User Com - Mettler Toledo

User Com - Mettler Toledo User Com - Mettler Toledo

05.07.2013 Aufrufe

Thermal Analysis Information for Users Sehr geehrter Kunde, Es freut uns ausserordentlich, dass Sie uns als Leser des UserComs immer wieder Beiträge zur Publikation zukommen lassen. Die Thermische Analyse kann dank neuen Techniken und besseren Messleistungen in noch mehr Gebieten als bisher eingesetzt werden. Dank gekoppelten Techniken wie Gasanalyse, Mikroskopie oder Chemilumineszenz stehen auch viel mehr Informationen zur Verfügung, die die Interpretation der Messergebnisse in vielen Fällen erleichtert. Wir glauben, dass wir Sie auch dieses Mal wieder auf neue und interessante Gebiete oder Techniken hinweisen können. Wahl der Basislinien Dr. Rudolf Riesen Zur Bestimmung einer Umwandlungs- oder Reaktionsenthalpie muss eine korrekte Basis- linie gewählt werden. Diese sollte die DSC-Kurve wiedergeben, die gemessen würde, wenn keine Umwandlungsenthalpie vorhanden wäre. Wie diese Basislinien gewählt werden und welcher Basislinientyp zum Einsatz kommt, wird an einigen charakteristischen Beispielen dargelegt. Einleitung Basislinien werden in der thermischen Analyse vorwiegend zur Integration von Peaks eingesetzt. Die Peakfläche wird dabei durch die Messkurve und die eingesetzte virtuelle oder reale Basislinie bestimmt. Ebenso wird die Peaktemperatur am Ort des maximalen Abstands zur Basislinie definiert. Extrapolierte Basislinien sind wichtig für die Bestimmung von Glasübergangstemperaturen und von Onset-Temperaturen von Effekten. Da 25 User Com Inhalt 1/2007 TA Tipp - Wahl der Basislinien 1 Applikationen - Bestimmung des Noack- Verdampfungsverlusts von Schmiermitteln mittels TGA 7 - Thermische Analyse zur Charakterisierung von polymorphen Modifikationen 9 - Analyse von Schmelzprozessen mittels TOPEM ® 13 - Charakterisierung von Delivery Systemen mittels Thermogravimetrie 18 Tipps und Hinweise - Kleine Probeneffekte im DSC einfacher aufspüren und auswerten 21 Daten - Exhibitions 23 - Courses and Seminars 23

Thermal Analysis<br />

Information for <strong>User</strong>s<br />

Sehr geehrter Kunde,<br />

Es freut uns ausserordentlich, dass Sie uns als Leser des <strong>User</strong><strong>Com</strong>s immer wieder Beiträge zur Publikation<br />

zukommen lassen. Die Thermische Analyse kann dank neuen Techniken und besseren Messleistungen in<br />

noch mehr Gebieten als bisher eingesetzt werden. Dank gekoppelten Techniken wie Gasanalyse, Mikroskopie<br />

oder Chemilumineszenz stehen auch viel mehr Informationen zur Verfügung, die die Interpretation der<br />

Messergebnisse in vielen Fällen erleichtert.<br />

Wir glauben, dass wir Sie auch dieses Mal wieder auf neue und interessante Gebiete oder Techniken hinweisen<br />

können.<br />

Wahl der Basislinien<br />

Dr. Rudolf Riesen<br />

Zur Bestimmung einer Umwandlungs- oder Reaktionsenthalpie muss eine korrekte Basis-<br />

linie gewählt werden. Diese sollte die DSC-Kurve wiedergeben, die gemessen würde,<br />

wenn keine Umwandlungsenthalpie vorhanden wäre. Wie diese Basislinien gewählt werden<br />

und welcher Basislinientyp zum Einsatz kommt, wird an einigen charakteristischen<br />

Beispielen dargelegt.<br />

Einleitung<br />

Basislinien werden in der thermischen Analyse vorwiegend zur Integration von Peaks eingesetzt. Die Peakfläche<br />

wird dabei durch die Messkurve und die eingesetzte virtuelle oder reale Basislinie bestimmt. Ebenso wird<br />

die Peaktemperatur am Ort des maximalen Abstands zur Basislinie definiert. Extrapolierte Basislinien sind<br />

wichtig für die Bestimmung von Glasübergangstemperaturen und von Onset-Temperaturen von Effekten. Da<br />

25<br />

<strong>User</strong><br />

<strong>Com</strong><br />

Inhalt 1/2007<br />

TA Tipp<br />

- Wahl der Basislinien 1<br />

Applikationen<br />

- Bestimmung des Noack-<br />

Verdampfungsverlusts von<br />

Schmiermitteln mittels TGA 7<br />

- Thermische Analyse zur<br />

Charakterisierung von<br />

polymorphen Modifikationen 9<br />

- Analyse von Schmelzprozessen<br />

mittels TOPEM ®<br />

13<br />

- Charakterisierung von Delivery<br />

Systemen mittels Thermogravimetrie<br />

18<br />

Tipps und Hinweise<br />

- Kleine Probeneffekte im DSC einfacher<br />

aufspüren und auswerten 21<br />

Daten<br />

- Exhibitions 23<br />

- Courses and Seminars 23


TA-Tipp<br />

Abbildung 1:<br />

Wahl von interpoliertenDSC-Basislinien<br />

(endotherme<br />

Richtung nach<br />

oben).<br />

2<br />

METTLER TOLEDO <strong>User</strong><strong>Com</strong> 1/2007<br />

in der Literatur und in Normen der Begriff<br />

„Basislinie“ zum Teil unterschiedlich<br />

definiert wird oder unterschiedliche<br />

Begriffe für ein und dasselbe verwendet<br />

werden, sind diese hier zusammengestellt<br />

und mit Erläuterungen versehen. Welche<br />

Regeln zur Wahl der Basislinien gelten<br />

und welche Art von Basislinie für eine<br />

optimale Auswertung von DSC-Kurven<br />

gewählt werden soll, zeigen verschiedene<br />

Applikationsbeispiele.<br />

Terminologie<br />

Begriffe zur thermischen Analyse sind<br />

in verschiedenen Normen zusammengestellt<br />

und erläutert. Da die Definitionen<br />

nicht immer identisch sind, sind die für<br />

die nachfolgende Basislinien-Diskussion<br />

verwendeten Begriffe hier speziell aufgeführt.<br />

Weitere Definitionen sind im Buch<br />

von Höhne [1] sowie in den erwähnten<br />

Normen (ISO [2], DIN [3], ASTM [4, 5])<br />

zu finden. Die bevorzugten Begriff sind<br />

hervorgehoben, andere Begriffe sind<br />

ebenfalls aufgeführt.<br />

Blank, Blindkurve, Leerkurve, Nulllinie<br />

[3], instrumentelle Basislinie [2]: TA-<br />

Kurve, die unter gleichen Bedingungen<br />

gemessen wird wie die Probe, aber ohne<br />

diese Probe, wobei die Tiegelmassen<br />

gleich sein müssen. Solche Kurven sind<br />

für Bestimmungen der spezifischen Wärmekapazität<br />

unabdingbar.<br />

Bemerkung: Zum Teil wird unter Leerkurve<br />

(zero line [1]) auch eine Kurve<br />

verstanden, bei der weder Probe noch<br />

Tiegel eingesetzt sind.<br />

Probenblank: TA-Kurve, die von einer<br />

„ausreagierten“ Probe erhalten wird,<br />

meist durch zweites Aufheizen (2. Run)<br />

unter gleichen Bedingungen. Der beim<br />

ersten Aufheizen (1. Run) gemessene Effekt<br />

zeigt sich dabei nicht mehr.<br />

Basislinie (auch Probenbasislinie [2]):<br />

Teil der TA-Kurve, die keine Umwandlungen<br />

oder Reaktionen zeigt. Dies ist<br />

eine isotherme Basislinie, wenn die Temperatur<br />

konstant gehalten wird. Eine dynamische<br />

Basisline wird erhalten, wenn<br />

die Temperatur durch Heizen oder Kühlen<br />

verändert wird. Die Basislinie hängt<br />

von der Wärmekapazität der Probe (bei<br />

leerer Referenz) und vom Blank ab.<br />

Bemerkung: Umgangssprachlich wird<br />

damit auch die für die Integration verwendete<br />

virtuelle Basislinie gemeint.<br />

Virtuelle Basisline [2]: Eine imaginäre<br />

Linie im Bereich einer Reaktion oder<br />

Umwandlung, die die DSC-Kurve zeigen<br />

würde, wenn keine Reaktions- oder Umwandlungsenthalpie<br />

vorhanden wäre.<br />

Interpolierte Basisline [1]: Sie wird konstruiert,<br />

indem die gemessene Kurve vor<br />

und nach dem Peak verbunden wird.<br />

Extrapolierte Basisline: Die gemessene<br />

Kurve vor oder nach dem thermischen<br />

Effekt wird verlängert.<br />

Welche Typen von einzelnen virtuellen<br />

Basislinien üblicherweise eingesetzt werden,<br />

wird bei den Anwendungen erklärt.<br />

Wahre Basislinie: Die Basislinie kann<br />

im Bereich der Reaktion oder Umwand-<br />

lung den physikalischen Tatsachen entsprechend<br />

berechnet oder sogar gemessen<br />

werden.<br />

Einflüsse auf die Basislinie<br />

Bei den Kurveninterpretationen und numerischen<br />

Auswertungen sollten immer<br />

auch die Einflüsse der Messbedingungen<br />

auf die DSC-Kurve und damit auf die<br />

Basisline berücksichtigt werden. Zudem<br />

sollte der Verlauf des Blanks und dessen<br />

Reproduzierbarkeit bekannt sein.<br />

Einflussgrössen und deren mögliche Veränderungen<br />

während einer Umwandlung<br />

können sein [1]:<br />

1. Masse, Form und Struktur der Probe,<br />

z.B. Pulver oder Folie;<br />

2. Wärmeleitfähigkeit und Kontakt der<br />

Probe zum Tiegelboden, z.B. zerfliesst<br />

ein Pulver während des Schmelzens;<br />

3. Wärmeübergang vom Tiegel zum<br />

Sensor, z.B. Verformung des Tiegels<br />

durch entstehenden Innendruck oder<br />

ausfliessende Proben;<br />

4. Heizrate, z.B. bei Übergang zu isothermen<br />

Bereichen;<br />

5. Thermische Vorgeschichte von Probe<br />

und Messsystem.<br />

Ist die Wahl der Basisline schwierig, dann<br />

hilft manchmal eine Untersuchung der<br />

gemessenen Probe und des Tiegels im<br />

Hinblick auf die oben erwähnten Punkte<br />

weiter.<br />

Konstruktionsprinzip von virtuellen<br />

Basislinien<br />

Das Grundprinzip zur Erstellung von virtuellen<br />

Basislinien ist folgendes:<br />

Die interpolierte Basislinie zur Bestimmung<br />

von Umwandlungs- und Reaktionswärmen<br />

soll aus der DSC-Kurve vor<br />

dem thermischen Effekt fliessend (tangential)<br />

abzweigen und nach dem Effekt<br />

ebenso in die Messkurve einmünden.<br />

Anschaulich erklärt, verhält sich dies wie<br />

die Flugbahn eines Flugzeugs beim Abheben<br />

oder beim Landen. Abweichungen<br />

davon gibt es aus besonderen Gründen;<br />

diese werden bei den Beispielen beschrieben.<br />

Abbildung 1 zeigt, wie das Grundprinzip<br />

angewendet wird.<br />

a) 1 unsinnig; 2 gut (Linie),<br />

b)<br />

1 ungenügend (horizontale Gerade);<br />

2 gut (Integralbasislinie, ev. Spline),


c) gut (tangentiale Integralbasislinie, ev.<br />

Spline-Basislinie),<br />

d) Schmelzen mit exothermer Zersetzung,<br />

1 gut (Gerade bis zum Schnitt mit der<br />

DSC-Kurve); 2 eher willkürlich, da die<br />

DSC-Kurve die Summe der gleichzeitig<br />

ablaufenden Vorgänge abbildet,<br />

e) zwei überlagerte Peaks, z.B. Eutektikum<br />

und Schmelzpeak der Hauptkomponente,<br />

1 gut für das Gesamtintegral,<br />

2 gut für die Integration des ersten<br />

Peaks (Peak aufsitzend interpretiert,<br />

Spline-Basislinie).<br />

Die Übergangslinie von einer Tangente<br />

zur anderen kann verschiedene Formen<br />

annehmen und als Gerade oder als sigmoidale<br />

Kurve dargestellt werden. Welche<br />

Art von interpolierter Basisline gewählt<br />

wird, hängt in erster Linie von den physikalischen<br />

Bedingungen oder chemischen<br />

Veränderungen ab:<br />

• Die spezifische Wärmekapazität der<br />

Probe cp ändert sich während der Umwandlung<br />

praktisch nicht oder sie verändert<br />

sich linear mit der Temperatur.<br />

• Die Umwandlung ist mit einer signifikanten<br />

Änderung der Wärmekapazität<br />

verbunden.<br />

• Der Wärmeübergang zur Probe ändert<br />

sich während der Umwandlung.<br />

Basislinientyp Beschreibung Typische Anwendung DSC<br />

Linie Sie ist eine gerade Linie, welche die beiden<br />

Auswertegrenzen auf der Messkurve verbindet.<br />

Linke Tangente Sie ist die verlängerte Tangente der Messkurve<br />

bei der linken Auswertegrenze.<br />

Rechte Tangente Sie ist die verlängerte Tangente der Messkurve<br />

bei der rechten Auswertegrenze.<br />

Horizontale links Sie ist die horizontale Linie durch den Schnittpunkt<br />

der Messkurve mit der linken Grenze.<br />

Horizontale rechts Sie ist die horizontale Linie durch den Schnittpunkt<br />

der Messkurve mit der rechten Grenze.<br />

Spline Der Spline entspricht der Kurvenform eines von<br />

Hand gebogenen elastischen Lineals (wird<br />

auch „Bezier” genannt). Sie wird als Polynom<br />

2. Ordnung durch die Tangenten in den Auswertegrenzen<br />

bestimmt. Diese bauchige oder<br />

sigmoidale Basislinie basiert auf den Tangenten<br />

links und rechts.<br />

Integral tangential Ausgehend von einer provisorischen Basislinie<br />

wird die Integralbasisline in einem Iterationsverfahren<br />

berechnet. Dabei wird der aus der<br />

Integration berechnete Umsatz zwischen den<br />

Auswertegrenzen auf die Messkurve normiert.<br />

Diese bauchige oder sigmoidale Basislinie<br />

basiert wie die Spline-Kurve auf den Tangenten<br />

links und rechts.<br />

Integral horizontal Diese Basislinie wird wie bei der „Integralbasislinie<br />

tangential” in einem Iterationsverfahren<br />

berechnet. Diese sigmoidale Basislinie beginnt<br />

und endet immer horizontal.<br />

Nulllinie Sie ist die Horizontale, welche die Ordinate im<br />

Nullpunkt schneidet. Sie bedingt eine Blind-<br />

kurvenverrechnung.<br />

Polygon-Linie Die Basislinie kann durch einen Kurvenzug<br />

oder durch eine Gerade aus individuell gewählten<br />

Punkten bestimmt werden.<br />

Die Polygon-Linie wird dann zuerst von der<br />

Messkurve abgezogen und der resultierende<br />

Peak mittels einer geraden Basislinie integriert.<br />

•<br />

Die Masse der Probe verändert sich<br />

während der Umwandlung.<br />

Um diese Veränderungen der DSC-Kurve<br />

während einer Umwandlung zu berücksichtigen,<br />

stehen in der STAR e -Software<br />

mehrere Basislinientypen zur Verfügung.<br />

Die Tabelle 1 beschreibt diese Auswahl<br />

und die typischen Anwendungen.<br />

Die extrapolierten virtuellen Basislinien<br />

sind die Tangenten an die Messkurve bei<br />

den Auswertegrenzen, wie sie auch bei<br />

den Basislinien für die Interpolation verwendet<br />

werden. Typische Anwendungen<br />

Reaktionen, ohne abrupte c p-Änderungen, die<br />

eine stetige c p-Zunahme oder einen konstanten<br />

c p-Wert aufweisen. Diese Basislinie wird in der<br />

Standard-Einstellung verwendet.<br />

Integration eines Schmelzpeaks auf einer<br />

Messkurve mit anschliessender Zersetzung<br />

einer Substanz.<br />

Schmelzen von teilkristallinen Kunststoffen, mit<br />

signifikanter c p-Temperaturfunktion unterhalb<br />

des Schmelzbereichs.<br />

Peak-Integration beim Zersetzen von Substanzen.<br />

Isotherme Reaktionen, DSC-Reinheitsanalyse.<br />

Bei überlagerten Effekten.<br />

Proben mit unterschiedlichen c p-Temperaturfunktionen<br />

vor und nach dem Effekt. Der Basislinientyp<br />

„Linie” würde die DSC-Kurve möglicherweise<br />

schneiden und je nach gewählten<br />

Grenzen zu grossen Integrationsfehlern führen.<br />

Proben, deren Wärmekapazität stark ändert,<br />

z.B. beim Verdampfen und Zersetzen. Der Basislinientyp<br />

„Linie” würde die DSC-Kurve möglicherweise<br />

schneiden und je nach gewählten<br />

Grenzen zu grossen Integrationsfehlern führen.<br />

Bestimmung von Umwandlungsenthalpien<br />

einschliesslich fühlbarer Wärme (integral of<br />

excess and baseline heat capacities).<br />

Bei speziellen Fragestellungen.<br />

Tabelle 1:<br />

Liste der virtuellen<br />

Basislinientypen für<br />

die Integration.<br />

METTLER TOLEDO <strong>User</strong><strong>Com</strong> 1/2007<br />

3


TA-Tipp<br />

Abbildung 2:<br />

Beispiele für die<br />

Wahl von verschiedenen,<br />

häufig benutztenBasislinientypen.<br />

Abbildung 3:<br />

Beispiel für die Änderung<br />

der Wärmekapazität<br />

während<br />

der Umwandlung.<br />

4<br />

METTLER TOLEDO <strong>User</strong><strong>Com</strong> 1/2007<br />

der extrapolierten Basislinien sind die<br />

Bestimmung der:<br />

• Glasübergangstemperatur<br />

• extrapolierten Onset-Temperatur<br />

(zum Teil auch als erstes Abweichen<br />

von der Messkurve)<br />

• Stufenhöhe<br />

Bei allen Auswertungen, bei denen extrapolierte<br />

Tangenten verwendet werden,<br />

muss darauf geachtet werden, dass deren<br />

Berechnung nicht durch Artefakte<br />

auf der Messkurve oder Signalrauschen<br />

gestört wird und somit eine falsche Lage<br />

aufweist.<br />

Anwendungsbeispiele<br />

In Ergänzung zu Abbildung 1 sind im<br />

Folgenden einige charakteristische Beispiele<br />

zur Wahl des entsprechenden kor-<br />

rekten Basislinientyps zusammengestellt.<br />

Die Abbildung 2 zeigt die am häufigsten<br />

eingesetzten virtuellen Basislinien:<br />

a) Spline zur Bestimmung der Reaktionsenthalpie<br />

einer Nachhärtung, die<br />

von einer beginnenden Zersetzung<br />

überlagert ist.<br />

b) Horizontal von rechts: Isotherme Härtung<br />

eines Epoxidharzes bei 140 °C.<br />

Nach dem Abklingen der Reaktion ist<br />

die DSC-Kurve horizontal, die Basislinie<br />

kann also horizontal an die letzten<br />

Messpunkte angeknüpft werden.<br />

c) Integral horizontal: DSC-Kurve von<br />

1.162 mg Wasser, das beim Aufheizen<br />

durch ein 50-µm-Loch im Deckel<br />

verdampft. Der dabei auftretende Massenverlust<br />

verursachte eine Änderung<br />

der Wärmekapazität der Probe, die<br />

proportional zur verdampften Menge<br />

reduziert wird. Am Ende der Messung<br />

ist der Tiegel leer und das DSC-Signal<br />

zeigt praktisch 0 mW.<br />

d) Linie: Die DSC-Kurve zeigt einen Glasübergang<br />

der amorphen Teile des<br />

Polyethylenterephthalats (PET), gefolgt<br />

von einer Kaltkristallisation und<br />

dem Schmelzen der Kristallite. Die<br />

gerade Basislinie ist die virtuelle Verlängerung<br />

der DSC-Kurve nach dem<br />

Glasübergang zur Kurve nach dem<br />

Schmelzen und zeigt somit den Trend<br />

der Kurve ohne das Kristallisieren und<br />

Schmelzen. Die Integration über beide<br />

Effekte ergibt 22.8 J/g als Differenz<br />

der exothermen und endothermen<br />

Vorgänge, was bedeutet, dass schon<br />

zu Beginn der Messung Kristallite<br />

vorhanden waren. In Relation zur<br />

Schmelzenthalpie von 100% kristallinem<br />

PET heisst das, dass die Probe<br />

am Beginn zu etwa 16% kristallisiert<br />

und somit nicht völlig amorph war.<br />

Die Abbildung 3 erläutert die Wahl der<br />

interpolierten Basislinie für den Fall, bei<br />

dem die Basislinien vor und nach dem<br />

Peak verschieden hoch liegen, z.B. weil<br />

die spezifische Wärmekapazität von Eis<br />

(2.1 J/(g.K) und Wasser (4.2 J/(g.K) sehr<br />

verschieden ist. Mehrfach dargestellt ist<br />

nur der gleiche basisliniennahe Teil des<br />

DSC-Schmelzpeaks von 1.87 mg Wasser,<br />

gemessen mit 5 K/min (Schmelzenthalpie<br />

333 J/g).<br />

1) Die Basislinie „Horizontal links“ zeigt<br />

den virtuellen Sprung der Wärmekapazität<br />

erst nach dem Schmelzen und<br />

ergibt eine zu grosse Peakfläche.<br />

2) Die gerade Linie ist offensichtlich ungünstig<br />

und widerspricht den Grundprinzipien<br />

(keine Tangenten, Schnitt<br />

durch DSC-Kurve). Die Änderung der<br />

Wärmekapazität erfolgt nicht linear<br />

mit der Temperatur zwischen Auswertebeginn<br />

und Auswerteende.<br />

3) Der „Spline“ ist etwas besser, schneidet<br />

aber die DSC-Kurve.<br />

4) Optimal ist hier der Typ „Integral tangential“,<br />

welcher die Basislinie proportional<br />

zur Peakfläche vom Niveau vor<br />

zum Niveau nach dem Peak zeichnet<br />

und damit die Änderung der Wärmekapazität<br />

abbildet.<br />

In den ersten drei dargestellten Fällen<br />

kann das Integrationsresultat durch bes


sere Wahl der Grenzen verbessert werden,<br />

dennoch entsprechen die virtuellen Basislinien<br />

nicht den physikalischen Gegebenheiten.<br />

Überlappende thermische Effekte stellen<br />

meistens die grössten Ansprüche an die<br />

sorgfältige und realistische Wahl einer<br />

virtuellen Basisline. In Abbildung 4 wird<br />

gezeigt, wie ein zweites Aufheizen der<br />

ausreagierten Probe hilft, die genauere<br />

Lage der Basislinie zu finden. Ein Epoxidharz<br />

wurde bei 100 °C während 80 min<br />

teilweise gehärtet, wobei das Material vitrifiziert<br />

[6]. Anschliessend wurden die<br />

in der Abbildung gezeigten DSC-Kurven<br />

mit 5 K/min gemessen. Die Nachhärtung<br />

(Kurve 1) beginnt beim Glasübergang<br />

und Kurve 2 zeigt die voll ausgehärtete<br />

Probe. Die Gerade 3 (gepunktet) beschreibt<br />

den Verlauf der DSC-Kurve nach<br />

dem vollständigen Härten oberhalb des<br />

Glasübergangs. Sie stellt somit die Basislinie<br />

für die Integration dar und dient<br />

auch als Tangente bei der Bestimmung<br />

der Glasübergangstemperatur. Es kann<br />

dabei angenommen werden, dass das Verhalten<br />

der Wärmekapazität oberhalb des<br />

Glasübergangs bei der Nachhärtung etwa<br />

gleich ist wie bei der völlig gehärteten<br />

Probe.<br />

Zur Bestimmung der Nachreaktionsenthalpie<br />

wird wie folgt vorgegangen: Die<br />

gepunktete Linie (Kurve 3) wird von der<br />

Kurve 1 abgezogen, wodurch Kurve 4<br />

erhalten wird. Der Peak in dieser Kurve<br />

wird mit dem Basislinientyp „Nulllinie“<br />

in den dargestellten Grenzen integriert.<br />

Die Trennung der sich hier zum<br />

Teil überlagernden Effekte könnte auch<br />

durch Anwendung der temperaturmodulierten<br />

DSC erfolgen.<br />

Das Beispiel in Abbildung 5 soll zeigen,<br />

wie wichtig die korrekte Interpretation<br />

der DSC-Kurven ist. Durch adäquate Wahl<br />

der Integrationsgrenzen und des Basislinientyps<br />

sollen Resultate ermittelt werden,<br />

die auch im Zusammenhang mit<br />

weiteren Untersuchungen konsistente Erkenntnisse<br />

liefern.<br />

Abbildung 5 zeigt die DSC-Kurve einer<br />

40%igen Lösung von Sucrose in Wasser,<br />

gemessen mit 5 K/min nach langsamem<br />

Abkühlen. Der Glasübergang liegt<br />

bei –45 °C und das auskristallisierte<br />

Wasser schmilzt in die Sucroselösung<br />

im Bereich von –37 °C bis 0 °C.<br />

Die Integration ab –29 °C würde eine<br />

abnehmende spezifische Wärmekapazität<br />

voraussetzen, was hier nicht zutrifft.<br />

Eine „Linie“ oder eine Spline-Basisline<br />

geben eine um 5% zu kleine Enthalpie<br />

und nur die Basislinie „integral tangential“<br />

liefert den richtigen Wert, der für<br />

eine konsistente quantitative Auswertung<br />

verwendet werden kann.<br />

Bei der Wahl von Basislinien wird meist<br />

nur an die interpolierten Basislinien gedacht.<br />

Mindestens so wichtig sind aber<br />

auch die extrapolierten Basislinien, wie<br />

die Abbildung 6 zeigt:<br />

a) Oxidationsinduktionszeit (OIT) eines<br />

Mineralöls, gemessen bei 180 °C unter<br />

3.5 MPa Sauerstoffdruck.<br />

b) Schmelzpunkt von Benzoesäure, bestimmt<br />

als extrapolierter Onset.<br />

c) Glasübergangstemperatur von Polystyrol,<br />

bestimmt als Mittelpunkt gemäss<br />

der Tangentenkonstruktion (je nach<br />

Norm definiert).<br />

d) Beim Glasübergang nimmt die spezifische<br />

Wärmekapazität cp zu, was zu<br />

einer Stufe in der cp-Kurve führt. Die<br />

Stufenhöhe ist charakteristisch für<br />

den amorphen Anteil in der Probe.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Zur optimalen Wahl einer Basisline für<br />

die Integration oder zur Onset-Bestimmung<br />

sind, wenn möglich, die physikalischen<br />

Veränderungen während der Umwandlung<br />

zu berücksichtigen. Sprünge<br />

in der Wärmekapazität sind in den seltensten<br />

Fällen anzutreffen, so dass die<br />

Abbildung 4:<br />

Beispiel der Wahl<br />

einer speziellen<br />

Basislinie (Polygon<br />

aus zwei Punkten X)<br />

zur Bestimmung der<br />

Nachhärtungsreaktion.<br />

Zur Integration<br />

des Peaks in Kurve<br />

4 wird der Basislinientyp<br />

„Nulllinie”<br />

verwendet.<br />

Abbildung 5:<br />

Beispiel zur Kurveninterpretation<br />

und<br />

Wahl der Integrationsgrenzen.<br />

METTLER TOLEDO <strong>User</strong><strong>Com</strong> 1/2007<br />

5


TA-Tipp<br />

Abbildung 6:<br />

Beispiele zu extrapoliertenBasislinien.<br />

6<br />

METTLER TOLEDO <strong>User</strong><strong>Com</strong> 1/2007<br />

virtuelle Basislinie auch ohne Ecken und<br />

unstetigen Verlauf konstruiert werden<br />

muss.<br />

Eine korrekte Wahl der Basislinie bedingt<br />

auch immer eine vorausgehende, konsistente<br />

Kurveninterpretation [7]. Dazu<br />

gehört auch, dass die Integrationslimiten<br />

der Aufgabenstellung entsprechend sorgfältig<br />

gewählt werden.<br />

Die hier an Beispielen von DSC-Messungen<br />

besprochenen Regeln und Typen<br />

zur Wahl der Basislinien können sinngemäss<br />

auch auf andere TA-Messtechniken<br />

übertragen werden, z.B. zur Integration<br />

von Peaks bei der SDTA, der DTG und<br />

bei anderen mathematisch abgeleiteten<br />

Messkurven.<br />

Literatur<br />

[1] G. W. H. Höhne, W. Hemminger and<br />

H.-J. Flammersheim: Differential<br />

Scanning Calorimetry, Springer Verlag,<br />

1996. Chapter “The DSC Curve”<br />

[2] ISO 11357-1 (1997) Plastics – DSC.<br />

General principles<br />

[3] DIN 51005 Thermal analysis; Terms<br />

[4] ASTM E473 Standard Terminology<br />

Relating to Thermal Analysis and<br />

Rheology<br />

[5] ASTM E 2161 Standard Terminology<br />

Relating to Performance Validation in<br />

Thermal Analysis<br />

[6] J. Schawe, METTLER TOLEDO<br />

<strong>User</strong><strong>Com</strong> 14, 17<br />

[7] METTLER TOLEDO <strong>User</strong><strong>Com</strong> mit<br />

Beiträgen zur Kurveninterpretation:<br />

DSC, <strong>User</strong><strong>Com</strong> 11 und 12;<br />

TGA, <strong>User</strong><strong>Com</strong> 13


Applikationen<br />

Bestimmung des Noack-Verdampfungsverlusts<br />

von Schmiermitteln mittels TGA<br />

Dr. Rudolf Riesen<br />

Abstract<br />

Schmiermittel für Motoren und andere<br />

Anwendungen dürfen aus Qualitäts- und<br />

Umweltgründen nur eine kleine Verdampfungsrate<br />

aufweisen. Der Verlust<br />

von leicht flüchtigen Komponenten erhöht<br />

die Viskosität und somit den Ölverbrauch,<br />

die Verkokung und den Abrieb.<br />

Für jedes Schmieröl wird deshalb nach<br />

genormten Noack-Verfahren der Verdampfungsverlust<br />

angegeben, der nach<br />

den Spezifikationen ILSAC GF-3 und<br />

API-SL nicht mehr als 15% betragen darf.<br />

Die ASTM-Norm D6375 zur Bestimmung<br />

des Verdampfungsverlusts von<br />

Schmierölen nach Noack [1] beschreibt<br />

die entsprechende thermogravimetrische<br />

Methode, die die gleichen Resultate wie<br />

andere Normen (z.B. ASTM D5800 [2],<br />

DIN 51581-1 [3], JPI-5S-41-93 [4]) liefert.<br />

In diesem Beitrag wird gezeigt, wie<br />

der Noack-Verdampfungsverlust mittels<br />

TGA im Vergleich zu einem Referenzöl<br />

bestimmt wird.<br />

Einleitung<br />

Die Zunahme der Lebens- und Gebrauchsdauer<br />

von Schmierstoffen verbunden<br />

mit höheren Ölumlaufzahlen,<br />

längeren Ölwechselintervallen und geringerem<br />

Schmierstoffverbrauch führt<br />

zu einer Zunahme der Beanspruchung<br />

der Schmierstoffe. Höhere Temperaturen<br />

verbunden mit kleineren Ölfüllungen<br />

und höheren Leistungsdichten führen<br />

dazu, dass die Leistungs- und Qualitätsanforderungen<br />

an Schmierstoffe stetig<br />

steigen. Damit die Schmiermittel richtig<br />

eingesetzt werden, sind sie entsprechend<br />

spezifiziert und klassiert.<br />

Die Spezifikationen beschreiben die physikalischen<br />

Eigenschaften der Motoröle,<br />

wie z.B. Viskosität, Verdampfungsverlust<br />

und Scherstabilität. Geprüft wird auch<br />

das Leistungsverhalten in Motorentests,<br />

wie z.B. Verschleissschutz und Sauberkeit<br />

sowie teilweise der Einfluss auf den Kraft-<br />

stoffverbrauch und die Veränderungen<br />

des Motoröls während des Betriebs durch<br />

Viskositätsänderungen (Eindickung). Die<br />

Klassierung erfolgt durch die Organisationen<br />

ILSAC, API oder SAE (siehe die Tabelle<br />

der Abkürzungen).<br />

Eine der Spezifikationen ist der Verdampfungsverlust.<br />

Die niedrigmolekularen Bestandteile<br />

eines Mineralöls, welche aus<br />

Fraktionen unterschiedlicher Kohlenwasserstoffe<br />

verschiedener Kettenlängen<br />

und Molekulargewichte besteht, können<br />

bei erhöhter thermischer Beanspruchung<br />

verdampfen. Dadurch erhöht sich in der<br />

Regel die Viskosität des Schmierstoffs.<br />

Gleichzeitig wird die Löslichkeit der Additive<br />

im Basisöl beeinflusst. Die Verdampfung<br />

ist für alle Schmierstoffgruppen<br />

(z.B. auch bei synthetischen Ölen) von<br />

Bedeutung, wenn sie bei höheren Temperaturen<br />

angewandt werden. So können,<br />

z.B. bei Motorölen durch hohe Temperaturen<br />

an den Kolbenringen und am Kolbenunterboden,<br />

Verdampfungsverluste<br />

auftreten. Sie führen zu unerwünschter<br />

Öleindickung und zu erhöhtem Ölverbrauch.<br />

Der Noack-Verdampfungsverlust<br />

nach ASTM D6375<br />

Um die Verdampfung quantitativ zu<br />

bestimmen, wurde vor Jahrzehnten der<br />

Noack-Verdampfungstest unter genormten<br />

Bedingungen eingeführt. Zum Beispiel<br />

wird bei DIN 51581 [3] gemessen,<br />

wie gross der Verlust während einer Stunde<br />

bei 250 °C unter Vakuum (2 mbar)<br />

ist.<br />

Mit der ASTM Norm D6375 steht ein<br />

Standardverfahren zur Verfügung, das<br />

entwickelt wurde [5], um die Vorteile<br />

der gaschromatischen Methode [6] mit<br />

den realistischen Bedingungen der traditionellen<br />

Noack-Tests zu verbinden,<br />

aber schneller und sicherer ist als beide<br />

und zudem mit weniger Probenmaterial<br />

durchgeführt werden kann.<br />

Gemäss ASTM D6375 wird eine Probe in<br />

einem Tiegel rasch auf 249 °C geheizt<br />

und 30 min gehalten und dazu die TGA-<br />

Kurve aufgezeichnet. Der Noack-Verdampfungsverlust<br />

ist dann die Gewichtsabnahme<br />

bis zur Noack-Referenzeit.<br />

Diese Zeit wird vorher unter den gleichen<br />

Versuchsbedingungen mit einem Noack-<br />

Referenzöl bestimmt. Wichtig bei diesem<br />

Verfahren ist, dass die Probentemperatur<br />

rasch auf einen Wert zwischen 247 und<br />

249 °C steigt, aber nicht überschwingt.<br />

Um die traditionelle Noack-Methode<br />

zu simulieren, wird üblicherweise mit<br />

100 K/min auf 220 °C und dann mit<br />

10 K/min auf 249 °C geheizt. Die Probenmenge<br />

(m s) wird durch den Tiegelinnendurchmesser<br />

(d) gemäss folgender<br />

Formel bestimmt:<br />

m s = 350d 3<br />

wobei d in cm und m s in mg gemessen<br />

wird.<br />

Durchführung einer Noack-<br />

Bestimmung<br />

Die Noack-Verdampfung wurde unter<br />

folgenden Bedingungen mit einem<br />

METTLER TOLEDO TGA bestimmt:<br />

• Tiegel: 100 µl Aluminium ohne Deckel<br />

(Innendurchmesser 0.56 cm)<br />

• Probenmasse: 61 ±3 mg<br />

• Spül- und Schutzgas: total 80 ml/min<br />

Luft<br />

• Noack-Referenzöl: W4520001 mit<br />

10.93% Gewichtsverlust bis zur Noack-<br />

Zeit; Bezugsquelle: Walter Herzog GmbH<br />

• Temperaturprogramm: 50 °C bis<br />

220 °C mit 100 K/min gefolgt von<br />

weiterem Aufheizen auf 249 °C mit<br />

10 K/min und isothermen Halten<br />

bei 249 °C. Um die oben erwähnte<br />

Bedingung einzuhalten, wurde der<br />

Parameter tlag für diesen Tiegel auf<br />

null justiert.<br />

Als Probe (Testöl) wurde ein synthetisches<br />

Motoröl 5W40 verwendet.<br />

METTLER TOLEDO <strong>User</strong><strong>Com</strong> 1/2007 7


Applikationen<br />

Abbildung 1:<br />

Bestimmung des<br />

Verdampfungsverlusts<br />

eines synthetischen<br />

Motoröls<br />

nach dem TGA-<br />

Noack-Verfahren.<br />

Schwarze, durchgezogene<br />

Kurve: Referenzöl;<br />

rote Kurve:<br />

synthetisches<br />

Motoröl 5W40;<br />

gestrichelte Kurve:<br />

Probentemperatur.<br />

8<br />

METTLER TOLEDO <strong>User</strong><strong>Com</strong> 1/2007<br />

Die Abbildung 1 zeigt die TGA-Kurve<br />

(schwarze Linie) des Referenzöls. Die<br />

Noack-Referenzzeit ist 17.56 min, dies ist<br />

die Zeit bei der der zertifizierte Verlust von<br />

10.93% erreicht wird (siehe die schwarzen<br />

Pfeile). Die TGA-Kurve der Probe ist als<br />

rote Kurve eingetragen. Nach 17.56 min<br />

wird ein Verlust von 7.80% abgelesen<br />

(siehe rote Pfeile): das synthetische Motoröl<br />

5W40 hat also einen Noack-Verdampfungsverlust<br />

von 7.8%, der in den<br />

Ölspezifikationen oft einfach als NOACK<br />

7.8% aufgelistet wird.<br />

Gemäss ASTM D6375 ist die Wiederholbarkeit<br />

bei 8% Verlust ca. 1% für 2 Bestimmungen<br />

durch das gleiche Labor<br />

und die Reproduzierbarkeit ist ca. 1.4%<br />

für 2 Bestimmungen durch verschiedene<br />

Labors.<br />

Gemäss ASTM D6375 muss der TGA-<br />

Ofen regelmässig ausgeheizt werden. Es<br />

wird empfohlen, jeweils nach ca. 10 Bestimmungen<br />

den Ofen ohne Tiegel auf<br />

1000 °C zu heizen und ca. 5 min isotherm<br />

zu halten, der Gasstrom kann dabei<br />

auf 80 ml/min Luft belassen werden.<br />

Schlussfolgerung<br />

In den vergangenen Jahren haben sich<br />

die Anforderungen an Schmierstoffe in<br />

vielen Anwendungsbereichen signifikant<br />

geändert. Aufgrund gestiegener technischer,<br />

ökonomischer und ökologischer<br />

Kriterien bzw. Anforderungen kommt der<br />

thermisch-oxidativen Stabilität, der geringen<br />

Verdampfungsneigung und deren<br />

Einfluß auf die Umwelt und Arbeitswelt<br />

eine besondere Bedeutung zu.<br />

Innovative Weiterentwicklung moderner<br />

Schmierstoffe und deren richtige Anwendung<br />

sind von erheblicher wirtschaftlicher<br />

Tragweite. Optimal den Aufgaben<br />

angepasste Schmierstoffe (Basisflüssigkeit<br />

und Additive) mit z.B. niedriger Verdampfung<br />

bringen<br />

• Energieeinsparungen<br />

• Reduzierung der Wartungsintervalle<br />

• Verschleissminimierung<br />

• Verlängerung der Maschinenstandzeiten<br />

• Verlängerung der Ölwechselintervalle<br />

(Lebensdauer)<br />

und damit verbunden erhebliche wirtschaftliche<br />

Einsparmöglichkeiten. Die<br />

Bestimmung des Verdampfungsverlusts<br />

mittels Thermogravimetrie ist deshalb<br />

ein wichtiger Schritt bei der Qualifizierung<br />

von Schmiermitteln.<br />

Das METTLER TOLEDO TGA-System mit<br />

Probenwechsler und automatisierter Auswertung<br />

ermöglicht einen hohen Probendurchsatz<br />

und eine schnelle Beurteilung.<br />

Abkürzungen<br />

API: American Petroleum Institute<br />

ASTM: ASTM International, originally<br />

known as the American Society<br />

for Testing and Materials<br />

DIN: Deutsches Institut für Normung<br />

(German Institute for Standardization)<br />

ILSAC: International Lubricant Standardization<br />

and Approval<br />

<strong>Com</strong>mittee<br />

JPI: Petroleum Association of Japan<br />

SAE: SAE International, Society of<br />

Automotive Engineers<br />

Literatur<br />

[1] ASTM D6375 Standard Test Method<br />

for Evaporation Loss of Lubricating<br />

Oils by Thermogravimetric Analyzer<br />

(TGA) Noack Method.<br />

[2] ASTM D-5800 Test Method for Evaporation<br />

Loss of Lubricating Oils by the<br />

Noack Method.<br />

[3] DIN 51581-1, 2003-02 Prüfung von<br />

Mineralölerzeugnissen – Bestimmung<br />

des Verdampfungsverlustes – Teil 1:<br />

Verfahren nach Noack.<br />

[4] JPI-5S-41-93 Determination of Evaporation<br />

Loss of Engine Oils (Noack<br />

Method).<br />

[5] E. F. de Paz, C. B. Sneyd – The Thermogravimetric<br />

Noack Test: a Precise,<br />

Safe and Fast Method for Measuring<br />

Lubricant Volatility, Subjects in Engine<br />

Oil Rheology and Tribology, SP1209,<br />

International Fall Fuel and Lubricants<br />

Meeting, San Antonio 1996, available<br />

also as SAE Technical Papers, Document<br />

Number: 962035.<br />

[6] DIN 51581-2 , 1997-05 Prüfung von<br />

Mineralölerzeugnissen – Bestimmung<br />

des Verdampfungsverlustes – Teil 2:<br />

Gaschromatographisches Verfahren.


Thermische Analyse zur Charakterisierung von<br />

polymorphen Modifikationen<br />

Saikat Roy, Bipul Sarma und Ashwini Nangia, School of Chemistry, University of Hyderabad, India<br />

Dr. Matthias Wagner, Dr. Rudolf Riesen<br />

TGA-FTIR wurde benutzt, um polymorphe<br />

Substanzen zu charakterisieren und<br />

zu unterscheiden. Liegen zwei polymorphe<br />

Formen eines Festkörpers vor, deren<br />

eine Form schmilzt und die andere bei<br />

etwa derselben Temperatur sublimiert<br />

oder verdampft, dann kann die gekoppelte<br />

Gasanalyse dazu herangezogen<br />

werden, quantitative (Gewichtsverlust)<br />

und qualitative (spektrale) Daten zu<br />

gewinnen, um diese Festkörper zu analysieren.<br />

Zwei Bestandteile, der aktive<br />

pharmazeutische Inhaltsstoff Venlafaxin<br />

Hydrochlorid (1) und das Trägermaterial<br />

1,1-bis(4-hydroxyphenyl)cyclohexan (2)<br />

(Abbildung 1), wurden mit DSC, TGA,<br />

Heiztisch-Mikroskopie (HTM) und TGA-<br />

FTIR untersucht, um die beim Heizen<br />

auftretenden Phasenübergänge zu studieren.<br />

Eine Substanz bezeichnet man<br />

als polymorph, wenn sie in verschiedenen<br />

Kristallstrukturen und damit mit<br />

unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften<br />

auftreten kann [1].<br />

Abbildung 1:<br />

Venlafaxin ((±)-1-[2(dimethylamino)-1-<br />

(4-methoxyphenyl)ethyl]cyclohexanol<br />

Hydrochlorid (1)) und<br />

1,1-bis(4-hydroxyphenyl) cyclohexan (2).<br />

Venlafaxin Hydrochlorid (Ven-<br />

HCl)<br />

VenHCl ist das am meisten verkaufte<br />

Anti-Depressivum. Venlafaxin, (±)-1-[2<br />

(dimethylamino)-1-(4-methoxyphenyl)<br />

ethyl]cyclohexanol, angewandt in der<br />

Hydrochlorid-Formulierung, liegt in verschiedenen<br />

polymorphen Modifikationen<br />

vor. Sie werden nach ihren Schmelztemperaturen<br />

im DSC als Form 1 (210– 212 °C),<br />

Form 2 (208–210 °C), Form 3 (202–<br />

204 °C, Phase aus der Schmelze) und<br />

Form 4 (219–220 °C, Hydrat/Alkoholat)<br />

klassifiziert. Eine neue Phase (Form 5)<br />

wurde während der thermischen Untersuchungen<br />

dieses Wirkstoffs durch<br />

Kristallisation des amorphen, unter<br />

Vakuum erhaltenen Sublimations-/Verdampfungsprodukts<br />

isoliert [2].<br />

TGA-, TGA-FTIR- und DSC-<br />

Messungen<br />

TGA-Messungen an den verkauften Arznei-Formen<br />

1 und 2 zeigten einen kompletten<br />

Gewichtsverlust zwischen 220 und<br />

260 °C (Abbildung 2). Es wurde vermutet,<br />

dass der Gewichtsverlust entweder auf<br />

die Zersetzung oder auf das Verdampfen<br />

nach dem Schmelzen zurückzuführen<br />

ist.<br />

Temperature<br />

°C<br />

Wavenumber cm -1<br />

Absorbance<br />

Units<br />

Die Verdampfungsprodukte wurden durch<br />

simultane FT-IR Spektroskopie analysiert.<br />

Dazu wurde das im TGA gebildete<br />

Gas durch eine geheizte Transferlinie<br />

geleitet und das IR-Spektrum mit einem<br />

DlaTGS-Detektor aufgenommen. TGA-<br />

FTIR der verdampften VenHCl-Formen 1<br />

und 2 zeigten identische IR-Spektren und<br />

die Hauptpeaks stimmten mit dem Festkörper<br />

IR-Spektrum von VenHCl über-<br />

Temperature<br />

°C<br />

Wavenumber cm -1<br />

Absorbance<br />

Units<br />

Abbildung 2 (a):<br />

TGA (oben) und<br />

DSC (unten) von<br />

VenHCl Form 1<br />

und Form 2. Der<br />

Gewichtsverlust<br />

begleitet die Verdampfung.<br />

Abbildung 2 (b):<br />

IR-Spektren des<br />

gebildeten Dampfes<br />

von Form 1 und 2.<br />

Abbildung 2 (c<br />

und d):<br />

FT-IR Spektren als<br />

Funktion der Temperatur<br />

(220–260 °C)<br />

in (c) Form 1 und<br />

(d) Form 2.<br />

METTLER TOLEDO <strong>User</strong><strong>Com</strong> 1/2007<br />

9


Applikationen<br />

Abbildung 3 (d):<br />

DSC-Kurven der<br />

frisch gebildeten<br />

Formen 4 und 5.<br />

Abbildung 4 (a):<br />

Heizen-Kühlen-<br />

Heizen Experimente<br />

an Form 1 mit<br />

unterschiedlichen<br />

Maximaltemperaturen<br />

resultieren<br />

in der Bildung von<br />

verschiedenen Endprodukten.<br />

10<br />

METTLER TOLEDO <strong>User</strong><strong>Com</strong> 1/2007<br />

ein. Dies bedeutet, dass VenHCl-Dampf<br />

aus beiden Formen nach dem Phasenübergang<br />

bei 214–216 °C freigesetzt<br />

wird, ein Phänomen, welches die Verdampfung<br />

des Festkörpers während des<br />

breiten endothermen Effektes bei 220–<br />

260 °C begleitet.<br />

Form 2 verflüchtigt sich schneller als<br />

Form 1 (TGA).<br />

Wenn VenHCl bei reduziertem Druck<br />

(0.2 Torr, ~160 °C) sublimiert/verdampft<br />

wird, bilden sich Tropfen am Kühlfinger<br />

(Abbildung 3a). Diese glasartige Masse<br />

wurde unmittelbar auf eine Glasplatte<br />

(Abbildung 3b) transferiert. Die DSC-<br />

Kurve des kondensierten Materials zeigte<br />

Kristallisation bei 95–100 °C (exotherm),<br />

gefolgt von Schmelzen bei 216–218 °C<br />

(endotherm) und einen breiten endo-<br />

Abbildung 3(a, b und c):<br />

Die kondensierten Tropfen am Kühlfinger des Sublimationsapparates und (b) Tropfen unmittelbar<br />

auf einer Glasplatte platziert. (c) Das kondensierte Material wandelt sich nach<br />

einem Tag im Hyderabad-Klima (25-30 °C, RH 40-50%) in die Hydrat-Form 4 um.<br />

thermen Effekt bei 220–260 °C, zurückzuführen<br />

auf Verdampfen/Sublimation<br />

(Abbildung 3d, links). Der exotherme<br />

Effekt bei 100 °C entspricht der Kristallisation<br />

der glasartigen Masse, die Endotherme<br />

bei 217–218 °C entsprechen<br />

dem Schmelzen, Abdampfverlust tritt bei<br />

220–260 °C auf.<br />

DSC von VenHCl Hydrat erhalten aus<br />

Form 5 nach einem Tag in Luft (oben)<br />

und Hydrat-Form 4 gewonnen durch Kristallisation<br />

aus MeOH (unten). Der endotherme<br />

Effekt bei 80 °C zeigt das Verdampfen<br />

von Lösungsmittel/Wasser (Abbildung<br />

3d, rechts).<br />

DSC Heizen-Kühlen-Heizen Experimente<br />

Das Vorhandensein zweier Endotherme<br />

bei 210–220 °C in DSC-Kurven von Form<br />

1 und 2 (Abbildung 2 Effekte 1 und 2)<br />

führte zu folgenden Fragen:<br />

1) Ist der 1. endotherme Effekt ein Phasenübergang<br />

und der 2. ein Schmelzen?<br />

2) Ist der endo-exo Peak in Form 2 ein<br />

Schmelz-Kristallisations-Phänomen?<br />

3) Welche polymorphe Modifikation ist<br />

stabiler? Wandeln sie sich ineinander<br />

um oder gehen sie in eine neue unterschiedliche<br />

Phase über?<br />

Um dies zu erklären, wurden Heizen-Kühlen-Heizen<br />

Experimente mit DSC durchgeführt.<br />

A) Form 1 wurde mit 2 K/min bis 212 °C<br />

aufgeheizt, einer Temperatur gerade<br />

nach dem grösseren endothermen<br />

Peak 1 aber vor dem kleinen Peak 2<br />

(in Abbildung 2). Dann wurde die<br />

Probe in der DSC-Zelle mit 5 K/min<br />

auf Raumtemperatur gekühlt (Abbildung<br />

4a).<br />

Abermaliges Aufheizen mit 2 K/min<br />

zeigte einen breiten endothermen<br />

Peak bei 212 °C, was bedeutet, dass<br />

der Festkörper immer noch Form 1<br />

ist und nicht ein umgewandeltes<br />

Produkt. Das exotherme Verhalten<br />

bei 195 °C im Kühlsegment rührt von<br />

der Kristallisation der geschmolzenen<br />

Form 1 her. Somit ist der Peak<br />

bei 210–212 °C in Abbildung 4a ein<br />

Schmelzen und keine polymorphe<br />

Phasenumwandlung.<br />

B) Wird dieselbe Prozedur angewandt,<br />

jedoch nun bis 219 °C, gerade über<br />

den 2. kleinen Peak hinausgehend, so


C)<br />

D)<br />

ist die DSC-Kurve der wiederum aufgeheizten<br />

Form 1 sehr verschieden.<br />

Jetzt zeigt sich ein exothermer Effekt<br />

bei 110 °C und ein endothermer Effekt<br />

bei 200 °C. Der exotherme Effekt<br />

entspricht der Kristallisation der<br />

umgewandelten Form 3, welche bei<br />

200 °C schmilzt. Also erfährt Form 1<br />

beim Heizen auf 218–219 °C und<br />

Abkühlen eine Phasenumwandlung<br />

zu Form 3.<br />

In einer ähnlichen Prozedur wurde<br />

Form 2 im DSC bei 2 K/min bis zum<br />

endo-exo Peak bei 213 °C geheizt und<br />

dann bei 5 K/min auf Raumtemperatur<br />

gekühlt (Abbildung 4b). Die<br />

Kühlkurve zeigt keine Kristallisation,<br />

was bedeutet, dass die Kristallisation<br />

von Form 2 (Exotherme bei 213 °C)<br />

korrekt zugewiesen wurde. Erneutes<br />

Aufheizen mit 2 K/min zeigt einen<br />

scharfen endothermen Peak bei 218–<br />

220 °C entsprechend dem Schmelzen<br />

von Form 5.<br />

Beim Heizen von Form 2 bis 220 °C<br />

über den zweiten endothermen<br />

Effekt hinausgehend, Kühlen auf<br />

Raumtemperatur und abermaligem<br />

Aufheizen treten andere Peaks auf.<br />

Nun zeigt die DSC-Kühlkurve eine<br />

Kristallisation bei 150 °C und beim<br />

erneuten Heizen Schmelzen von<br />

Form 3.<br />

Die Heizen-Kühlen-Heizen Experimente<br />

zeigen also, dass Formen 1 und 2 erst<br />

schmelzen und dann beim Abkühlen in<br />

anderen Formen (3 und 5) kristallisieren.<br />

Heiztischmikroskopie (HTM)<br />

Morphologische und Phasenumwandlungen<br />

in Form 1 und 2 und die thermischen<br />

Ereignisse, welche zur Sublimation von<br />

Form 5 führen, wurden mit HTM untersucht.<br />

Die Mikroaufnahmen in Abbildung 5<br />

zeigen Momentaufnahmen der Umwandlung<br />

von beiden Festkörpern zu Form 5.<br />

Während die Verdampfung für Form 2<br />

fast komplett war, verdampfte Form 1<br />

nur partiell. HTM-Messungen bestätigten<br />

die Interpretation der DSC-Kurven in<br />

Abbildung 4 und die Existenz der neuen<br />

amorphen Modifikation Form 5.<br />

Form 1<br />

30 °C 150-190 °C<br />

209-210 °C 210-215 °C<br />

215-216 °C Mikrokristalle unter<br />

polarisiertem Licht<br />

nach Kühlen<br />

Form 2<br />

30 °C 150-195 °C<br />

208-209 °C 210-217 °C<br />

217-218 °C Mikrokristalle unter<br />

polarisiertem Licht<br />

nach Kühlen<br />

Abbildung 4 (b):<br />

Heizen-Kühlen-<br />

Heizen Experimente<br />

an Form 2 zu zwei<br />

verschiedenen<br />

Endtemperaturen<br />

ergeben wiederum<br />

unterschiedliche<br />

Ergebnisse.<br />

Abbildung 5:<br />

HTM von Form 1<br />

und 2.<br />

Abbildung 6<br />

(BHPC, Seite 12):<br />

DSC der polymorphen<br />

Modifikationen<br />

m und s. Die metastabile<br />

Phase m<br />

hat eine niedrigere<br />

Schmelztemperatur<br />

und zeigt Phasenübergänge<br />

zur höher<br />

schmelzenden<br />

thermodynamisch<br />

stabilen Form s.<br />

METTLER TOLEDO <strong>User</strong><strong>Com</strong> 1/2007<br />

11


Applikationen<br />

Abbildung 7 (a, b<br />

und c):<br />

TGA (a) und IR-<br />

Spektrum des<br />

gebildeten Dampfes<br />

der Formen s (b)<br />

und m (c).<br />

Zu beachten ist,<br />

dass gemessene<br />

IR-Peaks mit den<br />

für BHPC erwarteten<br />

übereinstimmen.<br />

12<br />

METTLER TOLEDO <strong>User</strong><strong>Com</strong> 1/2007<br />

1,1-Bis(4-hydroxyphenyl)cyclohexan<br />

(BHPC)<br />

1,1-bis(4-hydroxyphenyl)cyclohexan-<br />

Moleküle neigen in hohem Masse zur Bildung<br />

von Einschlusskomplexen in Form<br />

von über 30 Wirt-Gast Kristallstrukturen.<br />

Zwei Lösungsmittel-freie Bedingungen,<br />

Schmelzkristallisation und Sublimation<br />

unter Vakuum wurden angewandt, um<br />

Gast-freie Formen zu erhalten. Einkristallstrukturen<br />

von BHPC wurden gelöst<br />

als Trikline Raumgruppen P1 (s-Form,<br />

Z′ = 1, sublimitierte Phase) und orthorhombische<br />

Raumgruppe Pbca (m-Form,<br />

Z′ = 2, Phase aus der Schmelze). Z′ ist die<br />

Zahl von der Symmetrie unabhängiger<br />

Moleküle in der kristallographischen<br />

Einheitszelle.<br />

TGA-, TGA-FTIR- und DSC-<br />

Messungen<br />

Phasenbeziehungen von s- und m-Form<br />

und mögliche Mechanismen ihrer Umwandlung<br />

ineinander wurden mit DSC<br />

und HTM untersucht [3]. Die DSC Kurve<br />

der s-Form zeigte einen einzelnen breiten<br />

Time<br />

in min<br />

Wavenumber cm -1<br />

Transmitance<br />

in %<br />

(b) (c)<br />

endothermen Peak bei ~184 ºC (T peak, 1),<br />

während die m-Form zwei scharfe endotherme<br />

Peaks bei 183 ºC und 188 ºC (Abbildung<br />

6, 2 und 3) zeigt. Diese beiden<br />

Peaks wurden als Schmelzen der m-Form<br />

(2), dann Kristallisation (exotherm, 4)<br />

zur s-Form und schliesslich Schmelzen<br />

derselben (3) interpretiert. Beim 2. Aufheizen<br />

im DSC zeigten beide Formen<br />

einen einzelnen endothermen Peak (5<br />

und 6), was die Überführung in die stabile<br />

Modifikation s bedeutet. m ist eine<br />

metastabile Phase, welche beim Heizen<br />

bis 200 °C einen Phasenübergang zur<br />

thermodynamisch stabilen Form s zeigt.<br />

Form s zeigt unter denselben Bedingungen<br />

keine Phasenänderungen ausser<br />

Verdampfen. Der endotherme Peak beim<br />

Wiederaufheizen ist verglichen zum 1.<br />

Heizen wegen des besseren thermischen<br />

Kontaktes der Probe nach dem Schmelzen<br />

im 1. Lauf zu etwa 5 K niedrigerer<br />

Temperatur verschoben.<br />

Um den Verdampfungsprozess in BHPC<br />

zu bestätigen, wurden TGA-FTIR-Messungen<br />

durchgeführt. Dazu wurden 8–<br />

Time<br />

in min<br />

Wavenumber cm -1<br />

Transmitance<br />

in %<br />

12 mg Substanz mit 10 ºC/min unter<br />

trockenem N 2-Gasstrom von 50 ml/min<br />

aufgeheizt. Die IR-Spektren zeigten,<br />

dass nach dem Phasenübergang bei<br />

183–185 ºC Verdampfung bei beiden Formen<br />

auftritt (Abbildung 7). Sublimation<br />

unterhalb des Schmelzens ist bei Form s<br />

2- bis 3-mal stärker als in der Schmelzphase<br />

m, auch wenn nur ein marginaler<br />

Gewichtsverlust auf der TGA-Kurve festzustellen<br />

ist (Abbildung 7a).<br />

Heiztischmikroskopie (HTM)<br />

Heiztischmikroskopie zeigt Blättchen<br />

von Kristallen, welche bei 178–182 ºC anfangen<br />

zu schmelzen und bei 183–185 ºC<br />

komplett schmelzen. Kühlen resultierte<br />

bei beiden Formen in Kristallen von feiner<br />

Nadel-Morphologie (Abbildung 8).<br />

Während sich die Kristallform von m<br />

beim Aufheizen von Blättchen in dendritische<br />

Kristalle umwandelt (8b), schmelzen<br />

von Form s nur die ursprünglich vorhandenen<br />

Blättchen.<br />

Eine Kombination von Methoden der thermischen<br />

Analyse wie TGA, DSC und HTM<br />

zeigt, dass Form m eine metastabile Modifikation<br />

und s die thermodynamische<br />

stabile Phase ist (T m-Form = 183±1 ºC;<br />

T s-Form = 188±1 ºC). Der einzelne endotherme<br />

Peak nach dem abermaligen Aufheizen<br />

ist der thermodynamisch stabilen,<br />

Form m Form s<br />

(a) (d)<br />

(b) (e)<br />

(c) (f)<br />

Abbildung 8 (a bis f):<br />

HTM-Bilder von<br />

Form m: (a) bei 25 ºC, (b) 181–182 ºC,<br />

(c) nach Kühlen auf Raumtemperatur.<br />

Form s: (d) bei 25 ºC, (e) 183–184 ºC,<br />

(f) nach Kühlen auf Raumtemperatur.<br />

Phasenübergang eines Blockkristalls von m<br />

zu dendritischen Kristallen und schliesslich<br />

zur Nadelform von s (a-c).


höher schmelzenden kristallisierten Phase<br />

zuzuschreiben. TGA-FTIR bestätigt das<br />

Verdampfen/Sublimieren von BHPC.<br />

Zusammenfassung<br />

Phasenbeziehungen zwischen VenHCl-<br />

Modifikationen sind im Schema (Abbildung<br />

9) zusammengefasst. Zusätzlich<br />

zu den gemessenen quantitativen und<br />

reproduzierbaren Daten an schon vorher<br />

bekannten vier Formen 1–4 von VenHCl<br />

wurde eine neue durch Verdampfen und<br />

Kristallisieren gewonnene Form 5 identifiziert.<br />

Diese ist unter inerten Bedingungen<br />

kurzlebig (einige Stunden bis<br />

maximal ein Tag stabil). Sie wandelt sich<br />

an der Luft in die Hydrat-Form 4 und<br />

unter trockenen Bedingungen in Form<br />

1 um.<br />

TGA, DSC und Heiztischmikroskopie<br />

zeigen, dass der 5 K niedriger schmelzende<br />

Festkörper der Form m von BHPC<br />

der metastabilen Modifikation und die<br />

s-Form der thermodynamisch stabilen<br />

Phase entspricht. Der einzelne endotherme<br />

Peak nach dem abermaligen Aufheizen<br />

beider Formen ist der thermodyna-<br />

mischen stabilen, höher schmelzenden<br />

Phase zuzuschreiben, welche auch durch<br />

Verdampfen/Sublimation erhalten werden<br />

kann.<br />

Zusätzlich zu den gezeigten Applikationen<br />

wurde TGA-FTIR benutzt, um zwischen<br />

Anilin- und Phenoleinschluss in<br />

einem Gast-selektiven Wirte-Netzwerk zu<br />

unterscheiden [4].<br />

Literatur<br />

[1] W. C. McCrone, in Physics and Chemistry<br />

of the Organic Solid State, Vol. 2,<br />

D. Fox, M. M. Labes and A. Weissberger<br />

(Eds.), Wiley Interscience:<br />

New York, 1965, pp. 725–767.<br />

[2] S. Roy, S. Aitipamula and A. Nangia,<br />

Cryst. Growth Des. 2005, 5, 2268–<br />

2276.<br />

[3] B. Sarma, S. Roy, and A. Nangia,<br />

Chem. <strong>Com</strong>mun. 2006, 4918–4920.<br />

[4] S. Aitipamula and A. Nangia, Chem.<br />

Eur. J. 2005, 11, 6727–6742.<br />

Analyse von Schmelzprozessen mittels TOPEM ®<br />

Dr. Jürgen Schawe<br />

Es werden Voraussetzungen der Analyse von Schmelzprozessen mittels<br />

TOPEM ® besprochen. Bei Einhaltung dieser Voraussetzungen werden<br />

im reversierenden Wärmestrom Prozesse gemessen, die unter Gleichgewichtsbedingungen<br />

ablaufen. Prozesse, mit Unterkühlung oder Überhitzung<br />

werden im nicht-reversierenden Wärmestrom erfasst. Diese<br />

Separierung ermöglicht eine Klassifizierung von Schmelzprozessen<br />

und die Unterscheidung unterschiedlich stabiler Kristallstrukturen.<br />

Einleitung<br />

Das Messen und Interpretieren von<br />

Schmelzprozessen mittels Methoden der<br />

Temperaturmodulierten DSC (TMDSC)<br />

gehört zu den eher anspruchsvollen Aufgaben<br />

in der thermischen Analyse. Das<br />

mag vielleicht der Grund sein, dass man<br />

in der Literatur einige Vorschläge finden<br />

kann, die einer kritischen Hinterfragung<br />

nicht standhalten. Trotzdem können mit<br />

der TMDSC interessante und wichtige Informationen<br />

zum Schmelzverhalten gewonnen<br />

werden, die sonst nur schwer zu<br />

erhalten sind.<br />

In diesem Artikel wollen wir ausgehend<br />

von den Grundlagen des Schmelzverhaltens<br />

aus Referenz [1] an Beispielen auf-<br />

zeigen, wie das Schmelzverhalten mittels<br />

TOPEM ® untersucht werden kann.<br />

Grundlagen der Temperaturmodulierten<br />

DSC<br />

Messprinzip und Voraussetzungen<br />

an die Messung<br />

Bei der TMDSC wird einem konventionellen<br />

Temperaturprogramm (Heizen<br />

und Kühlen mit konstanter Rate oder isotherme<br />

Bedingungen) eine kleine Temperaturstörung<br />

(Modulation) überlagert.<br />

Beim Auswertealgorithmus geht man davon<br />

aus, dass sich die Probenreaktionen<br />

auf das konventionelle Temperaturprogramm<br />

und die Modulation gegenseitig<br />

Abbildung 9:<br />

Schema der Phasenübergänge<br />

in<br />

VenHCl-Modifikationen<br />

1–5.<br />

METTLER TOLEDO <strong>User</strong><strong>Com</strong> 1/2007<br />

13


Applikationen<br />

Abbildung 1:<br />

Schematisches Diagramm<br />

der Freien<br />

Enthalpie als Funktion<br />

der Temperatur.<br />

Es sind Prozesse<br />

eingezeichnet, die<br />

unter quasi stabilen,<br />

metastabilen<br />

und instabilen<br />

Bedingungen ablaufen.<br />

14<br />

METTLER TOLEDO <strong>User</strong><strong>Com</strong> 1/2007<br />

nicht beeinflussen. Man kann dann den<br />

unterliegenden Anteil (vom konventionellen<br />

Temperaturprogramm) und den<br />

Anteil durch die Modulation separieren.<br />

Während der unterliegende Anteil des<br />

Wärmestroms (totaler Wärmestrom) wie<br />

bei der konventionellen DSC alle Informationen<br />

beinhaltet, enthält der Anteil,<br />

der durch die Modulation erzeugt wird,<br />

nur Informationen über Prozesse, die der<br />

Modulation mehr oder weniger folgen<br />

können.<br />

Bei allen Modulationstechniken müssen<br />

die Messbedingungen so gewählt werden,<br />

dass die Messung und Auswertung unter<br />

linearen und nahezu stationären Bedingungen<br />

erfolgen. Das bedeutet, dass das<br />

Ergebnis unabhängig von der Intensität<br />

(Amplitude) der Modulation ist und sich<br />

der totale Wärmestrom während einer<br />

des relevanten Auswertefensters (Periode)<br />

nicht wesentlich ändert. Die Qualität der<br />

Messung verbessert sich mit der Verringerung<br />

der unterliegenden Heizrate. Insbesondere<br />

bei der Analyse von Schmelzprozessen<br />

sind kleine Modulationen zu<br />

wählen, da sonst Artefakte gemessen werden,<br />

die zu Fehlinterpretationen führen.<br />

TOPEM ® ist eine moderne TMDSC-Technik,<br />

die sich bezüglich der Art der Modulationsfunktion<br />

und der Auswertung von<br />

der konventionellen TMDSC unterscheidet.<br />

Bei TOPEM ® wird eine stochastische<br />

Funktion zur Modulation verwendet. Die<br />

Intensität der Modulationsfunktion ist<br />

eine Impulshöhe. Die Auswertung erfolgt<br />

durch eine Korrelationsanalyse von gemessenem<br />

Wärmestrom und Heizrate in<br />

einem wählbaren Auswertefenster. [2, 3].<br />

Totaler, reversierender- und nichtreversierender<br />

Wärmestrom<br />

Bei allen TMDSC-Techniken werden aus<br />

dem gemessenen Wärmestrom drei Wärmestromkomponenten<br />

ermittelt. Das sind<br />

der Totale Wärmestrom Φ tot, der reversierende<br />

Wärmestrom (engl. reversing<br />

heat flow) Φ rev und der nicht-reversierende<br />

Wärmestrom (engl. non-reversing<br />

heat flow) Φ non.<br />

Bei der konventionellen TMDSC wird der<br />

Totale Wärmestrom aus dem gemessenen<br />

Wärmestrom durch Mittlung über mindestens<br />

eine Periode erhalten. Aus der<br />

modulierten Komponente bestimmt man<br />

den reversierenden Wärmestrom. Der<br />

nicht-reversierende Wärmestrom ist die<br />

Differenz:<br />

Bei TOPEM ® erfolgt die Auswertung mittels<br />

Korrelationsanalyse von Wärmestrom<br />

und Heizrate. Man erhält die Komponente<br />

des gemessenen Wärmestroms, der mit<br />

der Heizrate korreliert und eine andere<br />

Komponente, die nicht mit der Heizrate<br />

korreliert. Die nicht korrelierende Komponente<br />

ist der nicht-reversierende Wärmestrom<br />

Φ non. Der reversierende Wärmestrom<br />

wird aus dem korrelierenden<br />

Wärmestromanteil ermittelt [3]. Aus beiden<br />

Grössen wird der totale Wärmestrom<br />

berechnet:<br />

Dieser Unterschied erscheint gering, ermöglicht<br />

aber, wie unten beschrieben,<br />

bei TOPEM ® eine Konsistenzüberprüfung<br />

der Messung.<br />

Sensibler und latenter Wärmestrom<br />

Formal besteht der Wärmestrom aus<br />

zwei Komponenten: dem sensiblen (oder<br />

fühlbaren) Wärmestrom Φ s und dem latenten<br />

Wärmestrom Φ l [3, 4].<br />

Der latente Wärmestrom ist nicht explizit<br />

von der Temperatur sondern von<br />

der Kinetik des thermischen Ereignisses<br />

abhängig. Ein Beispiel ist die Härtungsreaktion<br />

eines Klebstoffes, während der<br />

durch Temperaturänderung die Probe<br />

nicht mehr zu ihrem Ausgangszustand<br />

zurückgebracht werden kann. Es wird<br />

nur die Reaktionsgeschwindigkeit verändert.<br />

Der sensible Wärmestrom hängt explizit<br />

von der Heizrate ab. Ein Beispiel ist der<br />

Wärmestrom in eine inerte Probe, der<br />

proportional zur Heizrate ist. Der Proportionalitätsfaktor<br />

ist die Wärmekapazität.<br />

Grundlagen<br />

Ausgangspunkt ist die Beschreibung von<br />

Schmelz- und Kristallisationsprozessen<br />

mittels der Freien Enthalpie aus Referenz<br />

[1]. Ein entsprechendes Diagram ist in Abbildung<br />

1 dargestellt. Die rote, schwarze<br />

und grüne Kurve ist die freie Enthalpie<br />

der Schmelze, des Kristalls und des<br />

Glases. Die gestrichelten Kurven kennzeichnen<br />

Zwischenzustände. Die Kurve<br />

mit der jeweils kleinsten Freien Enthalpie<br />

charakterisiert den stabilen Zustand. Alle<br />

anderen Zustände sind metastabil. Das<br />

System ist bestrebt, den stabilen Zustand<br />

einzunehmen, wird dabei aber durch kinetische<br />

Prozesse (wie z.B. Keimbildung)<br />

behindert.<br />

Prozesse bei einer TOPEM ® -Messung<br />

sind in Abbildung 1 durch blaue Ellipsen<br />

oder Pfeile gekennzeichnet. Es handelt<br />

sich dabei um Prozesse, die unter quasistabilen,<br />

metastabilen und instabilen<br />

Bedingungen ablaufen:<br />

• Bei den quasi stabilen Prozessen im<br />

(lokalen) Gleichgewicht handelt es<br />

sich um die Messung der Wärmekapazität,<br />

ohne das ein weiteres thermisches<br />

Ereignis abläuft.<br />

• Bei Prozessen unter metastabilen Bedingungen<br />

verlässt das System das aktuelle<br />

lokale Gleichgewicht nur wenig.<br />

Es handelt sich dabei z.B. um Glasübergänge<br />

oder Schmelz- und Kristallisationsprozesse<br />

nahe der aktuellen


•<br />

lokalen Gleichgewichtsbedingungen,<br />

wie sie etwa im Schmelzbereich von<br />

verunreinigten Stoffen auftreten (s. [1]).<br />

Diese Prozesse können durch geringe<br />

Temperaturänderung praktisch rückgängig<br />

gemacht werden.<br />

Bei Prozessen mit grosser Änderung<br />

der Freien Enthalpie startet das System<br />

im metastabilen Gleichgewicht<br />

und „fällt“ in den neuen stabileren<br />

Zustand. Durch kleine Temperaturänderungen<br />

wird der Prozess kaum<br />

beeinflusst. Beispiele sind Kristallisationsprozesse<br />

nach hinreichend grosser<br />

Unterkühlung oder Schmelzprozesse<br />

von Kristallen mit Überhitzung.<br />

Beschreibung von sensiblem und<br />

latentem Wärmestrom<br />

Nehmen wir an, dass in einer Probe zwei<br />

unterschiedliche Prozesse ablaufen, die<br />

jeweils mit einem Ordnungsparameter x<br />

beschrieben werden. Beim Schmelzen beschreibt<br />

x den Grad der Unordnung und<br />

ändert sich von x = 0 (idealer Kristall) zu<br />

x = 1 (equilibrierte Schmelze). Der Prozess<br />

mit dem Ordnungsparameter x me<br />

soll nahe am lokalen Gleichgewicht ablaufen.<br />

Der andere Prozess beginnt fern<br />

vom Gleichgewicht und hat den Ordnungsparameter<br />

x i. Für den gemessenen<br />

Wärmestrom gilt:<br />

c p ist die spezifische Wärmekapazität,<br />

dT/dt ist die Heizrate, ∆h me und ∆h i sind<br />

die den entsprechenden Prozessen zugeordneten<br />

spezifischen Umwandlungsenthalpien.<br />

Da der Prozess (me) nahe am<br />

lokalen Gleichgewicht abläuft, kann x me<br />

der kleinen Temperaturmodulation folgen.<br />

Für diesen Fall kann geschrieben<br />

werden:<br />

Beim Nicht-Gleichgewichtsprozess (i)<br />

folgt der Ordnungsparameter nicht der<br />

kleinen, von der Modulationsfunktion<br />

bestimmten Temperaturänderung ∆T.<br />

Daher gilt:<br />

Durch Einsetzen von Gl.(4) in (3) erhält<br />

man für den gemessenen Wärmestrom<br />

Der erste Term in Gl. (6) ist eine explizite<br />

Funktion der Heizrate. Es handelt<br />

sich hier um den sensiblen Wärmestrom,<br />

der die Prozesse umfasst, die nahe am<br />

Gleichgewicht ablaufen. Der latente Wärmestrom<br />

wird durch den letzten Term<br />

beschrieben. Er umfasst die Prozesse, die<br />

fern vom Gleichgewicht starten.<br />

Wärmestromseparation bei<br />

TOPEM ®<br />

Die mittels TOPEM ® gemessenen reversierenden<br />

und nicht-reversierenden<br />

Wärmestrome können bei Beachtung von<br />

Linearität und Stationarität im Rahmen<br />

der Messgenauigkeit dem sensiblen und<br />

latenten Wärmestrom zugeordnet werden:<br />

Messbedingungen und deren<br />

Überprüfung<br />

Linearität<br />

Da die Auswertemethodik bei der TMDSC<br />

auf der Analyse von linearen Systemen<br />

aufbaut, muss das Messprogramm so gewählt<br />

werden, dass der gemessene Wär-<br />

mestrom linearen Bedingungen genügt.<br />

Das ist der Fall, wenn der reversierende<br />

Wärmestrom unabhängig von der Intensität<br />

der Temperaturstörung (Impulshöhe<br />

oder Amplitude) ist. Die Grösse der<br />

maximalen Intensität ist von den Materialien<br />

und den zu untersuchenden Ereignissen<br />

abhängig. Beim Schmelzen liegt<br />

die Linearitätsgrenze meistens unterhalb<br />

0.1 K. Am Beispiel des Schmelzens von<br />

(PET) ist in Abbildung 2 ein Beispiel für<br />

einen Linearitätstest dargestellt. Es wurden<br />

zwei Proben mit ähnlicher Masse<br />

mit unterschiedlich grosser Impulshöhe<br />

mit einer unterliegenden Heizrate von<br />

0.3 K/min gemessen. Die Impulshöhe war<br />

±5 mK und ±50 mK. Die reversierenden<br />

Wärmestromkurven in Abbildung 2 sind<br />

unabhängig von der Impulshöhe. Lediglich<br />

das Rauschen wird bei der kleinen<br />

Modulationsintensität grösser. Die blaue<br />

Kurve ist die Differenz beider Φ rev-Kurven.<br />

Dieses Material kann mit einer Impulshöhe<br />

von ±50 mK gemessen werden.<br />

Stationarität<br />

In einem Auswertefensters sollte sich der<br />

totale Wärmestrom wenig ändern. Diese<br />

Bedingung kann insbesondere bei höheren<br />

Heizraten während relativ scharfer<br />

thermischer Ereignisse nicht immer eingehalten<br />

werden. Bei TOPEM ® gibt es im<br />

Gegensatz zur konventionellen TMDSC<br />

eine Möglichkeit, Kurvenbereiche zu<br />

erkennen, in denen eine Interpretation<br />

kritisch ist. Dazu ist ein Vergleich von<br />

gemessenem und totalem Wärmestrom<br />

nötig. Abbildung 3 zeigte diese Kurven im<br />

Abbildung 2:<br />

Test der Linearitätsbedingung<br />

am<br />

Beispiel von PET,<br />

das bei 170 °C kristallisiert<br />

wurde.<br />

Oben: Messkurven;<br />

unten: Reversierender<br />

Wärmestrom<br />

und die Differenz<br />

beider Kurven<br />

(blau).<br />

METTLER TOLEDO <strong>User</strong><strong>Com</strong> 1/2007<br />

15


Applikationen<br />

Abbildung 3:<br />

TOPEM ® Messung<br />

im Schmelzbereich<br />

einer Saccharose-<br />

Wasser Mischung.<br />

Abbildung 4:<br />

Links: Vereinfachtes<br />

Phasendiagramm<br />

von Saccharose<br />

und Wasser. Der<br />

Pfad, der bei der<br />

Messung durchlaufen<br />

wird, ist durch<br />

rote Pfeile gekennzeichnet.<br />

Rechts: Kurven<br />

einer TOPEM ®<br />

Messung.<br />

16<br />

METTLER TOLEDO <strong>User</strong><strong>Com</strong> 1/2007<br />

Schmelzbereich einer Saccharose-Wasser<br />

Mischung (40:60 massen%). In einem<br />

weiten Bereich entspricht der totale Wärmestrom<br />

dem Mittelwert des gemessenen<br />

Wärmestroms. In diesem Bereich können<br />

die erhaltenen Kurven quantitativ und<br />

qualitativ ausgewertet werden. Jedoch ist<br />

der totale Wärmestrom im Bereich des<br />

Peakmaximums und der Hochtemperaturflanke<br />

zu klein. Die Messkurve wird<br />

im Wesentlichen durch den Wärmetransport<br />

und weniger durch den Schmelzprozess<br />

bestimmt.<br />

Um auch in diesem Bereich quantitative<br />

Ergebnisse mittels TOPEM ® zu erreichen,<br />

muss die Heizrate verringert werden.<br />

Schmelzprozesse<br />

Bei der Anwendung von TOPEM ® für<br />

Schmelzprozesse sind verschiedene Fälle<br />

zu berücksichtigen.<br />

Das Schmelzen von reinen Materialien<br />

Reine Materialien (wie z.B. bei Indium)<br />

schmelzen bei der Gleichgewichtsschmelztemperatur.<br />

Während des Schmelzprozesses<br />

ändert sich die Probentemperatur<br />

nicht [5] und kann daher einer Temperaturmodulation<br />

nicht folgen. Die<br />

gemessenen TMDSC-Kurven werden im<br />

Wesentlichen durch die Änderung der<br />

Wärmeleitbedingungen hervorgerufen.<br />

Für die Messung dieser scharfen Umwandlungen<br />

sind die Methoden der TMDSC<br />

nicht geeignet.<br />

Reversierendes Schmelzen nahe<br />

am lokalen Gleichgewicht<br />

Schmelzprozesse während denen sich<br />

Kristalle und Schmelze im lokalen<br />

Gleichgewicht befinden, treten z.B. bei<br />

Mischungen mit einem breiten Schmelzbereich<br />

auf. Solche Prozesse sollten nach<br />

Gl. (8) und (9) einen Beitrag zum reversierenden<br />

Wärmestrom liefern, während<br />

der nicht-reversierende Wärmestrom<br />

klein ist.<br />

Auf der linken Seite der Abbildung 4 ist<br />

das vereinfachte Phasendiagramm des<br />

Systems Saccharose-Wasser dargestellt<br />

[10]. Der Pfad beim Aufheizen ist durch<br />

Pfeile gekennzeichnet. Der Schmelzprozess<br />

beginnt bei etwa –36 °C mit dem<br />

Schmelzen kleiner nicht equilibrierter<br />

Kristalle. Dabei entsteht eine Schmelze<br />

der kritischen Konzentration von etwa<br />

80 massen% Saccharose. Der nicht-reversierende<br />

Wärmestrom zeigt den entsprechenden<br />

Peak. Anschliessend folgt<br />

der Schmelzprozess der Liquiduslinie,<br />

wobei Kristalle und Schmelze im lokalen<br />

Gleichgewicht sind. Dieser Teil des<br />

Schmelzprozesses wird wie erwartet einen<br />

Beitrag zum reversierenden Wärmestrom<br />

liefern. Die Schmelzprozesse, die einen<br />

reversierenden Wärmestrom hervorrufen,<br />

werden reversierendes Schmelzen und die<br />

anderen nicht-reversierendes Schmelzen<br />

genannt.<br />

Das Schmelzverhalten im Nichtgleichgewicht:<br />

Überhitzung bei<br />

Polymeren<br />

Bei vielen semikristallinen Polymeren<br />

überhitzen relativ stabile Kristallite und<br />

schmelzen oberhalb ihrer thermodynamischen<br />

Schmelztemperatur. Dabei<br />

sind Schmelze und Kristallite nicht im<br />

thermodynamischen Gleichgewicht. Der<br />

Schmelzprozess ist nicht-reversierend.<br />

Es wurde Polyethylenterephthalat (PET)<br />

10 min bei 170 °C kristallisiert. Die Messung<br />

erfolge mit einer Temperaturmodulation<br />

von ±50 mK und einer unterliegenden<br />

Heizrate von 0.3 K/min.<br />

In Abbildung 5 sind die Messkurven im<br />

Bereich des Hauptschmelzpeaks dargestellt.<br />

Wie erwartet, ist der Peak in der<br />

Φ non-Kurve wesentlich grösser als in der<br />

Φ rev-Kurve.<br />

Unterscheiden von verschieden<br />

stabilen Kristalliten<br />

Beim Abkühlen mit 0.5 K/min aus der<br />

equilibrierten Schmelze kristallisiert<br />

PET. Bei nachfolgender Heizmessung mit<br />

0.5 K/min hat der totale Wärmestrom<br />

einen Doppelpeak (Abbildung 6). Die


TOPEM ® -Messung zeigt, dass die Ursache<br />

des Doppelpeaks in der Existenz<br />

unterschiedlich stabiler Kristallite liegt.<br />

Beim ersten Peak überwiegt der reversiernde<br />

Wärmestrom. Kleinere Kristallite<br />

schmelzen reversierend nahe ihrer<br />

aktuellen Gleichgewichtsschmelztemperatur.<br />

Beim zweiten Peak schmelzen<br />

Kristallite mit einer Überhitzung. Dieser<br />

Peak ist fast ausschliesslich im nicht-reversierenden<br />

Wärmestrom zu finden. Der<br />

Schmelzprozess ist grundlegend anders<br />

als der bei etwa 10 K tieferen Temperaturen.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Bei der Untersuchung von Schmelzprozessen<br />

mittels TOPEM ® muss auf die<br />

Linearität der Messung geachtet werden.<br />

Der lineare Bereich wird durch Voruntersuchungen<br />

bestimmt.<br />

Der Gültigkeitsbereich von TOPEM ® -<br />

Kurven kann durch einen Vergleich von<br />

totalem Wärmestrom und dem Mittelwert<br />

des gemessen Wärmestroms erkannt werden.<br />

Prozessen die unter Bedingungen eines<br />

lokalen Gleichgewichts ablaufen, sind im<br />

reversierenden Wärmestrom zu erkennen,<br />

da sie der Temperaturmodulation<br />

mehr oder weniger folgen können. Prozesse,<br />

die fern vom Gleichgewicht ablaufen,<br />

folgen nicht der Temperaturmodulation<br />

und liefern daher einen Beitrag zum<br />

nicht-reversierenden Wärmestrom.<br />

Literatur<br />

[1] J. Schawe, <strong>User</strong><strong>Com</strong> 24, 11.<br />

[2] <strong>User</strong><strong>Com</strong> 22, 6.<br />

[3] J. Schawe, T. Hütter, C. Heitz, I. Alig,<br />

D. Lellinger, Thermochimica Acta<br />

446 (2006) 147.<br />

[4] J. Schawe, <strong>User</strong><strong>Com</strong> 22, 16.<br />

[5] J. Schawe, <strong>User</strong><strong>Com</strong> 23, 6.<br />

[6] J. Schawe, Thermochimica Acta<br />

451 (2006) 115.<br />

Abbildung 5:<br />

Wärmeflusskurven<br />

im Schmelzbereich<br />

von PET, das<br />

10 min bei 170 °C<br />

kristallisiert wurde.<br />

Unterliegende Heizrate:<br />

0.3 K/min.<br />

Abbildung 6:<br />

Das Schmelzverhalten<br />

von PET,<br />

das zuvor mit<br />

0.5 K/min abgekühlt<br />

wurde zeigt<br />

zwei unterschiedlicheSchmelzprozesse.<br />

METTLER TOLEDO <strong>User</strong><strong>Com</strong> 1/2007<br />

17


Applikationen<br />

18<br />

METTLER TOLEDO <strong>User</strong><strong>Com</strong> 1/2007<br />

Charakterisierung von Delivery Systemen mittels<br />

Thermogravimetrie<br />

Dr. V. Normand, K. Aeberhardt, Firmenich S.A., Genf, Schweiz<br />

Einleitung<br />

Von einem „guten“ Parfüm wird neben<br />

einem ansprechenden Geruch erwartet,<br />

dass die Duftstoffe möglichst lange mit<br />

einer konstanten Intensität wahrnehmbar<br />

bleiben. Aus diesem Grund werden<br />

die Duftstoffe in Parfüms neuerdings<br />

in sogenannten Delivery Systemen (DS)<br />

gekapselt. Damit kann die Abgabe des<br />

Duftstoffes kontrolliert werden, was eine<br />

Optimierung der Wahrnehmbarkeit des<br />

Parfüms bezüglich Intensität und Dauer<br />

ermöglicht.<br />

Die Kapselung von Duftstoffen in geeigneten<br />

DS ist demzufolge für Hersteller<br />

von Parfüms von grosser Bedeutung.<br />

Um aus der Fülle von möglichen DS die<br />

am besten Geeigneten zu identifizieren,<br />

braucht man eine rasche und einfache<br />

Technik, um das Entweichen des Duftstoffes<br />

aus dem DS und die thermische<br />

Stabilität des Gesamtsystems zu beschreiben.<br />

Die Thermogravimetrie erfüllt diese<br />

Anforderungen in hervorragender Weise.<br />

In diesem Beitrag untersuchen wir mittels<br />

Thermogravimetrie das Entweichen<br />

von Romascone ® aus 3 unterschiedlichen<br />

DS. Romascone ® ist ein Duftstoff,<br />

der insbesondere in Parfüms für Frauen<br />

Verwendung findet. Als DS wurden Nanopartikel<br />

auf der Basis von vernetztem<br />

Vinylacetat verwendet.<br />

Experimentelles<br />

Für die hier beschriebenen Untersuchungen<br />

wurde ein TGA851/SDTA e mit einem<br />

kleinen Ofen von METTLER TOLEDO ver-<br />

wendet.<br />

Es wurden Probenmassen von typisch et-<br />

wa 8 mg (Duftstoff und Nanopartikel zu-<br />

sammen) in Tiegeln aus Aluminiumoxid<br />

vermessen. Der Gewichtsanteil des DS<br />

betrug jeweils 40%. Als Spülgas wurden<br />

20 ml/min Stickstoff verwendet. Die<br />

Messungen erfolgten isotherm bei unterschiedlichen<br />

Temperaturen.<br />

Theoretische Grundlagen<br />

Verdunsten von reinen Flüssigkeiten<br />

Werden flüchtige Verbindungen (wie<br />

beispielsweise Duftstoffe) in der TGA<br />

vermessen, so wird ein kontinuierlicher<br />

Massenverlust erwartet. Wird davon ausgegangen,<br />

dass in einer TGA die Grenzschicht<br />

zwischen Flüssigkeit und Gasphase<br />

erreichenden Moleküle einer flüchtigen<br />

Verbindung mit dem Spülgas aus dem<br />

Ofen der TGA entfernt werden, so ergibt<br />

sich unter isothermen Bedingungen eine<br />

konstante Massenverlustrate, die durch<br />

den Dampfdruck der Verbindung sowie<br />

durch den Massentransfer an der Grenzschicht<br />

bestimmt ist; d.h.<br />

Dabei bedeuten m die Masse, k eine Kon-<br />

stante, die den Massentransfer an der<br />

Grenzschicht zwischen Flüssigkeit und<br />

Gasphase beschreibt und P vap den Dampfdruck.<br />

Verdunsten einer Verbindung aus<br />

einer binären Mischung<br />

In einer Mischung von 2 Verbindungen<br />

sind die chemischen Potenziale der beiden<br />

Verbindungen in der Mischung gegenüber<br />

den chemischen Potenzialen der<br />

reinen Verbindungen reduziert.<br />

Für ideale Verbindungen (keine Wechselwirkung,<br />

gleiche Grösse der Moleküle)<br />

gilt für den Partialdruck der beiden<br />

Verbindungen das Raoult’sche Gesetz,<br />

gemäss dem sich die Partialdrücke der<br />

beiden Verbindungen entsprechend ihrer<br />

molaren Anteile verhalten, d.h.<br />

Hier bedeuten P 1 und P 2 die Partialdrücke<br />

der beiden Verbindungen, x 1 und x 2<br />

deren Molenbruch und P 1 0 und P2 0 die<br />

Dampfdrücke unter Normalbedingungen.<br />

Für reale Verbindungen und unter<br />

der Annahme, dass nur eine Substanz<br />

flüchtig ist, gilt für den Partialdruck der<br />

flüchtigen Komponente die Näherung<br />

von Flory:<br />

Hier steht f 1 für den Volumenanteil der<br />

flüchtigen Komponente (Lösungsmittel)<br />

und c für den so genannten Flory-<br />

Wechselwirkungsparameter. Damit die<br />

Durchmischung der beiden Komponenten<br />

spontan erfolgt, muss die Mischenthalpie<br />

(hier ausgedrückt durch c) klein<br />

sein. c variiert typischerweise zwischen<br />

0 (gutes Lösungsmittel, athermische Mischung)<br />

und 0.5 (schlechtes Lösungsmittel,<br />

endothermische Mischung). Liegt der<br />

Wechselwirkungsparameter oberhalb von<br />

0.5, wird ein Entmischen des Systems erwartet.<br />

Falls die Dichte der beiden Verbindungen<br />

in der Mischung etwa gleich gross ist, ist<br />

der Volumenanteil des Lösungsmittels (f 1)<br />

identisch mit dessen Massenanteil (w 1).<br />

Für die Massenverlustrate erhält man somit<br />

Wird die erste Ableitung des TGA-Signals<br />

als Funktion des Gewichtsanteils des Lösemittels<br />

aufgetragen, so lassen sich aus<br />

einem Fit dieser Kurve mit der Funktion<br />

gemäss Gl. 4 die Parameter k ·P vap und c<br />

bestimmen. Werden mehrere isotherme<br />

Messungen des Verdunstungsverhalten<br />

durchgeführt, lässt sich auch die Temperaturabhängigkeit<br />

der beiden Parameter


untersuchen. Für den Wechselwirkungsparameter<br />

wird dabei der Zusammenhang<br />

erwartetet. Dabei bedeutet W die Mischungsenthalpie<br />

des Systems, k ist die<br />

Boltzmannkonstante und T die Temperatur.<br />

Verdunsten begrenzt durch<br />

Diffusion<br />

In Gleichung 4 wird angenommen, dass<br />

die Abdampfrate der flüchtigen Komponente<br />

einzig durch deren Partialdruck<br />

gegeben ist. In einem DS kann die Abdampfrate<br />

der flüchtigen Komponente<br />

auch durch die Diffusion der flüchtigen<br />

Moleküle an die Oberfläche des DS begrenzt<br />

sein. In diesem Fall gilt gemäss<br />

dem Fick’schen Gesetz<br />

Dabei steht D für den Diffusionskoeffizienten<br />

im DS, der hier davon abhängig gemacht<br />

ist, ob das DS flüssig, gummiartig<br />

oder glasartig ist. A ist die Austauschfläche,<br />

dc/dr der Konzentrationsgradient im<br />

DS und a, a′ und a″ sind Konstanten, die<br />

der Abhängigkeit der Diffusion vom Volumen-<br />

bzw. Massenanteil der flüchtigen<br />

Komponente im DS Rechnung tragen.<br />

Besteht das DS wie im hier beschriebenen<br />

Fall aus Nanopartikeln, kann angenommen<br />

werden, dass der Konzentrationsgradient<br />

innerhalb der Partikel nach einer<br />

kurzen Zeit konstant ist. In diesem Fall<br />

ist die Gewichtsverlustrate proportional<br />

zum Diffusionskoeffizienten.<br />

Ergebnisse und Diskussion<br />

Im hier untersuchten DS wurde Romascone<br />

® in Nanopartikeln aus unterschiedlich<br />

vernetztem Vinylacetat gekapselt. Bei<br />

den Proben A und B wurde der Vernetzungsgrad<br />

so eingestellt, dass das DS im<br />

gummielastischen Zustand vorliegt. Bei<br />

Probe C wurden sehr stark vernetzte Nanopartikel<br />

verwendet. Dementsprechend<br />

lag das DS als Glas vor.<br />

Verdunsten von reinem<br />

Romascone ®<br />

In Abbildung 1 sind die isothermen TGA-<br />

Kurven von reinem Romascone ® bei verschiedenen<br />

Temperaturen dargestellt. Die<br />

Kurven zeigen, dass die Massenverlustraten<br />

für die verschiedenen Temperaturen<br />

zwar unterschiedlich sind, sich aber während<br />

des Experiments nicht verändern.<br />

Physikalisch bedeutet dies, dass die Abdampfrate<br />

ausschliesslich durch den<br />

temperaturabhängigen Dampfdruck des<br />

Duftstoffes bestimmt ist, der Abdampfvorgang<br />

somit durch Gl. 1 beschrieben<br />

werden kann. Werden die Steigungen<br />

dieser Kurven logarithmisch als Funktion<br />

der reziproken Temperatur in Kelvin<br />

aufgetragen (rote Kurve), so ergibt sich<br />

die auf Grund der Clausius-Clapeyron<br />

Gleichung erwartete Gerade.<br />

Verdunsten von Romascone ® aus<br />

einem gummiartigen DS<br />

Bei diesen Experimenten befand sich das<br />

DS im gummielastischen Zustand. Die<br />

Ergebnisse (vgl. Abbildung 2) zeigen, dass<br />

bei diesen Proben nach einer gewissen<br />

Zeit ein Knick in der TGA-Kurve auftritt<br />

(ausser bei der Messung bei 25 °C; hier<br />

war die Messzeit nicht ausreichend). Dieser<br />

Knick entsteht dann, wenn das Verdunsten<br />

durch die Transportprozesse im<br />

Polymer (Diffusion) begrenzt wird. Die<br />

Steigung der TGA-Kurven ist zudem auch<br />

vor dem Knick nicht mehr konstant.<br />

Gemäss Gleichung 4 ist die Verdunstungsrate<br />

(die Verdunstungsrate entspricht der<br />

Steigung der TGA-Kurve) abhängig vom<br />

Romascone ® -Anteil. Auf Grund der nach<br />

einer bestimmten Zeit noch vorhandenen<br />

Menge Romascone ® lässt sich die Verdunstungsrate<br />

als Funktion vom Romascone ® -<br />

Gewichtsanteil berechnen.<br />

Die entsprechenden Daten sind für die<br />

Messung bei 40 °C zusammen mit der<br />

„Best Fit“-Kurve gemäss Gleichung 4 in<br />

Abbildung 3 dargestellt.<br />

In der gleichen Abbildung wurden zudem<br />

die mit dem Fit gefundenen Werte für<br />

k ·P vap für die 3 Temperaturen (25 °C,<br />

40 °C und 70 °C) den entsprechenden<br />

Werten für das reine Romascone ® (berechnet<br />

aus den Steigungen der jeweiligen Ge-<br />

wichtsverlustkurven in Abbildung 1) gegenübergestellt.<br />

Es kann festgestellt werden,<br />

dass die Werte für k ·P vap für das<br />

DS systematisch tiefer sind als für das<br />

reine Romascone ® .<br />

Die Temperaturabhängigkeit des Wechselwirkungsparameters<br />

c ist für 2 verschiedene<br />

gummiartige DS in Abbildung<br />

4 aufgetragen. Die beiden Proben<br />

(Sample A und B) unterscheiden sich im<br />

Vernetzungsgrad der verwendeten Nanopartikel<br />

(Nanopartikel in Probe A sind<br />

stärker vernetzt, als die Nanopartikel in<br />

Probe B).<br />

Die Abbildung zeigt den mit zunehmender<br />

Temperatur erwarteten linearen Anstieg<br />

(vgl. Gl. 5).<br />

Abbildung 1:<br />

Verdunsten von<br />

reinem Romascone ®<br />

bei verschiedenen<br />

Temperaturen.<br />

Abbildung 2:<br />

Verdunsten von<br />

Romascone ® aus<br />

einem DS im gummielastischen<br />

Zustand<br />

bei verschiedenen<br />

Temperaturen.<br />

Abbildung 3:<br />

Gewichtsverlustrate<br />

von Romascone ®<br />

aus einem gummielatischen<br />

DS bei<br />

40 °C;<br />

eingefügtes Bild:<br />

Parameter k ·P vap<br />

für das DS und das<br />

reine Romascone ®<br />

bei verschiedenen<br />

Temperaturen.<br />

Abbildung 4:<br />

Temperaturabhängigkeit<br />

des Wechselwirkungsparameters.<br />

Die Steigung der<br />

Kurve beschreibt die<br />

Wechselwirkungsenergie<br />

zwischen Romascone<br />

® und dem<br />

Nanopolymer. Es<br />

zeigt sich, dass die<br />

Wechselwirkungsenergie<br />

zwischen den<br />

schwächer vernetzten<br />

Nanopartikeln<br />

und Romascone ®<br />

(Probe B) grösser ist<br />

als die zwischen dem<br />

stärker vernetzten DS<br />

und Romascone ® .<br />

METTLER TOLEDO <strong>User</strong><strong>Com</strong> 1/2007<br />

19


Applikationen<br />

Abbildung 5:<br />

Verdunsten von<br />

Romascone ® aus<br />

glasartigen polymerischenNanopartikeln.<br />

Abbildung 6:<br />

Verdunstung von<br />

Romascone ® aus<br />

einem glasartigen<br />

DS bei verschiedenenTemperaturen.<br />

Abbildung 7:<br />

Arrhenius-Diagramm<br />

für glasartige (rote<br />

Kurve) und gummielastische<br />

(blaue<br />

Kurve) DS. Die<br />

Aktivierungsenergie<br />

beträgt für beide DS<br />

etwa 17.2 kJ/g.<br />

20<br />

METTLER TOLEDO <strong>User</strong><strong>Com</strong> 1/2007<br />

Verdunsten von Romascone ® aus<br />

einem glasartigen DS<br />

Mit diesen Messungen wurde das Verdunsten<br />

von Romascone ® aus einem<br />

glasartigen DS untersucht. Die Ergebnisse<br />

der Messungen bei verschiedenen Temperaturen<br />

sind in Abbildung 5 dargestellt.<br />

Sie zeigt, dass sich das DS asymptotisch<br />

einer konstanten, temperaturabhängigen<br />

Zusammensetzung nähert.<br />

Dies bedeutet, dass in diesemDS ein<br />

Teil des Romascones ® im DS verbleibt,<br />

und nicht abgegeben wird. Die Gleichgewichtskonzentration<br />

wird allerdings<br />

innerhalb der Dauer des Experimentes<br />

nicht erreicht.<br />

Die Analyse der Daten gemäss dem Ansatz<br />

von Flory (Gl. 4) liefert unrealistische Werte<br />

für die unbekannten Parameter k ·P vap<br />

und c. Tatsächlich ist die Verdunstungsrate<br />

in diesem Fall praktisch von Anfang<br />

an durch die Diffusion der Romascone ® -<br />

Moleküle an die Oberfläche der Nanopartikel<br />

bestimmt, so dass das Abdampfverhalten<br />

des Duftstoffes durch Gl. 6<br />

beschrieben wird. Dementsprechend<br />

wird zwischen dem Logarithmus der Ab-<br />

dampfrate und dem Volumenanteil der<br />

flüchtigen Komponente ein linearer Zusammenhang<br />

erwartet.<br />

Die in Abbildung 6 dargestellten Ergebnisse<br />

zeigen, dass für die Beschreibung<br />

der Daten offensichtlich zwei Geraden<br />

mit unterschiedlichen Steigungen benötigt<br />

werden. Der Grund für dieses Verhalten<br />

liegt darin, dass Romascone ® als<br />

Weichmacher für die Nanopartikel wirkt.<br />

Abhängig vom Romascone ® -Anteil und<br />

der Temperatur befindet sich das DS entweder<br />

im Glas- oder Gummizustand, was<br />

zu den in der Abbildung eingetragenen<br />

unterschiedlichen Geraden führt: die blau<br />

eingezeichneten Geraden beschreiben die<br />

Daten für ein DS im gummielastischen<br />

Zustand, die rot eingetragenen Geraden<br />

die Daten für ein DS im Glaszustand.<br />

Der Glas- oder Gummizustand des DS<br />

hängt von dem aktuellen Romascone ® -<br />

Gewichtsanteil bei einer bestimmten<br />

Temperatur ab. Der Schnittpunkt einer<br />

roten und der entsprechenden blauen<br />

Geraden entspricht somit dem für die<br />

entsprechende Temperatur „kritischen“<br />

Romascone ® -Gewichtsanteil: oberhalb<br />

dieses Anteils ist das DS gummielastisch,<br />

unterhalb glasartig.<br />

Die Abbildung zeigt, dass bei hohen Temperaturen<br />

und hohen Romascone ® -Anteilen<br />

die Gewichtsverlustrate höhere Werte<br />

annimmt. Ebenso zeigt sich, dass die Diffusion<br />

von Romascone ® im glasigen DS<br />

deutlich langsamer ist als im gummielastischen<br />

DS.<br />

Die unterschiedlichen Steigungen bei den<br />

verschiedenen Temperaturen beschreiben<br />

demzufolge die Temperaturabhängigkeit<br />

des Diffusionskoeffizienten. Wird der<br />

Logarithmus der Steigungen aus Abbildung<br />

6 in Abhängigkeit von der reziproken<br />

Temperatur dargestellt, so ergeben<br />

sich die in Abbildung 7 gezeichneten<br />

Geraden. Der Verdunstungsprozess lässt<br />

sich somit gemäss<br />

als aktivierten Prozess verstehen. Hier<br />

steht a(T) für die Steigung der Gewichtsverlustkurve,<br />

E a ist die Aktivierungsenergie,<br />

R die Gaskonstante und T die Temperatur.<br />

Die blaue Gerade beschreibt das<br />

Verdunsten aus dem gummielastischen<br />

DS, die rote das Verdunsten aus dem glasartigen<br />

DS. Die beiden Geraden weisen in<br />

etwa die gleiche Steigung auf. Dies deutet<br />

darauf hin, dass die Aktivierungsenergie<br />

des Verdunstungsprozesses nicht vom Zustand<br />

des DS abhängt (gummielastisch<br />

oder glasartig), an dessen Oberfläche der<br />

Verdunstungsprozess stattfindet. Aus den<br />

Daten ergibt sich eine Aktivierungsenergie<br />

von etwa 17.2 kJ/g.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Mittels Thermogravimetrie lässt sich das<br />

Verdunsten von flüchtigen Substanzen<br />

aus Delivery Systemen (DS) untersuchen.<br />

Im Beispiel wurde das Verdunsten von<br />

Romascone ® aus auf vernetztem Vinylacetat<br />

basierenden Nanopartikeln untersucht.<br />

Wenn sich das DS im gummielastischen<br />

Zustand befindet, lässt sich das Verdunsten<br />

von Romascone ® mit der Flory Theorie<br />

beschreiben (Verdunsten ist durch<br />

die Volatilität der flüchtigen Substanz<br />

beschränkt).<br />

Befindet sich das DS im Glaszustand, so<br />

ist das Verdunsten durch die Diffusion der<br />

flüchtigen Substanz innerhalb der Nanopartikel<br />

limitiert und dauert entsprechend<br />

länger.<br />

Die hier beschriebene Methode ist einfach<br />

und erlaubt eine rasche Charakterisierung<br />

und Optimierung von Delivery<br />

Systemen.<br />

Literatur<br />

[1] L. Ouali, G. Léon, V. Normand,<br />

H. Johnsen, A. Dyrli, R. Schmid and<br />

D. Benczédi, Mechanism of<br />

Romascone ® Release from Hydrolized<br />

Vinyl Acetate Nanoparticles,<br />

Polymers for advanced Technologies,<br />

2006 (17), 45–52.


Tipps und Hinweise<br />

Abbildung 1:<br />

Trotz schwerer Probe<br />

(52 mg Aluminiumoxid-Pulver)<br />

und<br />

schnellerem Heizen<br />

(20 K/min) kann<br />

mit Hilfe einer Vergleichsprobe(Aluminiumoxid-Pulver)<br />

Rauschen und<br />

Steigung auf das<br />

Niveau zweier leerer<br />

Tiegel reduziert werden<br />

(rms-Rauschen<br />

< 0.5 uW, Steigung<br />

< 0.07 mW im gezeigtenTemperaturbereich).<br />

Kleine Probeneffekte im DSC einfacher aufspüren<br />

und auswerten<br />

Marco Zappa<br />

Um sehr kleine Probeneffekte mit DSC zu messen, werden häufig grosse<br />

Probenmassen verwendet. Trotz grosser Masse können diese kleinen<br />

Effekte jedoch oft nur schwer entdeckt und unbefriedigend ausgewertet<br />

werden. Die Ursache dafür liegt in der hohen Wärmekapazität<br />

einer schweren Probe selbst, denn sie vergrössert das Rauschen der<br />

Messgrösse und die Steigung der DSC-Kurve. Rauschen und Steigung<br />

können reduziert werden, indem neben der Probe eine so genannte Vergleichsprobe<br />

im Referenztiegel verwendet wird, welche die Wärmekapazität<br />

der Probe während der Messung kompensiert. Das Resultat sind<br />

eindeutig erkennbare Probeneffekte und einfache Auswertungen dank<br />

gutem Signal/Rausch-Verhältnis und einer flachen DSC-Kurve.<br />

Signal/Rausch-Verhältnis steigern<br />

– Steigung der DSC-Kurve<br />

reduzieren<br />

Je unterschiedlicher die Wärmeströme<br />

zwischen Referenz- und Probenseite ausserhalb<br />

eines thermischen Ereignisses<br />

sind, desto grösser werden naturgemäss<br />

das Rauschen und die Steigung der<br />

DSC-Kurve. Die unterschiedlichen Wärmeströme<br />

sind bedingt durch die thermische<br />

Asymmetrie zwischen Probe und<br />

Referenz aufgrund der Wärmekapazität<br />

der Probe selbst. Diese Asymmetrie wird<br />

umso grösser, je schwerer die Probe und<br />

je höher ihre spezifische Wärmekapazität<br />

ist und je schneller geheizt bzw. gekühlt<br />

wird. Mit entsprechender Vergleichsprobe<br />

wird die ungleiche Wärmekapazität aus-<br />

geglichen und das Wärmestromsignal ist<br />

ausserhalb von thermischen Effekten der<br />

Probe im Idealfall null. Rauschen und<br />

Steigung werden somit auf ein Mass reduziert,<br />

wie es bei leeren Probe- und Referenztiegeln<br />

auftritt (siehe Abbildung 1).<br />

Wie wird kompensiert?<br />

Im Allgemeinen besteht die Referenz aus<br />

einem mit dem Probentiegel identischen<br />

leeren Tiegel. Die Referenz kann jedoch<br />

den Probeneigenschaften angepasst werden,<br />

um eine bessere thermische Symmetrie,<br />

d.h. ähnliche Wärmekapazitäten<br />

mit ähnlicher Temperaturabhängigkeit<br />

auf Proben- und Referenzseite zu erzeugen.<br />

Dies wird erreicht, indem eine<br />

Vergleichsprobe mit einer der zu vermes-<br />

senden Probe äquivalenten thermischen<br />

Masse in den Referenztiegel gefüllt wird.<br />

Die Kompensation der Wärmekapazität<br />

der Probe durch die Vergleichsprobe erfolgt<br />

gemäss:<br />

Die Masse der Probe m S multipliziert<br />

mit ihrer spezifischen Wärmekapazität<br />

c pS soll also möglichst gleich der spezifischen<br />

Wärmekapazität der Vergleichsprobe<br />

c pR multipliziert mit ihrer Masse<br />

m R sein.<br />

Beispiel:<br />

Es gilt die Wärmekapazität einer Polystyrol-Probe<br />

(30.0 mg) mittels Aluminiumoxid-Pulver<br />

auf der Referenzseite<br />

zu kompensieren.<br />

Probe:<br />

Polystyrol, m S = 30 mg,<br />

c p = 1.17 J/(g.K) (bei Raumtemperatur)<br />

Vergleichsprobe:<br />

Aluminiumoxid-Pulver, m R,<br />

c p = 0.78 J/(g.K) (bei Raumtemperatur)<br />

Die Rechnung erfolgt gemäss (1):<br />

30.0 mg * 1.17 J/(g.K) = m R * 0.78 J/(g.K)<br />

Es ergibt sich eine Masse der Vergleichsprobe<br />

von m R = 45.3 mg.<br />

Die ideale Vergleichsprobe<br />

• weist keine thermischen Effekte und<br />

keine Unstetigkeiten in der spezifischen<br />

Wärmekapazität im untersuchten<br />

Temperaturbereich auf.<br />

• zeigt keinerlei Reaktionen mit dem<br />

Tiegelmaterial und der Atmosphäre<br />

(insbesondere nicht im Temperaturbereich<br />

der Probenumwandlung).<br />

• ist einfach zu dosieren (z.B. Pulver<br />

oder Flüssigkeiten).<br />

• besitzt im Fall von Flüssigkeiten einen<br />

höheren Schmelz- und Siedepunkt als<br />

die Probe selbst. Hier empfiehlt es sich,<br />

mit hermetisch verschlossenen Tiegeln<br />

METTLER TOLEDO <strong>User</strong><strong>Com</strong> 1/2007 21


Tipps und Hinweise<br />

Abbildung 2:<br />

Denaturierung<br />

von Proteinen: der<br />

endotherme Peak<br />

mit Peakhöhe von<br />

nur 6 uW ist mit<br />

Vergleichsprobe<br />

trotz sehr kleiner<br />

Proteinkonzentration<br />

(0.1 Massen%)<br />

deutlich zu erkennen.<br />

Ohne Vergleichsprobe<br />

hingegen ist<br />

der Peak fraglich,<br />

obwohl die Steigung<br />

der DSC-Kurve rechnerisch<br />

noch ausgeglichen<br />

wurde.<br />

Abbildung 3:<br />

Epoxidharz-Kohlefaser-Verbundwerkstoffe:<br />

die sehr<br />

schwachen Glasübergänge<br />

bleiben<br />

in einer nicht-kompensierten<br />

Messung<br />

beinahe unentdeckt<br />

und ihr Nachweis<br />

würde gemäss<br />

Expertenmeinung<br />

im Rahmen eines<br />

Gutachtens in<br />

dieser Form nicht<br />

als ausreichend<br />

beurteilt. Eindeutig<br />

sind hingegen die<br />

Glasübergänge mit<br />

Vergleichsprobe.<br />

22<br />

•<br />

METTLER TOLEDO <strong>User</strong><strong>Com</strong> 1/2007<br />

oder unter Druck zu arbeiten, um das<br />

Verdampfen der Vergleichsprobe und<br />

der Probe selbst zu unterdrücken.<br />

weist bezüglich der Temperaturabhängigkeit<br />

ihrer spezifischen Wärmekapazität<br />

ein bekanntes Verhalten auf<br />

(idealerweise das gleiche Verhalten<br />

wie die Probe selbst).<br />

Als gängiges Material für Vergleichsproben<br />

eignet sich beispielsweise getrocknetes<br />

α-Aluminiumoxid-Pulver (c p (25 °C) =<br />

0.78 J/(g.K)). Für verdünnte wässrige Lösungen<br />

(z.B. Zucker-, Stärke- oder Proteinlösungen<br />

etc.) kann Wasser bzw. eine<br />

geeignete Pufferlösung (c p (25 °C) =<br />

4.18 J/(g.K)) als Vergleichsprobe verwendet<br />

werden. Bei hochgefüllten Materialien<br />

wird am besten der Füllstoff selbst<br />

als Vergleichsprobe verwendet.<br />

Für höchste Ansprüche an die Genauigkeit<br />

wird empfohlen, die Temperatur und<br />

den Wärmestrom mit der Vergleichsprobe<br />

im Proben- und Referenztiegel zu justieren.<br />

Verdünnte Protein-Lösung:<br />

Denaturierung eindeutig nachweisen<br />

Die Wärmekapazitäts-Kompensation<br />

mit Vergleichsprobe erhöht das Signal/<br />

Rausch-Verhältnis derart, dass beispielsweise<br />

Studien an Proteinen in stark verdünnten<br />

Lösungen möglich werden. Abbildung<br />

2 zeigt, dass der sehr schwache<br />

endotherme Peak der Denaturierung von<br />

Lysozym-Proteinen in Lösung bei einer<br />

Massenkonzentration von bloss 0.1% problemlos<br />

nachgewiesen werden kann, wenn<br />

eine Vergleichsprobe verwendet wird. Wer-<br />

den die 105 mg Probemasse hingegen<br />

nicht kompensiert, kann ein Denaturierungspeak<br />

nicht mehr mit Sicherheit detektiert<br />

werden.<br />

Glasübergänge überzeugend<br />

auswerten<br />

Mit Fasern verstärkte Verbundwerkstoffe<br />

besitzen meist nur noch einen kleinen<br />

Anteil an Matrixharz und zeigen somit<br />

einen sehr schwach ausgeprägten Glasübergang.<br />

Dieser kann aufgrund der<br />

starken Steigung der DSC-Kurve oft nicht<br />

überzeugend ausgewertet werden. Die<br />

grosse Steigung ist in diesem Falle bedingt<br />

durch eine relativ grosse Temperaturabhängigkeit<br />

der spezifischen Wärmekapazität.<br />

Die Bestimmung des Glasübergangs kann<br />

in diesem Fall vereinfacht werden, indem<br />

Kohlefasern selbst als Vergleichsprobe<br />

eingesetzt werden. Der Vorteil gegenüber<br />

Aluminiumoxid-Pulver als Vergleichsprobe<br />

ist, dass die Kohlefasern die gleiche<br />

Temperaturabhängigkeit der spezifischen<br />

Wärmekapazität haben wie ein Grossteil<br />

der Probe selbst. Die Steigung wird somit<br />

optimal reduziert und der Glasübergang<br />

eindeutig erkennbar.<br />

Zusammenfassung<br />

Wärmekapazitäts-Kompensation mittels<br />

Vergleichsprobe im Referenztiegel ist<br />

eine einfache und wirkungsvolle Methode,<br />

um das Rauschen der Messgrösse und<br />

die Steigung der DSC-Kurve zu minimieren.<br />

Dies ist dann hilfreich, wenn sehr<br />

schwache thermische Effekte in grossen<br />

Probemassen mit eventuell hohen Heizraten<br />

untersucht werden, welche naturgemäss<br />

Rauschen und Steigung vergrössern.<br />

Vermindertes Rauschen ist gleichzusetzen<br />

mit erhöhter Sensorempfindlichkeit,<br />

und verminderte Steigung erlaubt<br />

schwache Effekte eindeutig zu ermitteln<br />

und überzeugend auszuwerten.<br />

Die Messungen zeigen, dass beispielsweise<br />

die Denaturierung in hochverdünnten<br />

Protein-Lösungen und schwache Glasübergänge<br />

in hochverstärkten Kohlefaser-Verbundwerkstoffen<br />

nur dank Kompensation<br />

zuverlässig aufgespürt werden<br />

können.


Daten<br />

TA-<br />

Kundenkurse<br />

und Seminare<br />

in Deutschland<br />

Cours et<br />

séminaires<br />

d’Analyse<br />

Thermique en<br />

France<br />

Cursos y<br />

Seminarios<br />

de TA<br />

en España<br />

Exhibitions, Conferences and Seminars – Veranstaltungen, Konferenzen und Seminare<br />

European Polymer Congress 2007 July 2-6, 2007 Portoroz, Slovenia<br />

12 th International Congress on the<br />

Chemistry of Cement July 8-13, 2007 Montreal, Canada<br />

Federated Society for Coatings, Coating Woods<br />

and Wood <strong>Com</strong>posites for Durability Symposium July 23-25, 2007 Seattle, WA, USA<br />

NATAS 2007 August 26-29, 2007 State University, Lansing, MI, USA<br />

AIM XVIII Convegno Italiano di Scienza e<br />

Tecnologia delle Macromolecole September 16-20, 2007 Catania, Italy<br />

BAKELAND Thermosets 2007<br />

(www.baekeland2007.be) September 23-26, 2007 Ghent, Belgium<br />

ILMAC 2007 September 25-28, 2007 Basel, Switzerland<br />

MEDICTA 2007. The 8 th Mediterranean Con-<br />

ference on Calorimetry and Thermal Analysis September 25-29, 2007 Palermo, Italy<br />

PhandTA10 October 22-24, 2007 Monte Verità, Ascona, Switzerland<br />

K 2007 October 24-31, 2007 Düsseldorf, Germany<br />

International and Swiss TA Customer Courses:<br />

TA Customer Courses and Seminars in Switzerland - Information and Course Registration:<br />

TA-Kundenkurse und Seminare in der Schweiz - Auskunft und Anmeldung:<br />

Ms Esther Andreato, <strong>Mettler</strong>-<strong>Toledo</strong> AG, Analytical, Schwerzenbach,<br />

Tel: ++41 44 806 73 57, Fax: ++41 44 806 72 60, e-mail: esther.andreato@mt.com<br />

Courses / Kurse<br />

SW Basic (Deutsch) 17. September, 2007 SW Basic (English) September 24, 2007<br />

TMA (Deutsch) 17. September, 2007 TMA (English) September 24, 2007<br />

DMA Basic (Deutsch) 17. September, 2007 DMA Basic (English) September 24, 2007<br />

DMA Advanced (Deutsch) 18. September, 2007 DMA Advanced (English) September 25, 2007<br />

TGA (Deutsch) 18. September, 2007 TGA (English) September 25, 2007<br />

TGA-MS (Deutsch) 19. September, 2007 TGA-MS (English) September 26, 2007<br />

DSC Basic (Deutsch) 19. September, 2007 DSC Basic (English) September 26, 2007<br />

DSC Advanced (Deutsch) 20. September, 2007 DSC Advanced (English) September 27, 2007<br />

TGA-FTIR (Deutsch) 20. September, 2007 TGA-FTIR (English) September 27, 2007<br />

SW Advanced (Deutsch) 21. September, 2007 SW Advanced (English) September 28, 2007<br />

Local TA Customer Courses:<br />

Für nähere Informationen wenden Sie sich bitte an: Frau Petra Fehl, <strong>Mettler</strong>-<strong>Toledo</strong> GmbH, Giessen,<br />

Tel: ++49 641 507 404, e-mail: petra.fehl@mt.com<br />

Anwenderworkshop DSC 04./05.09.2007 Giessen<br />

Renseignements et inscriptions par: Christine Fauvarque, <strong>Mettler</strong>-<strong>Toledo</strong> S.A., 18-20 Av. de la pépinière,<br />

78222 Viroflay Cedex, Tél: ++33 1 3097 1439, Fax: ++33 1 3097 1660<br />

Séminaires Analyses Thermique (gratuit)<br />

Paris (ESPCI) 6 juin 2007 Laboratoire Physique Thermique<br />

Toulouse (Université Paul Sabatier) 18 septembre 2007 IMRCP<br />

Lille 24 septembre 2007<br />

Cours clients<br />

Principe de la TMA/DMA 1 octobre 2007 Viroflay (France) Principe de la TGA 4 octobre 2007 Viroflay (France)<br />

Principe de la DSC : les bases 2 octobre 2007 Viroflay (France) Logiciel STAR e : perfectionnem. 5 octobre 2007 Viroflay (France)<br />

Principe de la DSC : perfectionnem. 3 octobre 2007 Viroflay (France)<br />

Para detalles acerca de los cursos y seminarios, por favor, contacte con: Francesc Catala, <strong>Mettler</strong>-<strong>Toledo</strong> S.A.E.,<br />

Tel: ++34 93 223 76 00, e-mail: francesc.catala@mt.com<br />

Aplicaciones del Análisis Térmico Octubre, 3 de 2007 Barcelona Octubre, 9 de 2007 Madrid<br />

Uso del sistema STAR e Octubre, 4 de 2007 Barcelona Octubre, 10 de 2007 Madrid<br />

METTLER TOLEDO <strong>User</strong><strong>Com</strong> 1/2006 23


Corsi e<br />

Seminari<br />

di Analisi<br />

Termica in<br />

Italia<br />

TA Customer<br />

Courses<br />

and Seminars<br />

in the UK<br />

TA Customer<br />

Courses<br />

and Seminars<br />

in Singapore<br />

TA School<br />

and Seminars<br />

in Korea<br />

TA Seminars<br />

and Trade<br />

Shows<br />

in Japan<br />

Editorial team<br />

Dr. J. Schawe Dr. R. Riesen J. Widmann Dr. M. Schubnell Dr. M. Wagner Dr. D. P. May Ni Jing Marco Zappa Urs Jörimann<br />

Physicist Chem. Engineer Chem. Engineer Physicist Chemist Chemist Chemist Material Scientist Electr. Engineer<br />

<strong>Mettler</strong>-<strong>Toledo</strong> AG, Analytical<br />

Postfach, CH-8603 Schwerzenbach<br />

Tel. ++41 44 806 73 87<br />

Fax ++41 44 806 72 60<br />

Kontakt: urs.joerimann@mt.com<br />

© 05/2007 <strong>Mettler</strong>-<strong>Toledo</strong> AG<br />

ME-51724545, Gedruckt in der Schweiz<br />

Mar<strong>Com</strong> Analytical<br />

Per ulteriori informazioni Vi preghiamo di contattare: Simona Ferrari, <strong>Mettler</strong>-<strong>Toledo</strong> S.p.A.,<br />

Novate Milanese, Tel: ++39 02 333 321, Fax: ++39 02 356 2973,<br />

e-mail: simona.ferrari@mt.com<br />

DSC base 12 Giugno 2007 25 Settembre 2007 Novate Milanese<br />

DSC avanzato 13 Giugno 2007 26 Settembre 2007 Novate Milanese<br />

TGA 14 Giugno 2007 27 Settembre 2007 Novate Milanese<br />

TMA 15 Giugno 2007 28 Settembre 2007 Novate Milanese<br />

For details of training courses and seminars, please contact: Rod Bottom,<br />

<strong>Mettler</strong>-<strong>Toledo</strong> Ltd, Leicester, Tel: ++44 116 234 5025, Fax: ++44 116 236 5500,<br />

e-mail: rod.bottom@mt.com<br />

DSC BASIC September 25, 2007 Leicester<br />

For details of training courses and seminars, please contact: Bryan Yiew,<br />

<strong>Mettler</strong>-<strong>Toledo</strong> (S) Pte Ltd, 28 Ayer Rajah Crescent, #05 - 01, Singapore 139959<br />

Tel: +65-68900011, Fax: +65-68900012, e-mail: bryan.yiew@mt.com<br />

DSC BASIC August 2007 November 2007 Singapore<br />

For details of training courses and seminars, please contact:<br />

KiHun Lee at <strong>Mettler</strong>-<strong>Toledo</strong> Korea, Tel: ++82 2 3498 3500, e-mail: kihun.lee@mt.com,<br />

Homepage: www.kr.mt.com<br />

TA Public Seminar in 2007 October 2007 Seoul<br />

October 2007 Ulsan<br />

For details of seminars, please contact: Tomoko Wakabayashi, <strong>Mettler</strong>-<strong>Toledo</strong> KK,<br />

3-8 Sanbancho, Chiyoda-ku, Tokyo 102-0075, Japan<br />

Tel: +81-3-3222-7164, Fax: +82-3-3222-7124, e-mail: tomoko.wakabayashi@mt.com<br />

TA Seminar July 2007 Sendai, Tsukuba, Sapporo,<br />

Shizuoka, Tokushima, Ube,<br />

Fukuoka<br />

MT Forum July 2007 Tokyo<br />

JAIMA Show August 2007 Makuhari<br />

TA Annual Meeting October 2007 Sapporo<br />

For further information regarding meetings, products or applications, please contact your<br />

local METTLER TOLEDO representative and visit our home page at http://www.mt.com<br />

www.mt.com/ta<br />

Für mehr Informationen

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!