RUDOLF STEINER UND DIE ANTHROPOSOPHIE

RUDOLF STEINER UND DIE ANTHROPOSOPHIE RUDOLF STEINER UND DIE ANTHROPOSOPHIE

04.07.2013 Aufrufe

94 Generalsekretär der Theosophischen Gesellschaft Sie benötigen von Oleott eine Stiftungsurkunde, damit die Deutsche Sektion der Theosophischen Gesellschaft unter internationaler Anerkennung ihre Arbeit aufnehmen kann. Am 20. Oktober überreicht Annie Besant die von Oleott unterschriebene Stiftungs- und Ernennungsurkunde zum Generalsekretär an Rudolf Steiner in Berlin. Marie von Sivers wird seine Sekretärin. Rund fünfzig Delegierte aus zehn theosophischen Logen Deutschlands und der Schweiz sind anwesend. Im Zusammenhang mit dieser Gründungsversammlung der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft findet sich ein bemerkenswertes Faktum, auf das z.B. Gerhard Wehr aufmerksam macht. Es ist die Tatsache, «daß der soeben zum Generalsekretär berufene Rudolf Steiner die noch im Gang befindliche Gründungsveranstaltung für kurze Zeit verläßt, um im Klub der 'Kommenden' den ebenfalls für diesen Tag vereinbarten dritten Vortrag der Reihe Von Zarathustra zu Nietzsche mit dem Untertitel eine Anthroposophie zu halten, während Marie von Sivers die stattliche Anzahl der Gäste in ihrer Wohnung bewirtet (...) durch diesen 'anthroposophischen' Vortrag ist signalisiert, daß Rudolf Steiner gesonnen ist, aus dem ihm zugänglichen eigenen Erkenntnisgut zu schöpfen» (Wehr 1993,170). Dennoch lassen sich Rudolf Steiner und Marie von Sivers von Annie Besant in die von Helena Petrovna Blavatsky gegründete «Esoterische Schule» der Adyar Theosophischen Gesellschaft einfuhren. Es ist der enge Kreis derer, die - wie Wehr es formuliert - an ihrer «Selbstverwirklichung» arbeiten und sich in den Dienst der «großen spirituellen Menschheitsaufgabe» stellen - eine Art Geheimbund nach freimaurerischem Vorbild. Ab 1904 wird Steiner selber eine leitende Funktion innerhalb der «Esoterischen Schule» einnehmen und ab 1905 «esoterische Stunden» halten (vgl. Wehr 1993,171). Der Aufnahme-Eid, den neue Mitglieder zu leisten haben, lautet wie folgt (in der von Annie Besant formulierten Fassung): «1. Ich beherzige die 3 Zwecke der Theosophischen Gesellschaft (siehe das unter dem Jahr 1888 Ausgeführte; L. G.).

Generalsekretär der Theosophischen Gesellschaft 95 2. Ich bin überzeugt von der Wahrheit der Hauptlehren der esoterischen Philosophie, d.h. der Existenz einer Einheit, von der alles abstammt, dem Gesetz der Periodizität, der Identität des Geistes im Menschen mit dem universellen Geist, der Reinkarnation, des Karma, der Existenz einer Großen Bruderschaft. 3. Ich wünsche Mitglied der Esoterischen Schule zu werden, um mein Leben zu reinigen und zu vergeistigen, um ein nützlicher Diener der Menschheit zu werden. 4. Ich halte es fur erwiesen, daß Helena Petrovna Blavatsky im Besitz eines Wissens ist, welches ihre Mission als Abgesandter der Großen Bruderschaft bescheinigt, und daß diese Schule, die sie gegründet hat, daher unter dem Schutz der Großen Bruderschaft steht. 5. Ich anerkenne Annie Besant als ihren Nachfolger als Chef dieser Schule unter der Leitung der Meister und als ihren Abgesandten, den sie ernannt haben, um die Ziele zu erreichen» (Miers 1986,135). Die Mitglieder der «Großen Bruderschaft», die «Meister» oder «Mahatmas», deren «Schutz» sich auch Steiner nun unterstellt, sind laut dem Lexikon des Geheimwissens «die unbekannten und anonymen Autoritäten, auf die sich okkulte Bewegungen seit Gründung der Adyar-T(heosophischen) G(esellschaft) beziehen, um ihre Lehren zu rechtfertigen (...) Zur Zeit von H. P. Blavatsky wurde behauptet, die Meister wohnten in Shigatse in Tibet; dorthin gerichtete Expeditionen hatten jedoch keinen Erfolg. Danach wurde erklärt, die Meister hätten normalerweise ja nicht den Körper eines Menschen und wären außerdem nur dem hellsichtigen Auge zu erkennen. Höchstes Ziel des Theosophen, der der E(soterischen) S(chule) angehört, ist es, mit einem Meister in mentalen oder gar persönlichen Kontakt zu kommen und als Schüler angenommen zu werden... Nach Blavatskys Erklärungen haben die M(eister) eine fast göttl(iche) Einsicht und Macht; sie können die Gedanken aller Menschen lesen und sie in jeder beliebigen Entfernung beein-

Generalsekretär der Theosophischen Gesellschaft 95<br />

2. Ich bin überzeugt von der Wahrheit der Hauptlehren der<br />

esoterischen Philosophie, d.h. der Existenz einer Einheit,<br />

von der alles abstammt, dem Gesetz der Periodizität, der<br />

Identität des Geistes im Menschen mit dem universellen<br />

Geist, der Reinkarnation, des Karma, der Existenz einer<br />

Großen Bruderschaft.<br />

3. Ich wünsche Mitglied der Esoterischen Schule zu werden,<br />

um mein Leben zu reinigen und zu vergeistigen, um ein<br />

nützlicher Diener der Menschheit zu werden.<br />

4. Ich halte es fur erwiesen, daß Helena Petrovna Blavatsky<br />

im Besitz eines Wissens ist, welches ihre Mission als Abgesandter<br />

der Großen Bruderschaft bescheinigt, und daß<br />

diese Schule, die sie gegründet hat, daher unter dem Schutz<br />

der Großen Bruderschaft steht.<br />

5. Ich anerkenne Annie Besant als ihren Nachfolger als Chef<br />

dieser Schule unter der Leitung der Meister und als ihren<br />

Abgesandten, den sie ernannt haben, um die Ziele zu erreichen»<br />

(Miers 1986,135).<br />

Die Mitglieder der «Großen Bruderschaft», die «Meister»<br />

oder «Mahatmas», deren «Schutz» sich auch Steiner nun<br />

unterstellt, sind laut dem Lexikon des Geheimwissens «die unbekannten<br />

und anonymen Autoritäten, auf die sich okkulte Bewegungen<br />

seit Gründung der Adyar-T(heosophischen)<br />

G(esellschaft) beziehen, um ihre Lehren zu rechtfertigen (...)<br />

Zur Zeit von H. P. Blavatsky wurde behauptet, die Meister<br />

wohnten in Shigatse in Tibet; dorthin gerichtete Expeditionen<br />

hatten jedoch keinen Erfolg. Danach wurde erklärt, die Meister<br />

hätten normalerweise ja nicht den Körper eines Menschen<br />

und wären außerdem nur dem hellsichtigen Auge zu erkennen.<br />

Höchstes Ziel des Theosophen, der der E(soterischen)<br />

S(chule) angehört, ist es, mit einem Meister in mentalen oder<br />

gar persönlichen Kontakt zu kommen und als Schüler angenommen<br />

zu werden...<br />

Nach Blavatskys Erklärungen haben die M(eister) eine fast<br />

göttl(iche) Einsicht und Macht; sie können die Gedanken aller<br />

Menschen lesen und sie in jeder beliebigen Entfernung beein-

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