Ph.D. thesis
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Transmissionselektronenmikroskopische<br />
Untersuchungen niederdimensionaler Halbleiter zur<br />
Charakterisierung von Struktur und chemischer<br />
Zusammensetzung<br />
DISSERTATION<br />
zur Erlangung des akademischen Grades<br />
doctor rerum naturalium<br />
(Dr. rer. nat.)<br />
im Fach <strong>Ph</strong>ysik<br />
eingereicht an der<br />
Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät I<br />
Humboldt-Universität zu Berlin<br />
von<br />
Frau Dipl.-<strong>Ph</strong>ys. Ines Häusler<br />
geboren am 27.02.1976 in Berlin<br />
Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin:<br />
Prof. Dr. Ch. Markschies<br />
Dekan der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät I:<br />
Prof. Dr. Ch. Limberg<br />
Gutachter:<br />
1. Prof. Dr. W. Neumann<br />
2. Prof. Dr. R. Fornari<br />
3. Prof. Dr. U. Gösele<br />
eingereicht am: 27.03.2007<br />
Tag der mündlichen Prüfung: 25.10.2007
Für mein Krönchen
Abkürzungen<br />
Wachstumsmethoden<br />
LPCVD - Low Pressure Chemical Vapour Deposition<br />
Niederdruckverfahren der chemischen Gasphasenepitaxie<br />
LPE - Liquid <strong>Ph</strong>ase Epitaxy<br />
Flüssigphasenepitaxie<br />
MBE - Molecular Beam Epitaxy<br />
Molekularstrahlepitaxie<br />
MOCVD - Metal Organic Chemical Vapour Deposition<br />
Metallorganische Gasphasenabscheidung<br />
MOMBE - Metall Organic Molecular Beam Epitaxy<br />
Metallorganische Molekularstrahlepitaxie<br />
VPE - Vapour <strong>Ph</strong>ase Epitaxy<br />
Gasphasenepitaxie<br />
Untersuchungs- und Auswertungsmethoden<br />
DALI - Digital Analysis of Lattice Images<br />
EDXS - Energy Dispersive X-Ray Spectroscopy<br />
energiedispersive Röntgenspektroskopie<br />
EELS - Electron Energy Loss Spectroscopy<br />
Elektronenenergieverlustspektroskopie<br />
EFTEM - Energy Filtered Transmission Electron Microscopy<br />
Energie-gefilterte Transmissionselektronenmikroskopie<br />
FEM - Finite Element Method<br />
Finite-Elemente-Methode<br />
HRTEM - High Resolution Transmission Electron Microscopy<br />
hochauflösende Transmissionselektronenmikroskopie<br />
PL - <strong>Ph</strong>otoluminescence<br />
<strong>Ph</strong>otolumineszenz<br />
qHRTEM - quantitative High Resolution Transmission Electron Microscopy<br />
quantitative Hochauflösungselektronenmikroskopie<br />
TEM - Transmission Electron Microscopy<br />
Transmissionselektronenmikroskopie<br />
ZAF - Z . . . Atomic number factor / Ordnungszahlkorrekturfaktor<br />
A . . . Absorption correction factor / Absorptionskorrekturfaktor<br />
F . . . Fluorescence correction factor / Fluoreszenzkorrekturfaktor<br />
Sonst<br />
V/III - Partialdruckverhältnis der gasförmigen Ausgangsstoffe (MOCVD)<br />
BN - Benetzungsschicht<br />
QP - Quantenpunkt<br />
VCSEL - Vertical Cavity Surface Emitting Laser<br />
- oberflächenemittierende Laserstruktur
Inhaltsverzeichnis<br />
Einleitung und Problemstellung 1<br />
I Grundlagen 5<br />
1 Eigenschaften und Herstellung<br />
niederdimensionaler Halbleiterstrukturen 7<br />
1.1 Niederdimensionale Halbleiterstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />
1.2 Herstellung von niederdimensionalen Halbleiterstrukturen . . . . . . . . . . 9<br />
1.3 Wachstumsmodi in der Heteroepitaxie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />
1.4 Epitaxieverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />
1.4.1 Metallorganische Gasphasenepitaxie (MOCVD) . . . . . . . . . . . 13<br />
1.4.2 Flüssigphasenepitaxie (LPE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />
1.4.3 Kinetische Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />
2 Lineare Elastizitätstheorie 21<br />
2.1 Verschiebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />
2.2 Hooke’sches Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />
2.3 Tetragonale Verzerrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />
3 Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) 29<br />
3.1 Abbildungsprozess, Linsenfehler und Bildkontrast . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
3.2 Elektronenbeugung am idealen Kristall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />
3.2.1 Kinematische Beugungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />
3.2.2 Dynamische Elektronenbeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />
3.3 Quantitative Auswertung von Verschiebungs- und<br />
Verspannungsfeldern von hochaufgelösten TEM-Aufnahmen<br />
(qHRTEM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />
3.3.1<br />
” Peak finding“-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />
3.3.2<br />
” Geometrische <strong>Ph</strong>asen“-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />
i
ii<br />
II (Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 47<br />
4 (Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 49<br />
4.1 Das System (Si,Ge) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />
4.2 Wachstum von pseudomorph verspannten<br />
(Si,Ge)/Si-Inseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />
4.2.1 Abschätzung der Germaniumkonzentration<br />
bei großen Si1−xGex-Inseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />
4.2.2 Abschätzung der Germaniumkonzentration anhand<br />
der Inselgröße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55<br />
4.3 Verspannungszustände innerhalb der Inseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56<br />
4.3.1 Methode der finiten Elemente (FEM) . . . . . . . . . . . . . . . . . 56<br />
4.3.2 qHRTEM - Charakterisierung von Verzerrungsfeldern<br />
mittels Analyse von HRTEM-Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . 58<br />
4.3.3 Verschiedene Inselmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63<br />
4.3.4 Auswertung von realen Inseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67<br />
4.4 Quantitative Auswertung von energiedispersiven Röntgenspektren (EDXS) 75<br />
4.4.1 Absorptionskorrektur / Absorptionsfaktor A . . . . . . . . . . . . . 78<br />
4.4.2 Ordnungszahlkorrektur / Ordnungszahlfaktor Z . . . . . . . . . . . 87<br />
4.4.3 Fluoreszenzkorrektur / Fluoreszenzfaktor F . . . . . . . . . . . . . 92<br />
4.4.4 Strahlaufweitung: laterale Auflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . 96<br />
4.4.5 Konzentrationsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98<br />
4.4.6 Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100<br />
4.5 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109<br />
5 Steuerung des (Si,Ge)/Si-Inselwachstums durch Kristalldefekte 111<br />
5.1 Probenaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111<br />
5.2 Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112<br />
5.2.1 (Si,Ge)-LPCVD-Schicht (Bereich 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112<br />
5.2.2 LPE-Abscheidung von (Si,Ge) auf der LPCVD-Schicht<br />
(Bereich 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121<br />
III Heterostrukturen von III-V Halbleitern 125<br />
6 Ga(As,Sb)/GaAs - Quantenpunktstruktur 127<br />
6.1 Probenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128<br />
6.1.1 Elektronische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129<br />
6.1.2 TEM-Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131<br />
6.2 Einfluss der Wachstumsparameter auf die<br />
Bildung der Quantenpunktensemble . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132<br />
6.2.1 Substrattemperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132<br />
6.2.2 Nominelle Schichtdicke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
6.2.3 Wachstumsunterbrechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133<br />
6.2.4 III/V-Partialdruckverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133<br />
6.3 Antimongehalt in den Quantenpunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138<br />
6.3.1 Konzentrationsbestimmung in der<br />
GaAs1−xSbx-Benetzungsschicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139<br />
6.3.2 Konzentrationsbestimmung in den<br />
GaAs1−xSbx/GaAs-Quantenpunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . 140<br />
7 Kombination von (Ga,In)As<br />
mit Ga(As,Sb)-Quantenpunkten in GaAs 147<br />
7.1 Probenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147<br />
7.1.1 Kombination von Quantenpunkttyp I mit Typ II . . . . . . . . . . 147<br />
7.1.2 Probenaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148<br />
7.2 Korrelationen zwischen gestapelten<br />
Quantenpunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149<br />
7.3 Indiumgehalt in der<br />
(Ga,In)As-Quantenpunktsaatschicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153<br />
Zusammenfassung 159<br />
A Parameter der verwendeten Transmissionselektronenmikroskope 167<br />
B HRTEM-Auflösungsvermögen 171<br />
C Symmetriereduzierung 173<br />
D Das reziproke Gitter 175<br />
E Energiedispersive Röntgenspektroskopie 177<br />
F <strong>Ph</strong>otolumineszenzspektroskopie 179<br />
Danksagung 189<br />
iii
Einleitung und Problemstellung<br />
Eine wichtige Herausforderung in der Halbleiterforschung ist die Herstellung von Strukturen,<br />
deren Ausmaße vergleichbar mit der de Broglie-Wellenlänge der Ladungsträger sind.<br />
In solchen Halbleiterstrukturen ändern sich die elektrischen und optischen Eigenschaften<br />
drastisch. Grund hierfür sind die quantisierten Energiezustände, deren Energieniveaus von<br />
den Dimensionen des Potentialtopfs abhängen. Die Höhe des Potentialtopfes hängt von<br />
der chemischen Zusammensetzung und vom Verspannungszustand der Quantenstruktur<br />
ab. Beschränkt man die Bewegungsfreiheit der Ladungsträger in allen drei Raumrichtungen,<br />
so entstehen so genannte Quantenpunkte.<br />
Die Herstellung solcher niederdimensionaler Objekte gelingt durch selbstorganisierte Wachstumsprozesse,<br />
wobei die Gitterfehlpassung zwischen Substrat- und Schichtmaterial eine<br />
der treibenden Kräfte ist. Das Entstehen von niederdimensionalen Strukturen beim Abscheiden<br />
verspannter Schichten wurde bis vor mehr als 15 Jahren stets mit der Entstehung<br />
von Versetzungen verbunden [Bru87]. Erst in den 90er Jahren gelang das Wachstum<br />
von pseudomorph verspannten Inseln, wobei mit ” pseudomorph“ versetzungsfrei gemeint<br />
ist [Eag90, Mo90, Guh90, Wha90]. Hierbei wird die Verspannungsenergie innerhalb der<br />
Schicht durch die Bildung der niederdimensionalen Halbleiterstrukturen selbstständig abgebaut<br />
[Str37].<br />
Eines der Hauptziele ist, die Kontrolle über das selbstorganisierte Wachstum zu erreichen.<br />
Dabei soll die finale Form und die Zusammensetzung der Quantenpunkte durch<br />
die Wachstumsparameter gesteuert werden können. Um dieses Vorhaben realisieren zu<br />
können, sind ausführliche Untersuchungen der Wachstumsmechanismen notwendig. In<br />
dieser Arbeit wird die chemische und strukturelle Charakterisierung von solch niederdimensionalen<br />
Halbleiterstrukturen vorgenommen, um die Wachstumsprozesse der Selbstorganisation<br />
besser zu verstehen. Als Modellsystem wird das Wachstum von (Si,Ge)-Inseln<br />
mittels Flüssigphasenepitaxie (LPE) auf (001)-orientierten Si-Substraten untersucht. Da<br />
bei der Flüssigphasenepitaxie das Wachstum unter einer metallischen Lösung stattfindet,<br />
ist die Untersuchung der gewachsenen Strukturen nur ex situ nach der Entfernung<br />
der Lösung möglich. So können die Erkenntnisse zur Selbstorganisation nur aus der umfangreichen<br />
strukturellen und chemischen Charakterisierung der gewachsenen Objekten<br />
gewonnen werden.<br />
Zur Analyse der Struktur und der chemischen Zusammensetzung wurden hauptsächlich<br />
die verschiedenen Untersuchungstechniken der Transmissionselektronenmikroskopie (TEM)<br />
herangezogen. Dabei wurden neben der konventionellen TEM insbesondere Methoden der<br />
1
2<br />
hochauflösenden analytischen TEM angewandt.<br />
Analytische Methoden erfordern häufig eine bezüglich des Materialsystems modifizierte<br />
Auswertung. So müssen zum Beispiel die Geometrie der (Si,Ge)-Inseln und Absorptions-,<br />
Rückstreuungs- und Fluoresenzeffekte bei der Auswertung von energiedispersiven Röntgenspektren<br />
(EDXS) mit berücksichtigt werden. Weiterhin wird in dieser Arbeit die quantitative<br />
Auswertung von hochaufgelösten TEM-Abbildungen (HRTEM) genutzt, um aus<br />
der Analyse des Verzerrungsfeldes der niederdimensionalen Strukturen die chemische Zusammensetzung<br />
zu bestimmen. Damit dies gelingt, werden Verzerrungsfeldanalysen an<br />
verschiedenen (Si,Ge)-Inselmodellen mit bekannter Zusammensetzung vorgenommen.<br />
Die geometrischen Ausmaße der frei gewachsenen (Si,Ge)-Inseln müssen für die technische<br />
Anwendung sehr klein sein, daher wird aktuell versucht, die laterale und vertikale Ausdehnung<br />
der Inseln auf einige Nanometer zu reduzieren. Ansatzpunkte hierfür sind einerseits<br />
das Wachstum auf vorstrukturierten Substraten [Gor03] und andererseits die Beeinflussung<br />
des Inselwachstums durch Versetzungsnetzwerke. Die Untersuchung des Einflusses<br />
von Versetzungen auf das Inselwachstum ist ein Teil dieser Arbeit.<br />
Ein weiterer Themenkomplex dieser Arbeit ist die Untersuchung von mittels metallorganischer<br />
Gasphasenepitaxie (MOCVD) gewachsenen III-V-Halbleiter-Quantenpunktstrukturen<br />
mit TEM. Untersucht wurden Ga(As,Sb)- und (In,Ga)As-Quantenpunkte auf (001)orientiertem<br />
GaAs.<br />
Das System Ga(As,Sb)/GaAs besitzt ein spezielles elektronisches Verhalten. Die Ladungsträger<br />
werden räumlich separiert. In diesem besonderen Fall befinden sich die Löcher in den<br />
Quantenpunkten und die Elektronen werden durch das Coulombpotential in der umgebenden<br />
GaAs-Matrix an den Quantenpunkt gebunden. Aufgrund der großen Lokalisationsenergie<br />
der Löcher [Hat95, Mag00] und der kleinen Rekombinationswahrscheinlichkeit sind<br />
die Ga(As,Sb)/GaAs-Quantenpunkte für die technische Nutzung als Speicherelemente interessant.<br />
Für optisch aktive Bauelemente ist eine Ga(As,Sb)/GaAs-Quantenpunktschicht<br />
allein ungeeignet. Deshalb wird eine Hybridstruktur bestehend aus einer Ga(As,Sb)-<br />
Quantenpunktlage und einer (In,Ga)As-Quantenpunktschicht untersucht, wobei die<br />
(In,Ga)As-Quantenpunkte durch ihr Spannungsfeld die Nukleation der Ga(As,Sb)/GaAs-<br />
Quantenpunkte stark beeinflussen.<br />
In der vorliegenden Arbeit wird die chemische und strukturelle Beschaffenheit der einzelnen<br />
Quantenpunktschichten in Abhängigkeit von den MOCVD-Wachstumsparametern<br />
ermittelt. In dieser Arbeit wurde eine Methode zur Zusammensetzungsanalyse entwickelt.<br />
Das Verfahren ist eine Kombination von Verzerrungsfeldanalysen anhand von HRTEM-<br />
Abbildungen und Intensitätsauswertungen von chemisch sensitiven Dunkelfeldabbildungen.<br />
Diese für die Probe schonende Methode bietet entscheidende Vorteile gegenüber<br />
den üblichen analytischen Methoden, wie z.B. energiedispersive Röntgenspektroskopie<br />
(EDXS) und Elektronenenergieverlustspektroskopie (EELS), bei denen ein stark fokussierter<br />
Elektronenstrahl zur Analyse genutzt wird, welcher Veränderungen im Objektmaterial<br />
bewirken kann. Zum einen ist eine zweidimensionale Zusammensetzungsbestimmung<br />
des zu analysierenden Gebietes möglich. Zum anderen erlaubt dieses Verfahren die Bestimmung<br />
der chemischen Konzentration ohne direkte analytische Methoden. Ein weiterer<br />
großer Vorteil dieser Methode ist die Anwendbarkeit dieses neuen analytischen Verfah-
Einleitung 3<br />
rens auf alle ternären Schichten, deren Struktur chemisch sensitive Reflexe aufweist. Dabei<br />
muss aber die folgende Voraussetzung erfüllt sein: Das umgebende Matrixmaterial darf<br />
nur Atomsorten enthalten, die auch in der Schicht vorkommen.<br />
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in drei Teile. Die Nummerierung der Kapitel erfolgt<br />
durchgehend.<br />
Der Teil I enthält eine Einführung in die Eigenschaften und die Herstellung niederdimensionaler<br />
Halbleiterstrukturen (Kap. 1). Kapitel 2 beinhaltet eine kurze Darstellung in die<br />
für diese Arbeit benötigten Grundlagen der Elastizitätstheorie. Im Anschluss wird die<br />
Transmissionselektronenmikroskopie als experimentelle Methode zur Strukturaufklärung<br />
beschrieben (Kap. 3). Dabei werden unter anderem der Abbildungsprozess, Linsenfehler,<br />
die Elektronenbeugung und Auswertung von HRTEM-Abbildungen berücksichtigt.<br />
Im Teil II werden die experimentellen Ergebnisse der TEM-Untersuchungen von mittels<br />
Flüssigphasenepitaxie gewachsenen (Si,Ge)/Si-Inseln diskutiert. Begonnen wird mit den<br />
strukturellen Untersuchungen der (Si,Ge)-Inseln (Kap. 4). Die Abschätzung der mittleren<br />
Germaniumkonzentration innerhalb der Inseln werden anhand der lateralen Ausdehnung<br />
[Dor98] vorgenommen. In den beiden Unterabschnitten 4.3 und 4.4 wird die Germaniumkonzentration<br />
in Abhängigkeit von der Inselhöhe gemessen. In Abschnitt 4.3 erfolgt die<br />
Zusammensetzungsanalyse durch die Auswertung von Verzerrungsfeldern in Kombination<br />
mit FEM-simulierten Inselmodellen (FEM-Finite-Elemente-Methode). Im Abschnitt<br />
4.4 werden energiedispersive Röntgenspektren ausgewertet, wobei eine im Rahmen dieser<br />
Arbeit entwickelte modifizierte ZAF-Auswertungsmethode (Z-Ordnungszahlkorrektur, A-<br />
Absorptionskorrektur, F-Fluoreszenzkorrektur) angewendet wird. Die Diskussion der Ergebnisse<br />
beschließt Kapitel 4.<br />
Im Kapitel 5 wird der Einfluss von Versetzungen einer verspannten (Si,Ge)-LPCVD-<br />
Schicht (LPCVD-Low Pressure Chemical Vapour Deposition) auf das Wachstum von<br />
(Si,Ge)-LPE-Inseln analysiert.<br />
Im Teil III werden III-V-Halbleiterquantenpunktsysteme in Bezug auf ihre strukturelle<br />
und chemische Beschaffenheit untersucht. Im Kapitel 6 werden die wachstumskorrelierten<br />
Eigenschaften der Ga(Sb,As)-Quantenpunktschicht in Abhängigkeit von den MOCVD-<br />
Wachstumsparametern bestimmt. Anschließend erfolgt die Konzentrationsbestimmung<br />
innerhalb der Quantenpunkte. In Kapitel 7 wird auf die Korrelation zwischen (In,Ga)Asund<br />
Ga(As,Sb)-Quantenpunkten in einem Quantenpunktstapel näher eingegangen. Darüber<br />
hinaus wird der Indiumgehalt in der (In,Ga)As-Quantenpunktsaatschicht ermittelt.<br />
Eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse beschließt die Arbeit.
Teil I<br />
Grundlagen<br />
5
Kapitel 1<br />
Eigenschaften und Herstellung<br />
niederdimensionaler<br />
Halbleiterstrukturen<br />
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den Eigenschaften und der Herstellung<br />
von niederdimensionalen Halbleiterstrukturen. Es werden unter anderem<br />
die für diese Arbeit angewandten Epitaxieverfahren erläutert. Weiterhin<br />
wird auf den Prozess der Inselbildung näher eingegangen.<br />
1.1 Niederdimensionale Halbleiterstrukturen<br />
Durch die Einschränkung der Bewegungsfreiheit von freien Ladungsträgern bezüglich einer<br />
oder mehrerer Richtungen in einem Festkörper ändern sich die Eigenschaften des Systems<br />
gegenüber dem Volumenmaterial fundamental. Wenn keine Ladungsträgerbewegung in der<br />
eingeschränkten Richtung mehr stattfindet, sind nicht mehr alle Zustände im Vergleich<br />
zum Volumenkristall möglich. Es kommt zur Diskretisierung der Zustandsdichte (DOS)<br />
in ihren Energiewerten. In Abb. 1.1 sind die Zustandsdichten in Abhängigkeit von der<br />
Reduzierung der Dimension dargestellt.<br />
Quantenfilm<br />
Als Quantenfilm werden Strukturen mit Einschränkung der Ladungsträgerbewegungsrichtung<br />
in einer Dimension bezeichnet. Die Zustandsdichte ist eine Stufenfunktion, die unterhalb<br />
der für den Volumenkristall typischen Wurzelfunktion liegt. Wird der Quantenfilm<br />
von Halbleitern mit unterschiedlicher Bandlücke umgeben, so entsteht in der Heterostruktur<br />
ein zweidimensionales Elektronengas. Am Übergang zwischen den unterschiedlichen<br />
Halbleitern kommt es zur Bandverbiegung und somit zu gebundenen Ladungsträgern senkrecht<br />
und zu freibeweglichen Ladungsträgern parallel zur Grenzschicht.<br />
Quantendraht<br />
Durch die Reduktion der freien Beweglichkeit der Ladungsträger auf eine Dimension erhält<br />
7
8<br />
Abbildung 1.1: Zustandsdichten in Abhängigkeit von der Einschränkung der Bewegungsfreiheit<br />
der freibeweglichen Ladungsträger.<br />
man einen Quantendraht. Die Zustandsdichte ähnelt einer Sägezahnfunktion mit der Wurzelfunktion<br />
des Volumenkristalls als Einhüllende. Wenn der Quantendraht Bestandteil<br />
einer Heterostruktur ist, so bildet sich ein eindimensionales Elektronengas parallel zur<br />
Drahtoberfläche aus.<br />
Quantenpunkt<br />
Bei Reduzierung der Bewegungsrichtungen in allen Raumrichtungen erhält man nulldimensionale<br />
Halbleiterstrukturen - so genannte Quantenpunkte - mit einer Aufspaltung<br />
der kontinuierlichen Bandstruktur in diskrete Energieniveaus. Durch das starke Confinement<br />
der Ladungsträger im Ortsraum wird die Zustandsfunktion von Deltafunktionen<br />
gebildet. Ein Quantenpunkt besitzt somit Eigenschaften wie ein Atom. Daher wird ein<br />
Quantenpunkt oft auch als ” künstliches Atom“ bezeichnet. Wird der Quantenpunkt in<br />
eine Matrix eingefasst, führt dies aufgrund der Coulombwechselwirkung zur Bildung von<br />
Elektron-Loch-Paaren an der Nanostruktur. Der Exziton-Radius ist wegen der starken<br />
Wechselwirkung zwischen den eingeschlossenen und den außerhalb des Quantenpunktes<br />
gebundenen Ladungsträgern klein.
Eigenschaften und Herstellung niederdimensionaler Halbleiterstrukturen 9<br />
1.2 Herstellung von niederdimensionalen Halbleiterstrukturen<br />
Die Erzeugung von Halbleitermikro- und -nanostrukturen, deren Ausmaße die Bewegungsrichtung<br />
der freien Ladungsträger einschränkt, kann durch mehrere technische Verfahren<br />
realisiert werden.<br />
Lithographie<br />
Eine der bekanntesten Methoden ist die Lithographie (altgriech.: Lithos = Stein, graphein<br />
= schreiben), die mittels zwei grundlegender Strukturierungstechniken erfolgt: der<br />
direkten Lithographie und der indirekten Lithographie. Bei der direkten Methode wird<br />
die Information direkt über ein einziges Übertragungsmedium auf das Substrat kopiert<br />
(z.B. Elektronen - Elektronenstrahllithographie, Ionen - Ionenstrahllithographie). Durch<br />
Anlegen eines elektrischen Feldes wird der Auftreffpunkt des fokussierten Strahls gesteuert,<br />
und durch die Variation des Energieübertrags werden die chemischen Eigenschaften<br />
des sich auf dem Substrat empfindlichen <strong>Ph</strong>otolacks verändert. Somit erhält man nach<br />
dem Ablösen des <strong>Ph</strong>otolacks geometrische Strukturen auf der Oberfläche. Das indirekte<br />
Lithographieverfahren zeichnet sich gegenüber dem direkten Verfahren aufgrund seiner<br />
Wirtschaftlichkeit aus, da bei dieser Methode die Umrisse der Strukturen vorher auf eine<br />
Schablone übertragen werden, die dann zum Kopieren der Informationen auf das Substrat<br />
genutzt wird [Ben91]. Somit ist eine parallele Verarbeitungsweise und damit ein geringerer<br />
Zeitaufwand gegenüber der seriellen Erzeugung der Strukturen im Vergleich zur direkten<br />
Methode gegeben. Ein entscheidender Nachteil der Lithographiemethoden ist die geringe<br />
Auflösung von ca. 100 nm für das indirekte und ca. 50 nm für das direkte Verfahren.<br />
Epitaxie<br />
Als Epitaxie wird das gesetzmäßige und strukturabhängige Verwachsen zweier unterschiedlicher<br />
kristalliner Substanzen bezeichnet, wobei das einkristalline Substratmaterial<br />
die Ordnung der aufwachsenden Schicht beeinflußt. Mit dem epitaktischen Wachstum<br />
selbstorganisierter niederdimensionaler Halbleiterstrukturen gelingt es, Objekte mit lateralen<br />
Ausdehnungen von nur einigen Nanometern herzustellen. Auf den Prozess der<br />
Selbstorganisation von pseudomorph verspannten Strukturen wird im Abschnitt 1.3 noch<br />
genauer eingegangen. Um gezielte Objektgrößen von einheitlichen Ensembles erzeugen zu<br />
können, müssen die Epitaxieparameter genau bekannt und eingestellt sein. Für das Erlangen<br />
der optimalen Wachstumsparameter eines Epitaxieverfahrens in Abhängigkeit vom<br />
gewählten Materialsystem sind langwierige Untersuchungen mit Variationen der einzelnen<br />
Parameter notwendig.<br />
Zur Abscheidung von Halbleiterstrukturen existieren verschiedene Epitaxieverfahren. Dazu<br />
zählen die Flüssigphasenepitaxie (LPE), die Gasphasenepitaxie (VPE), die Molekularstrahlepitaxie<br />
(MBE), die metallorganische Gasphasenepitaxie (MOCVD) und die metallorganische<br />
Molekularstrahlepitaxie (MOMBE). Auf die für diese Arbeit verwendeten
10<br />
Verfahren (Metallorganische Gasphasenepitaxie und Flüssigphasenepitaxie) zur Herstellung<br />
von pseudomorph verspannten Inseln und deren variierbaren Parametern wird im<br />
Abschnitt 1.4 näher eingegangen.<br />
Das selbstorganisierte Wachstum von versetzungsfreien nulldimensionalen Halbleiterstrukturen<br />
mittels Epitaxie ist seit Anfang der 90er Jahre bekannt. Die ersten Untersuchungsergebnisse<br />
zum pseudomorphen Wachstum von Germanium auf Silizium wurden von Eaglesham<br />
et al. [Eag90] und von Mo et al. [Mo90] publiziert. Mit dem epitaktischen Abscheiden<br />
von dreidimensionalen verspannten (In,Ga)As-Inseln auf GaAs beschäftigten sich unter<br />
anderem Guha et al. [Guh90] und Whaley et al. [Wha90].<br />
1.3 Wachstumsmodi in der Heteroepitaxie<br />
Die Epitaxie wird unterteilt in Homoepitaxie und Heteroepitaxie. Bei der Homoepitaxie<br />
sind das zu deponierende Material und das Substrat gleich. In der Heteroepitaxie wird<br />
ein Material A auf ein von A verschiedenes Substrat B abgeschieden. Im Gegensatz zur<br />
Homoepitaxie spielt bei der Heteroepitaxie der Parameter der Gitterfehlpassung zwischen<br />
Material A und B eine entscheidende Rolle. Weiterhin müssen die Oberflächenenergie und<br />
die elastische Verspannung berücksichtigt werden.<br />
Das epitaktische Wachstum kann anhand der Oberflächenenergie der Materialen A und B<br />
in verschiedene Wachstumsmodi eingeteilt werden (siehe Abb. 1.2). Ist die Oberflächenenergie<br />
des Substrats B größer als die der Schicht A, so wird die Gesamtenergie des<br />
Systems durch die vollständige Benetzung des Substrats mit dem Schichtmaterial minimiert.<br />
Dieses reine glatte Lagenwachstum wird als Frank-van der Merwe Wachstumsmodus<br />
bezeichnet. In dem Falle einer geringeren Oberflächenenergie des Substrats gegenüber<br />
der Oberflächenenergie der Schicht ist es für das System energetisch günstiger, den Bedeckungsgrad<br />
der Substratoberfläche so gering wie möglich zu halten. Dies geschieht im<br />
Volmer-Weber Wachstumsmodus. Hierbei wird das Substrat nicht benetzt und die Atome<br />
des Schichtmaterials ordnen sich auf dem Substrat so an, dass sie so wenig Substratoberfläche<br />
wie möglich bedecken. Dies wird durch das Wachstum von dreidimensionalen<br />
Inseln realisiert.<br />
In dieser Arbeit werden Materialsysteme behandelt, bei denen die Gitterkonstante des<br />
Schichtmaterials A größer als die des jeweiligen Substratmaterials B ist. Daher soll dieser<br />
Fall im Folgenden näher betrachtet werden.<br />
Neben der Energie der Oberfläche muss, wie bereits erwähnt, auch die durch die Gitterfehlpassung<br />
ɛ0 = (aA−aB)/aB verursachte elastische Verspannung bei der Energiebetrachtung<br />
des Schichtwachstums betrachtet werden. Wird das Material A epitaktisch auf das Substrat<br />
B aufgetragen, so passt sich die Einheitszelle der Schicht mit ihren Gitterkonstanten<br />
senkrecht zur Wachstumsrichtung der kleineren Einheitszelle des Substrats an (a ||<br />
A = aB).<br />
Die Schicht ist nun pseudomorph verspannt. Die Gitterverspannung in der Schicht ist<br />
abhängig von der Schichtdicke h. Shchukin et al. beschreiben in [Shc95] die Verspannungsenergie<br />
Eel einer pseudomorph verspannten anisotropen Schicht in Abhängigkeit
Eigenschaften und Herstellung niederdimensionaler Halbleiterstrukturen 11<br />
Abbildung 1.2: Heteroepitaktische Wachstumsmodi in Abhängigkeit der Abscheidungsmenge<br />
des Schichtmaterials A auf einem Substratmaterial B. Für den Stranski-Krastanov<br />
Wachstumsmodus ist die Gitterkonstante der Schicht größer als die Gitterkonstante des<br />
= aB).<br />
Substrats (a ||<br />
A<br />
von der Schichtdicke h, dem Elastizitätsmodul λ, der Oberfläche A und der Gitterfehlpassung<br />
ɛ0. Für das Schichtwachstum von anisotropen Materialien auf (001)-Oberflächen<br />
wird nach [Bim99] die Verspannungsenergie Eel wie folgt berechnet:<br />
Eel = λɛ 2 0Ah (1.1)<br />
λ = (c11 + 2c12)(c11 − c12)<br />
(1.2)<br />
Hierbei sind c11 und c12 die elastischen Konstanten, auf die im Kapitel 2 näher eingegangen<br />
wird. Mit zunehmender Schichtdicke wird an Glg. 1.1 deutlich, dass die Verspannungsenergie<br />
in der Schicht zunimmt. Ab einer kritischen Schichtdicke hc steigt die Verspannungsenergie<br />
in der Schicht so stark an, dass es energetisch günstiger ist, diese auf Kosten einer<br />
Oberflächenvergrößerung abzubauen. Dabei verwellt sich die Oberfläche und es kommt<br />
zur Entstehung von dreidimensionalen Inseln auf der tetragonal verspannten Benetzungsschicht.<br />
Dieser Übergang zum Inselwachstum ist als Stranski-Krastanov Wachstumsmodus<br />
bekannt [Str37]. Bei dicken Schichten kann der Abbau der Verspannung auch durch Versetzungsbildung<br />
beobachtet werden, dabei werden zusätzliche Gitterebenen eingebaut. Bei<br />
dreidimensionalen Strukturen wird die Spannungsenergie durch elastische Relaxation des<br />
Gitters innerhalb der Insel abgebaut.<br />
Die Änderung der Gesamtenergie ∆ Eisl einer Heterostruktur bei der Bildung einer einzelnen<br />
Insel wird in [Shc95] durch die Änderung der Gesamtoberflächenenergie ∆ Efacets<br />
aufgrund von Facettenbildung, durch die elastische Relaxationsenergie ∆ Eel und durch<br />
c11
12<br />
Abbildung 1.3: Vereinfachte Betrachtung<br />
der Änderung der Gesamtenergie einer<br />
Heterostruktur bei der Bildung von pseudomorph<br />
verspannten Inseln in Abhängigkeit<br />
von der Inselgröße L (nach Glg. 1.4).<br />
die Energie der Inselkanten ∆ Eedges erklärt.<br />
∆ Eisl = ∆ Efacets + ∆ Eedges + ∆ Eel<br />
Abbildung 1.4: Gesamtenergie einer Insel<br />
in Abhängigkeit von der Inselgröße L<br />
unter Berücksichtigung aller Terme der<br />
elastischen Relaxation [Bim99]. α ist das<br />
Verhältnis von Oberflächenenergie zur elastischen<br />
Relaxationsenergie der Insel.<br />
(1.3)<br />
Der erste Term besteht aus der Summation der Oberflächenenergie jeder einzelnen Facette<br />
der Insel. Weiterhin wird auch die Energie der restlichen Oberfläche mit einer Flächennormalen<br />
in Wachstumsrichtung im ersten Term berücksichtigt. Der Einfluss der Inselecken<br />
auf die Energieänderung ist sehr gering, daher wird die Glg. 1.3 meist ohne diesen Term<br />
betrachtet. Der Beitrag der Verspannung während der elastischen Relaxation ist ziemlich<br />
umfangreich und setzt sich aus mehreren Faktoren zusammen. Es werden unter anderem<br />
der Beitrag der Gitterfehlpassung ɛ0 und die Oberflächenenergie der Inselfacette bedingt<br />
durch die Änderung der Gitterkonstanten an den Facetten während der elastischen Relaxation<br />
berücksichtigt. Durch eine Vereinfachung der Glg. 1.3 wird ein Zusammenhang<br />
zwischen Inselgröße L und der Gesamtenergieänderung deutlich.<br />
∆ Eisl ≈ ∆ Efacets + ∆ Eel ≈ C1γL 2 − C2λɛ 2 0L 3<br />
(1.4)<br />
Dabei ist γ die Oberflächenenergie. Die Beiträge der Einzelenergien zur Änderung der<br />
Gesamtenergie bei der Bildung von pseudomorph verspannten Inseln sind in Abb. 1.3<br />
dargestellt. Anhand der Graphik (Abb. 1.3) wird deutlich, dass ab einer kritischen Inselgröße<br />
Lc die Energie der Insel monoton abnimmt und somit die Bildung von immer größeren<br />
Inseln energetisch günstiger ist. Bei der Interpretation der Abb. 1.3 darf aber nicht
Eigenschaften und Herstellung niederdimensionaler Halbleiterstrukturen 13<br />
vernachlässigt werden, dass bei der Glg. 1.4 eine vereinfachte Annahme, die lineare Spannungsabnahme<br />
innerhalb der Inseln mit zunehmendem Volumen, vorgenommen wurde.<br />
Bei der Berücksichtigung aller zur Verspannungsenergie ∆ Eel beitragenden Terme nimmt<br />
die Gesamtenergie des Systems ab einer Inselgröße L0 wieder ab [Bim99]. In Abb. 1.4 ist<br />
die auf diese Weise berechnete Gesamtenergie einer verspannten Insel in Abhängigkeit von<br />
α, dem Verhältnis der Oberflächenenergie der Facetten zur elastischen Relaxationsenergie<br />
der Insel, als Funktion von L dargestellt. Für α < 1 zeigt die Abb. 1.4 Minima. Solch ein<br />
Minimum würde bedeuten, dass Inseln mit der Größe L0 thermodynamisch stabil sind<br />
und ihre Bildung unabhängig vom Herstellungsprozess ist.<br />
1.4 Epitaxieverfahren<br />
Die in dieser Arbeit untersuchten Materialsysteme wurden mittels zwei verschiedener<br />
Epitaxieverfahren hergestellt. Die III-V-Halbleiter-Heterostrukturen sind mit der Methode<br />
der metallorganischen Gasphasenepitaxie (MOCVD - Metal Organic Chemical Vapour<br />
Deposition) erzeugt worden. Die im zweiten Teil untersuchten (Si,Ge)/Si Systeme wurden<br />
mittels Flüssigphasenepitaxie (LPE - Liquid <strong>Ph</strong>ase Epitaxy) gewachsen. Die folgenden<br />
Abschnitte beschäftigen sich mit der genaueren Beschreibung der beiden angewandten<br />
Epitaxieverfahren und deren jeweiligen prozessrelevanten Parameter.<br />
1.4.1 Metallorganische Gasphasenepitaxie (MOCVD)<br />
Für das epitaktische Wachstum von III-V-Halbleitern mittels MOCVD werden Metallorganika<br />
als Ausgangssubstanz für die Elemente der III.-Hauptgruppe verwendet. Die<br />
Metallorganika sind feste oder flüssige Verbindungen und werden in so genannten ” Bubbler“<br />
aufbewahrt. Zur Einleitung in den Reaktionsraum werden die ” Bubbler“ mit H2<br />
durchströmt, welches als Trägergas fungiert. Zur Herstellung von Arseniden und Antimoniden<br />
werden häufig hochgiftige Hydride als Ausgangsstoffe verwendet. Diese liegen<br />
gasförmig vor und können daher direkt oder verdünnt in den Reaktor geleitet werden.<br />
Nach der getrennten Einleitung der Ausgangssubstanzen in den Reaktor durchmischen<br />
sich die Komponenten. Es bildet sich ein laminarer Strom parallel zur Substratoberfläche<br />
aus. Die Gasflussgeschwindigkeit des Materialstroms nimmt aufgrund der auftretenden<br />
Reibung zum Substrat hin ab. Somit ist der Gasstrom direkt über der Substratoberfläche<br />
sehr gering, und es kommt zur Ausbildung einer Diffusions-Grenzschicht, welche die Moleküle<br />
auf dem Weg zur Oberfläche überwinden müssen. Wenn die Reaktion auf der Substratoberfläche<br />
schneller abläuft als die Diffusion der Gasmoleküle durch die Grenzschicht,<br />
so ist das Wachstum durch den Materialtransport limitiert. Die während des Wachstums<br />
im Reaktorinneren ablaufenden chemischen Prozesse sind äußerst komplex, und die genauen<br />
Reaktionen an der Substratoberfläche sind zum Teil unbekannt. Bekannt ist die<br />
temperaturabhängige Zerlegung der Ausgangsstoffe, so dass in der Nähe des Substrats bei<br />
Temperaturen um 700 ◦ C fast alle Ausgangsstoffe als zerlegte Verbindungen wiederzufin-
unerwünschtes Element ist Sauerstoff, welches als Verunreinigung in den Quellen, oder<br />
im Reaktor vorkommt. Alle drei Elemente haben einen Einfluß auf das Dotierverhalten<br />
des Halbleiters. So kann der gezielte Einbau von Kohlenstoff zum Beispiel auch zur<br />
effizienten p-Dotierung von GaAs oder Al xGa 1-xAs eingesetzt werden (siehe Kap. 3.3.1).<br />
14<br />
Temperatur<br />
Gaseinlaß<br />
H<br />
H H<br />
C<br />
Ga<br />
H C C H<br />
H<br />
H H<br />
H<br />
H<br />
H H<br />
C<br />
Ga<br />
H C C H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H H<br />
Ga<br />
H C<br />
H<br />
H<br />
H H<br />
Mischungsbereich<br />
H H<br />
H<br />
H<br />
As<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
As<br />
H<br />
H H<br />
C<br />
Ga<br />
H<br />
H H<br />
H<br />
As<br />
H<br />
Ceilingplatte T = 200 °C<br />
As As As As As<br />
As<br />
As<br />
As As As As<br />
As<br />
As As As<br />
As<br />
As<br />
As As<br />
Diffusionsbereich<br />
As<br />
As<br />
Zerlegungsbereich<br />
Ga<br />
As<br />
H<br />
H As<br />
H CH3 H<br />
H H<br />
As As As As Ga As<br />
As Ga C As<br />
As<br />
Ga As As<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
C H<br />
Wachstumsbereich<br />
GaAs-Substrat T = 700 °C<br />
Suszeptor<br />
H<br />
H H<br />
H<br />
H<br />
H<br />
C H<br />
H<br />
H<br />
As<br />
H<br />
H<br />
As<br />
As<br />
H<br />
H<br />
H<br />
H H<br />
H<br />
C H<br />
H<br />
H H<br />
H<br />
H +<br />
H<br />
As<br />
H<br />
Endprodukte<br />
Abb. 2.4: Reaktionsketten beim Wachstum von GaAs mittels MOVPE.<br />
Abbildung 1.5: Schematische Darstellung der Reaktionskette beim epitaktischen Wachstum<br />
von GaAs mittels metallorganischer Gasphasenepitaxie in Abhängigkeit vom Temperaturbereich<br />
[Dim00]. Nach dem Gaseinlass16 werden die Ausgangssubstanzen ( [(CH3)3Ga]<br />
und [H3As]) im Mischbereich zusammengeführt. Durch den Konzentrationsgradienten zwischen<br />
Gasphase und Substratoberfläche bildet sich eine Transportkomponente senkrecht zur<br />
Wachstumsoberfläche aus. Aufgrund der Temperaturzunahme zum Substrat hin werden die<br />
Ausgangsstoffe zerlegt.<br />
den sind. Das Schichtwachstum findet fern vom thermodynamischen Gleichgewicht statt.<br />
Der Zustand eines Systems im thermodynamischen Gleichgewicht wird im Abschnitt 1.4.2<br />
näher erklärt. In Abb. 1.5 sind die einzelnen chemischen Reaktionsabläufe für das Wachstum<br />
von GaAs in den jeweiligen Temperaturbereichen im Reaktor schematisch dargestellt<br />
[Dim00]. Ohne Betrachtung der Zwischenschritte wird der Gesamtprozess für die Bildung<br />
von GaAs und GaSb durch die folgenden chemischen Reaktionsgleichungen beschrieben:<br />
[(CH3)3Ga] Gas + [H3As] Gas −→ 3 [CH4] Gas + [GaAs] fest<br />
[(CH3)3Ga] Gas + [H3Sb] Gas −→ 3 [CH4] Gas + [GaSb] fest<br />
Beim epitaktischen Wachstum im transportlimitierten Temperaturbereich werden alle<br />
Ga<br />
H<br />
As<br />
As<br />
Ga<br />
H +<br />
H<br />
H<br />
C<br />
H<br />
Ga<br />
H H<br />
H<br />
H<br />
C H<br />
H<br />
H H
Eigenschaften und Herstellung niederdimensionaler Halbleiterstrukturen 15<br />
Ausgangsstoffe, die die Substratoberfläche erreicht haben, vollständig eingebaut. Um einer<br />
Verarmung der Atome entlang der Oberfläche und somit einem keilförmigen Wachstumsprofil<br />
entgegenzuwirken, wird das Substrat rotiert.<br />
Wachstumsparameter<br />
V/III - Partialdruckverhältnis<br />
Die Wachstumsrate wird unter anderem durch das Mengenangebot der Gruppe III-Atome<br />
gesteuert, da aufgrund der hohen Flüchtigkeit der Hydride nur die stöchiometrisch erforderliche<br />
Menge der Gruppe V-Atome eingebaut wird. Durch das Verhältnis der Partialdrücke<br />
(V/III) der gasförmigen Ausgangsstoffe wird das Mengenangebot reguliert.<br />
Reaktordruck<br />
Der Reaktordruck beeinflusst wesentlich die Homogenität der wachsenden Schicht und<br />
die Dicke der Diffusions-Grenzschicht. Bei einem geringen Gesamtdruck existiert nur eine<br />
dünne Diffusions-Grenzschicht und somit findet auch ein schnellerer Austausch zwischen<br />
den Gasphasen statt. Weiterhin kann bei einem geringen Reaktordruck eine bessere Homogenität<br />
der Epitaxieschicht erzielt werden, da die freie Weglänge der Atome auf der<br />
Substratoberfläche mit der Abnahme des Drucks zunimmt. Der Reaktordruck kann aber<br />
nicht beliebig klein gewählt werden, da erstens eine Limitierung seitens der Anlage existiert<br />
und zweitens die Zerlegung der Hydride gehemmt wird. Letzterem kann durch eine<br />
Erhöhung des Partialdruckverhältnisses entgegengewirkt werden.<br />
Substrattemperatur<br />
Die Abb. 1.6 zeigt die Unterteilung der Temperaturskala in Abhängigkeit der Wachstumsrate.<br />
Bei sehr hohen Substrattemperaturen ist der Übergang von Atomen oder Molekülen<br />
von der Substratoberfläche in die Gasphase sehr hoch. Weiterhin wird die Bildung<br />
von freien Radikalen CH3 bei der Zerlegung von (CH3)3Ga gefördert, und es findet ein<br />
verstärkter Einbau von Kohlenstoff in der Schicht statt. Auch hier kann durch Erhöhung<br />
des Partialdruck-Verhältnisses die Kohlenstoffkonzentration im Kristall durch die Bildung<br />
von CH4 reduziert werden.<br />
Bei einer Temperaturverringerung nimmt der Anteil der Desorption ab und das Schichtwachstum<br />
wird nur durch die Diffusion der Moleküle durch die Diffusions-Grenzschicht<br />
bestimmt. In diesem transportlimitierten Temperaturbereich ist die Wachstumsrate bei<br />
vollständiger Zerlegung der Ausgangsstoffe linear von der Temperatur abhängig.<br />
Wenn die Substrattemperatur so gering ist, dass nur noch ein Teil der zum Wachstum<br />
benötigten Moleküle die Diffusions-Grenzschicht passieren kann, ist der kinetisch<br />
begrenzte Wachstumsbereich erreicht.
16<br />
1.4.2 Flüssigphasenepitaxie (LPE)<br />
Abbildung 1.6: Schematische<br />
Darstellung der Wachstumsrate<br />
in Abhängigkeit von der<br />
Substrattemperatur [Ric86].<br />
Das LPE-Verfahren ist kostengünstiger als das MOCVD-Verfahren, jedoch ist es schwierig<br />
das Wachstum auf atomarer Basis zu kontrollieren. Die Anfangsbedingungen bestimmen<br />
entscheidend den Ablauf und somit auch das Endergebnis des Epitaxieprozesses. Während<br />
des Wachstums kann nur geringfügig in den Prozess eingegriffen werden, denn das Wachstum<br />
findet nahe am thermodynamischen Gleichgewicht statt.<br />
Thermodynamisches Gleichgewicht<br />
Das thermodynamische Gleichgewicht eines Systems entspricht dem Minimum der freien<br />
Enthalpie G, und zwar bezüglich aller Variablen im System.<br />
G(c) = U + pV<br />
<br />
Enthalpie H<br />
−T S (1.5)<br />
Die Enthalpie H = H(U, p, V ) enthält über die innere Energie U = U(S, V, N) die<br />
Abhängigkeit von der Teilchenzahl N bzw. von der Konzentration c. Durch die Messung<br />
der Wärmezufuhr bzw. des Wärmeentzugs dQ des Systems bei einem konstanten<br />
Druck p wird die Enthalpie H bestimmt. Dieser Zusammenhang wird unter Zuhilfenahme<br />
des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik (dU = δQ + δW ) wie folgt hergeleitet:<br />
H = U + p · V dH = dU + V · dp + p · dV (1.6)<br />
mit: δW = −p · dV gilt: dH = δQ + V · dp (1.7)<br />
mit: dp = 0 (isobarer Prozess) gilt: dH = δQ (1.8)<br />
Der letzte Term der Glg. 1.5 (-TS) wird als Mischungsentropie bezeichnet und besitzt bei<br />
einem System von zwei vollständig miteinander mischbaren Substanzen (z.B Silizium und<br />
Germanium) ein Minimum bei einer Konzentration von 50%. Liegt eine Koexistenz von<br />
zwei <strong>Ph</strong>asen (z.B. feste und flüssige <strong>Ph</strong>ase) vor, so ist das System im thermodynamischen
Eigenschaften und Herstellung niederdimensionaler Halbleiterstrukturen 17<br />
Gleichgewicht, wenn das chemische Potential der ersten <strong>Ph</strong>ase µ1 gleich dem chemischen<br />
Potential der zweiten <strong>Ph</strong>ase µ2 ist. Denn es gilt:<br />
G = µ1N1 + µ2N2 (1.9)<br />
dG = ∂G<br />
dN1 +<br />
∂N1<br />
∂G<br />
dN2<br />
∂N2<br />
= µ1dN1 + µ2(dN − dN1) ! = 0 (1.10)<br />
Da sich die Gesamtsumme der Teilchenzahl N = N1 + N2 über die einzelnen <strong>Ph</strong>asen<br />
nicht ändert (dN = 0), ist die Glg. 1.10 für µ1 = µ2 erfüllt. Durch das Bestimmen der<br />
Minima von G(c) bei verschiedenen Temperaturen T und das Eintragen der gewonnenen<br />
Abhängigkeit T (c) in eine graphische Darstellung erhält man das Zustandsdiagramm. In<br />
solch einem Diagramm sind zwei verschiedene <strong>Ph</strong>asen durch Gebiete getrennt, in denen<br />
der <strong>Ph</strong>asenübergang stattfindet.<br />
Si-Ge-<strong>Ph</strong>asendiagramm<br />
Für die Kristallisation von (Si,Ge) aus der Schmelze muss das <strong>Ph</strong>asendiagramm des<br />
binären Systems (siehe Abb. 1.7) betrachtet werden. Auf der Abszisse ist die Si- bzw.<br />
Ge-Konzentration aufgetragen. Die Ordinate ist die Temperaturachse. Oberhalb der Liquiduslinie<br />
liegen Si und Ge in der flüssigen <strong>Ph</strong>ase vor (L). Unterhalb der Soliduslinie liegt<br />
aufgrund der lückenlosen Mischbarkeit von Si und Ge nur eine feste <strong>Ph</strong>ase (α) vor. Zwischen<br />
der Liquidus- und der Soliduslinie ist der Bereich durch die Koexistenz von flüssiger<br />
und fester <strong>Ph</strong>ase (α +L) geprägt. Die Schnittpunkte beider Kurven mit der Ordinate entsprechen<br />
den jeweiligen Schmelztemperaturen für die reinen Halbleiter (T F Ge = 938◦ C und<br />
T F Si = 1410◦ C).<br />
In der flüssigen <strong>Ph</strong>ase (L) beträgt die Anzahl der freien Parameter 2 (Temperatur T und<br />
Konzentration c). Mit der Wahl einer bestimmten Zusammensetzung c0 in der flüssigen<br />
<strong>Ph</strong>ase (L) und Abnahme der Temperatur erreicht man bei TL(c0) die Liquiduslinie. Beim<br />
weiteren Abkühlen Tα(c0) < T1 < TL(c0) ändert sich die Zusammensetzung der flüssigen<br />
und der koexistierenden festen <strong>Ph</strong>ase. Die Konzentrationen kann man durch die Schnittpunkte<br />
der Isothermen T1 mit der Solidius- und der Liquiduslinie bestimmen. Somit ist die<br />
Konzentration von Ge in der festen <strong>Ph</strong>ase cL(T1) niedriger als die gewählte Ausgangskonzentration<br />
c0. Anders verhält es sich in der flüssigen <strong>Ph</strong>ase, hier ist die Konzentration von<br />
Ge (cL(T1)) höher als c0. Mit weiterer Temperaturabnahme kristallisiert mehr Material<br />
aus, wobei die restliche flüssige <strong>Ph</strong>ase einen höheren Ge-Gehalt aufweist. Die Zunahme<br />
der festen <strong>Ph</strong>ase von TL(c0) nach T1 muss mit einer Zunahme der Ge-Konzentration in der<br />
festen <strong>Ph</strong>ase gekoppelt sein. Dies wird durch Diffusion realisiert. Nach der vollständigen<br />
Kristallisation existiert bei Tα nur noch die feste <strong>Ph</strong>ase mit einer globalen Konzentration<br />
von c0. Wenn dem System genügend Zeit für das Abschließen aller Diffusionsprozesse gegeben<br />
wird, so stellt sich eine homogene Verteilung der Konzentration bei c0 ein.<br />
Nun liegen Si und Ge bei dem LPE-Verfahren nicht in der Schmelze vor, sondern sind<br />
in Wismut (Bi) gelöst. Somit muss ein ternäres System betrachtet werden, dessen Verhalten<br />
von der Zusammensetzung abhängig ist. Das ternäre <strong>Ph</strong>asendiagramm wird durch
18<br />
das schon betrachtete Si-Ge-<strong>Ph</strong>asensystem und durch zwei weitere binäre Randsysteme<br />
begrenzt (Bi-Si und Bi-Ge).<br />
Bi-Halbleiter-<strong>Ph</strong>asendiagramm<br />
Die <strong>Ph</strong>asendiagramme für Bi-Si und Bi-Ge sind einander so ähnlich, dass im Weiteren<br />
allgemein nur ein Bi-Halbleiter <strong>Ph</strong>asendiagramm (Bi-HL mit HL = Ge,Si) beschrieben<br />
werden soll. Die Abb. 1.8 zeigt ein solches Bi-HL-<strong>Ph</strong>asendiagramm, welches aufgrund der<br />
Nichtmischbarkeit von Si bzw. Ge mit Bi als eutektisches <strong>Ph</strong>asensystem bezeichnet wird.<br />
Die Löslichkeit des HLs ist von der Temperatur abhängig. Die Schnittpunkte der Liquiduslinie<br />
mit der Temperaturachse entsprechen den Schmelztemperaturen für die reinen<br />
Elemente (T F Bi = 271◦ C). Die eutektische Temperatur Teu liegt nur einige Kelvin unterhalb<br />
der Schmelztemperatur von Bi. Bei Temperaturen zwischen Liquiduslinie und T F Bi<br />
und einer HL-Konzentration größer als die eutektische Konzentration ceu kristallisiert nur<br />
der reine Halbleiter HL aus. Bei cHL < ceu und Teu < T < T F Bi kommt es zur Abscheidung<br />
von reinem Wismut in der festen <strong>Ph</strong>ase. Kühlt man das System weiter ab (T < Teu), so<br />
existieren zwei feste, nicht miteinander mischbare <strong>Ph</strong>asen gleichzeitig.<br />
Da der Schmelzpunkt von reinem Wismut weit unterhalb der LPE-Arbeitstemperatur von<br />
600◦C liegt, kann davon ausgegangen werden, dass sich kein Bi in dem abgeschiedenen<br />
Material befindet.<br />
Neben Wismut gibt es auch die Möglichkeit Si und Ge in Indium zu lösen. Aufgrund der<br />
niedrigen Schmelztemperatur von In T F In = 157◦C < T F Bi gelingt es somit, kleinere Germaniumkonzentrationen<br />
im Festkörper abzuscheiden. Da die Löslichkeit von Si in Bi gering<br />
ist und damit das Anlösen des Si-Substrats weitgehend verhindert wird, wurde Wismut<br />
als Lösungsmittel favorisiert [Tra90].<br />
Si-Ge-Bi-<strong>Ph</strong>asendiagramm<br />
Durch das Zusammenfügen der drei binären Schmelzdiagramme erhält man das dreidimensionale<br />
ternäre <strong>Ph</strong>asendiagramm für die Züchtung von (Si,Ge) aus der Bi-Lösung.<br />
Die Liquidusfläche und die Solidusfläche begrenzen den Bereich der Koexistenz von flüssiger<br />
und fester <strong>Ph</strong>ase (L + α) von Si und Ge in flüssigem Wismut. Da keine Singulärität<br />
bzw. kein Wismut weit oberhalb von T F Bi<br />
in der festen <strong>Ph</strong>ase existiert, kann angenommen<br />
werden, dass die Liqiudusfläche für die (Si,Ge)-Kristallisation aus der Lösung mit zunehmendem<br />
Bi-Gehalt monoton fallend und die Solidusfläche monoton steigend ist. Somit<br />
kann das eutektische Verhalten des Systems weit oberhalb der Schmelztemperatur von<br />
Wismut T F Bi vernachlässigt werden und das ternäre <strong>Ph</strong>asendiagramm wie in Abb. 1.9 vereinfacht<br />
dargestellt werden.<br />
Für die Kristallisation von (Si,Ge) aus der Si-Ge-Bi-Lösung wird zuerst das reine Wismut<br />
in einem Graphittiegel auf 600 ◦ C erhitzt. Danach wird die heiße Bi-Schmelze über einen<br />
Siliziumvorrat gebracht, wo die Schmelze infolge der Diffusionsprozesse mit Si gesättigt<br />
wird. Die Si-Menge cSi wird durch die Sättigungstemperatur (600 ◦ C) (siehe Abb. 1.9)
Eigenschaften und Herstellung niederdimensionaler Halbleiterstrukturen 19<br />
Abbildung 1.7: <strong>Ph</strong>asendiagramm für<br />
das Wachstum im thermodynamischen<br />
Gleichgewicht von Si1−xGex aus einer<br />
(Si,Ge)-Schmelze. Die Liquidus- und<br />
die Soliduslinie begrenzen das Zwei-<br />
<strong>Ph</strong>asengebiet (α + L), in denen die feste<br />
(α) und die flüssige <strong>Ph</strong>ase (L) koexistieren.<br />
Die Konzentrationen von Si<br />
und Ge bei unterschiedlichen Temperaturen<br />
sind durch die Schnittpunkte der<br />
Isothermen mit der Liquiduslinie für<br />
die flüssige <strong>Ph</strong>ase und mit der Soliduslinie<br />
in der festen <strong>Ph</strong>ase gegeben.<br />
Abbildung 1.8: Eutektisches Schmelzdiagramm<br />
der binären Systeme HL-Bi (HL =<br />
Si, Ge). Im Bereich HL + L unterhalb der<br />
Liquiduslinie wird bei einer Temperaturabnahme<br />
bis Teu nur reines Si bzw. Ge abgeschieden.<br />
Bei einer Erniedrigung der Temperatur<br />
von T F Bi auf Teu für eine sehr geringe<br />
HL-Konzentration (c < ceu) kristallisiert<br />
nur Wismut aus. Unterhalb der eutektischen<br />
Temperatur liegen Wismut und das Halbleitermaterial<br />
als feste <strong>Ph</strong>asen nebeneinander<br />
vor.<br />
vorgegeben. Anschließend wird der Si-Bi-Lösung eine definierte Menge Germanium zugeführt,<br />
dessen Einwaage weit unterhalb der Sättigungsgrenze liegt. Um eine gleichmäßige<br />
Verteilung der Elemente in der Lösung zu erhalten, wird das Si-Ge-Bi-Gemisch mehrere<br />
Stunden bei einer Temperatur von ca. 930 ◦ C homogenisiert.<br />
Da die Konzentration cSi in der Lösung vorgegeben ist, bestimmt der Germaniumgehalt<br />
cGe die Lage der Schnittebene durch das von Liquidus- und Solidusfläche begrenzte<br />
Gebiet (siehe Abb. 1.9). Die Schnittfläche durch den Liquidus-Solidus-Körper sieht dem<br />
Si-Ge-<strong>Ph</strong>asendiagramm sehr ähnlich. Beide Diagramme unterscheiden sich nur durch die<br />
Löslichkeitstemperatur für reines Si bzw. reines Ge und durch den vom Ge-Anteil abhängigen<br />
Anstieg der Kurven. Daher kann das neu gewonnene <strong>Ph</strong>asendiagramm (Si-Ge in<br />
(Bi)) wie das <strong>Ph</strong>asendiagramm der Si-Ge-Schmelze interpretiert werden.
20<br />
Abbildung 1.9: Vereinfachte schematische<br />
Darstellung des ternären <strong>Ph</strong>asendiagramms<br />
für das LPE-Wachstum von (Si,Ge) aus<br />
einer Si-Ge-Bi-Lösung. Die gewählten Anfangskonzentrationen<br />
von Ge und Si geben<br />
die Schnittebene durch den dreidimensionalen<br />
Liquidus-Solidus-Körper vor. Die<br />
Schnittfläche verläuft durch die Löslichkeitspunkte<br />
von Si und Ge in Bi.<br />
Nach der Homogenisierung wird die heiße Lösung über ein auf die gleiche Temperatur wie<br />
die Lösung hochgeheiztes Si-Substrat geschoben und über einen längeren Zeitraum um<br />
nur einige Kelvin abgekühlt. Während der Temperaturerniedrigung scheidet sich (Si,Ge)<br />
auf dem Substrat ab. Anschließend wird die Lösung weggeschoben und das Substrat bis<br />
auf Raumtemperatur abgekühlt.<br />
1.4.3 Kinetische Effekte<br />
Bei der theoretischen Erklärung zur Inselbildung anhand der Energieminimierung des<br />
Systems im Abschnitt 1.3 wurden kinetische Effekte vernachlässigt. Daher ist diese Betrachtung<br />
unvollständig, denn während des Abscheidens der Epitaxieschicht treten unterschiedliche<br />
Prozesse mit unterschiedlichen Aktivierungsenergien auf. Unter anderem muss<br />
die Keimbildung, die Bindung der Atome an der Substratoberfläche, der Materialtransport<br />
an der Oberfläche und auch die Desorption der Atome von der Substratoberfläche<br />
mit berücksichtigt werden. Die Häufigkeit dieser Prozesse ist mit der Temperatur und der<br />
Verteilung der Atome im Reaktionsgebiet gekoppelt. Bei allen Prozessen spielen lokale<br />
Verspannungen ebenso eine entscheidende Rolle.
Kapitel 2<br />
Lineare Elastizitätstheorie<br />
In diesem Kapitel wird das bei elastischen Verformungen von kubischen<br />
anisotropen Kristallen auftretende Verschiebungsfeld u (r) hergeleitet und<br />
diskutiert. Im Speziellen wird auf die tetragonale Verzerrung von kubischen<br />
Einheitszellen eingegangen, welche beim pseudomorph verspannten<br />
Schichtwachstum auftritt.<br />
Betrachtet man einen Kristall atomistisch, so werden die Festkörperteilchen bei der Einwirkung<br />
von äußeren Kräften aus ihren mittleren Gleichgewichtslagen um den Vektor u<br />
verschoben. Bei kleinen Verschiebungen behält jedes Atom seinen atomaren Nachbarn.<br />
Wirkt dagegen eine sehr große äußere Kraft auf den Festkörper, so gehen die ursprünglichen<br />
Nachbar-Nachbar-Beziehungen verloren. Dabei wird ein Teil der Atome aus ihren<br />
Potentialtälern über ein höher liegendes Potentialniveau in das nächstliegende Minimum<br />
verschoben. In diesem Fall liegt eine plastische Verformung vor.<br />
Im Folgendem werden die Kristalle als elastisches Kontinuum behandelt. Dabei wird die<br />
Anisotropie der Festkörper durch die Betrachtung der Verzerrungen und Spannungen als<br />
richtungsabhängige Größen berücksichtigt. Zur quantitativen Behandlung dieser mechanischen<br />
Eigenschaften wird die Tensorrechnung als mathematisches Hilfsmittel herangezogen.<br />
2.1 Verschiebungen<br />
Allgemein setzt sich eine Verschiebung in einem deformierten Volumenelement aus einem<br />
Translations-, einem Rotations- und einem Dehnungsanteil in allen drei Raumrichtungen<br />
zusammen.<br />
21
22<br />
Abbildung 2.1: Zur Definition der Verschiebung<br />
[Wei79]<br />
Um eine Beziehung zwischen dem Verschiebungsfeld<br />
u und dem Elastizitätstensor ɛ zu erhalten,<br />
wird die Verschiebung zweier in einem als klein<br />
definierten Volumenelement befindlichen Punkten<br />
P0 und P1 betrachtet ([Wei79]). Vor der Verschiebung<br />
liegt P0 im Ursprung des Koordinatensystems<br />
{0, 0, 0} und der Punkt P1 am Ort<br />
{x, y, z}. Durch die Deformation des Volumens<br />
erfahren die Punkte eine Verschiebung aus ihren<br />
anfänglichen Positionen zu P ′ 0 = {ux0, uy0, uz0}<br />
und P ′ 1 = {x + ux, y + uy, z + uz} (siehe Abb.<br />
2.1). Die Lage zwischen den zwei relativ zueinander<br />
verschoben Punkten erhält man aus der<br />
Taylorreihen-Entwicklung der Verschiebung, wobei die Reihe aufgrund des als klein vorausgesetzten<br />
Volumens nach den linearen Gliedern abgebrochen wird.<br />
ux = ux0 + ∂ux<br />
∂x<br />
uy = uy0 + ∂uy<br />
∂x<br />
uz = uz0 + ∂uz<br />
∂x<br />
x + ∂ux<br />
∂y<br />
x + ∂uy<br />
∂y<br />
x + ∂uz<br />
∂y<br />
∂ux<br />
y + z + · · · ,<br />
∂z<br />
∂uy<br />
y + z + · · · , (2.1)<br />
∂z<br />
∂uz<br />
y + z + · · ·<br />
∂z<br />
Durch Zerlegung der gemischten Taylorkoeffizienten in einen symmetrischen und einen<br />
antisymmetrischen Anteil (exemplarisch für den Fall ∂ux<br />
∂y ):<br />
∂ux<br />
∂y<br />
<br />
1 ∂ux ∂uy<br />
= − +<br />
2 ∂y ∂x<br />
1<br />
2<br />
∂ux<br />
∂y<br />
gelingt die Umformung der Glgen. 2.1 in die folgende Form:<br />
ux = ux0<br />
.+ 0 + 1<br />
uy = uy0.+<br />
1<br />
2<br />
2<br />
<br />
∂uy<br />
∂x<br />
uz = uz0.+<br />
1<br />
∂uz<br />
2 ∂x<br />
s = sT<br />
.<br />
∂ux<br />
∂y<br />
− ∂ux<br />
∂y<br />
− ∂ux<br />
∂z<br />
<br />
y + 1<br />
<br />
∂ux<br />
2 ∂z<br />
∂uy<br />
− ∂x<br />
<br />
x + 0 + 1<br />
x + 1<br />
2<br />
. + sR (r)<br />
2<br />
∂uz<br />
∂y<br />
∂uy<br />
∂z<br />
− ∂uy<br />
∂z<br />
− ∂uz<br />
∂x<br />
− ∂uz<br />
∂y<br />
<br />
∂uy<br />
+<br />
∂x<br />
<br />
z .+ ∂ux<br />
<br />
1 ∂ux<br />
x +<br />
<br />
z.+ 1<br />
2<br />
<br />
y + 0 .+ 1<br />
2<br />
.<br />
∂x<br />
∂uy<br />
∂x<br />
∂uz<br />
∂x<br />
2<br />
∂y<br />
+ ∂ux<br />
∂y<br />
+ ∂ux<br />
∂z<br />
<br />
∂uy<br />
+ ∂x y + 1<br />
<br />
∂ux<br />
2 ∂z<br />
<br />
x + ∂uy<br />
x + 1<br />
2<br />
∂y<br />
∂uz<br />
∂y<br />
y + 1<br />
2<br />
∂uy<br />
+ ∂uy<br />
∂z<br />
∂z<br />
<br />
∂uz<br />
+ ∂x z<br />
+ ∂uz<br />
∂y<br />
(2.2)<br />
<br />
z<br />
<br />
y + ∂uz<br />
∂z z<br />
. + u (r) (2.3)<br />
Die Glg. 2.3 verdeutlich noch einmal die anfangs erwähnte Unterteilung einer Verschiebung<br />
in drei vektorielle Anteile. Sie zeigt, dass die Gesamtbewegung s die Summe eines reinen<br />
Translationsanteil sT = {ux0, uy0, uz0}, eines Anteils sR (r), welcher eine infinitesimale<br />
Rotation beschreibt, und eine Verschiebung u (r) ist. Da für die vorliegende Arbeit nur<br />
der Verschiebungsanteil von Bedeutung ist, bezieht sich die anschließende Diskussion nur
Lineare Elastizitätstheorie 23<br />
noch auf u (r), sT und sR (r) werden nicht betrachtet.<br />
Durch die Darstellung der Verschiebung u (r) in Tensorform:<br />
⎛<br />
⎜<br />
u (r)= ⎜<br />
⎝<br />
<br />
1 ∂uy<br />
2 ∂x<br />
<br />
1 ∂uz<br />
2 ∂x<br />
∂ux<br />
∂x<br />
+ ∂ux<br />
∂y<br />
+ ∂ux<br />
∂z<br />
<br />
<br />
<br />
1 ∂ux<br />
2 ∂y<br />
<br />
1 ∂uz<br />
2 ∂y<br />
<br />
∂uy 1 + ∂x 2<br />
∂uy<br />
∂y<br />
+ ∂uy<br />
∂z<br />
<br />
<br />
∂ux<br />
∂z <br />
1 ∂uy<br />
2 ∂z<br />
∂uz<br />
∂z<br />
+ ∂uz<br />
∂x<br />
+ ∂uz<br />
∂y<br />
⎞<br />
⎛ ⎞ ⎛<br />
⎟<br />
x<br />
⎟ ⎝y⎠=<br />
⎝<br />
⎠<br />
z<br />
ɛxx ɛxy ɛxz<br />
ɛyx ɛyy ɛyz<br />
ɛzx ɛzy ɛzz<br />
⎞<br />
⎠ r (2.4)<br />
wird der Zusammenhang zwischen den experimentell zugänglichen Verschiebungskomponenten<br />
(ux (r) , uy (r) , uz (r)) und den Komponenten des Verzerrungstensors ɛlm ersichtlich.<br />
Allgemein gilt: Die Komponenten des Verzerrungstensors ɛlm, auch Deformationstensor<br />
genannt, sind nach Glg. 2.5 durch die partiellen Ableitungen des Verschiebungsvektors<br />
u (r) definiert, wobei die Glieder höherer Ordnung vernachlässigt werden (siehe Glg. 2.1).<br />
ɛlm = 1<br />
<br />
∂ul<br />
+<br />
2 ∂xm<br />
∂um<br />
<br />
∂xl<br />
l, m = {x, y, z} = {1, 2, 3} (2.5)<br />
Durch die Beziehung 2.4 wird jedem Punkt in einem deformierten Volumen eine ortsabhängige<br />
Verschiebung u (r) zugeordnet. Die gesamte Menge aller Verschiebungsvektoren<br />
bildet ein räumliches Vektorfeld.<br />
2.2 Hooke’sches Gesetz<br />
Bei hinreichend kleinen Deformationen eines Mediums besteht eine direkte Proportionalität<br />
zwischen den Komponenten des Spannungstensors σik und denen des Verzerrungstensors<br />
ɛlm. Dieser lineare Zusammenhang wird durch die folgende Tensorgleichung vierter<br />
Stufe beschrieben (Hooke’sches Gesetz).<br />
σik = ciklmɛlm i, k, l, m = {x, y, z} = {1, 2, 3} (2.6)<br />
σik ist die k-te Komponente der Kraft pro Flächeneinheit, welche auf die zur i-ten Richtung<br />
senkrecht stehende Ebene wirkt. Die Elemente der Hauptdiagonalen σii geben die Zugoder<br />
Druckverformung an und die restlichen Nebendiagonalelemente (σij mit i = j) stehen<br />
für Scherungsanteile.<br />
σik und ɛlm sind 9-komponentige Tensoren, somit besteht der so genannte Elastizitätstensor<br />
ciklm aus 3 4 = 81 Elementen. Aufgrund von Symmetrieeigenschaften des Verzerrungsund<br />
Spannungstensor reduziert sich die anfängliche Zahl der unabhängigen Elastizitätskoeffizienten<br />
von 81 auf 36. Da der Elastizitätstensor ein symmetrischer Tensor ist (cijkl =<br />
cjikl = cijlk = cjilk und cijkl = cklij), reduziert sich die maximale Anzahl um weitere 15<br />
Elemente. Die Zahl der unabhängigen Koeffizienten des Tensors beträgt daraufhin nur<br />
noch 21. Unter Verwendung der Voigt’schen Notation lässt sich die Gleichung 2.6 in eine<br />
einfacher zu handhabende Form überführen. Dabei stehen die unabhängigen Koeffizienten
24<br />
des Elastizitätstensors ciklm in einer 6 × 6 Matrix. Die Verzerrung und die Verspannung<br />
werden als 6-komponentige Vektoren dargestellt.<br />
⎛ ⎞<br />
⎛ ⎞<br />
⎛<br />
⎝<br />
ɛxx ɛxy ɛxz<br />
ɛyx ɛyy ɛyz<br />
ɛzx ɛzy ɛzz<br />
⎞ ⎜<br />
⎠ −→ ⎜<br />
⎝<br />
ɛxx<br />
ɛyy<br />
ɛzz<br />
ɛyz<br />
ɛxz<br />
ɛxy<br />
⎟<br />
⎠<br />
,<br />
⎛<br />
⎝<br />
σxx σxy σxz<br />
σyx σyy σyz<br />
σzx σzy σzz<br />
⎞ ⎜<br />
⎠ −→ ⎜<br />
⎝<br />
σxx<br />
σyy<br />
σzz<br />
σyz<br />
σxz<br />
σxy<br />
⎟<br />
⎠<br />
(2.7)<br />
Bei einem kubischen Kristallsystem reduziert sich die Anzahl der Matrixelemente von<br />
ciklm auf nur noch drei Unabhängige (cxxxx = cyyyy = czzzz, cxxyy = cyyzz = czzxx und<br />
cxyxy = cyzyz = czxzx), die nach dem Indizierungsschema (Glg. 2.8) von Voigt auch mit<br />
c11, c12 und c44 bezeichnet werden.<br />
ij = m und kl = n (2.8)<br />
Mit: m = i (= j) = 1, 2, 3 wenn: i = j<br />
m = 9 − (i + j) = 4, 5, 6 wenn: i = j<br />
n = k (= l) = 1, 2, 3 wenn: k = l<br />
n = 9 − (k + l) = 4, 5, 6 wenn: k = l<br />
Diese Notation erlaubt es das Hooke’sche Gesetz (Glg. 2.6) als Matrixgleichung zu schreiben.<br />
Das zulösende Gleichungssystem sieht dann wie folgt aus:<br />
⎛ ⎞ ⎛<br />
⎞ ⎛ ⎞<br />
⎜<br />
⎝<br />
σxx<br />
σyy<br />
σzz<br />
σyz<br />
σxz<br />
σxy<br />
⎟ ⎜<br />
⎟ ⎜<br />
⎟ ⎜<br />
⎟ = ⎜<br />
⎟ ⎜<br />
⎠ ⎝<br />
c11 c12 c12<br />
c12 c11 c12 0<br />
c12 c12 c11<br />
c44<br />
0 c44<br />
c44<br />
⎟ ⎜<br />
⎟ ⎜<br />
⎟ ⎜<br />
⎟ ⎜<br />
⎟ ⎜<br />
⎟ ⎜<br />
⎠ ⎝<br />
ɛxx<br />
ɛyy<br />
ɛzz<br />
ɛyz<br />
ɛxz<br />
ɛxy<br />
⎟<br />
⎠<br />
(2.9)<br />
Den elastischen Verzerrungen innerhalb eines Kristalls entspricht die Energiedichte ρaniso.<br />
Sie ist nach der Glg. 2.10 eine quadratische Funktion der Verzerrung.<br />
ρaniso = σikɛlm = 1<br />
2 ciklmɛikɛlm<br />
2.3 Tetragonale Verzerrung<br />
(2.10)<br />
Die Dehnung eines Körpers ist stets von einer Abnahme des Querschnitts begleitet. Die<br />
Maßänderung quer zur Belastungsrichtung wird als Querkontraktion bezeichnet. Diese<br />
bewirkt bei einem biaxialen Spannungszustand mit:<br />
σzz = 0 und σxy = σxz = σyz = 0 (2.11)
Lineare Elastizitätstheorie 25<br />
eine Kompression der Gittereinheitszelle in x - und in y-Richtung, d.h. eine tetragonale<br />
Verzerrung der Zelle in der zur Kraftrichtung senkrecht stehenden z-Richtung (siehe Abb.<br />
2.2).<br />
C.G. Van de Walle betrachtet in [Van86] das pseudomorphe Wachstum einer Schicht<br />
2 auf einer als Substrat fungierenden Schicht 1, dabei geht er auf die Änderungen der<br />
Gitterkonstanten in Abhängigkeit von den Schichtdicken h1 und h2 ein. Die Diskussion<br />
aus [Van86] soll hier nun kurz diskutiert werden. In den folgenden Beziehungen steht der<br />
Index 1 für die Größen der Schicht 1 bzw. 2 für die der Schicht 2. Weiterhin werden die in<br />
der Grenzfläche bzw. parallel zur ihr liegenden Größen mit dem Symbol gekennzeichnet.<br />
Die senkrecht zur Grenzfläche liegenden Größen werden mit ⊥ indiziert.<br />
a = a1G1h1 + a2G2h2<br />
G1h1 + G2h2<br />
ɛi = a<br />
ai<br />
ai⊥ = ai<br />
ɛi⊥ = ai⊥<br />
ai<br />
(2.12)<br />
− 1 (2.13)<br />
<br />
a<br />
1 − Di<br />
<br />
− 1<br />
(2.14)<br />
ai<br />
− 1 (2.15)<br />
ai sind die Gitterkonstanten der unverspannten Schichten, wobei der Index i das Schichtmaterial<br />
(1 oder 2) vorgibt. Gi ist der Schermodul.<br />
Gi = 2 c i 11 + 2c i <br />
12<br />
<br />
1 − Di<br />
<br />
(2.16)<br />
2<br />
Die Konstante D in Glg. 2.14 und Glg. 2.16 ist abhängig von den elastischen Konstanten<br />
c11, c12 und c44 der jeweiligen Materialien, sowie von der Orientierung der Grenzfläche.<br />
D 001 = 2 c12<br />
c11<br />
D 110 = c11 + 3c12 − 2c44<br />
c11 + c12 + 2c44<br />
D 111 = 2 c11 + 2c12 − 2c44<br />
c11 + 2c12 + 4c44<br />
(2.17)<br />
(2.18)<br />
(2.19)<br />
Anhand der Glgen. 2.12 bis 2.15 wird die Gitterkonstante einer Schicht durch die Gitterkonstante<br />
der jeweils anderen bestimmt. D.h. erfährt die eine Schicht aufgrund der<br />
Gitterfehlpassung (Glg. 2.13) in Wachstumsrichtung eine Vergrößerung von a⊥, so wird<br />
das Gitter der anderen Schicht in der gleichen Richtung gestaucht.<br />
Betrachtet man nun ein vereinfachtes Schichtsystem mit einem (001)-orientierten Substrat,<br />
dessen Schichtdicke h1 als unendlich angenommen werden soll, so erhält man die<br />
folgenden Konstanten:<br />
a = a1 , a1⊥ = a1 , a2⊥ = a2<br />
ɛ1 = ɛ1⊥ = 0 , ɛ2 = a1<br />
a2<br />
<br />
1 − 2 c12<br />
c11<br />
a1<br />
− 1 , ɛ2⊥ = −2 c12<br />
a2<br />
ɛ2<br />
c11<br />
<br />
− 1<br />
(2.20)<br />
(2.21)
26<br />
Abbildung 2.2: Biaxiale Verspannung beim epitaktischen Wachstum:<br />
a) die Gitter sind voneinander unabhängig und unverspannt<br />
b) beim epitaktischen Wachstum wird ein biaxialer Verspannungszustand mit σxx = σyy<br />
und σzz = 0 induziert, folglich relaxiert die Einheitszelle der aufwachsenden Schicht in<br />
Richtung der freien Oberfläche um den Wert uz. Die Zelle wird tetragonal verzerrt.<br />
wobei der Wert ɛ2 die Fehlpassung (Misfit) zwischen dem Substratmaterial 1 und dem<br />
aufwachsenden Material 2 bezeichnet. Im Weiteren wird dieser Misfit mit dem Buchstaben<br />
f bezeichnet.<br />
Durch die biaxial anliegenden Kräfte erfährt die Einheitszelle der aufwachsenden Schicht<br />
2 nicht nur eine tetragonale Verzerrung, sondern auch eine Volumenänderung ∆V2. Mit<br />
den Beziehungen aus (2.20) und (2.21) erhält man:<br />
∆V2<br />
V2<br />
= a2⊥ · a 2 2<br />
a 3 2<br />
= (ɛ2⊥ + 1) ɛ2 + 1 ɛ2 + 1 <br />
. (2.22)<br />
In der Tabelle 2.1 sind die elastischen Koeffizienten der in dieser Arbeit untersuchten<br />
Materialien aufgeführt. Zusätzlich kann man aus dieser Tabelle den Anisotropiefaktor A<br />
für die jeweiligen Materialien entnehmen. Der Faktor A ist bei kubischen Systemen durch<br />
A = 2c44<br />
c11 − c12<br />
(2.23)<br />
definiert [DeW59]. Ist A = 1 so liegt ein isotropes Material vor. Im Fall einer schwachen<br />
Anisotropie A ≈ 1 der Elastizitätseigenschaften kann die Zahl der elastischen Konstanten<br />
auf nur zwei unabhängige Materialparameter ν und E reduziert werden. Angenommen
Lineare Elastizitätstheorie 27<br />
a c11 c12 c44 D 001 G 001 A Ref.<br />
GaAs 5,653 1,223 0,571 0,600 0,934 2,522 1,840 [Gar62]<br />
GaSb 6,096 0,908 0,413 0,445 0,910 1,891 1,798 [Boy75]<br />
InAs 6,058 0,833 0,453 0,396 1,088 1,587 2,084 [Ger63]<br />
Si 5,431 1,675 0,650 0,801 0,776 3,641 1,563 [McS53]<br />
Ge 5,658 1,315 0,494 0,684 0,751 2,876 1,666 [McS53]<br />
Tabelle 2.1: Materialparameter der in dieser Arbeit benutzten Halbleiter. Die Werte der<br />
Gitterkonstanten a (in ˚A) und der Elastizitätskonstanten c11, c12 und c44 (in 10 12 dyncm −2 )<br />
gelten bei Raumtemperatur.<br />
wird hierbei eine Proportionalität zwischen der bereits erwähnten Querkontraktion und<br />
der Dehnung eines Materials. Der Proportionalitätsfaktor ist die Poisson-Zahl ν.<br />
ν =<br />
c12<br />
c11 + c12<br />
(2.24)<br />
Unter Verwendung von ν und dem Elastizitätsmodul E gelingt eine vollständige Beschreibung<br />
des Schubmoduls G und des Kompressionsmodulus K eines isotropen Mediums.<br />
Bei einem stark von Eins abweichenden Anisotropiefaktor darf diese Vereinfachung nicht<br />
mehr vorgenommen werden. Ist A > 1, ist das Material in den 〈111〉-Richtungen am steifsten<br />
und der Spannungsabbau erfolgt hauptsächlich durch die Verzerrung in den 〈100〉und<br />
den 〈110〉-Richtungen. Bei A < 1 ist das Medium entlang der 〈100〉-Richtungen am<br />
steifsten.
Kapitel 3<br />
Transmissionselektronenmikroskopie<br />
(TEM)<br />
In diesem Kapitel werden die experimentellen Untersuchungsmethoden<br />
erläutert. Begonnen wird mit einem Abschnitt über die Transmissionselektronenmikroskopie.<br />
Dabei wird auch auf die kinematische und die dynamische<br />
Elektronenbeugung eingegangen. Der hier gegebene Einblick in<br />
diese Theorien dient als Grundlage für die im Ergebnisteil dieser Arbeit<br />
verwendeten Interpretationen von TEM-Abbildungen und benutzten<br />
Simulationsprogramme.<br />
Eine der aussagekräftigsten Methoden bei der Untersuchung von Materialsystemen und<br />
Nanostrukturen ist die Transmissionselektronenmikroskopie (TEM). Sie bietet die Möglichkeit<br />
der direkten Abbildung von Struktur und Morphologie des Festkörpers bis hin zum<br />
atomaren Niveau. Die Informationen über die Objektstruktur kann dabei einerseits aus<br />
der elektronenmikroskopischen Abbildung bzw. aus dem Beugungsbild gewonnen werden.<br />
Durch die Kombination von abbildenden und analytischen Verfahren ist die Möglichkeit<br />
der quantitativen chemischen Analyse des Festkörpers mit einer hohen Ortsauflösung gegeben.<br />
Bei der analytischen Elektronenmikroskopie wird die Information über das Objekt<br />
entweder durch die Analyse der durch den Primärelektronenstrahl in der Probe angeregten<br />
charakteristischen Röntgenstrahlung gewonnen oder andererseits durch die spektroskopische<br />
Messung des Energieverlustes der transmittierten Elektronen.<br />
Für die Bildentstehung im Elektronenmikroskop sind neben den Wechselwirkungsmechanismen<br />
des Elektronenstrahls mit der zu untersuchenden Probe auch die Wirksamkeit<br />
des elektronenmikroskopischen Abbildungssystems wesentlich. Letzteres besteht aus einem<br />
elektromagnetischen Linsensystem, deren Komponenten Spulen sind, die vom elektrischen<br />
Strom durchflossen werden und somit ein Magnetfeld erzeugen. Durch Variation<br />
des Spulenstroms wird die Stärke des Magnetfeldes und somit die Brennweite der Linse<br />
geändert. Die wichtigste Komponente des Linsensystems ist die Objektivlinse. Durch sie<br />
werden die abgebeugten Strahlen, die die Probe unter gleichem Austrittswinkel verlassen<br />
haben, in der hinteren Brennebene zu einem Beugungsbild vereinigt. Hinter der Objektiv-<br />
29
30<br />
brennebene befindet sich die Gaußsche Bildebene in der das erste Zwischenbild der Probe<br />
entsteht (siehe Abb. 3.1). Das Zwischenbild wird durch die restlichen Komponenten des<br />
Linsensystems vergrößert und auf ein Beobachtungsmedium projiziert.<br />
Bei der Bildgebung dürfen die Linsenfehler des Abbildungssystems nicht vernachlässigt<br />
werden. Einige dieser Abbildungsfehler lassen sich minimieren bzw. fast vollständig beseitigen.<br />
So z.B. kann der Astigmatismus - ein Fehler in der Linsensymmetrie, welcher<br />
zu einer unterschiedlichen Ablenkung des Elektronenstrahls in x,y-Richtung führt - durch<br />
zusätzliche Ablenkspulen korrigiert werden. Ein weiterer Fehler ist die chromatischen Aberration<br />
Cc (Farbfehler). Dieser hat seine Ursache in der Energiebreite ∆E der in der<br />
Elektronenquelle emittierten Elektronen. Der Farbfehler kann durch eine Feldemissionskathode<br />
und durch einen Monochromator verkleinert werden. Weiterhin ist der Öffnungsfehler<br />
Cs (sphärische Aberration), bedingt durch die Vereinigung von nicht-paraxialen<br />
Strahlen vor der eigentlichen Brennebene, nicht zu vernachlässigen. Auch dieser Fehler<br />
kann durch einen Cs-Korrektor, welcher die Strahlen auf der optische Achse wieder in<br />
einem Punkt vereint, vollständig korrigiert werden.<br />
Eine direkte Interpretation von hochaufgelösten TEM-Abbildungen ist nicht immer ohne<br />
weiteres möglich, da zwischen Objekt- und Bildpunkt kein einfacher Zusammenhang<br />
besteht. So dürfen die Elektronen beim Durchgang durch das Präparat nicht wie ein<br />
klassisches Teilchen behandelt werden, sondern sie erfordern eine quantenmechanische<br />
Betrachtung der Elektronen im Wellenbild. Somit wird deutlich, dass es sich bei einer<br />
TEM-Abbildung um ein Interferenzbild der Austrittswellen an der Präparatunterseite<br />
und nicht um eine einfache Projektion der Objektstruktur handelt. Der Beugungsvorgang<br />
wird mathematisch durch eine komplexwertige Wellenfunktion Ψ beschrieben. Die Bildintensität<br />
ist das Betragsquadrat |Ψ| 2 der Wellenfunktion, deren <strong>Ph</strong>ase bei der Abbildung<br />
des dreidimensionalen Objektvolumens zu einem zweidimensionalen Bild verloren geht.<br />
3.1 Abbildungsprozess, Linsenfehler und Bildkontrast<br />
Die erste abbildende Linse ist die Objektivlinse in einem Transmissionselektronenmikroskop,<br />
sie ist somit die wichtigste. Alle Fehler der Objektivlinse werden durch die im<br />
Strahlengang nachfolgenden Linsen verstärkt. Somit ist es wichtig, diese Fehler und ihre<br />
Wirkung auf den Bildkontrast gesondert zu diskutieren.<br />
Abbildungsprozess<br />
Um die Auswirkung der Abbildungsfehler besser zu erkennen, soll erst einmal der Abbildungsprozess<br />
selbst erklärt werden. Zur Veranschaulichung des Abbildungsvorgangs<br />
dient die Abb. 3.1.<br />
Aus der einfallenden Elektronenwelle Ψ0 (x) wird mittels Fourier-Transformation die Wellenfunktion<br />
Ψd (u) mit u als Raumfrequenz in der Objektivbrennebene berechnet.<br />
<br />
Ψd (u) = Ψ0 (x) exp {2πiux} dx = F [Ψ0 (x)] (3.1)
Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) 31<br />
Abbildung 3.1: Veranschaulichung des elektronenoptischen Abbildungsprozesses an der Objektivlinse<br />
[Bet82].<br />
Durch die Multiplikation von Ψd (u) mit der Aperturblende A (u) und mit der Kontrastübertragungsfunktion<br />
K (u), die die Einflüsse der Abbildungsfehler der Objektivlinse<br />
(<strong>Ph</strong>asenverschiebung durch die sphärische Aberration Cs und die Wirkung der chromatischen<br />
Abberation Cc) enthält, wird der reale Abbildungsprozess beschrieben.<br />
mit :<br />
Ψ d ′ (u) = Ψd (u) · A (u) · K (u) (3.2)<br />
<br />
1 : innerhalb der Blendenöffnung<br />
A (u) =<br />
0 : sonst<br />
(3.3)<br />
und K (u) = exp {−iχ (u, ∆f, Cs)} D (u) C∆ (u) (3.4)<br />
Auf die Kontrastübertragungsfunktion K (u) wird im nächsten Unterkapitel im Zusammenhang<br />
mit den Abbildungsfehlern und der nicht zu vernachlässigenden Defokusabhängigkeit<br />
näher eingegangen. Die inverse Fourier-Transformation von Ψ d ′ (u) liefert die Wellenfunktion<br />
Ψi (x) in der Bildebene (M ist der Abbildungsmaßstab der Objektivlinse).<br />
Abbildungsfehler<br />
<br />
Ψi (x) =<br />
<br />
Ψ ′<br />
d (u) exp − 2πiux<br />
<br />
du = F<br />
M<br />
−1 [Ψ ′<br />
d (u)] (3.5)<br />
Elektronen, die das Objekt unter sehr kleinem Winkel zur optischen Achse verlassen,<br />
genügen der paraxialen Näherung. Solche Elektronen schneiden die optische Achse hinter<br />
der Linse in einem Punkt und definieren somit die Gauß’sche Bildebene. Die Elektronen,<br />
welche unter einem Winkel θ starten und die paraxiale Näherung somit nicht erfüllen,<br />
werden so stark von der Linse gebrochen, dass ihre Bahn die optische Achse näher an<br />
der Linse schneidet als im paraxialen Fall. Je größer der Startwinkel θ, desto näher liegt
32<br />
der Schnittpunkt mit der optischen Achse an der Linse. Die Bewegungsbahn der nichtparaxialen<br />
Elektronen passiert die Gauß’sche Bildebene mit einer lateralen Abweichung<br />
∆ρ. Wenn das Objekt im Fokus liegt, so besteht zwischen der Größe des Fehlerscheibchens<br />
∆ρ und dem Öffnungswinkel θ in erster Näherung folgender Zusammenhang.<br />
∆ρ<br />
M<br />
= Csθ 3<br />
(3.6)<br />
Falls das Objekt defokussiert ist, d.h. um die Strecke ∆f zur Linse verrückt ist, so muss<br />
die Glg. 3.6 um einen linearen Term erweitert werden [Sch49].<br />
∆ρ<br />
M<br />
= −∆fθ + Csθ 3<br />
(3.7)<br />
Cs ist der Öffnungsfehler (sphärische Aberration) der niedrigsten Ordnung und M ist der<br />
Vergrößerungsfaktor der Linse.<br />
Die Lage der Gauß’schen Bildebene ist ebenso abhängig von der Energie der Elektronen.<br />
Bei einer Abweichung ∆E der Elektronen von der Sollenergie E0 tritt eine zusätzliche<br />
energieabhängige Defokussierung des Objekts<br />
auf. Cc ist die chromatische Aberration.<br />
Bildkontrast<br />
∆E<br />
∆f∆E = Cc<br />
E0<br />
(3.8)<br />
Der Öffnungsfehler Cs und die Defokussierung ∆f bewirken eine zusätzliche <strong>Ph</strong>asenverschiebung<br />
χ (u, ∆f, Cs) der Elektronenwelle in der Beugungsebene der Objektivlinse. Diese<br />
wird durch Multiplikation der Funktion Ψd (u) mit der schon erwähnte Kontrastübertragungsfunktion<br />
K (u) (siehe Glg. 3.4) berücksichtigt. K (u) lautet mit der Beschränkung<br />
auf den niedrigsten Öffnungsfehler Cs:<br />
K (u) = exp {−iχ} D (u) C∆ (u)<br />
<br />
CT F (u)<br />
mit χ = 2π<br />
mit D (u) . . . Einfluss der Strahlkonvergenz<br />
und C∆ (u) . . . Einfluss der chromatischen Aberration<br />
<br />
1<br />
4 Csλ 3 u 4 − 1<br />
2 ∆fλu2<br />
<br />
(3.9)<br />
Bei der genauen Betrachtung des Arguments der kohärenten Übertragungsfunktion CT F (u)<br />
( ” coherent transfer function“) wird deutlich, dass der Linsenfehler Cs und ein gewisser<br />
Defokus notwendig sind, um einen Bildkontrast beobachten zu können. Die Abb. 3.2 zeigt<br />
exemplarisch den Verlauf der Funktion CT F (u) bei unterschiedlichen Defokussierungen<br />
für das TEM <strong>Ph</strong>ilips CM 200 FEG. Gut zu erkennen ist die immer rascher werdende<br />
Oszillation des Realteils als auch des Imaginärteils jenseits der ersten Nullstelle, so dass
Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) 33<br />
Abbildung 3.2: Real- und Imaginärteil von CT F (u) bei unterschiedlicher Defokussierung<br />
für das TEM <strong>Ph</strong>ilips CM 200 FEG (E0 = 200 keV → λ = 2, 51·10 −12 m, Cs = 1, 23 mm,<br />
∆f = 0 . . . 100 nm). Bei ∆fs = 64 nm liegt der Scherzer-Fokus mit u S max = 4, 06 nm.<br />
die Objekte abwechselnd mit positiven und negativen Kontrast übertragen werden. Diese<br />
Artefakte im Bild vermeidet man durch die richtige Wahl des Defokus ∆f, bei dem zum<br />
einen die erste Nullstelle von Im [CT F (u)] = −sinχ (u) bei möglichst höher Raumfrequenz<br />
umax liegt und zum anderen, dass zwischen 0 und umax befindliche Frequenzband<br />
mit hohem Kontrast übertragen wird. Bei kleinen Raumfrequenzen dominiert der Realteil<br />
der Kontrastübertragungsfunktion und führt zum so genannten Amplitudenkontrast. Dies<br />
trifft für große Objekte zu. Bei höheren Raumfrequenzen, also bei atomarer Auflösung ist<br />
aufgrund des Verlaufs von −sinχ (u) der <strong>Ph</strong>asenkontrast dominant. Die höchste Punkt-<br />
auflösung wird erreicht, wenn der Defokuswert gleich dem Scherzer-Fokus<br />
∆fs =<br />
4<br />
3 λCs<br />
(3.10)<br />
ist. Der Schnitt von −sinχ (u) mit der Absizzenachse liegt dann bei der Raumfrequenz
34<br />
u S max, die der Auflösungsgrenze von<br />
dmax = 1<br />
u S max<br />
≈ 0, 64 · 4 λ 3 Cs<br />
(3.11)<br />
entspricht. Die Aperturblende der Objektivlinse sollte so gewählt werden, dass nur Raumfrequenzen<br />
bzw. Beugungsreflexe bis umax zur Abbildung beitragen. Ein weiterer begrenzender<br />
Parameter für die Punktauflösung ist die Probendicke. Nach Cowley [Cow75] kann<br />
ein Abstand von ∆r nur bis zu einer Dicke von<br />
tmax = (∆r)2<br />
2λ<br />
(3.12)<br />
aufgelöst werden.<br />
Es können auch kleinere Netzebenenabstände dhkl aufgelöst werden, wenn der Defokuswert<br />
so gewählt wird, dass eine maximale Kontrastübertragung bei der Raumfrequenz<br />
uhkl der entsprechenden Netzebenen hkl vorliegt (hkl sind die Miller’schen Indizes (siehe<br />
Abschnitt 3.2)). Dies ist der Fall, wenn der Imaginärteil von K (u) bei uhkl ein Maximum<br />
besitzt. Somit können Netzebenenabbildungen von weniger als 0,2 nm realisiert werden.<br />
Voraussetzung hierfür ist nur eine geringe Dämpfung der Funktion CT F (u) im Bereich<br />
von hohen Raumfrequenzen. Diese störende Dämpfung hat ihre Ursache in den gegebenen<br />
Instabilitäten von Beschleunigungsspannung ∆E0<br />
∆I<br />
und Linsenströmen . Weiterhin darf<br />
E0 I<br />
der Einfluss der Strahlkonvergenz D (u) nicht vernachlässigt werden, da ein unter kleinem<br />
Konvergenzwinkel θc einfallender Elektronenstrahl zu einer lateralen partiellen Kohärenz<br />
führt. Der Einfluss der chromatischen Abberation Cc ergibt sich nach [Ros96] zu<br />
Cc (u) =<br />
<br />
exp − 1<br />
2 π2∆ 2 λ 2 u 4<br />
mit ∆ =<br />
<br />
<br />
∆E0 2 2 ∆I<br />
Cc<br />
+<br />
I<br />
und nach [Fej73] und [Fra73] wird die Strahlkonvergenz wie folgt berücksichtigt<br />
D (u) =<br />
<br />
exp −π 2 θ2 c<br />
λ2ln (2) q<br />
<br />
mit q = Csλ 3 u 3 + ∆fλu 2 + π 2 ∆ 4 λ 4 u 6 − i2π 4 ∆ 2 λ 3 u 3 <br />
E0<br />
.<br />
(3.13)<br />
(3.14)<br />
Die Auswirkungen der einzelnen Parameter auf die Dämpfung der Amplitude und somit<br />
auf die Einhüllende der Kontrastübertragungsfunktion wird im Anhang A für die in dieser<br />
Arbeit verwendeten Transmissionselektronenmikroskope gezeigt. Dabei wird deutlich,<br />
dass die Strahlkonvergenz θc den größten Anteil an der Dämpfung einnimmt.
Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) 35<br />
3.2 Elektronenbeugung am idealen Kristall<br />
Für die Berechnung der Lage der Beugungsreflexe und der Intensitäten genügt in erster<br />
Näherung die so genannte kinematische Theorie. Sie berücksichtigt keine Mehrfachstreuung,<br />
keine Brechung, keine Wechselwirkung zwischen den Strahlen und geht davon aus,<br />
dass jeder Streuer im Kristall mit der gleichen Primärintensität getroffen wird. Diese vereinfachten<br />
Annahmen treffen im Fall der Elektronenbeugung im Allgemeinen nicht zu. Für<br />
die Berechnung der Streuintensitäten der einzelnen Reflexe ist die dynamische Theorie erforderlich,<br />
bei der Mehrfachstreuung und die Wechselwirkung der Strahlen untereinander<br />
berücksichtigt werden.<br />
3.2.1 Kinematische Beugungstheorie<br />
Die Grundgesetze der geometrischen Theorie (Bragg-Glg. und Laue-Glg. (siehe Anhang D))<br />
geben nur Auskunft über die Lage der Reflexe, lassen jedoch keine Aussage über die Intensitäten<br />
zu. Mit Hilfe der kinematischen Beugungstheorie können die Intensitäten der<br />
verschiedenen Reflexe berechnet werden. Dabei wird vorausgesetzt, dass jedes Primärelektron<br />
maximal einen Stoßprozess erfährt und es dabei nur elastisch gestreut wird, d.h. es<br />
kommt zu keinerlei Energieverlust bei der Wechselwirkung mit der Probe. Weiterhin wird<br />
eine Wechselwirkung zwischen der primären und der gestreuten Welle im Kristall vernachlässigt.<br />
Somit hat der Wellenvektor der gebeugten Welle k denselben Betrag wie den<br />
der einfallenden Welle <br />
k0. Die resultierende Wellenfunktion Ψ k, r hängt vom Aufbau<br />
der Elementarzelle und vom Streuvermögen der Atome des betreffenden Kristalls ab.<br />
<br />
Ψ k, r fjexp {−2πig · rj} · <br />
exp {−2πig · r}<br />
(3.15)<br />
= Ψ0<br />
j<br />
<br />
Fhkl<br />
n<br />
<br />
G<br />
Der erste Faktor Fhkl wird als Strukturamplitude bezeichnet. Fhkl hängt nur vom Ort rj<br />
der Atome und von deren Sorte in der Elementarzelle ab. Letztere wird durch die Atomstreuamplitude<br />
fj berücksichtigt, welche die Verteilung der Elektronendichte des j-ten<br />
Basisatom um sein Zentrum beinhaltet. Die Form des Kristalls, an dem der Beugungsvorgang<br />
stattfindet, wird durch den zweiten Faktor G in der Gleichung 3.15 berücksichtigt.<br />
<br />
Die relativen Intensitäten Ihkl = Ψ k, <br />
r der Beugungsreflexe sind direkt proportional<br />
zum Quadrat der Strukturamplitude Fhkl. Das Quadrat der Strukturamplitude wird<br />
als Strukturfaktor bezeichnet. Setzt man für die Position des j-ten Atoms in der Basis<br />
rj = ρja+σj b+τjc (mit a, b,c als Basisvektoren der Einheitszelle) und für g die Gleichung<br />
D.2 ein, so ist Fhkl bedingt durch die Beziehung D.1 für bestimmte Werte von hkl Null.<br />
Aufgrund der Auslöschung“ und der Intensität der Reflexe können unterschiedliche Kris-<br />
”<br />
tallgittertypen unterschieden werden. Als Beispiel sei hier die für diese Arbeit relevante<br />
Zinkblendestruktur mit den folgenden Atompositionen in der Elementarzelle<br />
Atomsorte 1 (ρ, σ, τ) : (0, 0, 0) , 1 1 , 2 2 , 0 , <br />
1 1<br />
1 1<br />
<br />
, 0, , 0, , ;<br />
2 2 2 2 <br />
1 1 1 3 3 1 3 1 3 1 3 3<br />
Atomsorte 2 (ρ, σ, τ) : , , , , , , , , , , , 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
36<br />
gewählt. Für Fhkl ergeben sich in Abhängigkeit von hkl folgende Werte:<br />
⎧<br />
⎪⎨<br />
4 [f1 + f2]<br />
4 [f1 ± if2]<br />
Fhkl =<br />
⎪⎩<br />
4 [f1 − f2]<br />
0<br />
für<br />
für<br />
für<br />
für<br />
h + k + l = 4m und h, k, l gerade<br />
h, k, l ungerade<br />
h + k + l = 4m und h, k, l gerade<br />
h, k, l gemischt<br />
(3.16)<br />
Da die Streuamplituden fj von der Kernladungszahl des jeweiligen Atoms abhängen, wird<br />
die Differenz [f1 − f2] entscheidend von den beteiligten Elementen beeinflusst. Je größer<br />
der Ordnungszahlunterschied ist, desto intensiver sind diese chemisch sensitiven Reflexe<br />
(z.B. 002).<br />
3.2.2 Dynamische Elektronenbeugung<br />
Die kinematische Beugungstheorie geht von Einfachstreuung aus und berücksichtigt keinen<br />
Energieaustausch zwischen transmittierter und abgebeugter Welle im Medium. Dadurch<br />
können nur für sehr dünne Proben, mit einer Probendicke von wenigen Nanometern,<br />
die Intensitäten in den Elektronenbeugungsmustern qualitativ bestimmt werden. Nur mit<br />
der dynamischen Beugungstheorie ist die korrekte Berechnung der Intensitätsverteilung in<br />
Elektronenbeugungsmustern, nach Betrag und Position, möglich. Deshalb ist erst durch<br />
den Einsatz der dynamischen Beugungstheorie ein vollständig quantitativer Vergleich von<br />
experimentellen und simulierten Elektronenbeugungsmustern möglich. Es existieren mehrere<br />
Berechnungsansätze für die dynamische Beugungstheorie. Die am häufigsten verwendeten<br />
numerischen Verfahren sind das Blochwellenverfahren [Bet28] und die Multi-Slice-<br />
Methode nach Cowley und Moodie [Cow59]. Beide Verfahren sollen nun kurz diskutiert<br />
werden.<br />
Blochwellenverfahren<br />
Die Blochwellentheorie beruht auf einem von Bethe [Bet28] entwickelten Ansatz, bei dem<br />
die sich im Kristall ausbreitende Elektronenwelle aus der Superposition der Blochwellen im<br />
Kristall gebildet wird. Ausgangspunkt des Blochwellenverfahrens ist die Beschreibung der<br />
Wellenfunktion Ψ (r) am Ort r von Elektronen mit einer Ladung −e und einer Ruhemasse<br />
m0 in einem Kristallpotential V (r) durch die relativistisch korrigierte, zeitunabhängige<br />
Schrödingergleichung.<br />
⎡<br />
⎤<br />
∇ 2 Ψ (r) + 2m0e<br />
2 ⎢<br />
⎣ E<br />
<br />
1 + eE<br />
<br />
+V (r) 1 +<br />
2E0<br />
<br />
(∗)<br />
eE<br />
⎥ Ψ (r) = 0<br />
E0 ⎦<br />
<br />
(3.17)<br />
(∗∗)<br />
E0 = m0c 2 ist die Ruheenergie der Elektronen und E ist die Beschleunigungsspannung.<br />
Der Term (∗) beschreibt die relativistische Änderung der Wellenlänge der Elektronen<br />
und der zweite Term (∗∗) berücksichtigt die relativistische Massenänderung. Durch
Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) 37<br />
Einführung des in Glg. 3.18 angegebenen Terms E∗ <br />
und der relativistisch korrigierten<br />
Masse m = m0 1 + eE<br />
<br />
E0<br />
wird die obige Schrödingergleichung zu Glg. 3.19 vereinfacht.<br />
E ∗ = E 2E0 + eE<br />
2 (E0 + eE)<br />
(3.18)<br />
∇ 2 Ψ (r) + 2me<br />
2 [E ∗ + V (r)] Ψ (r) = 0 (3.19)<br />
Da es sich bei dem zu durchstrahlenden Objekt um einen unendlich ausgedehnten perfekten<br />
Kristall handeln soll, kann das periodische Kristallpotential V (r) durch eine Fourier-<br />
reihe<br />
V (r) = <br />
h<br />
<br />
Vh exp 2πi <br />
h · r<br />
(3.20)<br />
mit den reziproken Gittervektoren h dargestellt werden. Als Lösungsansatz für die modifizierte<br />
Schrödingergleichung in Glg. 3.19 wird eine Blochfunktion (Glg. 3.21) mit dem<br />
Wellenvektor k gewählt. Durch die Fourierreihenentwicklung des Faktors C (r) (siehe<br />
Glg. 3.22) wird weiterhin die Periodizität des Kristalls berücksichtigt.<br />
<br />
Ψ (r) = C (r) exp 2πi <br />
k · r<br />
(3.21)<br />
C (r) = <br />
Cgexp [2πig · r] (3.22)<br />
Zur Vereinfachung der Rechnung werden die folgenden Parameter eingeführt:<br />
g<br />
U h = 2me<br />
2 V h (3.23)<br />
K 2 = 2me<br />
2 (E∗ + V0) = 2me<br />
2 E∗ + U0 (3.24)<br />
V h ist der Fourierkoeffizient der Glg. 3.20 und V0 ist der Mittelwert des Kristallpotentials.<br />
Durch die Einführung des Potentials U h und den mittleren Wellenvektor K 2 und dem anschließenden<br />
Einsetzen der Glgen. 3.20 und 3.21 in die modifizierte Schrödingergleichung<br />
Glg. 3.19 erhält man das folgende Gleichungssystem, welches für alle Orte r im Kristall<br />
gelten muss.<br />
⎧<br />
⎨<br />
K<br />
⎩<br />
g<br />
2 <br />
2<br />
− k + g Cg + <br />
⎫<br />
⎬ <br />
Ug− h Ch exp 2πi k !=<br />
+ g · r 0 (3.25)<br />
⎭<br />
h=g <br />
!<br />
=0<br />
Die Gleichung ist für alle r erfüllt, wenn der Term in der geschweiften Klammer verschwindet.
38<br />
Die allgemeine Lösung der Schrödingergleichung ist eine Superposition von n Blochwellen<br />
mit verschiedenen Wellenvektoren k (j) .<br />
Ψ (r) =<br />
n<br />
α (j) Ψ (j) n <br />
(j)<br />
(r) = α C (j)<br />
g exp<br />
<br />
2πi k (j)<br />
+ g r<br />
j=1<br />
g<br />
j=1<br />
j=1<br />
<br />
Ψg(t) <br />
g<br />
= <br />
<br />
n<br />
α (j) C (j)<br />
g exp 2πik (j)<br />
z · t <br />
exp {2πig · r} (3.26)<br />
Bei einer Einstrahlrichtung entlang einer Zonenachse beschreibt der Term exp {2πig · r}<br />
in Glg. 3.26 die laterale Ausbreitung der Elektronenwellen innerhalb des Kristallpotenti-<br />
als und Ψg (t) mit k (j)<br />
z die Ausbreitung entlang der Einstrahlrichtung durch das Objekt,<br />
deren Dicke t beträgt.<br />
Die Anregungskoeffizienten α (j) der jeweils j-ten Blochwelle sind durch die Randbedingungen<br />
des stetigen Übergangs der Wellenfunktion beim Eintreten der einfallenden ebenen<br />
Welle in den Kristall festgelegt. Für die Berechnung wird ein kartesisches Koordinatensystem<br />
so festgelegt, dass die x- und die y-Achse in der Kristalloberfläche liegen und<br />
die z-Achse auf der Kristalloberfläche steht. Somit gilt die Randbedingung des stetigen<br />
Übergangs für die einfallende Welle bei z = 0.<br />
<br />
exp i <br />
kr |z=0<br />
!<br />
= <br />
α (j) <br />
exp ik (j) <br />
r C (j)<br />
g exp {igr} |z=0 (3.27)<br />
exp {i (kxx + kyy)}<br />
j<br />
!<br />
= <br />
j<br />
α (j) <br />
exp i k (j)<br />
x x + k (j)<br />
y y<br />
g<br />
<br />
g<br />
C (j)<br />
g exp {igr} (3.28)<br />
Anhand der Glg. 3.28 wird ersichtlich, daß die oben geforderte Randbedingung der Ste-<br />
tigkeit nur erfüllbar ist, wenn k (j)<br />
x = kx und k (j)<br />
y = ky gilt. Es gilt:<br />
1 = <br />
α<br />
j<br />
(j) <br />
g<br />
C (j)<br />
g exp {igr} (3.29)<br />
Durch die Anfangsbedingungen Ψ0 = 1 und Ψg=0 = 0, d.h. nur der ungebeugte Strahl liegt<br />
beim Eintritt des Elektronenstrahls in das Objekt vor, werden die Anregungskoeffizienten<br />
α (j) weiter verifiziert.<br />
1 = <br />
(3.30)<br />
j<br />
0 = <br />
j<br />
α (j) C (j)<br />
0<br />
α (j) C (j)<br />
g , für g = 0 (3.31)<br />
Bei der Berechnung der Blochwellenkoeffizienten C (j)<br />
g kann die Glg. 3.24 in guter Näherung<br />
durch<br />
K 2 ≈ k 2<br />
(3.32)
Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) 39<br />
abgeschätzt werden, da die verwendete Beschleunigungsspannung bzw. die erreichte Elektronenenergie<br />
von mehr als 100 keV viel größer als das mittlere Kristallpotential V0 ist.<br />
Die Wellenvektoren im Kristall unterscheiden sich vom Wellenvektor nur noch in ihren<br />
z-Komponenten.<br />
k (j)<br />
z = kz + γ (j)<br />
(3.33)<br />
Durch das Einsetzen dieser Beziehung und der in Glg. 3.32 aufgeführten Vereinfachung in<br />
die Schrödingergleichung erhält man unter Vernachlässigung der Rückwärtsstreuung die<br />
Glg. 3.34. Der rückwärtige Streuprozess kann bei der Betrachtung von transmittierten,<br />
hochenergetischen Elektronen vernachlässigt werden. Es spielen nur die vorwärtsgestreu-<br />
ten Blochwellen eine Rolle.<br />
1 <br />
Ug− h C<br />
2kz<br />
(j)<br />
−<br />
h 1<br />
2kz<br />
h=g<br />
<br />
2kg + g 2<br />
<br />
C (j)<br />
g = γ(j) C (j)<br />
g<br />
(3.34)<br />
Dabei handelt es sich um ein zu lösendes Eigenwertproblem mit den Eigenwerten γ (j)<br />
und C (j)<br />
g als die Eigenvektoren. Das Gleichungssystem sieht in der Matrixschreibweise wie<br />
folgt aus:<br />
⎛<br />
0<br />
⎜<br />
<br />
U −g U−h · · ·<br />
1<br />
⎜ Ug − 2<br />
⎜<br />
2kz ⎜<br />
⎝<br />
kg + g 2<br />
<br />
Ug− h · · ·<br />
<br />
Uh Uh−g − 2k h + h 2<br />
⎞ ⎛<br />
⎟<br />
C<br />
⎟ ⎜<br />
⎟ ⎜<br />
⎟ ⎜<br />
· · · ⎟ ⎜<br />
⎠ ⎝<br />
.<br />
. .<br />
. ..<br />
(j)<br />
0<br />
C (j)<br />
g<br />
C (j)<br />
⎞ ⎛<br />
C<br />
⎟ ⎜<br />
⎟ ⎜<br />
⎟ = γ(j) ⎜<br />
h. ⎠ ⎝<br />
(j)<br />
0<br />
C (j)<br />
g<br />
C (j)<br />
⎞<br />
⎟<br />
h. ⎠ (3.35)<br />
oder kurz: C (j) (j)<br />
= γ C (j)<br />
(3.36)<br />
Da das Kristallpotential U (r) immer reell ist (Ug = U ∗ −g ), handelt es sich bei der Matrix<br />
um eine hermitesche Matrix, sie besitzt ausschließlich reelle nichtentartete Eigenwerte<br />
γ (j) und die Eigenvektoren C (j) bilden somit ein Orthogonalsystem.<br />
<br />
g<br />
<br />
j<br />
C (i)<br />
g C(j)∗<br />
g = δij (3.37)<br />
C (j)<br />
g C(j)∗<br />
h<br />
= δ g h (3.38)<br />
Mit den Anfangsbedingungen für den ungebeugten und die gebeugten Strahlen beim Eintritt<br />
in das Objekt (Glgen. 3.30 und 3.31) und der orthogonalen Basis ergibt sich für die<br />
Anregungskoeffizienten<br />
α (j) = C (j)∗<br />
0<br />
. (3.39)<br />
Wenn unendlich viele reziproke Gittervektoren g in der Rechnung berücksichtigt werden,<br />
ist die Lösung exakt. Aus rechentechnischen Gründen wird nur eine begrenzte Anzahl von<br />
Bragg-Reflexen g berücksichtigt.
40<br />
Zweistrahlfall<br />
Der einfachste und analytisch leicht lösbare Fall der dynamischen Elektronenbeugungstheorie<br />
ist der ” Zweistrahlfall“, bei dem nur der ungebeugte Strahl und ein weiterer Reflex<br />
g angeregt sind. Somit vereinfacht sich das zu lösende Eigenwertproblem (Glg. 3.35) zu<br />
<br />
s0 = 0 1<br />
2ξg <br />
= γ (j)<br />
<br />
, (3.40)<br />
1<br />
2ξg sg<br />
<br />
<br />
C (j)<br />
0<br />
C (j)<br />
g<br />
C (j)<br />
0<br />
C (j)<br />
g<br />
wobei die energieabhängige Extinktionslänge ξg und der Anregungsfehler sg wie folgt<br />
definiert sind:<br />
ξg = kz<br />
U g<br />
und sg = − 1<br />
<br />
2 2kz<br />
kg + g 2<br />
<br />
(3.41)<br />
Das Eigenwertproblem hat nur dann eine nichttriviale Lösung, wenn det − γ (j) = 0<br />
gilt. ist die 2 × 2 Einheitsmatrix. D.h. es muss für die Berechnung der zwei Blochwellen<br />
Ψ (1) und Ψ (2) die quadratische Gleichung<br />
gelöst werden.<br />
−γ (j) sg − γ (j) − 1<br />
4ξ 2 g<br />
γ (1,2) = 1<br />
<br />
sg ± s<br />
2<br />
2 1<br />
g +<br />
ξ2 <br />
g<br />
= 0, für j = 1, 2 (3.42)<br />
(3.43)<br />
sind die zwei Eigenwerte des Eigenwertproblems (Glg. 3.40). Die dazugehörigen Eigen-<br />
<br />
vektoren ergeben sich unter der Berücksichtigung der Normierungsbedingung C (j)<br />
<br />
<br />
= 1<br />
zu:<br />
C (1,2) <br />
C<br />
=<br />
(1,2)<br />
0<br />
C (1,2)<br />
<br />
1<br />
= <br />
g 1 + ω ± √ ω2 + 1 <br />
1<br />
2 ω ± √ ω2 <br />
+ 1<br />
, (3.44)<br />
wobei ω = sgξg ist. Nun kann die Berechnung der Intensität des ungebeugten Strahls<br />
|Ψ0 (z)|2 = Ψ0 (z) Ψ∗ 0 (z) bzw. des gebeugten Strahls |Ψg (z)| 2 = Ψg (z) Ψ ∗ g (z) nach Ψg (t)<br />
aus Glg. 3.26 erfolgen. Für die Strahlintensität des ungebeugten Strahl ergibt sich<br />
|Ψ0 (z)|2 <br />
=<br />
4 <br />
+<br />
4 <br />
+<br />
2 2 <br />
e 2πiz[γ(1) −γ (2) ] 2πiz[γ<br />
+ e (2) −γ (1) ] <br />
. (3.45)<br />
C (1)<br />
0<br />
C (2)<br />
0<br />
C (1)<br />
0<br />
C (2)<br />
0<br />
Durch das Einsetzen der Eigenvektoren C (1,2) und der Eigenwerte γ (1,2) erhält man aus<br />
Glg. 3.45 folgenden einfachen Term für die Intensität<br />
|Ψ0 (z)|2 =<br />
1<br />
ω2 <br />
ω<br />
+ 1<br />
2 + cos 2<br />
<br />
πz √ ω2 <br />
+ 1<br />
und |Ψg (z)| 2 = 1 − |Ψ0 (z)|2 (3.46)<br />
ξg
Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) 41<br />
Abbildung 3.3: a) Hellfeldabbildung von<br />
Quantenpunktschichten in einer GaAs-<br />
Matrix aufgenommen unter Zweistrahlfallbedingung<br />
(000 und g = 004) und<br />
mit einem Anregungsfehler sg = 0.<br />
Parallel zur Lochkante verlaufen die<br />
” Pendellösungsstreifen“. Die dunklen<br />
Streifen entsprechen einer Probendicke<br />
von t = (2n−1)ξg mit n = 1, 2, . . ..<br />
2<br />
Innerhalb des blau gekennzeichneten<br />
Quadrats wurde ein Grauwertprofil<br />
senkrecht zu den Extinktionslängenstreifen<br />
(siehe b) ) erstellt.<br />
b) Grauwertprofil über den in der Hellfeldabbildung a) gekennzeichneten Bereich (blaues<br />
Quadrat). Anhand dieses Profils kann der Winkel α der keilförmigen Probe ermittelt<br />
werden.<br />
tanα =<br />
(2n−1)ξ g<br />
2<br />
xn<br />
(3.47)<br />
Hiermit beträgt der Winkel α des Probenkeils ungefähr 53◦ ± 1◦ (ξGaAs 004 = 94, 3477 nm<br />
[EMS]).<br />
c) ist eine Skizze zum besseren Verständnis des Zusammenhangs zwischen Pendellösungsstreifen<br />
und Probendicke bei einer Hellfeldabbildung (Zweistrahlfall), d.h. die Abbildung<br />
erfolgt nur mit dem ungebeugten Strahl.<br />
Somit wird klar, dass die Intensität im Zweistrahlfall zwischen dem ungebeugten und einem<br />
abgebeugten Strahl pendelt. Die Periode wird durch den Term πz√ω2 +1 bestimmt.<br />
ξg Dieses <strong>Ph</strong>änomen ist bei keilförmigen Proben deutlich erkennbar. So treten in einer Hellfeldabbildung<br />
(Zweistrahlfall) an den Stellen mit einer Probendicke von (2n−1)ξg dunkle<br />
2<br />
Streifen auf - so genannte Pendellösungs-“ oder auch Extinktionslängenstreifen“ (siehe<br />
” ”<br />
Abb. 3.3).
42<br />
Multi-Slice-Methode<br />
Der Blochwellenansatz ist eine einfache und zum Teil auch anschauliche Möglichkeit, die<br />
dynamische Elektronenbeugung an einem ungestörten, periodischen Kristallpotential zu<br />
beschreiben. Dieses Verfahren unterliegt aber zum einen rechentechnischen Grenzen und<br />
zum anderen ist die Beschreibung von aperiodischen Strukturen kaum möglich. Die Berechnung<br />
der Wellenfunktionen für solche aperiodischen Strukturen gelingt mit der Multi-<br />
Slice-Methode nach Cowley und Moodie, welche hier kurz in ihren Grundzügen erklärt<br />
werden soll.<br />
Bei dem Multi-Slice-Verfahren wird der Kristall mit der Dicke z in dünne Scheiben der<br />
Dicke ∆z unterteilt. Der Elektronenstrahl breitet sich senkrecht zu den Kristallscheiben<br />
und parallel zur optischen Achse aus. Beim Durchgang einer Elektronenwelle durch eine<br />
Probe ändern sich die <strong>Ph</strong>ase und die Amplitude der Elektronenwelle. Bei den sehr dünnen<br />
Kristallscheiben mit der Dicke ∆z kann die Amplitudenänderung vernachlässigt werden<br />
und die Probe in erster Näherung als reines <strong>Ph</strong>asenobjekt betrachtet werden. Weiterhin<br />
wird der Abstand zwischen den Scheiben als so gering angenommen, dass der Raum<br />
zwischen den Kristallscheiben als potentialfreier Raum beschrieben werden kann.<br />
Die Transmission der Elektronenwelle durch jede Kristallscheibe kann durch die folgenden<br />
zwei Schritte beschrieben werden.<br />
1. Die Elektronenwelle trifft auf eine der Kristallscheiben und wird bei dem Durchgang<br />
durch diese verändert. Diese <strong>Ph</strong>asenänderung ist vom Potential der Scheibe abhängig<br />
und wird für jede Ebene durch die Transmissionsfunktion t (x, y) (Glg. 3.48) beschrieben.<br />
Für die Berechnung wird das dreidimensionale Atompotential v (x, y, z)<br />
der Scheibe durch eine in die x,y-Ebene projizierte zweidimensionale Potentialfunktion<br />
vz (x, y) ersetzt [Kir95]:<br />
t (x, y) = exp {−ivz (x, y)} (3.48)<br />
mit: vz (x, y) = − 2π E + m0c<br />
Eλ<br />
2<br />
E + 2m0c2 <br />
v (x, y, z) dz (3.49)<br />
E ist die Energie der sich ausbreitenden Elektronenwelle, λ die Wellenlänge der<br />
Welle, m0 die Elektronenruhemasse und c die Lichtgeschwindigkeit.<br />
2. Da der Abstand zwischen den einzelnen Scheiben sehr klein und der Zwischenraum<br />
als Vakuum betrachtet wird, müssen bei der Ausbreitung der Welle zwischen den<br />
Ebenen Fresnelsche Beugungseffekte berücksichtigt werden. Die Ausbreitung zwischen<br />
den einzelnen Ebenen, mit dem Abstand ∆z, wird durch die Propagations-<br />
funktion p (x, y, ∆z) beschrieben [Kir95]:<br />
p (x, y, ∆z) = exp<br />
<br />
−iπ x2 + y2 <br />
λ∆z<br />
(3.50)
Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) 43<br />
Mathematisch bedeutet dies eine Faltung der transmittierten Wellenfunktion Ψ mit<br />
der Ausbreitungsfunktion p (x, y, ∆z).<br />
Die Schritte werden so oft wiederholt, bis die Elektronenwelle den Kristall verlässt. Die<br />
Ausbreitung der Welle durch die gesamte Probe wird mit Hilfe der Transmissions- t (x, y)<br />
und der Propagationsfunktion p (x, y, ∆z) rekursiv ermittelt. Die Wellenfunktion Ψn (x, y)<br />
wird nach dem Durchgang durch die n-te Scheibe durch:<br />
Ψn (x) = [Ψn−1 (x, y) ⊗ p (x, y, ∆z)] · tn (x, y) (3.51)<br />
im Ortsraum beschrieben. Das rekursive Verfahren ist in der Abb. 3.4 schematisch dargestellt.<br />
Abbildung 3.4: Schema der Multi-Slice-Methode (Erklärung, siehe Text)<br />
Da eine Multipikation mathematisch leichter zu handhaben ist, wird die Glg. 3.51 oft im<br />
reziproken Raum behandelt. Durch den Übergang in den Fourierraum wird die Faltung<br />
in eine leichter handhabbare Multiplikation umgewandelt. Die Glg. 3.51 vereinfacht sich<br />
im reziproken Raum zu:<br />
mit: P<br />
Ψn (x) = F T −1<br />
<br />
Ψn−1<br />
k · P<br />
<br />
k, <br />
∆z = exp −iπ∆zλ <br />
<br />
k<br />
2<br />
<br />
k, ∆z · tn (x) (3.52)<br />
. (3.53)<br />
Die Faltung (⊗) im Ortsraum entspricht dann einer einfachen Multiplikation (·).<br />
Die noch nicht modifizierte Primärelektronenwelle Ψ0 wird durch die folgende Funktion
44<br />
beschrieben:<br />
<br />
Ψ0 = exp −2πi k · r<br />
. (3.54)<br />
Werden hinreichend dünne Schichten angenommen, so sind die Ergebnisse des Multi-Slice-<br />
Verfahrens äquivalent zu denen der Blochwellenmethode.<br />
3.3 Quantitative Auswertung von Verschiebungs- und<br />
Verspannungsfeldern von hochaufgelösten TEM-<br />
Aufnahmen<br />
(qHRTEM)<br />
In der Regel sind hochaufgelöste TEM-Abbildungen nicht leicht zu interpretieren, da der<br />
Bildkontrast keine lineare Abbildungsfunktion der Kristallstruktur ist. Die Interpretation<br />
von HRTEM-Aufnahmen unbekannter Strukturen erfolgt hauptsächlich mittels Bildsimulationen.<br />
Im Folgenden werden zwei Verfahren der quantitativen HRTEM (qHRTEM) beschrieben,<br />
welche die Messung der Verzerrung und Verspannung aus der hochaufgelösten<br />
Abbildung der Kristallstruktur ermöglichen.<br />
3.3.1 ” Peak finding“-Methode<br />
Eine Möglichkeit der Auswertung des zweidimensionalen Bildkontrastes zur Messung des<br />
Verschiebungsfeldes bietet das von A. Rosenauer [Ros98] entwickelte Programm DALI (Digital<br />
Analysis of Lattice Images). Das Programm basiert auf der ” Peak finding“-Methode.<br />
Bei dieser Technik werden die Positionen der Intensitätsmaxima im Subpixelbereich gesucht<br />
und als Atomsäulenpositionen identifiziert. Sind die Maxima im Bild gefunden,<br />
wird ein zweidimensionales Referenzgitter in einem undeformierten Bereich definiert. Dieses<br />
wird über das Gitter der identifizierten Maxima gelegt und die Abweichung uij eines<br />
Gitterpunktes Pij vom seinem Referenzgitterpunkt Rij gemessen. Die Abweichungen vom<br />
Referenzgitter entsprechen für die jeweils gewählte Kristallrichtung den Verschiebungsvektoren,<br />
welche in zweidimensionalen Verzerrungskarten farbcodiert dargestellt werden<br />
können. Durch das Auftragen der gemittelten Verschiebungen innerhalb einzelner, senkrecht<br />
zur gewählten Kristallrichtung liegenden, Netzebenen in Abhängigkeit von der Netzebenennummer<br />
erhält man eine eindimensionale graphische Darstellung des Verzerrungsfeldes<br />
in der gewählten Richtung.<br />
Schwierigkeiten bei dieser ” Peak finding“-Methode ergeben sich aus der Abhängigkeit des<br />
Kontrasts von der Kristalldicke, von der Defokussierung und von der strukturellen und<br />
chemischen Zusammensetzung. Die gegenüber Kontraständerungen konsistentere Technik<br />
der geometrischen <strong>Ph</strong>asenabbildung wird im nächsten Abschnitt erläutert.
Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) 45<br />
3.3.2 ” Geometrische <strong>Ph</strong>asen“-Methode<br />
Die von H¨ytch et al. [H¨yt98] entwickelte Methode zur geometrischen <strong>Ph</strong>asenabbildung<br />
unterscheidet sich von der im Realraum arbeitenden, oben beschriebenen Peak finding“-<br />
”<br />
Methode wie folgt: Ein ungestörtes periodisches Gitter liefert scharfe Bragg-Reflexe im<br />
Fourierraum. Für die Intensitätsverteilung gilt:<br />
I (r) = <br />
Hgexp{2πig · r} (3.55)<br />
g<br />
Hg = Agexp{iPg} (3.56)<br />
I (r) ist die Bildintensität am Punkt r und g der dazugehörige reziproke Vektor des nicht<br />
deformierten Gitters. Hg ist der Fourierkoeffizient der sinusförmigen Intensitätsverläufe<br />
der Gitterstruktur in Abhängigkeit von g mit Ag als Amplitude und Pg als <strong>Ph</strong>ase.<br />
Bei geringer Abweichung von der perfekten Struktur ergibt sich für die Fourierkoeffizienten<br />
eine Abhängigkeit vom Ortsvektor r.<br />
Hg (r) = Ag (r) exp{iPg (r)} (3.57)<br />
Da g und −g äquivalent sind, kann die Intensitätsberechnung vereinfacht werden.<br />
I (r) = 2 <br />
Ag (r) cos (2πg · r + Pg (r)) (3.58)<br />
g>0<br />
Zur Ermittlung des Verschiebungsfeldes u bei geringen Abweichungen vom idealen Gitter<br />
wird r −→ r − u (r) in die Glg. 3.58 eingesetzt.<br />
Ig (r) = 2 <br />
⎛<br />
⎞<br />
⎜<br />
⎟<br />
Ag (r − u (r)) cos ⎝2πg · r −2πg · u (r) +Pg⎠<br />
(3.59)<br />
<br />
g>0<br />
Pg(r)<br />
Der ortsabhängige Koeffizient Hg (r) enthält, unter Vernachlässigung der frei wählbaren<br />
konstanten <strong>Ph</strong>ase Pg, nun den direkten Bezug zum Verschiebungsfeld u (r).<br />
Hg (r) = Ag (r) exp{iPg (r)} (3.60)<br />
Pg (r) = −2πg · u (r) (3.61)<br />
Anhand der Beziehung von Glg. 3.61 erhält man aus dem <strong>Ph</strong>asenbild Pg (r) die Komponenten<br />
des Verschiebungsfeldes u (r) in Richtung des reziproken Gittervektors g. Durch<br />
die Kombination von zwei <strong>Ph</strong>asenbildern Pg1 (r) und Pg2 (r) linear unabhängiger reziproker<br />
Gittervektoren g1 und g2 sind alle notwendigen Informationen für die Berechnung des<br />
Verschiebungsfeldes gegeben.<br />
Pg1 (r) = −2π [g1xux (r) + g1yuy (r)] (3.62)<br />
Pg2 (r) = −2π [g2xux (r) + g2yuy (r)] (3.63)
46<br />
Hier bezeichnen gix und giy die Komponenten des reziproken Gittervektors gi (i = 1, 2).<br />
Der Verschiebungsvektor u (r) wird am Ort r = (x, y) in seinen x- und y-Anteil zerlegt:<br />
u (r) = ux (r) + uy (r). Für die weiteren Betrachtungen werden die Glg. 3.62 und 3.63 in<br />
Matrixschreibweise zusammengefasst.<br />
Pg1<br />
Pg2<br />
<br />
= −2π<br />
g1x g1y<br />
g2x g2y<br />
<br />
<br />
<br />
ux (r)<br />
uy (r)<br />
<br />
= −2π · u (r) (3.64)<br />
Die Komponenten des Verschiebungsfeldes berechnen sich mit Hilfe der inversen Matrix<br />
−1 : <br />
ux (r)<br />
=<br />
uy (r)<br />
1<br />
<br />
g1x g1y<br />
−2π g2x g2y<br />
<br />
−1 <br />
Pg1<br />
Pg2<br />
<br />
(3.65)<br />
Unter Verwendung der Beziehung zwischen Kristallgitter und reziproken Gitter gi·aj = δij,<br />
mit den Vektoren a1 und a2 im Ortsraum und den g1 und g2 im reziproken Raum, folgt<br />
ebenso 1 : ux (r)<br />
uy (r)<br />
<br />
−1<br />
= 1<br />
−1 a1x a2x<br />
−2π a1y a2y<br />
<br />
−1 Pg1<br />
Pg2<br />
<br />
(3.66)<br />
Die Auswertung von HRTEM-Aufnahmen mittels der geometrischen <strong>Ph</strong>asenmethode ist<br />
mit dem Programmmodul ” Geometric <strong>Ph</strong>ase“ des Programmpakets ” Digital Micrograph“<br />
(GATAN) möglich.<br />
1 Mit =<br />
a1x a2x<br />
a1y a2y<br />
somit ergibt sich T <br />
<br />
und =<br />
<br />
<br />
g1x g2x<br />
g1y g2y<br />
gi·aj=δij<br />
−→ T = <br />
−1 T = T −1 <br />
T −→ = −1
Teil II<br />
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen<br />
47
Kapitel 4<br />
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen<br />
In diesem Teil der Arbeit werden Ergebnisse der Untersuchungen der<br />
Struktur und der chemischen Zusammensetzung von mittels LPE gewachsenen<br />
Si1−xGex/Si-Inseln beschrieben. Zur Bestimmung der Ge-<br />
Konzentration innerhalb der Inseln werden zwei voneinander unabhängige<br />
Verfahren diskutiert. Die erste Methode zur Quantifizierung der Zusammensetzung<br />
der Inseln beruht auf der Auswertung des Verzerrungsfeldes<br />
aus HRTEM-Abbildungen. Das zweite Verfahren beinhaltet die Auswertung<br />
von EDX-Punktspektren mit einer neu entwickelten modifizierten<br />
ZAF-Methode.<br />
4.1 Das System (Si,Ge)<br />
Silizium und Germanium kristallisieren in der Diamantstruktur. Beide Elemente sind<br />
miteinander vollständig lückenlos zu Si1−xGex mit 0 ≤ x ≤ 1 mischbar, wobei die Gitterplätze<br />
statistisch von den Si- und Ge-Atomen besetzt werden. Sowohl die Struktur der<br />
reinen Elementhalbleiter Si und Ge, als auch des Mischkristalls werden durch die Raumgruppe<br />
Fd3m beschrieben. In dieser Struktur wird jedes Atom von vier ersten Nachbarn<br />
in Form eines Tetraeders umgeben. Die Gitterkonstante der Verbindung Si1−xGex ergibt<br />
sich in erster Näherung aus den Gitterabmessungen ai der reinen Substanzen nach der<br />
Vegard’schen Regel [Veg21].<br />
aSi1−xGex = (1 − x) · aSi + x · aGe<br />
(4.1)<br />
Dismukes et al. fanden bei genaueren Messungen der Gitterkonstanten an Si1−xGex-Volumenmischkristallen<br />
einen quadratischen Korrekturterm für die Beziehung 4.1 [Dis64]. Die<br />
modifizierte Formel für die Gitterkonstantenberechnung ist dann durch:<br />
aSi1−xGex = 0, 0273x 2 + 0, 1992x + 5, 431 ˚A <br />
(4.2)<br />
gegeben. Mit aSi = 5, 431 ˚A und aGe = 5, 658 ˚A (Tab. 2.1, Abschnitt 2.3) beträgt die<br />
Gitterfehlpassung fSi,Ge von Si und Ge nach Glg. 2.21 ca. 4, 2 % und die maximale Ab-<br />
49
50<br />
weichung |∆a| der Beziehungen 4.1 und 4.2 voneinander findet man bei einer Germaniumkonzentration<br />
x = 0, 5092 mit |∆a| = 0, 0071 ˚A. Der daraus resultierende maximale<br />
Fehler für die Konzentrationsbestimmung ist ∆x = 0, 03.<br />
Abbildung 4.1: Schematische Darstellung der Anisotropie<br />
der freien Oberflächenenergie an Diamant auf<br />
der (010)-Würfel-, der (110)-Rhombendodekaederund<br />
der (111)-Oktaederfläche. Je kürzer die Pfeile,<br />
um so größer ist die Schleifhärte in diesen Richtungen.<br />
4.2 Wachstum von pseudomorph verspannten<br />
(Si,Ge)/Si-Inseln<br />
Der Wachstumsmodus von Si1−xGex-Inseln mittels Flüssigphasenepitaxie auf Silizium ist<br />
von unterschiedlichen Faktoren abhängig. Die Gitterfehlpassung zwischen dem Substrat<br />
(Si) und der aufwachsenden Schicht (Si,Ge) verursacht ein selbstorganisiertes dreidimensionales<br />
pseudomorphes Wachstum (Stranski-Krastanov-Wachstumsmode, siehe Abschn.<br />
1.3). Bei solch einem Selbstorganisationsprozess wird immer ein Zustand minimaler<br />
Energie angestrebt. Daher ist klar, dass bei diesem Prozess die Oberflächenenergien bzw.<br />
Grenzflächenenergie zwischen der benetzenden Flüssigkeit und der Substratoberfläche und<br />
somit die Wahl des Lösungsmittel bei der Flüssigphasenepitaxie eine große Rolle spielen<br />
[Alb96]. Da das Wachstum nah am thermodynamischen Gleichgewicht stattfindet, bestimmt<br />
die Germaniumkonzentration in der Lösung entscheidend die Inselgröße und deren<br />
Zusammensetzung. Weitere Einflussfaktoren sind die Temperatur, die Abkühlrate und die<br />
Orientierung des Siliziumsubstrats.<br />
Für ausführliche Darstellungen zum Stand der Untersuchungen des selbstorganisiertem<br />
Wachstums von (Si,Ge)-Nanostrukturen sei auf die umfangreiche Literatur verwiesen<br />
[Kas95, Cul93, Jes93, Flo99, Mo90, Tom94, Ros98, Kam98, Flo97, Ter94, Jes98, Med98,<br />
Gor97, Chr99a, Chr99b, Chr96, Alb95, Str96, Dor98a, Chr94, Han04, Tha03, Han02].<br />
Bei kristallinen Festkörpern mit Zinkblende- und Diamantstruktur hängt die freie Oberflächenenergie<br />
von der Orientierung der Oberfläche ab. Aufgrund dieser Anisotropie (siehe<br />
Abb. 4.1) entstehen bei der Abscheidung von (Si,Ge) auf unterschiedlich orientierten Siliziumsubstraten<br />
unterschiedliche selbstorganisierte Strukturen in Abhängigkeit von der<br />
gewählten Oberfläche. Beim epitaktischen Wachstum von (Si,Ge) mittels Flüssigphasenepitaxie<br />
(Si-Ge-Bi Lösung) auf einer (001)-orientierten Fläche kommt es zur Bildung von<br />
vierzähligen selbstorganisierten Pyramiden mit {111}-Flächen. Wird die (011)-orientierte
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 51<br />
Abbildung 4.2: Mittels Flüssigphasenepitaxie gewachsene Si1−xGex-Insel auf (001) Si-<br />
Substrat<br />
a) Schematische Darstellung einer Si1−xGex-Insel mit {111}-Seitenflächen und einer<br />
(001)-Deckfläche, ω ist die Basisbreite und h die Inselhöhe<br />
b) TEM-Hellfeldabbildung einer Si1−xGex-Inseln in [100]-Einstrahlrichtung;<br />
b) Inset: Beugungsbild in [100]<br />
c) TEM-Hellfeldabbildung einer Si1−xGex-Inseln in [110]-Einstrahlrichtung;<br />
c) Inset Beugungsbild in [110]<br />
Rhombendodekaederfläche als Substratoberfläche genutzt, befinden sich auf der Oberfläche<br />
nach dem Selbstorganisationsprozess Strukturen mit einer Pyramide mit {111}<br />
und {110} Seitenflächen. Scheidet man (Si,Ge) auf der (111)-orientierten Oktaederfläche<br />
ab, so bildet sich eine verspannte zweidimensionale Schicht [Alb96].<br />
Bei der Kristallisation von (Si,Ge) aus einer siliziumgesättigten und germaniumangereicherten<br />
Si-Ge-Bi Lösung mittels Flüssigphasenepitaxie entstehen auf einem (001)-orientierten<br />
Si-Substrat selbstorganisierte pseudomorph verspannte Si1−xGex-Inseln mit {111}-<br />
Seitenfacetten und einer (001)-Deckfläche (siehe Skizze in der Abb. 4.2 a). Die Abbn. 4.2 b<br />
und c zeigen exemplarisch TEM-Aufnahmen von Si1−xGex-Inseln mit unterschiedlichen<br />
Querschnittsrichtungen, aufgenommen am TEM Hitachi H-8110 (Daten: siehe Anhang A).<br />
Für diese Aufnahmen wurden die Proben zuerst so orientiert, dass der Primärstrahl parallel<br />
zu einer vorpräparierten hochsymmetrischen Zonenachse liegt. Anschließend wurde der<br />
Hellfeldmodus durch das Setzen einer Kontrastblende um den Primärstrahl eingestellt.<br />
Hierbei wird der störende Einfluss durch die zusätzlich angeregten Beugungsreflexe beseitigt<br />
und der Bildkontrast somit erhöht. Das Inset in der oberen linken Ecke der Abb. 4.2 b
52<br />
zeigt das indizierte Beugungsbild bei einer Einstrahlung des Elektronenstrahls in [100].<br />
Die parallel zu den Inselkanten verlaufendenen dunklen Säume sind dickenabhängige Extinktionslinien<br />
(siehe Abschn. 3.2.2). Bei der in Abb. 4.2 c gewählten Primäreinstrahlrichtung<br />
parallel zum [110]-Zonenpol treten die kinematisch verbotenen 002 Reflexe auf (vgl.<br />
Inset). Kinematisch erlaubt sind die folgenden Reflexe:<br />
<br />
h + k + l = 4n , n = 0, 1, 2, . . . & alle Indizes gerade<br />
Fhkl = 0 für<br />
. (4.3)<br />
h, k, l = 0 & alle Indizes ungerade<br />
Die Anregung der 002 Reflex geschieht in 〈110〉 mittels dynamischer Anregung über die<br />
111-Reflexe (111 + 111 = 002). Wie in Abb. 4.2 b trägt auch in der Abb. 4.2 c nur der<br />
Primärstrahl zur Bildgebung bei. Aus dieser Hellfeldaufnahme kann direkt das Verhältnis<br />
zwischen der Inselbasisbreite ω und der Höhe h gebildet werden. Dieses so genannte<br />
Aspektverhältnis ω beträgt bei allen in dieser Arbeit untersuchten auf (001)-orientierten<br />
h<br />
Si-Substrat gewachsenen Si1−xGex-Inseln ≈ 2. Dies ist eine gute Übereinstimmung mit<br />
den Untersuchungsergebnissen von [Dor98a, Sch98, Han04, Han92].<br />
Abbildung 4.3: TEM-Hellfeldabbildungen<br />
von in Draufsicht präparierten Si1−xGex-<br />
Inseln auf (001)-orientiertem Si-Substrat.<br />
a) Exemplarische Übersichtsaufnahme von<br />
Inseln mit einer Basisbreite ω ≈ 85 nm<br />
(blaue bzw. orange Rechtecke kennzeichnen<br />
die Kettenbildung in 〈100〉 bzw. 〈010〉);<br />
a) Inset: Beugungsbild in [001].<br />
b) Vergrößerte Abbildung einer Insel mit<br />
einer Basisbreite von ω ≈ 85 nm.<br />
c) Vergrößerte Abbildung einer Insel mit<br />
einer Basisbreite von ω ≈ 400 nm.<br />
Die Abbn. 4.3 a-c zeigen plan-view TEM-Hellfeldabbildungen von Si1−xGex-Inseln (aufgenommen<br />
am Hitachi H-8110). Bei diesen Aufnahmen wurden die planaren Proben anhand<br />
des Beugungsbildes so ausgerichtet, dass der Elektronenstrahleinfall parallel zum [001]-<br />
Zonenpol verläuft (siehe Inset von Abb. 4.3 a). In der Übersichtsaufnahme (Abb. 4.3 a)<br />
erkennt man die Bildung von Inselketten entlang 〈100〉 und 〈010〉. Ursache für diese An-
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 53<br />
ordnung der Inseln ist die mit der Schichtdicke zunehmende sinusoidale Verwellung der<br />
Schichtoberfläche (Ripplemuster). Dabei wird das Gitter in den Bereichen der Maxima<br />
aufgeweitet und begünstigt somit das Aufwachsen der dreidimensionalen Si1−xGex-Inseln.<br />
In den Tälern kommt es zu einer Komprimierung des Gitters. Da der Einfluss der Verzerrungsenergie<br />
in Richtung 〈110〉 weiter reicht als in 〈100〉 ordnen sich die Maxima bzw.<br />
die Inseln in Ketten entlang 〈100〉 an. Die Abb. 4.3 a zeigt deutlich die Kettenbildung in<br />
〈100〉 bzw. 〈010〉, welche durch die blauen bzw. orangefarbigen Rechtecke gekennzeichnet<br />
sind.<br />
4.2.1 Abschätzung der Germaniumkonzentration<br />
bei großen Si1−xGex-Inseln<br />
Bei Abbildungen unter der oben beschriebenen Bedingung für planare Proben ist deutlich<br />
die vierzählige Symmetrie der Objekte zu erkennen (vgl. Abb. 4.3 b und c). Das Muster<br />
ist abhängig von der Inselgröße und spiegelt den Verzerrungszustand innerhalb der Insel<br />
wider. Bei sehr großen Inseln, wie z.B. die Insel der Abb. 4.3 c, kann das Muster für eine<br />
grobe Abschätzung der Germaniumkonzentration benutzt werden. Die konzentrischen<br />
Rechtecklinien entsprechen den Pendellösungsstreifen.<br />
Abbildung 4.4: Blochwellensimulation der Nullstrahlintensität bei unverspanntem Silizium<br />
und Germanium (Primärstrahl parallel [001]; TEM: Hitachi H-8110 (siehe Anhang A);<br />
Bei den Simulationen wurden jeweils 50 angeregte Reflexe berücksichtigt.)<br />
Für die Konzentrationsbestimmung wurde die Periodizität der Streifen mit denen von<br />
simulierten Intensitätsverläufen verglichen. Die Abb. 4.4 zeigt die mittels Blochwellensimulation<br />
berechneten Intensitäten des 000 Reflexes für reines unverspanntes Silizium und<br />
Germanium bei einem Primärstrahleinfall parallel [001]. Die Simulationen ergeben für das
54<br />
Abbildung 4.5: Exemplarische Auswertung des Hellfeldprofils einer Si1−xGex Insel.<br />
Hitachi H-8110 Transmissionselektronenmikroskop die folgenden Extinktionslängen:<br />
für Silizium : ξ000 Si,P S||[001]<br />
für Germanium : ξ000 Ge,P S||[001]<br />
= 31, 875 nm<br />
= 24, 063 nm<br />
Die Abb. 4.5 zeigt die Auswertung des Hellfeldmusters einer 400 nm großen Insel anhand<br />
eines Grauwertprofils. Da die geometrischen Ausmaße der Insel bekannt sind, konnte aus<br />
dem Profil ein Zusammenhang zwischen der Hellfeldintensität und der Probendicke berechnet<br />
werden. Die berechnete Periodizität bzw. Extinktionslänge beträgt ∆ = 30, 5 nm.<br />
Geht man von einem linearen Zusammenhang zwischen den Extinktionslängen der reinen<br />
Elemente aus und setzt ein unverspanntes Gebiet voraus, so ergibt sich für die Insel mit<br />
∆ = 30, 5 nm eine Germaniumkonzentration von ca. ≤ 17, 6 %.<br />
Wie in einem späteren Abschnitt (Abschn. 4.3.2) noch diskutiert wird, kann ein vollständig<br />
relaxiertes Gebiet im oberen Inselbereich angenommen werden. In den unteren Bereichen<br />
dominieren die verspannten Gebiete und überlagern das Profil der Pendellösungslinien.<br />
Daher können die Randbereiche von großen Inseln und kleinen Inseln mittels Grauwertprofilanalyse<br />
in Bezug auf die Zusammensetzung nicht ausgewertet werden.
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 55<br />
4.2.2 Abschätzung der Germaniumkonzentration anhand<br />
der Inselgröße<br />
Die einfachste und schnellste Möglichkeit zur Abschätzung der Germaniumkonzentration<br />
innerhalb einer Si1−xGex-Insel ist die Berechnung nach dem von Dorsch [Dor98] aufgestellten<br />
Zusammenhang zwischen dem Ge-Gehalt x und der Inselbasislänge ω in nm.<br />
x ≈ 5, 71 · ω −0,54<br />
(4.4)<br />
Zu bemerken sei hier, dass Dorsch die Germaniumkonzentration x anhand der LPE-<br />
Einwaageparameter für Germanium bestimmt hat. Eine ähnliche Beziehung konnte von<br />
M. Gao [Gao94] mittels Monte-Carlo-Simulationen gefunden werden.<br />
x ≈ 4, 29 · ω −0,50<br />
(4.5)<br />
Die Abweichung zwischen beiden Methoden ist für ω = 8711 nm am kleinsten, die daraus<br />
resultierende Unsicherheit für die Konzentration beträgt |∆x = 0, 0034|. Die in dieser<br />
Arbeit gemessene maximale Inselbasisbreite liegt bei ca. 400 nm, die Abweichung ist<br />
in diesem Fall |∆x = 0, 01|. Für kleine Inseln nimmt die Differenz der Konzentrationsabschätzungen<br />
nach Glg. 4.4 und Glg. 4.5 zu.<br />
Probennr. ω x x<br />
(n. Glg. 4.4) (n. Glg. 4.5)<br />
1078 422 ± 44 nm 0, 2183 ± 0, 0123 0, 2088 ± 0, 0109<br />
1082 129 ± 11 nm 0, 4139 ± 0, 0191 0, 3777 ± 0, 0161<br />
1090 129 ± 16 nm 0, 4139 ± 0, 0277 0, 3777 ± 0, 0234<br />
1005 92 ± 9 nm 0, 4968 ± 0, 0262 0, 4473 ± 0, 0219<br />
Tabelle 4.1: Grobe Konzentrationsabschätzungen der in dieser Arbeit untersuchten<br />
Si1−xGex-Inseln anhand der Inselbasisbreite ω.<br />
Wie aus der Tab. 4.1 zu entnehmen ist, steigt der Germaniumgehalt pro Volumenelement<br />
innerhalb der Insel mit abnehmender Inselgröße.
56<br />
4.3 Verspannungszustände innerhalb der Inseln<br />
Um die Entstehung von mittels LPE gewachsenen Si1−xGex-Inseln besser verstehen zu<br />
können, reichen die Aussagen über die geometrischen Ausmaße nicht aus. Wichtig ist<br />
ein Erkenntnisgewinn bezüglich der Eigenschaften innerhalb der Insel. Ein Verfahren zur<br />
Analyse des Verspannungszustandes ist die Streuung mit Röntgenstrahlen, bei dem die<br />
Messung im reziproken Raum erfolgt. Die Auswertung erfordert meist einen Vergleich von<br />
simulierten und experimentellen Aufnahmen [Sch02a, Han04, Han04b, Han04c, Gri03,<br />
Sch02, Mog01]. Einen direkten ortsaufgelösten Zugang zur Analyse der Verspannungszustände<br />
innerhalb einer Insel bietet die Hochauflösungstransmissionselektronenmikroskopie<br />
(HRTEM). Um eine Quantifizierung der Zusammensetzung vornehmen zu können,<br />
kommt auch dieses Verfahren nicht ohne Simulation aus.<br />
4.3.1 Methode der finiten Elemente (FEM)<br />
Die für den Vergleich von experimentellen und simulierten HRTEM-Aufnahmen benötigten<br />
Modelle wurden mit der Methode der finiten Elemente (FEM), einem Verfahren zur<br />
Lösung von elliptischen partiellen Differentialgleichungen, erstellt. Diese Methode ist besonders<br />
gut geeignet für Probleme mit komplizierter Geometrie und mit variablen Materialeigenschaften.<br />
FEM kann zur Lösung vieler physikalischer Problemstellungen eingesetzt<br />
werden. Unter anderem wird das Verfahren zur Beschreibung des Verhaltens von elastischen<br />
Kontinua benutzt. Bei solchen Problemstellungen, wie sie auch bei den Si1−xGex/Si-<br />
Inseln bestehen, liefert die Lösung der Differentialgleichungen das Deformationsverhalten<br />
und die Verspannungszustände des Festkörpers unter dem Einfluss von äußeren Kräften<br />
[Chr97, Han02].<br />
Der Grundansatz dieses Verfahrens besteht in der Zerlegung des Gesamtkörpers in kleine<br />
endliche Teilkörper - den finiten Elementen. Die finiten Elemente sind durch Knotenpunkte<br />
miteinander verknüpft. Innerhalb der finiten Teilkörper werden n Ansatzfunktionen<br />
für die gesuchte Lösung definiert. Diese Ansatzfunktionen unterliegen, aufgrund von<br />
physikalischen und mathematischen Gründen, bestimmten Stetigkeitsbedingungen beim<br />
Übergang von einem Teilelement ins benachbarte. So muss beispielsweise die Verschiebung<br />
eines zusammenhängenden Körpers bei solch einem Übergang von einem finiten Element<br />
zum anderen stetig sein, da ansonsten die Kontinuität des Materials nicht gewährleistet<br />
ist. Um eine eindeutige Lösung der Differentialgleichungen zu erhalten, müssen noch<br />
zusätzliche Randbedingungen gegeben werden. Um die interessierenden Größen ableiten<br />
zu können, muss zum Schluss ein großes Gleichungssystem resultierend aus den partiellen<br />
Differentialgleichungen und den Randbedingungen gelöst werden.<br />
In dieser Arbeit wurde die FE-Methode genutzt, um Erkenntnisse zu Abhängigkeiten<br />
zwischen dem Verspannungszustand von Si1−xGex/Si-Inseln und deren chemischen Zusammensetzung<br />
gewinnen zu können. Die FEM-Simulation wurde von M. Hanke vorgenommen<br />
[Han02]. Die simulierten Inseln wurden von ihm bereits für die Auswertung von
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 57<br />
diffusen Röntgenbeugungsbildern genutzt.<br />
Die FE-Simulation für die Si1−xGex-Inseln auf Si-Substrat erfolgte in fünf Schritten<br />
[Han02]:<br />
1. Definition der äußeren Geometrie der Insel und anschließende Unterteilung des Inselkörpers<br />
in Kuboide mit acht Verbindungsknoten.<br />
2. Festlegung der Randbedingungen durch Bestimmung der Verschiebungen u (r) in<br />
den Knoten. Durch diese Definition werden nur die erlaubten Relaxationsrichtungen<br />
des Systems vorgegeben.<br />
(a) Die unterste Knotenlage des Substrats wird in allen drei Raumrichtungen fixiert,<br />
d.h. u (x, y, z) = 0.<br />
(b) An den Substratseiten sind nur Verschiebungen in z-Richtung (Wachstumsrichtung<br />
[001]) erlaubt, d.h. ux (x, y, z) = 0 und uy (x, y, z) = 0.<br />
3. Aufstellung der Kräftegleichgewichtsgleichungen für jeden Knoten.<br />
4. Ermittlung der Knotenverschiebungspunkte u (r) aus dem unter (3.) aufgestellten<br />
Kräftegleichungssystem und der Tatsache, dass in Gleichgewichtszuständen die potentielle<br />
Energie minimal ist. Die potentielle Energie ist die Summe aus der inneren<br />
Verzerrungsenergie und dem Potential der aufgebrachten äußeren Kräfte.<br />
5. Vollständige Bestimmung des Spannungs- und Deformationstensors aus den Knotenverschiebungen.<br />
Die geometrischen Abmessungen der Modellinseln sind ω = 130 nm für die Basislänge<br />
und h = 65 nm, für die sich aus dem Aspektverhältnis von ω = 2 · h ergebene Inselhöhe.<br />
Die Substrattiefe beträgt s = 70 nm.
58<br />
4.3.2 qHRTEM - Charakterisierung von Verzerrungsfeldern<br />
mittels Analyse von HRTEM-Abbildungen<br />
Die Ergebnisse der FEM-Rechnungen sollen nun genutzt werden, um aus ihnen HRTEM-<br />
Abbildungen der Inseln simulieren zu können. Diese sollen dann hinsichtlich enthaltener<br />
Gitterverzerrungen ausgewertet werden. Damit die Auswertung der mittels FEM simulierten<br />
Inseln möglich ist, muss der Datensatz, den man aus den FEM-Simulationen enthält,<br />
noch etwas modifiziert werden.<br />
Der FEM-Datensatz enthält die Positionen der Knotenpunkte der finiten Elemente. Diese<br />
Datenmenge ist für die anschließenden Rechnungen viel zu groß, deshalb muss diese auf<br />
ein handhabbares Maß reduziert werden. Für die Auswertung wurde eine Superzelle aus<br />
der Mitte der FEM-Insel mit den folgenden Parametern gewählt:<br />
in Wachstumsrichtung [001] : 80 nm<br />
[110] : 5 nm (4.6)<br />
in Elektronenstrahlrichtung 110 <br />
: 4 Monolagen (ML)<br />
Da für die Verzerrungsfeldanalyse ein unverspanntes Gebiet zum Erstellen eines Referenzgitters<br />
benötigt wird, wurden die Superzellen so definiert, dass der untere Teil einer jeden<br />
Superzelle unverspanntes Silizium-Substrat enthält. Innerhalb der finiten Elemente der<br />
Superzelle wurden die Atompositionen unter Berücksichtigung der Knotenverschiebungen<br />
berechnet. Anschließend erfolgte eine Dekoration der Atompositionen mit Germaniumbzw.<br />
Siliziumatomen nach dem Urnenprinzip. Die Konzentrationen für die jeweiligen Bereiche<br />
wurden durch das Inselmodell bzw. durch die FEM-Rechnung vorgegeben. Man<br />
erhält einen modifizierten Datensatz, welcher in das Programm jems zur Berechnung von<br />
HRTEM-Abbildungen mittels dem Multi-Slice-Verfahren (siehe 3.2.2) eingegeben wurde.<br />
Die Eingabeparameter für die HRTEM-Simulation waren die Mikroskopdaten des TEM<br />
<strong>Ph</strong>ilips CM 200 FEG (siehe Anhang A). Das simulierte HRTEM-Bild wurde anschließend<br />
mittels DALI (siehe Abschnitt 3.3.1 zur ” Peak finding“-Methode) ausgewertet.<br />
Berechnung des Verzerrungsfeldes<br />
Die Schritte zum Erhalten des Verzerrungsfeldes in [001]-Richtung aus den simulierten<br />
HRTEM-Abbildungen sollen hier exemplarisch an der HRTEM-Abbildung in Abb. 4.6 b<br />
erklärt werden. Bevor mit der Auswertung begonnen wird, werden die HRTEM-Bilder<br />
aus Gründen der Übersichtlichkeit so orientiert, dass die (002)- und die dazu senkrecht<br />
liegenden 110 -Netzebenen horizontal bzw. vertikal verlaufen.<br />
Innerhalb eines ausgewählten Bildausschnitts werden die Positionen der lokalen Intensitätsmaxima<br />
grob bestimmt. Die genaue Bestimmung der Lage aller Helligkeitsmaxima<br />
geschieht im Subpixelbereich. Dabei wird eine intensitätsgewichtete Schwerpunktanalyse<br />
aller Bildpunkte in der Umgebung eines jeden Maximalwertes durchgeführt. Die lokalen<br />
Intensitätsmaxima des zweidimensionalen Feldes werden durch eine Schar von (002)- und
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 59<br />
Abbildung 4.6: Gewinnung des Verzerrungsfeldes uz (r) aus HRTEM-Abbildungen [Sch05]<br />
a) Durch die FEM-Simulation vorgegebene Germaniumverteilung in der Superzelle (40 nm<br />
Si-Substrat und 60 nm Insel, mit einer homogenen Germaniumverteilung von 20 at.%).<br />
b) Mittels Multi-Slice-Methode simulierte HRTEM-Abbildung der unter a) dargestellten<br />
Germaniumverteilung.<br />
c) Verzerrungsfeld uz (r) in Wachstumsrichtung [001].<br />
d) Farbcodierte Darstellung des Verzerrungsfeldes uz (r).<br />
den senkrecht dazu liegenden 110 -Netzebenen miteinander verbunden. Jedes Maximum<br />
liegt auf einem Kreuzungspunkt von zwei Netzebenen. Den Maximalwerten werden die<br />
Koordinaten (i,j) zugeordnet, sie entsprechen den Indizes der sich an dem Ort des Maximum<br />
kreuzenden Netzebenen (vgl. grauer Gitterpunkt in der Abb. 4.7). Für die Verzerrungsfeldanalyse<br />
wird ein Referenzgitter benötigt, welches im unverspannten Si-Substrat<br />
gewählt wird. Da nicht nur das Si-Substrat die (Si,Ge)-Einheitszellen in der Insel verspannt,<br />
sondern auch das Inselmaterial eine Verspannung im Substrat verursacht, sollte<br />
das Referenzgebiet so weit wie möglich vom Substrat-Insel-Übergang entfernt definiert<br />
werden. Das aus dem Referenzbereich gemittelte Gitter wird über das gesamte Auswertungsgebiet<br />
extrapoliert. Die Netzebenen des Referenzgitters werden wie das reale Gitter<br />
durchnummeriert.<br />
Da die hier betrachteten Gitteränderungen relativ klein sind, ist es einfacher statt des<br />
lokalen Gitterparameters aij die auf kleine Änderungen sensitiver reagierende kumula-
60<br />
tive Summe von Abweichungen uij gegenüber einem festen Referenzgitter mit bekanntem<br />
Gitterparameter aREF zu betrachten (vgl. Abb. 4.8).<br />
Abbildung 4.7: Verschiebungsvektor uij einer<br />
individuellen Atomsäulenposition (i,j)<br />
(grau) im Vergleich zu der Position des (i,j)-<br />
Referenzgitters (blau).<br />
Das zweidimensionale ortsabhängige Verzerrungsfeld<br />
u (r) ist durch die einzelnen<br />
Verschiebungsvektoren uij gegeben. Der Verschiebungsvektor<br />
uij eines Gitterpunktes<br />
( Pij) ist durch die Vektorsubtraktion von<br />
dem jeweils entsprechenden Referenzgitterpunkt<br />
( Rij) gegeben (siehe Abb. 4.7):<br />
uij = Rij − Pij<br />
(4.7)<br />
Bei der Verzerrungsfeldanalyse mittels dem<br />
DALI-Programm werden die Verschiebungsvektoren<br />
in parallel zu den Gitterlinien liegende<br />
Komponenten zerlegt (siehe Abb. 4.7).<br />
uij = u ⊥ ij + u <br />
ij<br />
(4.8)<br />
Die Abb. 4.6 c zeigt das zweidimensionale<br />
u ⊥ ij = uz (r)-Komponentenfeld, welches die<br />
Verzerrung der (Si,Ge)-Einheitszellen in<br />
Wachstumsrichtung [001] gegenüber dem<br />
Referenzgitter verdeutlicht. Zur besseren<br />
Visualisierung der Verzerrung wird die farbcodierte Darstellung des zweidimensionalen<br />
Verschiebungsfeldes gewählt (siehe Abb. 4.6 d).<br />
Für die Auswertung des Verschiebungsfeldes u ⊥ (r) in Wachstumsrichtung [001] werden<br />
alle Positionen der lokalen Maxima einer (002)-Netzebene in 110 gemittelt. Der statistische<br />
Fehler ergibt sich aus den Abweichungen der Maximapositionen vom berechneten<br />
Mittelwert. Mit dieser Vorgehensweise erhält man eine eindimensionale Darstellung der<br />
kumulativen Summe in Abhängigkeit von den (002)-Netzebenen (siehe exemplarisch die<br />
Abb. 4.9 a).<br />
Die Abb. 4.8 verdeutlicht, dass es einfacher ist, für die quantitative Auswertung eines<br />
Verschiebungsfeldes den Gradienten zu betrachten. Die Abb. 4.9 b zeigt exemplarisch die<br />
Ableitung für das in Abb. 4.9 a gegebene eindimensionale Verschiebungsfeld.<br />
Die graphische Darstellung der Ableitung enthält gegenüber der einfachen kumulativen<br />
Summe mehr Informationen zum Relaxations- und Dilatationsprozess des Materials (vgl.<br />
Abb. 4.9). Im Bereich des Referenzgebietes beträgt der Gitterparameter ai = aREF , somit<br />
ist die Ableitung nach der Glg. 4.10 Null. Die abrupte Konzentrationsänderung an der<br />
Grenzfläche zwischen dem Si-Substrat und der Si1−xGex-Insel ist in der Ableitung
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 61<br />
Abbildung 4.8: Skizzenhafte Darstellung zur Auswertung von kleinen Gitterparameterunterschieden.<br />
a) Kumulative Summe von Abweichungen: Die Gitterparameter aREF des Referenzgitters<br />
Σ (blau) werden mit dem Gitterparameter a ′<br />
i des realen Systems Σ ′<br />
(rot) verglichen. Die<br />
ortsabhängige Komponente des Verschiebungsvektors ui berechnet sich als Differenzvektor<br />
zwischen den Gitterpunkten des Systems Σ und Σ ′<br />
wie folgt:<br />
u1 = a ′<br />
<br />
1 − aREF , u2 = a ′<br />
1 + a ′<br />
<br />
2 − 2 · aREF , . . .<br />
<br />
n<br />
un = a ′<br />
<br />
j − n · aREF . (4.9)<br />
j=1<br />
b) Aus dem Gradienten ∆u des Verlaufs der kumulativen Summe u (z) innerhalb eines<br />
∆z<br />
Intervalls von ∆z-Netzebenen kann direkt die Verzerrung jeder einzelnen Einheitszelle<br />
(rot) gegenüber der Referenzeinheitszelle (blau) in z-Richtung berechnet werden. Es gilt:<br />
Ableitung: y = ∂u ∆u<br />
=<br />
∂z ∆z = un+1 − un<br />
= un+1 − un<br />
zn+1 − zn<br />
<br />
n+1<br />
= a ′<br />
n<br />
j − a ′<br />
<br />
j − [(n + 1) − n] · aREF = a ′<br />
n+1 − aREF . (4.10)<br />
j=1<br />
j=1<br />
Durch den direkten Zugang zur relativen Verschiebung mittels der Ableitung basieren die<br />
quantitativen Betrachtungen von Verschiebungsfeldern in dieser Arbeit auf der Auswertung<br />
des jeweiligen Gradientenfeldes.
62<br />
Abbildung 4.9: Betrachtung von gemittelten kumulativen Verschiebungsfeldern.<br />
a) Profil der kumulativen Summe von Abweichungen u (z).<br />
b) Ableitung der unter a) abgebildeten Funktion u (z) nach dem Ort z. In dem gelb markierten<br />
Gebiet werden die Siliziumzellen des Substrats in Wachstumsrichtung gestaucht.<br />
Im blauen Bereich findet eine Relaxation der Inselzellen statt.
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 63<br />
(Abb. 4.9 a) deutlich an dem Sprung von ymin nach ymax zu erkennen. Aus der Differenz<br />
ymax − ymin kann die Germaniumkonzentration ermittelt werden, der dafür notwendige<br />
Zusammenhang zwischen Sprunghöhe und Konzentration wird anhand von simulierten<br />
Inseln im Abschnitt 4.3.3 hergeleitet. Direkt unterhalb der Grenzfläche ist die Ableitung<br />
negativ (a ⊥ Si < a⊥ REF<br />
), da die Einheitszellen des Substrats in Wachstumsrichtung [001]<br />
unter dem Einfluss des Inselmaterials (aSi,Ge > aSi) gestaucht werden. Im Inselbereich<br />
relaxiert das Material in Richtung der freien Oberfläche. Der Relaxationsprozess in [001]<br />
kann durch die mathematische Funktion<br />
y (z) = A · e −βz + y0<br />
(4.11)<br />
approximiert werden. So wird die vollständige Relaxation der Einheitszellen weit entfernt<br />
vom Substrat-Insel-Übergang durch die Grenzwertbetrachtung mit z → ∞ beschreiben.<br />
β>0<br />
lim y (z) = y0 = ymax −<br />
z→∞ arelax<br />
(Si,Ge) − aREF<br />
2<br />
(4.12)<br />
Der Wert y0 ist gegeben durch die Differenz zwischen der Gitterkonstanten des relaxierten<br />
Gitters a relax<br />
(Si,Ge) und der des Referenzgitters aREF . Wenn man im oberen Bereich der Insel<br />
die Annahme der vollständigen Relaxation trifft, so kann die Konzentration in diesem<br />
Bereich mit der Funktion 4.11 berechnet und aus dem Graphen der Ableitung selbst<br />
entnommen werden. Die Konzentration xrelax des relaxierten Gitters berechnet sich dann<br />
wie folgt (aREF = aSi):<br />
xrelax = 2 ymax − y0<br />
aGe − aSi<br />
Hier ist ymax, wie in der Abb. 4.9 b gezeigt, der Ableitung zu entnehmen.<br />
4.3.3 Verschiedene Inselmodelle<br />
(4.13)<br />
Im Folgenden sollen nun zwei simulierte Inselmodelle mit unterschiedlichem Konzentrationsverhalten<br />
und bekanntem Germaniumgehalt anhand ihres Verspannungsfeldes ausgewertet<br />
werden.<br />
Inselmodell 1: Homogene Germaniumverteilung<br />
Zu Beginn soll die einfachste Modellvorstellung einer Si1−xGex-Insel mit einer homogenen<br />
Germaniumverteilung betrachtet werden. Ausgewertet wurden Inseln mit verschiedenen<br />
Konzentrationen: 20 at.%, 30 at.%, 35 at.% und 40 at.% Germanium. Die Graphen in<br />
der Abb. 4.10 sind die Ableitungen der kumulativen Summe der Verschiebungsvektoren<br />
für die verschiedenen Konzentrationen. Die Funktionen zeigen das für dieses Materialsystem<br />
typische Verhalten, welches sich durch die Kompression des Siliziumgitters direkt<br />
unterhalb der Si1−xGex-Insel und der Dilatation mit anschließendem Relaxationsprozess<br />
der Einheitszellen innerhalb der Insel auszeichnet.
64<br />
Abbildung 4.10: Änderung der (002)-Netzebenenabstände in Abhängigkeit von der Inselhöhe<br />
(z) für Si1−xGex-Inseln mit unterschiedlicher homogener Germaniumverteilung x.<br />
In der Tab. 4.2 sind die Ergebnisse der Auswertungen der einzelnen Ableitungen aufgeführt.<br />
Sie enthält zum einen die Differenz ∆y = ymax − ymin, welche sich durch eine<br />
direkte Proportionalität zur Germaniumkonzentration x auszeichnet. Diese Abhängigkeit<br />
wird in der Abb. 4.11 gezeigt. Durch lineare Regression unter Berücksichtigung des statistischen<br />
Fehlers ±0, 0002 für ∆y lässt sich der Zusammenhang zwischen ∆y und x wie<br />
folgt beschreiben:<br />
∆y = w · x + v (4.14)<br />
mit : w = (0, 01781 ± 0, 00135) nm<br />
v = (0, 00049 ± 0, 00043) nm .<br />
Zum anderen beinhaltet die Tab. 4.2 die Parameter zur Beschreibung des Relaxationsprozesses<br />
(nach Glg. 4.11). Die mittels der Formel 4.13 gefundenen Werte für das vollständig<br />
relaxierte Gitter stimmen sehr gut im Rahmen der Fehler mit den Ausgangskonzentrationen<br />
der Simulation überein. Die gleiche Vorgehensweise kann genutzt werden, um den<br />
Relaxationsgrad zu errechnen. So stellt man fest, dass die hier simulierten Inseln nicht den<br />
Zustand der vollständigen Relaxation erreichen. Der Relaxationsgrad der Inseln beträgt<br />
82 % für die x = 0, 20 und 73 % für x = 0, 40.
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 65<br />
x ymin, ymax, ∆y y (z) = A · e −βz + y0 xrelax (Glg. 4.13)<br />
ymin = (−0, 00065 ± 0, 0001) nm A = (0, 00988 ± 0, 00079) nm<br />
0,20 ymax = (0, 00342 ± 0, 0001) nm β = 0, 00931 ± 0, 00062 0, 1991 ± 0, 0108<br />
∆y = (0, 00407 ± 0, 0002) nm y0 = (0, 00116 ± 0, 00007) nm<br />
ymin = (−0, 00125 ± 0, 0001) nm A = (0, 00634 ± 0, 00010) nm<br />
0,30 ymax = (0, 00519 ± 0, 0001) nm β = 0, 00808 ± 0, 00038 0, 2952 ± 0, 0113<br />
∆y = (0, 00581 ± 0, 0002) nm y0 = (0, 00184 ± 0, 00008) nm<br />
ymin = (−0, 00101 ± 0, 0001) nm A = (0, 01556 ± 0, 00059) nm<br />
0,35 ymax = (0, 00571 ± 0, 0001) nm β = 0, 00872 ± 0, 00032 0, 3445 ± 0, 0108<br />
∆y = (0, 00672 ± 0, 0002) nm y0 = (0, 00180 ± 0, 00007) nm<br />
ymin = (−0, 00081 ± 0, 0001) nm A = (0, 01594 ± 0, 00076) nm<br />
0,40 ymax = (0, 00682 ± 0, 0001) nm β = 0, 00785 ± 0, 00044 0, 4115 ± 0, 0152<br />
∆y = (0, 00763 ± 0, 0002) nm y0 = (0, 00215 ± 0, 00014) nm<br />
Tabelle 4.2: Untersuchungsergebnisse der in der Abb. 4.10 gezeigten Ableitung für FEMsimulierte<br />
Si1−xGex-Inseln mit einer homogenen Germaniumverteilung x. Der Konzentrationssprung<br />
am Substrat-Insel-Übergang wird durch ∆y = ymax − ymin charakterisiert.<br />
Die Parameter A, β und y0 beschreiben nach Glg. 4.11 den Relaxationsprozess. Aus y0<br />
und ymax ergibt sich der Konzentrationswert xrelax für das vollständig relaxierte Gitter.<br />
Inselmodell 2: Konzentrationssprung bei 1/3 der Inselhöhe<br />
Das zweite Modell besteht aus zwei Inselbereichen mit homogener Germaniumverteilung,<br />
deren horizontal verlaufende Grenzfläche bei 1/3 der Inselhöhe liegt. In der Dissertationsarbeit<br />
von M. Hanke [Han02] wird dieses Modell favorisiert, da es die beste Übereinstimmung<br />
beim Vergleich von simulierten Abbildungen der diffus gestreuten Intensitäten<br />
in der Nähe des 004 Reflexes mit denen experimenteller Intensitäten um den 004 Reflex<br />
zeigt.<br />
Die Abb. 4.12 zeigt exemplarisch die Ableitung eines Verschiebungsfeldes einer FEMsimulierten<br />
Si1−xGex-Insel mit einem abrupten Konzentrationssprung bei einem Drittel<br />
der Inselhöhe. Bis zur ca. 100. (002)-Netzebene ist das Funktionsverhalten vergleichbar<br />
mit den im ersten Fall betrachteten Inseln mit vollständiger homogener Germaniumvertei-
66<br />
Abbildung 4.11: Graphischer Zusammenhang zwischen der Germaniumkonzentration x<br />
und der sprunghaften Zunahme des Verschiebungsvektors um ∆y am Übergang vom Substrat<br />
zur Insel.<br />
lung (Inselmodell 1). Nach dem ersten Maximum (ymax) beginnt der Relaxationsprozess<br />
I, welcher durch den oberen Inselbereich mit xI = xII beeinflusst wird. Mit xI < xII<br />
erfährt das Gitter der Si1−xI GexI -Schicht direkt unterhalb des Bereichs II mit xII eine<br />
Kompression in Wachstumsrichtung (vgl. Abb. 4.12 gelber Bereich). Die anschließende<br />
Dilatation des Si1−xII GexII -Gitters und der Relaxationsprozess II stehen in Wechselwirkung<br />
mit dem Relaxationsprozess I.<br />
Ausgewertet wurden zwei Inseln mit dem oben beschriebenen Zusammensetzungsverhalten<br />
(1. Insel: xI = 0, 20 → xII = 0, 30; 2. Insel: xI = 0, 25 → xII = 0, 30). Die Tabelle<br />
4.3 enthält die anhand der Ableitungen gemessenen Werte. Die Parameter AI,II, βI,II<br />
und y0,I,II beschreiben die Relaxationsprozesse, wobei y0,I,II nach Glg. 4.13 genutzt wird,<br />
um die Germaniumkonzentration des relaxierten Gitters auszurechnen. Vergleicht man<br />
die Ergebnisse dieser Rechnung mit den Ausgangskonzentrationen, so stellt man einen<br />
großen Unterschied zwischen diesen Werten fest. Zum einen liegt das an der auf diesem<br />
Weg nicht beschreibbaren Wechselwirkung zwischen den beiden Relaxationsprozessen.<br />
Zum anderen ist der Bereich I sehr klein, so dass die Ergebnisse der Interpolation für<br />
den Relaxationsprozess I unzureichend sind. Im Gegensatz dazu erhält man aus den Differenzen<br />
ymax,I,II − ymin,I,II unter Benutzung der Glg. 4.14 Konzentrationen, welche im<br />
Rahmen ihrer Fehler gut mit den Ausgangswerten x übereinstimmen. Aus ymax,II −ymin,II<br />
wird der Konzentrationsunterschied zwischen den zwei Inselbereichen berechnet. Durch<br />
Summation der aus den Sprüngen ermittelten Konzentrationen erhält man den absoluten<br />
Germaniumanteil im oberen Inselbereich.
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 67<br />
Abbildung 4.12: Exemplarische Betrachtung der Ableitung eines Verschiebungsfeldes einer<br />
FEM-simulierten Si1−xGex-Insel mit einem abrupten Konzentrationssprung bei ein Drittel<br />
der Inselhöhe. Im unteren Drittel liegt eine homogene Germaniumverteilung von xI und im<br />
oberen Bereich ein homogen verteilter Germaniumanteil von xII vor (xI < xII). (Graphik<br />
zeigt den Übergang von xI = 0, 20 nach xII = 0, 30).<br />
4.3.4 Auswertung von realen Inseln<br />
Im Folgenden sollen nun die aus den Untersuchungen von FEM-simulierten (Si,Ge)-Inseln<br />
gewonnenen Erkenntnisse des Zusammenhanges zwischen den Verschiebungsvektoren und<br />
den Konzentrationen auf die Auswertung von realen Inseln angewandt werden.<br />
Probe: 1090; ω = 117 nm<br />
Die quantitative Verzerrungsfeldanalyse für die Inseln der Probe 1090 gelang exemplarisch<br />
an der in Abb. 4.13 a gezeigten HRTEM-Aufnahme. Der analysierte Bereich der HRTEM-<br />
Abbildung liegt etwas azentrisch und ist durch das ebenfalls in der Abb. 4.13 a mit ab-
68<br />
Tabelle 4.3: Untersuchungsergebnisse der Ableitung für FEM-simulierte Si1−xGex-Inseln mit einem Konzentrationssprung<br />
von xI → xII bei einer Inselhöhe 1/3. Der Konzentrationssprung am Substrat-Insel-Übergang wird durch<br />
∆yI = ymax,I − ymin,I charakterisiert. Den Index II tragen die Werte, die aus dem Übergang xI → xII gemessen wurden.<br />
Die Parameter AI,II, βI,II und y0,I,II beschreiben nach Glg. 4.11 den Relaxationsprozess. Aus y0 und ymax ergibt sich der<br />
Konzentrationswert xrelax für das vollständig relaxierte Gitter. Mit Hilfe der Glg. 4.14 kann x (∆y) aus der Änderung des<br />
Verschiebungsvektors von ymin,II nach ymax,II der Konzentrationssprung (blaue Werte) bzw. der absolute Konzentrationswert<br />
im oberen Inselbereich durch Summation errechnet werden.<br />
ymin,II = (0, 00280 ± 0, 0001) nm AII = (0, 08956 ± 0, 05602) nm 0, 0084 ± 0, 0266<br />
xII = 0, 30 ymax,II = (0, 00344 ± 0, 0001) nm βII = 0, 01827 ± 0, 00290 0, 1911 ± 0, 0079 0, 2532 ± 0, 0591<br />
∆yII = (0, 00064 ± 0, 0002) nm y0,II = (0, 00217 ± 0, 00009) nm<br />
↓ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
ymin,I = (−0, 00078 ± 0, 0001) nm AI = (0, 07851 ± 0, 06008) nm<br />
xI = 0, 25 ymax,I = (0, 00407 ± 0, 0001) nm βI = 0, 02854 ± 0, 00566 0, 2643 ± 0, 009 0, 2448 ± 0, 0325<br />
∆yI = (0, 00485 ± 0, 0002) nm y0,I = (0, 00300 ± 0, 00011) nm<br />
ymin,II = (0, 00184 ± 0, 0001) nm AII = (0, 02657 ± 0, 00364) nm 0, 0763 ± 0, 0273<br />
xII = 0, 30 ymax,II = (0, 00369 ± 0, 0001) nm βII = 0, 01821 ± 0, 00097 0, 1524 ± 0, 0026 0, 2643 ± 0, 0575<br />
∆yII = (0, 00185 ± 0, 0002) nm y0,II = (0, 00173 ± 0, 00003) nm<br />
↓ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
ymin,I = (−0, 00108 ± 0, 0001) nm AI = (0, 00394 ± 0, 00270) nm<br />
xI = 0, 20 ymax,I = (0, 00276 ± 0, 0001) nm βI = 0, 01284 ± 0, 03086 0, 1163 ± 0, 2308 0, 1880 ± 0, 0302<br />
∆yI = (0, 00384 ± 0, 0002) nm y0,I = (0, 00132 ± 0, 00262) nm<br />
xI → xII ymin, ymax, ∆y y (z) = A · e −βz + y0 xrelax (Glg. 4.13) x (∆y) (Glg. 4.14)
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 69<br />
Abbildung 4.13: Verzerrungsfeldanalyse uz (r) in [001] einer (Si,Ge)-Insel der Probe: 1090<br />
a) HRTEM-Abbildung (Einstrahlrichtung in [110]) mit farbcodiertem zweidimensionalem<br />
Verzerrungsfeld (REF markiert das Referenzgebiet).<br />
b) Ableitung der Verschiebungsvektoren in [001] mit einer Unterteilung in I- bis V II-<br />
Bereiche, deren Grenzwerte zur Bestimmung der Germaniumkonzentration genutzt werden<br />
(siehe Tab. 4.4). Im unteren Bereich der Graphik enthält diese zum Zweck der besseren<br />
Orientierung noch einmal das zweidimensionale farbcodierte Verschiebungsfeld aus der<br />
Abb. a).
70<br />
Abbildung 4.14: Aus dem Verschiebungsfeld der (002)-Netzebenen ermittelte Germaniumkonzentrationen<br />
xabsolut der Probe 1090 in Abhängigkeit von der Inselhöhe z.<br />
gebildete, farbcodiert dargestellte, zweidimensionale Verschiebungsfeld uz (r) markiert.<br />
Die Abb. 4.13 b zeigt die partielle Ableitung y = ∂u des Verschiebungsfeldes in Richtung<br />
∂z<br />
z = [001]. Die Ableitung wurde in die Bereiche I bis V II unterteilt (siehe Abb. 4.13 b).<br />
Anhand der an den Intervallgrenzen liegenden lokalen Extremwerten ymin,i und ymax,i<br />
(i = I bis V II) wurde die Bestimmung der Germaniumkonzentration innerhalb der Insel<br />
vorgenommen. Die Elektroneneinstrahlrichtung [110] ist identisch mit der der Modellbetrachtungen,<br />
so dass die Erkenntnisse aus den Vorbetrachtungen an den simulierten<br />
Inseln ohne Modifikation übernommen werden konnten. Die Auswertung basierte auf der<br />
Differenz ∆y = ymax − ymin und dem in der Glg. 4.14 zwischen ∆y und x gegebenen Zusammenhang.<br />
Den absoluten Germaniumanteil xabsolut eines Bereiches erhält man durch<br />
Summation der Konzentrationsanteile der darunterliegenden Abschnitte.<br />
In der Abb. 4.14 sind die in der Tab. 4.4 aufgeführten berechneten absoluten Germaniumkonzentrationen<br />
xabsolut graphisch in Abhängigkeit vom Ort z bzw. von der Inselhöhe h<br />
gegeben. Die Messunsicherheit in Wachstumsrichtung ist durch die Intervallbreite der<br />
einzelnen Bereiche (I bis V II) definiert. Die Ergebnisse der quantitativen HRTEM-<br />
Auswertungen zeigen, dass die Insel in zwei Bereiche unterteilbar ist (siehe Abb. 4.14). Im<br />
unteren Teil der Insel ist der Bereich I○, welcher durch den Anstieg des Germaniumanteils<br />
x in [001] charakterisiert ist. Im Bereich ○II ist keine Änderung der Probenzusammensetzung<br />
zu verzeichnen. Im oberen Teil der Insel beträgt die Germaniumkonzentration<br />
x = 0, 3133 ± 0, 0707.<br />
Die Wichtung der einzelnen Konzentrationen mit dem Volumen der jeweiligen Bereiche<br />
ergibt für die Probe 1090 einen gemittelten Germaniumgehalt von x = 0, 1671 ± 0, 0174.
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 71<br />
Bereich ymin, ymax, ∆y ∆x (∆y) (Glg. 4.14) xabsolut<br />
ymin = (−0, 00008 ± 0, 00001) nm<br />
I ymax = (0, 00254 ± 0, 0001) nm (0, 1196 ± 0, 0264) (0, 1196 ± 0, 0264)<br />
∆y = (0, 00262 ± 0, 0001) nm<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
ymin = (0, 00129 ± 0, 0001) nm<br />
II ymax = (0, 00174 ± 0, 0001) nm (−0, 0022 ± 0, 0266) (0, 1174 ± 0, 0375)<br />
∆y = (0, 00045 ± 0, 0002) nm<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
ymin = (0, 00152 ± 0, 0001) nm<br />
III ymax = (0, 00308 ± 0, 0001) nm (0, 0601 ± 0, 0271) (0, 1775 ± 0, 0463)<br />
∆y = (0, 00156 ± 0, 0002) nm<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
ymin = (0, 00215 ± 0, 0001) nm<br />
IV ymax = (0, 00320 ± 0, 0001) nm (0, 0314 ± 0, 0267) (0, 2089 ± 0, 0534)<br />
∆y = (0, 00105 ± 0, 0002) nm<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
ymin = (0, 00097 ± 0, 0001) nm<br />
V ymax = (0, 00220 ± 0, 0001) nm (0, 0415 ± 0, 0268) (0, 2504 ± 0, 0597)<br />
∆y = (0, 00123 ± 0, 0002) nm<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
ymin = (0, 00201 ± 0, 0001) nm<br />
V I ymax = (0, 00361 ± 0, 0001) nm (0, 0623 ± 0, 0270) (0, 3127 ± 0, 0655)<br />
∆y = (0, 00160 ± 0, 0002) nm<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
ymin = (0, 00318 ± 0, 0001) nm<br />
V II ymax = (0, 00368 ± 0, 0001) nm (0, 0006 ± 0, 0266) (0, 3133 ± 0, 0707)<br />
∆y = (0, 00050 ± 0, 0002) nm<br />
Tabelle 4.4: Quantitative HRTEM-Auswertung der in der Abb. 4.13 a gezeigten Si1−xGex-<br />
Insel.<br />
Probe: 1005; ca. ω = 90 nm<br />
Die Ergebnisse der quantitativen HRTEM-Analyse von Si1−xGex-Inseln der Probe 1005<br />
sollen in diesem Abschnitt exemplarisch an der in der Abb. 4.15 a gezeigten Insel diskutiert<br />
werden. Der in der Übersichtsaufnahme (Abb. 4.15 a) rot umrandete Bereich<br />
markiert das Gebiet der HRTEM-Aufnahme. Ein Teilbereich dieses Areals und das farbcodierte<br />
Verzerrungsfeld bezüglich der Richtung [001] sind in Abb. 4.15 b abgebildet. Aufgrund<br />
der Probenorientierung in [100] bezieht sich die Verschiebungsfeldanalyse auf die<br />
(004)-Netzebenenabstände. Die Auswertung der Änderung der (004)-Netzebenenabstände<br />
erfolgt analog der qHRTEM-Analyse der Probe 1090.
72<br />
Abbildung 4.15: Verzerrungsfeldanalyse uz (r) in [001] einer (Si,Ge)-Insel der Probe: 1005<br />
a) [100]-Übersichtsaufnahme des Inselrestes.<br />
b) HRTEM-Abbildung mit farbcodiertem zweidimensionalem Verzerrungsfeld (REF markiert<br />
das Referenzgebiet).<br />
c) Analysierter Bereich der HRTEM-Aufnahme mit Kontrastmusteränderung im grün<br />
markierten Gebiet.<br />
d) Ableitung der Verschiebungsvektoren in [001] mit einer Unterteilung in die Bereiche<br />
I bis V III, deren Intervallgrenzwerte zur Bestimmung der Germaniumkonzentration genutzt<br />
werden (siehe Tab. 4.5).
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 73<br />
Bereich ymin, ymax, ∆y ∆x (∆y) (Glg. 4.14) xabsolut<br />
ymin = (−0, 00003 ± 0, 00001) nm<br />
I ymax = (0, 00352 ± 0, 0001) nm (0, 1718 ± 0, 0280) (0, 1718 ± 0, 0280)<br />
∆y = (0, 00355 ± 0, 0001) nm<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
ymin = (0, 00257 ± 0, 0001) nm<br />
II ymax = (0, 00419 ± 0, 0001) nm (0, 0633 ± 0, 0271) (0, 2351 ± 0, 0390)<br />
∆y = (0, 00162 ± 0, 0002) nm<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
ymin = (0, 00242 ± 0, 0001) nm<br />
III ymax = (0, 00423 ± 0, 0001) nm (0, 0742 ± 0, 0272) (0, 3093 ± 0, 0475)<br />
∆y = (0, 00181 ± 0, 0002) nm<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
ymin = (0, 00269 ± 0, 0001) nm<br />
IV ymax = (0, 00425 ± 0, 0001) nm (0, 0602 ± 0, 0270) (0, 3695 ± 0, 0546)<br />
∆y = (0, 00156 ± 0, 0002) nm<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
ymin = (0, 00207 ± 0, 0001) nm<br />
V ymax = (0, 00288 ± 0, 0001) nm (0, 0181 ± 0, 0285) (0, 3876 ± 0, 0616)<br />
∆y = (0, 00081 ± 0, 0002) nm<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
ymin = (0, 00285 ± 0, 0001) nm<br />
V I ymax = (0, 00405 ± 0, 0001) nm (0, 0401 ± 0, 0285) (0, 4277 ± 0, 0679)<br />
∆y = (0, 00120 ± 0, 0002) nm<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
ymin = (0, 00351 ± 0, 0001) nm<br />
V II ymax = (0, 00386 ± 0, 0001) nm (−0, 0083 ± 0, 0266) (0, 4194 ± 0, 0729)<br />
∆y = (0, 00050 ± 0, 0002) nm<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
ymin = (0, 00325 ± 0, 0001) nm<br />
V III ymax = (0, 00381 ± 0, 0001) nm (0, 0040 ± 0, 0266) (0, 4234 ± 0, 0776)<br />
∆y = (0, 00056 ± 0, 0002) nm<br />
Tabelle 4.5: Quantitative HRTEM-Auswertung des in der Abb. 4.15 a, b gezeigten<br />
Si1−xGex-Inselrestes.<br />
Die Ableitung des kumulativen Verschiebungsfeldes in Richtung [001] ist in der Abb. 4.15 d<br />
dargestellt. In Analogie zu den Betrachtungen an der Probe 1090 wurde hier ebenfalls<br />
eine Unterteilung der Ableitung in die Bereiche I bis V III vorgenommen. Oberhalb des<br />
Bereiches V III ist keine quantitative Betrachtung möglich, da ein Artefakt in Form einer<br />
Kontrastmusteränderung die Auswertung nicht ermöglicht (siehe grün markierter Bereich<br />
in dem analysierten HRTEM-Bereich der Abb. 4.15 c). Diese Musteränderung hat seine
74<br />
Abbildung 4.16: Aus dem Verschiebungsfeld der (004)-Netzebenen ermittelte Germaniumkonzentrationen<br />
xabsolut der Probe 1005 in Abhängigkeit von der Inselhöhe z.<br />
Ursache in einer Dickenvariation in Richtung [100], was einer Defokussierung entspricht.<br />
Die für die weiteren Rechnungen notwendigen Werte der analysierbaren Bereiche I bis<br />
V III sind in der Tab. 4.5 aufgeführt.<br />
Die berechneten Germaniumkonzentrationen xabsolut sind in Abhängigkeit von der Inselhöhe<br />
in der Abb. 4.16 graphisch dargestellt. Auch hier kann - ähnlich wie bei den<br />
Konzentrationsbetrachtungen der Probe 1090 (Abb. 4.14) - die Insel in zwei Bereiche<br />
unterteilt werden. Bereich I○ entspricht dem Bereich der Inselbasis bis zu einer Höhe<br />
von ca. 10 nm. Ab dieser Inselhöhe bleibt die Zusammensetzung der Si1−xGex-Insel mit<br />
xabsolut ≈ 0, 42 konstant. Extrapoliert man den in der Abb. 4.15 a gezeigten Inselrest auf<br />
eine vollständige Insel mit einer Basisbreite von ca. 90 nm (siehe Tab. 4.1) und einer Höhe<br />
von ca. 45 nm, so liegt der Übergang von I○ zu ○II bei ca. einem Viertel der Inselhöhe.<br />
Probe: 1078<br />
Die Bestimmung der Germaniumkonzentration mittels der bisher angewendeten Verzerrungsfeldanalyse<br />
gestaltet sich für große Inseln - wie sie in der Probe 1078 zu finden sind<br />
- als nicht realisierbar. Der Grund für das Scheitern ist die sehr starke Dickenabnahme<br />
der Inseln von der Basis zum oberen Inselbereich. Die Dickenänderung bewirkt aus<br />
elektronenmikroskopischer Sicht eine Defokussierung. Zur Realisierung der für die Verzerrungsfeldanalyse<br />
notwendige Auflösung dürfen die Defokuswerte nur innerhalb des von<br />
den Mikroskopparametern abhängigem Intervall von ∆f2 bis ∆f1 liegen. Ist dies nicht<br />
der Fall, beeinflussen Kontrastinversionen das HRTEM-Bild in Form von Kontrastmusteränderungen.<br />
Die Berechnung der Werte ∆f1,2 für das TEM <strong>Ph</strong>ilips CM 200 FEG mit
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 75<br />
Cs-Korrektor ist im Anhang B in Abhängigkeit von der Einstrahlrichtung gegeben. Bei<br />
einer Probenorientierung in [110] ist das Defokusintervall am größten. Dies gilt unter der<br />
Voraussetzung, dass nur der für die Verschiebungsfeldanalyse notwendige ” dumbbell“-<br />
“dumbbell“-Abstand aufgelöst werden soll (siehe Abb. B.1.a2 im Anhang B). Mit einer<br />
Probenorientierung in [110] darf die Dickenänderung des Objekts über den zu analysierenden<br />
Bereich den Wert ∆t = 88 nm nicht überschreiten.<br />
Damit die Bestimmung der Germaniumkonzentration innerhalb großer Si1−xGex-Inseln<br />
gelingt, wurde parallel zur Verzerrungsfeldanalyse das analytische Verfahren der Röntgenspektroskopie<br />
gewählt. Die Auswertung der energiedispersiven Röntgenspektren gestaltete<br />
sich aufgrund der Objektdicke ebenfalls als problematisch. Für die Berechnung des<br />
Germaniumgehaltes musste daher im Rahmen dieser Arbeit aus bekannten Auswertungsverfahren<br />
eine modifizierte Methode zur Konzentrationsbestimmung entwickelt werden.<br />
Auf diese Methode und ihre Besonderheiten wird nun im Folgenden näher eingegangen.<br />
4.4 Quantitative Auswertung von energiedispersiven<br />
Röntgenspektren (EDXS)<br />
Für die Bestimmung von Elementkonzentrationen mittels der innerhalb des Untersuchungsobjekts<br />
generierten Röntgenquanten müssen zuerst aus dem detektierten Spektrum<br />
die Nettointensitäten der charakteristischen Röntgenlinien berechnet werden. Hierfür muss<br />
der durch die Bremsstrahlung bedingte störende Untergrund ermittelt und vom Spektrum<br />
subtrahiert werden. Danach erfolgt die Berechnung der Nettointensitäten aus dem<br />
” Nettospektrum“ mittels Anpassung von Gauß-Kurven an die Linienform der einzelnen<br />
Röntgenlinien und die anschließende Berechnung der Fläche der Peaks. Der Untergrundabzug<br />
und die Bestimmung der Nettointensitäten werden durch Routinen realisiert, die<br />
im EDX-Programm (Firma KEVEX) integriert sind.<br />
Bei hinreichend dünnen Objekten (z.B. TEM-Proben von ca. 100 nm Dicke) besteht in<br />
erster Näherung eine direkte Proportionalität zwischen den generierten Röntgenquanten<br />
und der Elementkonzentration. Daher kann das Konzentrationsverhältnis cA/cB zweier<br />
Elemente A und B aus dem Verhältnis der Nettosignale IA und IB der jeweiligen Linienintensitäten<br />
nach<br />
cA<br />
cB<br />
= kA IA<br />
kB IB<br />
(4.15)<br />
bestimmt werden. Hierbei sind kA und kB die Cliff-Lorimer-Faktoren des Detektorsystems<br />
bezüglich der jeweiligen Röntgenquanten.<br />
Bei dickeren Proben dürfen Effekte wie Absorption der Röntgenquanten, Rückstreuung<br />
und Fluoreszenz nicht vernachlässigt werden. Die Grenzschichtdicke tmax, bei der die Konzentrationsberechnung<br />
nach Glg. 4.15 vorgenommen werden kann, ist durch das Kriterium
76<br />
Silizium : Germanium :<br />
ZSi = 14 ZGe = 32<br />
aSi = 5, 431 ˚A aGe = 5, 658 ˚A<br />
ASi = 28, 0855 g<br />
AGe = 72, 6100 mol g<br />
mol<br />
Massenabsorptionskoeffizienten<br />
µ<br />
ρ<br />
<br />
in cm2<br />
g :<br />
in Si in Ge<br />
Si-Kα : Ec = 1, 84 keV 325 4470<br />
Ge-Kα : Ec = 11, 10 keV 32, 7 38, 9<br />
Si1−xGex Si-Kα Ge-Kα<br />
<br />
<br />
µ<br />
µ<br />
x ZSiGe ASiGe aSiGe ρ<br />
tmax<br />
ρ<br />
ρ<br />
˚A<br />
nm<br />
g<br />
mol<br />
g<br />
cm 3<br />
0 14,0 28,086 5,431 2,329 325,0 549 32,70 -<br />
0,1 15,8 32,538 5,454 2,665 739,5 211 33,32 4683<br />
0,2 17,6 36,990 5,476 2,992 1154,0 120 33,94 4095<br />
0,3 19,4 41,443 5,499 3,311 1568,5 80 34,56 3634<br />
0,4 21,2 45,895 5,522 3,621 1983,0 58 35,18 3264<br />
0,5 23,0 50,348 5,545 3,924 2397,5 44 35,80 2960<br />
0,6 24,8 54,800 5,567 4,219 2812,0 35 36,42 2706<br />
0,7 26,6 59,253 5,590 4,507 3226,5 29 37,04 2491<br />
0,8 28,4 63,705 5,613 4,787 3641,0 24 37,66 2307<br />
0,9 30,2 68,158 5,635 5,059 4055,5 20 38,28 2147<br />
1 32,0 72,610 5,658 5,325 4470,0 - 38,90 2007<br />
Tabelle 4.6: Berechnung der maximalen Probendicke tmax von Si1−xGex in Abhängigkeit<br />
von der Germaniumkonzentration x, bei der das Dünnfilmkriterium Glg. 4.16 erfüllt ist.<br />
Ec ist die jeweilige Energie der Si- bzw. Ge-Kα-Strahlung.<br />
von Goldstein [Gol77] (Glg. 4.16) gegeben. Dabei wird eine maximale Konzentrationsungenauigkeit<br />
von 10 % angenommen:<br />
j 1 µ<br />
· ρ · tmax < 0, 1 (4.16)<br />
2sinϕ ρ<br />
Si1−xGex<br />
j j j µ<br />
µ<br />
µ<br />
mit :<br />
= (1 − x) + x<br />
;<br />
ρ<br />
ρ<br />
ρ<br />
Si1−xGex<br />
Si<br />
Ge<br />
j µ<br />
ist der Massenabsorptionskoeffizient der Röntgenlinie j innerhalb der Probe.<br />
ρ<br />
P robe<br />
In der Tabelle 4.6 sind die für die Si-Kα- und die Ge-Kα-Linie für Si1−xGex nach dem<br />
Goldstein-Kriterium berechneten kritischen Probendicken tmax in Abhängigkeit von der<br />
Germaniumkonzentration x aufgeführt. Die maximal zulässige Dicke wird immer durch<br />
den kleineren von beiden Werten determiniert. Somit gibt die Si-Kα-Linie die tmax-Werte<br />
g<br />
cm 2<br />
g<br />
cm 2<br />
tmax<br />
nm
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 77<br />
vor. Die Ergebnisse der Tab. 4.6 weisen auf eine exponentielle Abhängigkeit zwischen<br />
der Germaniumkonzentration x und der kritischen Probendicke tmax hin. So beträgt die<br />
kritische Dicke für die Si-Kα-Linie bei reinem Silizium ca. 549 nm. Steigt die Germaniumkonzentration<br />
auf 10 at.% an, so nimmt die maximale Probendicke auf 211 nm ab. Bei<br />
x = 0, 2 halbiert sich der Wert für die kritische Probendicke tmax gegenüber der Probenzusammensetzung<br />
mit x = 0, 1.<br />
Ab einer Probendicke von größer als tmax müssen bei der Konzentrationsbestimmung<br />
die genannten Effekte (Absorption der Röntgenquanten, Rückstreuung von Elektronen<br />
und Fluoreszenz) berücksichtigt werden. In der Regel erfolgt die Bestimmung von Konzentrationen<br />
mit Hilfe von Eichstandards. Existieren keine Standards, bedient man sich<br />
standardloser Verfahren, wie der so genannten ZAF-Korrektur (Z=Ordnungszahlfaktor,<br />
A=Absorptionsfaktor, F=Fluoreszenzfaktor). Bei diesem Verfahren errechnet sich das<br />
Linienintensitätsverhältnis ki aus der gesuchten Konzentration und den dazugehörigen<br />
ZAF-Korrekturfaktoren :<br />
ci = (Z · A · F ) i ki . (4.17)<br />
Hierbei ist ki das Verhältnis Ii/I(i) der registrierten Röntgenquanten des Elements i vom<br />
Stoffgemisch und einem Eichstandard (i) bestehend aus dem reinem Stoff i. Da das Produkt<br />
Z · A · F der Korrekturfaktoren seinerseits wiederum von der Konzentration ci<br />
abhängt, ist ein Iterationsverfahren notwendig, um ci bestimmen zu können. Dabei wird<br />
die hyberbolische Approximation der Konzentration c gegenüber k ausgenutzt.<br />
Die Hauptaufgabe der ZAF-Korrekturrechnung besteht in der Ermittlung der einzelnen<br />
Faktoren (Z,A und F). Die in der Literatur (z.B. [Gol81]) beschriebenen und mit der<br />
KEVEX-Software verfügbaren Routinen zur ZAF-Korrektur gelten nur für unendlich dicke<br />
Proben und für Beschleunigungsspannungen unter 50 kV , also Rasterelektronenmikroskopie<br />
(REM)-Bedingungen. Da die untersuchten Proben elektronentransparent sind, haben<br />
sie eine endliche Dicke t, welche insbesondere bei der Berechnung des Absorptionskorrekturfaktors<br />
A berücksichtigt werden muss. Bei der Ordnungszahlkorrektur Z darf die gegenüber<br />
REM-Bedingungen höhere Primärstrahlenergie von 200 keV nicht vernachlässigt<br />
werden. Die im Rahmen der vorliegenden Arbeit entwickelten Modifikationen zur ZAF-<br />
Korrektur für eine Beschleunigungsspannung von 200 kV und für endliche Probendicken,<br />
aber t > tmax, werden in den nächsten Abschnitten eingehend beschrieben.
78<br />
Abbildung 4.17: Absorptionsweg in Abhängigkeit von der Probengeometrie.<br />
a) Absorptionsweg durch die Probe bei senkrechtem Primärstrahleinfall und einem Detektorwinkel<br />
ψ<br />
b) Absorptionsweg durch eine um einen Winkel ω gekippte Probe. Diese Darstellung gilt<br />
auch für den Absorptionsweg durch ein dreidimensionales Objekt mit einem Facettenwinkel<br />
α.<br />
4.4.1 Absorptionskorrektur / Absorptionsfaktor A<br />
Die erzeugten Röntgenquanten werden auf dem Weg durch die Probe absorbiert. Daher<br />
nimmt die Anzahl der detektierten Röntgenquanten ab. Die Weglänge P der Röntgenquanten<br />
in Richtung zum Detektor hängt von der Probengeometrie und dem Detektorwinkel ψ<br />
ab. Der Röntgenabnahmewinkel ψ sollte bezüglich der Absorption für alle Röntgenspektrometer<br />
so groß wie möglich sein. Der Absorptionsweg P für den Fall des senkrecht zur<br />
Oberfläche einfallenden Primärstrahls ergibt sich nach der Skizze (a) in Abb. 4.17 zu<br />
P = z<br />
sinψ<br />
. (4.18)<br />
Wird die Probe, wie in Abbildung 4.17b zu sehen ist, zum Detektor um den Winkel ω hin<br />
gekippt, so muss die Gleichung 4.18 zu:<br />
P =<br />
z<br />
cosψ (tanω + tanψ) =<br />
z<br />
cosψ 1 + tanψ<br />
tanα (4.19)<br />
modifiziert werden. Die gleiche Überlegung gilt für die Untersuchung von facettierten Objekten<br />
mit einem Facettenwinkel α.<br />
Ohne Berücksichtigung der Absorption kann die Intensität dIi einer für ein Element i<br />
charakteristischen Röntgenlinie, welche in Schichten mit der Dicke dz und der Dichte ρ<br />
generiert wird, durch<br />
dIi = ciΦ (ρz) d (ρz) (4.20)
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 79<br />
mit Φ (ρz) als Tiefenverteilungsfunktion der Primärelektronen bezüglich der Massendichte<br />
(ρz) und ci als Massenanteil des Elements i beschrieben werden. Die Intensität der über<br />
die gesamte Probendicke t generierten Röntgenquanten ergibt sich zu<br />
Ii = ci<br />
t<br />
0<br />
Φ (ρz) d (ρz) . (4.21)<br />
Die Absorption innerhalb der Probe muss jedoch bei der Detektion der Röntgenintensität<br />
berücksichtigt werden. Die abgeschwächte Intensität dI ′<br />
µ und die Absorptionsweglänge P bestimmt<br />
wird durch den Absorptionsfakor<br />
dI ′<br />
= dI · exp −µP <br />
µ<br />
= dI · exp − P ρ<br />
ρ<br />
. (4.22)<br />
Die gesamte Intensität aus einer Probe der Dicke t errechnet sich dann unter Berücksichtigung<br />
der Absorption zu<br />
I ′<br />
t <br />
µ<br />
i = ci Φ (ρz) exp − P ρ d (ρz) . (4.23)<br />
0<br />
ρ i<br />
Hier ist (µ/ρ) i der Massenabsorptionskoeffizient der Röntgenlinie des Elements i innerhalb<br />
der Probe. Für zusammengesetzte Proben ergibt sich der Massenabsorptionskoeffizient<br />
(µ/ρ) i aus der Summe der mit den Konzentrationen cj gewichteten Massenabsorptions-<br />
koeffizienten der reinen Elemente.<br />
<br />
µ<br />
ρ<br />
i<br />
= <br />
j<br />
cj<br />
<br />
µ<br />
ρ ij<br />
(4.24)<br />
Der Parameter (µ/ρ) ij ist der Massenabsorptionskoeffizient der charakteristischen Röntgenstrahlung<br />
des Elements i durch das Element j.<br />
Die Funktion Φ (ρz) in der Glg. 4.23 beschreibt die Verteilung der Primärelektronen in<br />
Abhängigkeit von der Eindringtiefe. Innerhalb dieses durch die Funktion Φ (ρz) begrenzte<br />
Volumen - dem Anregungsvolumen - werden die Röntgenquanten generiert. Die Form der<br />
Funktion sieht für alle Elemente nahezu gleich aus. Für dünne Proben kann die Tiefenverteilung<br />
in der Probe durch die zweidimensionale Elektronendichteverteilungsfunktion<br />
j (r, z) (siehe Glg. 4.31) beschrieben werden. Für die Herleitung der Funktion j (r, z) wird<br />
zunächst die Elektronendichteverteilung j0 (x, y) des Primärelektronenstrahls durch eine<br />
zweidimensionale Gaußverteilung angenommen. Diese besteht aus zwei Gaußfunktionen<br />
f (x) und f (y) mit den Standardabweichungen σx und σy.<br />
j0 (x, y) = f (x) · f (y) =<br />
=<br />
1<br />
2πσxσy<br />
1<br />
√ exp<br />
2πσx<br />
<br />
exp − 1<br />
2 x<br />
2 σ2 +<br />
x<br />
y2<br />
σ2 y<br />
<br />
− x2<br />
<br />
2σ 2 x<br />
<br />
<br />
1<br />
· √ exp −<br />
2πσy<br />
y2<br />
2σ2 <br />
y<br />
(4.25)
80<br />
Das Ersetzen der kartesischen Koordinaten x, y durch Polarkoordinaten (x = r ·cosϕ, y =<br />
r · sinϕ) mit r 2 = x 2 + y 2 und der Annahme eines symmetrischen Primärelektronenstrahls<br />
(σx = σy = σ) vereinfacht die Beziehung 4.25 zu:<br />
j0 (r) = 1<br />
exp<br />
2πσ2 <br />
− r2<br />
2σ 2<br />
<br />
. (4.26)<br />
Die Variable r im Exponenten ist die Radialkoordinate der Elektronenverteilung. Das<br />
Maximum der Funktion j0 (r) liegt im Zentrum bei r = 0 und σ ist der Abstand vom Zentrum<br />
zu den Wendepunkten, dieser entspricht dem Radius des Primärelektronenstrahls.<br />
Das Volumen unter der Fläche j0 (r) muss die Gesamtintensität I0 des Elektronenstrahls<br />
ergeben. Somit muss die folgende Normierungsbedingung erfüllt sein.<br />
<br />
mit : dA =<br />
<br />
<br />
∂(x,y)<br />
∂(r,ϕ)<br />
<br />
<br />
drdϕ = <br />
<br />
j0 (r) dA<br />
A<br />
! = I0<br />
∂x<br />
∂r<br />
∂x<br />
∂ϕ<br />
∂y<br />
∂r<br />
∂y<br />
∂ϕ<br />
= r · cos 2 ϕ + r · sin 2 ϕdrdϕ = r · drdϕ<br />
(4.27)<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
drdϕ = cosϕ sinϕ <br />
<br />
−r<br />
· sinϕ r · cosϕ<br />
drdϕ (4.28)<br />
Der Normierungsfaktor N berechnet sich wie folgt:<br />
I0<br />
!<br />
=<br />
<br />
2π ∞<br />
N j0 (r) dA = N<br />
A<br />
0 0<br />
1<br />
<br />
exp −<br />
2πσ2 r2<br />
2σ2 =<br />
<br />
r drdϕ<br />
∞<br />
2π N<br />
0<br />
1<br />
<br />
exp −<br />
2πσ2 r2<br />
2σ2 <br />
r dr = 2πN 1<br />
2πσ2 1<br />
2 1<br />
2σ2 = N (4.29)<br />
Die normierte Elektronendichteverteilungsfunktion<br />
j0 (r) = I0<br />
exp<br />
2πσ2 <br />
− r2<br />
2σ 2<br />
<br />
(4.30)<br />
ist in der Abb. 4.18 graphisch dargestellt.<br />
Die folgenden Rechnungen für die Ermittlung des Absorptionsfaktors beruhen auf der von<br />
Diog 1981 ([Doi81]) aufgestellten tiefenabhängigen zweidimensionalen Elektronendichteverteilungsfunktion<br />
j (r, z).<br />
<br />
<br />
j (r, z) =<br />
I0<br />
2π σ 2 + 1<br />
2 βz3exp<br />
−<br />
r 2<br />
2 σ 2 + 1<br />
2 βz3<br />
(4.31)<br />
Für den Fall z = 0 erhält man die gaußförmige Elektronendichteverteilung j0 (r) des<br />
Primärelektronenstrahls. Der Einfluss der Eindringtiefe z wird durch die Standardabweichung<br />
Σ (z) berücksichtigt.<br />
Σ (z) =<br />
<br />
σ 2 + 1<br />
2 βz3 (4.32)
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 81<br />
Abbildung 4.18: Elektronendichteverteilungsfunktion j0 (r) des Primärelektronenstrahls<br />
mit einer Varianz σ 2 = 1 nm. Dies entspricht einem Strahldurchmesser von 2 nm.<br />
Die Größe β beschreibt die Streuung der Elektronen in der Probe und ist abhängig von der<br />
mittleren Ordnungszahl Z, vom mittleren Atomgewicht A, von der Probendichte ρ [g/cm3 ]<br />
und von der Primärelektronenenergie E0 [keV ]. Es gilt:<br />
β = 500 m 2 (keV ) 2 2 4Z ρ<br />
·<br />
(4.33)<br />
A<br />
Die eindringtiefenabhängige Elektronendichteverteilung j (r, z) eines Primärelektronenstrahls<br />
mit einem Ausgangsstrahldurchmesser von 2 nm (σ = 1 nm) in reinem Silizium<br />
bzw. in reinem Germanium zeigt die Abb. 4.19 bzw. Abb. 4.20. In beiden Abbildungen<br />
ist die Strahlaufweitung des Elektronenstrahls innerhalb des Materials gegenüber<br />
dem Vakuumbereich deutlich zu erkennen. Mit zunehmender Eindringtiefe z nehmen die<br />
Standardabweichungen Σ (z) der glockenförmigen Intensitätskurven zu. Der Vergleich der<br />
Standardabweichungen Σ (z) in Silizium mit denen der in Germanium zeigt aufgrund<br />
der höheren Ordnungszahl Z, der höheren Dichte ρ und des höheren Atomgewichts von<br />
Germanium eine stärkere Strahlaufweitung des Elektronenstrahls im Germanium als im<br />
Silizium. Daraus folgt, dass das Anregungsvolumen für Röntgenquanten im Germanium<br />
größer als im Silizium ist. Daher ist das laterale Auflösungsvermögen einer EDX-Messung<br />
bei gleichem Primärelektronenstrahldurchmesser in Germanium schlechter als in Silizium.<br />
Dies wird ausführlich im Abschnitt 4.4.4 diskutiert.<br />
E0
82<br />
Abbildung 4.19: Zweidimensionale Intensitätsverteilung j (r, z) eines Primärelektronenstrahls<br />
mit einem Strahldurchmesser von 2σ = 2 nm in reinem Silizium in Abhängigkeit<br />
von der Eindringtiefe z und der Radialkoordinaten r.<br />
Die Standardabweichungen Σ (z) der gaußförmigen zweidimensionalen Intensitätsverteilung<br />
(Oberflächenplot) nimmt mit zunehmender Eindringtiefe z zu. Für die Eindringtiefen<br />
z = 0, 50 nm, 100 nm, 150 nm und 200 nm sind die eindimensionalen Intensitätsverteilungen<br />
in Abhängigkeit von der Radialkoordinate r in die zweidimensionale Graphik integriert.<br />
Die Normalverteilung für den Primärelektronenstrahl im Vakuum (schwarze eindimensionale<br />
Intensitätsverteilung) hat eine Standardabweichung von Σ (0) = σ = 1 nm.<br />
Die Wendepunkte der oben genannten eindimensionalen Intensitätsverteilungen innerhalb<br />
des Probenmaterials sind durch weiße Punkte markiert. Die rote Verbindungslinie der einzelnen<br />
Wendepunkte ergeben die z-abhängige Standardabweichung (Glg. 4.32).
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 83<br />
Abbildung 4.20: Zweidimensionale Intensitätsverteilung j (r, z) eines Primärelektronenstrahls<br />
mit einem Strahldurchmesser von 2σ = 2 nm in reinem Germanium in<br />
Abhängigkeit von der Eindringtiefe z und der Radialkoordinaten r (siehe Text Abb. 4.19).<br />
Die über die gesamte Probendicke t generierte Röntgenstrahlung I wird in Anlehnung<br />
an die Glg. 4.21 berechnet. Dabei erfolgt die Integration über das gesamte Anregungsvolumen<br />
Ve. Für die Integration wird vorausgesetzt, dass die Zusammensetzung des zu<br />
analysierenden Materials in Einstrahlrichtung sich nicht ändert. Diese Annahme trifft für<br />
die Si1−xGex-Inseln zu (siehe Abb. 4.29 im Abschnitt 4.4.5).<br />
I =<br />
=<br />
=<br />
<br />
j (r, z) dVe =<br />
Ve<br />
2π ∞ t<br />
0 0<br />
∞ t<br />
0<br />
0<br />
0<br />
I0<br />
Σ (z)<br />
2π ∞ t<br />
I0<br />
0<br />
2πΣ (z)<br />
r exp<br />
0<br />
r exp<br />
0<br />
j (r, z) r dϕdrdz<br />
<br />
− r2<br />
2Σ (z)<br />
<br />
dϕdrdz<br />
<br />
− r2<br />
<br />
drdz = I0<br />
2Σ (z)<br />
t<br />
0<br />
dt = I0t (4.34)
84<br />
Der Einfluss von Absorptionseffekten, bedingt durch die Wechselwirkung zwischen den<br />
Röntgenquanten und dem Probenmaterial auf dem Weg zum Detektor, werden durch den<br />
µ<br />
Massenabsorptionskoeffizienten des Probenmaterials im Abschwächungsterm<br />
ρ<br />
<br />
exp{− P (z) ρ}) berücksichtigt. P (z) ist die Weglänge durch die Probe (siehe Glg. 4.18<br />
µ<br />
ρ<br />
bzw. 4.19). Die detektierbare Intensität berechnet sich wie folgt:<br />
I ′ =<br />
<br />
<br />
µ<br />
j (r, z) exp{− P (z) ρ}dVe<br />
ρ<br />
=<br />
= I0<br />
Ve<br />
2π ∞ t<br />
0 0<br />
t<br />
0<br />
j (r, z) exp{−χρz} r dϕdrdz<br />
0<br />
<br />
exp{−χρz}dz = I0 − 1<br />
χρ exp{−χρz}<br />
t <br />
0<br />
= I0<br />
[1 − exp{−χρt}] (4.35)<br />
χρ<br />
Der Parameter χ = (µ/ρ) i /sinψ ist der Absorptionsparameter für den senkrecht zur<br />
Oberfläche einfallenden Primärstrahl (vgl. Abb.4.17(a)). Für gekippte Proben und facettierte<br />
Objekte muss χ modifiziert werden (vgl. Abb.4.17(b)). Daher gilt:<br />
<br />
µ 1<br />
Primärstrahl ⊥ Oberfläche : χ =<br />
(4.36)<br />
ρ i sinψ<br />
<br />
µ<br />
um ω gekippte Probe : χ = {cosψ (tanω + tanψ)}<br />
ρ i<br />
−1<br />
(4.37)<br />
−1 µ<br />
1<br />
Facette mit Winkel α : χ = cosψ + tanψ (4.38)<br />
ρ<br />
tanα<br />
In Analogie zur <strong>Ph</strong>ilibert-Duncumb-Heinrich Methode (PDH) [<strong>Ph</strong>i63] wird für ” unendlich<br />
dicke Proben“ eine Funktion f (χ) = I/I ′ definiert. Die Berechnung des Absorptionsfaktors<br />
A eines Elements i in einer zusammengesetzten Probe basiert auf der Einführung<br />
eines Standardabsorptionsterms f (χ) std = f (χ) und eines Absorptionsterms für die Probe<br />
f (χ) spec = f (χ) ∗ . Es gilt:<br />
Ai = f (χ) /f (χ) ∗<br />
i<br />
(4.39)<br />
In Analogie zu den Cliff-Lorimer-Faktoren wurde für die Berechnung der Absorptionsfaktoren<br />
Ai Silizium als Standardprobe gewählt. Der Absorptionsterm der Glg. 4.39 für<br />
die Si-Kα- und die Ge-Kα-Strahlung in Si1−xGex vereinfacht sich unter Verwendung der<br />
Beziehungen 4.34 und 4.35 wie folgt:<br />
ASi (x, t) = f (χ) Si<br />
f (χ) SiGe<br />
AGe (x, t) = f (χ) Si<br />
f (χ) SiGe<br />
=<br />
=<br />
χSi Si−K ρSi<br />
·<br />
Si<br />
1 − exp{−χSi−K ρSit}<br />
χSi Ge−K ρSi<br />
·<br />
Si<br />
1 − exp{−χGe−K ρSit}<br />
1 − exp{−χ SiGe<br />
Si−K ρSiGe t} <br />
χ SiGe<br />
Si−K ρSiGe<br />
1 − exp{−χ SiGe<br />
Ge−K ρSiGe t} <br />
χ SiGe<br />
Ge−K ρSiGe<br />
(4.40)<br />
(4.41)
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 85<br />
Hierbei ist χ Si<br />
Si−K der Absorptionsparameter für die Si-Kα-Röntgenquanten in Silizium<br />
und χSiGe Si−K in Si1−xGex. Die Absorption der Ge-Kα-Strahlung in Silizium bzw. in Si1−xGex<br />
wird durch χSi Ge−K bzw. χSiGe Ge−K berücksichtigt. Für die Berechnung der χ-Werte werden<br />
die Glg. 4.36 bis 4.38 herangezogen.<br />
In den folgenden zwei Abbildungen 4.21 a und 4.21 b sind die nach den Glgen. 4.40 und<br />
4.41 berechneten Absorptionsfaktoren für die Absorption der Si-Kα-Linie und der Ge-Kα-<br />
Linie in Si1−xGex in Abhängigkeit von der Germaniumkonzentration x und der Probendicke<br />
t graphisch dargestellt. In der Bildunterschrift sind die zur Berechnung von A benutzten<br />
Parameter enthalten. Der Zusammenhang zwischen den Absorptionsfaktoren ASi<br />
bzw. AGe, der Germaniumkonzentration x und der Probendicke t (1 nm ≤ t ≤ 200 nm)<br />
wird im weiteren durch die folgenden Gleichungen näherungsweise beschrieben:<br />
ASi (x, t [nm]) = a − (a − b) · exp<br />
<br />
− (k · t) d<br />
mit : a = −5, 06603x 4 + 11, 87655x 3 + 9, 56193x 2 + 12, 25843x + 1, 48045<br />
b = 0, 0275x 4 + 0, 60567x 3 − 1, 60989x 2 + 0, 74369x + 0, 94375<br />
(4.42)<br />
d = −2, 7139x 4 + 7, 61933x 3 − 7, 51178x 2 + 2, 74337x + 0, 93463 (4.43)<br />
k = −0, 01385x 4 + 0, 04561x 3 − 0, 05662x 2 + 0, 03099x + 0, 00185<br />
AGe (x, t [nm]) = 4, 3794 · 10 −9 x 4 + 3.6381 · 10 −8 x 3 + 2, 1692 · 10 −7 x 2<br />
+7, 026 · 10 −8 x + 1, 8993 · 10 −11 · t 2<br />
(4.44)<br />
+ 0, 0001x 4 − 0, 0001x 3 − 0, 00014x 2 − 0, 00049x − 0, 00002 · t + 1<br />
Der maximale Fehler, der bei dieser verwendeten Vereinfachung entsteht, liegt im Bereich<br />
von weniger als Ein-Promille. Daher dienen die Gleichungen 4.42 und 4.44 in der vorliegenden<br />
Arbeit als Basis zur Auswertung von EDX-Spektren im System (Si,Ge).<br />
Für die Absorption der Si-Kα-Linie im Standardmaterial (Silizium; x = 0) erhält man<br />
ASi = 1, in diesem Fall muss keine Korrektur vorgenommen werden. Mit steigender Germaniumkonzentration<br />
x nimmt die Abweichung des Absorptionswertes ASi gegenüber 1<br />
zu. So beträgt bei einer Probendicke von t = 200 nm der Absorptionswert ASi = 7, 21<br />
für einen Absorber mit 40 at.% Ge und 60 at.% Si und ASi = 17, 73 für einen Absorber<br />
bestehend aus 80 at.% Ge und 20 at.% Si (vgl. Abb. 4.21 a für Si-Kα). Ursache ist die<br />
unterschiedlich starke Absorption der Si-Kα-Röntgenquanten in Silizium und Germanium<br />
in Folge des großen Unterschiedes der Massenabsorptionskoeffizizenten der Si-Kα-Linie in<br />
Si ((µ/ρ) = 325 g/cm 2 ) und in Ge ((µ/ρ) = 4470 g/cm 2 ).<br />
Die Absorptionskorrektur für die Ge-Kα-Linie ist im Gegensatz zur Korrektur für die<br />
Si-Kα-Strahlung vernachlässigbar, da der Unterschied der Massenabsorptionskoeffizienten<br />
(µ/ρ) für die zwei betrachteten Röntgenlinien in Si ((µ/ρ) = 32, 7 g/cm 2 ) und in Ge<br />
((µ/ρ) = 38, 9 g/cm 2 ) nicht so groß ist. Die größte Korrektur bezüglich der Absorption<br />
der Ge-Kα-Strahlung muss für reines Silizium vorgenommen werden. Der maximale<br />
Korrekturwert AGe der Ge-Kα-Strahlung beträgt ca. 0, 88 bei t = 200 nm in 100 at.%<br />
Germanium (siehe Abb. 4.21 b für Germanium).
86<br />
Abbildung 4.21: Absorptionsfaktor A in Si1−xGex in Abhängigkeit von der Konzentration<br />
x und der Probendicke t; a) ASi für die Si-Kα-Linie; b) AGe für die Ge-Kα-Linie.<br />
Input-Parameter: Primärelektronenenergie E0 = 200 keV , Detektorwinkel ψ = 78, 1 ◦ und<br />
Facettenwinkel α = 54, 7 ◦ .
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 87<br />
4.4.2 Ordnungszahlkorrektur / Ordnungszahlfaktor Z<br />
Bei der Wechselwirkung der Primärelektronen mit den Elektronen des Probenmaterials<br />
erfolgen elastische Streuprozesse in große Streuwinkel. Basierend auf der Rutherfordschen<br />
Streuformel beschreibt die Bethe-Bloch-Gleichung den mittleren Energieverlust dE eines<br />
geladenen Teilchens in einem Material der Dicke dx. Für Primärelektronenenergien von<br />
200 keV müssen Streuprozesse relativistisch betrachtet werden. Die relativistische Bethe-<br />
Formel für die Betrachtung des mittleren Energieverlustes von dE entlang der Elektronentrajektorie<br />
dx ergibt sich zu<br />
− dE<br />
dx<br />
= 2σ0NA<br />
m0c 2<br />
Z<br />
A <br />
ρ ln ɛ<br />
β2 2 <br />
m0c<br />
(ɛ + 2)<br />
2 <br />
2<br />
+<br />
2J<br />
1 + ɛ2<br />
8<br />
<br />
− (2ɛ + 1) ln2<br />
(ɛ + 1) 2<br />
. (4.45)<br />
Die Herleitung dieser Formel ist ausführlich in [Ste04] beschrieben. Hierbei sind ρ die<br />
Dichte, A das Atomgewicht und Z die Ordnungszahl des Targetmaterials. Die Größe J ist<br />
das mittlere Ionisationspotential des am Wechselwirkungsprozess beteiligten Probenatoms<br />
mit der Ordnungszahl Z unter Berücksichtigung der Primärelektronenenergie E.<br />
J =<br />
′ J<br />
J ′<br />
1 + k E<br />
mit: k = 0, 734 · Z 0,037<br />
J ′ <br />
11, 5 · Z für Z < 13<br />
[eV ] =<br />
9, 76 · Z + 58, 8 · Z−0,19 für Z ≥ 13<br />
(4.46)<br />
(4.47)<br />
In der relativistischen Abbremsformel 1 (Glg. 4.45) sind: β die Geschwindigkeit der Strahlelektronen<br />
mit β = v<br />
c (c Lichtgeschwindigkeit), NA mit 6, 0221367·1023 mol−1 die Avogadro-<br />
Konstante und m0 mit 9, 109534 · 10−31 kg die Elektronenruhemasse. σ0 ist durch :<br />
und ɛ durch:<br />
σ0 = e4<br />
16πɛ 2 0<br />
mit : ɛ = 1<br />
µ0c 2 = 8, 854187817 · 10−12 AsV −1 m −1<br />
ɛ = E<br />
m0c 2<br />
(4.48)<br />
(4.49)<br />
gegeben. Der beim Durchgang durch die Probe erlittene Energieverlust wird durch das<br />
Massenabbremsvermögen S (stopping power), welches durch<br />
S = − 1 dE<br />
ρ dx<br />
1nicht relativistischer Fall nach Bethe (siehe [Bet33]):<br />
− dE<br />
dx = 4πe4 ρ Z<br />
NA<br />
A E ln<br />
<br />
1, 166 E<br />
<br />
Primärstrahlenergie ≤ 50 keV<br />
J<br />
(4.50)
88<br />
definiert ist, ausgedrückt. Die Anzahl Nj der durch das Element j erzeugten Röntgenquanten<br />
erhält man durch die Integration von Nj = (Qj/S)dE über E von der Anregungsenergie<br />
Ec bis zur Primärelektronenenergie E0. Die Größe Qj ist der Wirkungsquerschnitt für<br />
den elastischen Streufall eines Elektrons an einem Atomkern des Elements j mit der Ladung<br />
Z ·e in Abhängigkeit vom Streuwinkel. Da aber bereits Elektronen mit einer Energie<br />
E0 ≤ E ≤ Ec die Probe verlassen können, muss für Nj eine Mittelwertberechnung über<br />
alle Elektronenbahnen vorgenommen werden.<br />
Nj =<br />
E0<br />
E≤Ec<br />
E0<br />
Qj<br />
dE = R ·<br />
S Ec<br />
Qj<br />
dE (4.51)<br />
S<br />
Der Ordnungszahlfaktor Zj für das Element j einer unbekannten Probe wird dann aus<br />
dem Verhältnis<br />
Zj = Rj<br />
R ∗ j<br />
E0<br />
Ec<br />
E0<br />
Ec<br />
Qj<br />
S dE<br />
Qj<br />
S∗ dE<br />
= Rj<br />
R ∗ j<br />
E0<br />
Ec<br />
E0<br />
Ec<br />
dE<br />
S<br />
dE<br />
S∗ (4.52)<br />
berechnet. Die nicht mit ∗ gekennzeichneten Parameter entsprechen den Werten für die<br />
Standardproben und die markierten Parameter (∗) stehen für die Faktoren der untersuchten<br />
Probe. Es wird deutlich, dass die Materialunterschiede in den Rückstreufaktoren R<br />
und dem Massenabbremsvermögen S die Grundlage für die Z-Korrektur bilden.<br />
Der Elektronenrückstreufaktor R wurde von Duncumb und Reed (1968) [Dun68] eingeführt<br />
und von Yakowitz (1973) [Yak73] in Abhängigkeit vom Spannungskoeffizienten<br />
U = E0/Ec und der Ordnungszahl Z berechnet.<br />
Rj = R ′<br />
1 − R ′<br />
<br />
2ln R ′<br />
<br />
3Zj + 25<br />
(4.53)<br />
mit: R ′<br />
1 = 8, 73 · 10 −3 U 3<br />
− 0, 1669U 2<br />
+ 0, 9662U + 0, 4523 (4.54)<br />
R ′<br />
2 = 2, 703 · 10 −3 R<br />
U 3 −2<br />
− 5, 182 · 10 U 2<br />
+ 0, 302U − 0, 1836 (4.55)<br />
′<br />
3 =<br />
<br />
0, 887 U 3 − 3, 44 U 2 + 9, 33 <br />
U − 6, 43 / U 3<br />
(4.56)<br />
Die Ergebnisse der Ordnungszahlkorrekturrechnung für die Si-Kα- und Ge-Kα-Linie in<br />
Si1−xGex sind in der Tabelle 4.7 aufgeführt. Die blau markierten Werte entsprechen den<br />
jeweiligen Standardwerten für das Abbremsvermögen S und für den Rückstreufaktor R.<br />
Die Rechnung zeigt, dass eine Korrektur bezüglich Z dann notwendig ist, wenn eine<br />
große Abweichung der Ordnungszahl des zu analysierenden Elements von der Matrix<br />
vorhanden ist. Da die Ordnungszahl von Germanium höher als die mittlere Ordnungszahl<br />
von Si1−xGex mit 0 ≤ x < 1 ist, ergibt sich immer ein Korrekturfaktor ZGe größer als 1. Der<br />
Korrekturfaktor für Silizium ist in Si1−xGex mit 0 < x < 1 immer kleiner als 1. Bei einer<br />
Germaniumkonzentration von 10 at.% beträgt ZGe aufgrund der hohen Rückstreuung R<br />
mehr als 350 % gegenüber dem Standard.<br />
Für eine Primärelektronenstrahlenergie von E0 = 200 keV können die Ergebnisse der
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 89<br />
Z-Korrektur E0 = 200 keV −→ β = 0, 88474872 −→ γ = 2, 14560807<br />
Silizium : Germanium :<br />
ZSi = 14 ZGe = 32<br />
ASi = 28, 0855 g<br />
AGe = 72, 6100 mol g<br />
mol<br />
ESi c = 1, 84 keV EGe c = 11, 1 keV<br />
Für Si-Kα<br />
USi = 108, 695652<br />
JSi = 172, 253364 JGe = 342, 756789 (n. Glg. 4.46)<br />
SSi = 2490, 39 SGe = 2725, 81 (n. Glg. 4.45 & 4.50)<br />
R ′<br />
1 = 9344, 758579 R ′<br />
2 = 32891, 625802 R ′<br />
3 = 0, 856137<br />
RSi = −1095, 563735 RGe = −2102, 717761 (n. Glg. 4.53)<br />
x J S ∗ R ∗ ZSi<br />
0 Abs 172,13 -3,73E-27 -1095,6 1<br />
0,1 188,87 -3,64E-27 -1213,6 0,92441<br />
0,2 205,70 -3,57E-27 -1327,0 0,86084<br />
0,3 222,61 -3,52E-27 -1436,1 0,80679<br />
0,4 239,59 -3,48E-27 -1541,3 0,76035<br />
0,5 256,62 -3,45E-27 -1642,8 0,72003<br />
0,6 273,69 -3,42E-27 -1740,8 0,68473<br />
0,7 290,79 -3,40E-27 -1835,6 0,65357<br />
0,8 307,92 -3,38E-27 -1927,4 0,62585<br />
0,9 325,08 -3,37E-27 -2016,4 0,60104<br />
1 342,27 -3,35E-27 -2102,7 0,57870<br />
Für Ge-Kα<br />
UGe = 18, 018018<br />
SSi = 2502, 03 SGe = 2739, 24 (n. Glg. 4.45 & 4.50)<br />
R ′<br />
1 = 14, 743801 R ′<br />
2 = 4, 245814 R ′<br />
3 = 0, 723719<br />
RSi = −0, 367537 RGe = −1, 706641 (n. Glg. 4.53)<br />
x J S ∗ R ∗ ZGe<br />
0 172,13 -3,54E-27 -0,36754 4,1809<br />
0,1 188,87 -3,46E-27 -0,52212 3,0137<br />
0,2 205,7 -3,39E-27 -0,67128 2,3869<br />
0,3 222,61 -3,35E-27 -0,81537 1,9931<br />
0,4 239,59 -3,31E-27 -0,95473 1,7216<br />
0,5 256,62 -3,28E-27 -1,0897 1,5225<br />
0,6 273,69 -3,25E-27 -1,2204 1,3698<br />
0,7 290,79 -3,23E-27 -1,3473 1,2489<br />
0,8 307,92 -3,21E-27 -1,4705 1,1505<br />
0,9 325,08 -3,20E-27 -1,5902 1,0689<br />
1 342,27 -3,19E-27 -1,7066 1<br />
Tabelle 4.7: Ordnungszahlkorrektur für die Si-Kα- und Ge-Kα-Linie in Si1−xGex in<br />
Abhängigkeit von der Germaniumkonzentration x mit den im Kopf der Tabelle gegebenen<br />
Parametern.
90<br />
Z-Korrektur für die Si-Kα- und Ge-Kα-Strahlung in Si1−xGex aus der Tabelle 4.7 zu den<br />
folgenden zwei Gleichungen zusammengefasst werden (vgl. Abb. 4.22):<br />
ZSi (x) = 0, 11667 · x 4 − 0, 41768 · x 3 + 0, 69970 · x 2<br />
−0, 81991 · x + 1 (4.57)<br />
ZGe (x) = 11, 0262 · x 4 − 28, 91258 · x 3 + 28, 33561 · x 2<br />
−13, 61282 · x + 4, 18090 (4.58)<br />
Hierbei ist x die Germaniumkonzentration. Die Abb. 4.22 verdeutlicht graphisch den<br />
Zusammenhang zwischen dem Z-Korrekturfaktor und der Probenzusammensetzung. Die<br />
Abweichungen zwischen den in der Tabelle 4.7 errechneten Werten und den genäherten<br />
Werten, die man mittels der Formeln 4.57 und 4.58 erhält, sind viel kleiner als Ein-<br />
Promille. Daher basieren die weiteren Korrekturrechnungen am System (Si,Ge) auf diesen<br />
beiden Gleichungen (4.57 und 4.58).
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 91<br />
Abbildung 4.22: Ordnungszahlkorrekturfaktor Z in Si1−xGex in Abhängigkeit von der<br />
Konzentration x, a) ZSi für die Si-Kα-Linie, b) ZGe für die Ge-Kα-Linie.<br />
Parameter: Primärelektronenenergie E0 = 200 keV .
92<br />
4.4.3 Fluoreszenzkorrektur / Fluoreszenzfaktor F<br />
Bei der Fluoreszenzkorrektur wird berücksichtigt, dass die charakteristische Ionisation<br />
der Probenatome nicht nur aufgrund der Energie der Primärelektronen sondern auch von<br />
Quanten des hochenergetischen Bremsspektrums und von den charakteristischen Röntgenstrahlungen<br />
von bereits ionisierten Atomen erfolgen kann, wenn deren Energie größer als<br />
die Anregungsenergie Ec ist. Beispielsweise können Quanten der Ge-Kα-Linie mit ihrer<br />
charakteristischen Energie von E = 9, 89 keV Siliziumatome ionisieren und die Si-Kα-<br />
Strahlung mit einer Energie Ec = 1, 84 keV auslösen. Somit werden erhöhte Silizium- und<br />
niedrigere Germaniumintensitäten detektiert.<br />
Mit dem Verhältnis<br />
Fi =<br />
<br />
1 + <br />
j<br />
I f<br />
ij<br />
Ii<br />
<br />
/<br />
<br />
1 + <br />
j<br />
I f<br />
ij<br />
Ii<br />
∗<br />
(4.59)<br />
wird diese störende Fluoreszenz berücksichtigt. Der Fluoreszenzfaktor I f<br />
ij /Ii besteht aus<br />
den Intensitätsverhältnissen der Strahlung des Elements i, welche aufgrund von Fluoreszenzerscheinungen<br />
der charakteristischen Strahlung des Elements j ausgelöst wurde, und<br />
der von den Primärstrahlelektronen generierten Strahlung des Elements i. Die Korrektur<br />
für die Fluoreszenz wurde von Reed (1965) [Ree65] durch die folgenden Terme mathematisch<br />
beschrieben.<br />
I f<br />
ij<br />
Ii<br />
mit: Y0 = 0, 5 ri − 1<br />
Y1 =<br />
Y2 =<br />
Y3 =<br />
= cjY0Y1Y2Y3Pij (4.60)<br />
ri<br />
Ai<br />
ωj<br />
Aj<br />
<br />
Uj − 1 / Ui − 1<br />
<br />
µ µ<br />
/<br />
ρ ij ρ j<br />
ln (1 + u)<br />
+<br />
u<br />
ln (1 + v)<br />
v<br />
1,67<br />
(4.61)<br />
mit: U = E0/Ec (4.62)<br />
(4.63)<br />
(4.64)<br />
Hierbei ist Ai das Atomgewicht des interessierenden Elements i und Aj steht für das Atomgewicht<br />
des Elements j, welches die störende Fluoreszenz verursacht. Für die Anregung<br />
einer K-Linie beträgt der Faktor (ri − 1) /ri in Y0 (Glg. 4.61) 0, 88. Für eine L-Linie ist<br />
dieser Faktor ungefähr 0, 75. Der Parameter ωj ist das Fluoreszenzvermögen des Elements<br />
j und ist z.B. in [Gol81] tabellarisch aufgeführt (mit ωK Si = 0, 038 und ωK Ge = 0, 508). In<br />
dem Faktor Y3 wird der Absorptionsweg in Abhängigkeit vom Einstrahlwinkel bzw. von
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 93<br />
der Probengeometrie durch<br />
u =<br />
v =<br />
χ<br />
<br />
µ<br />
ρ<br />
j<br />
E 1,65<br />
0<br />
3, 3 · 10 5<br />
− E 1,65<br />
c<br />
µ<br />
ρ<br />
<br />
j<br />
(4.65)<br />
(4.66)<br />
berücksichtigt (Ec ist die Anregungsenergie des Elements j). Die Massenabsorptionskoeffizienten<br />
in Glg. 4.63, 4.65 und 4.66 werden nach Glg. 4.24 berechnet. Der Faktor Pij in<br />
der Glg. 4.60 berücksichtigt die Art der anregenden (erster Buchstabe) und angeregten<br />
Linie (zweiter Buchstabe).<br />
⎧<br />
⎨ 1, 00 : KK oder LL<br />
Pij = 4, 76 : LK<br />
(4.67)<br />
⎩<br />
0, 24 : KL<br />
Wenn die Standardprobe aus nur einem Element besteht oder die Fluoreszenz des Elements<br />
i aufgrund der Röntgenquanten eines anderen Elements ausgeschlossen ist, so vereinfacht<br />
sich die Glg. 4.59 zu<br />
Fi = 1/<br />
<br />
1 + <br />
j<br />
I f<br />
ij<br />
Ii<br />
∗<br />
. (4.68)<br />
Die nach der oben angeführten Methode berechneten Korrekturwerte FSi für die Si-Kα-<br />
Strahlung in Si1−xGex sind in der Tabelle 4.8 aufgeführt. Für eine Germaniumkonzentration<br />
von x = 0, d.h. bei reinem Silizium, muss keine Korrektur vorgenommen werden. Mit<br />
steigender Germaniumkonzentration steigt auch der Anteil der Si-Kα-Quanten, die durch<br />
die Energie der Ge-Kα-Strahlung generiert werden. Dieser Anteil ist durch das Verhältnis<br />
I f<br />
ij /Ii<br />
<br />
(siehe Tab. 4.8) gegeben. Bei einer Probenzusammensetzung von 90 at.% Silizium<br />
und 10 at.% Germanium wird ca. 4 % der Si-Kα-Strahlung durch die Anregung mit<br />
Ge-Kα-Quanten der Energie Ec = 11, 1 keV erzeugt. In diesem Fall beträgt der Korrekturfaktor<br />
FSi ca. 0, 96. Bei xGe = 0, 9 werden über 28 % der Si-Kα-Quanten aufgrund des<br />
Germaniumanteils erzeugt. Bei dieser Zusammensetzung wird die Menge der detektierten<br />
Si-Kα-Quanten durch den Faktor FSi = 0, 78 korrigiert.<br />
Bei der graphischen Darstellung der FSi-Korrekturfaktoren aus der Tabelle 4.8 in Abhängigkeit<br />
von der Germaniumkonzentration x (siehe Abb. 4.23) wird deutlich, dass diese<br />
Abhängigkeit mathematisch sehr gut durch die folgende Polynomgleichung beschrieben<br />
wird.<br />
FSi = 0, 1123456797 · x 4 − 0, 3071098941 · x 3<br />
+0, 3708773406 · x 2 − 0, 4115070121 · x + 1 (4.69)
94<br />
Tabelle 4.8: Fluoreszenzkorrektur für die zusätzliche Anregung der Si-Kα-Strahlung durch das Bremsspektrum und durch<br />
die Ge-Kα-Linie in Si1−xGex in Abhängigkeit von der Germaniumkonzentration x mit den in der Tabelle gegebenen<br />
Parametern.<br />
0 32,70 325,0 136,697248 8,838375 1,625409 0,852520 0 1<br />
0,1 33,32 739,5 134,153661 19,736493 1,595164 0,751457 0,040009 0,961530<br />
0,2 33,94 1154,0 131,703005 30,236448 1,566024 0,715574 0,074805 0,930402<br />
0,3 34,56 1568,5 129,340278 40,359668 1,537930 0,697814 0,107459 0,902968<br />
0,4 35,18 1983,0 127,060830 50,126073 1,510826 0,687831 0,138740 0,878163<br />
0,5 35,80 2397,5 124,860335 59,554199 1,484661 0,681931 0,168960 0,855461<br />
0,6 36,42 2812,0 122,734761 68,661324 1,459387 0,678443 0,198281 0,834529<br />
0,7 37,04 3226,5 120,680346 77,463567 1,434958 0,676497 0,226803 0,815127<br />
0,8 37,66 3641,0 118,693574 85,975985 1,411335 0,675592 0,254595 0,797070<br />
0,9 38,28 4055,5 116,771160 94,212662 1,388476 0,675418 0,281709 0,780209<br />
1 38,90 4470,0 114,910026 102,186782 1,366346 0,675775 0,308183 0,764419<br />
Si1−xGex (µ/ρ) j (µ/ρ) i Y2 u v Y3<br />
Y1 = 0, 05120296 (n. Glg. 4.62) A <br />
I f<br />
ij /Ii<br />
<br />
FSi<br />
x (Glg. 4.24) (Glg. 4.63) (Glg. 4.65) (Glg. 4.66) (Glg. 4.64) (Glg. 4.60) (Glg. 4.68)<br />
ω K Ge = 0, 508 Y0 = 0, 08645739 (n. Glg. 4.61) A<br />
Für Si-Kα<br />
USi = 114, 9425287<br />
UGe = 20, 2224469<br />
Silizium : Germanium :<br />
ZSi = 14 ZGe = 32<br />
ASi = 28, 0855 g<br />
AGe = 72, 61 mol g<br />
mol<br />
<br />
µ<br />
in ρ<br />
cm2 : in Si in Ge<br />
g<br />
Si-Kα : Ec = 1, 84 keV 325 4470<br />
Ge-Kα : Ec = 11, 1 keV 32, 7 38, 9<br />
F-Korrektur E0 = 200 keV ψ = 78, 1 ◦ α = 54, 7 ◦
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 95<br />
Abbildung 4.23: Fluoreszenzkorrekturfaktor FSi in Si1−xGex in Abhängigkeit von der Konzentration<br />
x.<br />
Parameter: Primärelektronenenergie E0 = 200 keV , Facettenwinkel α = 54, 7 ◦ Detektorwinkel<br />
ψ = 78, 1 ◦ .<br />
Da die Energie der Si-Kα-Strahlung mit Ec = 1, 84 keV deutlich kleiner ist als die für die<br />
Generierung der Ge-Kα-Quanten notwendige Ionisationsenergie, gilt für die Germaniumbestimmung<br />
im System Si1−xGex:<br />
FGe = 1 . (4.70)<br />
Für die im nächsten Abschnitt folgenden Zusammensetzungsbestimmungen von Si1−xGex-<br />
Inseln wird die Fluoreszenzkorrektur der Si-Kα-Strahlung durch die Glg. 4.69 berücksichtigt.<br />
Das im Rahmen der Arbeit entwickelte standardlose Auswertungsverfahren für EDX-<br />
Spektren ist eine modifizierte Methode des gut bekannten ZAF-Algorithmus für nicht elektronentransparente<br />
Proben (z.B. REM) (siehe z.B. [Gol81]). Die berechneten Abhängigkeiten<br />
der einzelnen Korrekturfaktoren (Glg. 4.42, 4.44, 4.57, 4.58, 4.69 und 4.70) gelten nur<br />
für das binäre System Silizium-Germanium. Im Hinblick auf die aus TEM-Abbildungen<br />
ermittelten durchstrahlten Probendicken (siehe Abschnitte 4.4.5) wurde für die Berechnung<br />
der Absorptionsfaktoren ASi und AGe eine maximale Probendicke von t = 200 nm<br />
gewählt. Daher gelten die Berechnungen streng genommen nur bis zu einer maximalen<br />
Probendicke von t = 200 nm.
96<br />
Abbildung 4.24: Dreidimensionale Darstellung der Elektronenstrahlaufweitung zur Berechnung<br />
der lateralen Auflösung von EDX-Messungen.<br />
Das rot markierte Volumen ist das Anregungsvolumen, in welchem Röntgenstrahlen generiert<br />
werden. Der blau eingezeichnete Zylinder hat das gleiche Volumen wie der Anregungsbereich,<br />
sein doppelter Radius 2rZyl entspricht der lateralen Auflösung einer EDX-<br />
Messung mit einem Primärelektronenstrahl, dessen Durchmesser 2σ ist.<br />
4.4.4 Strahlaufweitung: laterale Auflösung<br />
Der Strahldurchmesser 2σ und die Dicke t der Probe beeinflussen entscheidend die laterale<br />
Auflösung der EDX-Messung. Das Volumen, in dem die Röntgenquanten generiert<br />
werden, ist durch die eindringtiefenabhängige Standardabweichung (Glg. 4.32) gegeben.<br />
Das Anregungsvolumen VA kann wie das Rotationsvolumen eines Körpers, der sich um die<br />
R-Achse dreht, berechnet werden (siehe Abb. 4.24). Die stetige Funktion Σ (z) begrenzt<br />
den Rotationskörper.<br />
VA = π<br />
t<br />
0<br />
[Σ (z)] 2 dz = π<br />
t<br />
0<br />
<br />
σ 2 + 1<br />
2 βz3<br />
<br />
dz = π σ 2 t + 1<br />
8 βt4<br />
<br />
(4.71)
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 97<br />
Die laterale Auflösung einer EDX-Messung entspricht dem doppelten Radius rZyl eines<br />
!<br />
Zylinders der Länge t mit dem Volumen VZyl = VA.<br />
VZyl = πr 2 Zylt ! <br />
= π σ 2 t + 1<br />
8 βt4<br />
<br />
(4.72)<br />
Folglich ergibt sich für den Zylinderradius folgende Abhängigkeit von der Probendicke t:<br />
<br />
rZyl = σ2 + 1<br />
8 βt3 (4.73)<br />
Durch die Beziehung 4.74 wird die von der Eindringtiefe z abhängige Lage des Schnittkreises<br />
(siehe Abb. 4.24; grüner Kreis) vom Zylinder und Anregungsvolumen berechnet.<br />
bzw.:<br />
<br />
rZyl<br />
σ 2 + 1<br />
8 βt3<br />
!<br />
= Σ (κt) (4.74)<br />
<br />
!<br />
= σ2 + 1<br />
β (κt)3<br />
(4.75)<br />
2<br />
!<br />
= 1<br />
2 κ3 .<br />
Die Lösung für die Glg. 4.75 erhält man aus dem direkten Vergleich der Beziehung 1<br />
8<br />
Damit folgt:<br />
κ = 3<br />
<br />
1<br />
≈ 0, 63 (4.76)<br />
4<br />
Die Betrachtungen zeigen, dass der durch die Elektronenstrahlaufweitung bedingte systematische<br />
Fehler durch den von der Probendicke t, von der Probenzusammensetzung und<br />
von der Beschleunigungsspannung abhängigen Zylinderradius rZyl gegeben ist (Glg. 4.73).<br />
Somit ist die Länge des Fehlerbalkens bezüglich der Korrelation zwischen Messwert und<br />
Ortskoordinate für jeden Messpunkt 2rZyl.
98<br />
Abbildung 4.25: Bestimmung der Probendicke mittels Kippung der Probe um den Winkel<br />
δ.<br />
a) verschiedene Inselansichten; b) Längenmessung l der projizierten Fläche (Einstrahlbedingung:<br />
Primärstrahl parallel [110]); c) Längenmessung l ′ = l1 +l2 = l·cosδ +t·sinδ der<br />
projizierten Fläche (Einstrahlbedingung: Kippung der Probe aus der unter a) beschriebenen<br />
Bedingung um den Winkel δ).<br />
4.4.5 Konzentrationsbestimmung<br />
Von Interesse ist die Germaniumkonzentration der Insel, insbesondere die Konzentrationsänderung<br />
über die Höhe der Si1−xGex-Insel. Aus den vorangegangenen Betrachtungen<br />
wurde deutlich, dass die Probendicke t entscheidenden Einfluss darauf hat, welches Verfahren<br />
zur Auswertung der Spektren herangezogen werden muss. Überschreitet die Probe<br />
die für das Dünnfilmkriterium maximal zulässige Dicke, so muss bei der Auswertung die<br />
Probendicke berücksichtigt werden. Hier kommt die zuvor beschriebene modifizierte ZAF-
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 99<br />
Abbildung 4.26: Nach Glg. 4.77 berechnete durchstrahlte Dicke ti der Si1−xGex-Insel in<br />
Abhängigkeit von der Inselhöhe hi.<br />
Methode zur Anwendung. Für die Zusammensetzungsanalyse mittels EDXS muss deshalb<br />
vorab eine Dickenbestimmung vorgenommen werden.<br />
Zur Bestimmung der durchstrahlten Materialdicke t bei den Si1−xGex-Inseln wird die<br />
Probe aus der [110]-Zonenachse entlang des (004)-Kikuchilinienbandes um den Winkel δ<br />
gekippt und anschließend die Länge l ′ der projizierten Fläche gemessen (vgl. Abb. 4.25).<br />
Die Dicke t berechnet sich aus den Informationen der beiden TEM-Bilder wie folgt:<br />
t = l′ − l · cosδ<br />
sinδ<br />
. (4.77)<br />
Zur Entscheidung, ob die Probendicke die kritische Dicke tmax übersteigt, muss die Germaniumkonzentration<br />
berücksichtigt werden (siehe Tab. 4.6). Nach Dorsch [Dor98] kann<br />
die Konzentration aus der Ge-Einwaage und aus der Inselgröße bestimmt werden.<br />
Die Abb. 4.26 zeigt die berechneten Inseldicken ti in Abhängigkeit von der Höhe hi für eine<br />
Si1−xGex-Insel mit einer Basislänge von 413 nm. Die Inselgröße und die beim Epitaxieprozess<br />
benutzte Germaniumeinwaage von 0, 25 g lassen eine mittlere Germaniumkonzentration<br />
von (25 ± 15) at.% vermuten. Somit liegen die experimentell bestimmten ti-Werte<br />
über dem für die Si-Kα-Linie maximalen Dickenwert t, bei dem das Dünnfilmkriterium<br />
noch erfüllt ist (vgl. Tab. 4.6). Für die Bestimmung des Germaniumgehalts innerhalb der<br />
Insel ist die<br />
xGe<br />
xSi<br />
= 1 − xSi<br />
xSi<br />
= (Z · A · F ) Ge (x, t) IGe<br />
·<br />
(Z · A · F ) Si (x, t) ISi<br />
(4.78)<br />
Gleichung anzuwenden. Der Proportionalitätsfaktor (Z · A · F ) Ge / (Z · A · F ) Si ist durch<br />
die im vorhergehenden Abschnitt berechneten Beziehungen 4.42, 4.44, 4.57, 4.58, 4.69
100<br />
und 4.70 gegeben. Die Konzentrationsabhängigkeit der Korrekturfaktoren ZSi,Ge (xGe, t),<br />
ASi,Ge (xGe) und FSi (xGe) impliziert ein notwendiges Iterationsverfahren. Der Siliziumanteil<br />
wird anhand der Beziehung:<br />
xSi =<br />
(Z·A·F ) Ge<br />
(Z·A·F ) Si<br />
1<br />
· IGe<br />
ISi<br />
+ 1<br />
(4.79)<br />
berechnet. Die Ergebnisse der Gleichung 4.78 werden als Ausgangswerte für die Berechnung<br />
des Faktors (Z · A · F ) Ge / (Z · A · F ) Si genommen. Das gewählte Abbruchkriterium<br />
liegt bei einer Genauigkeit von 0, 00001 at.%.<br />
Abbildung 4.27: Skizze vom Inselrest (dunkelgraue<br />
Fläche). Unterteilung der Insel in<br />
die Bereiche 1○ mit dem Seitenwinkel α1 und<br />
2○ mit α2. Die gestreiften Flächen entsprechen<br />
dem beim Ionenstrahldünnen entstandenen<br />
Abtrag der Insel (grau).<br />
Ein weiterer Erkenntnisgewinn aus der Dickenmessung<br />
sind die Winkel der Seitenflächen,<br />
welche den nach dem Ionendünnen<br />
stehengebliebenen Inselrest begrenzen.<br />
Setzt man einen gleichmäßigen Abtrag von<br />
beiden Seiten voraus, so kann die Insel in<br />
Abb. 4.26 in zwei Bereiche mit den Seitenflächenwinkel<br />
α1 = 84 ◦ und α2 = 74 ◦<br />
unterteilt werden (siehe Abb. 4.27).<br />
Zur Bestimmung des Germaniumgehalts in<br />
Abhängigkeit von der Inselhöhe wurden entlang<br />
einer Linie punktweise EDX-Spektren<br />
aufgenommen. Um den Einfluss von sich<br />
bildenden Kontaminationen auf die Mes-<br />
sung so gering wie möglich zu halten, wurde die Scanrichtung vom Vakuum kommend,<br />
über die Insel, zum Substrat hin verlaufend gewählt. Die Konzentrationsberechnung aus<br />
den Nettosignalen der Si-Kα- und der Ge-Kα-Linie wurde einerseits anhand der Glg. 4.15<br />
(Annahme: hinreichend dünne Probe) und anderseits mittels der ZAF-Korrektur (Glg. 4.79)<br />
vorgenommen.<br />
4.4.6 Auswertung<br />
Probe: 1078; ω = 413 nm<br />
Die Tabelle 4.9 enthält die Ergebnisse der quantitativen Auswertung der Röntgenspektren<br />
für die in der Abb. 4.26 dargestellten Insel (Probe: 1078; ω = 413 nm). Bei der<br />
Gegenüberstellung der nach den zwei unterschiedlichen Verfahren berechneten Germaniumkonzentrationen<br />
wird deutlich, dass die nur aus den Intensitätsverhältnissen berechneten<br />
Germaniumkonzentrationen niedriger als die Werte der ZAF-Korrekturrechnung sind<br />
(siehe Abb. 4.28 b). Die prozentualen Abweichungen für alle Konzentrationswerte innerhalb<br />
der Insel betragen ca. 50 % (siehe Abb. 4.28 b). Die Beziehung ∆rZyl = ∆h gibt die<br />
laterale Ausdehnung des Messpunktes an, welche durch die Strahlaufweitung innerhalb
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 101<br />
ZAF-Korrektur<br />
hi ti ISi IGe km CGe CGe rZyl = ∆h<br />
in nm in nm in at.% in at.% in nm<br />
Bereich 2○ mit α2 = 59, 4 ◦ n. (ZAF ) Si n. Glg. 4.15 n. Glg. 4.73<br />
188 100 18,84 5,73 0,3041 35,71 19,04 1,35<br />
176 123 25,82 9,30 0,3602 38,44 21,79 1,62<br />
160 130 36,09 11,37 0,3150 35,59 19,59 1,68<br />
144 140 48,84 14,47 0,2963 34,51 18,64 1,79<br />
128 153 80,71 26,2 0,3246 36,04 20,07 1,99<br />
112 164 119,05 37,23 0,3127 35,35 19,47 2,15<br />
96 170 134,72 38,49 0,2857 33,79 18,10 2,22<br />
80 177 147,56 42,33 0,2869 33,84 18,16 2,33<br />
Bereich 1○ mit α1 = 78, 4 ◦<br />
64 180 160,82 44,16 0,2746 33,10 17,52 2,37<br />
48 183 170,21 42,12 0,2475 31,41 16,06 2,39<br />
32 187 176,73 34,76 0,1967 27,91 13,20 2,40<br />
16 187 184,66 23,84 0,1291 22,22 9,08 2,30<br />
0 187 209,74 5,37 0,0256 7,71 1,94 2,04<br />
Substrat<br />
-16 187 222,93 0,69 0,0031 1,22 0,24 1,93<br />
-32 187 230,42 0,48 0,0021 0,84 0,16 1,93<br />
-48 187 233,28 0,70 0,0030 1,19 0,23 1,93<br />
-64 187 231,78 0,41 0,0018 0,72 0,14 1,92<br />
-80 187 247,46 0,47 0,0019 0,77 0,15 1,93<br />
Tabelle 4.9: Nach der ZAF-Methode berechnete Germaniumkonzentrationen in Abhängigkeit<br />
von der Inselhöhe (Probe: 1078); (E0 = 200 keV , σ = 1 nm und ψ = 78, 1 ◦ ). Die<br />
Parameter ISi und IGe sind die Nettointensitäten der Si-Kα- bzw. der Ge-Kα-Linie. Die<br />
Beziehung ∆rZyl = ∆h gibt die Strahlaufweitung am Messpunkt an.
102<br />
Abbildung 4.28: EDX-Auswertung einer Si1−xGex-Insel der Probe 1078 mit einer Basisbreite von ω = 413nm.<br />
a) Hellfeldaufnahme der Si1−xGex-Insel mit Zonenachsenorientierung [110].<br />
b) Auswertung der EDX-Spektren in Abhängigkeit von der Inselhöhe. Die Punktspektren wurden entlang einer vertikal über<br />
die Inselmitte verlaufenden Linie aufgenommen ([001]-Richtung). Die Aufnahme der Spektren erfolgte von der Inselspitze<br />
zur Inselbasis ins Si-Substrat.<br />
c) ZAF-Korrekturfaktoren (aufgetragen in Abhängigkeit von der Inselhöhe).
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 103<br />
Abbildung 4.29: EDX-Auswertung eines horizontal verlaufenden Linienscans über eine<br />
Si1−xGex-Insel der Probe 1078 mit einer Basisbreite von ω = 413 nm.<br />
a) Hellfeldabbildung der Si1−xGex-Insel (Zonenachsenorientierung in [110]).<br />
b) EDX-Auswertung (Dünnfilmnäherung). Die Spektrenaufnahme erfolgte entlang der in<br />
der Abb. a) horizontal zur Substrat-Insel-Grenzfläche verlaufenden gelb markierten Linie.
104<br />
der Probe bedingt ist (berechnet nach Glg. 4.73 in Abschn. 4.4.4). Dieser Wert liegt zwischen<br />
1, 6 nm und 2, 4 nm.<br />
Die sehr große Differenz zwischen den mittels der Dünnfilmnäherung und den mit der<br />
modifizierten ZAF-Methode berechneten Germaniumkonzentrationen hat seine Ursache<br />
in der starken Absorption der Si-Kα-Quanten (ASi) und einer starken Abbremsung der<br />
beschleunigten Elektronen (ZGe und ZSi), welche hauptsächlich durch die Wechselwirkung<br />
mit den Elektronenhüllen der Targetatome verursacht wird. Beide Effekte werden<br />
bei der Dünnfilmauswertung vernachlässigt. In der Abb. 4.28 c sind die Korrekturfaktoren<br />
ASi, AGe, ZSi, ZGe und FSi in Abhängigkeit von der Inselhöhe einzeln aufgetragen.<br />
Hier kann man deutlich erkennen, dass der Anteil der Si-Kα-Strahlung, welcher durch<br />
Ge-Kα-Quanten angeregt wurde, vernachlässigbar klein ist (FSi ≈ 1). Weiterhin kann die<br />
Absorption der Ge-Kα-Strahlung innerhalb der Si1−xGex-Insel bei der Auswertung der<br />
EDX-Spektren vernachlässigt werden (AGe ≈ 1). Der Einfluss der ZGe- und ZSi-Faktoren<br />
auf die Korrekturrechnung ist einfacher durch die Auswertung des Verhältnisses ZGe<br />
ZSi zu<br />
interpretieren. Im Bereich des Si-Substrats liegt kein bzw. nur sehr wenig Germanium vor,<br />
d.h. der Anteil der starken Streuer ist in diesem Bereich viel kleiner als im Inselbereich.<br />
<br />
.<br />
Somit ist ZGe<br />
ZSi<br />
Sub<br />
< ZGe<br />
ZSi<br />
Insel<br />
Die Konzentrationsprofile erlauben - ähnlich wie bei der Zusammensetzungsbetrachtung<br />
anhand der Verspannungsfeldauswertung (siehe Abschn. 4.3.4) - eine Unterteilung der<br />
Si1−xGex-Insel in zwei Bereiche. Im unteren Inseldrittel (Bereich I) steigt die mittels<br />
der modifizierten ZAF-Methode berechnete Germaniumkonzentration von 1, 2 at.% auf<br />
33 at.% monoton an. Im darüberliegenden Bereich II liegt eine homogene Konzentrationsverteilung<br />
von ca. 35 at.% Germanium vor.<br />
Aus Punktspektren, deren Aufnahme entlang einer Linie parallel zur Substrat-Insel-Grenzfläche<br />
verlief, konnte eine konstante Germaniumkonzentration bei konstant bleibender Inselhöhe<br />
festgestellt werden (siehe Abb. 4.29). Ausnahmen bilden allerdings die Inselränder<br />
an denen der Germaniumgehalt abnimmt. Daher ist die Auswertung von Spektren, die<br />
in Abhängigkeit von der Inselhöhe aufgenommen worden sind, ausreichend für eine komplette<br />
Analyse des Germaniumgehalts innerhalb der Si1−xGex-Insel.<br />
Der mittlere Germaniumgehalt innerhalb der untersuchten Insel (Abb. 4.28 a) beträgt<br />
ca. 19 at.%. Damit liegt dieser Wert unterhalb der von Dorsch (Glg. 4.4) anhand der<br />
Inselgröße berechneten mittleren Germaniumkonzentration von ca. 22 at.%.<br />
Probe: 1082; ω = 141 nm<br />
Die Abb. 4.30 zeigt die EXD-Auswertung einer Insel der Probe 1082 mit einer Basislänge<br />
ω = 141 nm. Die Analyse der Punktspektren mittels der ZAF-Korrekturmethode ergibt<br />
einen Germaniumanstieg von der Inselbasis zur Inselmitte mit einem Germaniumgehalt<br />
von ca. 25 at.%. In der oberen Inselhälfte wurde ein konstanter Ge-Anteil von durchschnittlich<br />
28 at.% errechnet. Somit kann auch hier die Unterteilung in zwei Bereiche I<br />
und II vorgenommen werden (vgl. Abb. 4.30 b).
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 105<br />
Der über die gesamte Insel gemittelte Germaniumgehalt liegt bei ungefähr 15 at.%. Dieser<br />
Wert widerspricht den Berechnungen des Konzentrationsgehaltes anhand der geometrischen<br />
Ausmaße der Insel nach Dorsch [Dor98] und Gao [Gao94] (siehe Tab. 4.1).<br />
Probe: 1090; ω = 117 nm<br />
Im Fall der Probe 1090 ergeben die Konzentrationsbetrachtungen mittels EDX ein ähnliches<br />
Zusammensetzungsprofil wie in den bereits analysierten Inseln. Auch hier ist eine<br />
Unterteilung der Inseln in zwei Bereiche zulässig (vgl. Abb. 4.31 b). Der Bereich I zeichnet<br />
sich durch eine mit der Höhe konstant steigende Germaniumkonzentration aus. Der Maximalwert<br />
von 30 at.% in diesem Inselbereich wird bei einer Inselhöhe von 30 nm erreicht.<br />
Im zweiten Bereich (II) nimmt der Germaniumgehalt nur leicht zu (max. 35 at.%). Vereinfacht<br />
wird im oberen Inselbereich ein Konzentrationsplateau mit Ge von ca. 33 at.%<br />
angenommen.<br />
Die ZAF-Auswertung für die in der Abb. 4.31 a gezeigte Insel ergab einen durchschnittlichen<br />
Germaniumgehalt von ca. 23 at.%.<br />
Probe: 1005; ω = 90 nm<br />
Die Abb. 4.32 b zeigt exemplarisch die EDX-Auswertung unter Anwendung der Dünnfilmund<br />
der modifizierten ZAF-Methode einer kleinen Si1−xGex-Insel der Probe 1005 (Abb.<br />
4.32 a). Die Konzentrationsprofile dieser Inseln unterscheiden sich deutlich von denen<br />
der Inseln der Proben: 1078, 1082 und 1090. Die Auswertung der kleinen Insel ergab eine<br />
steigende Germaniumkonzentration über die gesamte Insel. Im Bereich der Inselbasis<br />
beträgt die Germaniumkonzentration 12 at.%. Der maximale gemessene Germaniumgehalt<br />
mit 55 at.% liegt unterhalb der Inseldeckfläche vor. Weiterhin ist die relativ hohe<br />
Germaniumkonzentration im Substratbereich markant. Eine Ursache hierfür ist der hohe<br />
Fluoreszenzfaktor FSi ≈ 0, 75 (vgl. Abb. 4.32 c).<br />
Die Gesamtgermaniumkonzentration der in Abb. 4.32 a analysierten Si1−xGex-Insel beträgt<br />
ca. 22 at.%.
106<br />
Abbildung 4.30: EDX-Auswertung einer Si1−xGex-Insel der Probe 1082 mit einer Basisbreite von ω = 141 nm.<br />
a) Hellfeldaufnahme der Si1−xGex-Insel mit Zonenachsenorientierung [110].<br />
b) Auswertung der EDX-Spektren in Abhängigkeit von der Inselhöhe. Die Punktspektren wurden entlang einer vertikal über<br />
die Inselmitte verlaufende Linie aufgenommen ([001]-Richtung).<br />
c) ZAF-Korrekturfaktoren (aufgetragen in Abhängigkeit von der Inselhöhe).
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 107<br />
Abbildung 4.31: EDX-Auswertung einer Si1−xGex-Insel der Probe 1090 mit einer Basisbreite von ω = 117 nm.<br />
a) Hellfeldaufnahme der Si1−xGex-Insel mit Zonenachsenorientierung [110].<br />
b) Auswertung der EDX-Spektren in Abhängigkeit von der Inselhöhe. Die Punktspektren wurden entlang einer vertikal über<br />
die Inselmitte verlaufende Linie aufgenommen ([001]-Richtung).<br />
c) ZAF-Korrekturfaktoren (aufgetragen in Abhängigkeit von der Inselhöhe).
108<br />
Abbildung 4.32: EDX-Auswertung einer Si1−xGex-Insel der Probe 1005 mit einer Basisbreite von ω = 90 nm.<br />
a) Hellfeldaufnahme der Si1−xGex-Insel mit Zonenachsenorientierung [110].<br />
b) Auswertung der EDX-Spektren in Abhängigkeit von der Inselhöhe. Die Punktspektren wurden entlang einer vertikal über<br />
die Inselmitte verlaufende Linie aufgenommen ([001]-Richtung).<br />
c) ZAF-Korrekturfaktoren (aufgetragen in Abhängigkeit von der Inselhöhe).
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen 109<br />
4.5 Diskussion<br />
Die analytischen Betrachtungen der Si1−xGex-Inseln anhand der Verspannungsfelder und<br />
der EDX-Punktspektren-Auswertung nach der modifizierten ZAF-Methode ergaben Konzentrationsprofile<br />
in Abhängigkeit von der Inselhöhe, welche die Unterteilung der Inseln<br />
in zwei Bereiche I und II erlaubt. Im unteren Inselbereich I verläuft ein Konzentrationsgradient<br />
mit der geringsten Germaniumkonzentration im Bereich der Si-Grenzfläche und<br />
dem maximalen Germaniumgehalt bei ca. der halben Inselhöhe. Der obere Inselbereich II<br />
zeichnet sich durch eine konstante Germaniumkonzentration aus.<br />
Als eine Ursache für den Konzentrationsgradienten wird eine Anreichung der LPE-Lösung<br />
mit Siliziumatomen aus dem Substrat vermutet. Als Ursache wird ein Rücklösungsprozess<br />
von Substratmaterial in die Si-Ge-Bi Lösung angenommen, welcher zu einer lokalen<br />
Änderung des Silizium-Germaniumverhältnisses in der Si-Ge-Bi Lösung führt. Dies würde<br />
wiederum eine Übersättigung der Lösung mit Siliziumatomen bewirken, welche während<br />
der Bildung des Bereiches I der Si1−xGex-Insel minimiert wird. Nach dem Abschluss der<br />
Formation des Inselbereiches I ist die lokale Anreichung mit Silizium aufgebraucht. Mit<br />
der nun wieder homogenen LPE-Lösung wird die Inselspitze geformt.<br />
Eine weitere Theorie beruht auf der Diffusion von Si-Substratatomen während des Wachstums<br />
des Inselbereiches I. Die Siliziumatome diffundieren von Orten mit hoher Gitterkompression<br />
(Inselumgebung) zu Stellen mit großer Gitteraufweitung (Si1−xGex-Insel).<br />
Ein Indiz für beide Theorien sind die Vertiefungen im Siliziumsubstrat um die Si1−xGex-<br />
Inseln. Die in die Inseln eingebauten Siliziumatome fehlen nun im Siliziumsubstrat und<br />
hinterlassen tiefe Gräben. Die Ausmaße dieser Vertiefungen zeigt die Abb. 4.33. Die rot<br />
markierte gestrichelte Linie gibt das Niveau der Substrat-Insel-Grenzfläche an. Die unterhalb<br />
dieser Linie und dem Substrat eingeschlossende Fläche verdeutlicht die Ausmaße<br />
des Siliziumabtrags.<br />
Abbildung 4.33: Vertiefungen im Siliziumsubstrat um eine Si1−xGex-Insel. Die rote gestrichelte<br />
Linie gibt das Niveau der Insel-Substrat-Grenzfläche an.
110
Kapitel 5<br />
Steuerung des<br />
(Si,Ge)/Si-Inselwachstums durch<br />
Kristalldefekte<br />
5.1 Probenaufbau<br />
In diesem Teil werden (Si,Ge)-Inseln untersucht, welche mittels LPE auf<br />
einer LPCVD-(Si,Ge)-Schicht gewachsen worden sind. In der LPCVD-<br />
Schicht bilden sich während der Temperung im LPE-Reaktor unter der<br />
Zufuhr von H2 Defekte. Die Defekte verursachen eine starke Vorstrukturierung<br />
der LPCVD-Schichtoberfläche, welche das Inselwachstum stark<br />
beeinflusst.<br />
Im vorhergehenden Kapitel wurde das Wachstum von (Si,Ge)-Inselstrukturen auf unverspanntem<br />
Silizium untersucht. Die Form und Größe der entstandenen Inseln wurden<br />
hierbei durch die Anisotropieeigenschaften und die Reichweite des Verspannungsfeldes<br />
innerhalb des Substrats geprägt. Wird die Anisotropie des als Substrat fungierenden Materials<br />
beeinflusst, zum Beispiel durch verspannte Zwischenschichten, so ändern sich die<br />
Größe und die Form der aufwachsenden Inseln deutlich.<br />
Dies soll an den folgenden Beispielen erläutert werden, bei denen (Si,Ge)-Schichten über<br />
das Stadium von verspannten Zwischenschichten erzeugt wurden. Als Zwischenschicht<br />
wurde eine 90 nm dicke Silizium-Germanium-Schicht mit 23 at.% Ge mittels dem Niederdruckverfahren<br />
der chemischen Gasphasenepitaxie (LPCVD - Low Pressure Chemical<br />
Vapour Deposition) auf (001)-orientiertem Siliziumsubstrat abgeschieden. Dabei entstand<br />
eine stark verspannte versetzungsfreie Schicht. Die (Si,Ge)-Schicht wurde unter Wasserstoffeinfluss<br />
für ca. 16 h bei T = 500 ◦ C getempert, bevor anschließend auf dieser Schicht<br />
erneut (Si,Ge) mittels LPE abgeschieden wurde (Wachstumstemperatur: von 585, 5 ◦ C bis<br />
585 ◦ C, Abkühlrate: 0, 1 K/min, Si-Ge-Bi Lösung). Um eine geringe anfängliche Übersättigung<br />
herzustellen und um das Anlösungen der LPCVD-Schicht zu vermeiden, wurde die<br />
Temperatur der Si-Ge-Bi-Lösung um 0, 5 K auf 585, 5 ◦ C abgesenkt. Für eine systema-<br />
111
112<br />
tische Untersuchung wurden unterschiedliche Bereiche im LPE-Reaktor hergestellt:<br />
Bereich 1: Die LPCVD-Schicht (mit 23 at.% Ge), welche im Reaktor unter Wasserstoffatmosphäre<br />
eine maximale Temperatur von 586 ◦ C erfahren hat.<br />
Bereich 2: Als Zwischenschicht fungierende LPCVD-Schicht (wie Bereich 1), auf welcher<br />
mittels LPE (Si,Ge) bei 585, 5 ◦ C → 585 ◦ C innerhalb einer Zeit von 2 min<br />
abgeschieden wurde.<br />
5.2 Auswertung<br />
Für die strukturellen Betrachtungen der zwei unterschiedlichen Bereiche wurden Röntgentopogramme<br />
1 , Beugungskontrastabbildungen (TEM), rasterkraftmikroskopische Aufnahmen<br />
2 (AFM) und Rasterelektronenmikroskopieabbildungen 2 (REM) ausgewertet.<br />
5.2.1 (Si,Ge)-LPCVD-Schicht (Bereich 1)<br />
LPCVD gewachsende (Si,Ge)-Schicht vor der Behandlung im Reaktor<br />
Die mittels LPCVD abgeschiedene (Si,Ge)-Schicht mit einem Germaniumanteil von 23 at.%<br />
ist aufgrund der Gitterfehlpassung zwischen Si-Substrat und Schicht pseudomorph verspannt.<br />
Der negative Misfit von −1, 23 verdeutlicht, dass es sich um eine kompressiv verspannte<br />
Schicht handelt. Für den Nachweis und die Klassifizierung von Defekten wurde<br />
die zerstörungsfreie Methode der Röntgentopographie genutzt. Mit dieser Untersuchungsmethode<br />
ist es möglich, Versetzungsbündel von ca. 100 Versetzungen aufzulösen. Die<br />
Abb. 5.1 zeigt eine röntgentopographische Abbildung einer LPCVD-Si0,77Ge0,23-Schicht<br />
mit einer Schichtdicke von 90 nm. Bei günstigen Wachstumsparametern kann das pseudomorphe<br />
Schichtwachstum auch für überkritische Schichtdicken aufrecht erhalten werden.<br />
Erst durch die thermische Aktivierung beginnt die plastische Relaxation, d.h. es werden<br />
Misfitversetzungen ausgebildet.<br />
Um die Relaxationsprozesse im LPE-Reaktor einschätzen zu können, wurde der Einfluss<br />
der Reaktortemperatur auf die Schicht in einem externen Temperungsexperiment untersucht.<br />
Die Röntgentopogramme der Abb. 5.2 zeigen die zeitliche Ausbreitung von Misfitversetzungen<br />
bei dem Temperungsexperiment an einer Si0.77Ge0.23-Schicht mit einer<br />
Schichtdicke von 50 nm. Die Abb. 5.2 a zeigt die ungetemperte metastabile Schicht mit<br />
nur vereinzelt auftretenden Durchstoßversetzungen und vom Probenrand startenden Versetzungen.<br />
Nach einem kurzen Temperschritt bei T = 560 ◦ C nimmt die Länge der an<br />
1 Die Röntgentopogramme wurden dankenswerterweise in der Arbeitsgruppe von Herrn Prof. Dr. R.<br />
Köhler (Institut für <strong>Ph</strong>ysik, Humboldt Universität zu Berlin) aufgenommen.<br />
2 Die AFM- und die REM-Aufnahmen wurden von Frau Dr. A. Gerlitzke (Institut für Kristallzüchtung<br />
(IKZ)) im Rahmen ihrer Promotionarbeit aufgenommen [Ger06].
Steuerung des (Si,Ge)/Si-Inselwachstums durch Kristalldefekte 113<br />
Abbildung 5.1: Röntgentopogramm der ungetemperten LPCVD-Schicht mit einer Schichtdicke<br />
von 90 nm und einer Germaniumkonzentration von ca. 23 at.%.<br />
den durchstoßenden Versetzungen und die am Randbereich generierten Versetzung zu. Die<br />
Versetzungssegmente sind gerade Linien, die in 〈1 1 0〉 verlaufen. Bei weiterer Temperung<br />
nimmt die Relaxation bzw. die Länge der Versetzungslinien zu (siehe Abb. 5.2 b und c).<br />
Nach einer Temperzeit von 26 min bei T = 560 ◦ C ist die Schicht vollständig plastisch<br />
relaxiert (siehe Abb. 5.2 d).<br />
Wie bereits erwähnt, verlaufen die geraden Versetzungssegmente entlang der 〈1 1 0〉-<br />
Richtungen. Der Burgersvektor einer vollständigen Versetzung muss ein möglichst kurzer<br />
Vektor sein, bei dem das umgehende Gitter erhalten und die Energiezunahme gering<br />
bleibt. Daher müssen die möglichen Burgersvektoren b im System (Si,Ge) vom Typ<br />
a<br />
2 〈1 1 0〉 sein. In der Abb. 5.3 sind alle möglichen b-Vektoren für die Versetzungslinie l<br />
entlang 〈1 1 0〉 eingezeichnet. Die Beiträge der in der (0 0 1)-Grenzfläche zwischen Si-<br />
Substrat und (Si,Ge)-Schicht liegenden Burgersvektoren zur Versetzungsnetzbildung sind<br />
sehr gering. Zum einen liefert die reine Schraubenversetzung ( b|| l) keinen Beitrag zur Relaxation<br />
der (Si,Ge)-Schicht, aber sie kann in alle möglichen Gleitebenen gleiten. Zum<br />
anderen ist die reine Stufenversetzung ( b⊥ l) uneffektiv, da sie sich nur durch langsames<br />
Klettern ausbreiten kann. Unter Gleiten ist die Bewegung des Versetzungssegments innerhalb<br />
einer Gleitebene, welche durch den Burgersvektor und die Versetzungslinie aufgespannt<br />
wird, zu verstehen. Beim Klettern bewegt sich die Versetzung von einer Gleitebene<br />
in eine benachbarte Gleitebene. Dies entspricht dem Herausheben der Versetzung von einem<br />
Potentialtal über eine höheres Potentialniveau in ein anderes Potentialtal. Der Abbau<br />
der überschüssigen Verspannung in der (Si,Ge)-Schicht geschieht in diesem System fast<br />
ausschließlich durch die Ausbildung von gemischten Versetzungen mit einem Winkel von<br />
60 ◦ zwischen Burgersvektor und Versetzungslinie. Diese 60 ◦ -Versetzungen können durch<br />
ihren Stufenanteil klettern und aufgrund ihres Schraubenanteils durch den Kristall gleiten.<br />
Das Gleiten geschieht in den {1 1 1}-Ebenen, diese werden durch den jeweiligen b- und
114<br />
Abbildung 5.2: Röntgentopogramme der LPCVD gewachsenden Schicht mit einer Schichtdicke<br />
von 52 nm und einer Germaniumkonzentration von ca. 23 at.% a) ungetemperte,<br />
b) bei T = 560 ◦ C für t = 8 min, c) bei T = 560 ◦ C für t = 15 min und d) bei T = 560 ◦ C<br />
für t = 26 min getemperte Schicht.<br />
l-Vektor aufgespannt. Für den hier existierenden speziellen Fall ( l = 〈1 1 0〉) der Relaxation<br />
der aufgewachsenen Schicht kommen für jede Versetzungslinienrichtung nur jeweils<br />
zwei der acht möglichen Burgersvektoren in Betracht, da nur die in das Substrat zeigenden<br />
b-Vektoren zum Spannungsabbau innerhalb der aufgewachsenen Schicht beitragen. In der<br />
Tabelle 5.1 sind die Versetzungssegmente l mit den jeweils möglichen Burgersvektoren b<br />
aufgeführt. Die Tabelle 5.1 enthält weiterhin die durch die Vektoren l und b aufgespannten<br />
Gleitebenen G, welche durch die Bildung des Kreuzproduktes der beiden aufspannenden<br />
Vektoren errechnet werden können.
Steuerung des (Si,Ge)/Si-Inselwachstums durch Kristalldefekte 115<br />
Abbildung 5.3: Zwei Einheitszellen der Diamantstruktur mit den 12 möglichen Burgersvektoren<br />
b = a<br />
2 〈1 1 0〉 entlang der Versetzungslinie l = 〈1 1 0〉. In der (0 0 1)-Ebene<br />
befinden sich zwei reine Schraubenversetzungen (hellblaue Vektoren) und zwei reine Stufenversetzungen<br />
(rote Vektoren). Die aus der (0 0 1)-Ebenen zeigenden gemischten Versetzungen<br />
sind 60◦-Versetzungen (magentafarbende Vektoren).<br />
Versetzungslinie l Burgersvektoren b Gleitebene G<br />
<br />
0 1 1 1 1 1<br />
[1 1 0]<br />
1 1 0 <br />
1 1 0 <br />
1 1 0 <br />
a<br />
2<br />
a<br />
2<br />
a<br />
2<br />
a<br />
2<br />
a<br />
2<br />
a<br />
2<br />
a<br />
2<br />
a<br />
2<br />
1 0 1 1 1 1 <br />
<br />
0 1 1 (1 1 1)<br />
<br />
1 0 1<br />
<br />
1 1 1<br />
0 1 1 1 1 1 <br />
1 0 1 1 1 1 <br />
0 1 1 1 1 1 <br />
1 0 1 1 1 1 <br />
Tabelle 5.1: Versetzungslinien l mit den im System (Si,Ge)/Si möglichen Burgersvektoren<br />
b, sowie die dazugehörigen Gleitebenen G.
116<br />
LPCVD gewachsene (Si,Ge)-Schicht nach der Behandlung im Reaktor<br />
Bei der Temperung der (Si,Ge)-Schicht im LPE-Reaktor verändert sich diese unter der<br />
Wasserstoffzufuhr erheblich. Deutlich ist diese Veränderung bereits durch oberflächenempfindliche<br />
Messverfahren registrierbar. Die Abb. 5.4 a zeigt exemplarisch eine AFM-<br />
Aufnahme der Oberfläche der relaxierten (Si,Ge)-Schicht. Hier ist der Beginn einer Strukturierung<br />
der Schicht zu erkennen. Die dreidimensionale Verteilung des Schichtmaterials<br />
wird in dem Diagramm der Abb. 5.4 b deutlich. Die x-Achse des Plots verläuft entlang der<br />
im AFM-Bild eingezeichneten blauen Linie in Richtung [110]. Über die Position wurde die<br />
Auslenkung des Cantilevers, d.h die Höhe der Inseln, aufgetragen. Für die im AFM-Bild<br />
auf der Scanlinie durch Kreuze markierten Positionen existiert eine Höhendifferenz von<br />
ca. 29 nm. Über den gewählten Scanbereich beträgt der maximale Höhenunterschied ca.<br />
46 nm.<br />
Mittels TEM-Aufnahmen von in Draufsicht präparierten Proben gelingt es, einzelne Versetzungen<br />
im Versetzungsbündel aufzulösen, da die Elektronenwellenlänge sehr klein ist<br />
und somit die Braggwinkel klein sind. Dadurch können Bereiche in denen aufgrund von<br />
Kristallgitterverbiegungen andere Anregungsbedingungen herrschen, d.h. die Bragg-Bedingung<br />
ist besser bzw. schlechter erfüllt, abgebildet werden. Im verbogenen Bereich werden<br />
die Elektronen in einen abgebeugten Strahl gestreut, in einer Hellfeldabbildung erscheint<br />
der verbogene Bereich dunkel. Auf diese Weise gelingt es, das Spannungsfeld einer Versetzung<br />
und die Versetzungslinie selbst sichtbar zu machen. Hierzu siehe exemplarisch die<br />
Hellfeldaufnahme der Abb. 5.5 a mit dem herausvergrößerten Bereich, in dem die einzelnen<br />
Versetzungslinien zwischen dem Versetzungsbündel als dunkle Linie sichtbar sind.<br />
Besser geeignet für die Darstellung von Versetzungen ist die Zweistrahlbedingung, bei<br />
welcher der Kristall so orientiert wird, dass die Bragg-Bedingung nur für eine Netzebenenschar<br />
erfüllt ist. Die Helligkeitsvariation durch das Verzerrungsfeld ist dann natürlich<br />
am größten, wenn gerade diese Ebenenschar stark verbogen ist. Eine Abbildung unter<br />
solch einer Bedingung zeigt die Abb. 5.5 b, hier trägt nur der 400-Strahl zur Bildgebung<br />
bei.<br />
Anhand von TEM-Querschnittsaufnahmen gelingt es, eine gegenüber dem AFM-Bild<br />
präzisere Dickenauswertung und auch einen genaueren Eindruck des Oberflächenverhaltens<br />
der Schicht zu gewinnen. In der TEM-Abb. 5.6 sind neben der Oberflächenverwellung<br />
auch Ansätze für die Bildung von Pyramiden zu erkennen. Ebenso findet man Versetzungen<br />
in der (Si,Ge)-Schicht, die von der Grenzfläche zur Oberfläche der Schicht verlaufen.<br />
Neben der, wie schon im vorhergehenden Abschnitt beschriebenen Ausbildung eines Versetzungsnetzwerkes<br />
mit Versetzungslinien parallel 〈1 1 0〉, kommt es zur Ausbildung von<br />
V-förmigen Vertiefungen, deren tiefste Stellen im Substrat unterhalb der Versetzungsnetzwerkschicht<br />
liegen. Im Bereich der V-Gräben wurden die Versetzungen durch den<br />
Materialabtrag eliminiert. Unterhalb von Bereichen mit einer kleinen Schichtdicke ist die<br />
Dichte der Misfitversetzungen höher als unterhalb von Gebieten mit großer Schichtdicke.<br />
Bei der Analyse des in der Abb. 5.6 a dargestellten Oberflächenprofils konnte festgestellt<br />
werden, dass die V-Gräben durch {1 1 1}-Facetten begrenzt werden. Weiterhin zeigt das
Steuerung des (Si,Ge)/Si-Inselwachstums durch Kristalldefekte 117<br />
Abbildung 5.4: AFM-Messung der Oberfläche der (Si,Ge)-Schicht (a) und Höhenmessungsscan<br />
(b) entlang der im AFM-Bild (a) eingezeichneten blauen Linie in Richtung<br />
[1 1 0].<br />
Facette Facette ∠ 〈1 1 0〉<br />
{1 1 1} ←→ 54, 74 ◦<br />
{1 1 2} ←→ 39, 18 ◦<br />
.<br />
.<br />
{1 1 5} ←→ 15, 79◦ {1 1 6} ←→ 13, 26◦ {1 1 7} ←→ 11, 42◦ {1 1 8} ←→ 10, 03◦ {1 1 9} ←→ 8, 93◦ {1 1 10} ←→ 8, 05◦ Tabelle 5.2.1: Winkelbeziehungen zwischen<br />
der 〈1 1 0〉-Richtung und den angegebenen<br />
Facetten.
118<br />
Abbildung 5.5: Planare TEM-Aufnahme der (Si,Ge)-Schicht nach der Temperung bei<br />
T = 586 ◦ C im LPE-Reaktor unter Wasserstoffeinfluss.<br />
a) Hellfeldaufnahme mit Primärstrahleinfall parallel zur [0 0 1]-Zonenachse<br />
b) 400-Dunkelfeldabbildung<br />
Oberflächenprofil bei den ausgewerteten Facetten ein bezüglich der Inselmitte symmetrisches<br />
Verhalten. Die jeweils ein lokales Maximum der Oberfläche bildenden Facetten<br />
haben Winkel zur 1 1 0 - bzw. 1 1 0 -Richtung zwischen 8 ◦ und 13 ◦ . Im Zusammenhang<br />
mit der in der Tab. 5.2.1 aufgeführten Winkelbeziehungen wurden diese Flächen als<br />
{1 1 10}- bis {1 1 6}-Facetten identifiziert.<br />
Geht man von einer anfänglichen Schichtdicke von ca. 90 nm aus, wie in der Abb. 5.6 b<br />
durch eine horizontal verlaufende Linie gekennzeichnet, so wird deutlich, dass nicht nur<br />
eine Umsortierung des Materials vorliegen muss, sondern auch Schicht- und Substratmaterie<br />
durch die Wasserstoffatmosphäre weggeätzt worden sein muss. Zu erklären ist dieser<br />
Prozess durch die freien Atombindungen (dangling bonds) an der Oberfläche. Bei einer<br />
(Si,Ge)-(001)-Oberfläche findet eine Oberflächenrekonstruktion statt, bei der es zur Ausbildung<br />
einer (2 × 1)-Überstruktur kommt [Sch59]. Bei dieser Umorganisation der oberflächennahen<br />
Atome wird der energetisch höchst ungünstige Zustand der nicht rekonstruierten<br />
Oberfläche, welche aus zwei freien Valenzen pro Atom besteht, durch die Ausbildung<br />
neuer Bindungen zwischen den Oberflächenatomen zu einer energetisch günstigeren Konstellation<br />
umgewandelt. Die Reduzierung der Gesamtenergie durch Dimerenbildung wird<br />
teilweise unter erheblichem Aufwand von Gitterenergie durch Dehnungen und Streckungen<br />
der bereits vorhandenen Bindungen in den obersten Atomlagen realisiert. Bei der<br />
(2 × 1)-Oberflächenrekonstruktion wird die Zahl der freien Valenzen gegenüber der nicht<br />
rekonstruierten Oberfläche halbiert (siehe Abb. 5.7).<br />
Durch die Adsorption von atomarem Wasserstoff auf der Oberfläche werden die freien
Steuerung des (Si,Ge)/Si-Inselwachstums durch Kristalldefekte 119<br />
Abbildung 5.6: TEM-Querschnittsaufnahme der mittels LPCVD gewachsenen Si0.77Ge0.23-Schicht nach der Temperung<br />
im LPE-Reaktor unter der Zufuhr von Wasserstoff.<br />
a) Oberflächenprofil der (Si,Ge)-Schicht, welches anhand des in b) dargestellten Hellfeldabbildung erstellt wurde.<br />
b) Für die hier gezeigte Hellfeldaufnahme wurde die Probe im [001]-Zonenpol ausgerichtet und nur der 000-Reflex trägt<br />
zur Bildgebung bei. Links ist eine Versetzunglinie innerhalb der Schicht und die Relaxation der Schicht durch die Oberflächenverwellung<br />
gut zu erkennen. Auf der rechten Bildhälfte ist ein V-förmiger Graben, der weit ins Silizium-Substrat<br />
hineinreicht, abgebildet.
120<br />
Abbildung 5.7: Schematische Darstellung der nicht rekonstruierten und der rekonstruierten<br />
Si(001)-Oberfläche [Dür00]<br />
a) energetisch ungünstigere nicht rekonstruierte Oberfläche mit zwei freie Valenzen pro<br />
Atom,<br />
b) rekonstruierte (2 × 1) Oberfläche, die aufgrund der Ausbildung von Dimeren nur noch<br />
eine freie Bindung pro Oberflächenatom hat.<br />
Bindungen gesättigt. Dabei lagert sich der Wasserstoff an den Atomen der Dimere der<br />
(2 × 1)-Oberfläche an und hebt die Wechselwirkung zwischen den dimerbildenden dangling<br />
bonds auf. Bei einer Bedeckung der Oberfläche mit weniger als einer Monolage Wasserstoff<br />
bleibt die (2 × 1)-Überstruktur erhalten [Bol93]. Der Wasserstoff liegt vorzugsweise<br />
an den Dimeren gepaart vor. Bei einem sehr hohem Gasangebot brechen die kovalenten<br />
Bindungen des Halbleiters auf und es bilden sich Siliziumdihydride bzw. Germaniumdihydride<br />
[Cha84]:<br />
Si + 4 H −→ SiH4 (g) . (5.1)<br />
Ge + 4 H −→ GeH4 (g) . (5.2)<br />
Zum Ätzverhalten von Wasserstoff auf (111)-Siliziumoberflächen wurden von U. Köhler<br />
[Köh97] einige Desorptionsexperimente durchgeführt, bei denen sowohl das Angebot von<br />
Wasserstoff als auch die Temperatur variiert wurden. Es wurde ein linearer Zusammenhang<br />
zwischen der Ätzrate und der Temperatur festgestellt. Weiterhin zeigten sich auch<br />
dreidimensionale Oberflächenstrukturen bei längeren Ätzzeiten bzw. höherem Wasserstoffangebot.<br />
Bei der Desorption von Wasserstoff auf der (001)-orientierten Oberfläche<br />
ist die Desorptionsrate −dθ/dt direkt proportional zur Oberflächenbedeckung θ, da die<br />
Ätzreaktion bereits mit an den Dimeren angelagerten vorgepaarten Wasserstoffatomen<br />
startet.<br />
Parallel zum Ätzprozess mit Wasserstoff muss auch der umgekehrte Prozess der Deposition<br />
stattfinden, denn nur so können Dicken der (Si,Ge)-Schicht größer als die Ausgangsdicke<br />
von 90 nm erklärt werden. Dabei spalten sich die Hydride, welche sich beim Ätzen gebildet<br />
haben, oberhalb der Schichtoberfläche, und es kommt zu einer erneuten Anlagerung<br />
der Silizium- bzw. Germaniumatome an der Oberfläche.
Steuerung des (Si,Ge)/Si-Inselwachstums durch Kristalldefekte 121<br />
5.2.2 LPE-Abscheidung von (Si,Ge) auf der LPCVD-Schicht<br />
(Bereich 2)<br />
Im LPE-Reaktor wurde die durch Wasserstoffätzen vorstrukturierte LPCVD-(Si,Ge)-<br />
Schicht mit der Si-Ge-Bi-Lösung für 2 min bei T = 585, 5 ◦ −→ 585 ◦ bedeckt. Die Abb. 5.8<br />
zeigt, dass es während der Bedeckung zur Silizium- und Germaniumabscheidung vorzugsweise<br />
an den Stellen der LPCVD-Schicht mit Schichtdicken größer als 90 nm kam. Grund<br />
hierfür ist der größere Relaxationsgrad der Schicht in diesen Bereichen. Ein höherer Germaniumanteil<br />
in der Schicht bedeutet einen geringeren Misfit zwischen dem aufwachsenden<br />
Material und der als Substrat fungierenden LPCVD-Schicht. Aufgrund des geringen<br />
Misfits findet die Deposition des Materials ohne die Bildung von Versetzungen auf der<br />
LPCVD-Schicht statt. Die Abb. 5.8 b und die 004- bzw. die 220-Dunkelfeldabbildung der<br />
Abb. 5.9 zeigen, dass während des LPE-Wachstums nahe am thermodynamischen Gleichgewicht<br />
(Si,Ge)-Inseln kristallisieren. Die jeweilige Basis einer solchen LPE-Insel wird von<br />
der LPCVD-Schicht gegeben. Die vollständig ausgewachsenen Inseln haben Seitenfacetten<br />
mit Winkeln zwischen 47 ◦ und 50 ◦ zur [1 1 0]-Richtung und eine (0 0 1)-Deckfacette<br />
(siehe Abb. 5.8 a).<br />
Auf der linken Seite der Abb. 5.9 a (markiert durch gelbe Ellipsen) befinden sich Vertiefungen,<br />
welche mit Ablagerungen des LPE-Lösungsmittels gefüllt sind. Die Vertiefungen<br />
sind begrenzt durch {1 1 2}-Seitenfacetten und durch eine (0 0 1)-Grundflächenfacette.<br />
Gebildet haben sich diese Absenkungen aufgrund von Rücklösungsprozessen während des<br />
LPE-Wachstums aus den mittels Wasserstoffätzen entstandenen V-Gräben der LPCVD-<br />
Schicht.<br />
Aufgrund der vorstrukturierten LPCVD-Oberfläche haben nicht alle sich während der<br />
LPE-Abscheidung formenden (Si,Ge)-Inseln die Möglichkeit, sich vollständig auszubreiten.<br />
Der hohe Bedeckungsgrad der Oberfläche fördert das Wachstum von Inseln mit<br />
verschiedensten asymmetrischen Formen, welche durch das Durchdringen von zwei oder<br />
mehreren Exemplaren entstehen. Die rasterelektronenmikroskopische Aufnahme in der<br />
Abb. 5.10 gibt einen Überblick über diese verschiedenen Inselformen. Wie schon bei den<br />
frei wachsenden, pseudomorph verspannten Inseln im Abschnitt 4.2 beobachtet werden<br />
konnte, kommt es auch hier zur Anreihung der Inseln entlang 〈1 1 0〉.<br />
Die Abb. 5.11 zeigt die Analyse des Verschiebungsfeldes vom versetzungsfreien Übergang<br />
von der LPCVD- zur LPE-Schicht. Für die Auswertung des Verschiebungsfeldes wurde aus<br />
der zweidimensionalen farbcodierten Darstellung der Verzerrung in Abb. 5.11 a ein eindimensionaler<br />
Plot (Abb. 5.11 b) erstellt. Die in Richtung 1 1 0 gemittelte Verschiebung<br />
des realen Gitters gegenüber dem Referenzgitter sind auf der Ordinate in Abhängigkeit<br />
vom Ort aufgetragen. Die Ortsabhängigkeit ist durch die durchnummerierten (0 0 2)-<br />
Netzebenen gegeben. Die Auswertung zeigt, dass das (Si,Ge)-Gitter der LPCVD-Schicht<br />
in und bis zu ca. 6 nm über dem Referenzgebiet vollständig relaxiert sein muss, denn<br />
die Meßpunkte in diesem Bereich liegen alle auf einer horizontal verlaufenden Linie. Erst<br />
ca. 6 nm unterhalb der Grenzfläche nimmt die aufgewachsene LPE-Schicht Einfluss auf<br />
die Einheitszellen innerhalb der LPCVD-Schicht. Da der Germaniumanteil in der LPE-<br />
Schicht größer als in der LPCVD-Schicht ist, werden die Gitterzellen unterhalb der Schicht
122<br />
Abbildung 5.8: TEM-Querschnittsaufnahmen der mittels LPE auf der (Si,Ge)-LPCVD-<br />
Schicht abgeschiedenen (Si,Ge)-Inseln<br />
a) Auswertung der Facettenwinkel von vollständig ausgewachsenen Inseln anhand des aus<br />
der Abbildung b) erstellten Oberflächenprofils<br />
b) [1 1 0]-Hellfeldabbilung von LPCVD-LPE-(Si,Ge)-Inseln<br />
Abbildung 5.9: TEM-Querschnittsaufnahmen der mittels LPE auf der (Si,Ge)-LPCVD-<br />
Schicht abgeschiedenen (Si,Ge)-Inseln<br />
a) 004-Dunkelfeldabbildung, b) 220-Dunkelfeldabbildung
Steuerung des (Si,Ge)/Si-Inselwachstums durch Kristalldefekte 123<br />
Abbildung 5.10: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme der Probenoberfläche nach der<br />
LPE (Si,Ge)-Abscheidung auf der LPCVD-Schicht (Abscheidungszeit: t = 2 min).<br />
in Wachstumsrichtung gestaucht. Die stetige Erhöhung des (0 0 2)-Netzebenenabstands in<br />
der (Si,Ge)-Schicht hat zwei Ursachen. Zum einen strebt die LPE-Schicht den Zustand der<br />
vollständigen Relaxation an, und andererseits erhöht sich der Germaniumanteil innerhalb<br />
der LPE-Schicht mit zunehmender Inselhöhe.
124<br />
Abbildung 5.11: DALI-Auswertung einer HRTEM-Abbildung des Überganges der (Si,Ge)-LPVCD-Schicht zur (Si,Ge)-<br />
LPE-Schicht<br />
a) Farbcodierte Darstellung des Verschiebungsfeldes des LPCVD-LPE-Übergangs in Wachstumsrichtung [0 0 1]. REF gibt<br />
das gewählte Referenzgebiet an.<br />
b) Eindimensionale Darstellung des entlang 1 1 0 gemittelten Verschiebungsfeldes der (0 0 2)-Netzebenen in Richtung<br />
[0 0 1] basierend auf dem in a) gewählten Referenzbereich REF. Die Rechtecke im unteren Teil der Graphik zeigen skizzenhaft<br />
das Verhalten der (Si,Ge)-Einheitszellen im untersuchten Bereich.
Teil III<br />
Heterostrukturen von III-V<br />
Halbleitern<br />
125
Kapitel 6<br />
Ga(As,Sb)/GaAs -<br />
Quantenpunktstruktur<br />
In diesem Kapitel werden selbstorganisierte Ga(As,Sb)/GaAs-<br />
Quantenpunkte untersucht. Zuerst werden die Einflüsse der MOCVD-<br />
Wachstumsparameter auf die strukturellen Eigenschaften der Quantenpunkte<br />
analysiert. Anschließend erfolgt die chemische Analyse der<br />
Quantenpunkte mittels einer neu entwickelten Methode.<br />
Die Verbindungshalbleiter GaAs, GaSb und InAs kristallisieren in der Zinkblendestruktur.<br />
Diese besteht aus zwei flächenzentrierten kubischen (fcc) Bravais-Gittern mit jeweils einer<br />
Atomsorte. Die Gitter sind entlang der [111]-Richtung um 1/4 der Raumdiagonalen der<br />
Elementarzelle zueinander verschoben. Jedes Atom der Elementarzelle ist vierfach von<br />
Atomen der jeweils anderen Sorte in Form eines Tetraeders mit einer Seitenlänge von<br />
√ 3/4 der Gitterkonstanten a koordiniert. Die Struktur ist durch die Raumgruppe F43m<br />
charakterisiert. Sie impliziert das Vorhandensein von drei 4-zählige Drehinversionsachsen<br />
in 〈100〉, vier polaren 3-zähligen Drehachsen entlang der 〈111〉 und sechs Spiegelebenen<br />
senkrecht zu 〈110〉.<br />
Wird eines der Untergitter statistisch durch zwei verschiedene Kationen- bzw. Anionensorten<br />
besetzt, so bleibt die oben erwähnte Raumgruppe erhalten und die Gitterkonstanten<br />
des ternären Systems wird durch die in Glg. 6.1 angegebene VEGARD’sche Regel<br />
in Abhängigkeit von der Konzentration x bestimmt. Indium, Gallium, Arsen und Antimon<br />
sind lückenlos miteinander mischbar, so dass x alle Werte zwischen Null und Eins<br />
annehmen kann.<br />
für GaAsxSb1−x : aGaAsxSb1−x = x · aGaAs + (1 − x) · aGaSb<br />
für InxGa1−xAs : aInxGa1−xAs = x · aInAs + (1 − x) · aGaAs ; 0 ≤ x ≤ 1 (6.1)<br />
Die nominellen Werte der Gitterkonstanten und weitere für diesen Abschnitt relevanten<br />
Materialkonstanten sind in der Tab. 2.1 im Abschnitt 2.3 aufgeführt.<br />
127
128<br />
Für die Herstellung von Heterostrukturen mittels MOCVD müssen die Wachstumsparameter<br />
des Epitaxieprozesses so gesteuert werden, dass sowohl die chemische Zusammensetzung<br />
als auch die Geometrie der Schicht mit den gewünschten Vorgaben übereinstimmt.<br />
Zu den wichtigsten Parametern bei der metallorganischen Gasphasenepitaxie zählen die<br />
Temperatur auf der Substratoberfläche, die Partialdrücke der gasförmigen Ausgangsstoffe,<br />
die Depositionsmenge und eine eventuelle Unterbrechung nach dem Abscheiden des<br />
Schichtmaterials.<br />
Ein wesentliches Ziel dieser Arbeit besteht darin, Erkenntnisse über die MOCVD-Epitaxie<br />
von Quantenpunktstrukturen bezüglich der Auswahl von Wachstumsparametern zu gewinnen.<br />
Die Untersuchungen konzentrieren sich auf GaAsxSb1−x/GaAs- und InxGa1−xAs/<br />
GaAs- Quantenpunktschichten sowie auf Multischichtsysteme bestehend aus den Quantenpunktlagen.<br />
Im Vordergrund soll die Ermittlung der Zusammensetzung, der geometrischen<br />
Ausdehnung der Quantenpunkte und der lateralen wie auch der vertikalen Wechselwirkungen<br />
zwischen den nulldimensionierten Strukturen stehen.<br />
6.1 Probenstruktur<br />
Als Substrat für das MOCVD-Wachstum der Ga(As,Sb)-Schichten wurde (001)-orientiertes<br />
GaAs verwendet 1 .<br />
Abbildung 6.1: Skizzenhafter Probenaufbau der mittels<br />
MOCVD gewachsenen Ga(As,Sb)/GaAs-Heterostruktur.<br />
Die in den Klammern angegebenen Werte sind die direkt<br />
auf der Waferoberfläche gemessenen Temperaturen.<br />
1 Die Proben wurden von Herrn Dr. L. Müller-Kirsch (Institut für <strong>Ph</strong>ysik, Technische Universität<br />
Berlin) im Rahmen seiner Promotionsarbeit gewachsen [Mül02].
Ga(As,Sb)/GaAs - Quantenpunktstruktur 129<br />
In Hinblick auf die spätere Nutzung des in Abb. 6.1 gezeigten Probenaufbaus als oberflächenemittierende<br />
Laserstruktur (VCSEL-vertical cavity surface emitting laser) befindet<br />
sich unterhalb der Ga(As,Sb) /GaAs-Heterostruktur ein als Braggspiegel fungierendes<br />
(Al,Ga)As/GaAs-Schichtpaket.<br />
Damit eine möglichst glatte (001)-orientierte GaAs-Schichtoberfläche für das Abscheiden<br />
der Ga(As,Sb)-Schicht angeboten werden konnte, erfolgte zuvor eine Wachstumsunterbrechung<br />
(t = 5 s). Diese Unterbrechung wurde ohne die Zufuhr von Arsen durchgeführt, so<br />
dass ein Gallium-zu-Arsen-Verhältnis von 1:1 auf der Oberfläche realisiert wurde. Nach<br />
der Deposition des Ga(As,Sb)-Materials wurde dieses mit GaAs abgedeckt. Die Gitterfehlpassung<br />
von 7,2 % zwischen GaSb und GaAs bewirkt die Bildung von pseudomorph<br />
verspannten Ga(As,Sb)-Quantenpunkten.<br />
6.1.1 Elektronische Eigenschaften<br />
Die optische Charakterisierung der III-V-Halbleiterstrukturen erfolgte mittels der Auswertung<br />
von <strong>Ph</strong>otolumineszenzspektren 1 (PL). Der Aufbau der PL-Anlage und die notwendigen<br />
Parameter sind in [Mül02] beschrieben. Verwendet wurde ein Ar + -Laser mit einer<br />
Wellenlänge von 514 nm, dies entspricht einer Energie von 2, 412 eV . Damit liegt die Anregungsenergie<br />
des Lasers weit über den Bandlückenenergien der untersuchten direkten<br />
Halbleitern im unverspannten Zustand.<br />
Quantenpunkt Typ II<br />
Bezüglich des Energiebandmodells werden zwei Arten von Quantenpunktstrukturen unterschieden.<br />
Wenn das Maximum des Valenzbandes und das Minimum des Leitungsbandes<br />
innerhalb des Quantenpunktmaterials liegen, handelt es sich um den Quantenpunkttyp I.<br />
Befinden sich beide Maxima innerhalb des Quantenpunktes, findet eine räumliche Trennung<br />
der Ladungsträger statt. In diesem Fall liegt eine Struktur vom Typ II vor.<br />
Im System Ga(As,Sb)/GaAs sind die Lochzustände im Ga(As,Sb) Quantenpunkt lokalisiert,<br />
während die Elektronen, bedingt durch das Coulombpotential der Löcher, in der<br />
umgebenden GaAs Matrix an der Grenzfläche zum Ga(As,Sb)-Quantenpunkt gebunden<br />
sind (siehe Abb. 6.2).<br />
Die Gitterfehlpassung verursachte eine Änderung der atomaren Nahordnung im Kristall.<br />
Die verspannungsbedingten Änderungen der Gitterkonstanten und der Kristallsymmetrie<br />
bewirken eine Modifikation der Bandlücke und die Aufhebung der Entartung der Energieniveaus.<br />
Die Änderung der Bandstruktur ∆EC,V in Bezug auf die energetische Lage ist von<br />
der Volumenänderung ∆lnΩ der Einheitszelle und somit von den Verspannungskomponenten<br />
ɛii und dem hydrostatischen Deformationspotential aC,V (C für das Leitungsband<br />
und V für das Valenzband) abhängig [Van89].<br />
∆EC,V = aC,V · ∆lnΩ = aC,V<br />
∆Ω<br />
Ω = aC,V · (ɛxx + ɛyy + ɛzz) (6.2)<br />
1 Die PL-Spektren wurden von Herrn L. Müller-Kirsch (Institut für <strong>Ph</strong>ysik, Technische Universität<br />
Berlin) im Rahmen seiner Promotionsarbeit aufgenommen [Mül02].
130<br />
Abbildung 6.2: Schema des Potentialverlaufs eines Bandstrukturtyps II [Mül02]<br />
links: Potenialverlauf für einen GaSb-Quantenpunkt in GaAs (ohne Ladungsträger)<br />
rechts: Potenialverlauf für einen GaSb-Quantenpunkt in GaAs mit Elektron- (e) und Lochwellenfunktion<br />
(h)<br />
Der Einfluss der Verspannung auf die Bandstruktur kann so stark sein, dass diese eine<br />
Änderung vom direkten zum indirekten Übergang hervorrufen kann.<br />
Ein entscheidender Punkt bei der Betrachtung von optischen Spektren von nulldimensionalen<br />
Strukturen ist die Quantifizierung der Energieniveaus aufgrund der geometrischen<br />
Einschränkung in allen Raumrichtungen. Die Zustandsdichte für einen Quantenpunkt<br />
sind δ-Funktionen (siehe Abb. 1.1), die sich im Spektrum als einzelne, scharfe diskrete<br />
Linien für jeden erlaubten Übergang zeigen, deren Lage von der Quantifizierungsenergie<br />
der einzelnen Niveaus abhängt. Jeder Quantenpunkt weist aufgrund seiner Größe, Form<br />
und Verspannung eine unterschiedliche Bandstruktur auf. Die <strong>Ph</strong>otolumineszenzspektren<br />
von mehreren Quantenpunkten weisen daher eine inhomogen Linieverbreiterung auf. Einem<br />
solchen Quantenpunktensemble wird eine statistische Größenverteilung der Quantenpunkte<br />
zugeordnet. Die spektrale Lage des Maximums der Einhüllenden entspricht<br />
dem Durchschnittsvolumen des Quantenpunktensembles. Die inhomogene Linienverbreiterung<br />
ist nicht nur durch die Fluktuation der geometrischen Ausmaße des Ensembles<br />
bedingt. Ein weiterer Faktor ist die Schwankung der Materialzusammensetzung innerhalb<br />
der Quantenpunkte, da sich die Bandlücke in Abhängigkeit von der chemischen Komposition<br />
ändert.
Ga(As,Sb)/GaAs - Quantenpunktstruktur 131<br />
Abbildung 6.3: Vergleich der Abbildungsbedingungen von Ga(Sb,As)/GaAs-<br />
Quantenpunkten:<br />
a) Hellfeldaufnahme mit Primärelektronenstrahl in [001]-Zonenachse<br />
b) 400-Dunkelfeldabbildung; c) 220-Dunkelfeldabbildung<br />
d) Größenverteilung der Quantenpunkte in Abhängigkeit von der Abbildungsbedingung<br />
6.1.2 TEM-Untersuchungen<br />
Mit Hilfe der Beugungskontrasttechnik und der Hochauflösungs-TEM (HRTEM) wurden<br />
die durch Selbstorganisation im Stranski-Krastanov-Wachstumsmodus gewachsenen<br />
Quantenpunkte untersucht. Für die Ermittlung der Größenverteilung und der Flächendichte<br />
der Quantenpunkte, anhand von in Draufsicht präparierten (plan-view) Proben,<br />
musste eine Abbildungsbedingung gewählt werden, bei der die Quantenpunkte gut lokalisierbar<br />
sind. Zur Bestimmung der optimalen Bedingung wurden die Kontrastmuster<br />
von Aufnahmen unter Verwendung des Primärstrahls entlang der [001]-Zonenachse (Hellfeldabbildung<br />
(Abb. 6.3 a)), des 004-Reflexes (004-Dunkelfeldabbildung (Abb. 6.3 b))<br />
und des 220-Reflexes (220-Dunkelfeldabbildungen (Abb. 6.3 c)) ausgewertet. Dabei konnte<br />
festgestellt werden, dass die 220-Dunkelfeldabbildung eine bessere Lokalisierung der<br />
Quantenpunkte zeigt als die 400-Dunkelfeldabbildung. Bei der Auswertung der Kontrastfiguren<br />
in der Hellfeldaufnahme konnte einerseits eine genauere mittlere laterale Größe<br />
der Quantenpunkte ermittelt werden, aber andererseits ist die erfasste Flächendichte im<br />
Vergleich zur 220-Dunkelfeldabbildung viel zu gering (siehe Abb. 6.3 d). Damit ist die<br />
Wahrscheinlichkeit, einen Quantenpunkt in einer Hellfeldaufnahme zu übersehen, sehr<br />
hoch. Bei der Abbildung mit dem 220-bzw. dem 400-Reflex wird nicht der Quantenpunkt<br />
selbst abgebildet, sondern das Kontrastmuster entsteht durch das Verzerrungsfeld der<br />
220- bzw. der 400-Netzebenen um den Quantenpunkt herum. Somit werden die Quantenpunkte<br />
vergrößert wiedergegeben und die Analyse der lateralen Ausdehnung führt zu<br />
einer fehlerbehafteten Angabe. Für 220-Abbildungen weicht der Wert um 3,5 nm und<br />
für 400-Abbildungen um 18 nm jeweils nach oben ab. Um den Fehler minimal zu halten,<br />
wurden für die Erstellung von Größenverteilungen und Flächendichtebestimmungen nur<br />
220-Dunkelfeldaufnahmen ausgewertet.
132<br />
6.2 Einfluss der Wachstumsparameter auf die<br />
Bildung der Quantenpunktensemble<br />
Bei der Abscheidung der Ga(As,Sb)-Schicht wurden systematisch die folgenden Parameter<br />
variiert: die Substrattemperatur (T ), die nominelle Schichtdicke tGaSb, die Unterbrechungszeit<br />
(GRI) des epitaktischen Wachstums nach der Abscheidung der Ga(As,Sb)-<br />
Schicht und das Verhältnis der Partialdrücke der gasförmigen Ausgangsstoffe (V/III).<br />
6.2.1 Substrattemperatur<br />
(tGaSb = 5, 4 ML, GRI = 5 s, V/III = 0, 2)<br />
Eine ausführliche Diskussion des Zusammenhanges zwischen Substrattemperatur T und<br />
Inselwachstum findet sich in [Mül00, Mül02]. Dabei wurde festgestellt, dass bei Substrattemperaturen<br />
über 525 ◦ C plastisch relaxierte Inseln entstehen (tGaSb = 5, 4 ML,<br />
GRI = 5 s, V/III = 0, 2). Der Durchmesser dieser sehr großen Exemplare betrug einige<br />
hundert Nanometer, somit haben diese dreidimensionalen Strukturen nicht die angestrebten<br />
elektronischen Eigenschaften von Quantenpunkten. Mit steigender Temperatur<br />
nahmen die Defektdichte und somit die Anzahl der Rekombinationszentren innerhalb der<br />
Struktur zu, so dass bei T = 550 ◦ C aus den Inselbereichen keine PL-Linie detektiert<br />
werden konnte. Unterhalb von T = 525 ◦ C beginnt das transportlimitierte Wachstum, bei<br />
dem die Ausgangsstoffe vollständig zerlegt werden und das Schichtwachstum linear von<br />
der Temperatur abhängt (siehe Abb. 1.6). Als Optimum wurde der Temperaturwert von<br />
T = 515 ◦ C ermittelt.<br />
6.2.2 Nominelle Schichtdicke<br />
(GRI = 5 s, V/III = 0, 2, T = 515 ◦ C)<br />
Der Einfluss der nominellen Schichtdicke bzw. der Wachstumsdauer tGaSb der Ga(As,Sb)-<br />
Schicht auf die Inselgeometrie und die damit zusammenhängenden elektronischen Eigenschaften<br />
wurden detailliert in [Häu01] und [Mül02] dargestellt. Die Abb. 6.4 zeigt in Form<br />
einer Übersicht die Ergebnisse aus den TEM-Untersuchungen (Abb. 6.4 a-f und h) und<br />
den PL-Messungen (Abb. 6.4 g) für die Variation der nominellen Dicke der Ga(As,Sb)-<br />
Schicht zwischen 3, 6 Monolagen (ML) bis 5, 8 ML. Das dreidimensionale pseudomorphe<br />
Wachstum von Quantenpunkten beginnt erst ab einer nominellen Ga(As,Sb)-Schichtdicke<br />
von 4 ML mit einer geringen Quantenpunktdichte von 1 · 10 10 Quantenpunkte pro cm 2 .<br />
Mit zunehmender Antimon-Deposition nimmt die Quantenpunktdichte und die laterale<br />
Größe der Exemplare zu (vgl. Abb. 6.4 a bis e und die Größenverteilung in Abb. 6.4 h).<br />
Ab einer nominellen Schichtdicke von 5, 4 ML führt eine weitere Zugabe von Gallium und<br />
Antimon während des Schichtwachstums nicht zu einer Vergrößerung der Quantenpunkte,<br />
sondern bedingt nur die Bildung von Defekten in den Quantenpunkten. Diese Defekte<br />
wurden in [Häu03] als Stapelfehler und Versetzungsringe identifiziert. Die Kristallstörungen<br />
wirken als nichtstrahlende Rekombinationszentren und verursachen eine Abnahme
Ga(As,Sb)/GaAs - Quantenpunktstruktur 133<br />
der Intensitäten im <strong>Ph</strong>otolumineszenzspektrum (vgl. PL-Spektren in der Abb. 6.4 g).<br />
Als Optimum für die Herstellung von Ga(As,Sb)-Quantenpunkten wurde die nominelle<br />
Schichtdicke von t = 5, 4 ML gefunden. Diese Dicke wurde während einer 25-sekündigen<br />
Einleitung von Sb (C2H5) 3 in den MOCVD-Reaktor erreicht.<br />
6.2.3 Wachstumsunterbrechung<br />
(tGaSb = 5, 4 ML, V/III = 0, 2, T = 515 ◦ C)<br />
Nach dem Einleiten der gasförmigen Ausgangsstoffe für die Bildung der Ga(As,Sb)-Schicht<br />
wurde eine Wachstumsunterbrechung durchgeführt. Während dieser Wachstumsunterbrechung<br />
wurde nur das Trägergas H2 in den Reaktorraum eingeleitet, so dass überflüssiges<br />
Material von der Oberfläche auch abgeführt werden konnte. Der Einfluss der Wachstumsunterbrechung<br />
bezüglich seiner Dauer wurde in [Häu01] und [Mül02] ausführlich<br />
untersucht und diskutiert. Die 002-Dunkelfeldaufnahmen, die Größenverteilung und die<br />
PL-Messungen sind in der Übersicht in der Abb. 6.5 zusammengefasst.<br />
Die Bildung von Quantenpunkten beginnt, wenn die kritische Schichtdicke erreicht wird<br />
und endet durch das Aufbringen der GaAs-Bedeckungsschicht. Das Formen der niederdimensionalen<br />
Quantenstrukturen erfolgt durch laterale Adatombewegungen auf der Wachstumsoberfläche.<br />
Wird dem Schichtmaterial keine Zeit für die Materialumordnung nach der<br />
Abscheidung gegeben, bilden sich nur vereinzelt kleine Quantenpunkte mit einer lateralen<br />
Ausdehnung von ca. 8 nm (siehe Abb. 6.5 a). Hat das System zwei Sekunden für<br />
die Materialumordnung Zeit, so nimmt die Anzahl der kleinen Quantenpunkte zu und es<br />
entstehen auch einige große Exemplare (siehe Abb. 6.5 b). Nach fünf Sekunden ist der<br />
Gleichgewichtszustand erreicht und die Quantenpunkte sind bezüglich ihrer Form und<br />
Größe stabil.<br />
6.2.4 III/V-Partialdruckverhältnis<br />
(tGaSb = 5, 4 ML, GRI = 5 s, T = 515 ◦ C)<br />
Aufgrund der hohen Flüchtigkeit der Hydride (TESB 1 ) bei der metallorganischen Gasphasenepitaxie<br />
wird die abgeschiedene GaSb-Menge beim Wachstumsprozess durch das<br />
Angebot an Antimon gesteuert. Die angebotenen Gruppe III-Atome (Ga), sie liegen als<br />
gasförmige Ausgangsstoffe TMGa und TEGa 2 vor, werden vollständig in der stöchiometrisch<br />
erforderlichen Menge eingebaut. Somit kann das Wachstum von GaSb-Schichten<br />
durch das Angebot von Antimon reguliert werden.<br />
Der Einfluss des V/III-Verhältnisses der Ausgangsstoffe auf die Bildung von Ga(As,Sb)<br />
/GaAs-Quantenpunkten wurde im Rahmen dieser Arbeit untersucht. Hierfür wurde der<br />
TESb Partialdruck bei konstant bleibenden TMGa Partialdruck variiert. Bei der Untersuchung<br />
wurde eine Wachstumsdauer für GaSb von 25 s, dies entspricht einer nominellen<br />
Schichtdicke von 4, 5 ML, und eine Unterbrechung von 5 s nach der GaSb Deposition<br />
gewählt. Die Wachstumstemperatur beträgt T = 515 ◦ C.<br />
1 Triethylantimony Sb (C2H5) 3<br />
2 Trimethylgallium Ga (CH3) 3 und Triethylgallium Ga (C2H5) 3
134<br />
Abbildung 6.4: Variation der nominellen Schichtdicke<br />
a) - f) 220-Dunkelfeldabbildungen von Ga(As,Sb)-Quantenpunkten bei verschiedenen nominellen Schichtdicken von<br />
3, 6 ML bis 5, 8 ML; g) <strong>Ph</strong>otolumineszenzmessung; h) Größenverteilung der Quantenpunkte
Ga(As,Sb)/GaAs - Quantenpunktstruktur 135<br />
Abbildung 6.5: Variation der Wachstumsunterbrechung nach der GaSb-Abscheidung<br />
a) - d) 220-Dunkelfeldabbildungen von Ga(As,Sb)/GaAs-Quantenpunkten hergestellt bei unterschiedlicher Wachstumsunterbrechung;<br />
unten links: PL-Spektren; unten rechts: Größenverteilung
136<br />
Abbildung 6.6: Variation des Antimonangebotes durch die Änderung des Partialdruckverhältnisses<br />
V/III bei der GaSb-Abscheidung<br />
a) exemplarische 220-Dunkelfeldabbildung von GaAsxSb1−x/GaAs-Quantenpunkten<br />
gewachsen bei einem V/III-Verhältnis von 3,5 , b) 5 und c) 6;<br />
d) <strong>Ph</strong>otolumineszenzspektren mit den Abkürzungen BN für Benetzungsschicht und QP<br />
für Quantenpunkte;<br />
e) anhand der 220-Dunkelfeldabbildungen bestimmte Größenverteilungen der<br />
GaAsxSb1−x/GaAs-Quantenpunkte<br />
Die Abb. 6.6 zeigt die Ergebnisse der transmissionselektronenmikroskopischen Untersuchungen<br />
und die zugehörigen PL-Spektren. Bei einem Partialdruckverhältnis von V/III =<br />
3, 5 besteht das PL-Spektrum nur aus der Lumineszenzlinie der Benetzungsschicht. Obwohl<br />
diese mit E = 1, 35 eV einer Benetzungsschicht mit einer Dicke oberhalb der kritischen<br />
Schichtdicke entspricht (vgl. PL-Spektren der Abb. 6.4), konnte kein Übergang<br />
vom zwei- zum dreidimensionalen Wachstum festgestellt werden (vgl. Abb. 6.4 a).<br />
Bei einer Erhöhung des Antimonanteils im Gasgemisch auf ein Partialdruckverhältnis<br />
von V/III = 5 vollzieht sich der Übergang zum dreidimensionalen Wachstum. Gut zu<br />
erkennen ist dieser Vorgang zum einen anhand des PL-Spektrums (Abb. 6.4). Dies zeigt
Ga(As,Sb)/GaAs - Quantenpunktstruktur 137<br />
für V/III = 5 neben der Lumineszenzlinie der Benetzungsschicht, deren energetische<br />
Lage gegenüber V/III = 3, 5 unverändert ist, eine Schulter mit einem Maximumansatz<br />
bei einer Übergangsenergie von 1, 05 eV . Zum anderen zeigt die 220-Dunkelfeldabbildung<br />
(siehe Abb. 6.4 b) Quantenpunkte mit einer Flächendichte von 0, 8·10 10 cm −2 . Die genaue<br />
Auswertung der Kontrastmuster ergibt eine bimodale Größenverteilung mit einer lateralen<br />
Größe von 6 nm für die kleinen Exemplare und ca. 17 nm für die großen Quantenpunkte<br />
(vgl. Größenverteilung in der Abb. 6.4).<br />
Wird ein Partialdruckverhältnis von V/III = 6 eingestellt, so zeigen sich die Lumineszenzlinien<br />
der Benetzungsschicht und des Quantenpunktensembles deutlich getrennt.<br />
Aus der im Vergleich zu niedrigen Partialdruckverhältnissen erhöhten Übergangsenergie<br />
von 1, 38 eV der Benetzungsschicht kann auf eine Schichtdickenabnahme geschlossen<br />
werden. Weiterhin erkennt man im PL-Spektrum eine geringfügige Rotverschiebung<br />
um ca. 0, 01 eV von 1, 05 eV nach 1, 0 eV für die Übergangsenergie der Quantenpunkte.<br />
Die Größenverteilung der TEM-Abbildungen (Abb. 6.4) zeigt nur eine geringfügige<br />
Verschiebung der bimodalen Verteilung zu größeren Quantenpunkten bei Zunahme des<br />
V/III-Verhältnisses. Anhand des Vergleiches von Abb. 6.4 b mit 6.4 c ist deutlich eine<br />
Erhöhung der Flächendichte der Quantenpunkte zu erkennen. Mit 2, 1 · 10 10 cm −2 ist die<br />
Anzahl der Quantenpunkte pro Fläche für V/III = 6 fast zweieinhalb mal so groß wie für<br />
V/III = 5. Die Blauverschiebung der energetischen Position der Benetzungsschicht im<br />
PL-Spektrum und die hohe Gesamtflächendichte sind Anhaltspunkte für einen vollständigen<br />
Materialtransport von der Benetzungsschicht zu den Quantenpunkten während der<br />
Wachstumspause.<br />
Die Graphik der PL-Spektren in Abb. 6.4 enthält eine <strong>Ph</strong>otolumineszenzmessung für ein<br />
Partialdruckverhältnis von V/III = 7, welche in Bezug auf die energetischen Positionen<br />
der Lumineszenzlinien mit den Spektrum für V/III = 6 identisch ist. Der Unterschied<br />
zwischen V/III = 6 und V/III = 7 besteht in den Intensitäten der Spektren. Daher kann<br />
aus dem Vergleich der beiden Spektren auf eine Zunahme von störenden Rekombinationszentren<br />
in Form von Defekten geschlossen werden.
138<br />
6.3 Antimongehalt in den Quantenpunkten<br />
Um den Antimongehalt innerhalb von Ga(As,Sb)/GaAs-Quantenpunkten ohne die Verwendung<br />
von direkten analytischen Verfahren bestimmen zu können, ist es notwendig, zwei<br />
voneinander unabhängige TEM-Methoden - 002-Dunkelfeldauswertung und HRTEM -<br />
miteinander zu kombinieren. Die dafür im Rahmen dieser Arbeit entwickelte Vorgehensweise<br />
soll nun erläutert werden.<br />
Für GaAs1−xSbx ist der 002-Reflex ein chemisch sensitiver (siehe Glg. 3.16 im Abschnitt<br />
3.2.1), der zur chemischen Analyse genutzt werden kann. Grund für diese Sensibilität<br />
bezüglich der Zusammensetzung ist die Kristallisation des unverspannten Mischkristalls<br />
in der Zinkblendestruktur. Die Abb. 6.7 a zeigt die mittels dem Programm jems ermittelte<br />
Abhängigkeit zwischen der Zusammensetzung des verspannten ternären Systems<br />
GaAs1−xSbx (0 ≤ x ≤ 1) mit der Raumgruppe I4m2 (siehe Anhang C) und der In-<br />
tensität I 002 des chemisch sensitiven 002-Reflexes. Zwischen der Konzentration x und<br />
I 002 besteht eine direkte Proportionalität mit einem Minimum I 002<br />
min für x = 0. In einer<br />
002-Dunkelfeldabbildung entspricht dieser Extremwert dem Matrixmaterial (GaAs). Eine<br />
Eichung der 002-Dunkelfeldintensitäten bezüglich der Konzentration x gelingt aber nur<br />
dann, wenn einem weiteren Intensitätswert im Bild eine Antimonkonzentration zugeord-<br />
net werden kann.<br />
Das zweite, für die Eichungen notwendige, Wertepaar (x,I 002<br />
2 ) erhält man durch die Auswertung<br />
des Verschiebungsfeldes uz (r) in Wachstumsrichtung z. Da die Änderungen der<br />
Gitterkonstanten von gitterfehlangepassten Schichten gegenüber dem unverspannten Zustand<br />
in Abhängigkeit von den Parametern der unverspannten Materialien durch die<br />
Glgen. 2.12-2.15 im Abschnitt 2.3 beschreibbar sind, wird anhand der Benetzungsschicht<br />
der zweite für die Skalierungen notwendige Konzentrationswert ermittelt. Zur Vereinfachung<br />
wird angenommen, dass die GaAs-Matrix unter- und oberhalb der Benetzungsschicht<br />
unverspannt ist. Dieser Ansatz gilt, da zum einen die GaAs1−xSbx-Benetzungschicht<br />
gegenüber der Matrix als unendlich dünn angenommen werden kann (hGaAs/hGaAs1−xSbx →<br />
∞) und andererseits die Elementarzellen dieser Schicht nur in [001]-Richtung relaxieren<br />
können. Zwischen dem Gradientenfeld ∂uz und der Sb-Konzentration x besteht mit dieser<br />
∂z<br />
Vereinfachung nach Glg. 2.21 der folgende Zusammenhang:<br />
ɛ Ga(As,Sb)<br />
zz<br />
= ∂uz<br />
∂z<br />
GaAs<br />
(1 − x) · c12 = −2<br />
(1 − x) · c GaAs<br />
11<br />
+ x · c GaSb<br />
12<br />
+ x · c GaSb<br />
11<br />
<br />
aGaAs<br />
(1 − x) · aGaAs + x · aGaSb<br />
<br />
− 1 (6.3)<br />
Die Elastizitätskonstanten ci 11, ci 12 und die Gitterparameter ai sind aus der Tab. 2.1 (i =<br />
GaAs, GaSb) zu entnehmen. In der Abb. 6.7 b ist die Funktion x ɛ Ga(As,Sb)<br />
<br />
zz für das Sand-<br />
wichsystem GaAs/Ga(As,Sb)/GaAs graphisch dargestellt. Die maximale Verschiebung<br />
∂uz innerhalb der Ga(As,Sb)-Benetzungsschicht entspricht in der 002-Dunkelfeldabbildung<br />
∂z<br />
der maximalen Intensität in dieser Schicht, so dass die zweite für die Skalierung von I002 notwendige Konzentrationszuordnung gegeben ist.
Ga(As,Sb)/GaAs - Quantenpunktstruktur 139<br />
Abbildung 6.7: a) 002-Intensitäten I 002 von GaAs1−xSbx in Abhängigkeit von der Antimonkonzentration<br />
x (berechnet mit dem Programm jems)<br />
blaue Funktion: I 002 (x) für unverspanntes GaAs1−xSbx mit der Raumgruppe F 43m<br />
rote Funktion: I 002 (x) für verspanntes GaAs1−xSbx mit der Raumgruppe I4m2 (siehe Anhang<br />
C). I 002 (x) wird durch die quadratische Gleichung beschrieben:<br />
I 002 = 8, 22638 · x 2 + 4, 66792 · x + 0, 47527 (6.4)<br />
b) Abhängigkeit der Verzerrungstensorkomponente ɛzz<br />
im ternären System GaAs1−xSbx<br />
von der Antimonkonzentration x<br />
x = 23, 86901 · ɛ 2 zz + 13, 53212 · ɛzz<br />
(6.5)<br />
6.3.1 Konzentrationsbestimmung in der<br />
GaAs1−xSbx-Benetzungsschicht<br />
Aus der HRTEM-Aufnahme der Abb. 6.8 wurde durch die Analyse des Verschiebungsfeldes<br />
uz die Antimonkonzentration innerhalb der Ga(As,Sb)-Benetzungsschicht bestimmt.<br />
Die kumulative Summe der Verzerrungen über den Bereich der Benetzungsschicht wurde<br />
in der Abb. 6.8 als zweidimensionales farbcodiertes Verschiebungsfeld dargestellt. Die Verschiebungsvektoren<br />
uz beziehen sich auf das Referenzgitter mit aREF = aGaAs/2, welches<br />
anhand des GaAs-Gitters im rot markierten Bereich berechnet wurde. Für die Auswertung<br />
wurde das Gradientenfeld ∂uz in Wachstumsrichtung [001] betrachtet (siehe Abb. 6.9). Die<br />
∂z<br />
Ableitung zeigt eine maximale Verschiebung ɛzz = ∂uz von 0, 0321. Diesem Wert kann ein-<br />
∂z<br />
eindeutig die Antimonkonzentration xBN ≈ 0, 47 zu geordnet werden (vgl. Abb. 6.7 b mit<br />
Glg. 6.5). Die zwischen I002 GaAs (x = 0) = 0 und I002 BN (x = 0, 47) = 1 skalierte Funktion<br />
I002 (x) lautet somit:<br />
I 002 = 2, 00459 · x 2 + 1, 13730 · x (6.6)
140<br />
Diese Formel bildet die Basis für die im nächsten Abschnitt folgenden Konzentrationsbestimmungen<br />
innerhalb der Ga(As,Sb)/GaAs-Quantenpunkte.<br />
Abbildung 6.8: HRTEM-Aufnahme einer GaAs1−xSbx-Benetzungsschicht (Elektroneneinstrahlung<br />
in [100]) mit farbcodierten zweidimensionalen Verschiebungsfeld uz (REF markiert<br />
das in der GaAs-Matrix liegende Referenzgebiet).<br />
6.3.2 Konzentrationsbestimmung in den<br />
GaAs1−xSbx/GaAs-Quantenpunkten<br />
Die Sb-Konzentrationen innerhalb der Ga(As,Sb)/GaAs-Quantenpunkte werden aus den<br />
parallel zur Wachstumsrichtung aufgenommmenen Grauwertprofilen von 002-Dunkelfeldabbildungen<br />
berechnet. Diese Intensitätsprofile müssen sowohl bezüglich der durchstrahlten<br />
Probendicke korrigiert als auch skaliert werden, um eine Auswertung der Konzentrationen<br />
zu ermöglichen.<br />
Die Abb. 6.10 zeigt ein unkorrigiertes Grauwertprofil über den Bereich der Ga(As,Sb)-<br />
Benetzungsschicht. Zur Ermittlung der Netto-Intensitäten wurde eine konstante Dickenänderung<br />
angenommen, welche durch eine lineare Funktion approximiert werden kann. Zieht<br />
man die Dickenfunktion von dem Profil ab, so erhält man für xBN den Grauwert von<br />
I 002<br />
BN = I2 − I1 (vgl. Abb. 6.10) und für die GaAs-Gebiete Intensitäten um Null. In Analogie<br />
zu der eben beschriebenen Vorgehensweise werden alle weiteren 002-Dunkelfeldprofile
Ga(As,Sb)/GaAs - Quantenpunktstruktur 141<br />
Abbildung 6.9: Ableitung der Verschiebungsvektoren uz in [100] im Bereich um die<br />
GaAs1−xSbx-Benetzungsschicht (siehe Abb. 6.8).<br />
Abbildung 6.10: 002-Dunkelfeldintensitätsprofil einer GaAs/Ga(As,Sb)-BN/GaAs-<br />
Heterostruktur (BN - Benetzungsschicht) gemessen entlang [001] (schwarze Linie). Die<br />
rot dargestellte Linearfunktion beschreibt den Einfluss der Dickenänderung der Probe auf<br />
das Intensitätsprofil.
142<br />
bezüglich der Dicken korrigiert und ihre Intensitäten bezüglich I 002<br />
GaAs<br />
= 0 und der aus dem<br />
Benetzungsschichtprofil ermittelten Intensität I002 BN = 1 skaliert. Unter Verwendung des in<br />
der Glg. 6.6 gegebenen Zusammenhanges kann nun direkt aus den korrigierten Grauwertprofilen<br />
die Zusammensetzung des Mischkristalls GaAs1−xSbx berechnet werden.<br />
Auswertung<br />
Die in der Abb. 6.12 a gezeigte 002-Dunkelfeldaufnahme wird im Folgenden für die Zusammensetzungsbestimmung<br />
der GaAs1−xSbx-Quantenpunkte genutzt. Anhand der Grauwertprofile<br />
der Bereiche A bis K wurden die in der Abb. 6.11 graphisch dargestellten<br />
Antimonverteilungen berechnet. Die maximale berechnete Intensität innerhalb der Quantenpunktgebiete<br />
beträgt nahezu x = 0, 8 (siehe Abb. 6.11, rot dargestellte Funktionen).<br />
Hier ist die Probendicke so dünn (< 25 nm), dass der untersuchte Quantenpunkt in [100]<br />
(Elektronenstrahlrichtung) nicht von GaAs-Material umgeben ist.<br />
Abbildung 6.11: Eindimensionale Sb-Konzentrationsprofile vom System<br />
GaAs1−xSbx/GaAs berechnet aus den 002-Dunkelfeldprofilen der Bereiche A - K<br />
der Abb. 6.12 a. Die rot dargestellten Graphen entsprechen der Antimonverteilung mit<br />
eingeschlossenem Quantenpunkt, und die blauen Plots enthalten die Sb-Konzentrationen<br />
der Benetzungsschicht.
Ga(As,Sb)/GaAs - Quantenpunktstruktur 143<br />
Eine zweidimensionale Verteilung des Antimonanteils erhält man, wenn das 002-Dunkelfeldbild<br />
Pixel für Pixel auswertet wird. Die Abbn. 6.12 a - c zeigen die zweidimensionale<br />
Berechnung des GaAs1−xSbx-Quantenpunkts der 002-Dunkelfeldaufnahme aus Abb. 6.12 a.<br />
Die berechnete Sb-Konzentration für dieses Exemplar liegt zwischen 70 at.% für den<br />
Randbereich und 85 at.% im Quantenpunkt. Die vollständige Form des Quantenpunktes<br />
ist aufgrund der sehr geringen Probendicke nicht gegeben.<br />
Um die laterale und vertikale Ausdehnung von Quantenpunkten bestimmen zu können,<br />
müssen diese vollständig in der 002-Dunkelfeldabbildung abgebildet werden. Diese Exemplare<br />
sind in dicken Probenbereichen zu suchen. Nachteilig für die Bestimmung des Antimongehaltes<br />
eines GaAs1−xSbx-Quantenpunktes aus solch einem Bereich ist die allseitig<br />
den Quantenpunkt umgebende GaAs-Matrix. Somit kann nur der Mindestanteil von Sb in<br />
solchen Exemplaren angegeben werden. Die Abb. 6.13 a zeigt eine 002-Dunkelfeldaufnahme<br />
mit zwei Quantenpunkten QP1 und QP2 aus einem sehr dicken Probenbereich. Die Auswertung<br />
bezüglich der Zusammensetzung (Abb. 6.13 b) zeigt einen maximalen Mindestanteil<br />
von x = 0, 7. Die restlichen, fehlenden 30 % sind der Arsenanteil aus der den Quantenpunkt<br />
umgebenden GaAs-Matrix in [100]. Der Quantenpunkt QP1 hat eine laterale<br />
Ausdehnung von ca. 25 nm und eine Höhe von ca. 7 nm. Weiterhin zeigt QP1 bezüglich<br />
seiner vertikalen Mittelachse eine symmetrische, schalenförmige Antimonverteilung (siehe<br />
Abb. 6.13 c). Die sehr große laterale Ausdehnung des Exemplars QP2 von ca. 60 nm lässt<br />
die Annahme zu, dass QP2 aus zwei oder mehreren sich in der [100] cubic -Projektion überlagernden<br />
Quantenpunkten besteht. Bestärkt wird diese Vermutung durch die zwei voneinander<br />
im Abstand von ca. 12 nm getrennt liegenden maximalen Sb-Konzentrationeninseln<br />
innerhalb von QP2 mit x ≈ 0, 6 (siehe Abb. 6.13 d). Die Abb. 6.13 e zeigt eine homogene<br />
Zusammensetzung der Benetzungsschicht BN mit einem Antimongehalt zwischen ca.<br />
x = 0, 457 und x = 0, 47.
144<br />
Abbildung 6.12: Zweidimensionale Konzentrationsbestimmung von GaAs1−xSbx/GaAs-<br />
Quantenpunkten<br />
a) chemisch sensitive 002-Dunkelfeldabbildung (Kristallorientierung in 〈100〉 für die<br />
GaAs-Matrix)<br />
b) zweidimensionaler farbcodierter Konzentrationsplot des Antimonanteils x, berechnet<br />
aus den Intensitäten der 002-Dunkelfeldabbildung a)<br />
c) Vergrößerter Ausschnitt aus b)
Ga(As,Sb)/GaAs - Quantenpunktstruktur 145<br />
Abbildung 6.13: Antimonbestimmung in GaAs1−xSbx-<br />
Quantenpunkten in einem dicken Probenbereich<br />
a) 002-Dunkelfeldabbildung mit zwei Quantenpunkten QP1 und<br />
QP2. BN bezeichnet die Benetzungsschicht.<br />
b) berechnete Sb-Verteilung der 002-Dunkelfeldaufnahme in a). Die<br />
Rechtecke markieren die Gebiete, welche in den Abbildungen c) bis<br />
e) vergrößert dargestellt werden. Zu sehen sind die Sb-Verteilung<br />
des QP1 (in c)), des QP2 (in d)) und der Benetzungsschicht (in e)).
146
Kapitel 7<br />
Kombination von (Ga,In)As<br />
mit Ga(As,Sb)-Quantenpunkten in<br />
GaAs In diesem Abschnitt soll geklärt werden, ob es gelingt, Ga(As,Sb)-<br />
Quantenpunkte durch den Einfluss von (Ga,In)As-Quantenpunkten organisiert<br />
wachsen zu lassen. Die (Ga,In)As-Quantenpunkte wirken<br />
als Stressoren, deren chemische Zusammensetzung anhand von (002)-<br />
Dunkelfeldabbildungen analysiert werden.<br />
7.1 Probenstruktur<br />
Der Probenaufbau wurde wegen der gewünschten elektronischen Eigenschaften gezielt ausgewählt.<br />
Aus diesem Grund sollen hier zuerst die geforderten elektronischen Eigenschaften<br />
und danach die strukturelle Umsetzung erläutert werden.<br />
7.1.1 Kombination von Quantenpunkttyp I mit Typ II<br />
Die räumliche Trennung der Ladungsträger, wie sie bei Ga(As,Sb)-Quantenpunkten mit<br />
dem Bandstrukturtyp II vorliegen, bringt eine hohe Lokalisierung der Löcher in den Quantenpunkten<br />
und kleine Übergangswahrscheinlichkeiten für strahlende Rekombinationen<br />
mit sich. Daher sind die Ga(As,Sb)-Quantenpunkte in GaAs interessant für Speicherexperimente.<br />
Der Quantenpunkttyp II alleine ist als aktives Material z.B. in einem Lichtemitter<br />
ungeeignet. Deshalb wurde eine Kombination von Ga(As,Sb) (Typ II) mit (Ga,In)As (Typ<br />
I) gewählt [Mül02]. Die Abb. 7.1 zeigt das Energiebändermodell von GaSb (Typ II) mit<br />
direktem Kontakt zu InAs (Typ I). Die räumliche Überlagerung der Elektronen- mit den<br />
Lochzuständen führt zu einer vergrößerten Übergangswahrscheinlichkeit, sowie zu einer<br />
Verschiebung der Übergangsenergie zu kleineren Energien.<br />
Mit dem Einbau einer Energiebarriere zwischen den InAs- und den GaSb-Quantenpunkten<br />
in Form von einer GaAs-Schicht und dem Anlegen eines elektrischen Feldes kann das kombinierte<br />
TypI-TypII-Quantenpunktsystem als Ladungsspeicher genutzt werden. Das Energiebändermodell<br />
für diesen Fall ist in der Abb. 7.2 dargestellt. Durch optische Anregung<br />
147
148<br />
Abbildung 7.1: Schemata des Potentialverlaufs<br />
mit angedeuteten Wellenlängenfunktionen<br />
für eine kombinierte<br />
(Ga,In)As-GaSb-Quantenpunkt<br />
Struktur [Mül02]<br />
Abbildung 7.2: Schema der optischen<br />
Anregung über einen InAs-Quantenpunkt<br />
in einer Struktur mit gestapelten InAs-<br />
Quantenpunkten und GaSb-Quantenpunkten<br />
in GaAs [Mül02]<br />
erfolgt eine Ladungsträgertrennung über die InAs-Quantenpunkte, da hier die Bandlücke<br />
am kleinsten ist. Bei genügend kleiner GaAs-Barriere wandern die Löcher aufgrund von<br />
Tunnelprozessen in die GaSb-Quantenpunkte. Durch das angelegte äußere elektrische Feld<br />
werden die Elektronen aus dem Leitungsband emittiert, während die Löcher in den GaSb-<br />
Quantenpunkten verbleiben.<br />
7.1.2 Probenaufbau<br />
Die (Ga,In)As-Quantenpunktschicht, deren chemische Zusammensetzungsbestimmung im<br />
Abschnitt 7.3 vorgenommen wird, wurde auf (001)-orientiertem GaAs abgeschieden. Die<br />
(In,Ga)As-Quantenpunkte sollen nicht nur für die optische Anregung genutzt werden, sie<br />
sollen ebenso als Saatschicht für die Ga(As,Sb)-Quantenpunktschicht fungieren.<br />
Abbildung 7.3: Probenaufbau<br />
Auf die (Ga,In)As-Quantenpunktschicht wird<br />
GaAs mit einer Schichtdicke ∆GaAs abgeschieden<br />
und anschließend wird eine Ga(As,Sb)-Quantenpunktschicht<br />
mit den im Abschnitt 6.2 als<br />
Optimum gefundenen Wachstumsparametern aufgewachsen.<br />
Die Ga(As,Sb)-Quantenpunkte werden<br />
abschließend mit GaAs bedeckt. Der Probenaufbau<br />
ist in der Abb. 7.1.2 skizzenhaft dargestellt.<br />
Zur optimalen Realisierung des kombinierten Systems<br />
sollte eine direkte räumliche Korrelation<br />
zwischen den gestapelten Quantenpunkten be-
Kombination von (Ga,In)As mit Ga(As,Sb)-Quantenpunkten in GaAs 149<br />
stehen. Entscheidend für die Korrelation der Quantenpunktschichten ist die Reichweite<br />
der von den (Ga,In)As bedingten Verspannungsfeldern in der GaAs-Zwischenschicht. Die<br />
Dicke der GaAs-Barriere ∆GaAs wurde für die Untersuchung der Quantenpunktkorrelationen<br />
systematisch variiert.<br />
7.2 Korrelationen zwischen gestapelten<br />
Quantenpunkten<br />
Die vergrabenen (In,Ga)As-Quantenpunkte wirken bei hinreichend kleinen GaAs-Zwischenschichtdicken<br />
als Stressoren, welche die Wachstumsoberfläche lokal verspannen. Hol´y<br />
et al. berechneten unter Berücksichtigung der Anisotropie des Schichtmaterials die elastischen<br />
Energieverteilungen 1 ρ (x, y) oberhalb von einem punktförmigen Stressor in unterschiedlichen<br />
Zwischenschichtmaterialien [Hol99]. Die berechneten elastischen Energiedichten<br />
für GaAs, ZnSe, PbS, PbTe und Si für (001)-Wachstumsoberflächen sind in der<br />
Abb. 7.4 a dargestellt. Die Anisotropie des Verspannungstensors von Halbleitermaterialien<br />
mit einem Anisotropiefaktor A > 1 bedingt bei einer (001)-Wachstumsoberfläche die<br />
Ausbildung von vier Energiedichteminima, welche in der [110]- und der 110 -Richtung<br />
um die punktförmige verspannungsfeldinduzierende Quelle angeordnet sind (siehe Inset<br />
in Abb. 7.4 a). Neben den zwei Minima weist die elastische Energieverteilung direkt oberhalb<br />
des vergrabenen Stressors ein Maximum auf. Für anisotrope Materialien mit A > 1<br />
ähnelt die Querschnittsansicht von ρ entlang [110] einer W-förmigen Funktion. Aufgrund<br />
der geringen Anisotropie von GaAs (A = 1, 84) und Si (A = 1, 563) sind die Minima<br />
nicht so stark ausgeprägt wie für Materialien mit höherer Anisotropie (z.B. ZnSe mit<br />
A = 2, 44). Für Halbleitermaterialien mit A < 1 existiert nur ein Minimum von ρ (x, y)<br />
direkt über dem Stressor. Ein vergleichbares Verhalten wurde für isotrope Materialien von<br />
Hol´y berechnet in [Hol99] (siehe gestrichelte Funktion in Abb. 7.4 a).<br />
Die Eigenschaften der elastischen Energieverteilung führen zu einer Ansammlung der Adatome<br />
und zu einer bevorzugten Nukleation der Quantenpunkte an den Stellen der lokalen<br />
Minima auf der Oberfläche, welche die Positionen der Quantenpunkte in der darüberliegenden<br />
Schicht vorgeben. Die Lage der Minima kann durch den Winkel α zwischen<br />
der Oberflächennormalen und dem Vektor zum aufwachsenden Quantenpunkt beschrieben<br />
werden. Für GaAs ist α ca. 23 ◦ . Bei sehr kleinen Zwischenschichtdicken können die<br />
Minima der elastischen Energiedichte ρ (x, y) nicht mehr separiert werden, und es folgt für<br />
das System Ga(As,Sb)/GaAs/(Ga,In)As eine direkte vertikale Korrelation zwischen einem<br />
vergrabenen Stressor in der (Ga,In)As-Quantenpunktschicht und einem darüberliegenden<br />
Ga(As,Sb)-Quantenpunkt. Somit ergibt sich in Abhängigkeit von der Zwischenschicht-<br />
1 Den elastischen Verzerrungen innerhalb eines Kristalls entspricht die Energiedichte, welche für ein<br />
anisotropes Medium durch die Gleichung<br />
gegeben ist.<br />
ρaniso = σik · ɛlm = 1<br />
2 ciklm · ɛik · ɛlm
150<br />
Abbildung 7.4: Elastische Energiedichten<br />
ρ (x, y) an (001)-Oberflächen oberhalb<br />
von anisotropen Materialien mit A > 1<br />
vergrabenen Stressoren.<br />
a) Querschnitt von ρ (x, y) entlang<br />
[110] für verschiedene Matrixmaterialien<br />
mit einer Dicke von 50 nm und<br />
einem vergrabenen Stressor. s ist der<br />
Abstand der Minima zum Maximum<br />
in [110]. Inset: 2-dim. Konturplot mit<br />
−50 nm ≤ (x, y) ≤ 50 nm und 0, 5%<br />
Schrittweite. Minima von ρ sind gelb<br />
dargestellt. [Hol99]<br />
b-e) Skizzenhafter Verlauf von ρ (x, y)<br />
entlang [110] für zwei vergrabene Stressoren<br />
mit variiertem Abstand d.
Kombination von (Ga,In)As mit Ga(As,Sb)-Quantenpunkten in GaAs 151<br />
dicke und der daraus resultierenden Breite des verspannten Oberflächenbereichs für GaAs<br />
eine vollständige, teilweise oder auch keine Korrelation zwischen den vergrabenen Stressoren<br />
und den Ga(As,Sb)-Quantenpunkten der zweiten Schicht.<br />
Als verspannungsinduzierende Stressoren wirken hauptsächlich kleine Quantenpunkte,<br />
aber auch Ecken und Kanten von größeren Exemplaren verursachen eine Verspannung<br />
in der umgebenden Matrix [Xie95]. Die Abbn. 7.4 b-e zeigen skizzenhaft die elastischen<br />
Energiedichten in [110] für den Fall der Wechselwirkung von zwei Stressoren in Abhängigkeit<br />
von deren Abstand d (A > 1). Eine direkte vertikale Korrelation zwischen Quantenpunkten<br />
aus verschiedenen Lagen existiert nur dann, wenn der Stressorenabstand d<br />
so groß ist, dass bei der Überlagerung der W-förmigen Energiedichteprofile beider Stressoren<br />
die Maxima mit jeweils einem Minimum interferieren. Dieser Fall ist schematisch in<br />
der Abb. 7.4 c dargestellt. Deutlich sieht man, dass das resultierende Profil vier Minima<br />
aufweist, wovon zwei lokale Minima die seitliche Korrelation bedingen und aus den zwei<br />
anderen stärker ausgeprägten Minima die direkte vertikale Korrelation zwischen Stressor<br />
und Quantenpunkt resultiert. Ist die Anisotropie des Zwischenschichtmaterials nur gering,<br />
so kommt es direkt oberhalb der Stressoren nicht zur Bildung von zwei Quantenpunkten,<br />
sondern zur Ausbildung eines großen Exemplares. Die Abb. 7.4 b zeigt die Überlagerung<br />
der Energiedichteprofile für den Fall, dass die Stressoren sehr dicht beieinander liegen<br />
(d < s). In diesem Fall entstehen nur zwei lokale Minima seitlich von den Stressoren.<br />
Ist d sehr groß, aber noch so klein, dass die Verspannungsfelder der einzelnen Stressoren<br />
noch miteinander wechselwirken können, so entstehen drei seitliche lokale Minima (siehe<br />
Abb. 7.4 d und e). In Fällen d ≤ 2s gilt eine seitliche Korrelation unter dem Winkel α<br />
bezüglich der Symmetrieachse w, welche genau mittig zwischen den Stressoren liegt.<br />
Auswertung<br />
Die Abb. 7.5 zeigt eine 002-Dunkelfeldaufnahme einer 〈110〉-Querschnittsprobe mit einer<br />
Stapelstruktur Ga(As,Sb)/GaAs/(Ga,In)As. Bei dieser Stapelung ist GaAs sowohl<br />
Matrix- als auch das Zwischenschichtmaterial und die (Ga,In)As-Quantenpunktschicht<br />
fungiert als Stressor. Die Lage der Ga(As,Sb)-Quantenpunkte in der oberen Schicht wird<br />
durch die Position der Stressoren und die Anisotropie von GaAs beeinflusst. Am häufigsten<br />
wurden bei einer Zwischenschichtdicke von ca. 3 nm seitliche Korrelationsbeziehungen zwischen<br />
den (Ga,In)As- und den Ga(As,Sb)-Quantenpunkten beobachtet (siehe Abb. 7.5).<br />
Die Abb. 7.6 zeigt exemplarisch solch einen Fall. Die Quantenpunkte bilden eine spiegelsymmetrische<br />
Anordnung, wobei die außen liegenden Ga(As,Sb)-Quantenpunkte (1’ und<br />
3’) im Winkel von α ≈ 24 ◦ zu ihren jeweiligen Stressoren (1 und 2) angeordnet sind. Der<br />
sich aus der Wechselwirkung der beiden Stressoren ergebende Ga(As,Sb)-Quantenpunkt<br />
(2’) liegt auf der Symmetrieachse.<br />
Vereinzelt wurden auch direkt vertikal korrelierte Quantenpunkte gefunden, dieser Fall<br />
konnte nur bei sehr dicht nebeneinander liegenden (Ga,In)As-Stressoren gefunden werden<br />
(siehe Abb. 7.5). Das Auftreten der direkten vertikalen Beziehung kann zum einen<br />
durch die Überlagerung der Verspannungsfelder der Stressoren erklärt werden, wobei der<br />
Abstand der Stressoren ungefähr d = s beträgt (siehe Abb. 7.4 c). Über (Ga,In)As-
152<br />
Abbildung 7.5: 002-Dunkelfeldabbildung von gestapelten Quantenpunktschichten<br />
(Ga(As,Sb)/GaAs/(Ga,In)As). Die GaAs-Zwischenschichtdicke ist ca. 3 nm<br />
Quantenpunkten mit einer großen Ausdehnung in Wachstumsrichtung ist die GaAs-Schicht<br />
dünner als bei flacheren Exemplaren, somit ist die Separation der Minima der elastischen<br />
Energiedichte ρ (x, y) nicht mehr gegeben. Es existiert dann nur noch ein lokales Minimum,<br />
welches die Position des darüberliegenden Ga(As,Sb)-Quantenpunktes vorgibt.<br />
Das <strong>Ph</strong>änomen der direkten vertikalen Stapelung wurde hauptsächlich bei sehr kleinen<br />
Schichtdicken unter 2 nm beobachtet.<br />
Abbildung 7.6: Quantenpunktstapel<br />
Ga(As,Sb)/GaAs/(Ga,In)As mit einer<br />
GaAs-Schichtdicke von ca. 4, 2 nm<br />
a) Verspannungssensitive 004-<br />
Dunkelfeldaufnahme mit zwei<br />
(Ga,In)As-Quantenpunkten (1 und 2)<br />
und drei Ga(As,Sb)-Quantenpunkten<br />
(1’,2’ und 3’), deren Lage durch die<br />
Verspannungsfelder der zwei Stressoren<br />
1 und 2 vorgegeben worden ist.<br />
(α ≈ 24 ◦ , β ≈ 51 ◦ )<br />
b) Skizze der Quantenpunktanordnung<br />
von Abb. a)<br />
Bei sehr großen Zwischenschichtdicken (d < 25 nm) überlagern sich die Beiträge von<br />
mehreren, auch weit voneinander entfernt liegenden Stressoren und die elastische Energiedichte<br />
ρ (x, y) verläuft an der Wachstumsoberfläche sehr flach. Somit gelingt es nicht
Kombination von (Ga,In)As mit Ga(As,Sb)-Quantenpunkten in GaAs 153<br />
Abbildung 7.7: 002-Dunkelfeldabbildung von gestapelten Quantenpunktschichten<br />
(Ga(As,Sb)/GaAs/(Ga,In)As). Die GaAs-Zwischenschichtdicke ist ca. 25 nm<br />
mehr den Ga(As,Sb)-Quantenpunkten ihren Stressoren zuzuordnen (siehe Abb. 7.7).<br />
In Bezug auf die Anwendung gestapelter Quantenpunktschichten ist es sinnvoll, eine geringe<br />
Zwischenschichtdicke zu wählen, damit zum einen eine direkte vertikale Beziehung<br />
zwischen den Quantenpunkten besteht und zum anderen die Ladungsträger von einer<br />
Schicht in die nächste durch Tunnelprozesse gelangen können.<br />
7.3 Indiumgehalt in der<br />
(Ga,In)As-Quantenpunktsaatschicht<br />
Lemaître et al. bestimmten an Ga1−xInxAs-Schichten experimentell den Zusammenhang<br />
zwischen der 002-Dunkelfeldintensität α (x) und der Indiumkonzentration x. Mathematisch<br />
fanden sie folgende quadratische Funktion [Lem04]:<br />
α (x) = 18, 3 · x 2 − 6, 65 · x + 0, 943 (7.1)<br />
Bei x = 0, 18 hat die Funktion α (x) ein Minium, welches zur Normierung der Funktion<br />
(x = 0) = 1 und<br />
genutzt wird. Die Skalierung der 002-Intensitätsfunktion zwischen I002 GaAs<br />
I002 (xmin) = 0 ergibt die folgende Endformel:<br />
I 002 (x) = 30, 29 · x 2 − 11, 01 · x + 1 (7.2)<br />
Die Abb. 7.8 zeigt, dass für Intensitätswerte 0 ≤ I 002 ≤ 1 jeweils zwei Konzentrationswerte<br />
x existieren.
154<br />
Abbildung 7.8: Normierte 002-Dunkelfeldintensitäten I 002 für Ga1−xInxAs in Abhängigkeit<br />
von der Indiumkonzentration x<br />
Abbildung 7.9: Bearbeitungsschritte der 002-Intensitätsprofile<br />
a) Grauwertprofil mit Dickeneinfluss<br />
b) Normiertes Intensitätsprofil mit den zwei berechneten Lösungen der quadratischen<br />
Funktion Glg. 7.2 für die Indiumkonzentration
Kombination von (Ga,In)As mit Ga(As,Sb)-Quantenpunkten in GaAs 155<br />
Die Konzentrationsbestimmung der (Ga,In)As-Quantenpunkte aus 002-Dunkelfeldaufnahmen<br />
erfolgt in Analogie zur Antimonbestimmung innerhalb der Ga(As,Sb)-Quantenpunkte<br />
(siehe Abschnitt 6.3). Nach der Berücksichtigung der Probendicke (siehe Abb. 7.9 a), durch<br />
Subtraktion der linearen Dickenfunktion wird das Intensitätsprofil normiert. Aufgrund der<br />
W-förmigen Grauwertprofile kann diese Skalierung zwischen Null für x = 0, 18 und Eins<br />
für die GaAs-Matrix ohne weiteres vorgenommen werden. Bei der Berechnung des Indiumgehaltes<br />
erhält man für Intensitätwerte I 002 < 1 immer zwei mögliche Lösungswerte<br />
x1, x2 für die quadratische Glg. 7.2. Welche Lösung nun die richtige ist, hängt von der<br />
Ortskoordinate (Probenmaterial) ab. Sei x1 < x2 , so ist im Bereich der GaAs-Matrix<br />
x1 die richtige Lösung. Zwischen den Minima des W-förmigen Grauwertprofils - also im<br />
Bereich der (Ga,In)As-Schicht - gibt x2 den korrekten Konzentrationswert an.<br />
Auswertung<br />
Die Konzentrationsanalyse der Ga1−xInxAs-Quantenpunktschicht erfolgte exemplarisch<br />
anhand der in Abb. 7.11 a gezeigten 002-Dunkelfeldaufnahme, welche in einem sehr<br />
dünnen Probenbereich aufgenommen wurde. Eine geringe Probendicke ist wichtig für<br />
die Zusammensetzungsbestimmung, da mit der hier angewendeten Analysemethode die<br />
in Elektronenstrahlrichtung gemittelte Indiumkonzentration errechnet wird. GaAs - Matrixmaterial,<br />
welches oberhalb bzw. auch unterhalb der Quantenpunkte in Primärelektronenstrahlrichtung<br />
liegt, verfälscht die Konzentrationsprofile. In solch einem Fall sind die<br />
errechneten Indiumkonzentrationen immer kleiner als der tatsächliche Indiumgehalt.<br />
Die eindimensionalen Indium-Konzentrationsprofile in der Abb. 7.10 wurden anhand der<br />
Grauwertprofile über die Bereiche A bis N (Abb. 7.11 a) errechnet. Der Indiumgehalt in<br />
der Benetzungsschicht beträgt x ≈ 0, 27. Innerhalb der Quantenpunkte steigt die Indiumkonzentration<br />
auf den Maximalwert von x = 0, 37. Der Indiumgehalt in den Randbereichen<br />
der Ga1−xInxAs-Quantenpunkte variiert nur geringfügig zwischen x = 0, 34 und<br />
x = 0, 30 (siehe QP2 in Abb. 7.10).<br />
Das Ergebnis der zweidimensionalen Zusammensetzungsanalyse zeigt die Abb. 7.11 b.<br />
Die Konzentrationsverteilungen in und um die Quantenpunkte sind in den Abb. 7.11 c<br />
und d vergrößert dargestellt. Aus diesen Verteilungsbildern kann man die symmetrische<br />
Indiumverteilung innerhalb der Quantenpunkte gut erkennen. Weiterhin ist der scharfe<br />
Übergang vom GaAs zur (Ga,In)As-Quantenpunktschicht gut sichtbar. Dagegen ist der<br />
(Ga,In)As-GaAs-Übergang in der [001]-Richtung weicher, d.h es findet eine Indiumdiffusion<br />
in die GaAs-Zwischenschicht statt. Die laterale Größe der (Ga,In)As-Quantenpunkte<br />
beträgt ca. 30 nm und die dazu senkrecht liegende vertikale Ausdehnung liegt bei ca.<br />
6 nm. Die Benetzungsschichtdicke ist ca. 4 nm.
156<br />
Abbildung 7.10: Eindimensionale In-Konzentrationsprofile vom System<br />
Ga1−xInxAs/GaAs berechnet aus den 002-Dunkelfeldprofilen der Bereiche A bis N<br />
der Abb. 7.11 a. Die rötlich dargestellten Graphen entsprechen den Indiumverteilungen<br />
der eingeschlossenen Quantenpunkten (QP1,QP2,QP3) und die blauen Plots enthalten<br />
die In-Konzentrationen der Benetzungsschicht BN.
Kombination von (Ga,In)As mit Ga(As,Sb)-Quantenpunkten in GaAs 157<br />
Abbildung 7.11: Zweidimensionale Konzentrationsbestimmung von Ga1−xInxAs/GaAs-<br />
Quantenpunkten<br />
a) chemisch sensitive 002-Dunkelfeldabbildung<br />
b) zweidimensionaler farbcodierter Konzentrationsplot der Indiumkonzentration x, berechnet<br />
aus den Intensitäten der 002-Dunkelfeldabbildung a)<br />
c) Vergrößerter Ausschnitt der (Ga,In)As-Quantenpunkte QP1 und QP2 aus b)<br />
d) Vergrößerter Ausschnitt des QPs3 und der Benetzungsschicht BN aus b)
158
Zusammenfassung<br />
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der strukturellen und chemischen Charakterisierung<br />
von selbstorganisierten niederdimensionalen Halbleiterstrukturen mit Hilfe<br />
von transmissionselektronenmikroskopischen Untersuchungsmethoden (TEM), um damit<br />
Rückschlüsse auf die Wachstumsprozesse zu ermöglichen.<br />
(Si,Ge)/Si-Inselstrukturen<br />
Die Hauptaufgabe dieses Teils der Arbeit ist es, die chemische Zusammensetzung und die<br />
strukturellen Eigenschaften der mittels Flüssigphasenepitaxie (LPE) nahe am thermodynamischen<br />
Gleichgewicht gewachsenen Si1−xGex-Inseln zu untersuchen.<br />
Die wichtigsten Ergebnisse der strukturellen Untersuchungen der selbstorganisierten Inseln<br />
aus konventionellen TEM-Untersuchungen, wie Beugungskontrastabbildungen und<br />
hochaufgelöster elektronenmikroskopischer Aufnahmen (HRTEM), sind:<br />
• Die Si1−xGex-Inseln sind pseudomorph verspannt, d.h. sie wachsen versetzungsfrei<br />
auf (001)-orientierten Siliziumsubstraten.<br />
• Eine vollständig ausgeformte Si1−xGex-Insel hat eine finale Form bestehend aus vier<br />
{111}-Seitenflächen und einer (001)-Deckfläche. Das Verhältnis von Basisbreite ω<br />
zur Inselhöhe h beträgt bei allen Inseln annähert ω/h ≈ 2.<br />
• Es kommt zu Kettenbildungen entlang [100] und [010].<br />
• Des Weiteren konnten Rückbildungen des Siliziumsubstrats um die Si1−xGex-Inseln<br />
herum beobachtet werden.<br />
Die Untersuchungsergebnisse bezüglich der geometrischen Form und Ausmaße der Si1−xGex-<br />
Inseln stimmen mit den Ergebnissen aus der Literatur überein [Chr97, Han02, Tha03,<br />
Ger06, Sch99].<br />
Zur Bestimmung der Germaniumkonzentration innerhalb der Si1−xGex-Inseln wurden zwei<br />
verschiedene voneinander unabhängige Verfahren entwickelt:<br />
Verzerrungsfeldanalyse: Es handelt sich um eine quantitative Methode zur<br />
Auswertung des Bildkontrastes hochaufgelöster elektronenmikroskopischer Aufnahmen<br />
von Si1−xGex-Inseln. Der für die Analyse der HRTEM-Abbildungen notwendige<br />
159
160<br />
Zusammenhang zwischen den Verzerrungsfeldern und den Germaniumkonzentrationen<br />
wurde anhand von FE-simulierten Si1−xGex-Inseln [Han02] gewonnen.<br />
Modifizierte ZAF-Methode: Im Gegensatz zur ersten Methode wurde hier das<br />
direkte analytische Verfahren der energiedispersiven Röntgenspektroskopie (EDXS)<br />
genutzt. Zur vollständigen Analyse der Inseln wurden Exemplare untersucht, deren<br />
geometrischen Ausmaße von der Probenpräparation unbeeinflusst blieben. Für<br />
die Auswertung der über die Insel aufgenommenen EDX-Punktspektren wurde eine<br />
neue modifizierte ZAF-Methode entwickelt, da die Voraussetzungen (Dünnfilmkriterium)<br />
für die übliche Auswertungsmethode nicht gegeben waren. Die modifizierte<br />
ZAF-Methode berücksichtigt elastische Streuprozesse (Z), den Absorptionsanteil<br />
(A) der generierten Ge-Kα- und Si-Kα-Quanten, sowie Fluoreszenzeffekte (F)<br />
innerhalb der untersuchten Si1−xGex-Inseln.<br />
Die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchungen sind:<br />
• Sowohl die Ergebnisse der Methode 1 als auch die Resultate der Untersuchungen<br />
nach Methode 2 zur quantitativen Analyse ergaben Konzentrationsprofile, die in<br />
zwei Bereiche I und II unterteilbar sind.<br />
Inselbereich I: Dieser Bereich zeichnet sich durch einen von der Basis bis<br />
ungefähr zur Inselmitte zunehmenden Konzentrationsgradienten bezüglich des<br />
Germaniumgehaltes aus.<br />
Inselbereich II: Dieser Bereich ist geprägt durch ein Konzentrationsplateau.<br />
Der Übergang zwischen beiden Bereichen I und II ist kontinuierlich. Somit<br />
ist der Konzentrationswert im Bereich II durch den maximalen Germaniumgehalt<br />
des Bereiches I gegeben.<br />
• Für sehr große Inseln mit einer Basislänge ω von ca. 400 nm liegt ein Germaniumgehalt<br />
im Bereich II von ungefähr 35 at.% vor.<br />
• Kleine Inseln mit einer Basislänge von 110 nm ≤ ω ≤ 140 nm haben ein Ge-<br />
Konzentrationsplateau im Bereich II bei 30 at.% ≤ xGe ≤ 35 at.%.<br />
• Die Auswertung von parallel zur Substrat-Insel-Grenzfläche aufgenommenen EDX-<br />
Punktspektren ergibt einen konstanten Germaniumgehalt bei konstanten Inselhöhen.<br />
• Die Gesamtgermaniumkonzentration innerhalb der Insel - berechnet aus den Konzentrationsprofilen<br />
unter Berücksichtigung der geometrischen Form - liegt bei allen<br />
Inseln bei ca. 22 at.%.
Zusammenfassung 161<br />
Anhand der oben aufgeführten Untersuchungsergebnissen werden folgende Mechanismen<br />
während des LPE-Wachstums postuliert:<br />
1. Bis zu einer kritischen Schichtdicke hkrit wächst eine zweidimensionale pseudomorph<br />
verspannte zweidimensionale Si1−xGex-Schicht auf dem (001) orientierten Siliziumsubstrat.<br />
2. Wird die kritische Schichtdicke hkrit erreicht, werden die Verspannungen innerhalb<br />
der Schicht durch die sinusförmige Verwellung der Si1−xGex-Schichtoberfläche abgebaut.<br />
Diese so genannte Ripplingstruktur wurden von A. Gerlitzke in [Ger06] und<br />
A.T. Tham in [Tha03] an LPE-Si1−xGex-Proben bestätigt.<br />
3. Auf den Maxima der Ripplingstruktur - hier ist das Gitter aufgeweitet - findet die<br />
Nukleation der Inseln statt [Ger06].<br />
4. Die anschließend stattfindende Rücklösung von Substratmaterial um den Nukleationsbereich<br />
verursacht eine lokale Anreicherung von Silizium bzw. eine lokale Verarmung<br />
an Germanium in der Si-Ge-Bi-Lösung.<br />
5. Es erfolgt ein allmählicher Abbau der lokalen Siliziumübersättigung in der LPE-<br />
Lösung durch den Einbau der Siliziumatome in die (Si,Ge)-Insel während der Formung<br />
des Inselbereiches I. Dieser Vorgang ist für den Konzentrationsgradienten<br />
verantwortlich.<br />
6. Nach dem vollständigen Abschluss des Schrittes 5. wird der obere Teil der Insel<br />
(Bereich II) mit der nun wieder homogenen LPE-Lösung gewachsen.
162<br />
Steuerung des (Si,Ge)/Si-Inselwachstums<br />
durch Kristalldefekte<br />
Im Unterkapitel 5 wurden (Si,Ge)-Inseln untersucht, welche durch zwei verschiedene Wachstumsverfahren<br />
hergestellt wurden. Im ersten Schritt wurde eine pseudomorph verspannte<br />
glatte Si0,77Ge0,23-Schicht auf ein (001)-Si-Substrat mittels Low Pressure Chemical Vapour<br />
Deposition (LPCVD) gewachsen (LPCVD-(Si,Ge)-Schicht). Anschließend wurde auf dieser<br />
Schicht in einem LPE-Reaktor bei T = 585 ◦ C eine (Si,Ge)-Schicht abgeschieden (LPE-<br />
(Si,Ge)-Schicht).<br />
Die Untersuchungen ergaben bezüglich der LPCVD-(Si,Ge)-Schicht die folgenden Resultate:<br />
• Externe Temperungsexperimente zeigten, dass in der anfänglich pseudomorph verspannten<br />
Si0,77Ge0,23-Schicht bei hohen Temperaturen (T > 560 ◦ C) die Verspannungen<br />
innerhalb der Schicht durch plastische Relaxation (Misfitversetzungen) abgebaut<br />
werden. Das thermisch aktivierte Versetzungsnetzwerk besteht aus 60 ◦ -Versetzungen<br />
mit Versetzungslinien in ˜ l = 〈110〉 und Burgersvektoren in ˜ b = a/2 〈110〉.<br />
• Bei der Temperung der LPCVD-(Si,Ge)-Schicht unter Wasserstoffzufuhr im LPE-<br />
Reaktor (T = 585 ◦ C) verändert sich die Schichtoberfläche erheblich. Neben Verwellungen<br />
und Facettierungen ({1 1 10}- bis {1 1 6}-Facetten) der Oberfläche konnten<br />
auch bis tief ins Substrat reichende V-förmige Vertiefungen beobachtet werden, welche<br />
durch {111}-Flächen begrenzt sind.<br />
• Die V-Gräben und die Facetten verlaufen parallel zu den Versetzungslinien ˜ l = 〈110 〉<br />
des Versetzungsnetzwerkes.<br />
• Weiterhin konnte nach der Behandlung im LPE-Reaktor (unter H2-Einfluss) deutlich<br />
eine Reduzierung des LPCVD-(Si,Ge)-Schichtmaterials festgestellt werden. Das<br />
Ergebnis lässt die Vermutung zu, dass der Wasserstoff die (Si,Ge)-Schicht wegätzt.<br />
Diese Annahme wird durch die (2 × 1)-Oberflächenrekonstruktion bei (001)-(Si,Ge)-<br />
Flächen [Sch59, Dür00] gestützt. Bei der (2 × 1)-Überstrukturbildung wird die Zahl<br />
der freien Valenzen gegenüber der unkonstruierten Oberfläche halbiert. Durch die<br />
Adsorption von atomaren Wasserstoff auf der Oberfläche werden diese freien Bindungen<br />
gesättigt. Bei einer Wasserstoffmenge von weniger als eine Monolage bleibt<br />
die (2 × 1)-Überstruktur erhalten. Ist das Gasangebot höher, bildet sich SiH4 und<br />
GeH4 [Cha84].<br />
Die TEM-Untersuchungen der auf der LPCVD-(Si,Ge)-Schicht gewachsenen<br />
LPE-(Si,Ge)-Schicht ergaben:<br />
• Die Deposition der LPE-(Si,Ge)-Schicht auf der LPCVD-(Si,Ge)-Schicht erfolgte<br />
versetzungsfrei.
Zusammenfassung 163<br />
• Vorzugsweise erfolgte die Bedeckung der LPCVD-(Si,Ge)-Schicht an Stellen mit<br />
großer Dicke bzw. mit einem hohem Relaxationsgrad der Schicht.<br />
• Die durch das H2-Ätzen vorstrukturierte LPCVD-(Si,Ge)-Schicht definierte die finale<br />
Inselform.<br />
• Bei sehr hohem Bedeckungsgrad wurden vermehrt asymmetrische Inseln gefunden.<br />
In diesem Zusammenhang konnten auch Inseln beobachtet werden, die durch die<br />
Vereinigung mehrerer Exemplare entstanden sind.<br />
• Die Inseln reihen sich parallel zu den Versetzungslinien in ˜ l = 〈110 〉 an.<br />
Das eigentliche Ziel dieser Versuchsreihe war es, kontrolliert kleine (Si,Ge)-Inseln zur technischen<br />
Anwendung wachsen zu lassen. Leider scheiterte diese Absicht aufgrund der durch<br />
das Wasserstoffätzen willkürlich vorstrukturierten LPCVD-(Si,Ge)-Oberfläche. Trotz alledem<br />
konnte durch diese Versuche gezeigt werden, dass mit vorstrukturierten Schichten<br />
ein gezieltes Wachstum von (Si,Ge)-Inseln gelingen kann.
164<br />
Im zweiten Teil dieser Arbeit wurden selbstorganisierte III-V-Quantenpunkte untersucht,<br />
welche mittels metallorganischer Gasphasenepitaxie (MOCVD) auf (001)-orientiertem<br />
GaAs gewachsen wurden.<br />
Ga(As,Sb)/GaAs-Quantenpunktstruktur<br />
Für ein defektfreies Wachstum von Ga(As,Sb)-Quantenpunkten auf (001)-orientiertem<br />
GaAs konnte in dieser Arbeit durch die strukturellen Untersuchungen der Quantenpunkte<br />
bei verschiedenen Partialdruckverhältnissen der Parametersatz unter Verwendung der<br />
Erkenntnisse aus [Häu01] und [Mül00, Mül02] vervollständigt werden. Das ideale Wachstum<br />
der Quantenpunkte gelingt mit den folgenden Parametern<br />
- Die optimale Substrattemperatur ist T = 515 ◦ C [Mül00, Mül02]. Bei dieser Temperatur<br />
werden die Ausgangsstoffe vollständig zerlegt.<br />
- Das gasförmig Ausgangsmaterial Sb (C2H5) besitzt eine hohe Flüchtigkeit und muss<br />
deshalb mit einem hohen Partialdruck in den Reaktor eingeleitet werden. Als ideal<br />
konnte ein V/III-Partialdruckverhältnis von 6 gefunden werden.<br />
- Die nominelle Schichtdicke der Ga(As,Sb)-Schicht beträgt 5,4 Monolagen [Häu01].<br />
- Nach der Deposition des Schichtmaterials benötigt das System eine fünfsekündige<br />
Wachstumsunterbrechung zur Materialumsortierung, um das dreidimensionale<br />
Wachstum zu realisieren [Häu01].<br />
Das MOCVD-Wachstum mit dem oben angegebenen Parametersatz erzeugt eine bimodale<br />
Quantenpunktverteilung mit einer durchschnittlichen lateralen Ausdehnung der kleinen<br />
Exemplare von ca. 7 nm und 20 nm für die großen Quantenpunkte. Die Gesamtflächendichte<br />
beträgt 2, 1 · 10 10 cm −2 . Das <strong>Ph</strong>otoluminszenzspektrum dieser Probe zeigt eine Lumineszenzlinie<br />
für die Quantenpunkte bei ca. 1,06 eV.<br />
Für die Konzentrationsbestimmung innerhalb der GaAs1−xSbx-Quantenpunkte wurde in<br />
dieser Arbeit ein Verfahren entwickelt. Die Methode ist eine Kombination aus zwei verschiedenen<br />
unabhängigen TEM-Methoden. Zum einen wird die Verspannungsfeldanalyse<br />
zur Bestimmung der Konzentration in der Schicht genutzt. Zum anderen werden chemisch<br />
sensitive 002-Dunkelfeldabbildungen bezüglich ihrer Intensitäten ausgewertet. Diese Auswertung<br />
basiert auf den mittels Blochwellensimulationen errechneten 002-Intensitäten für<br />
verschiedene Zusammensetzungen von verspannten GaAs1−xSbx. Bei der Simulation wurde<br />
berücksichtigt, dass bei der tetragonalen Verzerrung eine Änderung der Raumgruppe<br />
von F43m zu I4m2 stattfindet.<br />
Die Zusammensetzungsanalysen der GaAs1−xSbx-Quantenpunkte und der Benetzungsschicht<br />
- gewachsen mit dem oben aufgeführten Parametersatz (MOCVD) - ergaben folgende<br />
Ergebnisse:<br />
• Sowohl für die Quantenpunkte als auch die Benetzungsschicht sind die Konzentrationsprofile<br />
entlang [001] symmetrisch. Die Halbwertsbreiten der Profile entsprechen
Zusammenfassung 165<br />
den vertikalen Ausdehnungen. Für Quantenpunkte mit einer lateralen Ausdehnung<br />
von ca. 25 nm konnte eine vertikale Höhe von 7 nm gefunden werden.<br />
• Anhand der Verspannungsfeldanalyse von HRTEM-Abbildungen der Benetzungsschicht<br />
konnte eine maximale Konzentration von xSb = 0, 5 innerhalb der Benetzungsschicht<br />
gefunden werden.<br />
• Die Auswertung der GaAs1−xSbx-Quantenpunkte ergab einen schalenförmigen Aufbau<br />
mit einer maximalen Antimonkonzentration von ca. xSb = 0, 8 in der Mitte der<br />
Quantenpunkte.<br />
Ein großer Vorteil der entwickelten Methode ist die Anwendbarkeit dieses analytischen<br />
Auswerteverfahren auf alle ternären Schichtstrukturen, deren Struktur chemisch sensitive<br />
Reflexe aufweisen. Das umgebende Matrixmaterial darf dabei aber nur Atomsorten<br />
enthalten, die auch in der Schicht vorkommen.<br />
Kombination von (Ga,In)Asmit<br />
Ga(As,Sb)-Quantenpunkten in GaAs<br />
Die Ga(As,Sb)-Quantenpunkte sind aufgrund der hohen Lokalisierung der Löcher innerhalb<br />
der Quantenpunkte und der kleinen Übergangswahrscheinlichkeiten für strahlende<br />
Rekombinationen sehr interessant, aber allein als aktives Material ist dieses System<br />
ungeeignet. Für die technische Anwendung der Ga(As,Sb)-Quantenpunkte, z.B. als Ladungsspeicher,<br />
wurde eine Kombination von (Ga,In)As- mit Ga(As,Sb)-Quantenpunkten<br />
in GaAs von L. Müller-Kirsch in [Mül02] vorgeschlagen und mittels MOCVD hergestellt.<br />
Dieses System soll weiterhin die folgenden Aufgaben erfüllen. Zum einen soll die GaAs-<br />
Zwischenschicht als Tunnelbarriere für die Ladungsträger dienen. Andererseits sollte die<br />
(In,Ga)As-Quantenpunktschicht als Saatschicht fungieren, und somit die Anordnung der<br />
Ga(As,Sb)-Quantenpunkte definieren.<br />
Bei den strukturellen Untersuchungen der Quantenpunktstapel mit unterschiedlicher GaAs-<br />
Zwischenschichtdicke konnten folgende Ergebnisse und Erkenntnisse gewonnen werden:<br />
• Die (In,Ga)As-Quantenpunkte verursachen ein Verspannungsfeld innerhalb der auf<br />
ihnen abgeschiedenen GaAs-Schicht. Durch die Verspannung verändert sich die<br />
Oberfläche der GaAs-Schicht oberhalb jedes als punktförmig angenommenen verspannungsfeldinduzierenden<br />
(In,Ga)As-Quantenpunktes. Aufgrund der Anisotropie<br />
von GaAs (A > 1) entstehen an der GaAs-Oberfläche vier Energiedichteminima,<br />
welche um den Stressor in [110] angeordnet sind [Hol99]. Somit findet die Nukleation<br />
der Ga(As,Sb)-Quantenpunkte bevorzugt an den Stellen der lokalen Energiedichteminima<br />
der GaAs-Oberfläche statt.<br />
• Weiterhin wurde theoretisch die Überlagerung von Verspannungsfeldern von zwei<br />
im Abstand d liegenden Stressoren betrachtet. Dabei konnte sowohl theoretisch als
166<br />
auch experimentell festgestellt werden, dass hauptsächlich die seitliche Korrelation<br />
zwischen den Quantenpunkten der verschiedenen Lagen auftreten. Vereinzelt wurden<br />
auch direkt vertikal korrelierende Quantenpunktpaare gefunden.<br />
• Korrelationsbeziehungen zwischen den Quantenpunktlagen konnten bei GaAs Zwischenschichtdicken<br />
bis zu 4,2 nm beobachtet werden.<br />
• Bei einer GaAs-Zwischenschichtdicke von 25 nm konnte keine Beziehung zwischen<br />
den Quantenpunktlagen festgestellt werden, d.h. die Ga(As,Sb)-Quantenpunkte wachsen<br />
willkürlich.<br />
Die Zusammensetzungsanalyse der InxGa1−xAs-Quantenpunkte anhand der Auswertung<br />
von chemisch sensitiven 002-Dunkelfeldababildungen ergab Folgendes:<br />
• Die InxGa1−xAs-Quantenpunkte zeigen ähnlich wie die GaAs1−xSbx-Quantenpunkte<br />
einen schalenförmigen Aufbau.<br />
• Die Konzentrationsprofile der Quantenpunkte und der Benetzungsschicht in Wachstumsrichtung<br />
[001] sind symmetrisch.<br />
• Es wurde eine maximale Indiumkonzentration von xIn = 0, 37 innerhalb der Quantenpunkte<br />
gefunden.<br />
• Der maximale Indiumgehalt in der Benetzungsschicht ist x BN<br />
In<br />
= 0, 27.
Anhang A<br />
Parameter der verwendeten<br />
Transmissionselektronenmikroskope<br />
Hitachi H-8110<br />
Das Hitachi H-8110 wurde in dieser Arbeit hauptsächlich für die Beugungskontrastaufnahmen<br />
genutzt. Zusätzlich bietet dieses TEM die Möglichkeit der chemischen Charakterisierung<br />
von Proben mittels der analytischen Gerätetechnik (Gatan-Imaging-Filter (GIF) für<br />
die Analyse des Energieverlustes der transmittierten Elektronen beim Durchgang durch<br />
das Probenmaterial, ein Röntgendetektor, ein Sekundärelektronendetektor und STEM-<br />
Detektoren (Scanning-TEM) für Hell- und Dunkelfeld). Die Parameter des Hitachi H-8110<br />
sind im Folgendem aufgezählt:<br />
Kathode : LaB6<br />
Beschleunigungsspannung : 200 kV<br />
sphärische Aberration Cs : 1 mm<br />
chromatische Aberration Cc : 1,4 mm<br />
Scherzer-Fokus : -57,8 nm<br />
Punktauflösung : 0,23 nm<br />
<strong>Ph</strong>ilips CM 200 FEG<br />
Das weltweit erste Transmissionselektronenmikroskop mit veränderbarer sphärischer Aberration<br />
Cs, welches sich im ” Ernst Ruska-Centrum für Mikroskopie und Spektroskopie<br />
mit Elektronen“ am Forschungszentrum Jülich befindet, ist ein TEM <strong>Ph</strong>ilips CM 200<br />
FEG. Der auf Hexapolelementen basierende Öffnungsfehlerkorrektor wurde 1981 von Rose<br />
[Ros81, Ros90] vorgeschlagen und ermöglicht am <strong>Ph</strong>ilips CM 200 eine Öffnungsfehlervariation<br />
von + 1,23 mm über 0 mm bis zu -1,23 mm.<br />
Kathode: FEG<br />
Beschleunigungsspannung: 200 kV<br />
167
168<br />
unkorrigiert korrigiert<br />
Cs = ± 0,037 mm<br />
sphärische Aberration Cs 1,23 mm -<br />
chromatische Aberration Cc 1,3 mm 1,7 mm<br />
Scherzer-Fokus -64 nm ± 11 nm<br />
Punktauflösung 0,245 nm < 0,13nm<br />
Tabelle A.1: Mikroskopparameter vom <strong>Ph</strong>ilips CM 200 FEG unkorrigiert und korrigiert<br />
Bei der Betrachtung der Kontrastübertragungsfunktion K (u) darf bei korrigiertem Öffnungsfehler<br />
Cs der Beitrag der sechsten Ordnung der Raumfrequenz u im <strong>Ph</strong>asenverschiebungsterm<br />
χ (u) nicht vernachlässigt werden:<br />
K (u) = exp {−iχ}<br />
<br />
1<br />
mit χ = 2π<br />
6 C5λ 5 u 6 + 1<br />
4 Csλ 3 u 4 − 1<br />
<br />
∆f + Cc<br />
2<br />
∆E<br />
E0<br />
<br />
λu 2<br />
<br />
(A.1)<br />
C5 ist die Öffnungsfehlerkonstante der fünften Ordnung. Bei den vorhergehenden Rechnungen<br />
wurde dieser Term aufgrund des Abbruchs der Entwicklung von ∆ρ nach θ nach<br />
dem ersten Term vernachlässigt (siehe Glg. 3.6). Unter Berücksichtigung des nächst höheren<br />
Entwicklungsterms lautet die Glg. 3.6:<br />
∆ρ<br />
M = Csθ 3 + C5θ 5<br />
(A.2)
Anhang 169<br />
Abbildung A.1: Real- und Imaginärteil der Kontrastübertragungsfunktion K (u) bei unterschiedlicher<br />
Defokussierung für das Hitachi H-8110 mit den oben angegebenen Parametern.<br />
Bei ∆fs = 57, 8 nm liegt der Scherzer-Fokus mit u S max = 4, 28 nm, dies entspricht<br />
einer maximalen Punktauflösung von dmax = 0, 23 nm.
170<br />
Abbildung A.2: Real- und Imaginärteil der Kontrastübertragungsfunktion K (u) bei unterschiedlicher<br />
Defokussierung für das <strong>Ph</strong>ilips CM 200 FEG mit den in der Tab. A.1<br />
angegebenen Parametern.<br />
links: Für das unkorrigierte TEM (Cs = 1, 23 mm liegt der Scherzer-Focus bei ∆fs =<br />
64 nm mit u S max = 4 nm, dies entspricht einer maximalen Punktauflösung von dmax =<br />
0, 25 nm.<br />
rechts: Mit Cs-Korrektor (Cs = 0, 037 mm) liegt der Scherzer-Focus bei ∆fs = 11 nm mit<br />
u S max = 9, 7 nm, dies entspricht einer maximalen Punktauflösung von dmax = 0, 10 nm.
Anhang B<br />
HRTEM-Auflösungsvermögen<br />
Zur Auswertung von Verzerrungszuständen innerhalb von Objekten anhand von HRTEM-<br />
Bildern ist es sehr wichtig, dass nur Raumfrequenzen bzw. Beugungsreflexe zwischen 0<br />
und umax zur Abbildung beitragen. Denn nur dann können zum einen die bei der Auswertung<br />
störenden Kontrastinversionen in den Abbildungen ausgeschlossen werden. Zum<br />
anderen werden diese Raumfrequenzen mit einem hohem Kontrast übertragen; umax ist<br />
von dem Defokus abhängig und wird durch den ersten Nulldurchgang der Kontrastübertragungsfunktion<br />
Im [K (u)] definiert (siehe Abschnitt 3.1). Im Scherzerfokus existiert das<br />
breiteste Paßband.<br />
Bei einer Zonenachsenorientierung von [100] beträgt die notwendige minimale Punkt-<br />
auflösung d 100<br />
min = 0, 192 nm für reines Silizium. Bis zu diesem Wert können die pro-<br />
jizierten Atomsäulen noch voneinander getrennt aufgelöst werden (siehe Abb. B.1.a1).<br />
Dieser Abstand entspricht einer Raumfrequenz von u100 min = 5, 208 nm−1 . Mit dem für die<br />
HRTEM-Aufnahmen verwendete TEM <strong>Ph</strong>ilips CM 200 FEG (200 kV) mit Cs-Korrektor<br />
wird diese notwendige Punktauflösung erreicht. Seine Funktion K (u) getrennt in Realund<br />
Imaginärteil wird in der Abb. B.1.b1 für einen Defokuswert ∆f1 = 18 nm bzw. in<br />
der Abb. B.1.c1 mit ∆f2 = −11 nm gezeigt. Innerhalb dieses Unter- und dieses Überfo-<br />
kuswertes liegt der Nulldurchgang von Im [K (u)] oberhalb u100 min. Die Punktauflösung von<br />
d 100<br />
min = 0, 192 nm ist somit gegeben.<br />
Geschieht die Betrachtung von Silizium mit einem Primärelektronenstrahleinfall entlang<br />
[110], so beträgt die höchste Punktauflösung aSi/4 = 0, 136 nm, bei der die in den Achtelwürfel<br />
der Einheitszelle sitzenden Atomen separiert werden können. Diese Auflösung<br />
wird bei sehr großen Vergrößerungen mit dem <strong>Ph</strong>ilips CM 200 FEG (200 kV) mit Cs-<br />
Korrektor (∆f1 = 6, 3 nm und ∆f2 = 13, 6 nm) erreicht, welche den Nachteil eines sehr<br />
kleinen Objektbereiches mit sich führt. Somit ist diese Punktauflösung für die Bestimmung<br />
von Verzerrungsfeldern innerhalb von Si1−xGex-Inseln unbrauchbar. Für die Verschiebungsfeldanalyse<br />
benötigte Auflösung ist die Separation der einzelnen ” dumbbells“<br />
(siehe blau umrandete hantelförmige Anordnung in Abb. B.1.a2), dies entspricht einer<br />
Abstandslänge von d 110<br />
min = 0, 333 nm mit einer Raumfrequenz u 110<br />
min = 3, 007 nm −1 . Die<br />
Auflösung der ” dumbbell“-Abstände gelingt innerhalb des Defokusintervalls von ∆f1−∆f2<br />
mit ∆f1 = 45 nm und ∆f2 = −43 nm (vgl. Abb. B.1.b2 und c2).<br />
171
172<br />
Abbildung B.1: Defokussierungsbetrachtungen zur Realisierung der Punktauflösung für<br />
das <strong>Ph</strong>ilips CM 200 FEG mit Cs-Korrektur<br />
links: a1) Si-Elementarzellen in der [100]-Projektion mit d100 min = 0, 192 nm; b1)<br />
Real- und Imäginarteil der Kontrastübertragungsfunktion K (u) mit Nulldurchgang bei<br />
u100 min = 5, 208 nm−1 für Defokus ∆f1 = 18 nm und c1) für Defokus ∆f1 = −11 nm<br />
rechts: a2) Si-Elementarzellen in der [110]-Projektion mit d110 min = 0, 333 nm für die Separation<br />
der einzelnen dumbbells“ (blau markiert hantelförmige Atomanordnungen); b2)<br />
”<br />
Real- und Imäginarteil der Kontrastübertragungsfunktion K (u) mit Nulldurchgang bei<br />
u110 min = 3, 007 nm−1 für Defokus ∆f1 = 45 nm und c1) für Defokus ∆f1 = −43 nm
Anhang C<br />
Symmetriereduzierung<br />
Das heteroepitaktische Aufwachsen von Ga(As,Sb) auf einem GaAs-Substrat verursacht<br />
eine Deformation des Ga(As,Sb)-Kristallgitters. Die Gitterkonstanten des verspannten<br />
Gitters parallel zur Grenzfläche werden durch das GaAs definiert. In Wachstumsrichtung<br />
[001] wird das Gitter verzerrt. Die Verspannung bewirkt eine Symmetriereduzierung des<br />
Ga(As,Sb)-Mischkristalls gegenüber der ursprünglichen Raumgruppe F43m. Die Änderungen<br />
der Symmetrieelemente werden in der Abb. C.2 veranschaulicht. Die 4-zähligen<br />
Drehinversionsachsen senkrecht zur [001]-Verzerrungsrichtung werden zu 2-zähligen Drehachsen<br />
und Spiegelebenen (2-zähligen Inversionsdrehachsen). Die 4 in Verzerrungsrichtung<br />
bleibt erhalten. Damit gehen die dreizähligen Drehachsen in Richtung der Raumdiagonalen<br />
im verspannten Zustand vollständig verloren. Von den {110}-Spiegelebenen der<br />
unverzerrten kubischen Struktur sind nur die Spiegelebenen senkrecht zu [110] und 110 <br />
weiterhin vorhanden. Somit wird die kubische Struktur auf eine tetragonale Symmetrie<br />
reduziert. Die Gitterparameter der resultierenden tetragonalen Einheitszelle sind:<br />
a tetr<br />
[100] = 1 cubic<br />
a [100] + 1 cubic<br />
a [010] ; a tetr<br />
[010] = 1 cubic<br />
a [100] − 1 cubic<br />
a [010] ; c tetr<br />
[001] = a cubic<br />
[001] + uz (C.1)<br />
2<br />
2<br />
2<br />
Die verspannte Mischkristallschicht Ga(As,Sb) hat die Raumgruppe I4m2 mit einer 4zähligen<br />
Drehinversionsachse in der [001]-Verzerrungsrichtung.<br />
In der tetragonalen Struktur mit I4m2 existiert in<br />
Analogie zur Raumgruppe F43m ebenfalls der chemisch<br />
sensitive 002 Reflex. Exemplarisch zeigt die<br />
Abb. C.1 die Beugungsbilder von unverspanntem<br />
GaAs und tetragonal verspanntem GaSb. Bei einer<br />
Einstrahlrichtung [100] cubic = 110 tetr überla-<br />
2<br />
gern sich die 002 Reflexe beider Kristalle mit einer<br />
Abweichung von u −1<br />
z , diese entspricht dem Verzerrungsvektor<br />
uz im reziproken Gitter in [001].<br />
Abbildung C.1: Beugungsbild von verspanntem tetragonalen<br />
Ga(As,Sb) (rot, Σ tetr ) auf unverspanntem<br />
GaAs (schwarz, Σ cubic ). Zonenachsenorientierung<br />
für Ga(As,Sb) in 110 tetr und für GaAs in<br />
[100] cubic .<br />
173
174<br />
Abbildung C.2: Betrachtung zur Symmetrie von verspannten Ga(As,Sb)-<br />
Mischkristallschichten; Raumgruppe I4m2<br />
a) [001]-Projektion der verspannten Ga(As,Sb)-Struktur mit der rot markierten tetragonalen<br />
Einheitszelle.<br />
b) Symmetrieelemente in der tetragonalen Einheitszelle<br />
c) [110]-Projektion der tetragonal verzerrten Struktur: uz = Dehnung der kubischen<br />
unverspannten GaAs-Einheitszelle in [001]-Wachstumsrichtung<br />
d) [010]-Projektion
Anhang D<br />
Das reziproke Gitter<br />
Zur Beschreibung der Beugung ist die Darstellung im reziproken Raum erforderlich. Durch<br />
eine Fourier-Transformation werden die realen Basisvektoren a, b, c einer Einheitszelle im<br />
Kristall zu den im reziproken Raum entsprechenden Vektoren a ∗ , b ∗ , c ∗ transformiert.<br />
Zwischen realen und reziproken Basisvektoren besteht folgender Zusammenhang:<br />
a ∗ = b × c<br />
a · b × c ; b ∗ c × a<br />
=<br />
a · b × c ; a∗ = a ×b a · b × c<br />
. (D.1)<br />
Jeder Gitterpunkt im reziproken Raum wird durch den reziproken Gittervektor g beschrieben<br />
(h, k, l sind die Miller’schen Indizes (∈ )).<br />
g = h · a ∗ + k · b ∗ + l · c ∗<br />
(D.2)<br />
Bei einem unendlich ausgedehnten Kristall treten nur dann scharfe Reflexe auf, wenn die<br />
BRAGG’sche Gleichung (Glg. D.3 mit θ als BRAGG-Winkel, dhkl als Netzebenenabstand<br />
der Netzebenenschar (hkl) und mit n als die Ordnung des Reflexes) für die Betrachtung<br />
im realen Raum erfüllt ist. Unter Verwendung der reziproken Gittervektoren erhält man<br />
für die BRAGG’sche Gleichung mit k0 als ankommenden Wellenvektor und k als Wellenvektor<br />
der gebeugten Elektronenwelle die Glg. D.4, die so genannte LAUE-Gleichung. Der<br />
<br />
Wellenvektor zeigt die Ausbreitungsrichtung einer Welle an und hat den Betrag <br />
<br />
k<br />
= 1<br />
(mit λ als Wellenlänge)<br />
2dhklsinθ = nλ (D.3)<br />
k − k0 = Ghkl<br />
(D.4)<br />
Als Veranschaulichung des Beugungsprozesses dient die in der Abb. D.1 gezeigte Ewaldkonstruktion.<br />
Für die Beugung von hochenergetischen Elektronen an einem Kristall ist<br />
der Durchmesser 2 k0 der Ewaldkugel tatsächlich viel größer als in der Abbildung dargestellt.<br />
Die Beugungsbilder können daher in guter Näherung als ebener Schnitt durch<br />
das reziproke Gitter betrachtet werden. Bei Proben mit geringer Dicke verändert sich<br />
die Form der reziproken Gitterpunkte zu länglichen Stäbchen (Lauescher Gitterstachel),<br />
deren Stabachse senkrecht zur Schnittebene liegt. Das Beugungsbild zeigt somit auch bei<br />
175<br />
λ
176<br />
einer Abweichung sg (auch Anregungsfehler genannt) vom exakten BRAGG-Fall Intensitäten,<br />
wenn die Ewaldkugel die stäbchenförmigen Reflexe schneidet. Die Gleichung D.4<br />
wird daher erweitert zu<br />
g + sg = <br />
Ghkl = k − k0 . (D.5)<br />
Abbildung D.1: Vereinfachte geometrische<br />
Veranschaulichung der Ewaldkonstruktion.<br />
k − k0 = Ghkl ist der zur Ebenenschar<br />
(hkl) gehörende reziproke Gittervektor und<br />
k0 bzw. k ist die ankommende bzw. gestreute<br />
Elektronenwelle.
Anhang E<br />
mit<br />
KAB Energiedispersive<br />
=<br />
Röntgenspektroskopie<br />
σB<br />
<br />
YBFB<br />
σA YAFA<br />
3.4 Röntgenspektroskopie<br />
(3.6)<br />
schreiben. Der Proportionalitätsfaktor KAB wird in der Röntgenspektroskopie<br />
”Cliff-Lorimer K-Faktor” genannt. In der Energieverlustspektroskopie existiert<br />
noch kein eigenständiger Begriff dafür.<br />
Die 3.4Auswertung Röntgenspektroskopie<br />
von energiedispersiven Röntgenspektren (EDXS) bietet den direkten Zugang<br />
zur Zusammensetzungsanalyse. Da EDXS für Atome mit niedrigen Ordnungszahlen<br />
Trifft ein energiereicher Primärelektronenstrahl auf eine Probe, werden die Elek-<br />
problematisch ist, wird dieses Verfahren erst zur quantitativen Analyse von Elementen<br />
tronen im Coulomb-Feld der Atome abgebremst. Da hierbei beliebige Energie-<br />
mit beträge Z > je Streuereignis 6 verwendet. umgesetzt Die Probe werdenwird können, mitentsteht einemeinsehr kontinuierliches fein gebündelten Strahl energiereicher<br />
SpektrumElektronen von Röntgenemissionen, angeregt. Wechselwirken die sogenannte Bremsstrahlung. die energiereichen Diese Strah- Primärelektronen mit dem<br />
Coulombfeld lung ist weitgehend der materialunspezifisch.<br />
positiv geladenen Atomkerne des Festkörpers, so werden die eintreffen-<br />
Für analytische Zwecke wesentlich interessanter ist ein weiterer Anregungsdenmechanismus<br />
Elektronen für Röntgenemission. abgebremst. Aufgrund Es kann bei dieser hinreichender Geschwindigkeitsänderung Energie durch den der Elektronen,<br />
strahlen Primärelektronenbeschuss diese elektromagnetische zur Ionisation Strahlung innerer Schalen unddurch somit dasEnergie Herausschla- ab. Die abgestrahlte Energiegenwird<br />
von Schalenelektronen der kinetischenkommen. EnergieWird der Elektronen dieses ”fehlende” entnommen. Elektron durch Durch ein die Messung der emit-<br />
Elektron einer höheren Schale ersetzt, wird die dabei freiwerdende Energie durch<br />
tierten die Emission Strahlung eines Röntgenquants erhält manabgestrahlt. das so genannte Da die Schalenelektronen Bremsspektrum. jedes Da die Elektronen beim<br />
Abbremsen Atoms diskrete keine Energieniveaus diskretenbesetzen, Energiezustände führt dieser Prozess passieren, zur Emission ist dasvon Bremsspektrum kontinuierlich<br />
”charakteristischen” und weitgehend Linien immaterialunspezifisch. Spektrum. In AbbildungDie 3.2 sind minimale die wichtigsten Wellenlänge des Spektrums<br />
(intensitätsstärksten) Übergänge für ein Atom mittlerer Ordnungszahl dargestellt.<br />
wird erreicht, wenn ein Primärelektron seine gesamte kinetische Energie in einem einzigen<br />
Für intensitätsstarke Dipolübergänge gelten die quantenmechanischen Auswahl-<br />
atomaren regeln ∆ l = Bremsprozess ±1 und ∆ j = 0 verliert. | ±1.<br />
K<br />
1 0 1/2<br />
L<br />
M<br />
0 1/2<br />
2 1 1/2<br />
1 3/2<br />
0 } 1/2<br />
3 1 } 3/2<br />
2 5/2<br />
1<br />
Ein weiterer für die Materialanalyse wich-<br />
α2 α1 β3 β1 n l j<br />
tiger Prozess ist die Wechselwirkung der<br />
Strahlelektronen mit den Elektronen der<br />
Atomschale. Bei solch einem Stoßprozess<br />
2<br />
3<br />
1<br />
32 5<br />
4<br />
Anre Anregung gung<br />
α2 β η 4<br />
α1 β1 β3 l<br />
Abbildung können3.2: die Schalenelektronen Erlaub-<br />
einen so hote<br />
Röntgen–Übergänge<br />
vonhenAtomen Energiebetrag mittlerer von den Primärelektro-<br />
Ordnungszahl. nen übertragen Die inten- bekommen, so dass sie aus<br />
sitätsstärksten der Atomschale Linien wer- herausgeschlagen werden.<br />
den von Dipolübergängen<br />
hervorgerufen, Die Ionisation für dieinnerer die Schalen ist energe-<br />
Auswahlregeln tisch ungünstig, ∆ l = ±1 deshalb wird das fehlende<br />
und∆j=0|±1 Elektron durch gelten. ein Elektron einer höheren<br />
Schale ersetzt. Aufgrund der quantenme-<br />
Abbildung E.1: Erlaubte Röntgenübergänge chanischen Auswahlregeln sind nur solche<br />
Übergänge erlaubt, bei dem folgende Be-<br />
177<br />
19
178<br />
dingungen erfüllt sind:<br />
Hauptquantenzahl n : ∆n beliebig<br />
Nebenquantenzahl l : ∆l = ±1<br />
Gesamtdrehimpuls j = l + s : ∆j = ±1, 0<br />
Bei dem Übergang von einem Elektron einer energetisch höheren Schale in eine Schale<br />
mit niedriger Energie, wird aufgrund der Energieerhaltung die Energiedifferenz in Form<br />
von Röntgenstrahlung ausgesandt. Im EDX-Spektrum zeigen sich diese disketen Energieniveauübergänge<br />
als charakteristische Linien zusätzlich zum Bremsstrahlspektrum. Die<br />
Linien werden durch das Endniveau (lateinischer Buchstabe) und anhand des Ausgangsniveaus<br />
(griechischer Buchstabe) des am Übergang beteiligten Elektrons bezeichnet. Aus<br />
deren energetischen Lage und Intensität die chemische Zusammensetzung bestimmt werden<br />
kann.
Anhang F<br />
<strong>Ph</strong>otolumineszenzspektroskopie<br />
Die <strong>Ph</strong>otolumineszenzspektroskopie ist eine zerstörungsfreie Methode zur optischen Charakterisierung<br />
von Halbleitern. Sie bietet die Möglichkeit, die Bandlücke und Bandkantenverschiebungen<br />
zu messen und lässt Rückschlüsse auf Art und Konzentration von Defekten<br />
in Halbleitern zu. Das Verfahren der <strong>Ph</strong>otolumineszenz wird in dieser Arbeit zur<br />
Vorcharakterisierung der III-V-Halbleiterstrukturen angewendet. Auf die Grundzüge dieses<br />
Verfahren soll hier nun kurz eingegangen werden.<br />
Wird ein Festkörperelektron durch eine äußere Energiezufuhr in ein energetisch höher<br />
liegendes Niveau angeregt und findet anschließend eine Rekombination des angeregten<br />
Elektrons unter Emission von elektromagnetischer Strahlung statt, so nennt man diesen<br />
Prozess Lumineszenz. Ist die Anregung durch intensive Lichteinstrahlung erfolgt, wird<br />
die Emission als <strong>Ph</strong>otolumineszenz (PL) bezeichnet. Bei Energiezufuhr durch elektrische<br />
Felder spricht man von Elektrolumineszenz.<br />
Bei einer Anregung mit <strong>Ph</strong>otonen, deren Energie höher als die Energiedifferenz der beiden<br />
Niveaus ist, finden drei zeitlich aufeinanderfolgende Vorgänge statt. Zuerst wird die zugeführte<br />
Energie von den Festkörperelektronen absorbiert, indem Valenzbandelektronen<br />
ins Leitungsband angeregt werden. Anschließend relaxieren die angeregten Elektronen<br />
durch Erzeugung von <strong>Ph</strong>ononen in Zustände an der Unterkante des Leitungsbandes. Dieses<br />
quasithermische Gleichgewicht besitzt eine gewisse Lebensdauer, in der die Elektronen<br />
durch den Kristall diffundieren können. Zuletzt erfolgt der Übergang eines Leitungsbandelektrons<br />
mit einem tiefer liegenden Zustand entweder unter Emission von Strahlung<br />
oder durch einen zur Lumineszenz konkurrierenden strahlungslosen Rekombinationsprozess<br />
(z.B. Auger-Prozess). Ein strahlender Rekombinationsprozess ist der Band-Band-<br />
Übergang, bei dem eine Rekombination zwischen einem Loch im Valenzband und einem<br />
Elektron im Leitungsband stattfindet. Die <strong>Ph</strong>otonen-Energie lässt sich bei Festkörpern<br />
mit einer direkten Bandlücke einfach aus der Energiedifferenz der einzelnen Bänder berechnen<br />
und entspricht somit der Energie der Bandlücke. Bei der Existenz eines Exzitons,<br />
ein so genannter quasi-wasserstoffartiger gebundener Zustand zwischen einem Elektron<br />
und einem Loch realisiert durch die Coulomb-Wechselwirkung, enthält das <strong>Ph</strong>otolumineszenzspektrum<br />
in der Nähe der Absorptionskante einen Intensitätspeak. Handelt es<br />
sich um freie Elektron-Loch-Paare, so können sich diese durch den Kristall bewegen. Der<br />
Intensitätspeak ist aufgrund der zusätzlichen kinetischen Energie breiter als bei gebun-<br />
179
180<br />
denen Exzitonen. Die Übergangsenergie ist durch die Energie der Bandlücke, durch die<br />
Energie des freien und des gebundenen Exzitons gegeben. Diese zwei aufgeführten Rekombinationsmöglichkeiten<br />
sind die für diese Arbeit wichtigsten Prozesse. Die angeregten<br />
Elektronen, welche sich im Leitungsband befinden, können aber auch durch verschiedene<br />
Rekombinationskanäle rekombinieren, z.B. durch den Übergang in Störstellen, aber auch<br />
durch Donator-Akzeptor-Übergänge. Die Mechanismen dieser Übergänge sind ausführlich<br />
in der Literatur beschrieben, z.B. [Per93] und [Pan71].
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Technical Note 796, (1973).
188
Danksagung<br />
Endlich ist es geschafft. Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Arbeit, nur dank der vielen<br />
Gespräche, Diskussionen und der immer währenden Unterstützung meiner Kollegen<br />
gelingen konnte.<br />
Ganz besonderen Dank gilt meinem Mentor und Förderer Herrn Prof. Dr. W. Neumann,<br />
der mir stets günstige Voraussetzungen und Hilfe bei jeder Gelegenheit für das Gelingen<br />
meiner Arbeit gegeben hat.<br />
Zu großen Dank verpflichtet bin ich Herrn Dr. H. Kirmse, mit dem ich viele anregende<br />
Diskussionen führen konnte. Seine Hilfestellungen bei wissenschaftlichen Problemen führten<br />
zu einer großen Bereicherung meiner Arbeit.<br />
Bei Frau Dr. I. Hähnert möchte ich mich für ihre fachliche Unterstützung bedanken.<br />
Des Weiteren bin ich Eva Oehlschlegel für die umfangreiche TEM-Probenpräparation zu<br />
Dank verpflichtet.<br />
Für die technische Unterstützung möchte ich Stephan Wicke danken.<br />
Bei Herrn Dr. L. Müller-Kirsch und Frau Dr. A. Gerlitzke möchte ich mich für die Bereitstellung<br />
der Quantenpunktstrukturen und den (Si,Ge)-Inseln danken, welche die Basis<br />
für die gesamte Arbeit bilden.<br />
Für das Überlassen der Ergebnisse der FEM-simulierten verspannten (Si,Ge)-Inseln möchte<br />
ich mich bei der Arbeitsgruppe von Herrn Prof. Dr. R. Köhler und insbesondere bei<br />
Dr. M. Hanke und Dr. D. Grygoryev bedanken. Bei H. Schwabe möchte ich mich recht<br />
herzlich für die Be- und Aufarbeitung der FEM-Datensätze bedanken.<br />
Zum Schluss noch der Dank an meine Familie und Freunde, die stets an mich glaubten<br />
und mich unterstützt haben.<br />
189