CL 44 - Cthulhus Ruf
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zu charakterisieren; ein Gespräch mit dessen Mutter am<br />
Telefon mag da zwar ein etwas spießiger Einstig sein, allein<br />
es fügt sich ganz hervorragend ein. Die weiteren<br />
Gedankengänge Alex' präzisieren noch dessen Natur, seine<br />
Anfälle aufkommender Selbstmordgedanken, die innere<br />
Leere, die ihn plagt. Dies authentische herauszuarbeiten,<br />
gelingt Boris Koch vorzüglich. Doch nicht nur seine<br />
Protagonist versteht der Autor dreidimensional zu schildern,<br />
auch der Plot der Geschichte ist bestens durchkomponiert<br />
und baut bis zur Hälfte des Buches weniger auf Action als<br />
eine stetige Verdichtung auf, in der immer wieder Hinweise<br />
auf die blutigen Umtriebe der Nachtwesen Berlins gestreut<br />
werden. Mit der Figur der Danielle, die zuerst als<br />
„Lustgöttin“ für Alex und später als Nephilim die Story<br />
bereichert, entfaltet sich eine wahre Mythologie, die Bezug<br />
zum alten Testament herstellt und dessen Text bzw. der<br />
Passage von der Zerstörung von Sodom und Gomora eine<br />
eher unchristlichen Charakter verleiht. Und zumindest der<br />
Ursprung der Vampire wird Thematisiert, die von einem<br />
Wesen geschaffen wurden und werden, dass als Blutvater<br />
bezeichnet wird. Dieser Blutvater entsteht, wenn Tränen,<br />
Hass und Blut vergossen werden. Er wuchert unter der<br />
Erde; meist der einer großen Stadt und labt sich an den<br />
negativen Ausdünstungen der Menschen. Im weiteren<br />
Verlauf der Geschichte nimmt dieser Blutvater die Form<br />
eines cthuloiden Wesen an, was etwas unerwartet kommt<br />
und eigentlich nur einen kleinen Teil des Plots einnimmt,<br />
damit aber die mythologische Komponente um eine weitere<br />
Dimension des Unheimlichen steigert. Abseits davon wird<br />
der Leser durch ein Berlin des „Under Ground“ geführt,<br />
dessen schwarzer, doch Individueller und anregender Geist,<br />
den Leser umschmeichelt. Hinzu kommen einige dezentaugenzwinkernde<br />
Passagen, die die spannenden Handlung<br />
nicht im Geringsten beeinträchtigen, sondern noch betonen.<br />
Die groteske Beziehung zwischen Alex und Danielle, von<br />
Lust und Hass gleichermaßen beeinflusst, hat Boris Koch so<br />
intensive gezeichnet, dass es oftmals etwas überspitzt<br />
anmutet. Selbst in brenzligen Situationen müssen die beiden<br />
an sich halten, um nicht in sexueller Gier übereinander her<br />
zu fallen. Die Kraftausdrücke, mit denen Boris Koch von<br />
Zeit zu Zeit, die Gedanken seiner Protagonisten artikulieren<br />
lässt, mögen etwas aufgesetzt wirkt; gerade dort, wo es aber<br />
um Begierde, Hass und andere starke Empfindungen geht,<br />
fügt sich dieser Umstand besten ein.<br />
Nachdem ruchbar wird, dass der Blutvater Berlins gedenkt,<br />
sich aus der Erde zu erheben, müssen Alex und Danielle<br />
dafür sorgen, dass das tentakelhafte Scheusal keine Chance<br />
dazu erhält. Außerdem will Alex seine geliebte Lisa, durch<br />
deren Freunding Sandy in die Klauen der Vampire geraten,<br />
befreien. Sandy wiederum, wurde bereits zu einem<br />
Blutsauger gemacht und nun droht Lisa das selbe Schicksal.<br />
Das es am Ende nicht Alex und Danielle sind, die direkt<br />
gegen den Blutvater ins Felde ziehen, sonder Lisa und<br />
Sandy, von denen man als Opfer diese heroische Rolle am<br />
wenigsten erwarten würde, wirkt etwas kurios. An dieser<br />
Stelle dürfte sich die Leserschaft in zwei Lager spalten. Die,<br />
welche Alex und Danielle als unwiederrufliche Helden der<br />
Geschichte ausgemacht haben, könnten sich an der Nase<br />
herumgeführt füllen; die andere Fraktion erkennt darin eine<br />
höchst ansprechend und ungewöhnliche Wendung, obwohl<br />
die Überleitung zu diesem Punkt etwas unsauber ausgestalte<br />
erscheint. Letztendlich zeichnet dieses Zuwiderlaufen<br />
eingefahrener, literarischer Konventionen aber den Roman<br />
als erfrischend-anderes aus, ohne den Wunsch des Lesers<br />
nach guter und spannender Unterhaltung entgegen zu<br />
laufen.<br />
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