbindung an Hochgeschwindigkeitsnetze, sowie der Genauigkeit<br />

und Empfangsstärke der GPS- Empfänger zu erwarten, die auch für die Crime- Mapping-<br />

<strong>Plattformen</strong> von Bedeutung sind. Denn hierdurch können unter anderem nutzergenerierte Daten<br />

noch genauer verortet werden oder noch detailliertere Darstellungen auf den Geräten erfolgen.<br />

Außerdem ist davon auszugehen, dass zunehmend auch Navigationsgeräte Informationen zum<br />

Kriminalitätsniveau bestimmter Räume beinhalten werden, da bereits erste Applikationen für<br />

7 verfügbar unter: http://www.statistik-bremen.de/tabellen/kleinraum/ortsteilatlas/atlas.html<br />

119


120 Fazit und Ausblick<br />

Smartphones solche Funktionen zur Verfügung stellen, wie zum Beispiel der „Crime Locator“ der<br />

Firma Samsung 8 für Großbritannien.<br />

Diese zunehmende Anwendung der <strong>Plattformen</strong> als Mittel der „sicheren“ Wegfindung für Nutzer,<br />

wird auch im Zusammenhang mit der erwarteten Ausweitung der Wirkungsräume der Systeme in<br />

Entwicklungsländern bzw. Krisenregionen (2) von großer Bedeutung sein. Denn in diesen Räumen<br />

ist der Bedarf an Hilfsmitteln zur Vermeidung krimineller Übergriffe besonders hoch einzuschätzen.<br />

Gerade für Ortsfremde und Touristen könnten mit Hilfe der <strong>Plattformen</strong> zahlreiche kritische<br />

Situationen vermieden werden. Allerdings ist gerade in diesen Regionen mit noch stärkeren<br />

negativen Auswirkungen zu rechnen. Folgenden Bedenken kommt dabei außerordentliche<br />

Bedeutung zu:<br />

Durch den vergleichsweise geringen Bildungsstand muss mit noch stärkeren<br />

Fehlinterpretationen durch die Nutzer gerechnet werden.<br />

Der Zugang zu den <strong>Plattformen</strong> wäre wahrscheinlich ungerecht verteilt. Die<br />

Bevölkerungsteile die in den gefährlichsten Räumen leben, haben größtenteils keinen<br />

Zugriff auf Computer und dementsprechend auch nicht auf die <strong>Plattformen</strong>.<br />

Manipulationsproblematik, privatwirtschaftliche und kriminelle Nutzung sind hier<br />

potenziell ebenfalls noch stärker einzuschätzen. Stichpunktartig sei hier auf die<br />

Korruptionsproblematik in vielen weniger entwickelten Ländern hingewiesen.<br />

Nichtsdestotrotz ist damit zu rechnen, dass auch in diesen Ländern innerhalb der nächsten Jahre<br />

Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> Einzug halten werden, da die höher gestellten Schichten dieser<br />

Räume zum Schutz ihres Wohles und Eigentums alle zur Verfügung stehenden Hilfsmittel ergreifen<br />

werden. Dahingehend erscheinen solche <strong>Plattformen</strong> oder Navigationshilfen durchaus als recht<br />

einfach anwendbare Schutzmaßnahme.<br />

Aber die <strong>Plattformen</strong> werden vermutlich nicht nur in Entwicklungsländer vordringen. Vielmehr ist<br />

davon auszugehen, dass der Weg, den die <strong>Plattformen</strong> von den USA über Canada bis hin nach<br />

Großbritannien genommen haben, irgendwann auch den Rest Europas erreichen wird. In diesem<br />

Sinne soll diese Arbeit mit einer Einschätzung hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit der<br />

Implementierung der <strong>Plattformen</strong> in Deutschland (3) abgeschlossen werden, wodurch auch die<br />

letzte untersuchungsleitende Frage zur Genüge beantwortet sein sollte.<br />

Ob die <strong>Plattformen</strong> in ihrer jetzigen Form tatsächlich auch nach Deutschland importiert werden,<br />

muss zumindest sehr stark angezweifelt werden. Gerade das Recht auf informationelle<br />

Selbstbestimmung wurde in den vergangenen Jahren von Seiten der deutschen Gesellschaft immer<br />

wieder vehement verteidigt. Sei es, um mögliche Einschränkungen dieses Rechts zu verhindern,<br />

wie zum Beispiel im Rahmen der beabsichtigten Unterzeichnung des bereits angesprochenen<br />

ACTA- Abkommens, oder um gegen die unrechtmäßige Sammlung personenbezogener Daten zu<br />

protestieren, wie es im vergangenen Jahr im Dresdener Abhörskandal der Fall war. Es liegt<br />

offensichtlich nicht, wie in den englischsprachigen Staaten die Bereitschaft vor, persönliche Daten<br />

zum vermeintlichen Schutz des Staates vor kriminellen oder gar terroristischen Taten preiszugeben.<br />

Dies äußert sich auch innerhalb polizeilicher Prozesse, bei denen personenspezifische Daten weder<br />

8 Hier verfügbar:<br />

http://www.samsungapps.com/earth/topApps/topAppsDetail.as?COUNTRY_CODE=DEU&productId=G00002284495&_isAppsDep=Y


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

gespeichert, noch im Nachhinein weitergegeben werden dürfen. Außerdem würde eine<br />

Implementation der Systeme vor allem die Initiative der deutschen Bundespolizei oder zumindest<br />

einer Landespolizei erfordern, da die Kosten einer ersten Einführung, in Zeiten klammer<br />

öffentlicher Kassen, sicherlich die Leistungsfähigkeit einer kleinen Polizeidienststelle überstiege.<br />

Dies unterstrich auch der Experte der Statistikabteilung des saarländischen Landeskriminalamtes<br />

deutlich, indem er ein solches System für das Saarland aufgrund der Kostenfrage kategorisch<br />

ausschloss. Außerdem wurden im Rahmen dieses Gesprächs starke Zweifel an den Systemen<br />

gehegt, die sich vor allem auf das Potenzial der <strong>Plattformen</strong> bezogen, Ängste und<br />

Fehlinterpretationen bei den Nutzern hervorzurufen (Exner & Wendt 2012)<br />

Es wird also auch von Seiten der deutschen Polizei mit einer gewissen Skepsis auf die <strong>Plattformen</strong><br />

reagiert. Nach Einschätzung des saarländischen Landeskriminalamtes würde einer tatsächlichen<br />

Einführung eine umfangreiche Pilotphase vorgeschaltet werden, die sich wahrscheinlich auf ein<br />

ganz bestimmtes abgegrenztes Gebiet und eine Auswahl von Delikttypen beschränken würde. Nach<br />

einer gewissen Laufzeit des Pilotprojektes würde erst eine abschließende Evaluierung klären, ob die<br />

Systeme Anwendung finden können oder nicht. Da aber ein solches Pilotprojekt deutschlandweit<br />

bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht einmal angedacht ist, kann in der nächsten Zukunft wohl<br />

nicht mit der Einführung der Systeme, von polizeilicher Seite aus, gerechnet werden.<br />

Inwiefern die Meinung der deutschen Polizei hiervon abweichen würde, wenn der Zugang zu den<br />

Systemen auf bestimmte Nutzergruppen beschränkt wird, ist allerdings nicht bekannt. Angesichts<br />

der deutlichen Reduktion der zu erwartenden Risiken und den damit einhergehenden<br />

umfangreichen Chancen, auch für die polizeiliche Alltagsarbeit, kann aber vermutet werden, dass<br />

auch sie diese etwas eingeschränkte Form der <strong>Plattformen</strong> durchaus in Betracht ziehen könnte.<br />

Auf lange Sicht, muss aber sicherlich auch in Deutschland mit der Einführung interaktiver Crime-<br />

Mapping- <strong>Plattformen</strong> gerechnet werden, was sich auch in ersten extern betriebenen <strong>Plattformen</strong><br />

und mobilen Applikationen wie dem Blaulichtkurier und der Verbrechen- App ausdrückt.<br />

121


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

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<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Abbildungsverzeichnis<br />

Abbildung 1: Beispiele interaktiver Crime- Mapping- Systeme III<br />

Abbildung 2: Kernelemente Kapitel 2.1.1. – Definition von Kriminalität 8<br />

Abbildung 3: Kernelemente Kapitel 2.1.2. – Kriminalität im Kontext von Stadt- und Raumplanung 11<br />

Abbildung 4: Interpretationsmöglichkeiten "guter" und "schlechter" Polizeiarbeit 15<br />

Abbildung 5: Kernelemente Kapitel 2.1.3. – Erfassung von Kriminalität 18<br />

Abbildung 6: Kernelemente Kapitel 2.1.4. – Historische Entwicklung von Kriminalitätskartierungen<br />

23<br />

Abbildung 7: Verschiedene Formen von Datengrundlagen der Crime- Mapping- Systeme 24<br />

Abbildung 8: Beispiel einer Plattform die polizeilich gemeldete Delikte visualisiert (Plattform:<br />

raidsonline.com) 25<br />

Abbildung 9: Datengrundlage "Calls for Service" der Plattform crimemapping.com 26<br />

Abbildung 10: Visualisierung zu Unrecht Beschuldigter (Plattform: police.uk) 27<br />

Abbildung 11: Deliktmeldung auf einer Plattform die Polizeidaten nutzt (Plattform:<br />

crimereports.com) 28<br />

Abbildung 12: Delikttypen der nutzergenerierten Plattform citysourced.com 31<br />

Abbildung 13: Kernelemente Kapitel 2.2.1. – Datengrundlagen 32<br />

Abbildung 14: Beispiele von Startseiten verschiedener Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> 33<br />

Abbildung 15: Startseite mit "Disclaimer" der Plattform raidsonline.com 34<br />

Abbildung 16: Verschiedene Formen der deliktspezifischen Abfrage 35<br />

Abbildung 17: Beispielshafte Analyse von Diebstählen aus PKW und Überfällen (Plattform<br />

crimemapping.com) 36<br />

Abbildung 18: Beispiele möglicher Tatzeitabfragen der Plattform San Francisco crimespotting 37<br />

Abbildung 19: Beispiele verschiedenartiger Deliktinformationen 38<br />

Abbildung 20: Beispiele von Tatauflistungen 38<br />

Abbildung 21: Beispiel einer vergleichsweise detaillierten Deliktanalyse (Plattform: raidsonline.com)<br />

39<br />

Abbildung 22: Beispielhafte Applikation der etablierten Plattform crimemapping.com 40<br />

Abbildung 23: Beispiele mobiler Crime- Applikationen mit spezifischer Ausrichtung bzw. Zielsetzung<br />

41<br />

Abbildung 24: Beispiel einer mobilen Applikation zur Erstellung Nutzergenerierten Contents 41<br />

Abbildung 25: Kernelemente Kapitel 2.2.2. – Funktionalität 42<br />

Abbildung 26: Symbol- Map im Stecknadelstil der Plattform crimemapping.com 43<br />

Abbildung 27: Symbol- Map mit differenzierten Symbolen der Plattform crimemapping.com 44<br />

Abbildung 28: Unübersichtliche Darstellung von Symbol- Maps bei großem Maßstab (Plattform:<br />

crimemapping.com) 45<br />

Abbildung 29: Darstellungsform bei Delikthäufung an einzelnen Tatorten der Plattform<br />

crimemapping.com 45<br />

Abbildung 30: Weitere Beispiele des Visualisierungstyps Symbol- Map 46<br />

Abbildung 31: Symbol- Map bei kleinem Kartenausschnitt (Plattform: crime incidents San Francisco)<br />

47<br />

Abbildung 32: Darstellungstyp der Graduated Symbol Map (Plattform: criminal incidents San<br />

Francisco) 48<br />

Abbildung 33: Anwendungsbeispiel von Graduated- Symbol- Maps der Plattform RADAR- Sensing 49<br />

vii


viii Abbildungsverzeichnis<br />

Abbildung 34: Fehlende Deliktdifferenzierung der Plattform police.uk 50<br />

Abbildung 35: Beispiele von <strong>Plattformen</strong> die den Visualisierungstyp der Heat Maps nutzen 51<br />

Abbildung 36: Beispielplattform die verschiedene Visualisierungstypen anbietet – Map: Crime<br />

Incidents San Francisco 52<br />

Abbildung 37: Beispiel der Kombination verschiedener Visualisierungstypen (Plattform:<br />

raidsonline.com) 53<br />

Abbildung 38: Beispiel der Visualisierung des Faktors Zeit (Plattform: LA Times Crime Map) 54<br />

Abbildung 39: Legendendarstellung zur Tatzeitabfrage der Plattform San Francisco crimespotting 54<br />

Abbildung 40: Kernelemente Kapitel 2.2.3. – Visualisierungstypen 55<br />

Abbildung 41: Kernelemente Kapitel 3.1.1. – Erhoffte polizeiinterner Wirkungen 61<br />

Abbildung 42: Darstellung von in den Nachtstunden verübten Delikten (Plattform: San Francisco<br />

crimespotting) 67<br />

Abbildung 43: Beispiel der Häufung von Diebstählen aus Autos im Umkreis eines Einkaufszentrums<br />

68<br />

Abbildung 44: Kernelemente Kapitel 3.1.2. – Erhoffte Wirkungen der Polizei 69<br />

Abbildung 45: Beispiel raumplanerischer Suche nach "Problembereichen" 71<br />

Abbildung 46: Beispielhafte Darstellung der Beziehung von Delikten der Bevölkerungsentwicklung<br />

(Plattform: raidsonline.com) 72<br />

Abbildung 47: Kernelemente Kapitel 3.1.3. – Erhoffte Wirkungen aus raumplanerischer Sicht 77<br />

Abbildung 48: Vergleichende Deliktdarstellung nutzergenerierter und polizeilicher<br />

Datengrundlagen 80<br />

Abbildung 49: Ausführungen zum Thema möglicher Fehler der Plattform crimereports.com 81<br />

Abbildung 50: Farbauswahl der Punktdarstellung (Plattform: crimemapping.com) 83<br />

Abbildung 51: Auswahl von deliktspezifischen Symbolen (Plattform crimemapping.com) 84<br />

Abbildung 52: Unterschiedlicher Gebietszuschnitt zur Ermittlung der Kriminalitätsbelastung bei<br />

Graduated- Symbol- Maps (Plattform: map: crime incidents San Francisco) 85<br />

Abbildung 53: Problem der fehlenden Deliktdifferenzierung von Graduated- Symbol- Maps<br />

(Plattform: police.uk) 86<br />

Abbildung 54: Eigene graduierte Darstellung mit deliktspezifischer Differenzierung (Kartenbasis:<br />

police.uk) 86<br />

Abbildung 55: Problem des ungewissen Gewichts von Delikten bei Heat- Maps (Plattform:<br />

oobrien.com) 87<br />

Abbildung 56: Kernelemente Kapitel 3.2.1. – Fehlinterpretationen 88<br />

Abbildung 57: Vergleich manipulativer Wirkungen verschiedener Darstellungsarten 91<br />

Abbildung 58: Beispiel divergenter bzw. manipulativer Ausgabemöglichkeiten 92<br />

Abbildung 59: Kernelemente Kapitel 3.2.2. – Manipulationsmöglichkeiten 93<br />

Abbildung 60: Kernelemente Kapitel 3.2.3. – Privatwirtschaftliche Nutzung 95<br />

Abbildung 61: Beispiel potenziell angsterzeugender Darstellung (Plattform: oobrien.com) 98<br />

Abbildung 62: Kernelemente Kapitel 3.2.4. – Crime- Mapping- Systeme als Quelle für<br />

Kriminalitätsfurcht 99<br />

Abbildung 63: Beispiel fehlerhafter, Stigmatisierungen fördernder Darstellung (Plattform: police.uk)<br />

101<br />

Abbildung 64: Kernelemente Kapitel 3.2.5. – Stigmatisierung von Räumen und Bewohnern 102<br />

Abbildung 65: Beispielhafte Offenlegung der Wohnorte von registrierten Sexualstraftätern<br />

(Plattform: crimereports.com) 104


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Abbildung 66: Beispielhafte Darstellungen von Mordopfern US- amerikanischer <strong>Plattformen</strong> 105<br />

Abbildung 67: Kernelemente Kapitel 3.2.6. – Datenschutzproblematik 106<br />

Abbildung 68: Beispiel der Polizeiplattform der Stadt Tulsa 107<br />

Abbildung 69: Beispielhafte Abbildung zu Gefängnisstrafen Verurteilter (Plattform: police.uk) 108<br />

Abbildung 70: Kernelemente Kapitel 3.2.7. – Verdrängung & Nutzen für Kriminelle 109<br />

Abbildung 71: Kernelemente Kapitel 3.3. – Schlussfolgerungen | Abwägung der Chancen & Risiken<br />

113<br />

Abbildung 72:Beispiele dreidimensionaler Darstellungen des Kriminalitätsniveaus 118<br />

Abbildung 73: Beispiel der Informationsplattform „Bremer Ortsteilatlas" 119<br />

Anlage A 1: Übersichtstabelle erhoffter und befürchteter Wirkungen x<br />

Anlage A 2: Auswahl verfügbarer interaktiver Crime- Mapping- Systeme xii<br />

Anlage A 3: weitere themenbezogene Web- <strong>Plattformen</strong> xiii<br />

Anlage A 4: Abschrift Experteninterview xiv<br />

Tabelle 1: Theorien abweichenden Verhaltens nach Ebenen 6<br />

Tabelle 2: Übersicht über die drei Hauptbestandteile polizeilicher Kriminalitätsanalyse 60<br />

ix


x Anhang<br />

aus polizeilicher Sicht<br />

aus raumplanerische<br />

Sicht<br />

Anhang<br />

Anlage A 1: Übersichtstabelle erhoffter und befürchteter Wirkungen<br />

Erhoffte Wirkungen | Chancen & Potenziale Befürchtete Wirkungen | Bedenken & Risiken<br />

Bessere Information der Bürger, wodurch Kriminalitätsangst und<br />

polizeilicher Arbeitsaufwand gesenkt werden sollen.<br />

Veröffentlichung raumbezogener Daten erhöht Transparenz und<br />

Vertrauen in Polizeiarbeit.<br />

Die Bindung zwischen Bürgern und lokalen Polizeidienststellen wird<br />

erhöht wodurch auch ihre Zusammenarbeit gestärkt wird.<br />

Bewohner werden befähigt eigenständig präventive Maßnahmen zu<br />

ergreifen (Meidungs- und Präventionsmaßnahmen).<br />

<strong>Plattformen</strong> verursachen derart starke Fehlinterpretationen der Nutzer,<br />

dass die positiven Wirkungen stark beeinträchtig werden und zahlreiche<br />

negative Folgen daraus hervorgehen.<br />

Zentrales Beispiel hierfür ist die Angsterzeugende Wirkung von <strong>Plattformen</strong>,<br />

vor allem bei Kartenmaterial welches Fehlinterpretationen begünstigt.<br />

Die Daten können vorsätzlich manipuliert werden, insbesondere bei<br />

nutzergenerierten Datensätzen!<br />

Mangelhafte Information von <strong>Plattformen</strong> über Mängel in der<br />

Datengrundlage bzw. über mögliche Interpretationsfehler mindert die<br />

Transparenz.<br />

Die Entstehung von Karten der Visualisierungstypen der Graduated- Symbol-<br />

Maps und Heat- Maps sind kaum bis gar nicht nachvollziehbar!<br />

Präventive Maßnahmen sind nur dann sinnvoll, wenn Karten richtig<br />

interpretiert werden können, was nicht einwandfrei möglich ist.<br />

Verschiedene Maßnahmen können folgenschwere Konsequenzen nach sich<br />

ziehen (z.B.: Raummeidung führt zu Kriminalitätssteigerung und zur<br />

Schaffung von „no-go-areas“).<br />

Nutzen im Rahmen von Prozessen der Stadt- und Raumplanung, z.B.<br />

bei der Erstellung von Entwicklungskonzepten Aufgrund des zu erwartenden Fachwissens sind keine fehlerhaften<br />

Nutzen für andere städtische Akteure durch Aufdeckung von<br />

Interpretationen zu befürchten.<br />

Entwicklungstrends und Problemlagen<br />

Nutzen für Plattformnutzer und die gesamte Bevölkerung als<br />

Fälschliche Annahmen müssten aufgedeckt und klargestellt werden.<br />

Sprachrohr und Druckmittel<br />

Stigmatisierung und Diskriminierung von stark betroffenen Räumen und<br />

Imageförderung für kaum von Kriminalität betroffene Gebiete<br />

ihrer Bewohner<br />

Problembehaftete Nutzung der Daten für privatwirtschaftliche Zwecke


Sonstiges<br />

Ergebnis<br />

Bedingtes Ergebnis<br />

Monitoring dient allen Akteuren zur frühzeitigen Trenderfassung<br />

und es kann der Nutzen von Maßnahmen zur<br />

Kriminalitätsminderung überprüft werden.<br />

Bevölkerung wird nicht nur über potenziell gefährliche Orte sondern<br />

auch über Aufenthaltsorte potenziell gefährlicher Täter informiert.<br />

Minderung der Kriminalität durch bessere Kooperation aller<br />

Akteure.<br />

<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Fehlendes Fachwissen der Nutzer führt zur Herstellung fehlerhafter<br />

Korrelationen.<br />

Personenbezogene Daten von Tätern und Opfern werden auf den<br />

<strong>Plattformen</strong> preisgegeben. Ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung<br />

wird verletzt.<br />

Kriminalität wird nicht vermindert sondern nur verdrängt.<br />

Kriminelle können die <strong>Plattformen</strong> für ihre Zwecke nutzen.<br />

Teilweise könnte Kriminalität sogar gesteigert werden.<br />

Insofern der Nutzerkreis auf eine gewisse Gruppe von Akteuren mit entsprechendem Fachwissen beschränkt wird (z.B. Stadt- und Raumplaner,<br />

Mitarbeiter des Jugendamtes, Quartiersmanager), sind Fehlinterpretationen nicht in so starkem Maß zu erwarten.<br />

Hierdurch könnten einige befürchtete Erwartungen vermieden werden, so z.B.:<br />

o Stigmatisierungen & Angsterzeugung<br />

o Manipulationen (zumindest können diese eventuell durchschaut werden) und privatwirtschaftliche Nutzung<br />

o Problembehaftete Präventivmaßnahmen<br />

o Datenschutzproblematik wird zumindest abgeschwächt!<br />

o Kriminelle können die <strong>Plattformen</strong> nicht mehr für ihre Zwecke missbrauchen.<br />

Viele erhoffte Nutzen könnten dann auch tatsächlich Chancen der <strong>Plattformen</strong> sein, so z.B.:<br />

o Verminderter Polizeilicher Arbeitsaufwand<br />

o Bessere Kooperation der Akteure, Ergreifung sinnvoller Präventivmaßnahmen und Druckmittel gegenüber der Politik<br />

o Imageförderung<br />

o Nutzung der <strong>Plattformen</strong> im Sinne des Kriminalitätsmonitoring<br />

xi


xii Anhang<br />

Anlage A 2: Auswahl verfügbarer interaktiver Crime- Mapping- Systeme<br />

Bezeichnung Hintergrundinformationen<br />

police.uk<br />

Map: Crime<br />

Incidents<br />

San Francisco<br />

Louisville crime map<br />

CPS Crimes Web<br />

Mapping<br />

Application<br />

Austin Crime Search<br />

Chicago Clear Map<br />

Crime Incidents<br />

Tulsa Police Crime<br />

Mapping<br />

JPSO Crime Tracker<br />

crimemapping.com<br />

crimereports.com<br />

spotcrime.com<br />

raidsonline.com<br />

UK Crime Heatmap<br />

LA Times crime map<br />

LA Times homicide<br />

map<br />

Betreiber: die britische Polizei; Wirkungsraum: Großbritannien; Webadresse:<br />

www.police.uk; letzter Zugriff: 25. Oktober 2012<br />

Betreiber: San Francisco Police Department; Wirkungsraum: San Francisco,<br />

Kalifornien; Webadresse: https://data.sfgov.org/Public-Safety/Map-Crime-<br />

Incidents-Previous-Month/gxxq-x39z; letzter Zugriff: 25. Oktober 2012<br />

Betreiber: Louisville Police Department; Wirkungsraum: Louisville, Kentucky;<br />

Webadresse: http://louisvilleky.gov/metropolice/crimemaps; letzter Zugriff:<br />

25. Oktober 2012<br />

Betreiber: Calgary Police Department; Wirkungsraum: Calgary, Canada;<br />

Webadresse: http://crimemap.calgarypolice.ca/content/DisclaimerPage.aspx;<br />

letzter Zugriff: 25. Oktober 2012<br />

Betreiber: Austin Police Departement; Wirkungsraum: Austin, Texas;<br />

Webadresse:http://www.ci.austin.tx.us/GIS/crimeviewer/CrimeReportSearch<br />

.html?; letzter Zugriff: 25. Oktober 2012<br />

Betreiber: Chicago Police Departement; Wirkungsraum: Chicago, Illinois;<br />

Webadresse: http://gis.chicagopolice.org/CLEARMap/startPage.htm#; letzter<br />

Zugriff: 25. Oktober 2012<br />

Betreiber: Tulsa Police Departement; Wirkungsraum: Tulsa, Oklahoma;<br />

Webadresse: http://maps.cityoftulsa.org/Police/?config=config-<br />

CrimeTypes.xml; letzter Zugriff: 25. Oktober 2012<br />

Betreiber: Jefferson Parish Sheriff´s Office; Wirkungsraum: Jefferson Parish,<br />

Louisiana; Webadresse:<br />

http://crimestats.jpso.com/crimetracker/externalmanager/index.html#;<br />

letzter Zugriff: 25. Oktober 2012<br />

Betreiber: TheOmegaGRoup; Wirkungsraum: USA und Canada; Webadresse:<br />

www.crimemapping.com; letzter Zugriff: 25. Oktober 2012<br />

Betreiber: PublicEngines; Wirkungsraum: USA, Canada, Großbrittanien;<br />

Webadresse: www.crimereports.com; letzter Zugriff: 25. Oktober 2012<br />

Betreiber: ReportSee; Wirkungsraum: nach Eigenaussage Weltweit, allerdings<br />

hauptsächlich USA; Webadresse: http://spotcrime.com/; letzter Zugriff: 25.<br />

Oktober 2012<br />

Betreiber: Bair Analytics; Wirkungsraum: USA; Webadresse:<br />

http://www.raidsonline.com/http://spotcrime.com/; letzter Zugriff: 25.<br />

Oktober 2012<br />

Betreiber: EnAKTing; Wirkungsraum: Großbritannien; Webadresse:<br />

http://crimeview.psi.enakting.org/; letzter Zugriff: 25. Oktober 2012<br />

Betreiber: Los Angeles Times; Wirkungsraum: Los Angeles, Kalifornien;<br />

Webadresse: http://crime.latimes.com/; letzter Zugriff: 25. Oktober 2012<br />

Betreiber: Los Angeles Times; Wirkungsraum: Los Angeles, Kalifornien;<br />

Webadresse: http://projects.latimes.com/homicide/map/; letzter Zugriff: 25.<br />

Oktober 2012


Oakland heat map<br />

Oakland<br />

Crimespotting<br />

San Francisco<br />

Crimespotting<br />

London Heat Map<br />

Homicide Watch<br />

D.C.<br />

Blaulichtkurier<br />

Berlin<br />

Utica Crime Map<br />

Verbrechen - App<br />

City- Sourced<br />

<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Betreiber: Stamen design; Wirkungsraum: Oakland, Kalifornien; Webadresse:<br />

http://city.stamen.com/heat/; letzter Zugriff: 25. Oktober 2012<br />

Betreiber: Stamen design; Wirkungsraum: Oakland, Kalifornien; Webadresse:<br />

http://oakland.crimespotting.org/map/#hours=0-7&zoom=13&lon=-<br />

122.275&dtend=2012-10-24T20:35:28-<br />

07:00&types=AA,Mu,Ro,SA,DP,Na,Al,Pr,Th,VT,Va,Bu,Ar&lat=37.823&dtstart=<br />

2012-10-17T20:35:28-07:00; letzter Zugriff: 25. Oktober 2012<br />

Betreiber: Stamen design; Wirkungsraum: San Francisco, Kalifornien;<br />

Webadresse:<br />

http://sanfrancisco.crimespotting.org/map/#types=AA,Mu,Ro,SA,DP,Na,Al,Pr,<br />

Th,VT,Va,Bu,Ar&zoom=13&dtend=2012-10-18T20:35:28-<br />

07:00&lat=37.760&hours=0-23&lon=-122.438&dtstart=2012-10-11T20:35:28-<br />

07:00; letzter Zugriff: 25. Oktober 2012<br />

Betreiber: oobrien.com; Wirkungsraum: London; Webadresse:<br />

http://oobrien.com/vis/crime/; letzter Zugriff: 25. Oktober 2012<br />

Betreiber: Homicide Watch D.C.; Wirkungsraum: District of Columbia;<br />

Webadresse: http://homicidewatch.org/homicides/map/; letzter Zugriff: 25.<br />

Oktober 2012<br />

Betreiber: Berliner Kurier; Wirkungsraum: Berlin; Webadresse:<br />

http://service.berliner-kurier.de/blaulichtkurier/; letzter Zugriff: 25. Oktober<br />

2012<br />

Betreiber: WKTV Newschannel Utica; Wirkungsraum: Utica, New York;<br />

Webadresse: http://www.wktv.com/news/crime-reports/utica/map; letzter<br />

Zugriff: 25. Oktober 2012<br />

Betreiber: BerliTec GmbH; Wirkungsraum: Deutschland; Webadresse:<br />

http://www.verbrechen-app.de/; letzter Zugriff: 25. Oktober 2012<br />

Betreiber: CitySourced; Wirkungsraum: prinzipiell weltweit, Anwender<br />

hauptsächlich in den USA; Webadresse:<br />

http://www.citysourced.com/default.aspx ; letzter Zugriff: 25. Oktober 2012<br />

Anlage A 3: weitere themenbezogene Web- <strong>Plattformen</strong><br />

Bezeichnung Beschreibung<br />

Center for Problem-<br />

Oriented Policing<br />

Design Out Crime<br />

Research Center<br />

Stamen Design<br />

Radar- Sensing<br />

Beinhaltet zahlreiche Strategien hinsichtlich der Methode des Problem-<br />

Oriented- Policing und der Einbindung von Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong><br />

Webadresse: http://www.popcenter.org/http://www.police.uk/; letzter<br />

Zugriff: 30. Oktober 2012<br />

Best Practices zur Reduzierung von Kriminalität durch bauliche Maßnahmen;<br />

Webadresse: http://www.designoutcrime.org/; letzter Zugriff: 30. Oktober<br />

2012<br />

Studio für digitales Design, welches zahlreiche Ansätze zur<br />

Kriminalitätskartierungen entwickelt hat. Webadresse: http://stamen.com/;<br />

letzter Zugriff: 30. Oktober 2012<br />

Plattform zur Gewinnung nutzergenerierten Daten zur Bewertung städtischer<br />

Räume; Webadresse: http://sensing.radarproject.de/AloeView/action/welcome;<br />

letzter Zugriff: 30. Oktober 2012<br />

xiii


xiv Anhang<br />

Anlage A 4: Abschrift- Experteninterview<br />

Interviewer:<br />

Dipl. Ing. Jan Philipp Exner | Diplomand Willi Wendt<br />

Gesprächspartner:<br />

Reiner Enderlein, statistische Abteilung, Landeskriminalamt des Saarlandes<br />

Ort und Termin:<br />

24.08.2012 Büro von Herr Enderlein im Landespolizeipräsidium, Mainzer Straße 134-136,<br />

Saarbrücken<br />

Thema des Interviews:<br />

Nutzen, Risiken und Anwendungschancen interaktiver Crime- Mapping- Systeme in Deutschland<br />

Anmerkungen:<br />

Das Interview fand im offenen Gespräch statt und wurde mit einer kurzen Präsentation zum Thema<br />

eingeleitet. Folgend werden die Aussagen des Experten stichpunktartig wiedergegeben, wobei eine<br />

thematische Gliederung vorgenommen wurde.<br />

Abschrift<br />

Themenkomplex – Bestehende Systeme in Deutschland:<br />

Die Stadt Bremen kooperiert mit dem Anbieter „Instant Atlas“<br />

Folgerecherchen ergaben hier, dass es sich dabei um den sogenannten „Ortsteil Atlas“ der<br />

Stadt Bremen handelt. Dieser beinhaltet raumbezogene Informationen zu verschiedensten<br />

Themenbereichen und macht diese tatsächlich frei im Internet zugänglich. Allerding sind<br />

keine Informationen zum Kriminalitätsaufkommen enthalten.<br />

Die Polizei nutzt digitales Crime- Mapping intern für taktische Kriminalitätsanalyse und<br />

schätzt dabei die Dynamik der „neuen“ computergestützten Karten.<br />

Themenkomplex – Bedarf an Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> und damit verknüpfte Hoffnungen<br />

Die Bürger haben durchaus hohes Interesse an raumbezogenen Kriminalitätsdaten, was<br />

sich in zahlreichen Anfragen aus der Bevölkerung wiederspiegelt (häufige Anfrage: Wo<br />

kann ich hinziehen und wie kriminell ist mein Wohnort?).<br />

Wenn Bürger solche Anfragen an die statistische Abteilung stellen, werden ihnen die<br />

entsprechenden Informationen „mundgerecht“ zugeschnitten und übermittelt.<br />

Es wurde dabei auf die vom Informationsfreiheitsgesetz ausgehende Verpflichtung<br />

hingewiesen, dass öffentliche Ämter alle Informationen zur Verfügung stellen müssen.<br />

Einschränkend wurde hier angemerkt, dass alle Daten anonymisiert werden und dass keine<br />

Informationen aus laufenden Ermittlungen herausgegeben werden.<br />

Die Wahl der herauszugebenden Daten ist letztendlich Anfrageabhängig. Die zuständige<br />

Polizeidienststelle muss entscheiden, welche Daten wirklich an die Bevölkerung<br />

weitergegeben werden können und welche nicht.


<strong>Plattformen</strong> <strong>digitaler</strong> <strong>Kriminalitätsverortung</strong><br />

Chancen und Risiken aus Sicht der Raumplanung<br />

Auch das Stadtplanungsamt richtet Anfragen bezüglich des Kriminalitätsniveaus an das<br />

Landeskriminalamt. Auch hier erfolgt eine auf die Anfragen zugeschnittene Versorgung mit<br />

den gewünschten Daten.<br />

Es wurde vermehrt auf die fehlenden Kapazitäten zur Bearbeitung aller Anfragen<br />

hingewiesen.<br />

Themenkomplex – Abschätzung möglicher Probleme bei der Veröffentlichung von<br />

Kriminalitätsdaten via Crime- Mapping Plattform:<br />

Aus polizeilicher Sicht besteht die Gefahr von Fehlinterpretationen seitens der Nutzer<br />

potenzieller <strong>Plattformen</strong>.<br />

Die Polizei sieht hinsichtlich der Veröffentlichung von Kriminalitätsdaten eine<br />

Eigenverantwortung gegenüber der Bevölkerung, keine unnötigen Ängste zu schüren. Die<br />

Verständlichkeit der Daten hat höchste Priorität.<br />

In diesem Sinne sorgt sie sich auch um die verantwortungsbewusste<br />

Informationsweitergabe bezüglich krimineller Sachverhalte fremder Institutionen. Die<br />

Veröffentlichung solcher Daten durch polizeiexterne Institutionen wird also hinterfragt.<br />

Die Reaktionen aus der Bevölkerung führen zu der Einschätzung, dass Kriminalitätskarten<br />

zunächst immer den Eindruck vermitteln, man könne selbst Opfer eines Verbrechens<br />

werden. Dies sei zumeist die erste Reaktion.<br />

Fehlerhafte Erfassung der Tatmengung ist in Deutschland nicht möglich. Es wird immer nur<br />

das schwerwiegendste Delikt erfasst.<br />

Dennoch werden zahlreiche Beispiele angesprochen, die zu fehlhaften Aussagen der Karten<br />

führen könnten Fehlinterpretationen, so. z.B.:<br />

o Ein Diebstahl von Metall auf einem Friedhof verursacht 50 Anzeigen wegen<br />

Störung der Totenruhe.<br />

o 12 „Morde“ wurden für ein Jahr im gesamten Saarland erfasst. Eine detaillierte<br />

Aufschlüsselung zeigt aber, dass es sich dabei um 10 Versuche und nur zwei<br />

verübte Morde handelte.<br />

Außerdem wird die Zuverlässigkeit der Tatverortung kritisch eingeschätzt, was sich auch<br />

auf die Karten erheblich auswirken würde:<br />

o In der Regel wird der Ort der Tatfeststellung festgehalten, also weder Tatort noch<br />

Wohnort des Täters (BSP: Diebstahl in ÖPNV). Es stellt sich die Frage, was die<br />

Karten dann wirklich festhalten würden, kriminelle Orte oder eben nur die<br />

Wohnorte von Opfern.<br />

o Außerdem erfolgt die Feststellung der Tat häufig in der Straßenmitte, was auf den<br />

Karte natürlich die Straßenmitten zu wahren Crime- Hot- Spots machen würde. Der<br />

unbedarfte Nutzer wird dies wohl nicht erkennen.<br />

Themenkomplex – Einschätzung über die Wahrscheinlichkeit der Einführung in Deutschland<br />

Da die Daten vorliegen, stünde zumindest hinsichtlich des Datenmateriales einer<br />

Veröffentlichung nichts im Weg.<br />

Personell sei die Einführung der Systeme aber nicht leistbar. Die Finanzielle Mittel erlauben<br />

zumindest im Saarland weder die Entwicklung einer solchen Plattform, noch eine<br />

xv


xvi Anhang<br />

programmspezifische Schulung der Mitarbeiter. Demnach werden die sinkenden<br />

Folgekosten nicht berücksichtigt.<br />

Aus theoretischer Sicht müsste den Crime- Mapping- <strong>Plattformen</strong> ein Spagat aus<br />

Verantwortungsbewusstsein und Information der Bürger gelingen, sollten sie tatsächlich<br />

eingeführt werden<br />

Einer möglichen Einführung solcher <strong>Plattformen</strong> in Deutschland würde wohl aber erst ein<br />

Pilotprojekt vorausgehen, welches wie folgt gekennzeichnet wäre:<br />

o Beschränkung auf einen bestimmten Standort, wie beispielsweise einen Stadtstaat<br />

o Beschränkung auf einzelne Delikttypen<br />

o Nach einer Probelaufzeit würde eine Kosten- Nutzen- Analyse angefertigt werden,<br />

die dann über die bundesweite Einführung entscheiden würde

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