Kognitionslinguistische und lernpsychologische ... - Cognitive Science
Kognitionslinguistische und lernpsychologische ... - Cognitive Science
Kognitionslinguistische und lernpsychologische ... - Cognitive Science
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
In zahlreichen Untersuchungen zu den neurobiologischen Gr<strong>und</strong>lagen des<br />
Arbeitsgedächtnisses wurde eine eindeutige Beteiligung des frontalen Kortex nachgewiesen.<br />
Da dieser relativ spät myelinisiert wird, sollte auch das Arbeitsgedächtnis erst mit der Zeit in<br />
vollem Umfang funktionsfähig werden. Diese Einsicht übertrug man nun auch auf das Elman-<br />
Netzwerk, indem man zu Beginn des Lernprozesses die Kapazität der Kontextschicht stark<br />
reduzierte <strong>und</strong> dann langsam <strong>und</strong> kontinuierlich steigerte. Unter dieser Bedingung war nun<br />
das Netzwerk tatsächlich in der Lage, komplexe grammatische Strukturen zu erlernen, auch<br />
wenn es von Anfang an sowohl einfache als auch komplexe Sätze als Input erhielt. Es lernte<br />
zunächst die einfachen <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>legenden sprachlichen Strukturen <strong>und</strong> konnte mit deren<br />
Hilfe später auch komplexe Regeln extrahieren. Ein sich in seiner Kapazität entwickelndes<br />
System scheint somit für das Erlernen komplizierterer Strukturen viel besser geeignet zu sein,<br />
als eines, welches schon von Beginn an die volle Kapazität besitzt. 41 Spitzer schlussfolgert<br />
daraus: „Ein sich entwickelndes Gehirn kann [...] auf einen Lehrer verzichten. Es ‚nimmt’<br />
sich nur die Lernerfahrungen, die es gerade ‚gebrauchen’ kann – ohne Unterweisung.“ 42<br />
Lässt man diese Erkenntnis gelten, muss man umgekehrt aber auch sagen, dass ein<br />
weitgehend entwickeltes Gehirn, wie im Falle der meisten Fremdsprachenlerner, nicht mehr<br />
in der Lage ist, ganz auf sich allein gestellt aus einem komplexen Input, die Regeln einer<br />
Sprache zu extrahieren. Vielleicht braucht es deshalb nicht unbedingt einen Lehrer oder einen<br />
vorstrukturierten Input, sicher aber bedarf es einiger Hinweise, die ihm bei der Verarbeitung<br />
behilflich sind. Auch auf den Erwerb von Wortschatz dürfte dies zutreffen, wie Michael<br />
Lewis unter Verweis auf verschiedene Experimente betont. Diese hätten gezeigt, dass selbst<br />
relativ fortgeschrittene <strong>und</strong> motivierte Lerner ohne einen Fingerzeig oftmals nicht in der Lage<br />
waren, den Unterschied zwischen einer eigenen zwar effektiven, gleichzeitig aber ungenauen<br />
oder unnatürlichen Äußerung <strong>und</strong> einer inhaltlich identischen aber natürlicheren Variante zu<br />
erkennen. 43 Daraus folgt, dass das Software Werkzeug, im Sinne einer Steigerung seiner<br />
Effektivität, auch einer Rolle als Hinweisgeber gerecht werden muss. Es sollte dem Lerner<br />
zum einen Möglichkeiten aufzeigen, wie er sich ein präziseres Bild von Wörtern machen kann<br />
<strong>und</strong> zum anderen sollte es ihn dazu veranlassen, auf bestimmte Aspekte der von ihm<br />
ausgewählten Worte ein besonderes Augenmerk zu richten.<br />
Bevor ein nächster für das Tool relevanter Forschungsraum betreten wird, soll das<br />
soeben abgehandelte Thema noch um eine kurze Bemerkung theoretischer Natur ergänzt<br />
werden. Wenn, wie die vorgestellten Untersuchungen nahe legen, ein weitgehend<br />
41 Vgl. Spitzer (2000), S. 199.<br />
42 Ibid, S. 202f.<br />
43 Vgl. Michael Lewis (2000b), S. 160.<br />
22