RUDOLF STEINER UND DIE ANTHROPOSOPHIE
RUDOLF STEINER UND DIE ANTHROPOSOPHIE
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60 Wiener Jahre<br />
1889: Erste Nietzsche-Lektüre. Eduard von<br />
Hartmann<br />
Durch die Inthronisation des autonomen Menschen und die Absage<br />
an einen persönlichen Gott war Steiners Weg zu Friedrich<br />
Nietzsche vorbereitet. Im Jahre 1889 kommt er zum ersten Mal<br />
mit dem «Zermalmer» in Kontakt: Er liest Nietzsches Werk<br />
«Jenseits von Gut und Böse». Sein erster Eindruck ist zwiespältig:<br />
«Ich war (...) von dieser Betrachtungsart zugleich gefesselt<br />
und wieder zurückgestoßen. Ich konnte schwer mit<br />
Nietzsche zurecht kommen. Ich liebte seinen Stil, ich liebte seine<br />
Kühnheit; ich liebte aber durchaus die Art nicht, wie Nietzsche<br />
über die tiefsten Probleme sprach, ohne im geistigen Erleben<br />
mit der Seele bewußt in sie unterzutauchen» (636,139).<br />
Mit Nietzsche und seinem Einfluß auf Steiner werden wir uns<br />
an anderer Stelle ausführlicher befassen.<br />
1889 lernt Steiner bei einer Reise nach Berlin den Philosophen<br />
Eduard von Hartmann persönlich kennen. Er steht mit<br />
ihm bereits seit September 1884 im Briefwechsel, als er ihm<br />
den ersten von ihm herausgegebenen Band von Goethes «Naturwissenschaftlichen<br />
Schriften» mit der Bitte um eine Rezension<br />
zugesandt hat. Am 21.12.1886 beispielsweise schrieb er<br />
an Hartmann: «Immer mehr befestigt sich in mir die Überzeugung,<br />
daß ich mit meiner Gedankenrichtung ganz im Sinne<br />
Ihrer Philosophie wirke (...) Ich sehe das Große und Bedeutsame<br />
Ihrer Philosophie (darin), daß Sie - namentlich in der Geschichtsphilosophie<br />
- zwei Dinge vereinigen, die immer irrigerweise<br />
für unvereinbar gehalten werden: empirische Methode<br />
und idealistisches Forschungsresultat. Deshalb muß ich<br />
auch unbedingt zugestehen, daß ich Ihren konkreten Idealismus<br />
in Geschichte und Ästhetik für die für mich denkbar vollkommenste<br />
Entwicklungsstufe der Philosophie ansehe» (38,145).<br />
Hartmann war durch seine «Philosophie des Unbewußten»<br />
bekannt geworden, in der er - Jahrzehnte vor Sigmund Freud<br />
und in Anknüpfung an Hegel - das absolute Unbewußte als<br />
übergreifende Einheit und Quelle des Weltwesens betrachtete<br />
und die Entfaltung dieses Unbewußten vom Materiellen bis zu