Lothar Baumgarten Seven Sounds / Seven Circles KUB 09.02
Lothar Baumgarten Seven Sounds / Seven Circles KUB 09.02
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<strong>Lothar</strong> <strong>Baumgarten</strong><br />
Nachtflug | 19 6 8 – 6 9<br />
In Projekten, die historische Phänomene der Namensgebung thematisieren<br />
(Am e r i c A Invention [1985 – 88], Guggenheim Museum,<br />
1993), und Werken, welche die Funktion von Karten in ihrer Repräsentanz<br />
tatsächlich existierender Gegenden (Nachtflug [1968 – 69])<br />
zum Gegenstand haben, hinterfragt <strong>Lothar</strong> <strong>Baumgarten</strong> konsequent<br />
die Logik, die den Denkmustern und Repräsentationssystemen<br />
der westlichen Welt zugrunde liegt – das Selbst / das Andere, das<br />
Sehende / das Gesehene und Natur / Kultur –, und untersucht die<br />
diskursiven und kontextuellen Orte, an denen sich diese manifestiert.<br />
Neben dem Studium an der Kunstakademie Düsseldorf<br />
beginnt <strong>Baumgarten</strong> in den späten 1960er-Jahren seine Auseinandersetzung<br />
mit dem Werk des Anthropologen Claude Lévi-Strauss.<br />
Ein sich durch die gesamten Schriften Lévi-Strauss’ ziehender<br />
methodischer Leitfaden ist die Antithetik von Kultur und Natur, ein<br />
Gegensatzpaar, das auch in <strong>Baumgarten</strong>s frühen künstlerischen<br />
Arbeiten Bedeutung hat. Statt jedoch in entfernte Regionen aufzubrechen,<br />
prüft <strong>Baumgarten</strong> die Gültigkeit dieses Gegensatzes<br />
– die scheinbar wechselseitige Ausschließlichkeit der Begriffe –<br />
in einem kleinen, in der Nähe des Rheins gelegenen bewaldeten<br />
Dreieck, sozusagen direkt vor seiner Haustür.<br />
Es ist der Beginn der frühen künstlerischen Experimente<br />
<strong>Baumgarten</strong>s, als er mit ephemeren Materialien in Außensituationen<br />
ortsspezifische Interventionen realisiert. Er belässt die Umgebung,<br />
wie er sie vorfindet, oder modifiziert sie leicht, um ihre mimetische<br />
Gegebenheit aufzuzeigen: In Äskulap (1971) zum Beispiel mutet ein<br />
Schlauch wie eine Schlange an, oder ein Ast; in Verlorene Früchte<br />
(1969) evozieren Schuhspanner Pilze oder Lilien. Angesichts des<br />
temporären Charakters der Arbeiten werden sie unmittelbar fotografisch<br />
zum Bild geführt und später mit dem Titel Kultur-Natur,<br />
Manipulierte Realität (1968 – 72) versehen. In diesen »Manipulationen«<br />
der Realität werden Natur und Kultur in eine differentielle<br />
Beziehung zueinander gesetzt: Indem unsere Wahrnehmung zwischen<br />
dem, was wir sehen, dem, was wir nicht sehen, sowie dem,<br />
was wir sehen wollen, hin und her pendelt, scheinen die Grenzen<br />
der Validität des Gegensatzpaares Natur und Kultur auf. Diese<br />
Aktivitäten und die in sie eingeflossenen Denkprozesse kulminieren<br />
in dem 16-mm-Film Der Ursprung der Nacht (1973 – 78), einer<br />
scheinbar »exotischen« Tropenreise, die, wie sich herausstellt,<br />
in Wirklichkeit jedoch dem Flusslauf des Rheins folgt.<br />
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