Kognitionslinguistische und lernpsychologische ... - Cognitive Science
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2.2. Die psycholinguistische Komponente<br />
Eine Momentaufnahme des mentalen Lexikons ist gar nicht möglich; es existiert nur im Vollzug. Die<br />
Annahme, es ließe sich als ein eigenständiges Modul aus dem gesamten Sprachverarbeitungsprozess<br />
isolieren, dient lediglich heuristischen Zwecken <strong>und</strong> ist letztlich von den Vorstellungen geprägt, die uns die<br />
Metapher „Lexikon“ suggeriert. (Manfred Raupach) 86<br />
Die Geschichte der Erforschung des Wortschatzes <strong>und</strong> hierbei insbesondere des<br />
Wortschatzerwerbs ist auch eine Geschichte der sprachpsychologischen Metaphern. Bis etwa<br />
1950 galt die Assoziationsmetapher als wissenschaftliches Paradigma. Eine Sprache zu<br />
erlernen, bedeutete die Verbindungen zwischen Wörtern zu erlernen. Mit dem Aufkommen<br />
von Chomskys Theorien zum generativen Wesen von Sprache wurde sie in den 50er <strong>und</strong> 60er<br />
Jahren dann durch die Kommunikationsmetapher abgelöst. Nun stand weniger der Wortschatz<br />
als vielmehr die Grammatik im Mittelpunkt. Das Interesse verschob sich von sprachlichen<br />
Einzelelementen hin zu Kombinationsregeln. Anschließend beherrschte die<br />
Computermetapher eine Zeit lang den sprachwissenschaftlichen Diskurs. Maßgeblich wurde<br />
sie von G.A. Miller mitgeprägt, der sich verstärkt für die semantischen Elemente des<br />
Sprachgebrauchs zu interessieren begann. Auch wenn diese Metapher seit den 80er Jahren<br />
zunehmend von der Gehirnmetapher zurückgedrängt wird, so ist einer der Termini, die unter<br />
ihrem Einfluss geprägt wurden, noch heute gebräuchlich. Es handelt sich um den Begriff<br />
„mentales Lexikon“. 87 Wie das Eingangszitat jedoch bereits zeigt, ist diese Benennung vor<br />
dem Hintergr<strong>und</strong> neuerer kognitionswissenschaftlicher Erkenntnisse nicht mehr ganz<br />
unproblematisch. Flexibel definiert erweist sie sich jedoch auch heute noch als konsensfähig,<br />
zumal es vermutlich schwierig sein dürfte, einen ähnlich evokativen Begriff zu prägen.<br />
Ganz allgemein könnte man das mentale Lexikon als den Teil des<br />
Langzeitgedächtnisses bezeichnen, in dem die Wörter einer Sprache mental repräsentiert sind.<br />
Damit muss es letztlich zwei verschiedenen Zwecken dienen – zum einen der<br />
Sprachproduktion <strong>und</strong> zum anderen der Sprachrezeption. Es ist also eine Schnittstelle<br />
zwischen der Wahrnehmung <strong>und</strong> dem Verstehen einer sprachlichen Äußerung einerseits <strong>und</strong><br />
ihrer semantischen Konzeption <strong>und</strong> der motorischen Realisierung andererseits. 88 Wolff<br />
bezeichnet es deshalb ganz prägnant als „Interface zwischen Geist <strong>und</strong> Wirklichkeit“ 89<br />
Seinen Aufgaben wird das mentale Lexikon nach bisherigem Stand der Erkenntnisse vor<br />
allem dadurch gerecht, dass es über eine netzwerkartige Struktur verfügt, die es einem<br />
86 Raupach (1997), S. 37.<br />
87 Vgl. Ibid, S. 19f.<br />
88 Vgl. Raupach (1997), S. 21 <strong>und</strong> Wolff (2002a), S. 11.<br />
89 Wolff (2002a), S. 12.<br />
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