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Kognitionslinguistische und lernpsychologische ... - Cognitive Science

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Über die Verbindungen zwischen den verschiedenen Bereichen des Kortex brauchen<br />

hier sicher keine detaillierten Ausführungen gemacht zu werden, wichtig ist lediglich das<br />

Bewusstsein, dass es vielfältige Rückkopplungen zwischen ihnen gibt. Die Verarbeitung von<br />

Input findet nicht nur auf dem Weg von niederen zu höheren Kortexarealen im Sinne einer<br />

Analyse statt, sondern ebenso durch Rückmeldungen von höheren Arealen im Sinne einer<br />

Synthese. Es handelt sich um ein interaktives Beziehungsgeflecht zwischen Bottom-up- <strong>und</strong><br />

Top-down-Prozessen. 48 Nur dadurch ist das menschliche Gehirn fähig, effektiv<br />

Abstraktionsleistungen zu vollbringen. Von welcher Bedeutung diese Fähigkeit ist, wird<br />

verständlich, wenn man sich vor Augen hält, dass die Akkumulation von Wissen nicht der<br />

eigentliche Zweck des Lernens ist. Vom evolutionsbiologischen Standpunkt aus betrachtet,<br />

dient das angehäufte Wissen in erster Linie dazu, neue Erfahrungen möglichst korrekt<br />

vorherzusagen, sprich adäquat mit ihnen umzugehen. Man könnte auch von einer<br />

Notwendigkeit sprechen, mit Hilfe partikularer Erfahrungen universell gültige<br />

Zusammenhänge abzuschätzen.<br />

Wenn das Gehirn also eine Art „Schätzapparatur“ ist, so stellt im Bereich des<br />

Zweitsprachenerwerbs jede neue Spracherfahrung einen zusätzlichen Datenpunkt dar, der es<br />

dem Gehirn erlaubt, das Sprachsystem als Ganzes besser abzuschätzen. Dadurch kann es nicht<br />

nur zukünftigen variierten Input besser verstehen, sondern auch vorhandenes Sprachwissen in<br />

neuen Kontexten besser nutzbar machen. Jede Art von „Schätzung“ wird im Allgemeinen<br />

jedoch umso brauchbarer, je zahlreicher aber auch je präziser die verarbeiteten Datenpunkte<br />

sind. Hieraus erwachsen folgende Überlegungen für den Wortschatzerwerb. Bei der<br />

Aneignung eines Wortes, sollte der Lerner erstens die Möglichkeit haben, diesem im Rahmen<br />

vielfältigen Inputs zu begegnen. Zweitens sollte er aber auch dazu angehalten werden, sich ein<br />

möglichst präzises Bild dieses Wortes zu machen, damit – übertragen gesprochen – nicht<br />

schon der Datenpunkt einen allzu groben Schätzwert darstellt.<br />

Die Erkenntnisse zur Selbstreferentialität des Gehirns gemeinsam mit radikalen<br />

philosophischen Denkansätzen sind von der Didaktik aufgegriffen worden <strong>und</strong> zu einer neuen<br />

Lerntheorie verarbeitet worden.<br />

2.1.7. Exkurs: Der Konstruktivismus als Lerntheorie<br />

Zu verlangen, dass einer alles, was er je gelesen, behalten haben sollte, ist wie verlangen, dass er alles,<br />

was er je gegessen hat, noch in sich trage. Er hat von diesem leiblich, von jenem geistig gelebt <strong>und</strong> ist<br />

geworden, was er ist. (Arthur Schopenhauer) 49<br />

48 Für eine detailliertere Darstellung siehe Spitzer (2000), S. 135-142.<br />

49 zitiert nach Hühholdt (1995), S. 225.<br />

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